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JOS.

SCHILDKNECHT'S
ORGELSCHULE
FUR KIRCHENMUSIKSCHULEN UND LEHRERBILDUNGSANSTALTEN
sowie für den Privat- und Selbstunterricht
mit besonderer Rücksicht auf das Orgelspiel beim katholischen Gottesdienst

OPUS 33
ZWANZIGSTE AUFLAGE

Unter Benutzung der Bearbeitung von Max Springer, neu herausgegeben von

OTTO DUNKELBERG

UNTER MITARBEIT VON

PROF. JJR. HERMANN KELLER


LEITER DER ABTEILUNG FOR KIRCHENMUSIK AN DER WORTTEMB. HOCHSCHULE FüR MUSIK IN STUTTGART

DR. LEO SÖHNER UND DR. CARL 'ELIS

EIGENTUM DES VERLEGERS' FÜR ALLE LÄNDER

VERLAG VON ALFRED COPPENRATH (H. PAWELEK) · ALTÖTTING


INH. DR. HANS GEISELBERG.ER
Schildknecht, Joseph Cölestin Othmar

(St. Gallen/St. Georgen 4. Februar 1861- ebenda 6. September 1899)

Die musikalische Bildung vermittelte ihm ab 1875 der an der katholischen Realschule
St. Gallen tätige Domkapellmeister J. G. E. Stehle (1839- 1915).

1878/79 studierte er an der Musikschule in Freiburg/Br., wo Dompräbendar


Johann Schweitzer und Domorganist Karl Hofner seine Lehrer waren.

1880 zog er nach Regensburg an die unter Direktor Haberl stehende Kirchen-Musikschule.

Am 28. November 1880 trat er die Stelle als Organist und Chordirektor in Bischofszell an.

1882 wurde er Musiklehrer am "Freien Kath. Lehrerseminar" in Zug und wechselte am


13. Oktober 1885 in gleicher Eigenschaft an das Kantonale Lehrerseminar in Hitzkirch,

1897 wiederum an das St. Gallischen Lehrerseminar in Rorschach.

Schildknecht 1898 war Diözesanpräses vom Cäcilienverband St. Gallen


als Nachfolger von J. G. E. Stehle.
Vorwort zur I.Auflage.

Der Gebrauch dieser Orgels~hule setzt voraus, daß der überflüssig findet, übergehe diese Übungen, - die Folge des
Schüler bereits ein bis zwei Jahre einen guten, auf gebundenes · Übungsstoffes ist auch ohne diese eine lückenlose - möge
Spiel hinzielenden Klavierunterricht genossen habe, der noch aber erst noch das Wort Robert Schumann's überdenken:
während des Orgelunterrichtes fortgesetzt werden soll. Bei "Übe dich frühzeitig im Lesen der alten Schlüssel. Viele
sehr guten Anlagen und hinreichender Zeit für das Üben mö- Schätze der Vergangenheit bleiben dir sonst verschlossen."
gen sogar sechs Monate der Vorbereitung, die sich aber in Es dürfte vor allem einleuchtend sein, wie wichtig die Fertig-
jedem Falle auch auf die elementare Musiktheorie (Kenntnis keit im Lesen sämtlicher sieben Schlüssel für das Transponie-
des Tonsystems, der Schlüssel, Taktarten, Tonleitern und ren ist.
Intervallenlehre) zu erstrecken hat, genügen. Je gründlicher Diejenigen Nummern, die im kirchlichen Orgelspiele Ver-
die Vorbereitung und je weiter dieselbe gediehen, desto rascher wendung finden können, sind mit * bezeichnet.
und sicherer werden die Fortschritte im Orgelspiele sein. Alle Nummern ohne Komponistenangabe sind vom Ver-
Die technische und systematische Seite dieser Schule stützt fasser dieser Orgelschule.
sich auf die bis jetzt noch nicht überholten Grundsätze von Die zwei Choralmessen (pro defunctis und in festis dupJi-
A. G. Ritter. Von Anfang an wurde aber auch der besondere cibus) wurden beigegeben, um Choralbegleitungen zu bieten,
praktische Zweck, die Ausbildung für den katholischen Orga- die sich schulgerecht in den Lehrgang einfügen und um dem
nistendienst, möglichst berücksichtigt. Schüler die Anschaffung besonderen diesbezüglichen Übungs-
Die eingestreuten Übungen in den sogenannten alten stoffes zu ersparen. Aus dem nämlichen Grunde wurden auch
Schlüsseln dürften das besondere Interesse von Lehrern und alle vorkommenden Responsorien aufgenommen.
Schülern erwecken. Sind einmal die hier gebotenen Übungen Was über die Orgel und das Registrieren gesagt ist, dürfte
bewältigt, so darf man dem Schüler getrost 4- und später 5- zur Erlernung eines richtigen und vielseitigen Gebrauches des
bis 8-stimmige Partituren aus Proske' s Musica divina etc. Instrumentes willkommen geheißen werden. Durch Beifügung
zur Weiterbildung in die Hand geben, doch sollen diese fort- fremdsprachlicher Registernamen wurde beabsichtigt, unsern
gesetzten Exerzitien im Partiturspielen am Klaviere vorge- Organisten auch ausländische Orgelliteratur zugänglich zu
nommen werden. Wer das Üben des Lesens der alten Schlüssel machen.
1*
IV-

Anfänglich lag es im Plane, auch einen kurzen Weg- aber Hand in Hand mit dem Unterrichte in der Harmonie-
weiser zur Orgelliteratur anzufügen. Reifliche Überlegung lehre.
brachte uns aber: davon ab, da ein solcher entweder zu Als zu erreichendes Minimum für Lehrerseminarien und
lückenhaft oder zu umfangreich geworden wäre. Wir zur Ausübung des Organistenberufes überhaupt betrachten
verweisen diesbezüglich auf den "Führer durch die Orgel- wir in technischer Hinsicht die gründliche Durchnahme von
literatur" von Kothe und Forchhammer. Leipzig bei Seite 1-66 und rzr-r8o. Auch innerhalb dieser Grenzen
Leuckart. Geb. 1,20 Mk. mögen schwächeren Schülern zu schwierig erscheinende
Wahrscheinlich werden die Ansichten der Kritiker und Übungen erlassen werden. Besser ist es, die übrigen werden
der Praktiker über die Ausdehnung der Übungen in der tüchtig, bis zu fehlerfreiem, sicherem Spiele geübt.
angewandten Harmonielehre etwas auseinandergehen; den Schließlich entledigen wir uns noch der angenehmen
einen wird zu viel, den andern zu wenig geboten erschei- Pflicht, den Herren Domkapellmeister Stehle in St. Gallen,
nen. Uns galt der Grundsatz, das nötigste Material zu Stiftsorganist Breitenbach, Direktor der Organistenschule
bieten und zu vielseitiger Ausnützung desselben anzuregen. in Luzern und Prof. Hofner, Domorganist in Freiburg i. B.
Es soll dieser Abschnitt nicht ein Unterrichtsbuch in der für ihre gespendeten wertvollen Beiträge, desgleichen
Harmonielehre ersetzen, so wenig als ein besonderer Unter- Herrn Prof. Luz, Lehrer des Orgelspieles an der Musik-
richt darin in Verbindung mit fleißiger Ausarbeitung schule in Zürich für freundliche Durchsicht der Abhandlung
schriftlicher Übungsaufgaben umgangen werden kann. Wir über das Registrieren, sowie Herrn Seminarmusiklehrer
wollten nur dazu anleiten, das dort Gelernte in die Praxis Ferd. Schell in Rickenbach- Schwyz für Mithilfe in Be-
umzusetzen. § rg. über die Begleitung des greg. Chorales sorgung der Korrektur, den verbindlichsten Dank auszu-
und das Einspielen in die Kirchentonarten mußte etwas sprechen.
ausführlicher werden, weil viele in Geb:r;auch befindliche Die verehrten Herren Kollegen, welche diese Schule
Harmonielehrbücher diesen so notwendigen Teil ungenügend beim Unterrichte benutzen, möchten wir freundliehst er-
oder gar nicht berücksichtigen. Vor allem erachte ich die suchen, den Unterzeichneten brieflich auf die Unvollkommen-
Durchnahme (das Abspielen) der Übungen, Seite no-n8, heiten und Mängel, d~e trotz aller Sorgfalt dem Werke
als Brücke von der Theorie (schriftl. Ausarbeitung) zur noch anhaften könnten, aufmerksam zu machen. Sie dür-
Praxis (freie Begleitung) für unumgänglich notwendig. Selbst- fen überzeugt sein, daß alle Ansichten und Wünsche ernst-
verständlich gehen § r8. und 19. des ersten Teiles (Seite So lich erwogen und in späteren Auflagen tunliehst berück-
bis 120) unabhängig neben dem technischen Teile der Schule, sichtigt werden.

Hitzkirch, Luzern, den ro. April 18g6.


