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Jan

Büchsenschuß

AUF DER SUCHE


NACH DER IDEALEN
SCHILDKRÖTE
Vitruvs Basilikabeschreibung in deutschen
Übersetzungen – ein semiotisches Abenteuer

Centaurus Verlag & Media UG


JanBüchsenschuß
AufderSuchenachderidealenSchildkröte













JanBüchsenschuß





AufderSuchenachderidealen
Schildkröte



VitruvsBasilikabeschreibungindeutschen
Übersetzungen–einsemiotischesAbenteuer











Centaurus Verlag & Media UG

ÜberdenAutor:
JanBüchsenschußhatArchitekturanderTUBerlinstudiertunddortzum
Thema„GoetheunddieArchitekturtheorie“promoviert.TätigkeitalsAu
tor wissenschaftlicher und belletristischer Werke, angestellt bei der Stadt
verwaltungHelmstedtimFachbereichPlanenundBauen.












BibliografischeInformationenderDeutschenNationalbibliothek
DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinder
DeutschenNationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensind
imInternetüberhttp://dnb.dnb.deabrufbar.


GedrucktaufsäurefreiemundchlorfreigebleichtemPapier.

ISBN 978-3-86226-264-9 ISBN 978-3-86226-892-4 (eBook)

DOI 10.1007/978-3-86226-892-4


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©CENTAURUSVerlag&MediaUG(haftungsbeschränkt),Herbolzheim2014
www.centaurusverlag.de

Umschlagabbildung:JanBüchsenschuß
Umschlaggestaltung:JasminMorgenthaler,VisuelleKommunikation
Satz:VorlagedesAutors
Inhaltsverzeichnis 

Inhaltsverzeichnis 5 
 
1.  „Im Anfang war das Wort...“ 7 
1.1 Vom Ursprung der Architektur 8 
1.2 Von der Ekphrase 14 
1.3 Von den architektonischen Zeichen 18 
1.4 Vom sprachlichen Übersetzen 24 
1.5 Von der Re‐Konstruktion 26 
1.6 Wovon die Rede ist 28 
 
2. „Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen...“ 31 
2.1 Aufbau der Ekphrase 35 
2.2 Auswahl der Übersetzungen 37 
 
3. „Wie ich die Basilika für die Kolonie Fano entworfen...“ 39 
3.1 Abschnitt 6 40 
3.2 Abschnitt 7 47 
3.3 Abschnitt 8 51 
3.4 Abschnitt 9 58 
3.5 Abschnitt 10 62 
 
4. „...wie die Regeln einer ausgestorbenen Sprache“ 67 
4.1 Wer von wem? Was fehlt? 67 
4.2 Das Zeichen im Wechsel zwischen Sprache und Architektur 73 
4.3 Denotationen und Konnotationen 75 
4.4 Schlechter Schreiber oder Blender? 79 
 
5. „Der Mensch besitzt die Fähigkeit Sprache zu bauen.“ 82 
5.1 Die Frage nach dem Zweck des Ganzen 82 
 
A.1 Primärquellen 87 
A.1.1 Rivius‐Übersetzung (1548) 87 
A.1.2 Rode‐Übersetzung (1796) 88 
A.1.3 Reber‐Übersetzung (1865) 89 

5
A.1.4 Prestel‐Übersetzung (1912‐14) 91 
A.1.5 Fensterbusch‐Übersetzung (1964) 93 
 
A.2 Rekonstruktionszeichnungen der Übersetzer 95 
A.2.1 Rivius 95 
A.2.2 Reber 96 
A.2.3 Prestel 97 
 
A.3 Literaturverzeichnis 100 
 
 
 

6
1. „ImAnfangwardasWort...“

„...unddasWortwarbeiGott,/unddasWortwarGott.[…]Allesist
durchdasWortgeworden,/undohnedasWortwurdenichts,wasge
wordenist.“1


In der Bibel, dem Kompendium eurasischer Überlieferungen, wird die


schöpferischeKraftdesWortesmystischinszeniert.Im1.BuchMosewird
dieSchöpfungallesExistierendendurchdasWortalseinzweiaktigerPro
zessbeschrieben.


„Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, daß das
Lichtgutwar.“2


Im erstenAkt werden die Dinge zunächst benannt. Damit wird ihnen die
MöglichkeitzurExistenzgegeben.MitdemAktdesBezeichnensistgleich
zeitigdasPotentialverbunden,vonderMöglichkeitindieWirklichkeitüber
zugehen.ImzweitenAktwirddiesesPotentialausgeschöpftundausderrei
nenNamensgebungwirdrealeExistenz.
Bereitsvoretwa3000JahrenistdieErkenntnisderWeltoffensichtlichmit
dersprachlichenBezeichenbarkeitallerdieserWeltimmanentenDingeund
dieserWeltselbstengmiteinanderverknüpft;einsemiotischesErkenntnis
modellmiteinerlangenTradition.InAbstraktionbedeutetdas:nurwassich
sagenlässt,besitztpotentielleExistenz.ImUmkehrschlussheißtdies,dass
dasUnsagbareundUnbeschreiblichenichtodernurinderNegationexistiert.
Dieses sprachimmanente Existenzpotential birgt, bei aller philosophi
schenAttraktivität,logischeFallen.AndieserStelleseiandenGottesbeweis
AnselmvonCanterburyserinnert,derdieExistenzGottesdamitbegründete,
dasserihnalshöchstesWesendenkenkönne.3AnselmverwechseltExistenz
potentialmitrealerExistenz.Etwasdenkenundbenennenzukönnen,rückt
diesesEtwaslediglichindenBereichdesMöglicheneinerrealenExistenz.Es

1  Johannes1,1ff.
2  Genesis1,31,4.
3  Vgl.AnselmvonCanterbury:Proslogion:lateinisch/deutsch.Übersetzung,Anmerkun
genundNachwortvonRobertTheis.Reclam,Stuttgart2005.

7
istdieBedingungderVoraussetzung.DerersteAktistjedochkeinzwingen
derGrundfürdenVollzugdeszweitenAktes.
DerGebrauchderSchöpfungdurchdasWortalseinmöglichesErkennt
nismodellistkeinreinhistorischesPhänomen.Auchheutewirddieserzwei
aktigeSchöpfungsprozessangewendet;etwainderBezeichnungderdunk
lenEnergie,derenVorhandenseinangenommenwird,damitdasphysikali
scheWeltbildkonsistentbleibt,derenrealeExistenzsichbisheuteabereben
nurimPotential,imerstenSchöpfungsakt–derNamensgebung–vollzieht.4
Auch der logische Trugschluss vonAnselm geistert noch durch unsere
Kultur; er steckt hinter jeder Verschwörungstheorie von der Ermordung
KennedysbiszudenAnschlägendes11.September.Etwaswird,oftentge
gen jeglicher rationalen Logik, als wahr angenommen, nur weil es sich
scheinbarwiderspruchsfreisagenlässt.
DiezweiaktigeSchöpfungdesBenennensundExistierenswirddemnach
nichtnurzurErklärungdergroßen,sinnlichnichtfassbarenDingebenutzt,
sondern sie beweist als Erkenntnismodell bis heute eine praktikable All
tagstauglichkeit,NeuesundUnbekanntesindenbereitsbekanntenKosmos
derIdeenundDingeeinzuordnen.SieisteingrundlegendesMerkmalder
menschlichenExistenz.JohannGottfriedvonHerderbemerktinseinenIdeen
zurGeschichtederMenschheitindiesemSinne,dasserstdieSprachedenMen
schenmenschlichmache.5
BevorwirimHauptteilderArbeitVitruvsBeschreibungseinerBasilikain
verschiedenendeutschenÜbersetzungenuntersuchenkönnen,wirdimfol
gendenEinleitungsteildasweitethematischeFeld,welchesdieseraneinem
BeispieldurchgeführtenUntersuchungdietheoretischeBasisbietetunddie
ArgumentationindenresümierendenKapitelnimAnschlussleitet,inhalt
lichumrissenundausverschiedenenPerspektivenskizzenhafterläutert.


1.1VomUrsprungderArchitektur

DereingangsbeschriebeneSchöpfungsprozessistoffensichtlicheinhöchst
kreativerSchaffensprozess,eineGestaltungdesUngestalteten.Schöpfungen
durch das Wort bestimmen auch das Wesen der Kunst. Denn gerade in

4  Vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Energie
5  Vgl.Herder,JohannGottfriedvon:IdeenzurGeschichtederMenschheit,in3Bänden,
F.A.Brockhaus,Leipzig1869,2.Band,S.109.

8
künstlerischkreativenProzessenstehendieIdee,dieBezeichnungunddie
reale Schöpfung eng und für uns intellektuell fassbar mit der Person des
Künstlers,desSchöpfersinBeziehung.
EinKunstwerkisteinMikrokosmos,eininderRegelabgeschlossenes,ge
ordnetlogisches System mit einer erkennbaren Grenze.Auch wenn diese
GrenzeinderKunstgelegentlichanKonturverliert,istderenVorhandensein
eine grundlegende Voraussetzung für das Bewusstsein, Kunst als Kunst
wahrnehmenzukönnen.DieserGrenzbereichzeichnetsichauchinderAr
chitektur,nämlichdannwennBauenzurKunstwird,ab.
ArchitekturistKraftihrertektonischnotwendigenStringenzeinkünstle
rischesAbbildderLogik.Sprache–verbal,digital,mathematisch–istdas
MediumderLogik.DieArchitekturistdasSteingewordeneGleichnisdieser
Sprachlogik. Der Satzbau bezeichnet die tektonischen Eigenschaften der
Sprache wie der Bausatz die semiotische Funktion architektonischer Ele
menteunterstreicht.ÜberArchitekturzusprechenbedeutetdahernichtnur
übereinBauwerkzureden,eszubeschreibenundzubeurteilen,esistzu
gleich auch ein Wiedererkennen von Bezeichnendem und Bezeichnetem
durchdenSpiegelkünstlerischenAusdrucks.
DieseengenBeziehungenzwischenSpracheundArchitekturdeutenauf
einengemeinsamenUrsprunghin,stellenjedochzugleicheinVerhängnisfür
die Zukunft dar. Denn eine Gesellschaft, welche die Sprachkultur gering
schätzt, wird nicht in der Lage sein, anspruchsvolle Architektur im ur
sprünglichenSinnedesWorteshervorzubringen.Esmangeltihrschlichtweg
anlogischemVerständnis.Esistverblüffend,wiezuallenEpochenSprach
stilundBaustilmiteinanderharmonieren;etwainderManieriertheitdesBa
rockoderindernüchternenAbstraktionderModerne.AlsseidasEineder
SpiegeldesjeweilsAnderen.
DieGeschichtedieserVerkettungfindetbereitseinenfrühenWiderhallim
AltenTestament.ImBuchGenesis,Kapitel11,19,stehtdiebekanntePassage
vomTurmbauzuBabel.Genaugenommengehtesjenseitsdertheologischen
InterpretationjedochnichtumdenTurmalseindurchmenschlicheHybris
begonnenes,gigantischesundunvollendetesEinzelbauwerk,6sondernviel
mehr um die Fähigkeit zur Gottgleichheit des Menschen, wenn er sich
sprachlich mit anderen Menschen verständigen kann und dadurch in die

6  Vgl.imGegensatzdazu:Thomsen,ChristianW.:„WasistinderArchitekturSprechen,
Sprache,Dialekt?“,in:ArchitekturalsDarstellung,alsZeichen,alsSprache,Düsseldorf
1989,S.12.

9
Lageversetztwird,Bauwerke,dieüberdasMaßeineseinzelnenMenschen
weithinausragen,zuerrichten.DerTurmistnureinerstesErgebnisdieser
Gemeinschaftsfähigkeit. Im Buch Genesis heißt es weiter, dass dem Men
schendieseGottähnlichkeitnichtzustündeunddieMenschendaherdurch
Sprachverwirrung bestraft wurden, woraufhin sie sofort das gemeinsame
BaueneinstelltenunddieMenschensichüberdiebekannteWeltzerstreu
ten.7AbgesehenvondernichtsehrschmeichelhaftenEigenschaftdesNeides
GottesaufdieMenschenerzähltunsdiebiblischeEpisodevomTurmbauzu
BabelvoneinerMenschheitsepoche,inwelcherdieWeltdurchgemeinsame
sprachlicheVerständigungerkanntunddurchArchitekturbisandieGren
zendesMöglichenerweitertwurde.Interessantistweiterhin,dassGottnicht
denTurmzerstörte,umdieMenschenanihrerarchitektonischenFähigkeit
zweifelnzulassen,sonderneinWeiterbauenunmöglichmachte,weildiege
meinsameSprachezerstörtwurde.EsfolgtallesdemSchöpfungsprinzipdes
erstSprechensunddannWerdens.
DieTextederBücherMosesindmindestenszweieinhalbtausendJahrealt;
dashistorischeOriginaldesBabelturmes,dieZikkuratvonBabylon,wurde
etwazurZeitderNiederschriftgebautbzw.wiedererbaut.Nebukadnezar
II.,derRegentBabylonszudieserZeit,eroberteunteranderemauchJerusa
lem,undsoistesnichtallzuverwunderlich,dassimAltenTestamentBaby
lonzumSymbolallesBösenundAnmaßendenwird.Dochtrotzallenunver
hohlenenRachegelüstengegenüberdenBabyloniern wird in den wenigen
ZeilendieVisioneinermenschlichenGesellschaftoffenbar,diegemeinsam
undkommunikativUnvorstellbaresleistet,indemsiediebisdahinbekann
tenVorstellungenvonTektonikscheinbarmühelospulverisiert.Dasfiktive,
biblischeBabylonzurZeitdesTurmbausistgewissermaßendasParadiesder
Architektur.Esbestandsolange,wiedieMenschensicheinergemeinsamen
Sprachebedienten.Dasheißt,solangesfüreinBezeichnetesgenaueinall
gemeinverständlichesBezeichnendesgab.
ImBabylonischenReichzurZeitNebukadnezarsII.wurdeAkkadischge
sprochen.DasWortšeleppyu bedeutetArchitekt.DengleichenWortklang
besitztdasakkadischeWortšeleppû–welchesSchildkrötebedeutet.8EineAs
soziation zwischen dem schützenden und gewölbten Panzer einer Schild
kröteunddemArchitekten,alsBaumeistereinesdenMenschenschützenden

7  Vgl.Genesis11,511,9.
8  Vgl.http://www.premiumwanadoo.com/cuneiform.languages/dictionary/index_en.
 phpgl.

10
Gebäudes,liegtaufderHand.AberdieSymbioseausSprachverwandtschaft
undAssoziationgeht,wennmansichdaraufeinlassenwill,nochtiefer.Die
Schildkröte ist das Symboltier des sumerischen Gottes der Weisheit sowie
derHandwerkerundKünstlerEnkibzw.aufakkadischEa.Enki/Eagiltals
derSchöpferderMenschen,dieerausLehm„baut“undihnenmitgöttli
chem Blut Leben einhaucht, damit sie den Göttern Aufmerksamkeit und
Nahrungdarbietenkönnen.UmdazuinderLagezusein,bringtEnki/Eaden
Menschen die Sprache und verschiedene Handwerke bei.9 Der alte sume
rischakkadischeGottgibtseinenMenschenalsodieFähigkeitzuSprache,
SchriftundArchitektur.MöglicherweiseeinHinweisdarauf,warumsichin
der Bezeichnung desArchitekten das Symbol dieses Gottes versteckt. Der
ArchitektistgewissermaßeneinAuserwählter,umdenMenschenSchutzvor
denUnbildenderNaturundvorkriegerischerGesinnungandererVölkerzu
garantieren.
Etwa zweihundert Jahre nach der biblischen Babelgeschichte gebraucht
der griechische Philosoph Platon das Wort 
 (demiourgos), um
eineGestalt,einWesenähnlichdemsumerischenGottEnkizubeschreiben,
welchesdurchTeilungderWeltseeleundderMaterie,denKosmoserschafft.
DasWort
setztsichausdenWörtern (demios–öffentlich)
und
(ergon–Werk)zusammen.IndieserWortzusammensetzungbe
deuteteDemiurgauchschondamalsBaumeister,Schöpfer,Künstler.Aller
dingsgehtderDemiurgandersalsderbiblischeGottnichtverbalsondern
mathematischmittelsProportionenvor.ErgestaltetdieWeltdurchVerhält
nisbildungen.10ImGriechischenwurdederBegriff  (logos)allerdings
sowohlfürdasWortalsauchfürdieProportiongebraucht.11
Ebenfalls aus dem Griechischen leitet sich das lateinische, mit unserem
heutigenSprachgebrauchverwandteWortarchitectusher.Esistwiederum
eineZusammensetzungaus
(arche–Ursprung,Grundlage)und
(techne–Kunst,Handwerk)undstelltdieArchitekturalseinegrundlegende
FertigkeitdermenschlichenGesellschaftdar.InseinerExponiertheitähnelt
diese Wortbedeutung des Architekten der sumerischen Bezeichnung šele

9  Vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/Enki.
10  Vgl. Platon: „Timaios“, in: Sämtliche Werke, Band 4, Rowohlt Taschenbuch Verlag,
Hamburg1994,S.15103.
11  Vgl.Bammer,Anton:ArchitekturundGesellschaftinderAntike,Böhlau,Wien1985,S.98.

11
ppyu.ImGegensatzdazuistdasimLateinischenparallelgebrauchteaedifi
catoreineherprofanesWortfürden“Häuslebauer”oderauchBauherrn.Es
setztsichausdenWörternaedes(Haus)undfacere(tun,machen)zusammen.
DerumdieZeitenwendelebende,römischeAutorVitruvgebrauchtinsei
nem Architekturtraktat de architectura libri decem sowohl Wörter mit dem
Wortstammaedificalsaucharchitect.MitdemwechselndenGebrauchunter
schiedlicherWörterfüreinenThemenkomplexverfolgtVitruvoffensichtlich
gezielteIntentionen.Dasvornehmere,dademGriechischenentlehntearchi
tecturaverwendeterdann,wenneraufdieVorrangigkeitderArchitekturals
KunstundWissenschaftinsistiert.DiesesVorgehenwirdbesondersinder
so genannten Ursprungslegende deutlich,12bei welcher sich Vitruv die ei
gentlicheBedeutungdesWortesArchitekturalseinerersten,ursprünglichen
Kunstbzw.Fertigkeitzunutzemacht.
DafürskizziertereineArtkulturellenSchöpfungsmythos,inwelchemdie
Architektur eine ganz besondere Rolle spielt. In einer zuweilen lächerlich
unlogischenundandenHaarenherbeigezogenenArgumentationschildert
VitruvdieerstenMenschenalswildeKreaturen,diewederFeuernochSpra
chekennenund,inErmangelungeinergeeignetenUnterkunft,nomadisch
durchdieGegendstreifen.DurcheinenabsurdenZufallderNaturwerden
dieseUrmenschenmitdemFeuerkonfrontiertundentdeckenbalddessen
wärmendeEigenschaft.MitderBeherrschungdesFeuerswerdendieMen
schenplötzlichsesshaftundbeginnen,durchwiederholteslautesAtmen,zu
sprechen und den Dingen einen Namen zu geben. Da der Mensch in der
Lage ist, seitdem er aufrecht geht, alles mit seinen Händen bearbeiten zu
können–eineFähigkeit,dieerschonvordemFeuergehabthabenmusste,
deren Gebrauch ihm aber offensichtlich unklar war – beginnt er nun, am
FeuerundinderGemeinschaftmitsprechendenGleichgesinnten,einfache
Hüttenzubauen.DiesesprimitiveBauenbezeichnetVitruvals faceretecta.
MitdemBaudieserUrhüttenbeginntnuneineKulturevolution.Menschen
zeigeneinanderihreBautechniken,wetteifernmiteinander,besserundkom
fortablerzubauenunderfindensoinrasantemTempoimmerneueTechni
kenundBauformen.DurchVergleich,ErfindungundNachahmungwerden

12   Vgl.Vitruvii:dearchiteturalibridecem,EdiditetannotavitDr.CurtFensterbusch,Wis
senschaftlicheBuchgesellschaft,Darmstadt1964,S.7987.

12
die Menschen in ästhetischen Urteilen immer sicherer und aus den ur
sprünglichprimitivenSchutzbautenwerdenWohngebäudemitallemKom
fortundLuxus.NungebrauchtVitruvdasWortarchitecturae.13
DieIntentiondesAutorsistklar.MitdemzuweilenabsurderzähltenMy
thoswillVitruvaufdenherausragendenStatusderArchitekturinderEnt
wicklungdermenschlichenGesellschaftverweisen.EsgehtihmumdasUr
sprünglichedieserKunst,welchessichinihremNamenbisaufdenheutigen
Tagerhaltenhat.AlleErrungenschaftenderZivilisationsindnurmöglich,
weildieMenschenzuvorlernten,gutunddauerhaftzubauen.DieseFähig
keitberuhtaufderTatsache,dassdieMenschenwiederumzuvordasSpre
chen–dasSagenundBezeichnen–lernten.EsisteinesäkulareVariationdes
TurmbauszuBabel.
CurtFensterbuschhatindenAnmerkungenseinerVitruvübersetzungbe
reits darauf hingewiesen, dass diese Ursprungslegende sich auf die Ideen
aus dem nur wenige Jahre vor VitruvsAufzeichnung verfassten Werk De
rerumNaturavonLukrezbezieht.14DochLukrez,inseinenArgumentationen
wesentlichluzideralsVitruv,gewichtetdieThemenFeuer,SpracheundAr
chitekturetwasanders.15
GemäßLukrezlebtendieMenschenauchvordemFeuerbereitsinGrup
pen und Sippen zusammen. Der Alltag dieser vielgliedrigen Gesellschaft
machteirgendwanneineSprachenotwendig,diesichdannausZeigenund
Gebärdenentwickelte.LukrezsprichtsichvehementgegeneinenErfinder
oder Demiurg aus, der die Sprache erfunden haben soll und mit einem
SchlagallenDingeneinenNamengibt.DieSprachehättenvieleMenschen
alleinausderNotwendigkeitheraus,Dingebezeichnenzumüssen,erfunden.
Nach der Sprache entdeckt der Mensch die brauchbaren Eigenschaften
desFeuers–nämlichWärmeundSpeiseZubereitung.DieEntdeckungdes
Feuers ist auch für Lukrez der Beginn einer Kulturevolution. Denn neben
kleinerenErfindungenbeginnennunMännervonganzbesondererGeistes
größe,StädteundBurgenzubauenundsichalsKönigeeinzusetzen.
Bei genauerer Betrachtung wird offenbar, dass Lukrez der Architektur
durchdenHerrschaftsanspruchdesArchitektensogarnocheinenhöheren
WertinnerhalbdermenschlichenGesellschafteinräumtalsVitruv.Esgibt
hingegenkeinedirekteSymbiosemitderSprache.

13  Ebenda,S.84.
14  Ebenda,S.538.
15  Vgl.Lukrez:ÜberdieNaturderDinge,AufbauVerlag,Berlin1957,S.199201.

13
EtwaeinhundertJahrenachVitruvschreibtCajusPliniusSecundus(ge
nannt der Ältere) in seiner Naturalis historia über die Erfindung der Bau
kunst.16Plinius` Beschreibung ist kurz, sachlich und ohne sagenhafte My
then.EsisteineschlichteundtrockeneAufzählungvonErfindernundihren
Erfindungen.Erschreibt,dassEuryalusundHyperbiusdieZiegelsteineund
denHausbauerfundenhätten,währendToxiusdenLehmbauundCinyra
denDachziegelunddieErzbearbeitungentdeckthätten.Sogehtesweiter
mitdererstenStadtgründung,demerstenSteinbruchunddenerstenTür
men–übrigensvondenCyclopenoderdenTirynthiernerfunden.Inmerk
würdiger Analogie zur jeweils herrschenden römischen Regierungsform
scheintfürPliniusdieEntwicklungimgenauenGegensatzzuderWeltsicht
Lukrez`zustehen.StattgemeinsamerEvolutionscheintesimmergenauei
nenErfinderbzw.einVolkzugeben.EsisteinreinesAufzählenvonangele
senenFakten.
Interessanterweise beschreibt Plinius vor der Erfindung der Baukunst
bzw.derElementederArchitekturdieErfindungdesAlphabets.Direktwer
denBuchstabenundGebäudevonPliniusnichtmiteinanderinVerbindung
gebracht.AberbeidenArgumentenfürdiefastunendlichlangeExistenzder
BuchstabeninnerhalbdermenschlichenGesellschaftführtPliniusan,dass
gewisse Texte schon vor über siebentausend Jahren in Backsteine geritzt
wurden.Indirektein Hinweis darauf, dass auchdieArchitekturgewisser
maßenalserstesPergamentderSprachebereitsexistierthabenmuss.


