Sie sind auf Seite 1von 2

Qualitätsmanager

aktuell
qm methoden
QM
METHODEN
Mit Obsoleszenz-Management die
Langzeitverfügbarkeit sichern
Für die Industrie, aber auch für sonstige Betreiber von langlebigen Investitionsgütern
ist es lebenswichtig, Systeme und Anlagen in hoher Qualität zu den vereinbarten
Bedingungen verwenden zu können und diese über den angestrebten Zeitraum
instand zu halten. Dabei spielt die entsprechende Versorgung mit Produktionsmate-
rialien und die Bereitstellung von benötigten Ersatzteilen eine Schlüsselrolle.

Fehlende Komponenten sind oft gravierende bei Änderungs- und Abkündigungsmeldungen


Kostenfallen (PCN/PDN). Die Abkündigungsmeldungen werden
hinweis bis heute von den Herstellern in den verschie-

Obsoleszenz ist nicht nur


ein Thema für die Elek-
K ostenintensive Versorgungsengpässe ent-
stehen zwangsläufig, wenn Komponenten
(Bauteile, Baugruppen, Materialien, Werkzeu-
densten Formen mit den unterschiedlichsten Be-
griffsdefinitionen versendet. Nicht selten kommt
es sogar vor, dass Kunden bzw. Betreiber entspre-
tronik, sondern betrifft
jegliche Art von Kompo- ge, Software, Prozesse oder Standards), die zur chende Informationen gar nicht oder aber viel zu
nenten, Produktionsma- Herstellung oder Instandsetzung des eigenen spät erhalten. Selbst wenn die Abkündigungsmel-
terialien und Ersatzteilen. Systems benötigt werden, nicht mehr verfügbar dung ankommt, muss der Betreiber die Inhalte
sind. Stimmen die Lebenszyklen der eigenen Sys- verstehen und diese richtig einordnen können.
teme nicht mehr mit den Lebenszyklen benötigter
Komponenten überein, entsteht das Phänomen Neues VDMA-Einheitsblatt zur Obsoleszenz soll
der „Obsoleszenz“. Hier bietet es sich an, ein ak- weiterhelfen
tives Obsoleszenz­Management zu betreiben, um
ungeplante Kosten zu vermeiden. Ziel ist es, die Hier muss möglichst schnell für eine einheitliche
funktionelle Unterstützung des Betriebs und der Abkündigungskultur in standardisierter Form
Instandhaltung von Systemen zu optimieren sowie gesorgt werden. Ein wichtiger Schritt in die rich-
mit kosteneffizientem Einsatz von Ressourcen die tige Richtung ist das ganz aktuelle, noch bis Ende
Produktions­ und Instandsetzungskosten während des Jahres 2017 erscheinende VDMA­Einheitsblatt
des gesamten Lebenszyklus zu minimieren. 24903 „Informationsaustausch zu Änderungen
internet- und Abkündigungen von Produkten und Einhei-
tipp Abkündigungen, Änderungen und ten“. Um Anwendern, also Herstellern und Betrei-
Obsoleszenzen nehmen zu bern, auch gleich ein praktisches Werkzeug mit an
Das Tool finden sie unter
www.pcngenerator.com.
die Hand zu geben, wird mit dem VDMA­Einheits-
Es ermöglicht Ihnen, mit Bis in die siebziger Jahre hinein war das Innovati- blatt 24903 auch ein freies Tool, der sogenannte
Hilfe der Eingabemaske onstempo in allen Bereichen wesentlich langsamer „PCNGenerator”, erscheinen (siehe Internettipp).
unkompliziert standar- als in der heutigen Zeit. Ein Großteil von hergestell-
disierte Abkündigungs- ten Komponenten, insbesondere Elektronik, war Obsoleszenz-Management nach DIN EN 62402
und Änderungsmittei-
lungen im PDF- sowie
auf den Industriebereich ausgerichtet. Dessen Kun-
VDMA24903-konformen den stellen hohe Anforderungen an Zuverlässig- Mit einem umfassenden Ansatz für das Obsoles­
digitalen Format zu keit und Lebensdauer. Für Bauteilhersteller jedoch zenz­Management und unter Verwendung von
generieren. Ebenso verliert dieser Markt zunehmend an Bedeutung. Er geeigneten Prozessen, Systemen und Tools können
wird der Upload dieser wurde schon lange durch den Consumer­Markt als Kunden und Anlagenbetreiber binnen kürzester
digitalen Dateien ermög-
licht, sodass Sie diese
neuem Leitmarkt abgelöst. Elektronik wird heute Zeit Kosten in Millionenhöhe vermeiden und ein-
nicht nur lesen, sondern nicht mehr für die Industrie als Hauptabnehmer sparen, die andernfalls die Existenz von Systemen
auch bearbeiten können. produziert, sondern in großer Masse für kurze Zeit gefährden. Die seit 2009 geltende DIN EN 62402 –
für kommerzielle Endverbraucher, z. B. Handys, „Anleitung zum Obsolescence Management“ liefer-
Fernseher oder Computer. Statistiken belegen, dass te bisher keine Roadmap, sie war auch nicht konkret
z. B. der Anteil der Industrie am Halbleitermarkt auf die Instandsetzungsproblematik der Industrie
weniger als 7 % ausmacht. ausgerichtet. Die DIN EN 62402 wird deshalb ak-
tuell neu gefasst, wobei die Münchener AMSYS
Mangelnde Informationspolitik verschärft die GmbH die zentrale Rolle als „Deutscher Sprecher“
Problematik übernommen hat. Erscheinen wird der überarbei-
tete Standard voraussichtlich Ende 2018. Die Norm
Das grundlegende Problem ist schnell erklärt: Es wird dann eine wirkliche Handlungsempfehlung
herrscht kein einheitlicher Informationsstandard für Hersteller und Betreiber enthalten.

