Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
vorgelegt von:
Sven Golob, B.A.
deutsch-französischer integrierter Masterstudiengang Politikwissenschaft
Matrikel-Nr.: 333 939
Heranführung
Die Exkursion zum Automobilzulieferer Faurecia in Neuburg a.d. Donau erwies sich aus
organisationssoziologischer Perspektive als interessanter Einblick in die innere
Funktionsweise einer Produktionsanlage auf höchstem technologischen Stand.
Insbesondere die Just-in-Sequence-Produktion der Sitzeinheiten, die direkt an den OEM,
die Audi AG in Ingolstadt, geliefert werden, soll in diesem Resumée einer genauen Analyse
unterzogen werden. Es stellt sich hierbei die Frage, inwiefern die Flexibilisierung der
Produktionsweisen und der Logistik zwischen Zulieferer und OEM zu einer
Flexibilisierung der Arbeit im Zuliefererbetrieb führen.
I. Die Just-in-Sequence-Produktion
Die Just-in-Sequence-Produktion ist eine Weiterentwicklung des bereits bekannten Just-
in-Time-Prinzips, bei dem benötigte Materialien zum richtigen Zeitpunkt in ausreichender
Menge am Einsatzort vorhanden sollen. Die JIS-Produktion erfordert nun eine weitere
Komponente, nämlich die richtige Reihenfolge der zu verbauenden Teile 1. Dabei ist eine
zeitlich geringe Vorlaufzeit für die Produktion eine zusätzliche Schwierigkeit für den
Zulieferer. Bei gleichbleibender Qualität müssen binnen kürzester Zeit und unter
Einberechnung von Ausfällen, Materialengpässen und einer möglichst flexiblen
Arbeitskapazität die individuellen Wünsche des OEM, bzw. seiner Kunden erfüllt und
fristgerecht am Band der Endmontage angeliefert werden. Die eingesparten
Lagerkapazitäten durch die Kombination von Just-in-Time (JIT) bei den eigenen
Lieferanten und der Just-in-Sequence (JIS) im Verhältnis zum OEM ermöglichen es zwar,
Kosten zu senken. Die flexibilisierte Produktion verlangt aber auch eine akribische
Qualitätskontrolle und eine stete Weiterbildung der Arbeitnehmer, deren
Arbeitsverhältnisse zunehmend ebenfalls flexiblen Formen entsprechen. So beschäftigte
Faurecia vor Ausbruch der Krise im Automobilsektor bis zu 40 % seiner Belegschaft über
Zeitarbeitsverhältnisse2.
Wichtigster Knotenpunkt zum OEM ist allerdings das Informationssystem, das die
Sequenz für die Produktion im Zuliefererwerk übermittelt. Nur durch ein durchgängig
synchronisiertes und fehlerfreies Kommunikationssystem kann der einwandfreie
Produktionsablauf gewährleistet werden. Die minutengenaue Produktion ist nur durch ein
hochreaktives Kommunikationsnetzwerk mit dem OEM möglich.
3http://www.faurecia.com/expertise-innovation/industrial-expertise/Pages/continuous-progress.aspx;
4.8.2010.
4
Produktion notwendige Flexibilität bei hoher Qualität sichert dabei eine möglichst flache
Hierarchie zwischen Arbeitern und Management, da bei Faurecia nach eigener Aussage
nicht die starre Einhaltung hierarchischer Organisationsstrukturen, sondern das
gemeinsame beständige Kaizen, sprich die Optimierung der Produktionsabläufe im
Vordergrund steht.
geographischer Lage zum OEM – im Falle von faurecia der Konkurrent Magna, der
gegenüber der eigenen Produktionsanlagen ein Werk besitzt und mitunter die Logistik von
faurecia mitnutzt – bedingt einen beständigen Preiskampf, dessen Konsequenzen in letzter
Instanz die Arbeitnehmer im Zuliefererwerk tragen, während der OEM auf ein guten Preis-
Leistungsverhältnis setzt. Das Risiko der Entwicklung und Qualitätssicherung trägt somit
der Zulieferer.
