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UX-METHODENKOMPENDIUM

User Experience mit Durchblick

ANALYSE

Erlebnisinterview

KATHARINA ZEINER MAGDALENA LAIB


KATHARINA SCHIPPERT KRISTIN HAASLER
MICHAEL BURMESTER
FACTSHEET
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Erlebnisinterview
LEITFADEN: EINVERSTÄNDNIS- TEILNEHMER:
ERKLÄRUNG:
Empfohlen. Sehr hilf-
reich für den Moderator. Erforderlich Mindestens 5

KURZBESCHREIBUNG / ZIEL
Ziel des Erlebnisinterviews ist es, möglichst viele Informationen über positive Erlebnis-
se zu sammeln und herauszufinden, welche Faktoren (z.B. Produkte, andere Menschen
etc.) und Strukturen dabei eine Rolle spielen. Hierzu werden die Nutzer der Zielgruppe
befragt.

BENÖTIGTE EXPERTISE AUFWAND

Das Handbuch gibt einen


sehr guten Überblick über die 5 - 15 min pro TN.
Methode und stellt jegliches
Anschließend Auswertung
Gering Material zur Verfügung, an Gering
aller Interview- Protokolle.
dem sich der Interviewer ori-
entieren kann.

MATERIAL QUELLEN

•  Einverständniserklärung Zeiner et al. (2016)


•  Erlebnisinterview Arbeits-
blätter (falls erwünscht)
•  portables Aufnahmegerät

DURCHFÜHRUNG

Das Erlebnisinterview kann in zwei Formen angewandt werden. Entweder werden Teil-
nehmer offen nach positiven Erlebnissen zu einem bestimmten Kontext befragt - hier
wird nach Strukturen in den Erlebnissen gesucht. Oder die Teilnehmer können gezielt
nach ausgewählten positiven Erlebnissen zu einem bestimmten Kontext befragt werden.
Erlebnisinterview
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1. Hintergrund geben, Wertschätzung, Herausforderung


meistern, Herausforderung bekommen, Hel-
fen, Hilfe bekommen, Anderen etwas beibrin-
Ziel des Erlebnisinterviews ist es, möglichst gen, Etwas austüfteln, Kreativität erleben,
viele Informationen über positive Erlebnisse Etwas erledigen, Überblick haben, Mit Leuten
zu sammeln und herauszufinden, welche Fak- in Kontakt kommen, Gegenseitiger Austausch,
toren (z.B. Produkte, andere Menschen, etc.) Neues kennenlernen, Gemeinsam etwas schaf-
und Strukturen dabei eine Rolle spielen. Hierzu fen, Zu etwas Höherem beitragen.
werden die Nutzer der Zielgruppe befragt.