6 Ausgabe 01/2018 · Januar


Qualitätsmanager
aktuell
Obsoleszenz-Management als Teil der mit einer Vorlaufzeit dar. Das proaktive Obsoles-
Lebenszykluskosten zenz­Management bedingt einen Risikoanalyse- QM
prozess, der ermittelt, in welcher Phase des Pro- METHODEN
Aus Sicht von Systembetreibern muss das Mana- duktlebenszyklus sich die zur Herstellung oder
gement von Obsoleszenz als Teil der gesamten Instandhaltung eines Systems benötigten Kompo-
Lebenszykluskosten angesehen werden. Wie zum nenten befinden. Diese Risikoanalyse, vergleich-
Beispiel in der VDI­Richtlinie 2882 „Obsoleszenz­ bar mit einem regelmäßigen Check­up beim Arzt,
Management“ beschrieben, dient es der Vermei- ist integraler Bestandteil, um vorausschauend zu
dung/Reduzierung von Produktions­ oder Dienst- agieren – und zwar schon lange bevor Komponen-
leistungsausfällen aufgrund veralteter oder nicht ten der Obsoleszenz unterliegen. Die Risikoanaly-
mehr verfügbarer Prozesse, Materialien, Software, se stützt sich dabei meistens sowohl auf Quellen
Einrichtungen, usw. oder verloren gegangenem im eigenen Unternehmen als auch auf entspre-
Know­how. Gerade bei langen Entwicklungszyklen chendes Fachwissen externer Dienstleister. Durch
kann nicht ausgeschlossen werden, dass Obsole- geplante bzw. vorbeugende Maßnahmen (auch
szenzfälle bereits vor der Nutzung während der um mehrere drohende Obsoleszenzen mit wenig
Designphase von neuen Systemen eintreten. Ty- Aufwand proaktiv zu beseitigen) werden nicht download
pischerweise treten Obsoleszenzfälle jedoch wä- nur die Gesamtkosten gegenüber dem reaktiven
ren der Nutzung auf. Wenn nun eine Obsoleszenz Ansatz nochmals gesenkt; oft kann somit auch der Eine grafische Dar-
eintritt und kein Obsoleszenz­Management betrie- Lebenszyklus des Gesamtsystems nochmals ver- stellung der drei
Obsoleszenz-Manage-
ben wird, um Lösungen herbeizuführen, folgt ein längert werden. ment-Verfahren steht
Systemverlust. Wenn der Betreiber eines Systems für Sie unter
den Systemverlust ggf. nicht akzeptieren kann, Strategisches Obsoleszenz-Management www.qm-aktuell.com
steht er vor der Entscheidung, ob er das System zum Download bereit.
ungeplant außer Betrieb nimmt oder stetig neue Strategisches Obsoleszenz­Management (strate- Benutzername:
qualitaetsmanager
Investitionen tätigt, um die Systembereitschaft zu gische Vorgehensweise) beschreibt den Schlüssel Passwort Januar:
gewährleisten. Niemand kann verhindern, dass zum Erfolg, der Planen, Entwerfen, Prüfen und Han- winter18
Komponenten abgekündigt werden. Doch Risiken deln in Bezug auf Obsoleszenz voraussetzt. Von ei-
und ungeplante Kosten lassen sich mit reakti- nem strategischen Obsoleszenz­Management wird
vem, proaktivem und strategischem Obsoleszenz­ gefordert, dass es auf alle Lebenszyklusphasen des
Management minimieren. Systems angewendet wird. Die Implementierung
geschieht schon während der Entwicklungsphase,