1.2VonderEkphrase

Ob aus etymologischer Sicht oder in Form von mythologischen Genesen,
eine enge Verwandtschaft oder zumindest Nachbarschaft zwischenArchi
tektur und Sprache lässt sich in vielen antiken Texten entdecken. Dem
scheint das für die Erkenntnis der Welt fundamentale Schöpfungsprinzip
desBenennensundHerstellens,desSagensundBauenszugrundezuliegen.
Es ist offensichtlich eine Basis für die gesellschaftliche Existenz; eben das,
was den Menschen menschlich macht und ihn kulturell weiterentwickeln
lässt.EineSymbiosezweierfundamentalerFähigkeitendesMenschen,wel

16   Vgl. Cajus Plinius Secundus: Naturalis historia – Naturgeschichte, Druck und Verlag
GressnerundSchramm,Leipzig1881,7.Buch,S.70f.

14
chesichauchheute,jenseitsvonMythosundAnekdote,alsakzeptablesEr
kenntnismodell gebrauchen lässt, vorausgesetzt man gesteht sowohl der
SprachealsauchderArchitektureinemiteinanderkompatibleZeichenhaf
tigkeitzu.
Die während der Antike entdeckte und beschriebene Kulturevolution
nährtsichausdemfortlaufendenundverbindendenGebrauchvonArchi
tekturundSprache.EinwesentlichesElementdieserSymbioseistdieBau
beschreibung,diesogenannteEkphrasealseineFormderHypotypose,mit
telswelcherversuchtwird,einGebäudemöglichstvollständiginWortezu
übersetzenundsomitdasbeschriebeneGebäudeindenGedankeneinesan
derenebensovollständigzurekonstruieren.EinBauwerkwirdverbalzerlegt
undalsGedankenbauwiedererrichtet.EineMethode,dieinderAntikezur
grundlegendenDarstellungeinesBauentwurfsbenutztwurde.ZurZeitdes
AristotelesbestanddieEntwurfsdarstellungsogarinersterLinieauseiner
sehrdetailliertenBaubeschreibung,diegelegentlichdurcheineZeichnung
odereinWachsmodellergänztwurde.17AuchVitruvsetztbeidennotwendi
genFertigkeiten,dieeinArchitektzurAusübungseinerKunstbeherrschen
muss,dieSchreibgewandtheit(litteras)andieersteStelle,nochvordemper
spektivischenZeichnenundderGeometrie.18
DasimVergleichzurBaubeschreibungheuteweniggebräuchlicheWort
Ekphrase–dieintersemiotischeÜbersetzungeinesbildlichenTextesineinen
geschriebenen19–hateinelangeTradition.20BereitsinderAntikewurdedie
EkphrasealsrhetorischeÜbungpraktiziert;zurZeitGoethesfindetsiesich
vielfach eingebettet in den damals beliebten Reisebeschreibungen wieder.
Im19.Jahrhundertwaresbeliebt,GedichteüberBilderzuschreiben.Heute
hingegenistsiedurchdieschnelllebigeDigitalisierungderWeltnichtmehr
üblich.SelbstinderBelletristikverschwindetdiedetaillierteBeschreibung
zugunsteneinerhandlungsorientiertenSchreibweiseallmählichausderLi
teratur.
AuchwennheutederNutzeneinerliterarischenBaubeschreibungnicht
mehroffensichtlichist,vonvielenBauundKunstwerkenderAntikehaben

17   Vgl.Lauter,Hans:DieArchitekturdesHellenismus,WissenschaftlicheBuchgesellschaft,
Darmstadt1986,S.18.
18   A.a.O.,S.24/25.
19   Vgl.Eco,Umberto:QuasidasselbenurmitanderenWorten–ÜberdasÜbersetzen,dtv,
München2010,S.247.
20   Vgl. Wellek,RenéundWarren,Austin: TheoriederLiteratur,VerlagUllsteinGmbH,
Berlin1963,Kapitel:„DieLiteraturunddieanderenKünste“,S.108118.

15
wir nur Kenntnis durch die überlieferten Ekphrasen. Ohne Homers Epen
hätteSchliemannnienachTrojagesucht.AuchdieanfangserwähnteZikku
ratvonBabylonwäreohnedenBibeltextunddieBeschreibungHerodotsin
Vergessenheit geraten. Gerade die beiden Passagen über die babylonische
ZikkuratEtemenankizeigenaberauch,dasseineEkphraseinAbhängigkeit
vonderIntentiondesAutors unterschiedliche Qualitätenhabenkann.Die
wenigenWorteimerstenBuchMose:

„Dannsagtensie:Auf,bauenwirunseineStadtundeinenTurmmit
einerSpitzebiszumHimmel...“21


sagenwenigüberdenBauselbst.EswirdnurdasBauwerkalsetwasUner
hörtes, Monumentales charakterisiert. Das lässt viel Spielraum für Rekon
struktionsversuche;unddiezeichnerischenLösungenfrühererJahrhunderte
zeigenentsprechendphantasievolleTürme,obwohlHerodotsHistorienseit
dem 15.Jahrhundert in lateinischen Übersetzungen in Europa kursierten
und die grundlegende Form des Turmes eigentlich eindeutig seinmüsste.
DennHerodotbeschreibtdieZikkuratfolgendermaßen:


„DerTempelbezirkistviereckig,jedeSeitezweiStadienlang.Mittenin
diesemheiligenBezirkisteinfesterTurmerrichtet,einStadionlangund
breit,undaufdiesemTurmstehtwiederumeinTurmunddannnoch
einer,imganzenachtTürmeübereinander.AlledieseTürmekannman
ersteigenaufeineraußenherumführendenTreppe.AufmittlererHöhe
sind Ruhebänke angebracht, auf die sich der Hinaufsteigende setzen
kann,umsichzuerholen.IndemhöchstenTurmstehterstdaseigentli
chegroßeTempelhaus,undindemTempelhausstehteingroßesRuhebett,
mitschönenDeckenbelegt,unddanebeneingoldenerTisch.KeinGöt
terbildfindetmandortaufgestellt,auchnächtigtkeinMenschindem
Tempel,bloßeineeinzigeausBabylonstammendeFrau,diesichderGott
unterallenFrauen des Landes erwählt, wie wenigstensdie Chaldaier,
diePriesterdiesesGottes,behaupten.“22


DiesePassageimWerkHerodotsundeineausgegrabeneTontafelausUruk
gaben dann auch für Robert Koldewey denAusschlag, im Rahmen seiner

21   Genesis11,4.
22   Herodot:Historien,KrönerVerlag,Stuttgart1979,Abs.181.

16
Ausgrabungenab1913dieoriginalenDimensionenabschätzenunddieVer
ortunginnerhalbdeswiederentdecktenBabylonsvornehmenzukönnen.
OhnediekontinuierlicheÜberlieferungdurchdieBibelundderausrei
chendpräzisenBeschreibungHerodotswürdederTurmheutealsBaumo
numentderGeschichtenichtexistieren.ErstdurchdasBezeichnenundBe
schreibenwurdedasWissenumdieseZikkuratkonserviertundtradiert.Die
verbaleDekonstruktiondesBauwerksdurchdenantikenGeschichtsschrei
berermöglichtunsdiegedanklicheRekonstruktiondeseinstmaligenLehm
ziegelbaus.
DamitsindwirbeimKernthemaderUntersuchung:VitruvsEkphrasesei
nerBasilikainFano.EsistdereinzigeüberlieferteNachweisfürdiesesGe
bäude;eswirdwederin anderen zeitgenössischenQuellenbestätigt,noch
habensichbaulicheÜberresteerhalten.SeinetatsächlicheExistenzhängtal
lein von der Glaubwürdigkeit seines Erbauers und Beschreibers ab. Doch
eine Reise durch die diversen Übersetzungen verschiedener Jahrhunderte
legtdenVerdachtnah,dasssichVitruvoffensichtlichnichteindeutiggenug
ausgedrückthat,denndieÜbersetzungenlassenzumTeilganzverschiedene
Gebäudegedanklichwiederauferstehen.
Wennmandavonausgeht,dassdieBasilikatatsächlichexistierthatund
demnacheinetektonischeLogikinhäriert,dannistesVitruvwohlnichtge
lungen, diese architektonische Logik in eine sprachliche Logik derart zu
übersetzen,dassdieverwendetenZeicheneineindeutiginterpretiertwerden
können. Dieser Verlust ansemiotischemWissen mussnicht allein auf den
AutorunddessensprachlichbegrenztenHorizontzurückgeführtwerden.Es
giltauchzubeachten,dassÜbersetzenbedeutet,einenSachverhaltvonei
nem semiotischen System in ein anderes zu übertragen. 23 Das heißt, die
deutschsprachigen Texte, die hier untersucht werden, sind Übersetzungen
eines durch Abschriften überlieferten lateinischen Textes, der hingegen
selbsteineÜbersetzungeinesBauwerksinWortedarstellt–ausreichendGe
legenheitfürFehler.
AngenommenVitruvhätteeinDetailseinerBasilikanurflüchtigerwähnt,
weilerdessengestalterischeAusführungalsbekanntvoraussetzt.Weiterhin
angenommendieseflüchtigeBemerkunghatsichdurchdieAbschriftensei
nes Textes im Lauf der Jahrhunderte des Mittelalters dermaßen verformt,
dasssieheutekeinenSinnmehrergibtundausVerständnisgründenwegge
lassenwird,bestenfallsmiteinerentsprechendenFußnoteversehen,dassan

23   Vgl.Eco2010,S.30ff.

17
dieser Stelle ein unleserliches Wort stehen würde, welches den Inhalt das
Satzesabernichtbeeinträchtige.JedernochsopräziseRekonstruktionsver
suchwürdezwangsweiseeinGebäudeergeben,dassdemantikenOriginal
zwarähnlichaberniegleichseinkann.


1.3VondenarchitektonischenZeichen

EinAnfangspostulat dieser Untersuchung lautet, dass dieArchitektur das


SteingewordeneGleichnisderLogikundSprachedaseigentlicheMedium
derLogiksei.DieEkphrasealseinWerkderSpracheistdasMedium,umein
Kunstwerk,einGebäudeineinesprachlicheFormzuübersetzen.DasErgeb
nisistimIdealfalleinegedanklicheReGenesedesKunstwerkesimGeistdes
idealenLeserseinerEkphrase.DiesesTranslationsergebnisderArchitektur
in die Sprache ist nur denkbar, wenn eine weitere, bereits postulierteAn
nahme zulässig ist; nämlich, dass eine kompatible Zeichenhaftigkeit zwi
schenbeidenAusdrucksformenderLogikexistiert.NureinederartigeKom
patibilitätermöglicht eine zumindest theoretischverlustfreieKommunika
tioninbeideRichtungen–alsovonderArchitekturindieSpracheundan
dersherum.
EsstelltsichnundieFragenachderBeschaffenheitdieserZeichensysteme,
damitdieAnnahmengelten.DieAntworthieraufkannnurdieSemiotikge
ben.
UnterSemiotikverstehtmanimAllgemeinendieWissenschaft,diesich
mitZeichensystemenallerArtbefasst–eineZeichentheoriebzw.lehre.24
ObwohlseitderAntike,wieansatzweiseausderPerspektivederArchi
tekturgeschichtedargestellt,überdenZusammenhangvonBezeichnendem
undBezeichnetemreflektiertwurde,existierteineWissenschaftvondenZei
chenimstrengerenSinnedesWorteserstseitdem20.Jahrhundert.AmAn
fangdieserWissenschaftstehendiebeidenGelehrtenFerdinanddeSaussure
und Charles Sanders Peirce. Saussures Erklärung der Semiotik durch ein
dyadisches Zeichenmodell, bestehend aus Zeicheninhalt und Zeichenaus
druckgibtdenAnstoßzudereinpaarJahrespäterdurchPeirceveröffent

24   Vgl. Anzenbacher, Arno: Einführung in die Philosophie, HerderVerlag, Freiburg im
Breisgau2002,S.185.

18
lichtengrundlegendenDefinitionderSemiotikmittelsseinertriadischenRe
lationzwischenObjekt,ZeichenundInterpretant.25AndiesenbeidenDefi
nitionenhabensichindenfolgendenJahrzehntenvieleAutorenabgearbeitet.
FürunsereUntersuchungisthierbeidieSemiotikUmbertoEcosvonbeson
deremInteresse.
EcopräzisiertdieDefinitionderSemiotikalseineUntersuchungallerkul
turellenVorgängealsKommunikationsprozesse,26wobeierauchdieArchi
tektur als kulturellen Vorgang versteht. Unter dieser Bedingung ist eine
Translation zwischen Architektur und Sprache denkbar. Ecos Architek
tursemiotikistgenaudeshalbfürunsereUntersuchungvonbesonderemIn
teresse.Sieist,obwohlbereitsübervierzigJahrealt,dieBasisvielerarchitek
turtheoretischerUntersuchungenandererAutoren.27
LautEcoliegtdieHerausforderungeinerArchitektursemiotikinderBe
sonderheit,dasseinGebäudenichtzurKommunikationsondernzurFunk
tionserfüllungerrichtetwurde.WiealsolässtsichdiesejeweiligeFunktion
unter dem Aspekt der Kommunikation betrachten? Und, was für weitere
VorteileergebensichauseinersolchenBetrachtung?28DassindEcosGrund
satzfragen,dieerseinerArchitektursemiotikvoranstelltundimVerlaufsei
nesGedankengangeszubeantwortensucht.
InteressanterweisebeginntEcoseineÜberlegungenmiteinerUrsprungs
legende,diesichindenGrundzügengarnichtsosehrvondenantikenGe
nesenderBaukunstunterscheidet:


„Versetzen wir uns in die Situation des Menschen der Steinzeit […]
NochganzStaunenundWildheit[…]flüchtetsichunserMenschun
terdemDruckvonKälteundRegennachdemBeispielirgendeinesTie
resoderauseinemImpuls,indemsichInstinktundÜberlegungkonfus
vermengen,ineineSchlucht,ineineBergfurcheoderineineHöhle.

25   Vgl. Eco, Umberto: Einführung in die Semiotik, Wilhelm Fink Verlag, München 1985
undhttp://de.wikipedia.org/wiki/Semiotik#.C3.9Cberblick.
26   Vgl.Eco1985,S.32.
27   Vgl.u.a.Baumberger,Christoph:GebauteZeichen:eineSymboltheoriederArchitektur,
FrankfurtamMain2010;Boskamp,Jochen:„ArchitekturistkeineSprache(sondern
einZeichensystem)“,in:ArchitekturalsDarstellung,alsZeichen,alsSprache,Düsseldorf
1989;Carlini,Alessandro(Hrsg):Konzept1–ArchitekturalsZeichensystem,Tübingen
1971;Meisenheimer:„EinführungindenThemenkreis“,in:ArchitekturalsDarstellung,
alsZeichen,alsSprache,Düsseldorf1989;.Thomsen1989.
28   Vgl.Eco1985,S.295f.

19
GeschütztvorWindundWetterbetrachteunserMenschmitHilfedes
TageslichtsoderimFeuerschein(vorausgesetzt,daßerdasFeuerschon
entdeckthat)dieHöhle,dieihnschützt.[…]NachdemsichderSturm
gelegthat,kannerdieHöhleverlassenundsievonaußenbetrachten[…]
ErbildetsicheineIdeevonderHöhle,die–wennauchzunichtssonst
–sodochalsGedächtnisstützedienenkann,umkünftigansiealsZu
fluchtsortbeiRegendenkenzukönnen;aberauch,umineineranderen
HöhledieselbeSchutzmöglichkeitwiederzuerkennen,dieerinderersten
gefundenhatte.“29

DamitsinddieGrundparameterähnlichgestecktwiebeiVitruvoderLukrez.
Ineinem„Naturbau“wirdeineprimäreSchutzfunktionentdecktundsoweit
abstrahiert und formal analysiert, dass in ähnlichen Gebilden die gleiche
Funktionserfüllung hineininterpretiert werden kann. Diese Abstraktion
mussnochkeinWortfürdieIdeeeinerHöhleparathalten,aberdieGeburt
derabstrahierendenSpracheundeinesabstrahierendenNachbauensdieser
NaturArchitekturstehtkurzbevor.EconenntdiesesIdeenbildendieErzeu
gungeinesarchitektonischenCodes.30DernächsteSchrittdiesenarchitekto
nischenCode,dieseIdeevoneinerHöhle,graphischzufixierenunddamit
einenikonischenCodezuerzeugen,welcherwiederumkommunikativeBe
ziehungeninGangsetzt,istkeingroßermehr.31


„AndiesemPunktwirddieZeichnung[…]voneinerHöhleschonzur
MitteilungeinermöglichenFunktionundbleibtes,auchwenndieFunk
tionnichterfülltwirdoderkeinBedürfnisbesteht,siezuerfüllen.“ 32


DasistdieVoraussetzungunterwelcherArchitektursemiotischbetrachtet
werdenkann.WennmirderarchitektonischeCodeeinesGebäudesbekannt
ist,dannteiltmireinGebäudeseineFunktionmit,ohnedassichesbenutze
oderauchzuvorjemalsbenutzthabe.
ArchitekturkannaufdieArtalseinSystemvonZeichengelesenwerden.


29  Ebenda,S.296f.
30  Vgl.dazuauchBoskamp1989,S.90ff.
31  Vgl.Eco1985,S.297.
32  Ebenda,S.297.

20
„UnsersemiotischerAnsatzerkenntsoimarchitektonischenZeichendie
AnwesenheiteinesSignifikans,dessenSignifikatdieFunktionist,wel
cheesermöglicht.“33


Nunisteszweifellosso,dasseinGebäudenichtnurexakteineFunktionzu
erfüllenhat,undandererseits gibt es Gebäude ausderGeschichte,diefür
uns heute gar keine oder eine gänzlich andere Funktion erfüllen als ur
sprünglichgedachtwar.EcoentwickeltnuneinSystemderkommunizierba
renFunktionen.DieKommunikationderprimärenGebrauchsfunktion,der
konventionellenFunktionnennterDenotation.DieDenotationstelltdiedi
rekteVerbindungeines Begriffs mit seinem Gegenstanddar,ohne weitere
AssoziationenundNebenbedeutungenmiteinzuschließen.EineDenotation
setztstetsdieKenntnisdesarchitektonischenCodesvoraus,dasonstForm
undFunktionnichtübereingebrachtwerdenkönnen.Ecodemonstriertdies
aneinemBeispiel.EinWohnhaus,daseinArchitektaußerhalbjedesexistie
renden Codes erbauen würde, wäre zwar möglich und vielleicht im Ge
brauch sogar wohnlicher als viele existierenden Gebäude nach konventio
nellenCodes,eswäreabernichtbewohnbar,dasichdasHausalsZeichen
kontextaufkeinenbekanntenCodebezieht.34OhnepräziseGebrauchsanlei
tung desArchitekten ist dieses Haus völlig unnütz, auch wenn die Form
nachweislichderFunktionfolgt.
DenotationbedeutetalsodieKommunikationderFunktioneinesarchi
tektonischenGegenstandesunddessenIdeologiederFunktion.Eskönnen
abernochweitere,mehrassoziativeFunktionenkommuniziertwerden.Dies
nenntEcoKonnotation.35AlseinBeispielwirdwiedereinWohnhausheran
gezogen. Die Kenntnis des entsprechenden architektonischen Codes lässt
michaneinemGebäudeerkennen,dasseseinWohnhausist.SoeinGebäude
kommuniziertabernochvielmehr;wieetwadenStildesentwerfendenAr
chitekten,dasVermögendesBauherrnoderklimapolitischeTendenzen.Es
lassensichalsoverschiedeneArtenderAuffassungvonFunktionen,sogar
symbolischeFunktionenerfassen.36
Sowohl Denotationen als auch Konnotationen kommunizieren Funktio
nenvonGebäuden.DieKommunikationdieserFunktionenbleibtimLaufe

33  Ebenda,S.304.
34  Ebenda,S.309.
35  Ebenda,S.310.
36  Ebenda,S.307ff.

21
derJahrhundertejedochnichtstabil–Denotationenändernsichodergeraten
inVergessenheitundKonnotationenverschwindenebensooderwerdenneu
entdecktodererfunden.37NunwirddieAngelegenheitkomplexundwirste
henvorhistorischenGebäuden,derenSprachewirnichtmehroderfalsch
verstehen.
WaslässtsichzumBeispielüberStonehengesagen?WelcheFunktionde
notiertes?Manmuss,soEcozudiesemPunkt,diearchitektonischenCodes
inzweiTypenKlassifizieren.ZumeinengäbeesdiesyntaktischenCodeswie
etwa der Nachbildung der Wissenschaft von den Konstruktionen, die Be
schreibungvoneinzelnenBauteilenundstatischenZusammenhängenohne
BezugzurFunktionnochzumdenotiertenRaum.Miteinemsyntaktischen
Code ließe sich problemlos Stonehenge beschreiben. Zum anderen gibt es
semantischeCodes;esistdereigentlicheBereichvonDenotationundKon
notation,sowohlwasDetailsundderenFunktionangeht,alsauchdasGe
bäude und dessen Typologie im Ganzen. 38 Hier wird es in Sachen Ston
ehengeschonschwieriger.Isteszulässig,formaleÄhnlichkeitenheranzuzie
hen,umfunktionaleÄhnlichkeitenanzunehmen?Oderlassensichfunktio
naleÄhnlichkeitenbenutzen,umformaleErgänzungenrekonstruierenzu
können?
AndieserStelleerfolgteinersterVerweisaufdieSemiotikderSprache,
nämlichderVerweisaufeinensignifikantenUnterschied.WährenddieSpra
che ein absolutes inhaltliches Freiheitsfeld darstelle, so Eco, mit welchem
sichunendlichvieleBotschaftenerzeugenließen,wäredieArchitekturnur
dieFormgebungbereitsausgearbeiteterLösungen,gewissermaßeneineKo
difizierungvonBotschaftstypen.ArchitekturbietekeinegenerativenMög
lichkeiten,sondernfertigeSchemata(etwaderCodedesWohnhauses).39An
dernfallsverstehtmandiekommunizierteFunktionnicht.
WasbedeutetdasnunfürunsereUntersuchung?DassArchitekturkeine
SpracheimSinneunsererverbalenSpracheist,wieesimmerwiederinEnt
wurfsbegründungenleichtfertigangeführtwird,brauchtnichtdiskutiertzu

37  Ebenda,S.317f.
38  Ebenda,S:329f.
39  Ebenda,S.330f.

22
werden. 40Darauf wurde in der ernst zu nehmenden Forschungsliteratur
auchbereitshingewiesen.41
WirhabendieSprachealsdasdirekteMediumderLogikdefiniertund
dieArchitekturalsdessenkünstlerischesAbbildgesehen.WasaberistLogik?
AufAristoteles basierend, versteht man klassischer Weise unter Logik die
LehrevonderFolgerichtigkeitdesDenkensinBegriffen.Logikbefasstsich
mitderFormundnichtmitdemInhaltdesDenkens.42DieserAnsatzkon
zentriertsichaufdieSprache.SeitdemEndedes19.JahrhundertswirdLogik
jedochauchabstraktergefasst.HierhatsichdieBezeichnungLogistikoder
symbolischeLogiketabliert.IndiesermodernenVersionderLogikwerden
„Symbole,RegelnfürdieKombinationvonSymbolenundRegelnzumEr
reichengültigerSchlüssegegeben.SiewilleinekonsistenteTheorieformaler
SchlüsseundInterpretationenerreichen.“43Dazuwirdeinabgeschlossenes
System von Zeichen mit dazugehörigen Operationsregeln betrachtet, das
Kalkül genannt wird. 44 Ein klassisches Kalkül wäre ein Schachspiel.Aber
auchArchitekturkannalseinKalkülaufgefasstundaufdieserEbenemitder
Spracheverglichenwerden.AufdiesemGedankenansatzaufbauend,fügen
wireineeigeneDefinitionvonLogikan:


LogikistderwiderspruchsfreieGebrauchverschiedener,aufandereZeichen
verweisenderZeicheneinesSystemsnachbestimmtenRegeln.


DieVoraussetzungen,einenInhaltvonArchitekturinSpracheoderanders
herumtranskribierenzukönnen,sindkompatibleZeichen–undRegelsys
teme(Kalküle)–semiotischeSchemata,syntaktischeundsemantischeCodes.
DieseSichtweiseharmoniertmitEcosArchitektursemiotik.Siezeigtzu
gleichdieSchwierigkeiteinersolchenTranslation.Einenformalbegrenzten

40   AndererAnsichtsindu.a.Fischer,Günther:ArchitekturundSprache:Grundlagendes
architektonischenAusdruckssystems,Gütersloh1972undSummerson,John:Dieklassi
scheSprachederArchitektur,Braunschweig1983
41   Vgl.Baumberger2010,S.73;Dorfles,Gillo:„IkonologieundSemiotikinderArchi
tektur“,in:Konzept1–ArchitekturalsZeichensystem,Tübingen1971;Fusco,Renatode:
ArchitekturalsMassenmedium:AnmerkungenzueinerSemiotikdergebautenFormen,Gü
tersloh1972;Hauser,Andreas:„Architectureparlante–stummeBaukunst?“,in:Ar
chitekturundSprache–GedenkschriftfürRichardZürcher,München1982,S.127161.
42   Vgl.dtvAtlasPhilosophie,dtv,München2003,S.47undKrönerPhilosophischesWör
terbuch,KrönerVerlag,Stuttgart1965,S.359ff.
43   DtvAtlas2003,S.211.
44   Vgl.Kröner1965,S.361f.