J. Schildknecht, Seminannusiklehrer.
Vorwort zur 7. Auflage.
Als der Unterzeichnete von der verehrliehen Verlags- 5) Die dreistimmigen Kirchenlieder, die nach den voraus-
handlung mit der Neubearbeitung der Schildknechtsehen gegangenen Übungen keinen pädagogischen Fortschritt be-
Orgelschule betraut wurde und zu diesem Zwecke dieselbe deuten, auch für die Praxis von keinem Belang sind. Ebenso
einer genauen Durchsicht unterzog, kam er zu dem Resultate, wurden von den vierstimmigen Kirchenliedern aus dem glei-
daß die Orgelschule einer gründlichen Durcharbeitung be- chen Grunde nur wenige beibehalten, vergleiche auch li, No. 2.
dürfe. Bei den durchgreifenden Änderungen, welche die 6) Die harmonische Behandlung der Kirchentonarten.
Neuauflage aufweist, scheint es am Platze zu sein, die D!ese wurde für den Schluß des I. Bandes aufgespart.
Gründe hierfür anzuführen. - Der Wert der eigentlichen Vergleiche li, No. 2.
Schule erscheint durch die Notwendigkeit der Umarbeitung 7) Die Abhandlung über "Einfachste Imitation", welche
durchaus nicht in einem geringeren Lichte; der methodische qualitativ und quantitativ verfehlt ist. Sie wurde im 2. Band
Kern derselben ist ganz vorzüglich und kann nicht durch ein eigenes Kapitel ersetzt.
leicht durch Besseres ersetzt werden. Die zwei Hauptfehler 8) Ein großer Teil (fast drei Viertel) der Manualübungen,
bestehen in dem "Zuviel" und "Zuwenig": zu viel Bal- welche den erschreckend großen Raum von I20 Seiten ein-
last, zu wenig Positives. nehmen. Einer der wichtigsten Grundsätze des Orgelspiels
I. Ausgeschieden wurden: besagt, daß der Schüler sobald als möglich die Pedal-
I) Die Übungen in den alten Schlüsseln. Sie sind in- übungen beginne und die Fertigkeit im Manualspiele zugleich
sofern nicht absolut notwendig, als die Neuzeit darauf aus- mit der Pedaltechnik weiter ausbilde. Einige schwierigere
geht, dieselben überhaupt abzuschaffen. Der praktische Sätze wurden mit Pedalapplikatur in den 2. Band versetzt.
Wert ist schon deshalb nicht sehr groß, weil die bedeutend- g) Der Liszt'sche Pedalsatz. Das klare, rhythmisch
sten älteren Werke nach und nach in moderner Notation übersichtliche Notenbild wird durch ihn zerstört, weswegen
herausgegeben werden. Zudem bilden sie für den Anfänger er, und mit Recht, fast überall abgelehnt wird.
eine Quelle von Verwirrungen und rauben ihm die Lust zum II. Durch diese Eliminierung war einer positiven Ar-
Weiterstudium. Einem Berufsmusiker wird außerdem der beit im Prinzipe schon die Richtung gegeben:
vorhandene Stoff nicht genügen. I) Der so freigewordene Raum ermöglichte die Einver-
2) Die Übungen aus der Harmonielehre. Diese sind leihung guter, für die Technik wie für das allgemeine Ver-
zwecklos, da sie ein Lehrbuch der Harmonie durchaus nicht ständnis instruktiver Stücke. Namen wie Palestrina, Vitto-
ersetzen können und nur unnötig Raum einnehmen. ria, Orlando Lasso, Fasolo, Carissimi, Hassler, Jeep, Fresco-
3) Die Karsamstag-Liturgie, die offenbar selbst nicht baldi, Pachelbel, Eberlin, Speth, M. G. Fischer, J. H. F. Fischer,·
weiß, wie sie sich hier herein verirrt hat. · Muffat, Ph. Ern. Bach, J. S. Bach, Telemann, Fuchs, Albrechts-
4) Die Choralübungen. Dieselben sind in dieser Form berger, Froberger, Murschhauser, Kerl, Seeger, Brixi, Ku-
veraltet, sowohl in Hinsicht auf die Melodie als auch charez, Schumann etc. etc. sind mit teilweise hervorragend
auf die Harmonisierung. Außerdem stellen sie an die schönen Stücken vertreten und sind eine Bürgschaft für deren
Gewandheit des Schülers vorerst zu große Anforderungen. technischen und künstlerischen Wert.
Vergleiche auch das unter II, No. 4 Gesagte. 2) Das Kapitel "Die harmonische Behandlung der
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Kirchentonarten" erfuhr eine Erweiterung durch Aufnahme allzusehr im Mechanischen liegt und die Etuden fast immer
von ausgewählten Kompositionen alter Meister, die in dem in einseitiger Weise auf eine"' bestimmte Art von Pedal-
Schüler das Verständnis für das Wesen der alten Kirchen- behandlung hinzielen, wie sie in der Praxis so konzentriert
. tonarten wecken sollen. Zum gleichen Zwecke wurde eine nur selten oder nie vorkommt. Es ist von der allergrößten
Reihe von alten streng tonalen Kirchenliedern eingereiht, die Wichtigkeit, daß der Schüler möglichst rasch sich mit allen
in ihrer wundersamen unvergleichlichen Schönheit be- Arten der Pedaltechnik vertraut mache und die weitere
sonders geeignet sind, den Geschmack und das künstlerische Ausbildung an der Hand von geeigneten Tonstücken ge-
Urteil des Anfängers zu bilden und zu veredeln. schehe. Die bedeutendsten Konservatorien und Orgelschulen
3) Was vorliegender Schule abging und was leider die richten sich nach diesem Grundsatze: Die ganze Pedaltech-
meisten Orgelschulen vermissen lassen, ist -eine Einführung in nik wird in tunliehst kurzer Zeit kursorisch durchgenommen,
den Stil und die Formen der Orgelkomposition. damit der Schüler einen allgemeinen Überblick über die
Obgleich alle Pädagogen von der Notwendigkeit und dem ganze Orgeltechnik bekomme. Die eigentliche Ausbildung
Nutzen einer ausführlichen Erklärung und Analysierung der im Pedalspiele erfolgt an der Hand geeigneter Orgelliteratur.
Kompositionsformen für Orgel überzeugt sind, so wird doch Und hier ist wie auch in der Klaviertechnik Bach der un
vielfach gerade hierauf- warum? ist nicht recht ersichtlich- erreichte Lehrmeister, dessen kunstvoll verschlungene, kontra-
fast gar nicht oder nur sehr wenig Rücksicht genommen. punktische Stimmführung die Finger- und Pedaltechnik so sehr
In einer Schule wie in der vorliegenden, welche sich auch fördert. Zudem bietet die Schule übergenug ÜbungsmateriaL
die Belehrung des Autodidakten zur Aufgabe macht, mußte 6) Ebenso konnte ich mich mit dem Vorschlage man-
hierauf besondere Sorgfalt verwendet werden. Der Bearbeiter cher, verschiedene rein praktische Beispiele aufzunehmen,
hat sich Mühe gegeben, durch Ausarbeitung eines solchen wie: Tantum ergo, Responsorien, Psalmen, Hymnen, Te
Kapitels diesen Anforderungen möglichst gerecht zu werden. Deum, Antiphonen etc. etc. nicht befreunden. Der oberste
Die 58 angeführten Beispiele eignen sich durchweg für den Grundsatz einer Orgelschule, systematischer, möglichst
praktischen Gebrauch. Im übrigen verweisen wir auf die prägnanter Unterrichtsgang in technischer wie päd-
einleitenden _Worte zu diesem Kapitel. · agogischer Hinsicht, darf durch keine noch so verlocken-
4) Das Kapitel über Choralbegleitung wurde durch den Nebenwege abgelenkt werden, wenn anders der Name
ein ganz neues ersetzt, da sich nach den neuesten Choral- Schule nicht der Benennung "Praktisches Handbuch für
forschungen die von Schildknecht aufgestellten Prinzipien kirchliche Zwecke" oder dergleichen weichen soll.
einer formvollendeten und stilgerechten Choralbegleitung 7) Bei den bedeutenden alten Komponisten wurde Ge-
nicht mehr halten lassen. Die Übungsbeispiele wurden der burts- und Sterbejahr angegeben.
nun überall vorgeschriebenen und durch das Motu proprio 8) In letzter Stunde hat sich der Bearbeiter auf drin-
als einzig offiziell erklärten Editio Vaticana entnommen. gendes Verlangen einzelner Musik-Pädagogen, trotz persön-
5) Es wurde mir von verschiedenen Seiten vorgeschlagen, licherBedenken noch entschlossen, fi.irdie allerschwächsten
die Pedalübungen zu vermehren; nach Rücksprache mit Schüler dem I. Bande eine11: Anhang von ganz leichten und
mehreren hervorragenden Fachleuten habe ich dies unter- kurzen Präludien im Zweiliniensystem beizugeben. Obzwar
lassen. Der Schüler soll bei den einzelnen Übungen nicht nach seinen eigenen Erfahrungen und nach der Aussage
allzulange hängen bleiben. Die Pedaletuden haben nur hervorragender Pädagogen auch schwache Schüler ebenso
einen beschränkten Wert, da ihr Schwerpunkt in der Regel leicht sich an das Dreiliniensystem gewöhnen, wenn sie
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nur von Anfang an eingeführt werden, ja dasselbe energisch Die zweite Abteilung der praktischen Übungsbeispiele
bevorzugen, so glaubte er doch im Interesse der Schule auch ist mehr für begabtere Schüler berechnet und enthält dem-
den Wünschen Andersdenkender entgegenkommen zu sollen. nach größere Formen und erfordert mehr Technik. Hier
Es wäre jedoch sehr zu wünschen, daß die Herren Lehrer kann sich der Schüler in allgerneiner Musikbildung und in
es wenigstens auf einen Versuch ankommen ließen und nur der Technik zu einem hohen Grade von Vollkommenheit
im äußersten Notfalle von diesem Anhange Gebrauch mach- empm::arbeiten. Das sorgfältige Studium einer Bachsehen
ten. Die Klarheit des Dreiliniensystems in der Orgelliteratur Fuge z. B. wird in jeder Hinsicht mehr von Nutzen sein,
ist eben durch nichts zu ersetzen. als das mechanische Einüben vieler Schulbeispiele. Des
III. Einige Bemerkungen mögen noch die veränderte instruktiven Wertes halber wurde auch eine Doppelfuge,
Einteilung des Stoffes dartun und begründen. Gegenfuge, sowie eine Tripelfuge aufgenommen.
r) Die technische Abteilung wurde ganz in den ersten 3) Die drei letzten Kapitel behandeln das Improvi-
Band verlegt, während der zweite Band mehr der Bildung sieren mit Choralmotiven (die Erklärungen des Motivs
und Veredlung des künstlerischen Empfindens und eines und seiner Formen gehörten streng genommen ins erste Ka-
guten Geschmackes gewidmet ist und zuglei<;h Aufschluß pitel des II. Bandes und nur technische Schwierigkeiten
über die Formen der Orgelkomposition gibt, eine Aufgabe, waren für die Belassung derselben in diesem Kapitel maß-
die mindestens ebenso wichtig ist, wie die Kultivierung der gebend) - die Choralbegleitung und die Begleitung
Orgeltechnik, jedenfalls aber auf einer ungleich höher~n der liturgischen Textrezitation sind gleich den beiden
Stufe steht als diese. letzten Kapiteln des I. und dem ersten Kapitel des II. Bandes
2) Nach einem Kapitel über den Stil und die Formen vom Unterzeichneten.
der Orgelkomposition folgen die praktischen Beispiele und Wie schon erwähnt blieb der methodische Kern der
zwar in zwei Abteilungen, bedingt durch den Schwierigkeits- Schule unverändert und nur der Gesichtskreis wurde er-
grad der Kompositionen. weitert und außer dem alten und dem klassischen auch dem
Die erste Abteilung weist nur leichtere Tonstücke auf, modernen Stile Rechnung getragen. Ein herzliches Dankes-
die jedoch so ausgewählt sind, daß der Schüler eine voll- wort möchte ich zum Schluß allen jenen Herren widmen, welche
ständige Übersicht bekommt über die gebräuchlichsten For- mir bei der Disposition für die Neubearbeitung dieses Werkes
men. Der weniger begabte Schüler kann nach Absolvierung ihren wohlgemeinten Rat zur Verfügung stellten, besonders
dieses Teiles die Orgelschule getrost aus der Hand legen, dem Herrn Seminarlehrer Mich. Dachs, der für das Zustande-
seine musikalische Bildung ist auch dann lückenlos. Zu kommen dieser Auflage das weitgehendste Interesse bekundete
allem wurden gerade mit Rücksicht darauf die formgebenden und dessen Winke ganz besonders berücksichtigt wurden.
Elemente (Motive, Themen, Themeneintritte, Durchfüh- Möge das vorzügliche Werk auch in seiner neuen Ge-
rungen etc.) bezeichnet und besondere Sorgfalt auf guten stalt sich seine zahlreichen Freunde erhalten und viele
Finger- und Pedalsatz verwendet. neue gewinnen!

Prag, Abtei Emaus, Januar rgog.

Max Springer.
In h a 1t s übersich t.
Seite Seite
Vorwort zur 1. Auflage III Die harmonische Behandlung von Liedern in den
Vorwort zur 7. Auflage V Kirchentonarten

Vorwort zur 19. Auflage. .VIII - A) Übersicht der Kirchentonarten oder modi 119

Inhaltsübersicht . . . . X B) Die Schlußbildung 120

Die Orgel und die Kunst des Registrierens XI C) Transposition . . . 122


D) Modulation zwischen Kirchentonarten . 123
I. Abteilung. Das technische Orgelspiet E) Auswahl von Harmonien bei alten Kirchenliedern 125

Einleitung . . . . . I
III. Abteilung. Kurze Anleitung zur Begleitung des
Nr. 1- 6o: Übungen für Manual 2
Gregorianischen Gesangs. ·
6r- 74: 14 Tonsätze alter Meister manualiter 2I

75-113: Übungen und Übungsstücke mit Pedal 29 Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . 140

rq-u8: 5 Tonsätze alter Meister . . . . . . . . . 48 Geschichtliches über die Choralbegleitung .


r 19--I48: Schwierigere Übungen und Übungsstücke mit Elementare Chorallehre
Pedal . . . . . . . . . . . . . . . . . SI Vom Choralrhythmus . 144
" J49-I73: 25 Tonsätze alter Meister zum kirchlichen Von den Kirchentonarten 147
Gebrauch . . . . 71 Die Orgelbegleitung zum Choral q8
" I74-I84: II Tonsätze von Joh. Seb. Bach 97 Die Transposition der Choraltonarten 153
Praktische Anweisungen . . . . . 1 54
II. Abteilung. Die Kirchentonarten, ihre harmonische
Behandlung und Verwendung im deutschen Kirchenlied. Anhang.
Einleitung . . . "Die freie Improvisation, ein Versuch zur Anleitung in der-
Grundsätzliches. s'elben" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r6r
DIE ORGEL.
(Von Dr. Carl Elis.)

enntnis der inneren Einrichtung der Orgel ist für den den Hammer, bei der Orgel sind es Pfeifen, und die Taste

K Spieler notwendig und bildet daher ein besonderes


Unterrichtsfach an den Musikschulen. In diesem
Buche, das das Spiel der Orgel lehren soll, kann über den
öffnet dem Winde den Zugang zu ihnen. Während nun das
Klavier nur eine Reihe von Saiten oder Saitenchören be-
sitzt, hat die Orgel mehrere Reihen in ihrer Klangfarbe zu-
Bau der Orgel nur soviel gesagt werden, wie der auf der sammengehöriger und in ihrem Bau ähnlicher Pfeifen, und
Orgelbank sitzende Schüler unbedingt wissen muß, um sein sie muß daher noch Vorrichtungen besitzen, diese einzelnen
Instrument überhaupt zu verstehen*). Es ist also lediglich Pfeifenreihen ein- oder auszuschalten, die Register. Im
die Einrichturrg der Spielanlage zu erklären, es ist Klavier bleibt die Tonlage der Saiten im Verhältnis zu den
etwas über die Eigenschaften der Pfeifen zu sagen, es Tasten stets gleich; in der Orgel gibt es aber auch Pfeifen-
sind die Stimmen zu beschreiben und es ist zu zeigen, wie reihen, deren Tonle1.ge zu der als normal angesehenen nach
man sie zweckmäßig gebraucht. der Höhe oder Tiefe hin versetzt erscheint, so daß z. B. auf
Geradeso wie das Klavier, ist die Orgel ein Tasten- Taste klein c der Ton groß C oder eingestrichen c oder
instrument. Das heißt also: jedem einzelnen Tone unserer ·klein g erklingt. Das ist die Ursache, daß die Klaviatur der
zwölfstufigen Leiter entspricht, gleichsam als dessen äußere Orgel kürzer ist als die des Klaviers, obwohl der Umfang des
Versinnbildlichung, eine Taste; die Gruppen von je I2 zu- Instruments mehr als 9 Oktaven (von Subkontra C bis über
- sammengehörigen Tasten, die Oktaven, werden so oft nach sechsgestrichen c) umfassen kann.
der Höhe und Tiefe hin wiederholt, wie es der Zweck des In der Regel hat die Orgel mehrere Tastenreihen für
Instruments erfordert. Die Tasten bewirken beim Anschlag, die Hände, die Manuale, und eine für die Füße, das
daß die Klangkörper, die für jeden einzelnen Ton zwar schon Pedal.
vorhanden, aber noch stumm sind, ertönen. Beim Klavier Bis zur Zeit Bachs und noch darüber hinaus hatten die
sind das die Saiten, und die Taste bewegt den daran schlagen- Manuale den Umfang von groß C bis c"' oder d"', meistens

*) Wer in den Stoff mehr eindringen will, findet in nachstehend genannten Büchern Belehrung.
Kleinere: Elis, Orgelwörterbuch, Kassel, Bärenreiterverlag. Größere: Mahrenholz, Die Orgelregister•. ihre Geschichte und ihr
Fellerer, Orgel und Orgelmusik, Augsburg, Filser-Verlag. Bau, Kassel, Bärenreiterverlag.
Frotscher, Die Orgel, Leipzig, J. J. 'Weber.
Lehr, Die moderne Orgel, Leipzig, B. F. Voigt. Töpfer, Lehrbuch der Orgelbaukunst. 3· Auflage, neu bc-
Smets, Neuzeitlicher Orgelbau, Mainz, Rheingoldverlag. .arbeitet von Smets, Mainz, Rheingoldverlag.
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XII

fehlte das große Cis*). Im 19. Jahrhundert ist der Umfang sonst an einem passenden Orte, stehen die Pfeifen des Pedals.
nach der Höhe bis f"' oder g" erweitert worden. Man ist Das klassische Pedal enthält mindestens eine Stimme, die
sogar noch höher hinaufgegangen, doch ohne viel praktischen zur Melodieführung geeignet ist, während die Hände auf den
Wert, da in der ernst zu nehmenden Literatur doch nicht mit Manualen kontrapunktieren. Einen Gegensatz zum Haupt-
diesem Umfang gerechnet wird. Das große Cis fehlt stellen- werke bilden, klanglich sowohl wie räumlich, die übrigen
weise noch nach der Mitte des Jahrhunderts. Das Pedal der Werke. Im Rücken des Spielers an der Kante der Empore,
klassischen Orgel hat schon früh den Umfang C bis d', öfter steht das Rückpositiv, es drückt mit seinem kleinen Prin-
auch nur bis c', selten höher oder tiefer; auch hier fehlt sehr zipalchor und den anderen Stimmen, die als Begleit- oder als
oft das Cis. Heute verlangt man ein Pedal von C ohne Lücke Solostimmen brauchbar sind, besonders deutlich den Wechsel
bis f', selbst bis g. zwischen Hauptorgel und Nebenorgel, Solo und Tutti, aus.
Daß die Orgel mehrere Klaviere hat, entspricht ihrem Das Brustwerk ist vorwiegend mit hellen, scharfen Stim-
inneren Aufbau. Die klassische Orgel ist in Werken auf- men und mit Melodie-Rohrwerken ausgestattet und ist räum-
gebaut. In der Mitte steht das Hauptwerk mit dem großen lich unter das Hauptwerk gelegt. Endlich hat man oben über
Prinzipalchor und daneben noch Stimmen aus anderen Klang- das Hauptwerk noch ein Werk gestellt, das dem Hauptwerke
gruppen, es besitzt normalerweise mindestens eine Stimme, ähnlich, doch ohne dessen schwere Stimmen besetzt ist, das
mit der sich der Baß einer Komposition spielen läßt. Meistens Oberwerk. Brust und Oberwerk standen bisweilen in Schrän-
zu beiden Seiten des Hauptwerks, oder auch dahinter,. oder ken. Eine solche Reichhaltigkeit ist natürlich nicht immer

