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Sanierung von Tunnelbeleuchtungsanlagen in Planung und Praxis

Dr. Thomas Müller


LichtVision GmbH
Welserstraße 10-12
10777 Berlin
mueller@lichtvision.de

Bei der Sanierung von Stadttunneln sind während der Planungs- und Bauablaufsphase unterschiedlichste
Aufgabenstellungen zu lösen. Dazu gehören u.a. eine detaillierte Feststellung der Planungsgrundlagen und die
sensible Interpretation von Regelwerken und Richtlinien, insbesondere bei Grenzfällen. Unter Umständen
können auch messtechnisch unterstützte Abschätzungen von Planungsgrößen notwendig werden, wie im
Falle von Tageslichtschleusen. Eine enge Zusammenarbeit mit Herstellern der Leuchten, Steuerungselemente
und Befestigungen während des Projektablaufes ist in der Regel hilfreich. Machbarkeiten können so schon im
Vorfeld hinterfragt und Detailfragen rechtzeitig abgestimmt werden. Im folgenden werden anhand von Berliner
Stadttunnelsanierungen beispielhafte Situationen herausgegriffen, diskutiert und Lösungsansätze aufgezeigt.

Grundlagenermittlung
Am Anfang sind die Bauwerksdimensionen aufzunehmen. Dabei kann es passieren, dass nur unzureichende
Planunterlagen vorhanden sind, so dass das Tunnelbauwerk neu zu vermessen ist und Pläne neu erstellt
werden müssen. Eine Vor-Ort-Begehung ist in der Regel unerlässlich, um sich ein Bild von der
Verkehrssituation und den Zustand des Bauwerks zu machen. Eine ausführliche Fotodokumentation ist zu
empfehlen. Insbesondere sollten die Tunnelportale aus Haltesichtweite davor aufgenommen werden, um
später eine eventuell notwendige näherungsweise Abschätzung der L20-Leuchtdichte zu erleichtern. Die L20-
Leuchtdichte ist die Bemessungsgröße für die Sichtbedingungen in der Annäherungsstrecke und damit
Einflussparameter für den festzulegenden Planungswert der Fahrbahnleuchtdichte in der Einsichtsstrecke.
Wichtig ist auch die Begutachtung der potentiellen Befestigungsflächen für Leuchten nach zumindest
teilweise erfolgter Demontage der Altanlage. Somit können spätere Überraschungen, wie z.B. verdeckte
Versprünge, Unebenheiten, Materialwechsel, marode Untergründe, rechtzeitig entdeckt und zeitaufwendige
Umplanungen vermieden werden.

Lange und kurze Tunnel


Ist man bei langen Tunneln sofort bereit, den notwendigen hohen Aufwand für die Beleuchtung am Tage zu
akzeptieren, so gibt es bei den relativ kurzen Stadttunneln doch häufig Vorbehalte gegenüber dem durch die
Beleuchtung entstehenden Aufwand an Material und Energie. Und das obwohl die Adaptationsbedingungen
bei der An- und Einfahrt in kurze Tunnel sich häufig komplizierter gestalten als als bei einem langen Tunnel.
Es ist daher vorerst die Frage zu klären, ob es sich nach lichttechnischen Regelwerken um einen kurzen oder
langen Tunnel handelt. Denn lichttechnisch kurze Tunnel benötigen am Tage keine Beleuchtung, wenn
gewährleistet ist, dass sich Hindernisse stets als Silhouetten vor der hellen Tunnelausfahrt abheben.
Nach der neuen Ausgabe der RABT /1/ gelten Tunnel ab einer geschlossenen Bauwerkslänge von 80m als
lange Tunnel. Die DIN 67524 /2/ spricht von einem langen Tunnel, wenn in Haltesichtweite vor der
Tunneleinfahrt die Tunnelausfahrt für den Kraftfahrer nicht erkennbar ist oder wenn das Verhältnis der
Tunnelstrecke zur Tunnelbreite größer als 5:1 ist. Desweiteren sind in der CIE-Publikation 88 /3/ oder der
Schweizer Norm SN 150915 /4/ Schemata zur Entscheidungshilfe für die Beleuchtung von kurzen Tunneln
enthalten. Aufgrund vieler Einflussfaktoren kann eine definitive Entscheidung häufig erst am Objekt getroffen
werden.
Die Bahnunterführung Lewishamstraße in Berlin weist eine Bauwerkslänge von ca. 76 m auf. Sie besteht aus
zwei Tunnelröhren mit jeweils 3 Richtungsfahrbahnen und einem sehr breiten Gehweg (Abb. 1). Die
Bedingungen für lange Tunnel nach RABT /1/ und DIN /2/ werden knapp nicht erreicht. Doch aufgrund der
Verkehrssituation mit unmittelbarer Nähe zu einer belebten Einkaufsstraße und des regen Mischverkehrs aus
Kraft- und Radfahrern sowie Fußgängern haben wir uns aus Sicherheitsgründen trotzdem für eine
Adaptationsbeleuchtung des Bauwerks mit 50-prozentiger Reduzierung der Einsichtsstreckenleuchtdichte,
wie in der CIE-Publikation 88 /3/ empfohlen, entschieden.
Abb.1 Fußweg der Unterführung Lewishamstraße, Berlin