23
architektonischenCodeanhandeinesBeispielsindasformfreiesemiotische
System der Sprache zu übersetzen, ist wesentlich leichter, als aus dieser
freienUmsetzungwiederumeineneineindeutigen,begrenztenarchitektoni
schenCodezuabstrahierenunddiesenaufeinkonkretesGebäudeanzuwen
den.


1.4VomsprachlichenÜbersetzen

GemäßEcosSemiotikwäreeineEkphrase,dienureinzelnearchitektonische
Details eines Gebäudes summarisch aufzählt und beschreibt, die Wieder
gabe eines syntaktischen Codes. Um ein Gebäude vollständig in Sprache
transkribierenzukönnen,müssenjedochauchdenotativeundkonnotative
Funktionenbeschriebenwerden.Undzwarderartbeschriebenwerden,dass
einMissverstehenauchnachzweitausendJahrenausgeschlossenist.45Unter
diesemGesichtspunktsollVitruvsEkphraseimHauptteilbetrachtetwerden.
Derzweite,hierzunächstwichtigerePunktistderinhaltlicheWandel,den
einTextvollzieht,wennerineineandereSpracheübersetztwirdundwie
sichdieseWandlungimLaufederJahrhunderteverändert,wennimmerwie
derneueÜbersetzungendeseinenUrtextesangefertigtwerden.
DieWissenschaftvonderÜbersetzungwirdTranslatologiegenannt.Sie
istalsstrengeWissenschaftnichtälteralsdieSemiotik.WennzuvordieBe
dingungen der Möglichkeit eines Übersetzens vonArchitektur in Sprache
skizziertwurde,sollnundieProblematikbeimÜbersetzenvoneinerSpra
cheineineanderedargestelltwerden.AlswesentlicheQuelledieserDarstel
lungdientunseinweiteresWerkUmbertoEcos,dersichauchdiesemThema
wissenschaftlich,alsAutorvonRomanenundalspraktizierenderÜbersetzer
leidenschaftlichgewidmethat.
NachEcoistÜbersetzen der Versuch trotz derErkenntnis,dassmanin
zweiSprachenniemalsgenaudasselbesagenkann,quasidasselbesagenzu
wollen.46


45   ZurProblematikdesAllesBeschreibenMüssens:Knoepfli,Albert:„DieSprachedes
Kunsthistorikers–HilfeundHindernis“,in::ArchitekturundSprache–Gedenkschrift
fürRichardZürcher,München1982,S.169190.
46   Vgl.Eco2010,S.10.

24
„Übersetzenheißtalso,dasinnereSystemeinerSpracheunddieStruk
tur eines in dieser Sprache gegebenen Textes verstehen und dann ein
Double des Textsystems schaffen, welches – nach Maßgabe einer be
stimmten Beschreibung – beim Leser ähnliche Wirkungen erzeugen
kann,ähnlichsowohlaufdersemantischenundsyntaktischenEbenewie
aufderstilistischen,metrischen,lautsymbolischenundindenGefühls
regungen,diederOriginaltexthervorrufenwollte.“47

Die Einschränkung Maßgabe einer bestimmten Beschreibung entspricht
dem quasi in der vorhergehenden Definition. Es ist der hinzunehmende
MakeleinerÜbersetzungimVergleichzumOriginal.EconenntdieseMaß
gabeauchVerhandlung.48VerhandelnheißtindiesemFallefürEco:


„...einigederKonsequenzen,dieimoriginalenAusdruckenthaltensind,
abzufeilen.DieInterpretation,diejederÜbersetzungvorausgeht,muß
festlegen,wievieleundwelchedermöglichenKonsequenzen,diederori
ginaleAusdrucknahelegt,abgefeiltwerdenkönnen.Wobeimannievöl
ligsicherseinkann,daßnichtirgendeinultravioletterWiderscheinoder
eineinfraroteAnspielungverlorengeht.“49


DamitsinddieGrenzenderÄquivalenzzwischenOriginalundÜbersetzung
festgelegt.
FensterbuschgibtinderEinleitungseinerVitruvübersetzungeinenkur
zen Überblick über die ältesten Handschriften des Traktats. 50Am Anfang
dieserGenealogiestehteineinziger,jedochverlorengegangenerArchetypus;
geschriebeninangelsächsischerMinuskel.AlleweiterenHandschriftenbzw.
AbschriftenbeziehensichdirektoderindirektaufdieseneinenArchetypus,
obwohl auch dieser nur eineAbschrift noch älterer Handschriften ist. Die
ältestenochexistierendeHandschriftstammtausdem9.Jahrhundert,weist
aberWortundReihenlückenauf,daderSchreiber,soFensterbusch,desLa
teinischenoffensichtlichnurwenigmächtigwar.DieseLückensindinden

47  Eco2010,S.18.
48  Ebenda,S.19.
49  Ebenda,S.110f.
50  Vgl.Fensterbusch1964,S.11ff.

25
folgendenAbschriften sukzessive gefülltworden, allerdings nach dem Er
messendesjeweiligenSchreibers.WodurchsichderTextvonAbschriftzu
Abschriftweiterveränderte.
Dasheißt,jedenochsophilologischpräziseÜbersetzungdesTraktatsins
Deutsche kann sich lediglich auf eine Reihe von mittelalterlichen, unterei
nanderdivergierendenAbschriftenstützen,dieselbstnurKopienvonKo
piensindundetwaigeinhaltlicheLückenderVorgängermehroderweniger
phantasievollundimGeschmackderZeitergänzthaben.


1.5VonderReKonstruktion

Wiewirbishierherbereitsgesehenhaben,bestehtderinderUntersuchung
zubeobachtendeundzuanalysierendeProzessausdreiPhasen.Inderers
tenPhasevollziehtsichdieÜbertragungeinesBauwerkesineinesprachlich
äquivalente Beschreibung, eineArt Dekonstruktion. In der zweiten Phase
wirddiesessprachlicheÄquivalentineineandereSpracheübersetzt.Und
die dritte Phase beinhaltet die ReKonstruktion des sprachlichen Äquiva
lentsalseinarchitektonischesGebilde.
NachSemiotikundTranslatologiegehtesnunumdieFrage,wasindie
semSinneeineReKonstruktionsei?
WinfriedNerdingerdefiniertdenBegriffRekonstruktioninseinem2010
erschienenenAufsatzundBildbandGeschichtederRekonstruktion–Konstruk
tionderGeschichteallgemeinverständlichalseine„möglichstgenaueWieder
herstellung eines verlorenen Zustandes.“ 51 Damit wäre tatsächlich grund
sätzlichallesgesagt, was das Wort etymologischhergibt,wennNerdinger
nichtineinemNebensatzanmerkenwürde,dassRekonstruktionnichtmit
denBegriffenRestaurierung,Wiederaufbau,Wiedererrichtung,Kopie,Teil
rekonstruktionoderNachbildunggleichzusetzensei,daesimDetailfeine
Unterschiedegäbe.52NichtnurdemLaienfälltesschwer,diesefeinenUn
terschiedezuentdecken.IndenletztenJahrzehntenhateseinigekontroverse
DiskussionenübereineexakteDefinitiondesBegriffesRekonstruktionim

51   Nerdinger,Winfried:GeschichtederRekonstruktion–KonstruktionderGeschichte,Mün
chen2010,S.479.
52   Ebenda,S.6und16.

26
BereichderArchitekturgegeben.NerdingergibtimGlossarseinesAufsatz
bandeseineÜbersichtüberdieverschiedenenVariationenundAnsichten.53
Die gängigen wissenschaftlichen Diskussionen um den architektonisch
verstandenen Begriff Rekonstruktion sind für unsere Untersuchung daher
wenighilfreich.SchließlichstehtamEndeunsererRekonstruktionkeinrea
lesBauwerk,nochgilteseinenverlorengegangenenZustandwiederherzu
stellen,daeskeinbaulichesAbbildoderdergleichenvonderOriginalBasi
likainFanogibt.
Unsere ReKonstruktion ist im Gegensatz dazu hypothetisch, ein reines
GedankenspielzumZweckederUntersuchungderdahinterliegendensemi
otischenProzesse.
Um das intersemitiosche Übersetzen von Architektur und Sprache als
möglich anzusehen, mussten wir annehmen, dass beideAusdrucksformen
überuntereinanderkompatibleZeichensätzeverfügen.AuchwennesinSa
chenderAnwendungsfreiheitUnterschiedegibt,istdieseAnnahmeakzep
tabel,wennSemiotikimSinneEcosalsKommunikationsprozessverstanden
wird.
Um nun Sprache inArchitektur übersetzen zu können, müssen wir an
nehmen,dassdieSpracheihrerseitseinetektonischeLogiknachvollziehbar
vermittelnkann.Dasbedeutetnatürlichnicht,dassderSatzbaudesvitruvi
anischenTextesjenseitsallerDenotationundKonnotationdieBasilikanach
bauensoll.DaswäreabsurdundeinvölligesMissverständnisdessen,was
ArchitekturundSprachemiteinanderverbindet.Esgehtvielmehrumdas
WechselspielzwischenSimultaneitätundSukzession.
WährendeinBauwerkstetsalsEinheitkommuniziert,beiwelchersimul
tandieverschiedenenFunktionenunddiearchitektonischenDetailsvermit
teltwerden,stellteineliterarischeBeschreibungimmereineSukzession,ein
NacheinanderdereinzelnenKommunikationsprozessedar.DassArchitek
tur auch sinnlich nur sukzessive wahrgenommen werden kann, spielt bei
unsererUnterscheidungkeineRolle,daderSukzessiondieserSinneswahr
nehmungenstetsdasBauwerkalsGanzes,alsEinheitzuGrundeliegenmuss.
DerAutoreinerBaubeschreibungmussalsovordemSchreibenzunächst
dasarchitektonischeEineineinzelneBestandteileoderSegmentezerlegen
oder dekonstruieren und dann eine logische Reihenfolge festlegen, wann

53   Vgl.Nerdinger2010,hierzubesondersdasGlossaraufS.479.Nerdingerführthier
die interpretierende, genaue, philologische, hypothetische, freie, fiktive, zeichneri
sche,filmische,digitale,virtuelle,archäologischeundkritischeRekonstruktionan.

27
welchesSegmentinnerhalbdesTextesangeführtundmitwelchemüberdie
reine Beschreibung des Vorhandenen hinausgehenden Inhalt es versehen
werdensoll.ObwohleskeinePatentlösunggibt,stellteinesinnvolleAnord
nungderdekonstruiertenSegmentedieVermittlungdertektonischenLogik
eines Bauwerkes durch die Sprache dar– unabhängig von der Bedeutung
der einzelnen Wörter und Sätze. Beispielsweise wäre es denkbar, ein Ge
bäudesoumfassendwiesprachlichmöglichzubeschreiben,indemmanab
wechselndvomGroßeninsKleine,voneinemEndedesGebäudeszuman
derenhinundherspringt.EinederartigeEkphrasewürdejedoch,trotzder
Vollständigkeit des Inhalts erhebliche Probleme beim Leser verursachen,
sichdiesesGebäudegedanklichenwiederzurekonstruieren.DieseBedeu
tungdesWortesReKonstruktion–dasgedanklicheWiederZusammenset
zeneinesdurchintersemiotischeÜbersetzungzerlegten,vormaligenGanzen
–istfürunsereUntersuchungmaßgebend.
EswirdfürdieUntersuchungvonbesondererBedeutungsein,wiesich
Vitruv literarisch durch sein Gebäude bewegt und welche Konsequenzen
dasfürdieÜbersetzungenhat.


1.6WovondieRedeist

DiegrundlegendeFrage,dieunseremForschungsvorhabenvorangestelltist,
lautet:UnterwelchenBedingungenistesmöglich,einGebäudenurmittels
einerliterarischenBeschreibung–einersogenanntenEkphrase–möglichst
genauzurekonstruieren?
DieseFragesollanhandeineskonkretenBeispielserörtertundbeantwor
tetwerden.DasBeispielmusssogewähltwerden,dassfolgendeBedingun
gen gelten: Erstens gibt es nur einen Text über ein Gebäude, jedoch keine
archäologischenoderbauhistorischenBefunde.Zweitenswurdenübereinen
langen Zeitraum von verschiedenen Interpreten diverse Rekonstruktions
versuche anhand des Textes vorgenommen, dich sich in ihrem Ergebnis
deutlichvoneinanderunterscheiden.
DieWahlfälltnichtvonungefähraufVitruvsBeschreibungseinerBasilika
inFano.VitruvsEkphraseinnerhalbseinesArchitekturtraktatesistdieein
zigeÜberlieferungdesGebäudes,undseitderRenaissancehatesunzählige
ÜbersetzungendiesesTextesmitmindestensebensovielenRekonstruktions
versuchenderBasilikagegeben.DasVorhabenbeschränktsichaufverschie

28
deneÜbersetzungenderPassageinsDeutscheimLaufevonvierJahrhun
derten.UntersuchtwerdendieÜbersetzungenvonGualtherusHermenius
Rivius, 54 August Rode, 55Franz Reber, 56Jakob Prestel 57 und Curt Fenster
busch.58DochalleindieserengabgesteckteRahmenermöglichtallerelevan
tenAspektezuuntersuchen,denneslassensichgroßeUnterschiedeinden
ÜbersetzungensowiedenbeigefügtenzeichnerischenRekonstruktionender
Basilikaentdecken.
Wiekanndassein?IstderTextinhaltlichsolückenhaft,dasseseinerge
wissen hermeneutischen Phantasie bedarf, um das Gebäude darstellen zu
könnenoderwirdderTextfehlerhaftgelesen?
IndenvorangegangenenKapitelnhabenwirdenUntersuchungsrahmen
thematischabgestecktunderläutert.
SeitdemderMenschüberseinenUrsprungreflektiert,siehterArchitektur
undSpracheaufeinegeheimnisvolle,mystischeWeisemiteinanderverbun
den.EssinddiebeidenEckpunktedesmenschlichenErkenntnisvermögens
– auf der einen Seite die reineAbstraktion der Sprache, durch welche die
DingegedanklichaufeinelogischeArtmiteinanderkombiniertwerdenkön
nen,sodassdarausetwasNeuesohneeinenzusätzlichenReizseitensder
objektivenWeltentstehenkann(etwainderPhilosophie)undaufderande
renSeitedierealeManifestationeinesschöpferischenGedankensinderob
jektivenWeltdurcheinBauwerk,welchessichauseinerlogischenKombina
tion von Elementen zusammensetzt. Sowohl Sprache als auchArchitektur
sindFormendesAusdruckslogischerZusammenhänge.WobeidieSprache
eindirektesMediumderLogikistundArchitekturderenmedialesAbbild.
Die Kombination von beiden lässt uns die Welt verlässlich erkennen und
dauerhaftumgestalten.
DieBedingungderMöglichkeiteinerderartigenKombinationistdieAn
nahme einer kompatiblen Zeichenhaftigkeit, welche ein intersemiotisches

54   Rivius,GualtusHermenius:MarcusVitruviusPollio–ZehenBüchervonderArchitectur
undkünstlichemBauen,NachdruckderAusgabeNürnberg1548,GeorgOlmsVerlag,
Hildesheim1973.
55   Rode,August:Vitruv–Baukunst,FaksimileDruckderErstausgabevon1796,Artemis
VerlagfürArchitektur,ZürichundMünchen1987.
56   Reber,Franz:Vitruv–DeArchitecturaLibridecem,Originalvon1865,Neugesetzteund
überarbeiteteAusgabe,marixverlag,Wiesbaden2004.
57   Prestel,Jakob:MarcusVitruviusPollio–ZehnBücherüberArchitektur,Originalvon1912,
NachdruckKoernerVerlag,BadenBaden1987.
58   Fensterbusch,Curt:Vitruv–ZehnBücherüberArchitektur,WissenschaftlicheBuchge
sellschaft,Darmstadt1964.

29
ÜbersetzenvonderArchitekturinverschiedeneSprachenundvondortaus
wieder in die Architektur möglich macht – die Basilika in Fano wird als
Ekphrase vom Erbauer in Sprache übersetzt, diese Ekphrase wird abge
schriebenundinandereSprachenübersetztundanhanddieserÜbersetzung
wirdversucht,dieoriginaleBasilikawiederauferstehenzulassen.
DerProzess,derhinterdieserÜbersetzungsteckt,lässtsichdurchdiedrei
PhasenDeKonstruktion,TranslationundReKonstruktionbeschreiben.
DieUntersuchungführtimUntertiteldieZeileEinsemiotischesAbenteu
er.WaszumeinennatürlicheineReminiszenzanRolandBarthesist.Zum
anderen aber wird dieArt der Untersuchung charakterisiert. Sie ist einer
abenteuerlichenReisedurchdieSprachenmehrererJahrhundertevergleich
bar,immeraufderSuchenachdemGrunddessoundnichtandersVerste
hensvonSpracheundArchitektur.

30
2.„Wassichüberhauptsagenläßt,läßtsichklar
sagen...“

„...undwovonmannichtredenkann,darübermussmanschweigen.“59


WährenddieZahlderPublikationenzumOberbegriffVitruvbeinahdieUn
endlichkeit erreicht, ist dieAnzahl der wissenschaftlichenAbhandlungen,
diesichkonzentriertmitderBasilikainFanobefassen,überschaubar.Imfol
gendenÜberblickliegtderFokusaufdendeutschsprachigenPublikationen,
dasie,sprachlichbedingt,direktmitdendeutschenÜbersetzungeninBezie
hunggesetztwerdenkönnen.AberauchinternationalistdieZahlderFor
schungsarbeitenüberdieBasilikainFanoinsVerhältnisgesetztäußerstbe
grenzt.60OffensichtlichisteseinThema,dasüberdieJahrzehntehinwegvon
lediglichbauhistorischemInteresseundauchhiernuramäußerstenRande
gewesenist.DassausdiesereinmaligenEkphrasederAntikevielmehrher
auszuholen ist als eine lückenhafte Vorlage für zeitbedingt phantasievolle
Rekonstruktionen,istbislangnochgarnichtineinemausreichendenMaße
thematisiert worden. Dabei bietet uns die Beschäftigung mit der Sprache
weiträumige Perspektiven für ein Verständnis von Architektur. Auf diese
translatorischeWechselbeziehungistinderEinleitunghingewiesenworden.
DieUntersuchungdervitruvianischenTextpassagenistdahernichtalsbau
historische Forschung bzw. Rekonstruktionsversuch zu sehen – denn dies
kannderTextnachweislichnichtleisten,sondernsieeröffnetvielmehreine
Perspektive,wieArchitekturüberhauptalseinSystemvonZeichenzuver
stehen ist. Es ist ein architekturtheoretischer Erkenntnisgewinn von allge
meinerBedeutung.
1902,etwazehnJahrevorVeröffentlichungseinerVitruvübersetzung,ver
fasst Jakob Prestel, gewissermaßen als Vorstudie, einen umfassenden und
äußerstdetailliertenAufsatzüberdieVitruvBasilika:DesMarcusVitruvius

59   Wittgenstein,Ludwig:Tractatuslogicophilosophicus,SuhrkampVerlag,Frankfurtam
Main2003,S.7.
60   Bspw.:Pellati,F.:LaBasilicadiFanoelaFormazionedelTrattatodiVitruvio,Rendic.della
PontificiaAcc.diArcheologia,Voll.XXIIIXXIV,234.19479.153;Wistrand,Erik:Vi
truviusstudier,Dissertation, Eranos förlag,Göteborg1933;Lüttichau,Rodolfo di: La
basilicadiVitruvioinFanoeisuoiruderi,Tipogr.Sonciniana,Fano1934.

31
PollioBasilikazuFanumFortunae.61DieAbhandlunggliedertsichindreiTeile:
dieGeschichtederBasilikaalsBauform,dieÜbersetzungderEkphraseim
VergleichzufrüherenÜbersetzungenunddieRekonstruktionderBasilika
anhanddesTextes,archäologischerBefundeundaufzeichnerischemWeg.
Im Vorwort und im Rahmen seiner Übersetzertätigkeit geht Prestel auf
VitruvsSpracheunddieUnvollständigkeitderEkphrasederBasilikaein.Er
behauptet,VitruverläuterenurdurcheineAufzählungderhauptsächlichen
konstruktivenMomente,währendertechnischnebensächlicheDingeuner
wähntlässt,daersiefürdendamaligenLeseralsselbstverständlichundda
mitbekanntvoraussetzt.62UmdasBauwerknachheutigemKenntnisstand
rekonstruierenzukönnen,siehtsichPresteldeshalbgezwungen,„dasOri
ginalnachseinemwahrenSinnlautezuverdeutschenunddementsprechend
dieRekonstruktionzugestalten.“63Diesseinotwendiggewesen,dafrühere
Übersetzer–PrestelnennthierunteranderemRodeundReber–derartvor
eingenommengewesenseien,dasstextlicheUnklarheitennachdeneigenen
Anschauungenund nichtnachdenIntentionenVitruvsangepasstworden
seien.64EswirdimHauptteilderUntersuchungzuprüfensein,wiegutes
Prestelgelingt,seineNeutralitätwährenddesÜbersetzenszuwahren.Merk
würdigerweisefindetseinedetailreicheAbhandlungindenfolgendenJahr
zehntennurgeringeBeachtung.
Einer der wenigen, die sich mit Prestels Gedanken und Ausführungen
über die vitruvianische Basilika beschäftigen, ist Walter Sackur. In seinem
1925erschienenWerkVitruvunddiePoliorketiker65beschäftigtersichbeson
dersausführlichmitdenbautechnischenAspekteneinermöglichenRekon
struktionderBasilikaundavanciertdamitzurzentralenForschungsquelle
fürspätereArbeiten,diesichebenfallsmitderBasilikaRekonstruktionoder
einzelnenAspektendavonbefassen.
NachseinerDissertationüberdieBasilikainPompeji1973veröffentlicht
KarlFriedrichOhr1975diefürdiekommendenJahrzehntemaßgebendeStu
die über Vitruvs Basilika – „Die Form der Basilika bei Vitruv“.66Als seine

61   Vgl.Prestel,Jakob:DerMarcusVitruviusPollioBasilikazuFanumFortunae,J.H.E.Heitz(Heitz
undMündel),Straßburg1900/1902.
62  Ebenda,S.2und38.
63  Ebenda,S.2.
64  Ebenda,S.37f.
65  Vgl.Sackur,Walter:VitruvunddiePoliorketiker,W.ErnstundSohn,Berlin1925–lag
beiAbfassungderArbeitnichtvor,wirdindirektzitiert.
66   Vgl.Ohr,Karlfriedrich:„DieFormderBasilikabeiVitruv“,in:Bjb175,1975,S.113127.

32
wesentlichenQuellenzumThemaführtOhrnebenallgemeinenVitruvstu
dienunddiversenÜbersetzungenWalterSackursVitruvunddiePoliorketiker
an. Prestels detailversessene Untersuchung findet hingegen nur summari
scheBeachtung.AuchOhrgehtes,wieallenAutorenvorundnachihm,um
einebauhistorischeInterpretationderTextpassage.67Diemangelndeinhalt
licheVollständigkeitdesTextesfüreinegenaueRekonstruktionderBasilika
begründetOhrmitderIntentionVitruvs,lediglichdiekonstruktivenZusam
menhängederarchitektonischenFormendarzustellen.68DesWeiterenmacht
erbeiUnklarheitendieüberdieJahrhunderteerfolgteVerderbtheitderText
stellen verantwortlich. 69 Die Untersuchung Ohrs endet mit einem eigenen
ÜbersetzungsvorschlagderEkphrase,welchesichzwaranderÜbersetzung
Fensterbuschsorientiert,imDetailabereinigeUnterschiedeaufweist.
KurznachderprägendenStudieüberVitruvsBasilikavonKarlFriedrich
OhrveröffentlichtSabineWeyrauch1976ihreStudienzuillustriertenVitruv
ausgabenseitderRenaissancemitbesondererBerücksichtigungderRekonstruktion
derBasilikavonFano,70derenBedeutungindenfolgendenJahrenoffensicht
lich unterschätzt wurde.Als wesentliche Quellen zum Thema führt Wey
rauchdieWerkeOhrsundSackursan.AuchwennesWeyrauchinihrerStu
dieinersterLinieumeinevergleichendeAnalysedergraphischenRekon
struktionsversuche der FanoBasilika im Laufe der Jahrhunderte geht, ist
eineBeschäftigungmitderEkphraseselbsteinwichtigerTeilderUntersu
chung.InihreneinleitendenWortenbetontWeyrauch,dassdieÜbersetzun
gen im Laufe der Jahrhunderte ziemlich voneinander abweichen würden
und beschränkt sich deshalb auf die moderne Übersetzung von Fenster
busch.71FürWeyrauchistesoffensichtlich,dassbisheutenochkeineexakte
RekonstruktionderBasilikaangefertigtwurde.DenGrundsiehtsieinden
fehlendenAbbildungen,dieimLaufederJahrhundertenachVitruvverloren
gegangenseinmüssen.72ImAnschlussdiskutiertWeyrauchluzidedieein

67  Ebenda,S.113.
68  Ebenda,S.120.
69  Ebenda,S.122.
70  Vgl.Weyrauch,Sabine:DieBasilikadesVitruv–StudienzuillustriertenVitruvausgabenseitder
RenaissancemitbesondererBerücksichtigungderRekonstruktion der Basilika von Fano, Behr Foto
druck,Stuttgart1976.
71   Ebenda,S.7.
72   Ebenda,S.25.

