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Ein anderer Freund, Cam Carotta, beschäftigte sich jahrelang mit dem Neuen

Testamten - und wagte dann die Frage: War Jesus Cäsar? Am Anfang dieses echten
Weihnachts- und Millenniumsgeschenks stand ein Verdacht: Handelt es sich beim
Christentum um einen umgemünzten Cäsarenkult? Ist das Evangelium Jesu nur eine neu
verfasste Vita Cäsars - des einst als Gott verherrlichten Divus Julius? Der in
Freiburg lebende Autor Francesco Carotta, genannt Cam, hat sich lange mit den
lateinischen, griechischen und aramäischen Texten befasst und legt eine Fülle von
Beweisen dafür vor, wie aus den cäsarischen “Siegesmeldungen” im römischen
Bürgerkrieg die “guten Botschaften” Jesu wurden. Dieses hübsche Überraschungsei
dreht die Christusforschung, die sich nur noch um Jesu-Realia bekümmert, wieder
um: Hier geht es um Texte. Die Bibel hat sich in einen Buchladen verwandelt und
der Glaube in Lesewut. Bei der Diskussion des Buches - unter anderem über die
Internetadresse www.carotta.de - halten sich denn auch die Theologen eher bedeckt.
Einige TV-Kultursendungen haben den Autor jedoch bereits für ihre Jahresendzeit-
Ausgaben eingeplant. Die Archäologin Erika Simon schreibt im Nachwort: “Die enge
Verflechtung dieser Religion mit dem Römischen Weltreich wurde von Seiten der
historischen Forschung schon immer unterstrichen. Das Buch knüpft an diese
Tatsache an, geht aber weiter und deckt neue … Zusammenhänge auf… Im Gegensatz zu
Jesus war Cäsar ein Heerführer, doch unter römischen Soldaten erfolgte … die frühe
Verbreitung der christlichen Religion.” Auch die heilige Geschichte Cäsars ist
uns nur über die Werke späterer Autoren bekannt. Carotta liest die Texte als
“Vitae Parallelae”, als parallele Lebensbeschreibungen also. Während es bei
Plutarch zum Beispiel heißt: “Pompeius war in Rom und rüstete auf. Währenddessen
forderte Metellus Scorpio Caesar auf, seine Soldaten zu entlassen”, steht bei
Markus (1,4): “Johannes der Täufer war in der Wüste und predigte die Taufe der
Buße zur Vergebung der Sünden.” Carotta schreibt dazu: “Wir haben gesehen, dass
die Taufe für lustratio steht bzw. für ein als dilutum missverstandenes dilectus,
also für Rüstungen und Aushebungen, dass hinter ,predigte’, kéryssón, Caesar
steckt, hinter der ,Buße’, metanoias, Metellus, hinter den ,Sünden’, (h)amartión,
armorum, Waffen, Armee. Nach demselben Muster ist hier Rom zur Wüste geworden:
Romae - erémó, ,in Rom’, ,in der Wüste’.” Um gleich die Frage im Titel des Buches
zu beantworten: War Jesus Cäsar? “Nein, Jesus war nicht Cäsar: Jesus ist Divus
Iulius.” Im Übrigen ist das Oberhaupt der Römischen Kirche noch heute Pontifex
maximus. Mit der feierlichen Beendigung der Bürgerkriege war bereits aus dem
“imperium populi romani” das “imperium Divi Iulii” - das “Reich Gottes” -
geworden. Mit einem Cäsarenkult, der bis Indien reichte, mit eigenen Priestern und
Liturgien. Es war ein monotheistischer Gott, den Brutus da erstochen hatte. Und
seine Umwandlung vollzog sich in einer Art Transkription. Erwähnt sei dazu die
Polemik um Catos Selbstmord - zwischen Cicero und Cäsar. Man kennt ihre Schriften
nur aus der Sekundärliteratur. Cäsar warf danach Cato vor, “er habe seine
schwangere Frau Marcia dem reichen und betagten Horrensius abgetreten, um sie bald
danach als reiche Witwe wieder zu heiraten, dadurch aus schnöder Habgier die Ehe
zu einem Geldgeschäft erniedrigt … Nur zur Tarnung habe er Trauerkleider
getragen.” Carotta schreibt: Tatsächlich war dann “die von der reichen Witwe
angeschaffte Erbschaft zu Catos persönlicher Kriegskasse geworden. Der Evangelist
Markus wird Cäsars Polemik gegen Cato im Anschluss an den Afrikafeldzug
vorgefunden haben. Nicht zufällig finden wir den Kern jener berühmten Polemik, in
typischer Abwandlung, nach den bösen Weingärtnern, i. e. nach der Meuterei der
Veteranen, wieder”. Dort (12,38-40) heißt es: “Und er lehrte sie und sprach zu
ihnen: Seht euch vor vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern gehen
und lassen sich auf dem Markt grüßen und sitzen gern obenan in den Synagogen und
am Tisch beim Mahl; sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein
lange Gebete …” Wieder und wieder wurde der Diskurs um das Mittelmeer getrieben,
wenn man so sagen darf - auf Eseln. Mir hat an diesem Parforceritt am besten
gefallen, wie dabei aus großen Bürgerkriegsepisoden kleine Heilungen wurden (er
kam, sah und heilte) - und vice versa. Wobei dem ursprünglichen Text - der
Wahrheit - nicht immer Gewalt angetan werden musste. So urteilte Markus über den
Anteil der Gnade an der Heilung: “Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem,
der da glaubt.” Dies ist laut Carotta “eine gute markinische Übersetzung” des
Angebots von Cäsar an Cato: “in fidem et potestatem se permittere”. Des
Euhemeros’ Gedanke - “Die Götter von heute sind die guten Herrscher von gestern” -
hat sich damit nach Meinung des Autors am Beispiel von Cäsar und Jesus bestätigt.
“Mit der Konsequenz” - am Vorabend des Jubiläumsjahres 2000 -: “dass uns runde 100
Jahre abhanden gekommen sind. Seit der Geburt des tatsächlichen Jesus - vom
leidigen Problem des Jahres 0 (null) abgesehen - sind wir im Jahr 2099.” Einmal
mehr wird damit die 1989 aufgestellte These des Medienkritikers Jean Baudrillard
bestätigt: “Das Jahr 2000 findet nicht statt!”

http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2010/01/03/kleine_kunststuecke_in_der_grosssta
dt

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