Die Methode wurde im Rahmen des Projektes 2. Durchführung


Design4Xperience entwickelt. Mit dem Erleb-
nisinterview können wiederholt auftretende
Erlebnistypen (sog. Erlebniskategorien) ermit- Das Erlebnisinterview kann in zwei Formen
telt und deren Strukturen analysiert werden. angewandt werden:
Dies ermöglicht ein tiefes Verständnis positi-
ver Erlebnisse in bestimmten Kontexten und •  Das „klassische“ Erlebnisinterview,
bildet eine wichtige Voraussetzung zur Ent- in dem Teilnehmer offen nach posi-
wicklung von Konzeptideen für positive User tiven Erlebnissen zu einem bestimmten
Experience. Es ist zwar möglich mit dem Erleb- Kontext befragt werden und in dem nach
nisinterview negative Erlebnisse abzufragen, Strukturen in den Erlebnissen gesucht
aber für explizit positive UX empfehlen wir wird.
einen Fokus auf positive Erlebnisse.
•  Das auf ausgewählte Kategorien „fokus-
sierte“ Erlebnisinterview, in dem Teil-
Das Erlebnisinterview wurde bisher mit knapp nehmer gezielt nach ausgewählten posi-
600 Teilnehmern in verschiedenen Kontexten tiven Erlebnissen zu einem bestimmten
durchgeführt (online/persönlich) und z.B. in Kontext befragt werden.
einem Beitrag für den German UPA Blog und
in einem Beitrag auf der CHI2016 (Zeiner, Die Fokussierung funktioniert beispielsweise
Laib, Schippert & Burmester, 2016) beschrie- mit Hilfe der Erlebniskategorien. Wir sehen
ben. Die Analyse dieser Interviews ergab 17 aber auch die Möglichkeit nach ausgewähl-
übergeordnete Kategorien für positive Erleb- ten Emotionen (z.B. 25 Positive Emotionen
nisse im Arbeitsalltag. Eine Erlebniskategorie von Desmet, 2012; s.a. Yoon, Pohlmeyer &
umfasst mehrfach auftretende und inhaltlich Desmet, 2015) einzuschränken. Die Fokus-
ähnliche Erlebnisse, welche die gleichen cha- sierung über Bedürfnisse gestaltet sich dage-
rakteristischen Rahmenbedingungen aufwei- gen oft schwieriger. Dies mag daran liegen,
sen (genauer in Zeiner et al., 2016). Für den dass positiven Erlebnissen zugrundeliegende
Arbeitsalltag finden wir die folgenden Erleb- Bedürfnisse ohne zusätzliche und oft aufwän-
niskategorien: Feedback bekommen, Feedback dige Befragungstechniken nicht verbalisiert
Erlebnisinterview
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werden können (Burmester, 2013; Reynolds & •  Was haben Sie bei diesem Erlebnis
Gutman, 1988; Zaman & Abeele, 2010). gemacht?
Frageintention: Ermitteln der Aktivität, in
die das Erlebnis eingebettet war.
Beide Versionen können als klassisches Face-
To-Face Interview oder auch als Online-Um- •  Falls das Erlebnis zu allgemein
frage durchgeführt werden. Es hat sich beschrieben wird: Können Sie hierzu eine
herausgestellt, dass das Erlebnisinterview konkrete Begebenheit beschreiben?
sehr gut online eingesetzt werden kann. Die Fragenintention: Fokussierung auf
aufgeschriebenen Erlebnisse weisen einen ein konkretes Erlebnis, Vermeidung
hohen Detailierungsgrad auf und können gut einer Ansammlung mehrerer allgemein
analysiert und weiterverwendet werden. Zur beschriebener Erlebnisse.
Erleichterung der Durchführung wurde ein
•  Wo fand das Erlebnis statt?
Arbeitsblatt gestaltet. Mit dem Arbeitsblatt
Frageintention: Klärung des Kontexts (z.B.
lässt sich das Erlebnisinterview von einem
Büro, Werkstatt).
narrativen Interview in eine geteilte Aktivi-
tät zwischen Interviewleiter und Teilnehmer •  Wie sah die Situation vor dem Erlebnis
erweitern. Das Arbeitsblatt wird gemeinsam aus, wie danach?
mit dem Teilnehmer ausgefüllt und der Teilneh- Frageintention: Klärung der temporalen
mer kann so direkt Verbesserungsvorschläge Aspekte des Erlebnisses.
einbringen. Damit lassen sich Überinterpre-
tationen in der Analyse vermeiden, da Nach- •  Wer war daran beteiligt?
fragen direkt möglich sind. Auch verringert Frageintention: Ermitteln, ob und wie
sich so der spätere Analyseaufwand, da das weitere Personen beteiligt waren und
gemeinsam ausgefüllte Arbeitsblatt als Grund- wenn ja, wer (z.B. Kollegen, Kunden,
lage genügt und eine Transkription hier nicht Vorgesetzte).
mehr nötig ist. •  Waren Technologien Teil dieses Erleb-
nisses?
Ziel des Erlebnisinterviews ist es, zu verstehen, Frageintention: Feststellen, ob Techno-
was ein Erlebnis für den Teilnehmer beson- logien eine Rolle in dem Erlebnis gespielt
ders gemacht hat. Während manche Teilneh- haben.
mer sehr leicht über ihre Erlebnisse berichten
•  Welchen Beitrag leistete die Technologie
können, haben andere Teilnehmer Probleme
zu diesem Erlebnis?
damit. In solchen Fällen empfehlen sich die
Frageintention: Explorieren, wie und
folgenden Hilfsfragen um ein besseres Ver-
durch welche Eigenschaften diese Tech-
ständnis für das Erlebnis zu entwickeln:
nologien zum positiven Erlebnis beige-
tragen haben.
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•  Warum war dieses Erlebnis positiv? ergänzenden Post-Its eine effiziente Methode
Frageintention: Klären, welche persön- ist. Die Arbeitsblätter können direkt zu Clus-
liche Bedeutung und Relevanz das posi- tern zusammengefasst und kommentiert wer-
tive Erlebnis hatte, da davon ausge- den. Alternativ kann klassisch mithilfe einer
gangen wird, dass jedes positive Erlebnis Tabelle ausgewertet werden, die die wesentli-
ein psychologisches Bedürfnis erfüllt. chen Aspekte und Gemeinsamkeiten der Erleb-
nisse übersichtlich darstellt.
•  Wie wäre das Erlebnis abgelaufen, wenn
es negativ gewesen wäre?
Frageintention: Durch die Negativformu- Im letzten Schritt wird das Erlebnispotential im
lierung werden die beitragenden Faktoren Arbeitsalltag der Zielgruppe bzw. in konkreten
weiter exploriert. Oft fällt die Beantwor- Softwaremodulen diskutiert und im Team ent-
tung der Negativformulierung leichter. schieden, an welcher Stelle Konzepte entwi-
ckelt werden sollen. In der Konzeption sollten
die aufgearbeiteten Erlebnisse der Zielgruppe
3. Auswertung immer im Fokus bleiben um somit Konzepte
zu entwickeln, die eine möglichst positive UX
aufweisen.
Das Vorgehen bei der Auswertung der beiden
Formen des Erlebnisinterviews unterscheidet
sich kaum. Beim fokussierten Erlebnisinterview
4. Fazit
wird der Fokus lediglich auf spezifische Pro-
duktmerkmale gelegt und nicht der gesamte
Arbeitsalltag betrachtet.
Das Erlebnisinterview stellt eine Methode dar,
mit der positive Erlebnisse besser greifbar
Ziel des ersten Analyseschritts ist es, zunächst werden. Mithilfe des Erlebnisinterviews lassen
einen Überblick über die gesammelten Erleb- sich Informationen über positive Erlebnisse
nisse zu erlangen, die jeweils wesentlichen in verschiedenen Kontexten sammeln und
Informationen der Erlebnisse herauszukris- beschreiben. Die gefundenen Erlebnisse kön-
tallisieren und Gemeinsamkeiten zu finden. nen einerseits als Gestaltungsgrundlage ver-
Ähnliche Erlebnisse werden kategorisiert; hier wendet werden, um Software für neue positive
können unterstützend die Erlebniskategorien Erlebnisse in gleichen oder verwandten Kon-
eingesetzt werden oder auch je nach Kontext texten zu entwerfen. Darüber hinaus tragen sie
neue Kategorien gebildet werden. Die Analyse zur Stärkung positiver User Experience eines
sollte im Team erfolgen, da so ein gemein- vorhandenen Produkts bei, indem Muster im
sames Verständnis über den positiv-emoti- Erleben der Nutzer besser verstanden und
onalen Arbeitsalltag entwickelt wird. Bereits gestalterisch integriert werden. Die Erlebnisse
dies kann als Inspiration für zukünftige Kon- können für Gestalter somit eine Inspiration
zeptionsideen dienen. Es hat sich gezeigt, sein und dabei helfen, durch Gestaltung des
dass die Arbeit im Team an der Pinnwand mit Produkts positive Erlebnisse zu ermöglichen.
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5. Quellen