*} Die allerältesten Orgeln fingen überhaupt erst mit groß G an; nach und nach kamen dann zuerst das F, dann E, D, C hinzu. Die Halbtöne
Fis und Gis wurden als unterster Ton nicht gt:braucht und also auch nicht gebaut. So konnten die Tasten für D und E an der Stelle stehen, wo
sonst Fis und Gis gestanden hätten. Die Tasten der großen Oktave sahen also so aus:
D E B
c F G HA c
Man. nennt diese Art der Anlage die Kurze Oktave.
Mit der Weiterentwicklung der Musik werden auch die Töne groß Fis und Gis verlangt. Sie gehören natürlich in der Tastenreihe dorthin,
wo sie in den anderen Oktaven auch liegen; aber dort sind nun gewohnheitsmäßig schon D und· E. Man hilft sich so, daß die Tasten geteilt
werden, und daß die vordere Hälfte das D und E, die hintere das Fis und Gis erklingen läßt. Die Anordnung ist dann also:
FisGis
D E B
c G A H c
Diese Einrichtung heißt Gebrochene Oktave.
Dann werden alle Untertasten in ihrer Ordnung gebaut, und von den Obertasten fehlt nur das Cis. Bis dann schließlich die vollständige Oktave
auch in der Tiefe da ist.
In der Höhe gehen ganz alte Orgeln manchmal nur bis a" und das vorhergehende gis" ist ausgelassen.
Man hat zur Zeit der mitteltönigen Temperatur auch zwischen dis und es, gis und as (sogar cis und des) unterschieden und den entsprechen-
den Obertasten kleine Verdoppelungen beigegeben, durch die man die chromatischen Unterschiede wiedergeben konnte. Das sind die in den
Orgelbeschreibungen genannten doppelten Semitonien.
XIII

und überall anzutreffen; oft ist die Zahl der Nebenwerke man zur Beschaffung des Windes die Bälge von verschiedener
beschränkt, und dann übernehmen die noch vorhandenen die Bauart, die ihren Wind entweder unmittelbar an die Orgel
Aufgabe der fortgelassenen. Da der Organist in seinem Spiel abgaben, oder ihn erst in· einen Magazinbalg strömen ließen;
ein Werk gegen das andere setzen will, muß jedes besonders diese Verbesserung gewährleistete Gleichheit und Stoßfreiheit
zu regieren sein, hat also sein besonderes Klavier. Aus dieser des Windes und erlaubte außerdem, den einzelnen Teilen der
Werktrennung der alten Orgeln ergibt sich auch von selbst der Orgel Wind von verschieden abgemessener Spannung zu geben.
bei ihnen übliche Aufbau in Stockwerken. Es ergibt sich auch Die Bälge wurden getreten; und damit der Balgtreter, der
von selbst, daß die vorn stehenden Pfeifen besonders schön Kalkant, wie er in der alten Kunstsprache heißt, wußte, wann
gearbeitet und zum Schmuck des Gehäuses verwandt werden, und wielange er zu arbeiten hatte, konnte ihm der Organist
und daß diese Pfeifen wirklich klingen. Alle klassische ein Zeichen geben mittels eines Zuges der Kalkant,. Kal-
Orgelmusik ist für diese in Werken aufgebaute Orgel kantenwecker oder ähnlich bezeichnet war. Ein Wind-
geschrieben, rechnet mit den auf ihr möglichen anzeiger ließ· den Spieler erkennen, daß Wind in der Orgel
Gegensätzen und ist also auch nur auf einer ent- vorhanden war. Um nach dem Spiele die Bälge rasch zu ent-
sprechend angelegten Orgel sinngemäß wiederzu- leeren, hatte man den Evacuant oder Windablasser.
geben. Sperrventile öffneten den Einlaß der einzelnen Windkanäle.
Als im Laufe des 19. Jahrhunderts das Verständnis für die Heutzutage wird der Orgelwind meistens durch ein elektrisch
klassische Orgelmusik schwand, änderte sich auch der Auf- angetriebenes Schleudergebläse erzeugt, einen Ventilator. Da-
bau der Orgel und es ging die Vielklavierigkeit der alten durch bekommt· die Orgel jederzeit einen ausreichenden Vor-
Orgelwerke verloren. Man stellte alles Pfeifwerk womöglich rat genügend starken Windes, und der Spieler wird vom Balg,.
in dieselbe Ebene, man begnügte sich selbst bei größeren treter unabhängig. Zu dem Ventilator gehört ein Einschal ter.
Orgeln mit zwei Manualen, in der-Besetzungtrat an -die Stelle des Motors, meist auch ein Anzeigerfür denelektrischen
gegensätzlicher Charaktere bei annähernd gleicher Stärke Strom. Vielfach findet man an den Orgeln noch eine Reserve-
nun abgestufte Klangstärke bei fast gleichem Charakter. Ein schöpfanlage für solche Fälle, wo einmal der Strom aussetzt;
drittes Manual war höchstens bestimmt, die Stimmen aufzu- dann hat der Kalkantenzug auch heute noch seine Berech-
nehmen, die auf den anderen Klavieren keinen Platz mehr tigung.
hatten und brachte nur eine weitere Stärkestufe, nicht einen Die Pfeifen jeden einzelnen Werkes stehen auf einer be-
größeren Reichtum an Klanggegensätzen. sonderen Windlade beisammen. Die Windladen enthalten in
Das ist in letzter Zeit wieder anders geworden; die heut- ihrem Inneren den Verteilungsapparat, der den Wind zu. den
zutage gebauten Orgeln beachten wieder das Werkprinzip. jeweils gerade klingen sollenden Pfeifen führt. Die Lade muß
Ihrer Tonerzeugung nach ist die Orgel ein B 1a s ins t r u- also mit der Spielanlage in einer doppelten Verbindung stehen;
m en t. Die Pfeifen werden mit Wind von abgewogener und durch die Taste muß der Zugang zu allen Pfeifen desselben
gleichbleibender Stärke angeblasen. In früherer Zeit hatte Tones in den verschiedenen Stimmen geöffnet oder verschlos-
XIV-

sen werden können; und andrerseits muß der Zugang zu allen Anschlag der Taste und Ansprechen des Tones eine zwar sehr
zusammengehörigen Pfeifen einer Stimme freigegeben oder kurze, aber trotzdem merkbare Zeit vergeht-, die Pneumatik
gesperrt werden können, die Handhaben für den letzteren "schleppt". Die Tatsache, daß heute bei allen Neubauten, die
Zweck nennt man Register. wirklich etwas bedeuten sollen, auf die alte Mechanik zurück-
Die Verbindung zwischen Taste und Tonventil und ebenso gegriffen wird (freilich in technisch verbesserter Art), oder daß
die zwischen Register und Windzufluß für eine Stimme ist bis wenigstens elektrische Anlage verlangt wird, wo die übelsten
ins 19. Jahrhundert hinein mechanisch angelegt gewesen, Fehler der Pneumatik wegfallen und ihre Vorteile beibehalten
durch Wippen, Wellen, Winkel, Zugruten, Stecher, Stangen werden, spricht mehr als lange Auseinandersetzungen.
usw. Später hat man gelernt, die Kraft des Orgelwindes für die Für die Registrierung liegen die Dinge gerade umgekehrt.
Arbeit des Öffnens und Schließens der Zugänge nutzbar zu Mechanische Registerbewegung ist schwerfällig und nicht
machen; das ist die pneumatische Einrichtung. Letztlich immer geräuschlos. Außerdem verlangt man heute von der
sind die Röhrenleitungen der Pneumatik durch den elektri- Orgel die Möglichkeit schnellen Registerwechsels während des
schen Draht ersetzt, Taste oder Register bewirken die Kon- Spiels. J?as ist mit Mechanik einfach nicht zu machen. So
takte, und die elektromagnetische Kraft löst (mit einem wird denn die Registerschaltung, auch bei mechanischer Spiel-
pneumatischen Zwischengliede) die Ventilbewegung aus. übertragung, heute pneumatisch oder elektrisch angelegt. Die
Dem Spieler könnte es scheinbar einerlei sein, wie die Be- frühere Form des Knopfes zum Herausziehen ist jetzt fast
wegungen seiner Finger auf die Ventile in der Windlade über- überall durch die der Kipptaste (Drücker, Wippe) ersetzt.
tragen werden. In Wirklichkeit ist das nicht der Fall. Bei Außer den Klavieren und den Registern für die Stimmen
mechanischer Spielübertragung fühlt der Finger die Wider- enthält der Spieltisch oder Spielschrank noch andere Hilfs-
stände der sich straffenden Verbindung, er fühlt genau, in mittel für das Spiel; sie sind häufig durch Druckknöpfe zu
welchem Augenblicke sich das Ventil öffnet, und erst dies bedienen, die in der Vorsatzleiste eines der Klaviere ange-
genaue Gefühl von dem, was in der Mechanik vor sich geht, bracht sind, bisweilen haben sie dieselbe Form wie die Re-
ermöglicht ihm ein sauberes Spiel. Dieser Vorteil wiegt auch gister und sind mit diesen zusammen angeordnet, oder endlich
die Nachteile einer etwas schweren Spielart reichlich auf. Zu- sind sie über dem Pedal als Tritte angelegt, neuerdings auch
dem kennt der Orgelbau genügend Mittel, die Spielart zu er- als große Knöpfe zum Treten. Die Knopf- und Trittspielhilfen
leichtern. Bei pneumatischer oder elektrischer Anlage fühlt haben oft Doppelwirkung, das heißt: schaltet das erstemal
der Finger keinen Druckpunkt, er merkt nur, wann die Be- Treten oder Drücken die Spielhilfe ein, so schaltet das zweite-
wegung der Taste zu Ende ist, aber dann ist die Wirkung des mal sie wieder aus; häufig bleibt der Knopf eingedrückt oder
Anschlages schon eingetreten. Dieser Fehler wird auch ~urch der Tritt liegend, um dann bei der nächsten Berührung zurück-
die leichte Spielart der Pneumatik nicht wett gemacht, auch zugehen. Wenn dieselbe Spielhilfe doppelt vorhanden ist, ein-
durch Gewichte oder Gegenfedern nicht aufgehoben. Bei den mal als Knopf und ein zweites Mal als Tritt, so stehen beide
meisten Pneumatiken kommt dann noch hinzu, daß zwischen gewöhnlich in Wechselwirkung, das heißt: was mit dem Knopf
XV-

eingeschaltet ist, kann mit dem Tritt wieder ausgeschaltet Koppeln drauflos gebaut. Was damals rasch Verbreitung fand,
werden und umgekehrt. Die Frage, was denn praktischer sei, war zum großen Teil auch schon mechanisch versucht worden,
Handspielhilfen oder Fußspielhilfen, muß dahin beantwortet also sachlich nicht neu.
werden, daß dabei sehr viel auf Gewohnheit ankommt, daß Da sind zunächst die Okta vkoppeln. Man muß unter-
aber erfahrungsgemäß eher ein Fuß frei ist als eine Hand. scheiden zwischen solchen, die die höhere oder tiefere Oktave
Die Hilfen beziehen sich entweder auf das Spiel der Hände desselben Klaviers mitnehmen, und solchen, die zu einem
und Füße auf den Klavieren; oder sie geben Mittel zur Er- anderen Klavier hinübergreifen. Hat z. B. eine Orgel die
fassung der Register, oder sie ändern die Klangeigenschaften Koppeln Oktav I, Oktav UJI, Suboktav II/I, Oktav II, Sub-
der Stimmen an sich, oder endlich sind es wirkliche Neben- oktav II, Oktav IIJP, so fügen die beiden Oktavkoppeln I und
züge, die mit dem eigentlichen Orgelspiel nicht viel zu tun II je das c' an das angeschlagene c, die Suboktavkoppel des II
haben. Zur ersten Gruppe sind zu rechnen Koppeln aller fügt das C an das angeschlagene c des II. Dagegen erklingt
Art, Tastenfessel und Verschiebung; zur zweitenVen- durch die Koppel Oktav IIJI das c' des II zu dem c des I, und
tile, Gruppenzüge aller Art, Walze und Pedalumschal- ebenso durch Suboktav IIJI dasCdesiizudemcdesi;schließ-
tung; zur dritten Schweller und Tremulant; zur letzten lich bringt Oktav IIJP zu der angeschlagenen Pedaltaste c den
Zimbelstern, Glockenspiel, Pauken u. dgl. m., aber Klang von c' des II. Das spiegelt einen großen Klangreichtum
auch die stummen Register aller Art. vor, bedeutet aber nicht so viel.J?enn die Wirkung der reinen
Die Koppeln bewirken, daß die Taste de~ bespielten Oktavkoppeln I oder II ist unerfreulich schreiend, weil das
Klaviers die gleichnamige Taste des angeschlossenen Klaviers gesunde Verhältnis der aufeinanderfolgenden Stimmenlagen
mitnimmt. Die Manualkoppel IIJI bringt demnach den zerstört ist; und bei der Suboktavkoppel ist das noch weit
Klang des angekoppelten zweiten Manuals zu dem des ersten mehr der Fall, der Klang wird nicht mächtiger und würde-
hinzu. Die Pedalkoppeln bereichern den Pedalklang um voller, sondern brummiger und schmieriger .. Die einzige Ok-
den der entsprechenden Manualstimmen und müssen oft dazu · tavkoppel im gleichen Klavier, die Berechtigung hat, ist die
dienen, in das Pedal die dort f~;hlenden höheren Stimmen im Pedal; weil sie wirklich den Pedalklang verdeutlichen und
hineinzubringen. aufhellen kann, aber gerade diese wird verhältnismäßig selten
Der alte Orgelbau war in der Anlage von Koppeln sparsam; gebaut. Die ins andere Klavier hinübergreifenden Okta,v-
einmal weil durch jede Koppelung die klangliche Selbständig- koppeln geben die Möglichkeit, stärkere Klangfarben des
keit der Werke gestört wird und weil bei der damaligen Be- unteren Manuals mit schwächeren des oberen Manuals im
setzungsart der Orgeln Stimmenentlehnungen in seltenen Oktavabstande zu untermalen. Das ist für die freie Phantasie
Fällen nötig wurden, dann aber auch, weil durch die Anlage unter Umständen ganz hübsch; aber wir sind aus dem Zeit-
von Koppeln die Mechanik verwickelter und die Spielart alter der Farbenspielerei und der Nachahmung orchestraler
schwerer wird. Mit dem Aufkommen der Pneumatik fiel der Effekte schon wieder heraus, und so haben derartige Oktav-
letztere Gegengrund weg, und nun wurde nach Herzenslust in koppeln heutzutage ihre Daseinsberechtigung verloren. Die
XVI-