Reaktives Obsoleszenz-Management um festzulegen, welche Komponenten für den an-
gestrebten Lebenszyklus des Systems verwendet
Reaktives Obsoleszenz­Management (reagieren- werden können, Designvorgaben zu geben und um
de Vorgehensweise) beschreibt einen bestimmten entsprechende Verträge zu schließen. Auch die st-
Lösungsprozess sowie die dazugehörige Dokumen- rategische Planung von Upgrades des eigenen Sys-
tation für einzelne Komponenten, die bereits von tems gehört zum strategischem Obsoleszenz­Ma-
Obsoleszenz betroffen sind oder bald betroffen nagement, um eine Vielzahl von bereits oder bald
sein werden. Allgemeine reaktive Obsoleszenz­Ma- veralteten Komponenten mit lediglich einmaligem
nagement­Maßnahmen beinhalten zum Beispiel Ingenieurs­ und Qualifizierungsaufwand aus ei-
– Bauteilbevorratungen, nem System zu entfernen. Mit einer strategischen
– Austausch von Komponenten aus Aftermarket­ Vorgehensweise können zwar die originären Her-
Quellen, stellkosten des Systems steigen und dieses kann –
– Fit­Form­Function­Substitute, bedingt durch den zusätzlichen Aufwand vor Über-
– Emulationen, gabe – ggf. erst später in Betrieb genommen werden.
– Reverse­Engineering und Jedoch werden, über den gesamten – nun nochmals
– Redesigns. verlängerten – Lebenszyklus betrachtet, die Kosten
Ein reaktives Obsoleszenz­Management allein gegenüber dem reinen proaktiven Ansatz reduziert
ignoriert allerdings langfristige umfassende Lö- und vor allem komplett planbar gemacht.
sungen in Bezug auf Obsoleszenz. Hier steht nur
die Bewältigung des aktuellen Problems der je- Empfehlung zur Umsetzung
weiligen Fälle im Vordergrund. Mit dem reaktiven
Ansatz treten zwar die Obsoleszenzfälle an sich Die vorgestellten Obsoleszenz­Management­Mo-
immer noch ein, jedoch wird durch einen stabilen delle verfolgen das Ziel, wirtschaftliche Risiken
Prozess die wirtschaftlich beste und ökonomisch durch Obsoleszenz für langlebige Systeme in Pro-
Autor:
langfristigste Lösung gewählt, um eine deutliche duktion und in Instandhaltung zu minimieren. Es
Björn Bartels,
Kostenreduzierung gegenüber stetigen Neuinves- leistet somit einen wesentlichen Beitrag, die jewei- Dipl.-Wirtsch.-Ing. (MIB)
titionen zu erreichen. lige Systemverfügbarkeit abzusichern. Die jahre- ist Geschäftsführender
lange Erfahrung aus einer Vielzahl von Projekten Gesellschafter der AMSYS
Proaktives Obsoleszenz-Management zeigt m. E., dass es immer wichtiger wird, Manage- GmbH und Leiter des VDI-
Fachausschusses „FA209
mentdisziplinen und technische Prozesse so zu be-
Obsoleszenz-Manage-
Proaktives Obsoleszenz­Management (vorraus- trachten, dass der Betrieb und die Instandhaltung ment“ und ausgewiesener
schauende Vorgehensweise) stellt im Grunde ge- eines Systems bereits in der Design­ und Entwick- Experte innerhalb der
nommen ein reaktives Obsoleszenz­Management lungsphase berücksichtigt werden. ■ DKE/ISO/IEC und VDMA.

www.qm-aktuell.com 7

Das könnte Ihnen auch gefallen