Umgrenzung des lichten Raumes


Im Rahmen der Planung ist die Leuchtenpositionierung und deren Anstellwinkel festzulegen. Dabei ist darauf
zu achten, dass Leuchten nicht zu nah an den Verkehrsraum heranreichen. Der lichte Raum ist der Raum des
Straßenquerschnittes, der von festen Hindernissen freizuhalten ist. Er setzt sich nach RABT /1/ aus dem
Verkehrsraum und den umgebenden Sicherheitsräumen zusammen (Abb. 2). Nun lassen sich die
Anforderungen an Sicherheitsräume bei Sanierungsobjekten aufgrund von baulichen Gegebenheiten nicht
immer vollständig einhalten. Bei den Unterführungsprojekten Lewishamstraße und Manteuffelstraße wurde mit
der möglichen senkrechten Wandmontageposition (Deckenmontage nicht möglich) der ausgewählten
Tunnelleuchte der verbleibende Abstand zum Verkehrsraum den Umständen entsprechend optimiert (Abb. 3).
Abb. 2 Umgrenzung des lichten Raumes in Tunneln (Regellösung) /1/

Abb. 3 Senkrechte Montageposition der Leuchten in der Unterführung Lewishamstraße, Berlin


Einsichtsstreckenbeleuchtung mit Tageslichtschleuse
Der Stadttunnel Brandenburgische Straße weist zu Beginn beider Portale in der Einsichtsstrecke
Lichtschleusen mit Tageslichteinfall auf (Abb. 4), die für die Festlegung der Einsichtsstreckenbeleuchtung
berücksichtigt werden sollen. Dazu wurde der Transmissionsgrad der Rasterschleusen von 0.05
näherungsweise messtechnisch ermittelt. Die Adaptationsbeleuchtung auf den ersten 30 m beider Portale
erfolgt ausschließlich durch das Tageslicht der Lichtschleuse. An einem sonnigen Sommertag ist daher in
etwa von einer maximalen Fahrbahnleuchtdichte von 200 cd/m² (Wartungswert) durch Tageslicht auszugehen.
Dieser Wert dient dann zur Festlegung der weiteren Adaptationsbeleuchtung in den anschließenden
Streckenabschnitten, die gemäß CIE-Kurvenverlauf /5/ kontinuierlich oder in Stufen bis auf das
Leuchtdichteniveau der Innenstrecke abgesenkt wird.

Abb. 4 Einsichtsstrecke mit Tageslichtschleuse im Tunnel Brandenburgische Straße, Berlin

Sonderbefestigungen
Die ZTV-ING /5/ ist als zusätzlicher Vertragsbestandteil zu sehen, wenn die VOB Teil des Bauvertrages ist. Sie
macht ausführliche Angaben zur betriebstechnischen Ausstattung von Straßentunneln. Die dazu zählenden
Leuchtenbefestigungen und Unterkonstruktionen sind aus nichtrostendem Stahl (Edelstahl hoher Güte) zu
fertigen und müssen hohe Anforderungen hinsichtlich Lastannahme, Korrosionsschutz und Wärmebelastung
erfüllen. Aufgrund der individuellen baulichen Gegebenheiten hinsichtlich der Befestigungssituation sind in
Zusammenarbeit mit erfahrenen Herstellern meist Sonderkonstruktionen für die Leuchtenbefestigung zu
entwickeln. Im Projekt Unterführung Manteuffelstraße wurde eine Sonderkonstruktion aus Profilschienen und
Deckenstielen mit diagonaler Stützverstrebung hergestellt (Abb. 5). Auf eine wartungsfreundliche und
gestalterisch unauffällige Platzierung der Kabelkanäle und –zuführung sollte geachtet werden.
Abb. 5 Sonderbefestigungskonstruktion Manteuffelstraße, Berlin

Symmetrische Beleuchtung oder Gegenstrahlprinzip


Im Gegensatz zur symmetrischen Beleuchtung führt die Gegenstrahlbeleuchtung bei gleichem Lichtstrom zu
höheren Fahrbahnleuchtdichten und Negativkontrasten gegenüber der Fahrbahnoberfläche. Die
Gegenstrahlbeleuchtung wird aus wirtschaftlichen Gründen meistens für die Einsichts- und
Übergangsstrecken angewendet. In der Unterführung Lewishamstraße werden die Tunnelleuchten auch zur
Ausleuchtung des breiten Gehweges (Abb. 1) genutzt. Zur Verringerung der physiologischen Blendung der
Fußgänger wurde daher hier mit symmetrischer Beleuchtung gearbeitet. Die Unterführung Brandenburgische
Straße weist eine über Lichtsignale wechselseitig befahrbare Mittelspur auf, so dass auch hier auf die
symmetrische Beleuchtungsart zurückgegriffen wurde.