Koppel 11/P, auch Tenorkoppel genannt, ist dazu bestimmt, Die Tastenfessel, auch Prolongement genannt, be-
dem Pedal geeignete Stimmen für den Cantus firmus zu geben; wirkt, daß diejenigen Tasten, bei deren Anschlag die Vorrich-
aber meist sind die Stimmen des Nebenklaviers, auch in Ok- tung betätigt wird, liegend festgehalten werden, bis ein neuer
tavlage wenig dafür brauchbar, und eine echte Melodiestimme Druck sie wieder auslöst. Die Einrichtung kommt vom Kla-
im Pedal ist mehr wert. Der Vollständigkeit halber sei be- vier her, wird auch heute noch am Harmonium gebaut; für die
merkt, daß auch Doppeloktavkoppeln, Quintkoppeln Orgel hat sie keinen Wert.
und Ausschaltungen der Normallage gebaut worden Die Verschiebung oder Transposition stammt aus
sind. Melodiekoppeln, die den jeweils obersten Ton ver- jener Zeit, wo noch Chorton und Kammerton unterschieden
stärken (der ja gar nicht immer zur Melodie gehören muß!), wurde, und sollte dem Spieler das schwierige Transponieren
und Baßkoppeln, die dasselbe für den jeweils untersten Ton um einen halben oder ganzen Ton ersparen. Die Einrichtung
besorgen (der nicht immer der Baßton sein muß !) , sind nichts besteht in der Möglichkeit, die Tasten des Unterklaviers seit-
als Krücken für Leute, die nicht Orgel spielen können. Ge- lich bis zum nächsten Halbton oder Ganzton zu verrücken, so
legentlich sind auch Verkehrtkoppeln gebaut worden, die daß beim Spiel in C-dur die Mechanik so angegriffen wird, als
nicht das obere Klavier an das untere hängen, sondern umge- ob Cis-dur oder H-dur, D-dur oder B-dur gespielt würde.
kehrt das untere mitnehmen, wenn das obere gespielt w.ird; Heutzutage können die Organisten transponieren.
sie können dann von Wert sein, wenn das Hauptwerk in der Das älteste Mittel, dem Spieler den Wechsel der Registrie-
Mitte liegt. Eine besondere Art von Koppeln, Akzentkoppel rung zu erleichtern, sind die :Ventile. Wenn sie auch ursprüng-
oder auch Sforzato genannt, arbeitet mit doppeltem Druck- lich dazu dienen sollten, im Falle eines Heulers den Wind von
punkt der Taste und wirkt nur, wenn die Taste tiefer als sonst einer Lade abzusperren, so konnte doch, wenn ein Werk durch
hinuntergedrückt wird. Theoretisch lassen sich damit sehr sie stumm gemacht wa:r, schnell umregistriert werden, und
schöne Wirkungen erzielen, Herausarbeitung eines Cantus- beim Wiederanziehen des Ventils erklang .dann die neue Re-
firmus, praktisch haben sie sich nicht bewährt. - Aus der gistermischung. - Die neuere französische Orgel trennt die
Einrichtung des pneumatischen Hebels ging bei der französi- Windladen für Zungen und Mixturen von denen der labialen
schen Orgel des Ig. 1ahrhunderts eine Spielhilfe hervor: die Grundstimmen; die Sperrventile dieser zweiten Abteilungen
Einführung des Hauptwerks. Spielpraktisch kann man der Laden wurden nun zu Spielhilfen, es sind die durch Tritte
sie als eine Koppel 1/I ansehen. Sie ist dann auch an deutschen zu regierenden Einführungen der Zungen und Mixturen
Orgeln nachgeahmt, aber leider mit umgekehrter Wirkung, (Appels), mit deren Vorhandensein die französische Literatur
als Leerlauf I Manual. Ähnlich ist dann die Einführung rechnet. Es sei gleich bemerkt, daß der deutsche Organist sie
des Pedals als Pedal-Leerlauf in die deutsche Orgel hin- sich in anderer Weise ersetzen kann.
übergenommen. Beides ist wertvoll für das Spie~ französischer Schon die ältere mechanische Orgel kannte Züge oder
Kompositionen, die mit diesem Hilfsmittel rechnen; aber nur Tritte, durch die ganze Gruppen von Registern mit einem
dann, wenn diese Mittel richtig, als Einführungen, angelegt sind. Male gezogen oder wieder abgestoßen werden konnten. Aber
XVII

sie waren meist schwergängig und dazu geräuschvoll. Der- mit Recht eingewandt, sie sei unübersichtlich und sie leiste
artige Kollektive, feste Kombinationen, Gruppen- der Meinung Vorschub, als sei die erste Registratur (die Hand-
züge ließen sich pneumatisch verblüffend leicht herstellen, registratur) etwas anderes oder gar etwas Besseres als die
und so wurden sie zuerst reichlich gebaut, nicht nur als Stärke:- übrigen. Deshalb legt man jetzt meist die Register einer Orgel
gruppen (pp, p, mf, f, ff) für die ganze Orgel oder für einzelne mehrfach an, aber in völlig gleicher Form und Größe; natür-
Klaviere, sondern auch als Chorzüge (Flötenchor, Rohrwerks- lich genügt es, wenn nur eine der Re.ßistraturen die Namen der
chor usw.), ebenfalls für die ganze Orgel oder für einzelne Stimmen und Spielhilfen trägt. Die neuerdings auch bei uns
Klaviere, dazu noch andere (Tutti, Choralwerk, Organa oft zu findende amerikanische Art der Anlage hat im Spiel-
pleno). Ihr künstlerischerWert ist aber gleich Null, und daher tisch nur eine Folge von Registern, auf der alle Registraturen
sind sie in neueren Orgeln kaum mehr zu finden. Nur das eingestellt werden. Wenn eine Mischung fertig zusammenge-
Tutti hat sich gehalten; ob mit Recht, bleibe dahingestellt, stellt ist, wird sie durch einen Setzknopf festgehalten, und die
denn "volles Werk" heißt nicht: "alles, was die Orgel hergibt". Register gehen in die Ruhelage zurück. Soll dann eine der vor-
Auch Zusammenfassungen vorher ausgewählter Register- bereiteten Mischungen erklingen, so drückt man den Knopf der
mischungen waren schon in mechanischer Zeit bekannt, aber betreffenden Nummer, dann springen die dafür gezogenen
es handelte sich dabei immer um nur eine einzige solche Freie Register in Einschaltstellung, und der Spieler kann kontrol-
Kombination. Recht gebrauchsfähig geworden sind sie erst lieren, was er in dieser Mischung hat, und kann gegebenenfalls
durch Anwendung der Pneumatik und Elektrizität. Dabei ·noch etwas daran ändern. Es gibt bei dieser -Art also über-
wurde dann aus dem Kombinationsprolongement, das haupt keine "Handregistratur".
nur eine Möglichkeit bot, zuerst die mehrfache Freie Kom- Ein Wechsel im Klange ist nicht jedesmal im ganzen Be-
bination, und dann die mehrfache Registratur. In Orgeln reich des Instruments nötig. Deshalb findet man jetzt meistens
aus der Zeit um 1900 findet man meist über den Registern eine der Registraturen so eingerichtet, daß sie sich klavier-
Reihen von kleinen Knöpfchen, von Hebelchen oder derglei- weise ein- oder ausschalten läßt. (Die Bezeichnung "französi-
chen, durch die eine zweite, eine dritte usw. Registratur ein- sche Kombination" ist nur halb richtig, besser sagt man "ge-
gestellt werden konnte; bisweilen ließen sich auch die Re- teilte Registratur"). Oft ist die Möglichkeit des Einzelwechsels .
gisterknöpfe für die eine Registratur herausziehen und für die nur im Pedal gegeben, es sind dann noch besondere Einstell-
andere hinunterdrücken. Diese Mischungen traten in Klang, knöpfe oder dergleichen für die Pedalregister da, und die Mi-
sobald die ihnen zugehörigen Einführungsknöpfe in der Vor- schungen können sowohl untereinander, wie auch mit denen
satzleiste eines Manuals hineingedrückt oder die entspre~hen­ der durchgehenden Registraturen ausgetauscht werden.
den Tritte über dem Pedal niedergetreten wurden. Der Ein- Das Bedürfnis, gerade im Pedal schnell mit dem Klang
tritt einer 2., 3., usw. Registratur hob die anderen meist auf. wechseln zu können, hat zur Erfindung der selbsttätigen
Sollte die stehende Registratur am Klange bleiben, so war da- Pedalumschaltung (automatisches Pianopedal) ge-
für ein besonderer Knopf zu betätigen. Gegen diese Anlage ist führt. Beim Übergang der Hände vom I. auf das II. Klavier
3
- XVIII

verstummen die etwa gezogenen stärkeren Pedalstimmen und geringe und schnelle Schwankungen in der Winddichte erzeugt
schaltet sich die etwa gezogene Pedalkoppel I aus. Diese und dadurch die Aufmerksamkeit auf die in ihrem Charakter
zwangläufige Pedalnmschaltung, die natürlich künstlerisch veränderte Stimme lenkt. Spätere Zeiten mußten damit nichts
wertlos ist, wurde dann bald durch eine andere Art ersetzt, bei mehr anzufangen und gaben ihn auf; heute wird der Tremu-
der die Stimmen des "Pedal II" durch besondere Register ein- lant wieder gebaut und auch richtig benutzt. - An seine
gestellt werden konnten. Daß dann noch wieder besondere Ab- Stelle traten zeitweise die schwebenden Stimmen, die aber
steiler dafür gebaut werden mußten, beweist, daß die ganze· auch sentimental mißverstanden wurden und deshalb heute in
Einrichtung doch nicht das leistet, was man anfänglich davon schlechtem Rufe stehen.
erhoffte. Man kommt heutzutage wieder davon ab, in der Er- Brustwerk und Oberwerk standen ja bisweilen in Schrän-
kenntnis, daß alle Automaten den Spieler hindern. ken. Der Gedanke lag nahe, die Türen und Wände dieser
Deshalb wird auch der Registerschweller (Crescendo, Schränke zu beweglichen Luken umzugestalten, so daß der
kurz "\Valze" genannt) heute anders eingeschätzt, als zur Ton der darin stehenden Stimmen je nachdem freier oder ge-
Zeit seiner Erfindung. An sich war ja der Gedanke verlockend, dämpfter klingen konnte; und weiter lag es nahe, die beiden
auf eine so einfache Weise die Kraft der Orgel von der schwäch- Grenzfälle des ganz offenen und des ganz geschlossenen Ka-
sten Stimme an bis zu ihrer vollen Gewalt steigern zu können, stens durch allmähliche Übergänge zu verbinden, also einen
~urch einen Apparat, der nach und nach alle Stimmen in ge- Schwellkasten zu schaffen. Die Stellung der Luken wird
gebener Reihenfolge heranholt. Aber diese Reihenfolge paßt durch einen Tritt über dem Pedal bestimmt.- Das frei klin-
eben nicht immer und überall. So entstand der frei einstell- gende Pfeifwerk im offenen Kasten erscheint gleichzeitig stär-
bare Rollschweiler, dessen Freieinsteilbarkeit so umständlich ker als das abgedämpfte im geschlossenen Kasten. Diese Be-
war, daß sich sein Gebrauch während des Spiels von selbst gleiterscheinung (stärker und schwächer) hat eine spätere Zeit
verbot. Es kam also auch bei ihm auf eine festgelegte Reihen- in der Wertschätzung mit der Hauptsache (freierer oder ge-
folge heraus. Von Anfang an war es umstritten, ob die Regi- dJmpfterer Klang) vertaus~ht undhat ausdem Schwellwerk,
strierung der Walze die stehende Handregistrierung ablösen das auf architektonische Wirkungen angelegt ist, ein Echo-
oder sich mit ihr verbinden solle. Zeugnis dafür sind die Tritte werk gemacht, das zu sentimentalen Wirkungen mißbraucht
oder Knöpfe "Walze an!", "Walze ab!", "Walze allein!", wurde.- Ein 'Schwellwerk lohnt sich nur dann, wenn es stark
"Handregister ab für Walze!" usw. Auch in bezugauf die Her- und mit obertönigen Stimmen besetzt ist.
übernahme der Koppeln herrscht keine Einmütigkeit, daher An alten Orgeln finden sich noch einige Register, für die
bisweilen die Hilfszüge "Koppeln aus der Walze!" Wahr- wir heute nicht mehr das richtige Verständnis haben. Darum
scheinlich wird diese Spielhilfe zuletzt wieder aufgegeben brauchen wir sie nicht hochmütig als "Schnurrpfeifereien" zu
werden. bezeichnen. Die stummen Figurenregister, die Dudel-
Ein ganz altes Mittel zur Hervorhebung einer einzelnen sackregister, den Vogelgesang u. a. m. wird man bei
Linie in der musikalischen Zeichnung ist der Tremulant, der Neubauten nicht wieder künstlich beleben wollen. Dagegen ist
XIX

der Zimbelstern verschiedentlich in neuerer Zeit gebaut aufgeklärt. Sieht man die Pfeife an dieser Stelle an, so be-
worden und hat sich als ein hübsches Mittel erwiesen, festlich- merkt man eine Scheidewand zwischen Fuß und Körper, den
freudige Stimmung in den Orgelklang hineinzubringen. - "Kern". Vorn ist dieser Kern zum Teil weggeschnitten, und
Außer den schon früher üblichen, nicht immer wohltuenden der Rand des Fußes ist soweit herangebogen, daß nur noch
Glockenspielen, findet man neuerdings gelegentlich die ein schmaler Spalt übrig bleibt, die "Kernspalte". Es ist wich-
Harfe aus Röhrenglocken, deren Klang uns genehmer ist.- tig, wie lang und breit diese ist, denn ihr Maß gibt, wie einzu-
Schließlich mögen die ganz stummen Register erwähnt werden, sehen, wieder ein Maß für die Windmenge und deren Span-
die auf alten Orgeln nur der Symmetrie wegen da sind; bis- nung, und damit" für die Stärke des Tones der Pfeife. Insbe-
weilen sind sie mit N oli tangere oder ähnlichen Beschriftungen sondere bestimmt das Verhältnis der Länge dieser Spalte zum
versehen. Durchmesser der Pfeife die "Fülle" eines Tones. Auch auf die
Beschaffenheit der H.änder der Spalte kommt es an: auf der
Die Pfeifen. einen Seite die Schnittfläche des Kerns, der selbst wieder mehr
Die Pfeifen der Orgel sind entweder Lippenpfeifen oder weniger hoch liegen kann, dick oder dünn sein kann, vorn
{Labialpfeifen) oder Zungenpfeifen (Lingualpfeifen). flacher oder steiler abgeschrägt ist, und in den seichtere oder
Die Lippenpfeifen bilden die Hauptmasse der Orgelpfeifen. tiefere Kerben (Kernstiche) in größerer oder geringerer Zahl
Ihre allgemeine Form darf dem Aussehen nach als bekannt eingestochen sein können; auf der anderen Seite die glattere
vorausgesetzt werden. Auf einem meist nach unten zugespitz- oder rauhere Kante des "Unterlabiums", wie dieser herange-
ten "Fuß" der Pfeife sitzt eine Röhre, der "Körper", an dem bogene Rand des Fußes heißt. Alles das zusammen regelt die
unten ein Loch sichtbar ist, der "Aufschnitt". Das sind, ganz Bereitschaft der Pfeife, überhaupt anzusprechen und dies in
grob ausgedrückt, die Hauptteile einer Lippenpfeife; im einzel- richtiger Weise zu tun. Der Luftstrom aus der Kernspalte
nen ist dazu noch recht viel zu sagen. trifft dann auf den oberen Rand des ausgeschnittenen Loches,
Die Länge des Fußes ist für die Höhe des Pfeifentones das "Oberlabium", und auch hier kommt es genau darauf an,
gleichgültig, aber nicht für die Art des Tonansatzes. Auch auf wie diese Kante zur Richtung des Luftstromes steht, wie weit
die Weite der unteren Fußöffnung kommt viel an, denn durch sie vom Unterlabium entfernt ist, in welcher Linie diese Kante
sie wird die in die Pfeife eingehende Windmenge bestimmt. räumlich veriäuft, denn nach alledem richtet sich die Grund-
Bekommt die Pfeife zu wenig Wind, SQ klingt sie matt; be- tönigkeit der Pfeife, die Schärfe des Tones, die Art des An-
kommt sie zuviel, so klingt sie grell, ja sie verläßt gar einmal satzes. Nebenbei sei bemerkt, daß diese Labienstücke, wenig-
den ihr gebührenden Ton und schlägt in einen anderen über. stens bei größeren Pfeifen besonders eingesetzt sind. Oft sieht
Das Loch an der Stelle, wo F~ß und Körper aneinander man an den Pfeifen neben dem Aufschnitt Seitenlappen, oder
grenzen, der Aufschnitt, ist die empfindlichste Stelle der quer davorstehende Blättchen oder Rollen oder Ähnliches; der
Pfeife, denn dort kommt der Ton zustande. Wie das eigent- Orgelbauer nennt alle diese Anhängsel "Bärte" und versteht,
lich geschieht, ist wissenschaftlich noch nicht bis ins letzte mittels ihrer die Tonhöhe, die Tonstärke, die Tonfarbe, den
3*
XX-