V. Im Gespräch
Nach der Führung durch die Fertigungshallen von faurecia in Neuburg blieb noch Zeit für
eine Diskussion mit dem Werkleiter und einem leitenden Ingenieur. Beide führten noch
einmal aus, in welchem Verhältnis Management und Linienarbeiter zu einander stehen
und dass das gemeinsame Ziel aller Beschäftigten die fortwährende Optimierung der
Arbeitsabläufe sei. Dabei gingen die Gesprächspartner insbesondere auf die besondere
Abhängigkeit am Standort Neuburg von der wirtschaftlichen Lage des OEM Audi ein.
Krisenbedingte Kürzungen und ein verschärfter Wettbewerb um Folgeprojekte der
derzeitigen Produktion erschweren derzeit die Lage faurecias und machten eine
4 Noll 2005.
6
dementsprechend wenig ausgeprägt, bedingt durch große Unterschiede im Bezug auf die
Interessenlage und die Verhandlungsposition. Die forcierte Konsensbereitschaft wirkt sich
allerdings im Produktionsablauf durch sehr persönlichen Umgang zwischen Management
und Beschäftigten aus. Außerdem ist die Selbstwahrnehmung der Manager als
Dienstleister für die in der Produktion tätigen Arbeiter mit dem Ziel der Effizienz- und
Ablaufoptimierung Ausdruck dieser gesteigerten Kooperationsbereitschaft auf beiden
Seiten. Denn die qualitativ anspruchsvolle und hoch spezialisierte Arbeit, die es in der
Produktion für den Oberklassesektor zu leisten gilt, erfordert einen langfristig
beschäftigten Grundstock an Arbeitern, die einem geringeren Anteil an ungelernten
Zeitarbeitern gegenüber stehen und für deren Integration in die Produktion sorgen
müssen.
Gerade der steigende Grad an technologisch hoch entwickelten Bauteilen in der
Automobilbranche bei gleichzeitigem Credo des Leichtbaus und der permanent sinkenden
Verbrauchswerten erfordert zwar einerseits einen hohen Grad der Automatisierung, aber
auch einen großen Bedarf an langfristig schulbaren und flexibel einsetzbaren Arbeitern,
die sich der im selben Maße gesteigerten Komplexität der Produktion anpassen können.
Erschwert wird diese Entwicklung durch den Kostendruck, der sich negativ auf die
Beschäftigungsverhältnisse auswirkt: während der OEM Audi die Einzelteilproduktion
weitestgehend auslagert um Kosteneinsparungen zu erreichen, sind die Zulieferer wie
Faurecia gezwungen, diesem Kostendruck wiederum mit Auslagerungen und
Einsparungen, wie etwa bei der Entwicklung, zu begegnen.
Fazit
Der Besuch im Faurecia-Werk in Neuburg brachte interessante und neue Einblicke in die
Arbeitsweise eines Zuliefererbetriebs. Gerade der Vergleich mit den Informationen zu den
industriellen Beziehungen bei Audi zeigt deutlich, wie sich die Krise der
Automobilindustrie auf die Zulieferer überträgt und für erheblich erschwerte
Arbeitsverhältnisse sorgt. Die Auslagerung des Risikos und der Qualitätssicherung erhöht
dabei den Druck der im Wettbewerb stehenden Zuliefererbetriebe noch weiter.
In Zukunft dürfte sich somit der Trend der weiteren Technologisierung und
Komplexisierung der Produktion fortsetzen, was mit Kostenvorteilen für die OEM, aber
auch mit neuen Kooperationsmodellen bei den industriellen Beziehungen zwischen bei
den Zulieferern Beschäftigten und dem jeweiligen Management einhergehen wird. Gerade
die Trennung der Betriebsräte bei OEM und Zulieferern entzieht den Beschäftigten bei den
Zuliefererbetrieben einer starken Verhandlungsbasis. Einzig die Notwendigkeit langfristig
8
geschulter Beschäftigter und der Zwang zum kaizen, der permanenten Optimierung, ist
somit Grundlage für die Kooperation zwischen Management und Beschäftigten.
Bibliographie
DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) (2008): „PAS 1080: Kombinierte Sortier-
und Pufferlagereinrichtungen für den Einsatz bei Just-in-Sequence Fertigung.“ Berlin.
Noll, Herbert: „Die Idee der schlanken Fabrik wird im Alltag praktiziert.“ In: Produktion
Nr. 51/52, 2005; S.13.
de.wikipedia.org
www.bester-betrieb.de/Just-in-Time-Seque.77.0.html
www.faurecia.com
www.vda.de