33
zelnen, von Vitruv beschriebenen Bauelemente seiner Basilika und ver
gleicht sie mit den verschiedenen Rekonstruktionsversuchen der Jahrhun
derteundwägtdieeinzelnenLösungennachaktuellerForschungslageab.73
ImJahr1984werdenimAufsatzbandVitruvKolloquiumzweiStudienver
öffentlicht,diesichmitVitruvsBasilikabeschäftigen.HansWiegartzbefasst
sichinseinerArbeitmitVitruvsDarstellungderrömischenBasilikaimAll
gemeinen.74EsgehtihminersterLinieumeinenbautypologischenVergleich
zwischen historischem Text und archäologischen Funden. In Detailfragen
ziehterimmerwiederdieBaubeschreibungderBasilikainFanoheranund
vergleichtdiesemitderfreigelegtenBasilikainPompeji.Wiegartzkonsta
tierteineinhaltlicheLückenhaftigkeitimTextVitruvsundbegründetdiese
mitderSelbstverständlichkeit,mitwelcherderLeserdiesePunkteausder
eigenenAnschauungundErfahrungherausvermutlichergänzenkonnte.75
Wiegartz bemerkt, dass die vielen Zahlenangaben dazu verleiten würden,
einevollständigeRekonstruktionausdemTextgewinnenzukönnen,dass
diesesVorhabenjedochillusorischsei,daderTextinhaltlichinvielenDingen
unvollständigsei,essichaberablesenlasse,dassderBauinFanoeineSon
derformdarstelle,dasievondenallgemeinenAngabenzurBasilikaabwei
chen würde.76In seinen Fußnoten verweist Wiegartz dieses Thema betref
fendaufdieArbeitenKarlFriedrichOhrs.
ImgleichenAufsatzbandbeschäftigtsichWilhelmAlzingermitdemvon
Vitruv beschriebenen Tribunal an seiner Basilika, speziell mit deren Na
mensgebungdurchdenAutor.77AucherzitiertOhralseinzigeQuelledieses
Themabetreffend,währenderWeyrauchsStudie,dieebenfallseinePosition
bezieht,78nichterwähnt.InseineneinleitendenWortenweistAlzingerwie
zuvor Ohr auf die Differenz in der Präzision der Beschreibung zwischen
GrundrissundAufrisshin.EsfolgteinkurzerÜberblicküberdieBauform
BasilikainderantikenGeschichteanhandvonüberliefertenTextstellenund

73   Ebenda,S.26ff.
74   Vgl. Wiegartz, Hans: „Vitruvs Darstellung der römischen Basilika“, in: VitruvKolloquium,
ThD Schriftreihe Wissenschaft und Technik, Band 22, Lehrdruckerei der Technischen Hoch
schuleDarmstadt,Darmstadt1984,S.193237.
75  Ebenda,S.197.
76  Ebenda,S.201.
77  Vgl.Alzinger,Wilhelm:„AspectuspronaiaedisAugusti“,in:VitruvKolloquium,ThDSchrift
reiheWissenschaftundTechnik,Band22,LehrdruckereiderTechnischenHochschuleDarm
stadt,Darmstadt1984,S.185191.
78   Vgl.Weyrauch1976,S.26.

34
archäologischenBefunden.ZentralesThemaderStudieistdannjedoch,wel
cheDimensioneindemAugustusgeweihterAnnexzurZeitVitruvshaben
konnte.DieseErörterungschließteinenvagenRekonstruktionsversuchdie
sesTeilbereichesmitein.AufeineabschließendeVersionkonntensichweder
Alzinger noch die Teilnehmer der anschließenden Diskussion des Vitruv
Kolloquiumseinigen.
IndenletztendreiJahrzehntenscheintVitruvsBasilikaauseingangser
wähntenGründenkeinnennenswertesForschungsinteressemehrgeweckt
zuhaben.


2.1AufbauderEkphrase

WiederTitelvonVitruvsTraktatbereitsvorgibt,bestehtdasWerkDeArchi
tecturaLibridecemauszehnBüchernbeziehungsweiseÜberkapiteln,inwel
chenderAutordasgesamteFeldderArchitekturimVerständnisderdama
ligenZeitabgehandeltwissenwill.
ImfünftenBuchbefasstsichVitruvmitöffentlichenProfanbautenwieBa
siliken,Schatzhäusern,Rathäusern,Theatern,BädernundWandelhallen.Im
erstenUnterkapitelwirddieAnlagederMärkteundderBasilikenthemati
siert,undhierfügtVitruvalseinanschaulichesBeispieldieEkphraseseiner
Basilika in Fanum Fortunae ein. Zur Strukturierung des Inhalts und zum
besserenVergleichmitdemlateinischenTextnummeriertFensterbuschwie
diemeistenseinerVorgängerinseinerÜbersetzungnebenderÜbernahme
derZeilenundSeitenzahlendesIndexVitruvianusdieUnterkapitelinab
satzähnlicheSinneinheiten.Anhand dieserNummerierungsollimFolgen
denderInhaltdeserstenKapitelsdesFünftenBucheskurzskizziertwerden.
In1bis3werdendieAnlagenderMärkteundWandelhallenbeschrieben
undderenUnterschiedezwischengriechischerundrömischerBauweisedar
gestellt.In4bis5wirdbeschrieben,wiedieBasilikaandenMarktzugrenzen
hatundwiesieimVerhältnisdazuzuproportionierenist.In6bis10schließ
lichbeschreibtVitruvseineBasilika.
DieEkphrasein6beginntselbstbewusst:


„Nonminussummamdignitatemetvenustatempossunthabereconpar
ationes basilicarum, quo genere Coloniae Juliae Fanestri conlocavi
curaviquefaciendam,cuiusproportionesetsymmetriaesicsuntconsti
tutae.

35
NichtwenigerkönnenEntwürfevonderArthöchsterWürdeundAn
muthaben,wieichdieBasilikafürdieKolonieFanoentworfenundunter
meinerLeitungalsArchitekthabebauenlassen.“79


Es folgen Kolonnen von Maßverhältnissen der Gesamtanlage, der Säulen,


der Pilaster, der Balken und des Daches. In 7 wird der Lichteinfall in das
MittelschiffunddiePositiondesTribunalsbeschrieben.In8wirddasTribu
naldetaillierterbeschriebenundinseinenDimensionenundFunktionenbe
stimmt.
In 9 wird die Verbindung des Tribunals mit der Basilika, besonders im
BereichderDachkonstruktionbeschrieben.In10schließlichwirddieDach
konstruktionimGesamtenbeschriebenundeinLobliedaufdieSchlichtheit
derAusführungangestimmt:


„Itemsublataepistyliorumornamentaetpluteorumcolumnarumquesu
periorumdistributiooperosamdetrahitmolestiamsumptusqueinminuit
exmagnapartesummam.
FernererspartdieWeglassungdesSchmuckseinesSäulengebälksund
derAnordnungderoberenSäulenmitihremMauergürteleinemühe
volle,beschwerlicheArbeitundvermindertsozueinemgroßenTeildie
SummederBaukosten.“80


MiteinerAufzählungderästhetischenVorzügedesBauwerkesendetdieBe
schreibung.
Leser dieser Ekphrase werden zunächst ob der scheinbaren Detailfülle
buchstäblicherschlagen.EsbleibtdasGefühl,alshättehierjemandmitakri
bischerAusführlichkeitjedesnochsokleineDetaileinesBauwerksbeschrie
ben,umnurjanichtszuvergessen.WiegartzhatinseinerStudiebereitsauf
diesenEffekthingewiesen.81
AufwelcheWeisebringtVitruvnundieSimultaneitätseinesBauwerksin
die Sukzession seiner Beschreibung? Rekonstruieren wir den imaginären
Weg,deneinLeseranhandderBeschreibungdurchdasBauwerknimmt.
Der Beginn der eigentlichen Baubeschreibung in 6 versetzt uns augen
blicklichindasInneredesGebäudes.EineAnnäherungvonaußenundeine

79  ZitiertnachderzweisprachigenAusgabevonFensterbusch1964,S.208/209.
80  Ebenda,S.211.
81  Vgl.Wiegartz1984,S.197.

36
BeschreibungderLagefehlengänzlich.WirstehenimMittelschiffundVit
ruverläutertunsdieProportionendesGebäudesundderInnensäulen.Wir
schauen uns zwar um, sehen aber keinen Eingang. Vielmehr wird unsere
AufmerksamkeitaufdieEmporeunddieDeckenkonstruktiongelenkt,bevor
wirdasTribunalgewahrwerden.Hiererfahrenwirnun,dasseseineÖff
nungaufdergegenüberliegendenSeiteRichtungForumgebenmuss,deren
Gestaltbleibtunshingegenunklar.Jetzterfahrenwirdetailliertetwasüber
dasTribunal,sodassanzunehmenist,dasswirunsvomInnerendesMittel
schiffesdirektandasTribunalbegebenhaben,umesunsgenauanzusehen.
DabeifälltunserBlickaufdiekonstruktiveLösungderDachanbindungdes
angebautenTribunalsmitderBasilika.Damitendetbereitsdieliterarische
Reise durch das Bauwerk. Im Grunde genommen sind wir nur wenige
Schrittegegangen–mitdemRückenzumEingangstehendvomMittelpunkt
der Hallebisan das Tribunal. Gelegentlich haben wir dabei an dieDecke
geguckt.Mehrnicht.
AbstrahiertmandieEkphraseaufdieseArtkeimtderVerdachtauf,dass,
entgegengesetztdererstenAnnahmeeinerDetailfülle,dieBeschreibungfür
einesinnvolleRekonstruktiondesGebäudesvölligunzureichendist.Diese
Abstraktionzwingtunssogardazu,amEndederUntersuchungdasProblem
zudiskutieren,obVitruvdiesesGebäudejemalsinnaturagesehenhatund
welchenVerdachtdiesaufseineUrheberschaftwirft.


2.2AuswahlderÜbersetzungen

DiefünfausgewähltenÜbersetzungenumfassengeschichtlichgesehenden
gesamten Zeitraum der deutschsprachigen Auseinandersetzung mit dem
Werk Vitruvs; angefangen von der Übersetzung Rivius` aus dem 16. Jahr
hundertüberdasWerkRodesvomEndedes18.Jahrhunderts,Rebersaus
derMittedes19.JahrhundertsundPrestelsausdemBeginndes20.Jahrhun
dertsbiszurwissenschaftlichimmernochmeistzitiertenAusgabederFens
terbuschÜbersetzungausderMittedes20.Jahrhunderts.
AndieserStelleseiendieweiterendeutschenTeilübersetzungen,82diebei
dieser Untersuchung nicht weiter betrachtet werden, der Vollständigkeit

82   Vgl.Ebhardt,Bodo:DiezehnBücherderArchitekturdesVitruvundihreHerausgeberseit
1484,BurgVerlagGmbH,Berlinca.1919.

37
halber erwähnt: Teilübersetzungen von C. Lorentzen (1857) und E. Stuer
zenacker(1938).Mittedes18.JahrhundertstauchtauchnocheineÜberset
zungderfranzösischenVitruvÜbersetzungvonClaudePerraultdurchei
nenM.Müllerauf.
WaltherHermannRyffoderlatinisiertGualtherusHermeniusRivius(um
1500 bis 1548) war ein süddeutscherAutor des Humanismus, der sich mit
verschiedenenwissenschaftlichenThemenbefasste,darunterauchdasWerk
Vitruvs.NacheinemdeutschsprachigenKommentarveröffentlichteRivius
amEndeseinesLebens,1548,dieerstedeutscheÜbersetzungdesVitruv.In
seinerArbeitstützteersichvorallemaufdiedamalsbekanntenVitruvaus
gabenvonCesarianoundSebastianoSerlio.ErbetiteltseineÜbersetzungmit
„Des aller namhafftigisten unnd hocherfahrnesten römischenArchitecti ...
Marci Vitruvij Pollionis – Zehen Bücher von derArchitectur und künstli
chemBawen“.
AugustvonRode(1751bis1837)lebteundarbeitetealsSchriftsteller,Po
litikerundBeamterinDessau.Seine1796veröffentlichteVitruvübersetzung
bliebbiszurNeuübersetzungvonCurtFensterbuschdiemaßgeblichedeut
scheAusgabe.SeinWerkheißtkurzundprägnant„MarcusVitruviusPollio
–Baukunst“.
FranzXavervonReber(1834bis1919)wareinsüddeutscherKunsthisto
riker, der am Polytechnikum in München lehrte. Sein besonderes wissen
schaftlichesInteressegaltderKunstderAntikeundderGeschichtederAr
chitektur.Die1865veröffentlichteÜbersetzungderZehnBücherVitruvsist
ein Produkt dieser Leidenschaft. Betitelt ist das Werk mit „Des Vitruvius
zehnBücherüberArchitektur,übersetztunderläutert“.
JakobPrestelwar ein deutscher KunsthistorikerderJahrhundertwende.
SeinbesondereswissenschaftlichesInteressegaltderAntikeundderRenais
sance.Seine1912veröffentlichteVitruvübersetzunggiltalsbesonderspeni
bel.Erbetiteltes„ZehnBücherüberArchitekturdesMarcusVitruviusPol
lio“.
Curt Fensterbusch (1888 bis 1978) war ein deutscher Altphilologe und
Gymnasiallehrer. Seine 1964 erstmals erschienene deutsche Vitruvüberset
zunglöstedieÜbersetzungRodesalsderfürwissenschaftlicheZweckemaß
geblichstenabundistbisheutedaszuzitierendeStandardwerk.DieBetit
lungistwiedasgesamteWerkzweisprachig„Vitruv–ZehnBücherüberAr
chitektur/Vitruvii–DeArchitecturaLibridecem“.

38
3.„WieichdieBasilikafürdieKolonieFano
entworfen...“


ImGegensatzzudenbisherigenForschungsansätzen,dieEkphrasemitar
chäologischenBefundenundhistorischenRekonstruktionsversuchenabzu
gleichen,wirdimFolgendendieArtundWeisederjeweiligenÜbersetzung
analysiertundmitdemüberliefertenlateinischenTextverglichen.Esgehtim
Endeffekt nicht darum, die definitive Rekonstruktion zu entwickeln bzw.
möglichebaulicheLösungenanzubieten,sondernesstehtvielmehrdieBe
wertungderInteraktion zwischen dem Gebrauchvon SpracheundArchi
tektur,inihrerjeweiligenAnwendunghistorischerElemente,imFokus.Die
EkphrasederBasilikainFanoisthierfürderBrennpunkt,inwelchemsich
dieverschiedenenAspektestrahlenartigtreffen.
DieTatsache,dassesTextpassageninderBaubeschreibunggibt,überdie
seitnunmehrJahrhundertengestrittenwird,lässtzweiSchlussfolgerungen
zu.Zumeinenmuss diesePassage, oder im Ganzengesehen,diegesamte
Ekphrase,inhaltlichunvollständigsein.Dasistoffensichtlich.Vielleichthat
esimOriginaleineZeichnunggegeben,diedasUngesagteanschaulichver
mittelnkonnte.DasistaberohneRelevanz,dadiesehypothetischenZeich
nungenbereitsimMittelalternichtmehrzurVerfügungstanden.Zumande
rendemonstriertdieVariationinderAuslegungderunklarenPassagenaber
auch der scheinbar eindeutigen Phrasen unseren kulturellen Wandel und
unserewechselndenästhetischenVorlieben.UnsereUntersuchungfunktio
niertdaherwieeinintellektuellesFoucaultschesPendel.Fixiertamgeomet
rischen Punkt des lateinischen Textes schwingt die Betrachtung von einer
ÜbersetzungzuranderenundbeweistdamitdieRotationderSprachebene,
wiesiesichunterdemOriginaltexthinwegbewegt,ohneeinenbestimmten
Inhaltshorizontzuverlassen.DahergibteskeineÜbersetzung,dieinVitruvs
Beschreibung zum Beispiel ein Kochrezept erkennt und dementsprechend
wiedergibt.
WasalleuntersuchtenÜbersetzungeneint–unddarüberscheinteskeine
Diskussionzugeben–sinddieZahlenangabenderMaßeinFuß,oderbei
RiviusinWerkschuch,unddieReihenfolgeinderDarstellungdereinzelnen
Aussagen.SowieesjedochumdieSpracheunddenGebrauchder Wörter

39
geht,tretenzumTeildeutlicheUnterschiedezuTage,obwohlimGrundege
nommen,alledasGleichesagenwollen.
UmderFlutanFußnotenzuentgehen,wirdimFolgendenjeweilsamKa
pitelanfangderlateinischeTextmiteinerQuellezitiert.EinzelnePassagen
imOriginalundindenÜbersetzungenwerdendurchkursiveSchriftoder
Anführungszeichenkenntlichgemacht,jedochnichtmiteinerFußnotever
sehen.DieAngaben,wodieEkphraseinderjeweiligenÜbersetzungzufin
den ist, erfolgt an dieser Stelle.83Die jeweiligen Übersetzungen als zusam
menhängenderTextsindzusammenmitdenvondenÜbersetzernhinzuge
fügtenRekonstruktionszeichnungenausgleicherQuellederbesserenÜber
sichthalberimAnhangzitiertundabgebildet.


3.1Abschnitt6

„6.Nonminussummamdignitatemetvenustatempossunthaberecon
parationes basilicarum, quo genere Coloniae Juliae Fanestri conlocavi
curaviquefaciendam,cuiusproportionesetsymmetriaesicsuntconsti
tutae.Medianatestudointercolumnasestlongapedescxx,latapedeslx.
Porticuseiuscircatestudineminterparietesetcolumnaslatapedesxx.
Columnaealtitudinibusperpetuiscumcapitulispedesl,crassitudinibus
quinum, habentes post se parastaticas altas pedes xx, latas pedes ii s,
crassasIs,quaesustinenttrabes,inquibusinvehunturporticuumcon
tignationes. Supraque eas aliae parastaticae pedum xviii, latae binum,
crassaepedem,quaeexcipiuntitemtrabessustinentescantheriumetpor
ticum,quaesuntsummissainfratestudinem,tecta.”84


DerersteAbsatzderEkphrasebeinhaltetnebendembereitszitiertenetwas
eigenlöblichenAuftakteineFülleanMaßangabenundProportionen.DieBa
silikawirdhierinihrengrundsätzlichenDimensionenvonVitruvvorgestellt.
Doch bereits derAuftakt bis zur ersten Zahlenangabe, der erste Satz also,
findet sich in den Übersetzungen in ganz verschiedenen sprachlichen Ge
wändernwieder.Jegenauermanhinsieht,umsoverblüffendersinddieDif
ferenzen.

83   Vgl. Rivius 1548/1973, S. CLXICLXII; Rode 1796/ 1987, Band 1, S. 203207; Reber
1865/2004,S.153157;Prestel191214/1987,S.212216;Fensterbusch1964,S.208211.
84   Fensterbusch1965,S.208.

40
DenlateinischenSatzanfang nonminushabennurPrestel(„keinegerin
gere“)undFensterbusch(„nichtweniger“)synonymübersetzt,währenddie
anderendieseFormulierungübergehen.InteressanterweisebeziehtPrestel
seinnonminusaufdieästhetischeWirkung(„WürdeundSchönheit“),wäh
rendFensterbuschdeninhaltlichenBezugaufdieBautypologiederBasilika
setzt.DaseröffnetzweiverschiedenePerspektivenderInterpretation.Prestel
lässt Vitruv sagen, dass Basiliken besonders ästhetisch ansprechend sind,
wennmansiesoproportioniertwieerdasgetanhat.Fensterbuschsuggeriert
hingegen,dassaucheineeigentlichunattraktiveBasilikaschöngestaltetsein
kann–manmussesnursomachenwieVitruvinFano.
DieCharakterisierungdieserästhetischenWirkungeinergutproportio
niertenBasilikagibtRiviusrelativfreimit„schönergestaltdermassen“wie
der,währendsichdieanderenvierÜbersetzerinNuancenvoneinanderun
terscheiden:Rodesprichtvon„größte(r)WürdeundAnmuth“,Rebervon
„höchsterWürdeundSchönheit“,Prestelübersetztmit„keine(r)geringere(n)
Würde und Schönheit“ und Fensterbusch schreibt von „höchste(r) Würde
undAnmut“.
EsistkeineFrage,dassallegrundsätzlichdasGleicheausdrückenwollen.
Dochwarumwechseltman,währenddasWortWürde(dignitatem)einege
wisseKonstanzbesitzt,immerwiederzwischenSchönheitundAnmut(ve
nustatem)hinundher?
ÄhnlichuneinsistmansichbeiderBezeichnungderrömischenKolonie.
BeiRodeistesdie„JulischeColoniezuFanestrum“–wobeierineinerFuß
notebemerkt,dassderOrtheuteFanoheißt,beiReberdie„julischeKolonie
Fanum“,PrestelschreibthingegendichtamlateinischenOriginal„Julische
KolonieFanestris“undFensterbuschübersetztschlichtmit„KolonieFano“.
IndemerineinerFußnotejedochnocheinmaldenlateinischenNamenzi
tiert,verfährtergenaugegensätzlichimVergleichzuRode,währendRivius
nur vom„PallastJulie“sprichtunderklärt,dassmitdemWortfanestriei
gentlichFenstergemeintseien,wasRodeineinerweiterenFußnotezudem
Kommentarveranlasst,Riviushättehierwohletwasgewaltigverwechselt.
Auch die Beteiligung und Urheberschaft Vitruvs am Bau wird unter
schiedlich übersetzt. Bei Rode bedient sich Vitruv einer „Art von Einrich
tung“,beiReberhatVitruvnacheinerbestimmtenArt„entworfenundge
baut“,beiPrestelhatVitruvdie„künstlerischeAusstattung[…]entworfen
und als Architekt ihre Ausführung selbst geleitet“, während bei Fenster
buschVitruvvonseinemEntwurfspricht,denerunterseiner„Leitungals
Architekthabebauenlassen.“

41
Kurios ist ebenfalls, dass für proportiones et symmetriae unterschiedliche
Begriffe verwendet wurden, obwohl die Bedeutung eigentlich eindeutig
scheint. Rivius ist dicht am Original mit „proportion und Symetri“, Rode
vereinfachtzu„Verhältnisse–symmetriae“,Reberschreibtvon„Zahlenund
Maßverhältnissen“, Prestel vom „Einzelverhältnis und künsterlische[m]
Ebenmaß“undFensterbuschgebrauchtwieRivius„ProportionenundSym
metrien“.
JenseitsphilologischerFragestellungen,obmanvenustatemmitAnmuto
der Schönheit und faciendam mitArchitekt übersetzen kann, bietet bereits
dieseeinleitendePassagedessechstenAbschnitteseinenerstenEinblick,wie
die Übersetzer das Verhältnis Vitruvs zu seinem Gebäude gesehen haben
und,wassiemeinten,welcheAspektederantikeAutorfürbesonderswich
tiggehaltenhat.EssindInterpretationenderkonnotativenunddenotativen
BedeutungendesTextes.
AndieserStellemüssenwirdieseInterpretationenwiederuminterpretie
ren.Gehenwirvorwegdavonaus,dasssicheinÜbersetzerbeiallertransla
torischenGewissenhaftigkeitinderWahlseinerWörterdemEinflussseines
SprachhorizontsunddenkulturellenIdeenseinerZeitnichtentziehenkann.
FensterbuschführtVitruvMittedes20.Jahrhundertsalseinennüchternen
Architektenein,derwiedieMeisterderModernewenigvonornamentaler
Schönheitzuhaltenscheintunddemesvielmehrumeineästhetischanspre
chendeUmsetzungeinesZweckbauesgeht.FürPrestelhingegenisteinhal
besJahrhundertzuvor Vitruv ein GesamtkünstlerwiedieJugendstilarchi
tektenseinerZeit,dersichnichtnurumdiebaulicheUmsetzungkümmert,
sondernebenauchmitderkünstlerischenGestaltungallerDetailsbefasstist,
umeinemKunstwerknochmehrästhetischenAnspruchzuverleihen.Reber
sprichtMittedes19.JahrhundertsalstypischerVertreterdesschlichten,aber
konturlosenBiedermeiersvomeingerichtetsein,wennerdenarchitektoni
schenEntwurfVitruvsmeint.FürRodehingegenistum1800VitruveinAr
chitekt,derversucht, gemäß der damaligen Modeder architecture parlante,
seineGebäudedurchdieWahlarchitektonischerDetailscharakteristischin
Szenezusetzen.RiviusistwiederumeintypischerVertreterderdeutschen
Renaissance, der in seiner Übersetzung noch kein einheitliches deutsches
Wortfürdas lateinischebasilicarumzugebrauchenscheint,undderdurch
diehiervonbedingteunbeholfeneWortwahlauchVitruvwieeinenNichtrö
mer,einennordischenBarbarenerscheinenlässt.
Esistverblüffend.BetrachtetmandieeinzelnenFormulierungenimDe
tail,setztsieinBezugzurjeweilszeitgenössischenKulturundvergleichtsie

42
dann mit anderen Übersetzungen aus anderen Zeiten, wird deutlich, wie
sehrdieKonnotationenundDenotationenvoneinanderabweichen,obwohl
allefünfÜbersetzernureinenantikenSatzsinngemäßübersetzenwollten.
IndennächstenbeidenSinneinheitenoder,jenachTextgestaltung,Sätzen
unterteiltVitruvdasGebäuderäumlichineinenzentralenundeinenumlau
fendenBereichundbenenntdiejeweiligenDimensionen.Eswurdebereits
erwähnt,dassdieMaßangabenbeiallenÜbersetzungengleichsind;Unter
schiedegibteswiederum in der Wortwahl. FensterbuschundReberspre
chen bezüglich des zentralen Bereichs (mediana testudo) von einem Mittel
schiff,waseineRaumeinheitassoziiert,währendRivius,RodeundPrestel
vonderDeckenkonstruktionsprechenunddiesemit„innergewelb“,„mitt
lere[s]Gewölbe“odergarmit„mittleresmithorizontalerfesterDeckeabge
schlossenesDachwerk“übersetzen.
NachheutigemWissensstandwurdenzurZeitVitruvsnochkeinegröße
renGewölbekonstruktionenverwendet.VondahersinddieFormulierungen
vonRiviusundRodesachlichfalsch.Prestelhingegen,bemüht,sicheinein
deutig verständlich zu machen, formuliert dagegen ein furchterregendes
Satzgefüge,dessenUnübersichtlichkeitdasVerständniserschwert.Wörtlich
übersetzt,bedeutettestudoSchildkröte,waszumeinenverblüffendanden
babylonischenArchitektenerinnertundzumanderendurchdenSchildkrö
tenpanzerentwederaneinegebogene,alsogewölbteForm–daraufinsistiert
RodeineinerFußnote–oderdurchdasMusterdesPanzersaneinekasset
tierteOberflächeerinnert.DieseBegründungführtPrestelineinerFußnote
anundargumentiertgegendieGewölbekonstruktion,diePerrault,Newton
undRodezuvorangenommenhätten.Reber,dersichmitdemBegriffMit
telschiffdieserDiskussionentzieht,erklärtebenfallsineinerFußnote,dass
testudozwarGewölbebedeutenwürde,aberauchganzallgemeinDeckehei
ßenkönne;aneintatsächlichesGewölbeseibeiderBasilikaüberhauptnicht
zudenken.DasweiterenseivoneinerKassettierungderDeckeauszugehen,
auchwennVitruvhierübernichtssagenwürde.Fensterbuscherklärthinge
genineinerFußnote,dasstestudo„binderlosesDach“bedeute,dessenKon
struktionvoninnensichtbar,alsoebennichtkassettiertgewesensei.
Eswirdnieabschließendzuklärensein,wasVitruvgenaugemeinthat,
alsertestudoschrieb.DieVielfaltinderAuslegungdieseseinenBegriffesund
diedadurchverbundenenKonsequenzenfürdasgesamteBauwerkzeigen
jedochbereits,wiesehrSpracheinderLageist,Architekturzudefinieren.Je
nachdemwelcheLogikichdenWortengebe,istdasarchitektonischeAbbild
dieserLogikeinevonmehrerenInterpretationen.