Tonansatz zu be~influssen. Aus diesen ganz knappen Andeu- engere; enge Mensur läßt die höheren Teiltöne des Klanges
tungen ist. schon zu ersehen, welch geheimnisvolle Stelle der besser zur Entwicklung kommen*), und enge Pfeifen klingen
Pfeife das Labium ist; und man versteht, daß die Hauptkunst ttnter gleichen Verhältnissen schwächer als weitere. Es gibt
des Orgelbauers·nicht il! der Aufstellung ~iner Orgel besteht, auch· Pfeifen, deren -Körper.am 1;.-abium und am oberen Ende
sondern in der sorgsamen Behandlung der Pfeifen mit ge- verschieden weit ist; entweder so, daß die Pfeife nach oben hin
schkkter Hand und feinhörigem Ohre. Es geht aber auch verspitzt ist (konische Pfeifen)· oder umgekehrt (Trichter-
daraus hervor, daß die Pfeifen nur vom .Orgelbauer be- pfeifen). Das ergibt in beiden Fällen eine andere Lagerung der
rührt werden dürfen; alles Anfassen, Herausneh- hervortretenden Obertöne, urid daher eine abweichende Klang-
men, Drehen usw. schadet den Pfeifen und verän- farbe. Weiterhin sind die Pfeifen entweder oben offen, oder
dert ihre kunstmän"ige Intonation. Der Laie kann durch einen Deckel (Spund, Hut) geschlossen, "gedackt" sagt
Fehler in der Sprache der Pfeife oder in ihrer der Orgelbauei-. Zylindrische Gedackte klingen fast eine Ok--
Stimmung doch .nicht beheben;. er kann s{e höch- tave tiefer als offene Pfeifen gleicher Größe und Bauart; koni-
stens verschlimmern oder neue hinzufügen. Also.: sche Gedackte klingen etwa eine große Terz bis Quinte tiefer
Hände weg! als ihnen entsprechende offene Pfeifen. Zugleich ändert sich,
Der :Körper der Pfeife ist zumeist eine gerade Röhre, je am merkbarsten bei den zylindrischen Gedackten, die Klang-
nachdem von größerer oder geringerer Weite. Der Orgelbauer farbe. Sehr enge Pfeifen neigen zur Bildung höherer Teil-
bezeichnet das Verhältnis von Weite zu Länge als Mensur. töne; und das kann soweit gehen, daß der Ton der Pfeife in die
Weite Mensur begünstigt die ·Bildung des Grundtones, und Oktave überschlägt. Der Orgelbau benutzt diese Tatsache und
weite Pfeifen klingen unter gleichen Verhältnissen stärker als stellt Stimmen von doppelter Länge her, die in die Oktaven

*) Klang und Ton sind nicht dasselb~. Ein Klang setzt sich aus verschiedenen Teiltönen zusammen, deren tiefster der Grundton ist und zu
dem die anderen als Obertöne in dem Verhältnis stehen, daß ihre Schwingungen ganzzahlige Mehrfache, also ihre Wellenlängen Brüche mit dem
Zähler 1, des Grundtones sind. Hat also der Grundton die Schwingungszahl I und die Wellenlänge 1, so haben die weiteren Teiltöne
die Schwingungszahlen 3 4 5 6 7 8 9 10 usw.
I I I I I I I I I
und die Wellenlängen - - usw.
2 3 4 5 6 7 8 9
Bei den Klängen der Labialpfeilen Werden diese Obertöne sehr rasch nach oben hin schwächer.
Die harmonischen Verhältnisse der Teiltöne sind die, daß der 8. die dritte Oktave,
der 2 • die Oktave des Grundtones gibt, 9· " Sekunde der dritten Oktave (meist als None bezeichnet),
,. 3· " Quinte über ·der Oktave (Puodezime) Io. " Terz der dritten Oktave,
4· " zweite O)l:tave, 11. " natürliche übermäßige Quarte (meist als Undezime be-
5· " Terz aus der zweiten Oktave zeichnet) aus der dritten Oktave (zwischen f und fis)
6. " Quinte aus der zweiten Oktave, Quinte der dritten Oktave
.
12. . "
7· · natürliche Septime aus der zweiteil Oktave, und so weiter .
XXI

überblasen. Es gibt auch Pfeifen, die aus verschiedenartigen messu11:gen von Ton zu Ton in ganz bestimmter und genau zu
Stücken· bestehen: bei den Aufsatzflöten ist der untere Teil berechnender Folge wachsen oder abnehmen. Diese Bauvor-
des Körpers zylindrisch, der obere konisch; bei den Rohrflöten schriften heißen im engeren Sinne "Mensur", und ihre Fest-
sitzt oben auf dem Hute der Gedacktpfeife ein Röhrchen, legung ist auch wieder ein Sondergebiet orgelbauerischer
das bei den einzelnen Arten dieser Stimmen sehr verschieden Kunst; denn eine gute Mensur soll dem Raume angepaßt sein,
lang und weit sein kann, und das die Klangfarbe stark be- für den die Orgel bestimmt ist.
einflußt. Die meisten Orgelstimmen sind einreihig. Sie tragen neben
Einegenaue Einstimmung der Pfeife auf einen bestimmten ihrem Namen noch eine Längenbezeichnung, z. B. 8' (zu lesen:
Ton ist durch sorgfältiges Abschneiden bis auf die richtige acht Fuß), 22/a'·, 32' usw. - Das war einmal wirklich ein
Länge möglich. Aber diese Einstimmung hält nicht lange Längenmaß; aber schon seit Jahrhunderten ist solche Be-
vor, weil die Tonhöhe ja nicht nur VOJ:?. der Pfeifenlänge, zeichnung nur noch ein Sinnbild für die Tonhöhenlage. Unter
sondern auch von der Temperatur der Luft abhängt. La- 8' versteht man diejenige Tonlage, bei der die Töne in dersel-
bialpfeifen klingen bei größerer Wärme höher, bei zuneh- ben Höhe erscheinen, wie auf dem Klavier. Jede Multiplika-
mender Kälte tiefer. Die Pfeifen, müssen also gelegentlich tion niit 2 klingt eine Oktave tiefer, also I6' eine Oktave, 32'
gestimmt werden. Bei kleineren geschieht das durch vor- zwei Oktaven unter Klavierhöhe; jede Division durch 2 klingt
sichtiges Zusammenreiben oder Ausweiten des oberen Ran- eine Oktave höher, also 4' eine, 2' zwei, I' drei, lj2 ' vier Okta-
. '
des; größere Pfeifen haben meist eine besondere Stimmvor- ven über Klavierhöhe. Das entspricht für den 8' dessen gerad-
richtung. Stimmung der Labialpfeifen istnicht Sache zahligen Obertönen: der 4' dem 2., der 2' dem.4-, der I' dem 8.,
des Organisten. der 1 /~' dem I6. Die ungeradzahligen Obertöne passen in dies
Die meisten Orgelpfeifen sind aus irgendeinem Metall: Zinn, Schema nicht hinein und ergeben beim Ausdruck durch Teile
Blei, Zinn-Blei-Mischung (im Orgelbau schlechthin "Metall" des 8' Brüche: also die erste Quinte als 3· Oberton des 8' gibt
genannt), Kupfer, Zink. Holzpfeifen unterscheiden sich von 2 2/ 3 ', die zweite Quinte, der 6. Oberton, I 1/ 3', die dritte, der
Metallpfeifen nur insoweit, als der andere Werkstoff andere IZ. Oberton, 2/ 3 '; ähnlich die erste Terz, der 5. Oberton, I 3/ 6 ',

Bauformen bedingt; Bedeutung und Wirksamkeit der Einzel- die zweite Terz, der IO. Oberton, 4 / 5 '; die als Orgelstimme
teile bleibt dabei dieselbe.· Gewöhnlich sind Holzpfeifen vier- nicht gerade häufige Septime, der 7· Oberton hat für den
kantig, rechteckig oder quadratisch im Querschnitt; drei- 8' die Bezeichnung I 1 / 7'; die ganz seltene None, der g. Ober-
kantige oder runde Holzpfeifen sind Ausnahmen. Holzpfeifen ton, erscheint mit dem Bruche 8 / 9 ', die überhaupt erst ein-
klingen meist etwas dumpfer als ihnen entsprechende me- mal versuchte Undezime hat 8/ 11 ' und die bis jetzt noch gar
tallene. nicht gebaute Tredezime würde 8 / 13 ' haben. Bezogen auf den
Die Pfeifen stehen nicht einzeln da, sondern sind zu Stim- I6' würden die erste Quinte 51 / 3 ', die erste Terz 31 / 6 ', die
men zusammengefaßt, in denen alle Pfeifen im Klange zuein- Septime z2/ 7 ' heißen; folgende kleine Tabelle wird das ver-
ander passen sollen. Damit das der Fall ist, müssen ihre Ab- deutlichen:
-XXIII-

bezeichnet, und dasNach thorn als ausgeprägteste Stimme bungsprinzipal, wird dann zur schwebenden Flöte und endlich
dieser Art. Die Namen Gemshorn, Coppel, N asa t können zur schwebenden Streichstimme; Vox coelestis ist mehr
hier auch vorkommen. oder weniger starke schwebende Streichstimme. Auch andere
Namen kommen vor. -
III. Zylindrisch offene Stimmen von enger Mensur.
IV. Konische offene Stimmen.
Mit der Verkleinerung des Durchmessers wächst die
Schärfe und vermindert sich die Stärke des Tons. Je nachdem Bei allen diesen Stimmen treten einzelne der höheren
nun durch höheren Aufschnitt die Schärfe gemildert wird, Obertöne mehr hervor und geben dem Klange eine eigentüm-
oder durch vermehrte Windgabe die Tonstärke vermehrt liche Helligkeit. _
wird, kommt es entweder zur Bildung weich und schwach Spi tzflöte, Flachflöte, Waldflöte, Blockflöte,
klingender Flöten oder zu der schärfer klingender Streicher. Gemshorn, Spillpfeife (Spielflöte) sind die hauptsäch-
Namentlich die "Flöten" in diesem Sinne sind sehr artenreich lichen Arten. Schon früh hat man die Mensur verengert und
ausgestaltet. Vielfach hat man ihnen eine besondere Anblase- dadurch den Klang dem der Streicher genähert, zuerst beim
vorrichtung gegeben, die den Lippen des Bläsers ähnelt und Gemshorn. Flötende Gemshörner und streichende Gems-
die den Klang dem der Orchesterflöte möglichst angleichen hörner bestehen nebeneinander bis in die neueste Zeit. Aus
soll (Flauto traverso), oder man hat von der Tatsache des dem streichenden Gemshorn entsteht die Viola di Gamba
Überblasens Gebrauch gemacht und dadurch die Kraft der Silbermanns und anderer, auch die Salizionale und Violons
Stimme gesteigert, ohne ihren Charakter zu entstellen (F 1u t e werden dann oft konisch gebaut.
harmonique, überblasende Flöte).- Bei den Streichern
V. Umgekehrt konische Stimmen.
ist man in der Mensur immer enger geworden und hat den
"Strich" durch besondere Arten von Bärten bis aufs Äußerste Dem Klange ist gewisse Herbheit eigen; diese kann
zu verschärfen gewußt. Namen derartiger Flöten sind: ent- bei engerer Mensur zum sanften Strich werden, ·und läßt
weder ganz einfach Flöte, Flauto, Flute, oder mit erklä- . sich bei geringem Windzuflusse fast ganz unterdrücken.
renden Zusätzen Quintflöte, Terzflöte, Doppelflöte (hat Die älteste Stimme der Art trägt den Namen Dulzian;
2 Labien), >Offenflöte, oder mehr oder weniger Phantasie- wird auch als labialer Dulzian oder Dolkan heute wie-
namen Flauto dolce, Fl. amabile, Fernflöte, Konzert- der gebaut. Vielfach ist in Norddeutschland die Viola di
flöte, Wiener Flöte, Flautino, Piccolo u. a. m. Namen gam ba in dieser Weise gebaut. Auch Salizional und V io-
von Streichern sind: Viola, Viola di gamba (auch einfach lon finden sich umgekehrt konisch. Im letzten Jahrhundert
Gambe), Violine, Viola d'amore, Fugara, Salizional wurde dann die Abschwächung Dolce beliebt, aus der dann
(Salizet), Harmonika, Aeoline. noch ein Dolcissimo hervorging. Andrerseits entstand
Die schwebenden Stimmen gehören meistens auch in diese als neuere Verstärkung der alten Trichtergambe die labiale
Gruppe. Unda maris ist ursprünglich ein sanftes Schwe- Schalmei.
XXIV-