Energetische Betrachtungen
Vor dem Hintergrund immer knapper werdender Haushaltsmittel stehen bei Kommunen und anderen
Betreibern von Straßenbeleuchtungsanlagen neben licht- und sicherheitstechnischen Aspekten vor allem
wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund. Dazu zählen insbesondere eine Minimierung der
Brennstellenanzahl und damit der Wartungskosten, aber auch die steuerungstechnische Berücksichtigung der
jeweiligen Verkehrssituation (z.B. Nachtabsenkung) wird zunehmend ein Thema. Auch die Auswahl des
Leuchtmittels trägt durch die Parameter Lichtausbeute und Lebensdauer ebenso zur Energieeffizienz bei, wie
die Wahl einer Leuchte mit optimierter Lichtverteilung und hohem Betriebswirkungsgrad.
Die Neuanlagen der sanierten Berliner Stadttunnel wurden ausnahmslos mit Natriumdampfhochdrucklampen
bestückt. Alle Anlagen sind sowohl für die Adaptationsbeleuchtung als auch für die Durchfahrtsbeleuchtung
stufenlos dimmbar ausgeführt. Je nach Tunnellänge wurde zusätzlich zur Umfeldleuchtdichte-Kamera vor
dem jeweiligen Tunnelportal eine weitere Leuchtdichte-Kamera zur Messung der
Einsichtsstreckenleuchtdichte eingesetzt. Durch den ständigen Soll/Ist-Vergleich der beiden Messwerte
werden die höheren Leuchtdichte-Werte von Neuanlagen berücksichtigt und die Lampenalterung,
Verschmutzung der Leuchten sowie der Zustand der Fahrbahnoberfläche regelungstechnisch kompensiert.
Desweiteren sind Induktionsschleifen zur Messung des Verkehrsflusses und Signalweiterleitung an die
Regelung in die Fahrbahnoberflächen integriert.. All diese Maßnahmen tragen zu einer Minimierung der
Betriebskosten der Anlagen bei.
Die betrachteten Altanlagen waren fast ausnahmslos mit Leuchtstofflampen 65 und 140 W ausgerüstet (Abb.
6). Bei längeren Stadttunneln, wie der Brandenburgischen Straße (Abb. 3) mit 315 m Länge, reduziert sich
durch die Sanierung die Lampensystemanschlussleistung auf weniger als die Hälfte, die Lampenanzahl auf
ca. ein Fünftel (Tab. 1). Die deutlich kürzeren Stadttunnel, die jedoch lichttechnisch als lange Tunnel gelten,
weisen meist nur Einsichts- und Übergangsstrecke auf, die Innenstrecke entfällt häufig. Die
Betriebskosteneinsparpotentiale fallen daher je nach Auslegung der Alt- und Neuanlagen geringer aus.
Geringere Anschlussleistungen für die Einsichtstreckenbeleuchtung der Altlanlagen deuten zudem auf
ehemals geringere Anforderungen an die Adaptationsbeleuchtung hin.

Abb. 6 Altanlage Tunnel Brandenburgische Straße


Tab. 1 Vergleich der Lampenanschlussleistungen von Alt- und Neuanlage des Tunnels Brandenburgische
Straße, Berlin

Literatur:
/1/ Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV): Richtlinien für die Ausstattung und den
Betrieb von Straßentunneln (RABT). Köln 2003
/2/ Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN): DIN 67524-1, Beleuchtung von Straßentunnels und
Unterführungen. Berlin 1987
/3/ Commission International de l´Eclairage: Guide for the lighting of road tunnels and underpasses (CIE
Publikation 88). Wien 1990
/4/ Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV): SN 150 915, Öffentliche Beleuchtung – Straßentunnels, -
galerien und –unterführungen. Zürich 1992
/5/ Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV): Zusätzliche Technische
Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING), Teil 5: Tunnelbau. Köln 2003

Objektinformationen:
Auftraggeber: Stadtlicht GmbH, Berlin
Lichtplanung: LichtVision GmbH, Berlin
Elektroplanung: IB Knoop, Berlin
Hersteller Leuchten: Abele & Geiger GmbH, Stuttgart
Hersteller Steuerung: Electric Special GmbH, Oldenburg
Hersteller Sonderbefestigungen: PUK Werke KG, Berlin

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