43
FürdieBezeichnungdesumlaufendenBereiches(porticuseiuscircatestu
dinem)wählendieeinzelnenÜbersetzerBegriffe,dieverschiedeneGradeder
Raumgrößeassoziieren.Sortiert,vomKleinstenzumGrößtensinddas„Por
ticus“ (Rivius), „Korridor“ (Reber), „Säulengang“ (Rode), „Säulenum
gang“(Fensterbusch)und„umgebendeHallen“(Prestel).Wohlgemerktbe
nutzenallediegleicheMaßeinheit.DochwährendRebersFormulierungan
einenbegehbarenSchlauchdenkenlässt,suggerierenPrestelsHalleneinen
Raum,dereineigenesGebäudedarstellenkönnte.Prestelselbsterläutertin
einerFußnotenäher,dassessichhierbeiumdie„zweistöckigenAnlage[n]
derNebenschiffe“handelnwürde.
ImnächstenSatzgibtVitruvdieDimensionenderSäulenzwischenMit
telschiff und Säulenumgang in Gestalt einer Kolossalordnung an. Hier
herrschtungewohnteEinstimmigkeit.LediglichPrestelpräzisiert,dass5Fuß
derDurchmesserdesunterenSäulenbereichesistundlässtdamitdurchbli
cken,dassdieSäulennachobenhinübereineVerjüngung,Entasis,verfügen.
EinFakt,denalleanderenÜbersetzerausblenden,auchwennnebenPrestel
auchReberundRiviusinihrenRekonstruktionszeichnungeneineEntasiser
ahnenlassen.
ImnächstenSatzerklärtVitruv,dassandenKolossalsäulenkleinerePi
lasterangebrachtsind,diedieZwischendeckedesSäulenumgangstragen.
AbgesehenvonRivius,derdiePilastermal„stockpfeiler“undmallatinisiert
„Parastraten“nennt,sindsichdieÜbersetzerdarineinigüberdenNamen
unddiePositiondiesesBauelementsinnerhalbdesGebäudes.Ganzanders
siehtesdagegenbeiderBezeichnungaus,wasdiesePilasterdennnunkon
struktivzutragenhaben(sustinenttrabes,inquibusinvehunturporticuumcon
tignationes).
BeiFensterbuschundRebersindesschlichtundnahezuwortgleich„Bal
ken“,aufwelchendie„DeckedesSäulengang(e)s“aufliegt.Prestelhingegen,
derwiederdasThemaderKassettierungaufnimmt,sprichtvon„Unterzü
gennebstTragbalken“,inwelchedas„GetäfelwerkmitKassetten[…]des
unternPortikuseingespanntist“.BeiRodeliegtdas„Dielenwerkderoberen
Gänge“aufden„Balken“.Riviushingegenkonstruiertanseine„stockpfei
ler“ noch „schwibbogen“ heran, welche die „balcken“ tragen, auf welche
„derbodendervorschöpff“gelegtwird.
An diesem Punkt versetzen die Übersetzer den Leser an zwei verschie
deneOrte.WährendmanbeideneinleitendenSätzenimZentrumdesGe
bäudessteht,bewegtsichderLesernun–jenachÜbersetzer–durchden
unterenSäulengangoderobenaufderEmpore.DennmalwirdunsdieArt

44
der Deckenkonstruktion und mal die Bauweise des Emporenbodens be
schrieben,umderFunktionderPilastereinenSinnzugeben.Auchwennin
vehuntur die BodenbelagsVersion nahelegt, scheint es, literarisch gesehen,
denLeservomZentrumausindenSäulengangzuführenunddieKonstruk
tionderZwischendeckevonuntenbetrachtenzulassen,insichkonsistenter.
Abgesehendavon,dassPrestelpenetrantanseinerIdeederKassettierung
der Decken festhält und daher gewissermaßen gezwungen scheint, diese
TeilkonstruktionausderUntersichtzubeschreiben.
DernächsteSatzbeschreibtdieDeckenkonstruktionderEmpore.Wirsind
nuneindeutigundbeiallenÜbersetzernvomNiveaudesErdgeschossesauf
dieEbenedesZwischengeschossesgestiegen.
Rode,ReberundFensterbuschbietenhierfastgleichlautendeÜbersetzun
genan:dassüberdenunterenPilasternweiterePilasterstehen,aufdenen
„Balken“ bzw. „Querbalken“ ruhen, die das „Sparrenwerk“ und das
„Dach“der„Säulengänge“bzw.„Portiks“,wieRodesagt,tragen.BeiPrestel
trägtkonsequenterweisedas„Sparrenwerk“die„Deckenstrukturmitihren
Kassetten“;währendRiviusdasanslateinischeOriginalangelehnte„Cante
rien“unddasinzwischenungebräuchlicheWort„oberschopff“fürSparren
werkundDachgebraucht.
ImletztenAbschnitt,dereigentlichnurbesagt,dassdieseDachkonstruk
tionderEmporeetwasniedrigeristalsdasDachdesMittelschiffes(quaesunt
summissainfratestudinem,tecta),wirdeswiederkompliziertundverwirrend,
wennmansichdieeinzelnenÜbersetzungenansieht.
Reber und Fensterbusch gebrauchen erneut ihre Bezeichnung „Mittel
schiff“underklärenfastgleichlautendundineinfachenundklarenWorten
denSachverhaltdesNiveauunterschiedesderbeidenDachkonstruktionen.
DereinzigesprachlicheUnterschiedliegtinderArtundWeisederKonstruk
tionsverbindung.BeiReberistdasDachadditiv„angebracht“,währendes
beiFensterbuschalsTeildesGanzen„eingefügt“ist.Esließesichdarüber
diskutieren, ob Reber als „Biedermeier“ mehr auf das Detail und Fenster
buschals„Moderner“mehraufdiestatischeGesamtkonstruktionwertlegt
oderobderGebrauchderunterschiedlichenVerbenpersönlichensprachli
chenNeigungenzuzuschreibenist.
Rode und Rivius lehnen sich inhaltlich Reber und Fensterbusch an, ge
brauchenaber,ebensokonsequentwieinhaltlichfalsch,ihreFormulierung
„Gewölbe“bzw.„gewelb“.
KurioswirdesbeiPrestel,dennerschreibt,dassdiekassettierteDecken
struktur„unterderVerschalungderdarüberbefindlichen,testudo,Terrasse

45
eingefügt“sei.DieseFormulierungistsoandersartigund,reinsprachlich,
schwerzuverstehen,dasswirPrestelsRekonstruktionszeichnungenkonsul
tierenmüssen,umihnzuverstehen.BereitsineinerFußnoteerklärter,dass
untertestudoandieserStelleeine„TerrassenebstDachstruktur“gemeintsei.
PrestelsZeichnungenoffenbaren,85dasseroffensichtlichaneineArtTerras
sendachüberderEmporegedachthabenmag,daereinehorizontaleKon
struktionmitkleinerAttikaannimmt.PrestelsVisioneinesFlachdacheser
scheint umso verwunderlicher, da er zuvor das Wort „Sparrenwerk“ ge
braucht.DiesekonstruktiveInterpretationstehtimWiderspruchzuRebers
Zeichnungen,dereineleichteDachneigungohneabschließendeAttikavor
sieht.Rivius`PhantasieRekonstruktionsiehtnebenkräftigenGewölbeaus
bildungenimMittelschiffundindenSäulengängensogareinenochstärkere
DachneigungdesEmporendachesvoralsReber.ImGrundeverlangtderGe
brauch des Wortes Sparrenwerk die Annahme einer zumindest leichten
Dachneigung.86Im Gegensatz dazu suggeriert Ohrs schematischer Rekon
struktionsschnitteinFlachdachüberderEmporeohneAttika.Andererseits
gebrauchtaucherdasWort„Sparrenwerk“87inseineranFensterbuschan
gelehntenÜbersetzung.
BereitsnachdemerstenAbschnittderEkphraseevozierendieverschiede
nenÜbersetzungenverschiedeneGebäude.BesondersdieKonstruktionder
Dächer,dieVitruvzwarthematisiert,aberoffensichtlichnichtpräzisegenug
erläutert,bietetStoffzurDiskussion.DaslateinischeWorttestudo,das–je
nachÜbersetzer–Dach,GewölbeoderauchTerrasseheißenkann,scheint
dieGeisterzuentzweienundzuverschiedenenlogischenLösungenundda
mitRekonstruktionenzuverleiten.DassderartigeDenotationenauchdiffe
rierendeKonnotationen–Akustik,funktionalesVerhältniszumForum,Ver
hältnisHerrscherzumVolketc.–bedingen,isteineFolgedavon.
Was im Rahmen einer Übersetzung nicht relevant ist, aber bei unserer
auch literarischen Interpretation durchaus interessiert, ist die Frage: Wie
kommtderLeservomBodendesMittelschiffesaufdieEmpore?WederVit
ruvnochseineÜbersetzerführenunsalsLesermittelsarchitektonischerLo
gik auf die Empore. Kraft unserer Erfahrung, die wir mitArchitektur ge
machthaben,gehenwirstillschweigenddavonaus,dassesTreppenanlagen

85  Vgl.Prestel1987,Tafel42.
86  Vgl.Ohr1975,S.115.
87  Ebenda,S.127.

46
gegebenhat.AberwirwissenwederdengenauenOrtinnerhalbdesGebäu
des,nochderentatsächlicheFormundAusgestaltung.


3.2Abschnitt7

“7.Reliquaspatiainterparastaticarumetcolumnarumtrabesper,in
tercolumnialuminibussuntrelicta.Columnaesuntinlatitudinetestu
diniscumangularibusdextraacsinistraquaternae,inlongitudine,quae
estforoproxima,sumisdem,angularibusocto,exalterapartecuman
gularibus VI ideo quod mediae duae in ea parte non sunt positae, ne
inpediantaspectuspronaiaedisAugusti,quaeestinmediolatereparietis
basilicaeconlocataspectansmediumforumetaedemJovis.”


Der siebenteAbschnitt beginnt mit einer letzten Bemerkung über die ver
schiedenenDachniveausundgibtimAnschlusseineÜbersichtüberdieAn
zahlderverwendetenSäulen.ZumAbschlusswirddieVorhallevorgestellt
–eineGebäudeteil,daszuunendlicherDiskussionundInterpretationverlei
tethat.
BisaufPrestelübersetzendenerstenSatzalleineinerdemOriginalent
sprechendensachlichenKürze.DiesprachlichenVariationensindmarginal.
RiviusbedientsichzwarseinergewohntenMixturausDeutschundLatei
nischundsprichtvon„spacien“zwischenden„ParastatenundColumne“,
inwelche„fenstern“–hiermusserschließlichaufseineInterpretationvon
Fanestriszurückkommen–eingesetztwären,durchwelchedas„liecht“ein
fallen könne.Aber vom Satzbau her unterscheidet er sich nur wenig von
Rode, Reber und Fensterbusch. Diese variieren in Nuancen voneinander,
sprechen mal von der „Lichteinstrahlung“ und mal vom „eindringenden
Licht“,malvon„Säulenzwischenräumen“undmalvon„Zwischenweiten“,
malvon„Balken“,„Balkenlagen“oder„Unterbalken“.ImGrundeistman
sichhierungewohnteinig,wasfüreinepräziseFormulierungVitruvssprä
che,wenndanichtPrestelsvoluminösesSatzgefügewäre,dasdenRahmen
zusprengenscheint.InhaltlichsagtPrestelnichtsanderesalsdieanderen,
aberstattFormulierungenwie„BalkenlageüberdenPilastern“zugebrau
chen, für welche im Lateinischen nur das eine Wort parastaticarum steht,
schreibterineinemscheinbarenZwangemöglichstpräziseundeineindeutig
zusein:„GebälkabschlussmitSimskrönung,deroberenPilasterstellungder
Seitenschiffe“.Esist, als wolle Prestel die fehlendenDetailbeschreibungen

47
umfassendergänzen,umgenaudasGebäudezubeschreiben,dasVitruv–
seinerMeinungnach–auchgemeinthabe.Esistweiterhindasgrundlegende
DilemmadesÜbersetzers,entwederLückennacheigenemErmessenzufül
lenodereinenTextfragmentarischzubelassen.Esistnichtzuletztderfaszi
nierendeBereich,inwelchemsichSpracheundArchitekturgegenseitigbe
fruchten.AndieserStelleimTextlässtPrestelseinenDrangnachVollstän
digkeitfreienLauf,währenddieanderendenkurzenSatzVitruvsmöglichst
genauwiedergeben.
DerfolgendeHalbsatzoffenbartdeutlichmehrInterpretationsvielfalt(Co
lumnaesuntinlatitudinetestudiniscumangularibusdextraacsinistraquaternae).
Alle Übersetzer sagen zwar, dass es an den kürzeren Seiten des Mittel
schiffesjevierSäulengibt;wiesieeshingegensagen,isthingegensehrun
terschiedlich.Fensterbuschsprichtkonsequentvonden„Schmalseitendes
Mittelschiffes“,beiPrestelsindesdie„Stirnfronten“des„Mittelsaales“.Re
berversuchtesmit„rechterundlinkerSeitedesMittelschiffes“.Damitister
der Einzige, der dextra ac sinistra nicht auf die Ecksäulen, sondern auf die
SeitendesGebäudesbezieht.RodeformuliertähnlichkonsequentwieFens
terbuschnurebennachseinemKonzept„BreitedesGewölbes“undRivius
ebenso„breytTestudinisodergewelbs“.
Fensterbuschs„Schmalseiten“zeigeneineeindeutigeHierarchiederSei
ten an und bezeichnen diese klar als untergeordnet im Vergleich zu den
Langseiten,vondeneneinejaauchandasForumgrenzt.PrestelsAusdruck
„Stirnseiten“suggerierthingegeneineGleichwertigkeitzudenLangseiten,
daunterdemBegriffStirneineHauptansichtassoziiertwird,dieinKonkur
renzzurBedeutungderLangseitensteht.Schautmansichdarüberhinaus
PrestelsirritierendeAnsichtenseinerRekonstruktionan,88wirddieseästhe
tischeÄquivalenzbesondersdeutlich.
ImfolgendenAbschnittwirdbeschrieben,dassdieLangseite,dieandas
ForumgrenztachtSäulenzählt(inlongitudine,quaeestforoproxima,sumisdem,
angularibus octo).Abgesehen davon, dass Rode das Forum nach seiner ur
sprünglichen Funktion Markt nennt, herrscht zwischen allen Übersetzern
absoluterGleichklang.EsistoffensichtlicheinSatzteil,denmannichtfalsch
oderalternativübersetzenkann.DieSchwierigkeitliegtjedochinderVer
knüpfung mit der folgenden Sinneinheit: ex altera parte cum angularibus VI
ideoquodmediaeduaeineapartenonsuntpositae,neinpediantaspectuspronai
aedisAugusti.

88   Vgl.Prestel1987,Tafel40und41.

48
GehenwirdieverschiedenenÜbersetzungenchronologischdurch.Rivius
sagt,dassaufdergegenüberliegendenLangseitediemittlerenbeidenKolos
salsäulenfehlen,„damitsolchenitverhindertendasansehendeshaußAu
gusti“.InseinerRekonstruktionszeichnungskizziertRiviushingegenzwei
Reihen a acht Säulen und lässt stattdessen in der Außenfassade an einer
LangseitezweiPilasterweg.RodebegründetähnlichwieRiviusdasFehlen
der zwei mittleren Säulen, „damit sie nicht den Anblick der Vorhalle –
pronaos–desTempelsAugustsverhindernmöchten“.IneinerFußnoteer
gänztRode,dassmanausderTatsache,dassderName Augustigebraucht
wird, die Basilika erst nach der Namensergänzung Octavians erfolgt sein
kann. Reber benutzt exakt die gleiche Formulierung wie Rode, während
Prestel den Namen Augusti ignoriert und nur von der „Vorhalle der Basi
lika“spricht.InseinerGrundrisszeichnung89istPrestelderEinzige,derdie
serVorhalleÖffnungennachaußenzugesteht.Fensterbuschscheintandie
serStelleverunsichertzuseinundzitiertlateinisch„pronaonaedisAugusti“.
IneinerbeigefügtenFußnotediskutierterdieSekundärliteratur,diedarüber
streitet,obmitAugustitatsächlichdiePersondesImperatorsgemeintistoder
obesnichteinfachnurwürdevollbedeutenwürde.EinAugustustempelsei
zuLebzeitenVitruvsinItalienohnehinkaumdenkbar.Manmüssesichhier
eineapsidenartigeNischevorstellen.DamitwärenallefrüherenÜbersetzun
gen,diesichaufOctavianbezieheninhaltlichfalsch.AuchOhrstimmtdieser
Interpretation,wennauchmitVorbehalten,zu.DasProblemderDedikation
würdeabernichtdieMorphologiedesBauesbeeinflussen,sodassdieseDis
kussion,wennsieauchbisheutegeführtwird,zweitrangigsei.90Weyrauch
widerspricht hingegen dieser These und sieht in Augusti den Beinamen
Octavians.91
Was hingegen alle Übersetzer schlucken, ist das verwirrende Lagespiel
derSäulenreihenhinsichtlichdesForumsunddermysteriösenVorhalle.Im
letzten Teilsatz wird dies noch einmal dargestellt. Fensterbusch schreibt,
dass sich diese Vorhalle in der Mitte der Langseite befindet und auf „die
Mitte des Forums und auf den Jupitertempel“ gerichtet sei. Die anderen
Übersetzerstimmenunisonoein.NurPrestelergänzt,dasssichdas„Heilig
tumdesJupiter“aufdemForumdirektgegenüberbefundenhabe.

89  Vgl.Prestel1987,Tafel39.
90  Vgl.Ohr1975,S.117.
91  Vgl.Weyrauch1976,S.28.

49
RekapitulierenwirnocheinmaldieliterarischbeschriebenenPositionen
der einzelnen Bauteile.An der Langseite, die an das Forum grenzt, haben
wirachtSäulen.AufdergegenüberliegendenSeitesindesnursechs,dasich
hiereineaufdasForumgerichteteVorhalleodereintempelähnlicherAnbau
anschließt,dessenAnsichtdurchdiemittlerenSäulennichtverdecktwerden
soll.
KeinerderÜbersetzerdiskutiertdieeigentlichnaheliegendeMöglichkeit,
dass,wenneinAnbauaufdasForumgerichtetist,dieserauchanderLang
seite,dieandasForumgrenzt,angebautseinmüsste.DerChormitdemAl
taristbeieinerKirchejaauchtypischerweisenachOstengerichtet,wenner
dasöstlichsteBauteildesGebäudesistundsichnichtaufdergegenüberlie
gendenWestseitebefindetundnachOstenzeigt.AberdieseInterpretation
würdedieVariationinderSäulenzahladabsurdumführen.Warumsollten
Säulen in der zweiten Reihe ausgespart werden? Andererseits, wenn die
LagederVorhalleaufderforumabgewandtenSeitekorrektwäre,warum
sprechendieÜbersetzerdannvoneinerAusrichtungaufdasForumundei
nemmöglichstfreizuhaltendenAnblickbzw.Ausblickvomodernachdem
Forum?MüsstendannnichtbeideSäulenreihennursechsSäulenaufweisen?
Auf keiner der Rekonstruktionszeichnungen wird hingegen versucht, die
FanoBasilikaaneinForumanzubinden,damitmanmehrKlarheitüberdie
SituationrundumdieVorhalleerlangenkönnte.
DamitsindwiraneinerderfaszinierendstenStellenderEkphraseange
kommen. Die inhaltliche Logik der Sprache aller untersuchten Übersetzer
ergibtarchitektonischkeinenSinnodererzeugtzumindestIrritationen.
AlsUrsachelassensichnurzweiSzenarienvorstellen,durchwelchedie
überliefertelateinischeGrundlagederartentstelltwerdenkonnte.Entweder
istdurchdieVielzahlderAbschriftenderSatzbaudurcheinandergeraten,
sodasssichdieZuordnung,welcheLangseiteachtundwelchesechsSäulen
hat, verschoben hat. Oder Vitruv selbst hat sich zu vage ausgedrückt, um
denreinenTextohneZeichnungundzusätzlichenBemerkungenwiederin
eineinsichlogischeArchitekturübersetzenzukönnen.
Verwunderlichistnur,dassdieÜbersetzerdieetwasumständlicheinhalt
licheInterpretation,VitruvhabedieVorhalleirgendwiedurchdasGebäude
aufdasForumausgerichtetund,warumauchimmer,nurandernächstge
legenenSäulenreihediemittlerenbeidenausgespart,kommentarlosbevor
zugen.



50
3.3Abschnitt8

“8.Itemtribunal,quodestineaaede,hemicyclischematisminoriscur
vatureformatum;eiusautemhemicycliinfronteestintervallumpedes
xlvi, introrsus curvature pedes xv, uti, qui apud magistratus starent,
negotiantesin basilicane inpedirent.Supracolumnas extribustignis
bipedalibusconpactistrabessuntcircaconlocatae,eaequeabtertiiscol
umnis,quaesuntininteriorparte,revertunturadantas,quaeapronao
procurrunt,dextraqueetsinistrahemicycliumtangent.”