VI. Zylindrische Gedackte. sich gelegentlich Namen w1e Nachthorn, Bauerpfeife


Sowohl die Weitenmensur wie der Windzufluß sind in u. a. m.
weitestem Maße veränderlich, und so entstehen eine Menge IX. Aufsatzflöten.
verschiedenster Namen· und Arten. Gedackt, Bordun, Auch der Klang der Aufsatzflöten, die aus einem unteren
Coppel, Flöte, lieblich Gedackt, singend Gedackt, zylindrischen und einem oberen konischen Stück bestehen, ist
Gedacktflöte, Sub baß, Untersatz, Pfeiferflöte, Na- ähnlich dem der Rohrflöten gebrochen. Eng und mehr strei-
sa tu. a. m. sind alles Stimmen mit wesentlich grundtönigem cherartig im Klange ist die Spillpfeife, Schwiegel; weit
Klange von verschiedener Stärke. Bei niedrigerem Aufschnitte und mehr füllend ist die Koppelflöte.
oder bei stärkerem Winde machen sich die Obertöne mehr be-
merkbar, und zwar sind das bei den zylindrischen Gedackten
nur die ungeradzahligen (also der 3., 5., usw.). Stimmen Neben den Lippenpfeifen enthält die Orgel als eine zweite
der Art sind Quintadena (Quinta tön, Quintade, Hohl- Art die Zungenpfeifen, auch Lingualpfeifen genannt,
schelle), Gedacktpommer (N achthorn-, Pastori ta, und als ganze Stimmen H.ohrwerke. Sie haben ihren Namen
Schalmei, Viola di garriba), und die ganz überblasende von der "Zunge", einem federnden Metallblättchen, wie es aus
Q u e rf 1ö t des alten Orgelbaus. der Mundharmonika bekannt ist. Die Entstehung des Tones in
der Zungenpfeife ist noch ebensowenig wissenschaftlich rest-
VII. Konische Gedackte. los erkannt, wie die des Tones in der Flötenpfeife. Die Zunge
Sie sind selten gebaut. Im Gegensatz zu den Zylinderge- liegt auf einer seitlich offenen Röhre, der "Kehle", auf deren
dackten haben sie alle Teiltöne. Die Namen-sind zum Te'il die- Händer sie bei der Schwingung aufschlägt (aufschlagende
selben wie die von Stimmen aus anderen Gruppen: Flöte, Zungenpfeife); die Länge des schwingenden Stückes der Zunge
Gedacktflöte, Blockflöte, Flute douce, Nasat. Auch läßt sich durch eine Stimmvorrichtung, die "Krücke", ver-
überblasend kommen sie vor, als Flöte, Blockflöte, neuer- ändern. Die genannten Teile sind in einem festen Stück aus
dings unter dem Namen Zink. Metall· oder Hartholz, dem "Kopf", unbeweglich eingesetzt;
das Innere der Kehle steht durch eine Bohrung im Kopfe mit
VIII. Rohrflöten. der Außenluft in Verbindung. Der Kopf ist in eine Hülse oder
Der Klang der Rohrflöten ist durch die Schwingungen, die einen Kasten eingesetzt, den "Stiefel", in den der Wind ein-
sich in dem Aufsatzröhrchen bilden, eigentümlich hell gefärbt, treten und beim Strömen durch den Spalt zwischen Zunge
gleichsam von einem ganz zarten unharmonischen Mixtur- und Kehlenrand und weiter durch das Innere der Kehle und
klange begleitet. Je nach Länge und Weite des Röhrchens die Kopfbohrung wieder nach außen gelangen kann. Dabei
treten diese Beiklänge m~hr oder wenigei· stark hervor. reißt der Wind die Zunge mit und bringt sie in Schwingung.
Rohrflöte, Rohrgedackt, Rohrquintaden sind die ge- Der Ton, der dabei entst_eht, ist musikalisch nicht zu brauchen.
bräuchlichsten Namen solcher Stimmen, daneben finden Deshalb ist diesem ganzen Unterstück der Pfeife nun noch ein
XXV-

,,Körper" ("Becher, Aufsatz") übergesetzt, dessen Länge und aufschlagenden ab, erinnern alle an das Harmonium, und sind.
Gestalt sehr verschieden sein kann. Es kann sich in dem Kör- .in der Stimmhaltung gerade so unbeständig wie die Regale.
per ein Ton bilden, und in Wechselwirkung zwischen dem Deshalb werden sie in neuerenOrgeln nicht mehr gebaut.
Körperton und dem Ton der Zunge entsteht dann erst der Die Zungenstimmen müssen also bei wechselnder Tempe-
eigentliche Ton der Pfeife, der weder mit dem einen, noch mit ratur nachgestimmt werden. Das (aber auchnur das!) ist
dem andern übereinstimmt (es ist das ein sehr verwickelter Aufgabe des Organisten. Es gehört dazu nichts weiter als
Vorgang). Stimmen, bei denen das der Fall ist, nennt man ein gutes Gehör und ein Schraubenzieher. Mit dem gibt man
Zungenstimmen mit abgestimmter Körperlänge. kleine, leicht~, schwache Schläge von oben auf die Stimm-
Trichterförmige Körper lassen alle Teiltöne des Klanges zur krücke, wenn der Ton höher werden soll, und umgekehrt von
Entfaltung kommen; derartige Stimmen haben mehr oder unten unter den Haken der Krücke, wenn der Ton zu hoch ist.
weniger trompetenähnliche Klangfarben. In zylindrischen Dazu zieht man zum Vergleich am besten eine Prinzipal-
Körpern entwickeln sich die ungeradzahligen Teiltöne bereit- timme, die eine Oktave höher steht, und achtet auf die
williger als die geradzahligen, und Stimmen der Art ähneln im Schwebungen. Es versteht sich, daß eine zweite Person die
Klang mehr der Klarinette. Eine andere Möglichkeit ist, daß Tasten anhält. Wer die Zungenstimmen seiner Orgel in
es im Körper gar nicht zur Bildung eines besonderen Körper- dieser Weise in Ordnung hält, wird bald merken,
tones kommt, so daß der Körper wesentlich nur Schallrohr für daß er jedesmal weniger dar an zu stimmen hat,
den Ton der Zunge ist, der durch ihn in besonderer Weise ge- und wird an diesen schönen Registern auch seine
färbt oder abgedämpft wird. Stimmen der Art heißen kurz- Freude haben.
becherige Zungenstimmen oder Regale. Sie haben stark Nach ihrer Bauart lassen sich die Zungenstimmen etwa
ausgeprägte Eigenart und sind daher zur Führung einer Me- folgendermaßen ordnen:
lodie besonders brauchbar. Der Einfluß des Körpers bewirkt
bei den Zungenstimmen mit abgestimmten Körpern, daß die A. Zungenstimmen mit abgestimmter Körperlänge.
Stimme innerhalb gewisser Grenzen mit dem Labialwerk geht,
bei den kurzbecherigen Zungenstimmen hat aber die Zunge I. Mit einfachen Trichterkörpern.
allein zu sagen, und die verhält sich den Temperatureinflüssen Sie entsprechen etwa den Prinzipalen unter den Labial-
gegenüber gerade umgekehrt wie das Labialwerk, d. h. die stimmen. Trompete mit vielerlei Nebenbezeichnungen; die
Regale werden bei Wärme tiefer und bei Kälte höher. 1:6'-Trompete geht auch unter dem Namen Tuba oder Bom-
Bei einer anderen Art Zungenstimmen schlägt die Zunge -barde, bisweilen in älteren Orgeln als Fagott, wenn sie zu-
nicht auf die Ränder einer Kehle auf, sondern ist vor einer rückhaltender_intoniert ist; der 4' heißt auch Clairon, Cla-
Platte (Rahmen) befestigt, durch deren Öffnung sie ohne an- rino, gelegentlich Schalmei; der 2' in besonderer Bauart
zustoßen hin- und herschwingen kann. (Durchschlagende Cornett, Singend Cornett, und ist nicht mit der ebenso
Zungenpfeife). In der Klangfarbe weichen sie stark von den benannten labialen mehrfachen Stimme zu verwechseln.
4
-XXVI-

Trompette harmonique ist eine Trompete, deren Körper gesetzt. Fagott ist auch eine schöne mittelstarke Pedalstimme,
von der Mitte der Tonreihe an doppelte Länge haben, so daß sowohl im I6' wie im 8'. Orchesteroboe ist eine selten mehr
der Diskant mehr Rundung und Fülle bekommt. Kopftrom- gebaute Diskantstimme mit sehr engen trichterförmigen
pete besitzt oben auf den Körpern noch eine Haube in Form Körpern.
eines Doppelkegels und klingt dadurch weniger frei. Unter II. Mit zusammengesetzten Trichterkörpern.
Schnarrwerkstrompeten versteht man solche, deren Kör-
Oboe und Schalmei, ursprünglich dasselbe, sind Stim-
per kürzer gehalten sind als die der gewöhnlichen, so daß der
men mit zarterem Tone; Schalmei mehr urwüchsig gackernd,
Ton äußerst frei und metallisch wird; sie verbinden sich aus-
Oboe salonfähiger. Oboe wird in sehr verschiedenen Bauarten
gezeichnet mit dem Klange der Prinzipalregister.
und daher auch Klangfarben hergestellt, die aber alle an den
Posaune ist in allem nichts anderes als eine vergrößerte
Klang des gleichnamigen Blasinstruments erinnern. Die fran-
und verstärkte Trompete. Auch sie kommt unter dem Namen
zösische Oboe ist meist offen und dabei etwas enger, die deut-
Bornbarde vor. Posaunen aus Holz haben einen etwas dichte-
sche Oboe hat meist einen Dreh- oder Klappdeckel und ist et-
ren Ton als solche aus Metall. Gelegentlich werden die Töne
was weiter in der Mensur.
für Posaune r6' des Pedals und Trompete 8' des Manuals
aus derselben Pfeifenreihe gewonnen, aber das ist klanglich Englisch Horn (Cor anglais) hat äußerlich noch einen
nicht günstig. Lieblich Posaune hat nur die halbe Länge Doppelkegelaufsatz, sein Klang ist ein verdunkelter, etwas
der Körper einer vollen Posaune, dadurch ändert sich die verstärkter 0 boenklang.
Klangfarbe. Auch die Posaune wird als Schnar:rwerk her- Musette hat sehr enge Doppeltrichter-Körper und zarten,
ge-stellt und ist gerade dann besonders zur Führung des Bas- oboeähnlichen Klang. Die Stimme ist selten.
ses brauchbar. Hierhin gehört der Bauart nach auch die Zungen z im b e 1,
Horn unterscheidet sich von der Trompete äußerlich Regalzirn bel, Zirn belregaL Sie besteht aus zwei Reihen
wenig, wohl aber im Klange, der weicher und runder ist. Man Zungenpfeifen in hoher Lage, die abwechselnd repetieren und
gibt ihm bisweilen Drehdeckel oder Aufsätze, die den Klang so den Grundsatz der gemischten Stimmen auf das Gebiet der
noch mehr dämpfen. Andere Namen dafür sind noch Wald- Zungenstimmen übertragen.
horn, Flügelhorn, Alphorn, French Horn usw. Ein
offenes, ,auf sehr starken Wind gestelltes Horn heißt auch III. Mit zylindrischen Körpern.
Tuba mirabilis, als r6füßige Pedalstimme Baßtuba. Allen Stimmen dieser Art ist gemeinsam, daß die gerad-
Euphone ist eine ziemlich unmodern gewordene schwächere zahligen Teiltöne ihres Klanges :veit weniger stark entwickelt
Hornstimme mit Aufsatz. sind als die ungeradzahligen (Quinte, Terz, Septime usw.). Da-
Enger als Trompete ist die richtig so benannte Stimme durch wird der Klang ein wenig näselnd, und das mehr, je
Fagott. Sie ist in der Regel nur als Baßhälfte einer Stimme weiter das Körperrohr ist. Krummhorn wird in verschiede-
vorhanden und wird im Diskant als Oboe oder sonstwie fort- nen Weiten gebaut, die engsten sind die schönsten und erin-
-XXVII-

nern durchaus an den Klang eines Cembalo; aber auch die et- spätere Bezeichnung ist Vox humana, der sich Vox ange-
was weiteren Krummhörner sind sehr brauchbare Solo- und lica, sogar Vox coelestis anschließen (letztere nicht mit der
Begleits"timmen, und übertreffen in mancher Beziehung die Schwebstimme zu verwechseln!).
üblichen sanften Streicher. Dulzian, fälschlich auch als Fa- Einen inneren Körper, der nicht sichtbar in den äußeren
gott bezeichnet, hat stillen, in der Tiefe etwas knurrigen Klang eingeschlossen ist, haben Rankett und Sordun, (auch als
und ist sowohl als sanfterer oder mittelstarker Baß im Pedal Bombarde, Fagott, Bärpfeife vorkommend) mit sanft
wie auch als Unterlage für eine Manualmischung sehr verwend- brummendem, doch klarem Klang. Die eigentliche Bärpfeife
bar. Das alte französische Chalumeau, eine Art weites wird in verschiedenen Formen auch heute wieder gebaut, sie
Krummhorn und der Vorläufer unserer· Orgelklarinette, ist klingt still und metallisch. Alle diese Stimmen gewinnen im
daran schuld, daß der Name Schalme:i <,~.~eh hier wieder Klange beim Gebrauch eines nicht zu aufdringlichen Tremu:.
einmal erscheint. Klarinette ist heute 'die weitest gebaute lanten .
. dieser Stimmen, bei der das Nasale am unangenehmsten auf-
fällt, und deren Beliebtheit gegen früher sehr zurückgegangen Man wird bemerkt haben, daß einzelne Stimmennamen
ist. Bassethorn ist eine etwas engere Klarinette mit einer mehrfach vorkommen, wie z. B. Waldflöte, Nachthorn, Nasat,
dämpfenden Doppelkegelhaube. Zink oder Cornet ist jetzt Coppel, Krummhorn, Fagott, Bombarde u. a. m.- Das be-
veraltet, er war ungemein weit mit hohlem Klang. ruht auf der jeweiligen Werkstättenüberlieferung, eine Einheit-
lichkeit hat darin erst das 19. Jahrhundert gebracht. In Zwei-
B. Zungenstimmen mit kurzen Körpern. felsfällen muß der Organist sich die Stimmen seiner Orgel an-
sehen.
Sie geben fast den reinen Zungenton, nur gefärbt durch den
Widerschall in dem meist kleinen Körper. Je kleiner dieser ist,
Vom Gebrauch der Stimmen.
um so urwüchsiger ist der Klang der Stimme. Wegen ihrer
durchdringenden Kraft eignen sie sich vorzüglich zur Melodie- Klänge kann man nicht beschreiben. Worte wie "hell",
führung. Dabei ist ihr Klang gar nicht einmal so sehr stark dunkel, glänzend, scharf, spitz, stumpf, weich, kühl, blühend,
und wird z. B. von dem einer mittleren Trompete .über- hoch, tief u. a. m. bezeichnen nicht Eindrücke des Gehörs,
troffen. sondern des Gesichts oder des Tast- und Raumgefühls, und
Der allgemeine Name ist Regal, meist mit einem Zusatz, sind bestenfalls Vergleiche.
der sich auf die Klangfarbe oder die äußere Gestalt bezieht: Der Organist muß also zu allererst die Stimmen seiner
Trichterregal, Geigend Regal, Singend Regal, Jung- Orgel einzeln durch das Ohr kennen lernen und muß sich ihre
fernregal, gedämpft Regal, MessingregaL Vielfach er- Klangfarben einprägen. Er~t dann kann er daran gehen, diese
scheinen die Regale unter anderem Namen, z. B. Krumm- Farben zu mischen, und zu versuchen, neue Wirkungen mit
horn, Cornett, Schalmei, Harpa, Viola, Theorba. Eine ihnen hervorzubringen.
4*
- XXVIII