Burmester, M. (2013). Valenzmethode – Forma-


tive Evaluation der User Experience. In K.
Scherfer & H. Volpers (Hrsg.), Methoden
der Webwissenschaft – Ein Handbuch. Bd.
I Anwendungsbezogene Methoden. Vol. 11,
S. 141–160. Münster: LIT Verlag.

Desmet, P. M. A. 2012. Faces of Product Plea-


sure: 25 Positive Emotions in Human-Pro-
duct Interactions. International Journal of
Design, 6(2), 1–29.

Reynolds, T. J., & Gutman, J. (1988). Laddering the-


ory, method, analysis, and interpretation.
Journal of Advertising Research, 28(1),
11–31.

Yoon, J., Pohlmeyer, A. E., & Desmet, P. M. A. (2015).


Positive Emotional Granularity Cards. Delft,
Delft University of Technology.

Zaman, B., & Abeele, V. Vanden. (2010). Ladde-


ring with Young Children in User eXperi-
ence Evaluations: Theoretical Groundings
and a Practical Case. Qualitative Research.
156–165.

Zeiner, K. M., Laib, M., Schippert, K., & Burmester,


M. (2016). Identifying Experience Catego-
ries to Design for Positive Experiences with
Technology at Work. In Proceedings of the
2016 CHI Conference Extended Abstracts
on Human Factors in Computing Systems
(S. 3013–3020). New York: ACM.
IMPRESSUM

UX-METHODENKOMPENDIUM
Das Projekt Design4Xperience war von Januar 2014 bis
Dezember 2016 Teil der Förderinitiative “Einfach intuitiv
- Usability für den Mittelstand” die im Rahmen des För-
derschwerpunkts “Mittelstand-Digital - IKT-Anwendungen
für die Wirtschaft” vom Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie (BMWi) gefördert wird. Im Kompetenzzentrum
Design4Xperience wird diese Arbeit nun fortgesetzt.

KONTAKT
www.design4xperience.de 
kontakt@design4xperience.de

LAYOUT
Maximilian Georgi 
Benedikt Hilscher 
Manuel Kulzer

AUTOREN
Katharina Zeiner 
Magdalena Laib 
Kristin Haasler 
Katharina Schippert 
Michael Burmester 

WWW.DESIGN4XPERIENCE.DE

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