Im achtenAbschnitt wird die Innenarchitektur der so genannten Vorhalle


unddasdarinbefindlicheTribunalbeschrieben.
ImerstenSatzteilwirdgesagt,dasssichindieserVorhalleeinTribunal
befindet (Item tribunal, quod est in ea aede). Hier zeigt sich wieder das ge
wohnteBild.ObwohlalledasGleichesagenwollen,fälltdieFormulierung
beideneinzelnenÜbersetzernäußerstunterschiedlichaus.
Fensterbuschistwiederkurzundsachlich.Erschreibt,dasssichdas„Tri
bunal“in„diesemBau“–womitdasvonihmnichtübersetzte„pronaona
edisAugusti“gemeintist–befinde.IneinerFußnotedefinierterdannkurz,
waseinTribunalsei.Prestel,derzuvorvoneinerVorhallesprach,bezeichnet
diesejetztals„nachdemTempelhingerichtetenStelle“underklärtinseiner
typischenAusführlichkeit,dasssichhier„dererhöhteSitzfürHandelsrich
ter,Tribunal“befinde.IneinerFußnoteführteraus,welcheFormundFunk
tioneinderartiger Richterstuhl hatte.Reber formuliert ähnlichwiePrestel
indemerdasWortTribunaldurchdieKlammerbemerkung„dieErhöhung
für den Richterstuhl“ erläutert. Statt „Vorhalle des Augustustem
pels“ schreibt Reber hier nur noch „Tempel“. Rode ist, wie Fensterbusch,
kurzundknapp,erübersetzt:„IngleichenistdasTribunalindemTempel–
ea aede“. Rivius ist zwar ähnlich knapp, er verschiebt das „Tribunal oder
Körlein“aberinden„Pallast“–alsodirektindieBasilika.Wennmansich
seineRekonstruktionszeichnunganschaut,istdieseFormulierungfolgerich
tig,denndieVorhalleschrumpfthierzueinerkleinenNischeohneseparate
Raumabschnitte.
VariiertdereinleitendeSatzaufGrunddifferierenderBezeichnungenbei
gleichbleibendemInhalt,stelltderfolgendeSatz(hemicyclischematisminoris
curvatureformatum)durchseinenkomplexengeometrischenInhalteinenAn
stoßzurDiskussionenüberdasursprünglichGemeintedar.IndiesemSatz
willVitruvdiegrundlegendeFormdesTribunalsbeschreiben.

51
Riviusübersetzt:„halbZirckelrondmitgeringerkrümmeformiert“.Ähn
lichübersetztRodemit„inGestalteinesHalbzirkels,nuretwaswenigerge
krümmt“.BeideÜbersetzerlassendurchihreFormulierungoffen,obmitder
ReduktionderKrümmungeinetwaskleinererAusschnitteinesHalbkreisbo
gens oder ein etwas weniger gekrümmter Kreisbogenausschnitt, also viel
mehr ein elliptischer Bogenausschnitt gemeint ist. Reber versucht diese
Zweideutigkeitzubeseitigen,indemerformuliert:„istnachderKrümmung
einesKreisbogens,deretwasgeringeralseinHalbkreisist,geformt“.Hier
habenwireseindeutigmitdemSegmenteinesKreisbogenszutun.Überra
schendandieserStelleistPresteldurcheinebeiihmungewohnteKürze.Er
übersetztschlicht:„inGestalteinesKreisausschnittes“.Genauerbetrachtet,
sagt diese kurze Version aber alles aus, was Rebers längere Formulierung
auchaussagt.ImGegensatzdazufährtFensterbuschschwereGeschützeauf
undformuliertfolgendesmonströseSatzgefüge:„istdurcheinevonKreis
bögengebildetegebogeneFlächegebildet,die(vorn)dieFigureineskleine
renHalbkreiseshat“.
OhrbemerktinseinerAbhandlung,dassdiesePassagevonFensterbusch
völligsinnentstellendwiedergegebenwird.92WährenderdenälterenÜber
setzungenzugesteht,dasssiedenSinndesGesagten,nämlicheinenetwas
kleineralseinHalbkreisgroßerSegmentbogen,richtigerfassthaben.93
WashingegenalleRekonstruktionszeichnungengleichabbildenundwo
rinsichoffensichtlichalleÜbersetzer(abgesehenvonRiviusundseinerklei
nenNische)einigsind,istzumeinen,dassderSegmentbogendenBodendes
Innenraumsformtundnachinnen,indieVorhalleschwingt,undzumande
ren, wie dieser Segmentbogen dreidimensional ausgeführt ist. Denn, das
folgtausdenfolgendenSätzen,durchdieseSegmentbogenstruktursolleine
SeparationzwischenRechtsprechungundMarkthallestattfinden.Unabhän
gigdavon,welchearchitektonischenLösungenderOriginalsatznochgene
rierenkönnte,istdieEineindeutigkeit,mitderalleneuerenÜbersetzerdie
Passageinterpretieren,dochverblüffend,denndaslateinischeOriginalgibt
diesePräzisionnichther.
DieSprachlogikdiesesSatzesistmiteinemmathematischenGleichungs
systemmitzuvielenUnbekanntenvergleichbar.EsgibtmehrereLösungen,
diealledielogischenAnforderungenerfüllen.

92   Vgl.Ohr1975,S.119.
93   Ebenda,S.119.

52
ImnächstenSatzwirdeineLängevon46Fußbestimmt(eiusautemhemi
cycli in fronte est intervallum pedes xlvi). Je nach Übersetzung wurde dieses
MaßunterschiedlichenPositioneninnerhalbdesTribunalBogensegmentes
zugesprochen.
FürRiviussinddie46„werckschuch“„zuvorderstausserhalb“deshalben
„Zirckelkreiß“.InseinemKommentarundinseinerRekonstruktionszeich
nungmacht Riviusdeutlich,dassdamit,seinerMeinungnach,dieEntfer
nung der beiden Anschlusspunkte der Apsis an die Basilika gemeint sei.
ÄhnlichübersetztRode,dervondem„Zwischenraumzwischendenäußers
tenEndendesHalbzirkels“spricht–nurdassbeiRiviusdasBogensegment
denvertikalenAbschlussderApsisbildet,währendesbeiRodeundallean
derenehereineFlächezuseinscheint.
RebermeintvermutlichdasGleichewiediebeidenÜbersetzervorihm,
erübersetztjedochetwasmissverständlichmit„AbstandanderStirnseite“.
MitderhinzugefügtenKlammerbemerkung„dieSehne“gibterdiesermehr
deutigenFormulierungeineklareRichtung.
PrestelverstehtdiesePassagehingegengänzlichanders.Fürihnsinddie
46FußdasMaßdesRadius`desKreisbogens,derdastatsächlichvorhandene
Bogensegmentgeneriert.DergedachteKreismittelpunktbefindetsichdem
nach46FußentferntvomBogensegmentinnerhalbderBasilika.
FensterbuschschließtsichderfrüherenInterpretationderSehnenlängean,
dievorhergehendeverwirrendeFormulierungvonverschiedenenKreisbö
genundgebogenenFlächenmachtesjedochschwer,die46Fußeinembe
stimmtenHalbkreis–dennesmussbeiFensterbuschmehreregeben–zuzu
ordnen.
ObwohlesnachweislichverschiedeneInterpretationender46FußLänge
gibt, wird die folgende Längenangabe von 15 Fuß bei allen Übersetzern
gleichverortet(introrsuscurvaturepedesxv).Alleverstehenhierunterschein
bardenmaximalenAbstandvonderSehnezumBogensegment.Dochganz
soeindeutig,wieesaufdenerstenBlickscheint,istesnicht.
FürRiviusgiltdasMaß„innerhalb“deshalben„Zirckelkreiß“.Manistals
Lesergewissermaßengezwungenanzunehmen,dasshierdermaximaleAb
stand gemeint ist. Rode ist ähnlich vage in seiner Übersetzung. Er spricht
von Maß der „inneren Krümme“. Reber hingegen versucht wie zuvor die
ZweideutigkeitseinerVorgängerzubeseitigenundübersetztmit„Tiefe(der
Radius)diesesKreisbogenausschnittes“.

53
Prestel,fürdendasersteMaßjabereitsderkompletteRadiuswar,über
setzthierelegantundpräzisemit„TiefedesBogensegmentesbiszudenseit
lichenPilastern“.Fensterbuschhingegenverwirrtmitseinenverschiedenen
Kreisbögen.FürihnistdasMaßdieTiefezwischen„demkleinerenundgrö
ßerenKreisbogen“.Fensterbuschistdereinzige,dermitmehrerenKreisbö
genarbeitet,ohnejedochzuerklären,warumerimGegensatzzuallenan
derendenPluraleingeführthat.
DiesePassagenüberdiebogensegmentartigeFormdesTribunalBereichs
demonstriereneineninteressantenEffekt.DurchdutzendeRekonstruktions
zeichnungensehenwiresalsselbstverständlichundkorrektan,denKreis
bogenindieVorhalleschwingenunddasgrößereMaßalsdenAbstandder
beidenSchnittpunkteSegment/Basilikazusehen.AberdieseklareEindeu
tigkeitgibtdieüberlieferteSpracheVitruvs,objektivgesehen,zumindestim
FallderSchwungrichtunggarnichther.NiemanddiskutiertzumBeispielob
diesesBogensegmentnichtTeileinervertikalenSeparationzwischenTribu
nalundBasilikaist.Eszeigtsichhier,wiesehrDenotationundKonnotation
vonunsererGewohnheit,SpracheaufeinebestimmteArtzuverstehen,ab
hängigsind,undwiesehrunsdieInterpretationenanderer,sofernsienicht
gegeneineallgemeineLogikverstoßen,beeinflussen.
DiePassageüberdasBogensegmentendetmiteinerfunktionalenBegrün
dung(uti,quiapudmagistratusstarent,negotiantesinbasilicaneinpedirent).Es
handeltsichumdiebereitsangesprocheneSeparationzwischenRechtspre
chungundMarkt.AllerdingsgibtesbeidieserimGrundegenommensimp
lenPassagewiederzweigegenläufigeInterpretationenderÜbersetzer.
Riviussagt,dieSeparationseinotwendig,damitdieLeutevordem„Ma
gistrat“denHändlernnichtimWegestehen.Rodehingegenbegründetdie
Separationdamit,dassdiejenigen,„sobeydenobrigkeitlichenPersonenzu
thunhaben“nichtvondenHandelsleutengestörtwerden.Rebervertrittwie
derdieMeinungRivius`–dieGeschäftsleuteinderBasilikasollennichtbe
hindertwerden.SointerpretierenesauchPrestelundFensterbusch.
Architektonischgesehen,istesegal,wervorwemgeschütztwerdensoll.
Aberesistkulturhistorischbezeichnend,dassgeradederKlassizistundZeit
genossederFranzösischenRevolutiondieRechtsprechungalswichtigerer
achtetalsdasMarktgescheheninderBasilika.
Ebenfalls interessant ist, dass alle eine Hierarchisierung vorgenommen
haben, obwohl das lateinische Original nur vorgibt, dass man sich durch
dieseSeparationinseinenjeweiligenAngelegenheitennichtbehindert.

54
Darüber hinaus merkt keiner der Übersetzer den Widerspruch an, der
zwischendemWeglassenderMittelsäulenundderfunktionalenSeparation
besteht.AufdereinenSeitewillVitruv,dassdasTribunalmöglichstmajes
tätischinszeniertwirdundzumindestinnerhalbderBasilikaunverstelltbe
trachtenwerdenkann;aufderanderenSeitemusserkomplexeBogenseg
mentstruktureneinführen,umdieseInszenierungausfunktionellenGrün
denwiedereinzuschränken.HiergibtesbereitsinderarchitektonischenLo
gikeinenWiderspruch,dersichdurchdieSpracheüberlieferthat.
ImfolgendenSatzabschnittführtVitruvdenLeservomTribunalwieder
zurückindasMittelschiff(Supracolumnasextribustignisbipedalibusconpactis
trabessuntcircaconlocatae).EswirddieHolzbalkenkonstruktionaufdenKo
lossalsäulenbeschrieben.UnddiesscheintfürdieÜbersetzerSchwerstarbeit
gewesenzusein.
Fensterbusch schreibt, dass auf den Säulen „aus drei Balken von 2 Fuß
Stärke zusammengesetzteBalken“ liegen würden. Die tautologisch anmu
tendeFormulierunglässtanFensterbuschsKreisbögendenken.Esistinder
Tatverwirrend,hierbeizubestimmen,obdiezusammengesetzteBalkenkon
struktionoderjedereinzelneBalkendieStärkevonzweiFußaufweist.
PrestelinseinerAmbitionallespräzisezuerklären,übersetztanders,aber
nichtverständlicherdiePassagemit„Balken,ausdreijezweiFußhohen(ge
doppelten)undfestzusammengefügtenZimmerstückenbestehend“.Ohne
die Klammerbemerkung ist dieAussage klar. Die Frage stellt sich jedoch,
wasmit„gedoppelten“zusätzlichgemeintseinkann?Etwasausdreiglei
chenTeilenBestehendesistnichtgedoppelt,sondernebenverdreifacht.Wo
raufbeziehtsichaberdanndieseDopplung?IneinerFußnoteerklärtPrestel,
dassessichhierbeium„dreigedoppelteuntersichverklammerteZimmer
stücke“handelt.Dochwasistdamiterklärt?WennmanPrestelsRekonstruk
tionszeichnungenhinzuzieht,wirddieVerwirrungnochgrößer.AufTafel43
–einemSchnittdurchdasGebäude–lagernaufdenKolossalsäulenzwölf
BalkenmiteinemRechteckquerschnitt,zweiReihenmitjeweilssechsBalken
übereinander.AufderTafel44–einemDetailschnittdurchdasGebälk–wer
dennurnochdreiBalkenmiteinemquadratischenQuerschnittdargestellt.
AufGrundarchitektonischerLogikkannderLeserbzw.Betrachtersicheine
zweite Reihe mit drei Balken hinzudenken, damit das Gebälk überhaupt
sinnvoll auf dem Kapitell aufliegt. Vermutlich entspricht diese zu ergän
zendeDarstellungderübersetzerischenIntentionPrestels,dassdreiBalken
übereinander die Zusammensetzung ergeben, und dass diese Zusammen
setzunghorizontaldoppeltmontiertwird.

55
Reber übersetzt ähnlich wie Prestel mit „Balken, aus drei gedoppelten
zweifüßigenZimmerstückenbestehend“.RebersRekonstruktionszeichnung
verschafftausreichendKlarheit,obwohlersichdiegestalterischeFreiheiter
laubt,diedreiübereinanderliegendenBalkenzwargleichhoch,aberunter
schiedlich breit zu machen, sodass innerhalb der Dopplung eineArt Zwi
schenraumentsteht,derentwedermiteinemweiterenBalkengefülltwird
oderoffenbleibt.
BeiRodegibtesdieseDopplungnicht.ErübersetztähnlichwieFenster
busch mit „Architraven aus drey zusammengefügten Zimmerstücken von
zweyFuß“.EbensoverfährtRiviusmitderFormulierung„Tramenvondrey
schuchdickbalckenzusamengesetzt“.AuchOhrzeichnetinseinenRekon
struktionsschnittkeinesechsBalken,sonderndreihorizontalnebeneinander
liegendeBalkenmitquadratischemQuerschnittein.94EineVersion,diesich
deutlichvonPrestelundReberunterscheidet.
AusstatischenundästhetischenGründenistesohneRelevanz,obdiese
DopplungtatsächlichgemeintwaroderobdieBalkenausreichenddickge
nug waren, sodass das gleiche Volumen auf den Säulen lagert. Es gibt an
dieserStelleaberwiedereinenerneutenEinblickindasverwobeneZusam
menspiel vonArchitektur und Sprache. Zweideutige Formulierungen und
einungeschickterSatzbauhabenEinflussaufdasVerständnisantikerTekto
nikunddendamitzusammenhängendenRekonstruktionsversuchen.
Nach der Dimensionierung der Balkenkonstruktion wird im folgenden
SatzteilderVerlaufdieserBalkenvondenKolossalsäulenzurVorhallebe
schrieben(eaequeabtertiiscolumnis,quaesuntininteriorparte,revertunturad
antas).HiersindsichdieÜbersetzerinhaltlicheinig.AuchinderWortwahl
gibtesnurgeringeVariationen.
Fensterbuschübersetzt,dassdieseBalken„vondendrittenSäulen,diean
der inneren Langseite stehen, auf die Eckpfeiler zurück[kröpfen]“. Prestel
gebrauchtstatt„kröpfen“dieFormulierung„imrechtenWinkelabbeugend“,
Reberübersetztmit„wendensich…ab“undRodemit„wendensich…hin
über“. Rivius wählt die heute ungewohnte Formulierung „hinfür gesetzt
werden“.
InteressanteralsdieseminimalenUnterschiedeinderWortwahlistdas
plötzlicheAuftauchen der Eckpfeiler oderAnten. Es ist eine der wenigen,
vagenAussagenübereinenTeilderAußenwandderBasilika,obwohlnichts
darübergesagtwird,wiediezweigeschossigenumlaufendenSäulengänge

94   Vgl.Ohr1975,S.115.

56
an diesem Schnittpunkt ansetzen.Anmerkungen geben die Übersetzer an
dieserStellekeine.PrestelvermeidetdieSituationgeschicktinseinenRekon
struktionszeichnungen;ebensowieReber,dessenZeichnungandieserStelle
denEindruckeinesEscherBildesvermittelt,beiwelchemmannichtgenau
weiß, welches Teil vor und welches zurückspringt bzw. wo etwas einen
SchnittdurchdasGebäudedarstelltundwanneseineAnsichtist.Zumwie
derholtenMalzeichnetsicheinevageundungenaueAussageVitruvsdurch
besondere Einstimmigkeit bei gleichzeitiger logischer Lückenhaftigkeit
durchfehlendeKommentareundAnmerkungenaus,währendbeieindeuti
genundoffensichtlichenFormulierungenwiederPassageüberdasTribunal
mit erklärenden Erläuterungen nicht gegeizt wird. Die Sprache suggeriert
hiereineVollständigkeit,dieerstinarchitektonischerÜbersetzungihreLü
ckenhaftigkeitoffenbart.
Der achteAbschnitt endet mit einer kurzen Erläuterung, wo sich diese
EckpfeilernungenauimÜbergangzwischenBasilikaundTribunalbefinden
(quaeapronaoprocurrunt,dextraqueetsinistrahemicycliumtangent).
BeiFensterbuschspringendieEckpfeilervom„Pronaon“–alsoderVor
halle–ausvorundberührenden„Halbkreis“.DaFensterbuschzuvormit
mehrerenHalbkreisenoperiert,istunklar,welchenerandieserStellemeint.
AußerdemscheinteseinenlogischenWiderspruchzugeben.IndenZeilen
zuvorwurdeerklärt,dassdasTribunalinderVorhalleausdemoderden
Halbkreisengeformtsei.NunbefindensichbeiFensterbuschdieEckpfeiler
nochdavor,berührenabertrotzdemdenHalbkreis,dereigentlichdahinter
liegenmüsste.
Prestel identifiziert mit pronaos die „Seitenschiffe“ der Basilika. Aller
dingsbefindensichseineEckpfeilerrechtsundlinksnebenden„Stufendes
Richtersitzes“,die,wieseineRekonstruktionszeichnungennahelegen,Halb
kreisformhaben.
ReberübersetztähnlichwieFensterbusch,worausauchhierzufolgernist,
dassdasTribunalselbstgarnichthalbkreisförmiggeformtseinkann.Rebers
Rekonstruktionszeichnungzeigtdiesauch.
ImGegensatzdazumachtRodegeschickterweiseausderPassagekeine
Standortbestimmung der Eckwandpfeiler, sondern er bezieht sich immer
nochaufdieBalkenkonstruktionaufdenSäulen,dieüberdieEckwandpfei
lerhinausbisandieHalbkreisformdesTribunalsverlaufenwürden.Damit
folgterRivius,derzuvorimgleichenSinnübersetzthat,auchwenndessen
HalbkreisdieAußenwandderTribunalApsisbildet.DamitistdieseVersion
in Verbindung mit der Rekonstruktionszeichnung die in sich schlüssigste

57
Übersetzung, da ein Bauelement in seiner Lage vollständig beschrieben
wurde.BeidenanderenÜbersetzungenweißmannämlichnicht,wieesnach
denEckpfeilernweitergeht.EinSatzmitdreiverschiedenenInterpretationen
derBedeutung.


3.4Abschnitt9

“9.Supratrabescontracapitulaexfulmentisdispositaepilaesuntcon
locatae,altaepedesiii,lataequoqueversusquaternos.Supraeasexduo
bustignisbipedalibustrabesquercaneaecircasuntconlocatae.Quibus
insupertranstracumcapreoliscolumnarumcontracorporaetantaset
parietes pronai conlocata sustinent unum culmen perpetuae basilicae,
alterumamediosuprapronaumaedis.”


DerneunteAbschnittbefasstsichmitderDachkonstruktiondesMittelschif
fes.DaderLeserohnehinamÜbergangvonderBasilikazumTribunalan
dieDeckeschaut,brauchterseinenBlicknurkurzrückwärtszuwenden.
ImerstenSatzwerdendiePfeiler,dieüberdenKolossalsäulen,aufden
dreifachen,möglicherweisegedoppeltenBalkenstehen,beschriebenunddi
mensioniert(Supratrabescontracapitulaexfulmentisdispositaepilaesuntconlo
catae,altaepedesiii,lataequoqueversusquaternos).
Auch hier gilt wieder, dass alle Übersetzer die Maßangaben der Pfeiler
gleichübersetzenundzuordnen.BeiderArtundWeisederPfeilergibtes
hingegenwiedereinigeUnterschiede.
Fensterbuschschreibt,dassüber„denKapitellenPfeiler…aufUnterla
gen“ angeordnet wären. Zwischen Pfeiler und Balkenkonstruktion gibt es
beiihmalsonocheineArtAuflage,diealleanderenÜbersetzernichterwäh
nen.SowohlinPrestelsalsauchinRebersRekonstruktionszeichnungenwer
dendiesehypothetischenBauelementenichteingezeichnet.
PrestelmachtausdemkurzenSatzerneuteingewaltigesSatzgefüge,in
welchem er den deutschen Begriffen griechische Entsprechungen gegen
überstellt,diejedochnichtVitruvsTextentnommensind.Sowirdausder
„Balkenlage“das„Epistyl“undausdemvonihmpostuliertenFriesder„Zo
phorus“.AußerdemerfährtderTextbeiihm,wieüblich,einetechnischar
chitektonischeErweiterung.PrestelistderEinzige,derinnerhalbderÜber
setzung und in zusätzlichen Fußnoten erklärt, dass diese Pfeiler aus Stein

58
bestehen würden und „aufgemauert“ seien. Ohr stimmt dieser Interpreta
tion mit einem Verweis auf die angegebenen Maße zu. 95Des Weiteren
schreibtPrestel,dassdiePfeilerinnerhalbderKonstruktioneineStützfunk
tioneinnehmenunddasssiegenauüberder„AchsederjeweiligenSäulen
kapitelle“liegenwürden.EinDetail,dasfürdieanderenselbstverständlich
war und nicht extra im Rahmen der Übersetzung noch erklärt werden
musste.
ReberübersetzthingegenähnlichkurzwieFensterbusch,lässtjedochdie
Unterlageunerwähnt–dafürnimmterdieStützfunktionderPfeilermitin
denTextauf.InhaltlichentsprechendübersetztRode.Interessanterweisege
braucht er den Begriff „Architraven“, während Prestel zusätzlich
„Epistyl“benutzteundReberundFensterbuschbei„Balken“gebliebensind.
Rivius übersetzt – abgesehen von der Schreibweise – fast wortwörtlich
wieFensterbusch,verzichtetaberauchaufdieominösenUnterlagen.
Im nächsten Satz wird erneut eine Balkenkonstruktion beschrieben, die
sichaufdenebenangeführtenkleinenPfeilernbefindet(Supraeasexduobus
tignis bipedalibus trabes quercaneae circa sunt conlocatae.). Jenseits der Bema
ßunggibteswiederdeutlicheUnterschiedeimGradderzusätzlichenErklä
rungenbeidenÜbersetzern.
Fensterbuschführtan,dassdieseBalkenoderUnterzüge,wieerineiner
Klammerbemerkungpräzisiert,ausEichenholzgefertigtseien.Erinterpre
tiertandieserStelledasüberlieferteWorteuerganeaemiteinemVerweisauf
einen Artikel in der „Philologischen Wochenschrift“ in quercaneae um. Es
handelesichhierbeiumeineauszweiHölzernmiteinerStärkevonjeweils
zweiFußzusammengefügtenKonstruktion.
Prestel benennt zunächst seine „Steinpfeiler“ an dieser Stelle in „Stän
der“um.BeiihmistdasMaterialeinunbestimmtesHolz,dafüristes„scharf
kantigbearbeitet“–wieerdasmysteriöseeuerganeaeübersetzt.ImGegensatz
zuFensterbuschschreibtPrestelnuretwasüber„zweiFußstarkeZimmer
stücken“.VoneinerZusammensetzungauszweiHölzernistnichtdieRede.
Reber ist an dieser Stelle kurz und sachlich. Er schreibt, dass „ringsum
Balkengelegt“seien,diewiebeiFensterbuschaus„zweiZimmerstückenje
zweiFußstark“„wohl“(euerganeae)zusammengesetztseien.Damitschließt
sichReberderÜbersetzungsintentionRodesan.Diesererklärtdarüberhin
aus, dass diese zusammengesetzte „wohleingebundene“ Balkenkonstruk
tionbeiVitruv„trabeseverganeae“heiße.WohingegenRiviuswiedernur