Von Wichtigkeit ist die Kenntnis folgender Bücher; Das war in der klassischen Zeit des Orgelbaus auch .der Fall.
Mahrenholz, Die Orgelregister, Kassel, Bärenreiterverlag. Erst mit dem Niedergang des Orgelspiels entartete auch die
Klotz, Orgelkunst, ebendort. Orgel als Instrument, und die Grundsätze, die bis dahin bei
Locher, Orgelregister, Bern, Baumgart. Aufstellung ihrer Disposition gegolten hatten, wurden ver-
Das zuletzt geminnte Buch ist zwar aus einer ganz anderen lassen; die "Königin der Instrumente" sank hinab zur "Cho-
Grundeinstellung als der unseren geschrieben, ist aber doch so ralbegleitmaschine" und zum "Affen des Orchesters" (Rupp).
wertvoll, daß es nicht übergangen werden darf. Seit mehr als zehn Jahren stehen wir in einer Bewegung
Die Gesamtheit des Pfeifwerks der Orgel ist ja zu dem zur Rettung der Orgel aus diesen Nöten. Man kämpft gegen
Zwecke in Stimmen zerlegt, daß diese einzeln gebraucht und die Irrlehren, die Unverstand und schlechter Geschmack auf-
beliebig neu zusammengestellt werden können. An und für sich gestellt haben, man strebt, die Fehler auszumerz~n, die bei
läßt sich jede Stimme der Orgel mit jeder anderen verbinden. Aufstellung von Dispositionen und bei der Bestimmung der
Wo das nicht möglich ist, ist entweder die Intonation der Re- Einzelheiten im Bau der Pfeifen und bei ihrer Klanggebung
gister verfehlt, oder die Disposition der Orgel taugt nichts. gemacht sinu. Diese Orgelbewegung hat sich auf die vergesse-
Aber nicht jede Mischung, die sich durch wahlloses Drauflos- nen künstlerischen Grundsätze der Meister aus der Hochblüte
ziehen ergibt, ist für das kirchliche Orgelspiel brauchbar. des Orgelbaus wieder besonnen und will im Hinblick auf sie
Selbst dann nicht, wenn eine "sehr interessante" Klangfarbe eine neue Art Orgel schaffen, die unserer Zeit und ihren musi-
dabei herauskommt. Effekthascherei mit ausgefal1enen Regi- kalischen und liturgischen Bedürfnissen augepaßt ist.
sterzusammenstellungen widerspricht der Würde und dem Um was es dabei geht, wird am einfachsten an Beispielen
Ernst des Gottesdienstes. klar werden.
Die Orgel ist aus verschiedenen Werken aufgebaut, damit Eine Dorforgel hatte bis vor kurzem diese Disposition:
diese gegeneinander ausgespielt werden können. Das von An- I. Man. II. Man. Ped.
fängern mit so besonders scheuer Hochachtung angesehene Prinzipal 8 1 Geigenprinzipal 8 1 Subbaß r6 1
Triospiel *) ist die na türliehe Ausdrucksweise der Gamba 8 1
Salizional 8 1
Cello 8
1

Orgel, und das Spiel auf nur einem Manuale ein Notbehelf**). Hohlflöte 8 1 Gedackt 8 1
Posaune r6 1

Ein Triospiel ist aber nur dann von Wirkung, wenn verschie- Oktave 4 1
Flöte 41

dene Klangfarben einander entgegengestellt werden können. Oktave 2 1


1
Also muß die Disposition der Orgel darauf angelegt sein. Mixtur 3 fach 2

•) Unter Triospiel versteht man die Spielweise, daß jede Hand auf einer Tastenreihe für sich ihre eigene Stimme spielt, und das Pedal
ebenfalls selbständig geführt wird .
..) Bezeichnend dafür ist, daß in älteren einmanualigen Orgeln oft eine Teilung der Stimmen in Baß und Diskant vorkommt, entweder
in allen Stimmen oder: wenigstens in solchen, die bes.onders hervortreten. Das hätte keinen Sinn, wenn nicht das Bedürfnis dagewesen wäre,
die Linien der einzelnen Stimmen zu trennen; wenn nicht durch besondere Klaviere, dann doch wenigstens durch besonders gefärbte Hälften
desselben Klavieres.
~XXIX-

Sie wurde umgebaut und sieht nun so aus: 1935 (26 Stimmen).
I. Man. II. Man. Ped. Rück- ·Haupt-
Brustwerk Pedal
positiv werk
Prinzipal 8 1 Gedackt 8 1
Subbaß r6'
Prinzipal4' Prinzipal 8' . Quintadena 8' Prinzipal 8'
Gedackt 4' Prinzipal 4' Nachthorn 2 1
Gedackt 8' ·. Quintadenar6' Gedacktflöte4' Subbaß x6'
Nasat 22/ 3 ' Blockflöte 2; Trompete 8 1

Oktave 2' Spitzflöte 2' Rohrflöte 8' Oktave 2' · Oktave 4'
Quinte I 1/ 3 '
Zimbel3fach Oktave 4' Tertian 2fach .. Nachthorn 2'
Mixtur 3 fach I
1

( /r/) ('/5 ' + 2/ 3 ')


1 2
Dulzian 16' Nasat 2 / 3 ' Mixtur 4fach
Krummhorn 8' Oktave 2' Dulzian 16' (r')
Man vergleiche auch fo]gende beiden Dispositionen von 1
Quinte I / 3 ' Trichterregal4' Posaune r6'
beinahe gleicher Stimme~zahl, die erste aus dem ] ahre 1905, Mixtur 4 fach
die zweite aus 1935. Sie gehören nicht zu derselben Orgel. Die (I1/s')
rgoser Orgel ist pneumatisch, die andere mechanisch. Trompete8'

1905 (27 Stimmen). Koppeln: RjH. - BjH.- HjP.- BjP.


Keine Oktavkoppeln, keine festen Gruppen, keine freie Kom-
I. Man. II. Man. Pedal bination, kein Rollschweller, keine automatische Pedalum-
Bordun r6' . Geigenprinzipal 8 1
Violon 16' schaltung, kein Schwellkasten.
Prinzipal 8' Salizional 8' Subbaß I6 1
Prinzipale 4' RP, B' HW, 8" Ped stehen klingend im Prospekt.
Gamba 8' Aeoline 8' Echobaß r6' (Die Registratur·mußte mechanisch bleiben; sonst wäre eine
Gemshorn 8 1
Portunalflöte 8' Okt.avbaß 8 1
zweite Registerschaltung angelegt worden.}
Dolce 8' Lieblich Gedackt 8 1
Violoncello 8'
Bei der Durchsicht dieser beiden Dispositionspaare er-
Doppelflöte 8' Fugara 4 1 Baßflöte 8 1
kennt man ohne Schwierigkeit einige der Grundanschauungen
Gedackt 8' Flauto traverso 4 1
Posaune r6'
über die Orgel von heute.
Oktave 4' . Rauschpfeife 2 2/ 3' + z'
Es ist unrichtig, daß die Normallage der Manuale der
Soloflöte 4' Vox coele.stis 8'
8 Fuß, die des Pedals der 16 Fuß sei; vielmehr haben alle Fuß-
Mixtur 4fach 2 / 3 '
2
töne gleiches Recht und gleiche Bedeutung, und es kommt
Trompete 8'
einzig auf die Musik an, die w~edergegeben werden soll, ob
Koppeln: IIji, IjP, II/P,# Superoktavkoppel II/I. einer oder der andere gewählt wird. Daher ist es auch unrich-
Gruppen: piano, mezzoforte, forte, fortissimo. tig, anzunehmen, der 8 Fuß müsse im Manual, der 16 Fuß im
Freie K?mbination. - Rollschweller. - Handregister ab. Pedal, den ·Hauptbestandteil einer .Klangmischung bilden;
Automatische Pedalumschaltung. Schweller II Manual. die Registerwahl richtet sich nur nach dem musikalischen
XXX

Zweck, und wenn der 8 Fuß (r6 Fuß) dafür gerade nicht taugt, den Zungen geben die Mixturen, und dann die Einzelaliquote,
wird er ausgelassen. Weiter ist unrichtig, zu fordern, daß in der Orgel ihren Klangreichtum. Labiale Solostimmen, Strei-
einer Mischung die Obertonlagen lückenlos aufeinander folgen; cher und Flöten, werden nicht aus Grundsatz abgelehnt; aber
bestimmend ist der gewollte Charakter des Klanges, nicht die sie haben nicht eher in der Disposition etwas zu suchen, als bis
Mathematik und Akustik. alle anderen berechtigten Forderungen erfüllt sind.
Wenn alle Fußtöne gleiches Recht haben, haben sie auch Kraft und Schönheit erhält eine Orgel nicht durch starken
Anspruch auf gleichstarke Vertretung in der Disposition. Auf Winddruck und "kernige" Intonation mit allerlei Mätzchen,
alle Fälle ist die Besetzung, namentlich des Achtfußes, mit sondern durch gut und beständig gearbeitete, gesund klingend
vielen "Charakterstimmen" Unfug und Verschwendung. Je und auf mäßigem Winddruck natürlich ansprechende Pfeifen.
mehr "schöne" Stimmen eine Orgel hat, um so langweiliger Der viel gerühmte "Silberglanz", der "argentine Klang", der
klingt sie. Dem Spieler ist gar nichts an fertig dargebotenen alten Werke beruht auf dem Vorhandensein vieler kleiner
Klangfarben gelegen, weil er sich immer neue Farben aus den scharfer Mixturen auf schwachem Winde.
selbständig vorhandenen Bestandteilen (den Oktav-, Quint-, Die Ausdrucksfähigkeit einer Orgel steigt nicht mit der
Terz-Stimmen und den Mixturen) mischen kann. Für solche Zahl ihrer Stimmen, sondern mit der Zahl ihrer Werke. Ein
Mischungen ist es von Vorteil, wenn ihre Grundlage möglichst Klavier mehr ist wertvoller als drei weitere Kombinationen.
neutral gehalten ist. Es genügt daher vollkommen, wenn ein Ebenso ist eine neue Fußtonlage verwendbarer als die Ver-
Manual nur eine oder zwei 8füßige Labialstimmen hat, etwa doppelung einer bereits vorhandenen. Jede neue Stimme in
Prinzipal oder Gedackt, Quintadena oder Rohrflöte. Das der Orgel muß auch etwas Neues zu sagen haben.
Pedal kommt in den meisten Fällen mit einem Subbaß als Rückgrat des Orgelklanges ist der Prinzipalchor. Zu ihm
Grundlage aus; erst 'in größeren Orgeln steht daneben ein gehören auch die Mixturen, Scharfs und Zimbeln. Die prinzi-
Prinzipalbaß r6' oder etwa ein weiter Violon. Die oft beliebten palartigen Stimmen sind in sich obertonreich, sind stärkebe-
schwerflüssigen Bässe taugen gar nichts. Die Einstellung eines tont, haben in der Regel engere Mensur, und sind wenig ge-
Zartbasses, oder wie er sonst heißen mag, neben dem Subbaß _neigt, in einem Klanggemisch ihre Selbständigkeit aufzu-
ist gewöhnlich das Eingeständnis, daß aer Subbaß zu dick und geben. Sie bilden eine erste Gruppe der Orgelstimmen, die hier
plump intoniert ist. abgekürzt F I genannt werden soll; ihnen stehen einige andere
Für fertig gegebene Klangfarben, d. h. für Solozwecke, Stimmenarten klanglich nahe.
kommen in allererster Linie die Zungenstimmen in Frage, Dieser Gruppe F I gegenüber steht eine andere von ober-
schon deshalb, weil sich ihre Klangfarben nicht durch irgend- tonarmen, füllebetonten Stimmen, in der Regel von weiter
welche Zusammenstellung labialer Bestandteile erreichen läßt. Mensur, und sehr bereit, in Mischungen ihre klanglichen Eigen-
(Die "Labial-Oboe" und ähnliche Sti_mmen einer hinter uns schaften zugmisten einer ganz neuen Gesamtwirkung aufzu-
liegenden Zeit waren Entgleisungen). Mindestens eine Zunge geben. In diese Gruppe F II gehören die Nachthörner und die
5ollte daher auf jedem einzelnen Werke vorhanden sein. Nächst weiten offenen Flöten, die meisten Gedackte, Rohrflöten und
XXXI-

Koppelflöten, ebenso die Mehrzahl der konischen Stimmen, dann befriedigend, wenn die Stimmen verschiedenen Funk-
die nichtrepetierenden Doppelstimmen, wie Sesquialtera und tionsgruppen angehören.
ähnliche, und schließlich in der Regel auch die Einzelquinten Ab~r wenn auch z. B. PrinzipalS' + Hohlflöte 8' etwas
und -terzen. mehr Grundton und Fülle ergeben, so bekommt ihre Mischung
Schließlich bilden die engen Flöten und die Streicher noch doch nicht größere Deutlichkeit. Deshalb sagten die Alten: zwo
eine besondere Gruppe F III; Stimmen, die nicht auf Mi- Aequalstimmen schärfen nicht.
schung, sondern von vorn herein auf Solowirkungen berechnet Zieht man dagegen zwei Stimmen im Oktavabstand
sind. (r6' + 8', 8' + 4', 4' + 2'), so dient das zur Klärung. Je nach-
Man bezeichnet diese Gruppen als Funktionsgruppen. dem die tiefere oder die höhere der beiden Stimmen an sich
Der Begriff der Funktion war dem Orgelbau verlorengegangen, kräftiger ist, wird der neue Klang mehr als der einen oder der
trotzdem die Dispositionen jahrhundertelang nach diesem anderen Fußtonlage angehörig empfunden werden.
Begriffe aufgebaut worden waren. Wir müssen ihn aber wieder Der Abstand zweier verbundener Stimmen braucht nicht
aufnehmen, und es ist zu fordern, daß jede Disposition Stim- unbedingt eine Oktave zu betragen. Auch der Abstand einer
men aus Gruppe F I und solche aus F II in der Art enthält, Doppeloktave (I6' + 4', 8' + 2', 4' + I') ergibt gegebenen-
daß Mischungen verschiedenster Art aus ihnen hergestellt wer- falls Wirkungen, die für ernstgemeintes und der Kirche ange-
den können. Natürlich ist es erst bei größerer Gesamtstimmen- messenes Orgelspiel verwendbar sind. Bei nötiger Vorsicht
zahl möglich, jeden Fußton in jedem Werke doppelt zu beset- kann unter günstigen Umständen sogar eine noch weitere
zen. (Man sehe die beiden vorhin gegebenen Dispositionen Spanne zwischen den beiden Tonreihen versucht werden;
neuererOrgeln darauf hin an!) z. B. ist die Verbindung eines präzise ansprechenden, durch-
sichtigen Lieblich Gedackt 8' mit einer hellen weichen Sif-
Die Zungenstimmen mit ihren so ganz anders gearteten
flöte I' oder auch einer glockenklaren OktaY-e I' vorzüglich
Klängen lassen sich nur ungefähr an diese Funktionsgruppen
geeignet für die Wiedergabe schnellen Figurenwerks.
anschließen, insofern als
Man braucht sich auch nicht an Oktavparallelen in den
die meisten Trompeten und Posaunen (zumal die als
Stimmen zu halten, sondern man kann die Quinten und Ter-
Schnarr- oder Rasselwerke gebauten) Gruppe F I nahestehen,
zen zur Färbung heranziehen, und wird dadurch viele brauch-
die Rohrwerke mit Zylinderkörpern (Krummhorn, Dul- bare neue Klangfarben gewinnen. Am verwendbarsten ist die
zian usw.) der Gruppe F II, und schließlich kleine Quinte I 1/ 3 ' (sowohl als enge Prinzipalquinte, wie auch
alle Regale, sowie die Oboen, Schalmeien, Fagotte und als weit gebauter Nasatin jeder offenen oder gedeckten Form),
auch viele ~rompeten der Gruppe F III. die sich eigentlich mit allen Stimmen angenehm mischt. Die
größere Quinte gibt in der Tiefe bisweilen näselnde, blökige
Die scheinbar einfachste Zusammenstellung zweier Stim- Farben; aber die Verbindung eines fülligen, runden Holz-
men ist die im gleichen Fußtm1. :E:ine solche wirkt aber nur gedacktes 8' mit einem 2 2/ 3 ' ist eine brauchbare Me1odie-
-- XXXII -

stimme. Die Terz als einzelnes Färbmittel zu verwenden, wird etwa vorkommende Abweichungen in der Stimmung beson-
sich nicht allzuoft Gelegenheit bieten. Übrigens sei das Stu- ders unangenehm deutlich werden. Gut wirkt dagegen die
dium der Klangfärbung durch Einzelaliquote dem Organisten Verbindung der Zunge mit einer Stimme aus F li in der
dringend empfohlen. höheren oder tieferen Oktave. Auch mit schönen Mixturen
Was mit Quinten und Terzen möglich ist, läßt sich ebenso können die Zungenstimmen gemischt werden, und der Orga-
mit Mixturen machen. Zunächst ergeben die weiten Doppel- nist möge auf alle Fälle feststellen, wie auf seiner Orgel die
register (Sesquialter, Tertian, Rauschpfeife u. ä.), die ja als Verbindung von Trompete 8' mit der Hauptwerksmixtur (und
Zusammenfassung zweier Aliquotreihen angesehen werden nichts weiter dazu!) klingt.
können, mit einem 8' oder 4' oder 2' verbunden oft sehr an-
sprechende Klangfarben. Aber auch die echten Mixturen Noch einiges über die Registrierung des Pedals.
sollen so intoniert sein, daß man sie zu schwächeren Einzel- Der einzige sachliche Unterschied zwischen dem Pedal
verbindungen brauchen kann. Wenn die Mixturen der Orgeln und den Manualen ist, daß letztere mit den Händen gespielt
aus den vergangenen Jahrzehnten einzig die Verwendung im werden, und das Pedal (wie sein Name sagt) mit den Füßen.
vollen Werk zulassen, ist das der Beweis für ihre falsche, Für die Musik macht das gar nichts aus, und für die Orgel ist
orgelwidrige Intonation. Eine gute Mixtur kann man mit er- das Pedal ebensogut ein selbständiges Werk wie jedes andere
freulicher Wirkung schon zu einem schwachen Gedackt ziehen. mit den Manualen verbundene.
Die Grundsätze für die Mischung zweier Stimmen lassen Da die Füße weniger Spielfertigkeit entwickeln können,
sich mit den nötigen Veränderungen ebenso auf mehr als zwei kommt es oft genug vor, daß die langsam dahinschreitende
Stimmen anwenden. Neues kommt in einen Klang nicht da- Melodie, der Cantus firmus, auch wenn er im Diskant liegt, auf
durch hinein, daß einer der schon vorhandenen Bestandteile dem Pedalklaviere gespielt wird, wogegen die beweglicheren
verdoppelt wird, sondern nur dadurch, daß .etwas noch nicht Hände auf den Manualen die anderen Stimmen übernehmen.
Vorhandenes hinzugefügt wird. Andererseits wird sich in vielen Fällen der gemächlichere Baß
Das soll nun nicht heißen, als müsse sich der Organist am bequemsten auf dem Pedal spielen lassen, während die
ängstlich hüten, zu der Mischung 8' + 4' + 2 2/ 3 ' + 2' einen Hände mit den Oberstimmen zu tun haben.
weiteren 8' hinzuzufügen. Es bleibt ihm ja gar nichts anderes Daraus folgt, daß das Pedal, als gleichwertiges Werk, ge-
übrig, wenn er mit den vorhandenen Mitteln seiner Orgel den nauso wie die anderen Werke, mit Stimmen aus allen Gruppen
Klang verstärken will. und in allen Fußtonlagen besetzt werden muß; daß es, um
Zungenstimmen wirken sehr gut oh-ne irgendeine weitere seinen beiden Hauptaufgaben gerecht zu werden, wenigstens
Zugabe. Man kann sie noch etwas auffälliger machen, wenn eine Stimme für den Cantus firmus und ebenso wenigstens
man den Tremulanten hinzuzieht. Will man eine Zunge mit eine für den Baß besitzen muß. Es folgt auch daraus, daß
einem Labialregister mischen, so ist dazu eine Stimme gleicher unter den Manualwerken eins derart besetzt sein muß, daß
Fußtonlage arn wenigsten geeignet. Schon deshalb, weil dabei sich dort ein Baß spielen läßt.
- XXXIII

Tiefe Klänge setzen sich weit besser durch als hohe. Des- Die kleineren Zungenstimmen zu 4 und 2 Fuß, wie Trom-
halb braucht man gar nicht so sehr darauf bedacht zu sein, pete (Klarine, Schalmei), Regal, Kornett, sind wirksame
das Pedal mit vielen verschiedenartigen Bässen im r6'-Ton zu M~lodiestimmen.
besetzen; normalerweise genügt bei kleineren Orgeln (und oft Von der Wertschätzung des 32 Fuß, sowohl als Labial-
auch bei mittleren) ein Subbaß r6'. In großen Orgeln mag ihm stimme (offen oder gedeckt), wie als Zunge, und ebenso von
eine Stimme aus F I zur Seite treten. seinem akustischen Ersatz durch Quinte ro 2/a' usw., sind wir
Der Subbaß läßt sich durch höherliegende Stimmen ziemlich zurückgekommen und ge~tehen derartigen Stimmen
klären. nur noch in wirklich großen Orgeln einen Platz zu. Dort aller-
Die Baßstimme muß keineswegs sechzehnfüßig gespielt dings können sie dem Orgeltone eine gewaltige Wucht geben.
werden. Sehr oft. kann man weit bessere Wirkungen mit einem Bei einer richtig aufgesetzten Orgel kann der Organist ohne
achtfüßigen Register erreichen. Für sanfte Begleitungen Koppeln auskommen. Denn jedes Werk hat die ihm nötigen
eignet sich ein enges, durchsichtig klingendes Gedackt 8'. Stimmen, und es liegt gar keine Ursache vor, die Charaktere
Für den Cantus firmus können alle 4- oder 2-füßigen der einzelnen Werke zu vermischen und dadurch zu verwischen.
Stimmen gebraucht werden. So sind .Pedalkoppeln meist ganz entbehrlich, und die Alten
Mixturen geben dem Pedal Klarheit und Beweglichkeit haben sie auch nur in geringer Zahl oder gar nicht gebaut.
und sind für schnellere Läufe u. dgl. nicht zu entbehren. Man Heutzutage wird man sie anwenden, wenn einmal in kleinen
braucht sich auch vor hochliegenden kleinen Mixturen nicht zu Orgeln die eine oder andere bezeichnende Stimme für einen
ängstigen; sie bringen keineswegs Geschrei ins Pedal. Da- bestimmten Zweck aus einem der anderen Werke ausgeliehen
gegen neigt die in Anfangszeiten der Orgelbewegung beliebte werden soll. Es ist aber zu widerraten, immer und überall ohne
Pedalrauschpfeife, wegen ihrer weiten Mensur und durch ihre weiteres die Pedalkoppel zu ziehen.
darin enthaltene Quinte 22/ 3 ', dazu, den Pedalklang dicklich Solange irri Manualspiel Werk gegen Werk gesetzt wird,
und nasal zu machen. haben auch die Manualkoppeln in Ruhe zu bleiben. Erst wenn
In kleineren Orgeln ist die einzige Pedalzunge oft die Po- die ganze Wucht der Orgel vereinigt wird, und dann auch die
saune r6'. Sie soll auch nicht mißachtet werden, denn sie gibt _ Werkunterschiede aufhören, können auch die Manualkoppeln
dem Basse Würde und Kraft. Aber in vielen Fällen ist sie gezogen werden.
weniger geeignet, und die Trompete 8' kann sie besser ver- Da die Werke normalerweise unverbunden gespielt werden,
treten. Mit Trompete 8' läßt sich auch ein Cantus firmus besteht auch gar kein Anlaß, sie irgendwie in Oktavenver-
führen, und sie ergibt, mit dem Subbaß verbunden, eine ähn- schiebung aneinanderzukoppeln; mithin fallen Oktavkoppeln
liche Wirkung wie die der Posaune. logischerweise von selbst weg.
Schwächer Zungen zu r6 und 8 Fuß sind im Pedal sowohl
als Einzelstimmen, wie auch in den verschiedensten Verbin- Ob die Stärke einer Registrierung im Verlaufe eines
dungen wertvoll; wertvoller jedenfalls als viele Labialbässe. Stückes gesteigert oder vermindert werden muß, kann nur aus
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dem Stücke selbst hervorgehen; und ebenso kann auch nur Es stehen nicht überall Werkorgeln. Deshalb ist noch mit
daraus hervorgehen, durch welche Mittel und in welcher Art einigen Worten zu sagen, wie sich der Spieler auf einer Orgel
diese Steigerung oder Verminderung zu erfolgen hat. Es ergibt der früheren Art helfen kann. Er muß hier bisweilen "den
sich daraus die musikalische Sinnlosigkeit der Crescendowalze. Teufel durch Beelzebub austreiben" und von Einrichtungen
Vorschriften des Komponisten für die Registrierung soll- Gebrauch machen, die er seiner künstlerischen Überzeugung
ten, soweit angängig, befolgt werden. nach ablehnt.
Auf Nachahmung von Orchesterklängen und ähnliche Der Anschaulichkeit wegen soll angenommen werden, der
Spielereien legt der Organist von heute keinen Wert mehr. Spieler sitze vor der auf Seite XXIX als Beispiel gegebenen
Beiläufig bemerkt: Für Orchester oder Harmonium· oder Orgel von 27 Stimmen aus dem Jahre 1905.
andere Instrumente geschriebene Musik auf der Orgel wieder- Wahrscheinlich werden folgende Stimmen, als ungeeignet
geben zu wollen, ist eine Geschmacklosigkeit und bezeugt für ein klares Spiel, stets weggelassen werden müssen:
einen Mangel an Kenntnis der echten· Orgelliteratur oder die im I. Man.: Gambe 8', Doppelflöte 8', Trompete 8', viel-
Unfähigkeit, sie zu spielen. leicht auch die Soloflöte 4';
Es bleibt noch als letztes Mittel zur Veränderung des im II. Man.: Aeoline 8', Vox coelestis 8', vielleicht auch die
Orgeltones der Schwellkasten. Er ist ein SteigerungsmitteL Portunalflöte 8';
Als man noch sentimentale Musik auf der Orgel machte, hatten im Pedal: Oktavbaß 8', Posaune 16', vielleicht auch die
Organist und Gemeinde ihr Ergötzen daran, wenn die' Töne Baßflöte 8'.
leiser und leiser verschwebten. Inzwischen haben wir uns dar-
Für gewöhnlich werden die nachgenannten Stimmen nicht
auf besonnen, daß die Kirche nicht der Ort für verlogene
verwendbar sein und für besondere Zwecke aufgespart werden
Rührseligkeit ist, und daß künstlerische Echtheit und
müssen:
Wahrhaftigkeit gerade im Gottesdienste erst recht
im I. Man.: Bordun 16', Dolce 8';
am Platze sind. So bleibt also die Steigerung durch den
im II. Man.: Salizional 8', Fugara 4';
Schweller; aber dies Kunstmittel hat für die Werkorgel weit
im Pedal: Violon 16', Echobaß 16', Cello 8'.
weniger Bedeutung äls für die frühere ManualorgeL Denn
uns sind Gegensätze der Klangfarbe wichtiger als solche der Dann bleibt als Bestand, mit dem für die H.egistrierung ge-
Stärke. Die Steigerung durch den Schweller besteht, was zu arbeitet werden kann:
beachten ist, in der Hauptsache in einer größeren Freigabe der im I. Man.: Prinzipal 8', Gemshorn 8', Gedackt 8', Ok-
natürlichen Obertöne der im Kasten eingeschlossenen Stim- tave 4', Mixtur;
men. Das ist bei der Besetzung des Schwellers zu berücksichti- im II. Man.: Geigenprinzipal 8', Lieblich Gedackt 8', Flauto
gen. Bei schwächlich besetzten oder durch ihre Stellung in der traverso 4', Rauschpfeife;
Orgel versteckten und verbauten Schwellkästen lohnt der im Pedal: Subbaß 16'.
Gebrauch des Schwellers nicht. Also zehn der 27 Stimmen.
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Die Manualkoppel IIji bringt nichts wesentlich Neuesund I Bd I6' Ghn 8' (in der höheren Oktave gespielt)
wird meist entbehrt werden können; dagegen gibt die Oktav- II LG 8' Ftr 4'
koppel-II/I dem ersten Manuale Obertönigkeit und bringt Ped. SB I6' Cello 8'
etwa die Wirkung hervor, die sonst durch das Beiziehen höherer
Fußtonlagen erreicht würde. I Okt 4' (in der tieferen Oktave gespielt)
II Gpr 8' LG 8' Rpf
Beispiel: P leer mit IjP
I. Prz 8' Ghn 8' Ged 8' Okt 4' Mx 2 2/ 3 ' 2' I 1/ 3 ' I'
I Prz 8' Ged 8' Mx
II. Gpr 4' LG 4' Ftr 2' Rpf I 1/ 3' I'. II unbespielt (Register Fug 4; Rpf)
Gegen diesen Hauptwerksklang bildet dann das in Normal- P leer aber II/P
lage klingende II. einen Gegensatz:
Gegensätze, die auf der Werkorgel durch Manualwechsel
Gpr 8' LG 8' Ftr 4' Rpf 2 2/ 3 ' 2'.
zustandekommen, müssen hier durch den Wechsel zweier
Dazu gibt der Subbaß mit II/P ein passendes Pedal: Registrierungen geschaffen werden (freie Kombination mit
SB I6' Handregister ab), wo beijede Registrierung gekoppelte Manuale
Gpr 8' LG 8' Ftr 4' Rpf 2 2/ 3 ' 2'.
haben kann. - Wie man sieht, läßt sich auch aus der acht-
Einige andere Beispiele: füßigen M~nualorgel noch dies und das herausholen, wenn man
die Achtfüßer möglichst umgeht. Allerdings bleiben diese Re-
I Dol 8' dazu II LG 8' und Ped EB I6'
gistrierungen immer solche für nur mittelstarkes oder schwa-
II I/P Dol8'
ches Spiel; das ist nun nicht zu ändern.

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