95   Vgl.Ohr1975,S.116f.

59
von „zweischüchigen tramen“ spricht, die die Griechen „Euerganeae ge
nant“hätten.
MitdemWorteuerganeaeöffnetsichhierwiedereinFeldinkonnotativen
und denotativen Interpretationen. Während es Fensterbusch eliminiert,
nimmt es bei den anderen Übersetzern verschiedene Gestalten an, auch
wennsichzumindestRode,ReberundPresteldarineinigsind,dasseseine
besondersgutgefertigteZimmermannsarbeitbeschreibt.
ImnächstenSatzteilwirddiedarüberliegendeDachkonstruktionundde
renVerbindungzumTribunalBereichbeschrieben(Quibusinsupertranstra
cumcapreoliscolumnarumcontracorporaetantasetparietespronai).Beidengro
ßenDifferenzenimRahmenderTribunalbeschreibungistesnichtverwun
derlich,dassesauchandieserStelledeutlicheUnterschiedeinderInterpre
tationdesUrtextesgibt.
Fensterbusch schreibt im Widerspruch zum ersten Abschnitt, wo die
Dachkonstruktion binderlos war, dass über der zweiten Balkenlage die
„DachbindermitdenStreben“lägenundzwarin„RichtungaufdieSäulen
schäfte,dieAntenunddieWändedesPronaon“.MitdieserkurzenFormu
lierung setzt Fensterbusch voraus, dass die kleinen Stützpfeiler und die
zweite Balkenlage auch im Tribunal ihre Fortsetzung finden, andernfalls
wäre das Dach geometrisch nicht zu konstruieren. Die Rekonstruktions
zeichnungenvonPrestelundReberscheinendieszubestätigen.
ImTextsprichtPrestel–indiesemFallevoneinerangenehmenundver
ständlichenAusführlichkeit–vonden„QuerbalkennebstdemStrebewerk
derDachstruktur“.ImGegensatzzuFensterbuschliegtdieseDachkonstruk
tionnichtnuraufdenKolossalsäulenunddemTribunal,sondernauchauf
den„UmfassungswändendesLanghauses“auf.Undjetztsindwirwieder
an einem äußerst irritierenden Punkt angelangt. Zuvor wurde mehr oder
mindereinstimmigübersetzt,dassdieDachkonstruktionderEmpore–also
der Verbindung zwischen Kolossalsäulen undAußenwand – niedriger als
dasDachdesMittelschiffessei.Wenndiesalsgegebenanzusehenist,kann
dieDachkonstruktionaufdemMittelschiffnichtzugleichüberden Kolos
salsäulenundandenAußenwändendesLanghausesaufliegen.Daaberof
fensichtlichdasTribunalindiehöhereDeckenkonstruktioneingebundenist
und diese die Empore irgendwie schneiden müssen, schien es für Prestel
wohlleichter,alles„untereinDach“zuformulieren–auchwennes,nach
der sprachlichen Logik der vorangegangenen Sätze architektonisch nicht

60
möglichist.InTafel40und41seinerRekonstruktionszeichnungenlässtPres
telauchnirgendwodashoheDachaußerhalbderKolossalsäulenaufliegen;
wasimWiderspruchzuseinerÜbersetzungsteht.
ReberübersetzthingegenwieFensterbusch,nurdasserstattDachbinder
dasWort„Querbalken“ gebraucht. Inhaltlich übersetztRodegenauso–er
fühltsichandieserStelleinseinerWortwahloffensichtlichetwasunsicher,
weshalb er jeden Begriff mit dem vitruvianischen Original verbindet
(„Spannrigel–transtra–mitStreben–capreoli“usw.).DieseUnsicherheit
erschwertunnötigerweisedasVerständnisbeimLesen,dadurchdenWust
anBindestrichenundlateinischenEinschübendasdeutscheSatzgefügever
lorengeht.AuchRiviusübersetztwieRode,nurdassergleichganzdiedeut
schenEntsprechungenweglässtundnurdielateinischenTerminigebraucht.
ImletztenSatzwirddieFormdesHauptdachesderBasilikabeschrieben
(conlocata sustinent unum culmen perpetuae basilicae, alterum a medio supra
pronaumaedis).Kernaussageist,dassessichhierbeiumeineArtTFormhan
delt, die das Mittelschiff und das Tribunal zusammenfasst. Hier wird der
LeserineineVogelperspektiveversetzt,welcheesihmermöglicht,dieDach
forminGänzezuerfassen.
Fensterbusch schreibt etwas missverständlich, dass die zuvor beschrie
beneUnterkonstruktion„einDachderganzenBasilika“trageund„einzwei
tes,dasvonderMitte(desHauptdaches)überdasPronaonverläuft“.Erist
derEinzige,derdichtamOriginalbleibtundnichtexpliziterwähnt,dassdas
sogenannteHauptdachinLängsrichtungausgerichtetistundsichdemnach
einrechterWinkelzumzweitenDachergibt.
Prestel ist hier, wie üblich, von einer weit schweifenden Präzision. Er
schreibt,dassdie„Gesamtstruktur“durch„zweiFirstbalken“gegliedertsei.
Dereinedurchlaufe„dieLängenachsederBasilika“undderandereerstre
ckesich„vonderMittedesDachscheitelsinderRichtungnachderTempel
vorhalle“.
ReberundRodeübersetzenhierscheinbarnahezuidentisch.Beidespre
chenwiePrestelvonFirstbalkenunderklärendanndieLagederbeidenBal
ken. Während Reber das Hauptdach in „der Längenrichtung der Basi
lika“ ausrichtet, schreibt Rode hier, dass der Firstbalken „der Länge nach
überdieganzeBasilika“hinüberreiche.Daskann,imGegensatzzudenAus
führungenvonReber,PrestelundFensterbusch,diejeweilsnureineRich
tungsorientierungangeben,ausarchitektonischerLogiknichtstimmen,da
dasEmporendachalsTeilderBasilikatieferliegtunddemnachderFirstbal
kenandenKolossalsäulenendenmüsste.DieLagedeszweitenFirstbalkens

61
beschreibenReberundRodedannnahezuwortgleich.Dieserwürdesichvon
der Mitte des ersten Firstbalkens in Richtung der „Tempelvorhalle“ bzw.
„VorhalledesTempels“erstrecken.
Riviusübersetztkurzundsachlich.DerFirstbalkenheißtbeiihm„forst
oderunterzug“.DerBalkenfürdasHauptdacherstrecktsichauchbeiRivius
überdenganzenBau,wasangesichtsseinerRekonstruktionszeichnungauch
logischwäre;allerdingsirritiertdieLagedeszweitenBalkens,dieRiviuswie
dieanderenmit„vondermitteuberdasPronaumdesbaws“übersetzt.Der
quadratischeGrundrissderBasilikamitderwinzigenTribunalApsisanei
nerSeiterechtfertigtinkeinerWeiseeineTförmigeDachkonstruktion.
ImneuntenAbsatzwerdenbesondersdielogischenVerpflichtungen,die
sich–sprachlichwie architektonisch – aus demvorherGesagtenergeben,
deutlich.JenachdemwieTribunal,EmporeundDachunterkonstruktionzu
vorübersetztwurden,geratendieeinzelnenÜbersetzernuninKonfliktmit
denAussagenbzw.mitderInterpretationdesTextes.Siesindgezwungen,
entwedermöglichstnahamOriginalzuübersetzenunddamitlogischeFeh
lereinzukalkulierenodervomOriginalerklärendundergänzendabzuwei
chenauchaufdieGefahrhin,denSinndesursprünglichenTexteszuentstel
len.DashatzumTeilweitreichendeKonsequenzenfürdiearchitektonische
LogikdesBauwerks.EsistdieprimäreUrsachefürdiedifferierendenRe
konstruktionsversuchederFanoBasilika.


3.5Abschnitt10

“10.Itafastigiorumduplex+tectinatadispositoextrinsecustectietin
teriorisaltaetestudinispraestatspeciemvenustam.Itemsublataepistyli
orumornamentaetpluteorumcolumnarumquesuperiorumdistributio
operosamdetrahitmolestiamsumptusqueinminuitexmagnapartesum
mam.Ipsaeverocolumnaeinaltitudineperpetuasubtrabestestudinis
perductaeetmagnificentiaminpensaeetauctoritatemoperaadaugerevi
dentur.”


MitdemzehntenAbschnittendetdieEkphrase.VitruvlässtdenBlickdes
LesersvonderDachkonstruktionvomGebälkandenSäulenentlanggleiten.
MiteinemLobaufdieÄsthetikseinerSparsamkeitversetztunsVitruvauf
dasForumundlässtunsabschließendnocheinmaldasBauwerkimGanzen
betrachten,ohnejedochweitereDetailszuerwähnen.

62
DerersteSatz(Itafastigiorumduplex+tectinatadispositoextrinsecustectiet
interioris altae testudinis praestat speciem venustam) bezieht sich noch einmal
aufdieDachformundderenUntersicht.DerAuftaktfürdasLobdesArchi
tektenbeginnt.
Fensterbuschübersetztmit„kreuzende,doppelteGiebelanlage“,die„au
ßenDach“undinnen„einhohesMittelschiff“wäre.Zusammenergäbees
ein „anmutiges Bild“. Die sprachlogische Irritation, dass etwas von außen
und(!)inneneinBildergäbe,wennbeidesgleichzeitiggarnichterfasstwer
denkann,lässtFensterbuschunkommentiert.
Prestelübersetzthierwiederwortgewaltig,allerdingsgelingtesihm,der
Aussage einen anderen Sinn zu verleihen. Er schreibt nämlich, dass die
„zweifachsichkreuzendeGiebelanlage“sowohlder„Außenerscheinungdes
Dachwerkes“ als auch der „Innenansicht der hohen Deckenstruktur“ ein
„herrlichesAnsehen“verleihenwürde.StatteineradditivenBedeutungwie
bei Fensterbusch verwendet Prestel logisch richtig eine Sowohlalsauch
Formulierung.DafürirritiertdievorhergehendeFormulierung,dasssichdie
Giebelanlagezweifachkreuzenwürde.InseinenRekonstruktionszeichnun
gen ist eindeutig ein Tförmiges Dach zu erkennen; bei einer zweifachen
KreuzungdenktmanjedocheheraneinekreuzförmigeDachform.
ReberverwendetwiePresteldieSowohlalsauchFormulierungalsauch
dieverständlicheBezeichnung„sich…kreuzendedoppelteGiebelanlage“.
DagegenistRodesÜbersetzungfaszinierend.Ergehtdavonaus,dassdie
GiebelaufzweiverschiedeneArtenhergestelltwurden.Voninnenbetrach
tetwärensierundundvonaußen„dreyeckig“gewesen.IneinerlangenFuß
notenbemerkungdiskutiertRodeseineInterpretationmitdenVersionender
Übersetzervorihm.ErbeginntseineAnmerkungjedochgleichmitdemGe
ständnis, dass er sich eine definitive Begriffsbestimmung an dieser Stelle
nicht zutraue. Die Wirkung dieser heterogenen Giebel übersetzt Rode mit
„anmuthigesAnsehen“.
Rivius`ÜbersetzungistnachheutigemSprachverständnisnurschwerzu
verstehen.Ersprichtvoneiner„zwyfachedispositionderForstendeseus
sersten dachs unnd des innern gewelbs“ und sagt, dass diese eine „vast
schönegestalt“gibt.OhnediespäterenÜbersetzungenwäreunklar,wases
mitdenFirstenundderVastSchönheit,dersogenanntenAnmut,aufsich
hat.
ImfolgendenSatzwirdaufdiemonetärenundArbeitsaufwandsvorteile
durch die Weglassung verschiedener Elemente hingewiesen (Item sublata

63
epistyliorum ornamenta et pluteorum columnarumque superiorum distributio
operosamdetrahitmolestiamsumptusqueinminuitexmagnapartesummam).
FensterbuschübersetztdieangedeutetenEinsparungenmit„Weglassung
desSchmuckeseinesSäulengebälksundderAnordnungderoberenSäulen
mit ihrem Mauergürtel“. Dies erspare eine „mühevolle, beschwerlicheAr
beit“undvermindere„zueinemgroßenTeildieSummederBaukosten“.
Prestelübersetztwortreich,abermitgleicherIntention.Beiihmheißtder
SchmuckdesSäulengebälks„Kranzgebälk“,underdrücktsichmit„oberer
SäulenstellungmitihremunterenMauergürtel“etwasumständlichaus,aber
esentsprichtsinngemäßFensterbuschsVersion.DiezweiteSatzhälfteistso
garnahezuwortgleich,lediglichaus„SummederBaukosten“beiFenster
busch wird hier „Kosten der Bauschöpfung“. Einzeln gelesen, beschreibt
dieseVersionjedochnichtsehrpräzise,anwelcherStelledieseEinsparungen
stattfinden.
HieristdieÜbersetzungRebersscheinbarhilfreich.Erpräzisiertnämlich
ineinerKlammerbemerkung,dassessichbeiderWeglassungdes„Gebälks
derZwischenmauer“umdasjenigezwischendenbeidenSäulenreihenhan
delnwürde.Unddoch,wasistdamitgesagt?Ausdembrüstungsähnlichen
MauergürtelisteineZwischenmauermiteigenemGebälkgeworden;auch
die Verortung zwischen den Säulenreihen ist irritierend, legt es doch den
Schlussnahe,VitruvhätteeineZwischendeckestatteinesZiergebälkszwi
schenzweinormalhohenSäulenweggelassen.
RodeisthiermitwenigenWortenpräziser.Erübersetztmit„Hinweglas
sungdesKranzgesimses“.Allerdingssetztermit„unddieEinrichtungder
BrustlehneundderoberenSäulen“fort.DurchdenArtikel„die“koppelter
diezweiteHälftevon„Hinweglassung“abundesentsteht,entgegenallen
anderenÜbersetzungen,derEindruck,esmüssenirgendwoSäulenmiteiner
Brustlehne hinzugekommen sein, welches paradoxer Weise gleichzeitig
MüheundKosteneinsparensoll.
RiviusübersetztähnlichwieRode.AufdereinenSeiteführter„dieunter
lassungderzierungderEpistilien“anunddannsetztermiteinemeigen
ständigen Satzteil fort: „und die ordenierung der obern Columnen sambt
denzwischenwenden“.
DieserscheinbareinfacheSatzlässtoffensichtlichdifferierendeInterpre
tationen zu. Interessant ist, dass es zu dieser Passagebei den Übersetzern
keineAnmerkungengibt.Esscheint,alswissenalle,wasgemeintsei.Und
doch lassen sich, betrachtet man sich die Sprache und Wortwahl genauer,
deutlicheUnterschiedeindenFormulierungenentdecken.

64
Im letzten Satz der Ekphrase wird die Ästhetik der Kolossalsäulen be
schriebenunddieGesamtwirkungdesBauwerkscharakterisiert(Ipsaevero
columnaeinaltitudineperpetuasubtrabestestudinisperductaeetmagnificentiam
inpensaeetauctoritatemoperaadaugerevidentur).
DenerstenSatzteil,dieErwähnungderKolossalsäulen,übersetztFenster
buschmit„indurchgehenderHöhebisunterdasDachgebälkdurchgeführt“,
Prestelschreibthingegen,dassdieSäulen„biszumGebälkwerkedesMittel
schiffessicherheben“.Reberformuliertähnlich,dassdieSäulen„inunun
terbrochenerHöhebisunterdasBalkenwerkdesMittelschiffesgeführt“wer
den.Rodesprichtvonden„bisunterdenUnterbalkendesGewölbesineiner
HöhehinaufgeführtenSäulen“undRiviusnenntesdie„grossehöhebisvon
unterstzudemoberstenTestudines“.
GanzklarbeschreibenalledaswesentlicheCharakteristikumderKolos
salsäulen,nämlichdasssieübermehrereGeschosse–hiervomBodenbis
unter das Dach – verlaufen. Doch jeder wählt eine andere Nuance durch
seinepersönlicheFormulierung;malsinddieSäulenpassivdurchdasGe
bäudegeführt,malerhebensiesichaktivbiszumGebälk;maltunsiediesin
durchgehender,malinununterbrochener,malingroßerHöheundmalin
einheitlicherForm.
InderzweitenHälftewirddieWirkungdieserkolossalenSäulenaufdie
Gesamterscheinung des Gebäudes beschrieben. Hier sagen auch alle das
Gleiche,aberdiesogenanntenFormulierungsnuancensinddeutlichgrößer.
Fensterbuschübersetztsachlichundknapp,dassdurchdieKolossalsäu
len „die Großzügigkeit der aufgewendeten Kosten noch größer erschei
nen“würdenundsichdadurch„dieWirkungdesBauwerks“erhöhe.
PrestelbrauchtwiedereinpaarWortemehr;auchklingendieverwende
tenPhrasendeutlichübertriebener.Beiihmwird„derKostenaufwandge
waltiger erscheinen“ und der Basilika „ein architektonisch bedeutsameres
Ansehen“ verliehen werden. Während der Vitruv Fensterbuschs hier viel
leichtseineSparsamkeitundseinStrebennachEffizienzzuerkennengibt,
tritterinPrestelsVersionfasteinweniggroßspurigauf.
ReberentziehtsichderFormulierungdesMehrAussehensalsesgekostet
hatundübersetztmit„demAufwandeeinengroßartigenAnstrichgeben,als
auchdieBedeutsamkeitdesBauwerkeserhöhen.“EsscheintRebergarnicht
umdieKostenzugehen,vielmehrsollderArbeitsaufwandnachmehraus
sehen.

65
Ähnlich übersetzt Rode mit „über alles Verhältnis gegen denAufwand
prangen“,welches–jetztgebrauchtRodesehrzurückhaltendeFormulierun
gen–„demGebäudeeinegewisseGrößeverleihen“würde.
RiviushingegenistjenseitsallesÜbertrumpfens.Ersagt,dassdieSäulen
„dembaweinherlichansehen“gäbenunddem„gantzenwerck…authoritet
unddapfferkeit“brächten.
DieSituationistähnlichwieimerstenSatzteil,allesageninetwadasGlei
che,nämlichdassdieWirkungderKolossalsäulenaufdieWirkungdesge
samtenGebäudeserheblichenEinflusshatunddiesesdadurchzueinemar
chitektonischschönenGebäudewird.DochmalwirddieseWirkungalsbe
deutsamesAnsehen, mal als Bedeutsamkeit, dann wieder schlicht als ge
wisseGrößeoderaberauchalsherrlichesAnseheninWortegefasst.Gerade
RodesFormulierungderGrößelässtihnalseinendurchdieLehrenWinckel
mannsbeeinflusstenKlassizistenidentifizieren.
SounterschiedlichdieWortegewähltsind,dieeinzelnenÜbersetzersind
nichtfreiinihrerÜbersetzung,sondernimmer–daswurdeschonmehrmals
deutlich–demEinflussihrerZeitunterworfen.
Der letzte Abschnitt hat wenig inhaltliche Differenzen zwischen den
Übersetzernprovoziert,allerdingssindformulierungsbedingteNuancenzu
entdecken,diedenobjektivenInhaltausunterschiedlichenPerspektivenzu
beleuchtenscheinen,wodurchdiePersondesursprünglichenAutorsunter
schiedlicheNeigungenundCharaktereigenschaftenanzunehmenscheint.

66
4.„...wiedieRegelneinerausgestorbenen
Sprache“

„Die Baukunst steigt wie ein alter Geist aus dem Grab hervor, sie heißt
mich ihre Lehren, wie die Regeln einer ausgestorbenen Sprache studie-
ren“96


ImvorangegangenenKapitelwurdendieeinzelnenÜbersetzungenaufder
syntaktischenundlexikalischenEbenemiteinanderverglichenundhinsicht
lichihrerVerständlichkeitundtranslatorischenNähezumlateinischenText
analysiertundbewertet.
Nungiltes,ausdiesenErgebnissensemiotischeRückschlüssezuziehen,
wiediejeweiligeÜbersetzungvonArchitekturinSprachedurcheineandere
Sprachefunktioniert.WogibtesPassagen,diedenotativundsogarkonno
tativ interpretiert werden können und wie wurde dies gemacht? Welche
TextstellensindandererseitseineDarstellungdessyntaktischenCodesder
FanoBasilika?DabeiistnichtzuvergessenundbeigenauererBetrachtung
zuberücksichtigen,dasskeinerderÜbersetzersichnurmitdemlateinischen
Originalbefassthat.Allen,auchRivius,standenÜbersetzungenzurVerfü
gung.
SchließlichgiltesmittelsderanalysiertenÜbersetzungeneinenBlickauf
daslateinischeOriginalundseinenVerfasserzuwerfen.


4.1Wervonwem?Wasfehlt?

EsliegtaufderHand,dass,jejüngerdieÜbersetzungist,destomehrhatsich
der deutsche Übersetzer auf die vorhandenen deutschen Übersetzungen
konzentriert.AusdieserSichtnimmtdaherRiviuseineSonderstellungein,
daersichimWesentlichenaufdieAusgabenderItalienerCesarianoundSer
liobeschränkt.ManhatRiviusdeshalbdesPlagiatsbezichtigt,daer,beson
derswasdieZeichnungenundKommentareangeht,sehrnahanderVersion

96   Goethe,JohannWolfgangvon:„ItalienischeReise“,in:Werke,HamburgerAusgabe,
Band11,dtv,München1998,S.98.

67
Cesarianospubliziert.DasmagdenZeitgenossenunseriöserschienensein,
für unsere Untersuchung ist es ohne größeren Belang, da es mehr um die
WahlundInterpretationderWörtergeht.EsistschließlichRivius,dersich
füreinebestimmtedeutscheEntsprechungentscheidenmuss,damitderText
zumindestausseinerSichteinenSinnergibtundvoneinempotentiellenLe
serauchverstandenwerdenkann.
Rode, der in seinen Fußnoten immer wieder die Übersetzungen von
ClaudePerraultundWilliamNewtonheranzieht,hatsichintensivmitRi
viusbefasst.AuchwennsichindenzweieinhalbJahrhundertendiedeutsche
Spracheenormweiterentwickelthat–deutlichmehralsindenzweihundert
JahrenseitRode–lassensichgeradeaufdersyntaktischenEbene,imSatz
bau,großeParallelenentdecken.HiereinanschaulichesBeispiel–Zeilenum
bruchnachSatzteil:

Rivius Rode
Dieuberigenspacien DerübrigeRaum
zwischendenParastatenundColumne zwischen den Unterbalken der Pilaster
 undSäulen
sinddemliechtundfensternzuverord ist in den Zwischenweiten dem Lichte
net, gelassen.
dieColumnesind DerSäulensind
inderbreytTestudinisodergewelbs, inderBreitedesGewölbes,
mitbeydenEckcolumnezuderrechten die Ecksäulen zur Rechten und Linken
unlinckenseiten mitgerechnet,
vier jevier


Keiner der anderen Übersetzer ist syntaktisch so dicht an Rivius` Satzbau
wieRode.EsistseinVerdienst,denInhaltineinbisheuteklaresundver
ständlichesDeutschübertragenzuhaben.BiszurEditionFensterbuschgalt
RodesÜbersetzungnichtzuUnrechtalsdaszuzitierendeStandardwerk.
AnvielenPassagenderEkphrasekonntefestgestelltwerden,dassinhalt
lichRebersehrdichtbei der Version Rodes gebliebenist.Auchlexikalisch
bietetReberkeinegroßenNeuerungen.WasihnundspäterauchPrestelvon
Rodeunterschiedet,istdasBedürfnisinnerhalbderÜbersetzungnochmehr
erklären zu wollen. Dadurch verändert sich der Satzbau in Struktur und
Länge.DiegleichePassagemitgleichemZeilenumbruchimVergleichRode
undReber:

68
Rode Reber
DerübrigeRaum DernochübrigeRaum
zwischen den Unterbalken der Pilaster zwischenderBalkenlageüberdenPilas
undSäulen ternundderüberdenSäulen
ist in den Zwischenweiten dem Lichte ist für das durch die Säulenzwischen
gelassen. räume eindringende Licht offen gelas
 sen.
DerSäulensind WasdieSäulenbetrifft,
inderBreitedesGewölbes, sosindderen
die Ecksäulen zur Rechten und Linken anderrechtenundlinkenSeitedesMit
mitgerechnet, telschiffesmitEinschlußderEcksäulen
jevier jeviere


GeradeinderzweiteHälftederPassagelässtsichderInhaltnichtmehrmit
einemZeilenumbruchproSatzteilvergleichen,dadieSatzkompositionvon
Reber anders ist, ohne dass er durch diese Einschübe und Umstellungen
mehrsagenwürdealsRode.ImGegenteil,diekomplizierteSatzstellungin
derersteHälfteführtsogarzuMissverständnissen,weildurchdenHangzur
PräzisioneinewaschechteStilblüteentstandenist(Das„der“nachPilastern
beziehtsicheigentlichaufBalkenlage,mankannesaberauchsolesen,dass
essichaufRaumbezieht,sodassaufeinmalzweiRäumeentstandensind).
PresteltreibtdiesenHangzurPräzisionundzumErkläreninnerhalbdes
übersetztenTextesaufdieSpitze.ErstelltgezwungenermaßendenSatzbau
nocheinmalum,fügtweitereEinschübeeinundgebrauchtandereWörter.
SowohlsyntaktischalsauchlexikalischentferntsichPrestelvonallenande
renÜbersetzungenamweitestenvondergemeinsamensprachlichenMitte.
AlsDemonstrationdiegleichePassagewiederimVergleichmitRode:










69
Rode Prestel
DerübrigeRaum DerübrigeRaum,
zwischen den Unterbalken der Pilaster welcherzwischendemGebälkabschluss
undSäulen mit Simskrönung, der oberen Pilaster
 stellung der Seitenschiffe und dem
 Epistylium der Mittelsäulen sich befin
 det,
ist in den Zwischenweiten dem Lichte istinnerhalbderSäulenabständefürdas
gelassen. eindringende Licht (als Fenster) offen
 belassen.
DerSäulensind WasdieAnzahlderSäulen
inderBreitedesGewölbes, desMittelsaalesanbelangt,
die Ecksäulen zur Rechten und Linken sobefindensichandenStirnfrontenmit
mitgerechnet, Einschluß der rechten und linken Eck
jevier säulen jevier


Fensterbusch, der Rode in der Funktion der Standardübersetzung ablöst,


wendetsichnichtvonungefährwiederderSatzstrukturundArtundWeise
derWortwahlderVersionRodeszu.WasihnvonRodeunterscheidet,sind
in erster Linie inhaltliche Korrekturen, Weglassung der lateinische Wörter
imText(abgesehenvomTribunal)undeineleichteModernisierungvonSyn
taxundLexik.WiederdiePassageimVergleichmitRode:


Rode Fensterbusch
DerübrigeRaum DerRaum,
zwischen den Unterbalken der Pilaster derzwischendenBalkenaufdenPilas
undSäulen tern und denen auf den Säulen übrig
 bleibt,
ist in den Zwischenweiten dem Lichte ist für die Lichteinstrahlung durch die
gelassen. Säulenzwischenräume hindurch offen
 gelassen.
DerSäulensind 
inderBreitedesGewölbes, AnderSchmalseitedesMittelschiffes
die Ecksäulen zur Rechten und Linken sindeinschließlichderEcksäulenrechts
mitgerechnet, undlinks
jevier je4Säulen

70
DieEntwicklungvoneinerzunehmendverständlichenSachlichkeitüberzu
sätzlichenErklärungenbishinzueinerRückkehrzurschlichtenSachlichkeit
lässtsichauchdurcheinenVergleichderAnzahlderverwendetenZeichen
darstellen.


Fensterbusch: 3349Zeichen
Prestel: 4436Zeichen
Reber: 3597Zeichen
Rode: 3547Zeichen
Rivius: 3162Zeichen
Vitruv(Latein): 2508Zeichen


PrestelhatfastfünfzigProzentmehrZeichenalsRiviusundfastdoppeltso
vielwiedaslateinischeOriginalgebraucht,umdengleichenTextzuüber
setzen. In Kapitel 3 ist klar geworden, dass Kürze um jeden Preis nicht
zwangsweisedieVerständlichkeiterhöht.Allerdingsstelltsichbeierklären
derÜberlängebereitsdieFrage,obessich,strenggenommen,beieinemsol
chenTextüberhauptnochumeineÜbersetzunghandelt.
UrsachediesesHangeszurzusätzlichenErklärung,besondersbeiReber
undPrestel–imGrundgenommenjedochbeiallen,istdieoffensichtliche
Tatsache,dassderlateinischeTextunvollständigindemSinneist,dasssich
alleinanhandderWortekeineineindeutigesGebäuderekonstruierenlässt,
daeszuvieleinterpretatorischeFreiräumegibt.Fürihrejeweiligengestalte
rischenEntscheidungenhabendieÜbersetzerwiedieAutorenwissenschaft
licherAbhandlungen archäologische Befunde anderer römischer Basiliken
zurRateundalsBeweisherangezogen.DasmagausbauhistorischerSicht
legitimsein,esverfälschtjedochdieWirkungunddenEindruck,welchedi
rektvomTextausgehen.AussemiotischerSichtistesdaherunzulässig,an
dereGebäudeoderauchnurandereTexteundZeichnungenalsBeweiszu
gebrauchen.Esgehtalleindarum,dieZeichenderEkphraseinihrerÜber
setzungineineandereSprachezuinterpretierenundnachdensemiotischen
WurzelnimursprünglichenGebäudezusuchen.Waseinerseitsschwerist,
dadiesesursprünglicheGebäudenichtmehrexistiertundauchkeineweite
renQuellenhierüberexistieren,andererseitswürdeeinVergleichmitähnli
chen,nochexistierendenGebäuden,keineVereinfachungbedeuten.Dennes

71
gehthiernichtumdieSemiotikeinerBautypologie,einesallgemeinenarchi
tektonischenCodes,sondernumeinkonkretesGebäude–welcheszwarauf
einemarchitektonischenCodebasiert,aberinseinersprachlichenÜberset
zungistesebenkeinGebäudemehr,sondernSprache.Undhierkannman
sichnichtmehrauftypologischeAllgemeinplätzezurückziehen.Hiergeht
esdarum,wieVitruvundnachihmseinedeutschenÜbersetzer,denarchi
tektonischenCodeeinerBasilikaamkonkretenBeispielinSpracheübersetzt
haben. Allerdings, und das erschwert die Untersuchung, haben sich die
deutschen Übersetzer eben doch anderer Bauwerke bedient, um die ihrer
MeinungnachkorrektenBegriffeundzusätzlichenEinschübezurechtferti
gen.
Es stellen sich also die Fragen: Was fehlt grundsätzlich im lateinischen
Text,umdasGebäudepräzisezubeschreiben?Und,washabendieÜberset
zer als gegeben übersetzt, ohne dass es der lateinische Urtext hergegeben
hätte?
DieersteFragekannnurallgemeinbeantwortetwerden,denn,wennman
genauwüsste,wasfehlt,würdeesnichtfehlen.Lediglichaufdieinhaltlichen
LückenimTextkannaufmerksamgemachtwerden.Unddawärendiekom
pletteAußenhaut des Gebäudes samt Öffnungen und Dekor, die Erschlie
ßungderEmpore,dieVerbindungderEmporemitdemÜbergangzumTri
bunal,dieInnenarchitektur,dieFußbödenunddieAnbindunganbenach
barteGebäudezunennen.
SogesehenstelltsichdieFrage,waswirüberhauptwissen.Allgemeinge
sagt,wärendiesdiegrundsätzlichenProportionen,diegrundlegendeInnen
raumgestaltung,dieTektonikderInnenkonstruktionunddesDaches,einen
TeilderBelichtungdesInnenraumes,teilweisedieMaterialität,dieAnbin
dungdesTribunalsandieInnenkonstruktion,diegrundlegendeFormdes
TribunalsunddieLagederBasilikazumForum.
DieseAngabensindzumTeilimOriginalzuallgemeinoderzumindest
verschiedeninterpretierbar,sodassdieÜbersetzerbereitsandiesenneural
gischenStellendenTextdurcheinebesondereWortwahlpräzisiertunddar
überhinausdiefehlendenAngabennachanderenarchäologischenBaube
fundenodereigenemErmessenergänzthaben.Diesgeneriertzwangsweise
einanderesGebäudealsdieVorlage,diedemantikenAutorvorAugenge
standenhabenwird.




72
4.2DasZeichenimWechselzwischenSpracheundArchitektur

DefinierenwireinGebäudealseinenvollständigenSatzvongeordnetenZei
chennacheinemlogischfunktionalenPrinzip–demarchitektonischenCode.
DieserZeichensatzentfaltetseinekommunikativeWirkungsimultan.Wird
erinSpracheübersetzt,müssenmöglichstgenaueEntsprechungenausdem
sprachlichen Zeichensatz gewählt werden, um die simultane Wirkung in
einesukzessiveWirkungzuübersetzen,diederartfolgerichtigist,dassim
AnschlusseineRückübersetzungineinenarchitektonischenCodeeinmög
lichstgetreuesundnichtnurungefähresAbbilddesGebäudesergibt.
Wiewirgesehenhaben,sehensichalleÜbersetzergezwungen,erklärende
EinschübeundPräzisierungenindenTexteinzuarbeiten,umeineFolgerich
tigkeitderSukzessionzugewährleisten,dieihnenimüberliefertenOriginal
unddessenarchitektonischenCodenichtgarantiertgewesenzuseinscheint.
Dieses persönliche Eingreifen in den Zeichensatzbau hat unausweichliche
KonsequenzenaufdieGestaltdesbeschriebenenGebäudes.Obwohlannä
hernddasGleichegesagtwird,wirddefactoetwasanderesalsGrundlage
derBeschreibunggesetztunddamitwerdenauchdietranslatorischenPrin
zipien,dieVitruvbeiAbfassungseinerEkphrasegebrauchthat,ungewollt
modifiziert.
Wieistdaszuverstehen?
BereitsimerstenAbschnittsindwiraufdasWorttestudogestoßen,dassvon
denÜbersetzernmitMittelschiff,mittleresGewölbe,innergewelb,mittleres
mithorizontalerfesterDeckeabgeschlossenesDachwerkodersogarTerrasse
übersetzt wird. Wie wir feststellen konnten, bedeutet testudo eigentlich
Schildkröte,abernebenDach/DeckeauchLauteoderLyra.Offensichtlichist
testudoeinHomonym,einWortmitmehrerenBedeutungen.DieWölbung
undMusterungdesSchildkrötenpanzerslassenzwarAssoziationenzumGe
wölbe, zur Kassettendecke oder zur Form des Lautenklangkörpers zu, im
GrundegenommenhandeltsichaberumverschiedeneBedeutungen.
WennVitruvinseinerEkphrasedasWorttestudogebraucht,liegtesnahe,
dasserwedervonSchildkrötennochvonMusikinstrumentenredet.Esstellt
sich aber für die Übersetzer die Frage, ob er Gewölbe oder einfach Dach
meint.BeideÜbersetzungensindzulässig.
MiteinemVerweisaufdienochvorhandeneBausubstanzandererBasili
kenhabendiejüngerenÜbersetzerdaraufhingewiesen,dasseinGewölbe
zuderZeitineinerBasilikapraktischnichtvorkommt.Prestelhatdeshalb
angenommen,dasseinfachnurderobereRaumabschlussgemeintseinkann,

73
derebennichtgewölbtist, währendReberundFensterbuschsichaufden
neutralen Begriff Mittelschiff zurückgezogen haben. Diese Version klingt
umso überzeugender, da Vitruv an dieser Stelle gar nicht die Deckenkon
struktionbehandelt,sonderneinfachdenRauminnerhalbderKolossalsäu
lenbezeichnet.DochgenaudieseÜbersetzung–Mittelschiff–trifftaufte
studonichtzu,siemussvielmehrinterpoliertwerden.DasProblemwirdof
fenbar.
Vitruv hat ein eindeutiges architektonisches Element oder Zeichen vor
AugenundübersetztdiesineinadäquatessprachlichesZeichen,ohnedabei
zuberücksichtigen,dassdurchdieHomonymitätdesgebrauchtenBegriffes
dieeindeutigeZuordnungzumarchitektonischenÄquivalentnurnochge
lingen kann, wenn dem Leser das Gebäude ebenfalls vorAugen steht, da
dadurchalleanderenmöglichenBedeutungeneliminiertwerden.DieseOp
tionstehtdenÜbersetzernnichtzurVerfügung.AuchderSatz,indemdas
Worteingefügtist,engtdieWahldermöglichenÜbersetzungennichtweiter
ein.DerVergleichmitarchäologischenBefundenisthier–wirhabenesbe
reitsausgeführt–abernichtzulässig,daVitruvnichtdieBasilikainPompeji
beschreibt,sonderndenBauinFano,auchwennbeideGebäudeaufeinen
architektonischenCodezurückgreifen.SchließlichwirdvonVitruvnichtdie
Idee eines Gebäudes beschrieben, sondern ein konkretes Objekt und das
mussodersolltesich in den gebrauchten sprachlichenZeichenwiderspie
geln.UmihrejeweiligeEntscheidungzubegründen,tundieÜbersetzeraber
genaudies–sieführendiekonkreteBaubeschreibungaufeineallgemeine
Idee,einenTypuszurück,inderMeinung,dadurchpräziserzuwerden,ob
wohlsieeigentlichallgemeinerwerdenundsichdemAnsinnenVitruvsent
fernen.
Hieraus ergibt sich eine merkwürdige Schlussfolgerung. Egal welches
WortdieÜbersetzerfürtestudoeinsetzen,siewerdensichimmervondem,
was Vitruv eigentlich meinte, entfernen. Diese Schlussfolgerung scheint
umsomerkwürdiger,daaufdenerstenBlickkeineinhaltlichenLückenim
Satzzuentdeckensind.Trotzdemisteslogischunmöglich,diesenSatzauf
einbestimmtesGebäudezurückzuführen.JedeFestlegung–auchwennes
zufälligdierichtigewäre–isthierimGrundegenommenWillkürdesÜber
setzers.
Die Unschärfe durch die Homonymität der Begriffe bzw. sprachlichen
ZeichenvergrößertsichmittelsderdurchdievondenÜbersetzerninterpre

74
tiertendenotativenundkonnotativenFunktionen.EinEffekt,deroffensicht
lichunwillkürlichauftrittunddessenVorhandenseingründlichbedachtsein
will,wennArchitekturinSpracheübersetztwird.


4.3DenotationenundKonnotationen

AufdenÜberlegungenEcosbasierend,habenwirfestgelegt,dassArchitek
turdenotativeundkonnotativeFunktionenkommunizieren,weshalbman
auchBauwerkesemiotischbetrachtenunduntersuchenkann.WirdeinGe
bäude,verstandenalsvielfältigfunktionalezeichenhafteBotschaft,inWorte
übersetzt,müssensichdieseDenotationenundKonnotationen,wiesieder
AutorundnichtetwaimNachhineinderÜbersetzerverstandenhat,wieder
finden.WirstehenjedochvordemgleichenProblemwieaufderZeichen
ebene,Vitruvs Intentionenvon den Interpretationen der Übersetzerdurch
HinzuziehungvonFakten,diejenseitsderEkphraseliegen,zuunterschei
denundkritischzuhinterfragen.AusdieserPerspektivekannesbeieiner
Übersetzungschließlichnichtdarumgehen,vageoderdurchdieJahrhun
derteverschwommeneAussagensozuinterpretierenundzuergänzen,dass
sie dem archäologischen Stand der Forschung entsprechen – auch wenn
dadurcheinefiktiveAnschaulichkeiterreichtwird,sondernderTextmuss
bestenfallsparallel,imGrundejedochseparatbetrachtenwerden.DieWorte
VitruvsalssukzessivgeordneteStellvertretereinessimultanwirkendenBau
werksmüssenfürsichalleinstehen.DashatnatürlichzurKonsequenz,dass
inhaltlichlückenhafteTexte,wieunserBeispieltext,aufewiglückenhaftblei
ben,unddasswenigKlarheitüberdiekonkretenGebäudeerlangtwerden
kann.Aberistesdenn,strenggenommen,nochVitruvsTextüberseineBa
silika,wennmanderÜbersetzunghinzufügt,dassaufGrundnochexistie
render ähnlicher Bauten die Decke kassettiert gewesen sein müsste, auch
wennnichtsdavonimüberliefertenUrsprungstextsteht?Istesdannnicht
vielmehreinKommunikationsKonglomeratausUrtextundeigenenErgän
zungen?Damitwirdnichtbestritten,dassderartigeErgänzungennichttat
sächlichzutreffendseinundgegebenenfallsdasVerständnisdesTexteser
höhenkönnen.Esmussnurklarsein,dasssienichtTeilderübersetzerischen
Verhandlungsind.
Wirhabenfestgehalten,dasssichdenotativeFunktioneneinesGebäudes
aus dem direkten Gebrauch (Funktionalität) bzw. der direkten sinnlichen
Wirkung(Ästhetik)ableitenlassen,währendkonnotativeFunktionenüber

75
dieseTatsächlichkeitenhinauserkanntwerdenmüssenundinAbhängigkeit
vonderjeweiligenkulturellenZeitunddenKenntnissendesindividuellen
Betrachtersvariierenkönnen.
DenotationenlassensichleichtinderEkphrasefinden.Vitruvberichtet,
dassinnerhalbdesGebäudesMarktreibenherrschtundimanliegendenTri
bunal juristische Streitfragen geklärt werden, architektonisch möglichst so
entworfen,dassbeideFunktionensichgegenseitignichtstören.Interessan
terweiseformuliertVitruvdiesePassagensonüchtern,dassmanalsLeser
glaubt,ineinemleerenGebäudezustehenundnurerklärtzubekommen,
wiemanesnutzenkönnte.EswirdkeineAtmosphärebeschrieben;esist,als
stündenwirvielmehraufeinerBaustelle.ImletztenAbsatzbeschreibtVit
ruvdieästhetischeFunktionseinerKolossalsäulen–nämlichdasssieaufder
einen Seite Kosten sparen und dabei gleichzeitig für außerordentlichen
PrunkdesInnenraumessorgenwürden.AuchdieDachkonstruktionwirdin
ihrerästhetischenWirkunghervorgehoben.
DassinddieDenotationen,diesichausderEkphrasezweifellosableiten
lassenunddiedieÜbersetzerauchallewiedergegebenhaben.Danngibtes
abernocheineArtdenotativerGrauzone.PrestelsInsistierenaufeinerKas
settierungderDeckenetwavermittelteineästhetischeFunktion,dieimOri
ginalnichtenthaltenist,ihmaberauchnichtzuwidersprechenscheint.Auch
Fensterbuschs Umdeuten des Begriffs euerganeae in Eichenholz verursacht
eineVeränderungderästhetischenWirkungeinesTeilbereichesderBasilika,
wennman–sowieeresimGegensatzzuPresteltut–voneinemoffenen
Dachstuhlausgeht.ÄhnlicheästhetischeVeränderungenentstehendurchRi
vius`FensterstatteinfachnurÖffnungenoderdenverschiedenenLagevari
ationenderdreiBalkenaufdenKolossalsäulen.PrestelsTerrassestatteines
DachesderEmporeverursachtsogareineVeränderungderfunktionalenDe
notationen.
WirhabenschonimvorangegangenenUnterkapitelfestgestellt,dassder
artigeEingriffeundErgänzungenimTextautomatischandereBauwerkebe
schreibenalsdasjenige,wasVitruvvorAugenstand.DieinhaltlicheUnvoll
ständigkeitderEkphrasehatoffensichtlichalleÜbersetzermotiviert,indie
ÜbersetzungweitereDenotationeneinzuarbeiten,mitdemWunsche,damit
dasoriginaleGebäudeschärferzuzeichnen,jedochmitdemErgebnissich
unumkehrbarvonderFanoBasilikaentferntzuhaben.Istesaufderlexika
lischen Ebene noch die Homonymität der Begriffe, die den Übersetzer zu
verschiedenenLösungenverleitetunddasGebäudedadurchunscharfwer

76
denlässt,istesaufdersemiotischenEbene,derKommunikationderFunkti
onen,derÜbersetzerselbst,derdurchseine,nichtausdemTextableitbaren
ErgänzungenseinereigentlichenIntention–derpräzisenBeschreibung–zu
widerläuft. Es stellt sich die psychologische Frage, warum die Übersetzer
dieseErgänzungennichtkonsequentindieFußnotenundKommentarege
packt,sondernsiestattdessendemantikenAutordirektindenMundgelegt
haben?GenaudiesesVorgehenlöstdieunendlichenwissenschaftlichenDe
battenundStreitgesprächeaus,währenddieeigentlichenlogischenFrage
zeichen,wieetwaderfunktionaleundästhetischeSinnderSäulenreduktion
vordemTribunal,durcheineproblemloselineareÜbersetzbarkeitderPas
sagekeinenWidersprucherregen.
NebendieserdenotativenGrauzonegibtesnochweiterführendeÜberle
gungeninnerhalbderForschungsliteratur,etwaobdieFassadezumForum
nichtsogaroffengewesenist,97dienochganzandereästhetischewiefunkti
onale Denotationen suggerieren, die aber nicht der Ekphrase zugeordnet
werden können, sondern aus anderen Textpassagen und archäologischen
Fundenabgeleitetsind.DiesesindnichtmehrThemaderUntersuchung.
DawirdasGebäudenichtselbstsehenkönnen,sondernstattdessennur
dieÜbersetzungeneinessprachlichenAbbildesuntersuchen,istdasErken
nenkonnotativerFunktionennochdeutlicherschwereralsdieKommunika
tionderDenotationen.
BesondersinteressantsindhierTextpassagenausdemerstenundletzten
Absatz,inwelchenVitruvdieästhetischeWirkungseinerBasilikabzw.ein
zelnerElementebeschreibt.DieWirkungselbstistdenotativ,dashabenwir
bereitsfestgestellt,aberdieArt,wiedieseWirkungformuliertwird,kommu
niziertunterschwelligauchkonnotativ.
DieGesamtwirkungseinerBasilikabeschreibtVitruvinseinerEinleitung
mitdignitatemetvenustatem.WirhabenanentsprechenderStellebereitsdie
VariationenindendeutschenÜbersetzungendieserBegriffeuntersuchtund
mitderjeweiligenZeitdesÜbersetzersinBeziehunggesetzt.Esliegtaufder
Hand,dassjedeÜbersetzungeineeigeneKonnotationevoziert,diederIn
tentionVitruvsbestenfallsnahekommenkann,dieunsjedochetwasdarüber
verrät,welcheKonnotationendieÜbersetzerVitruvunterstellen.
WarumhabenPrestelundRebervenustatemmitSchönheitübersetztund
FensterbuschundRodemitAnmut?WasunterscheidetSchönheitvonAn
mut?BeidessindBegriffedieeinepositiveästhetischeWirkungbeschreiben.

97   Vgl.Wiegartz1984,S.206ff.

77
DochscheintSchönheitmehreinegewissePerfektionoderMakellosigkeitzu
suggerieren, während Anmut eher eine Art Eleganz vermittelt, die nicht
zwangsweisemitPerfektioneinhergehenmuss.DieAnmutscheintdamitin
derHierarchiederästhetischenWirkungenunterderSchönheitzustehen;
eine„VastSchönheit“wieRiviusschreibt.DashatKonsequenzenaufdieArt
und Weise wie die Basilika als Bautyp im Vergleich zu anderen Bautypen
gesehenwerdenkann.SageichAnmut,istdieBasilikafürmicheinBautyp,
der auf Grund seines architektonischen Codes von vorn herein nicht zur
Schönheitberufenist.EsistbestenfallseinVergleichmitanderenGebäuden
desgleichenBautypsvorstellbarundhierzeichnensichgelungeneBauten
durcheinebesondereEleganzimVergleichzuanderenaus.Sageichhinge
genSchönheit,weistdasGebäudeeineMakellosigkeitauf,diejenseitsdes
architektonischen Codes liegt. Es ist schön, unabhängig davon wie ich es
nutze. Es ist anmutig, obwohl ich es auf bestimmteArt nutze. Das ist der
Unterschied.
DieserUnterschiedfälltauchaufVitruv,undwieerseineBasilikagesehen
hat,zurück.
Interessanterweise haben Rode und Fensterbusch auch im letzten Ab
schnittderEkphrasedieWirkungdesDachesmitanmutigübersetzt,wäh
rendReberundRiviusdenBegriffschönverwendenundPresteldasWort
herrlichgebraucht.AuchhierlassensichähnlicheRückschlüsseaufdieKon
notationenderÜbersetzer,diesieunbewusstVitruvhinzurechnen,ziehen.
DieLobpreisungderKolossalsäulenimAnschlusskannalssymbolische
Geste der Verehrung des Imperators interpretiert werden, die an anderen
Stellen des Traktats direkt auftritt.Aus dem römischen Senat – der stock
werksweisenSchichtungderSäulen–isteinedominierendeFigur–diealle
StockwerkeüberragendeKolossalsäule–geworden.DieseästhetischeKon
notation,diedirektdemTextentnommenwerdenkann,findetsichinallen
Übersetzungenwieder.Rivius`Übersetzungmitauthoritetunddapfferkeit
kommtdieserInterpretationsogarüberraschendnah.DieKonnotationwird
hierdurchdieWahlderWorteimVergleichzumOriginalalsonochverstärkt.
AnderssiehteshingegenbeidenKonnotationenderFunktionalitätaus.
VitruvsBeschreibungderdenotativenFunktionenistsonüchtern,dasssich
schwerkonnotativeSchichtenablösenlassen.EsgehtausdemTextnichther
vor,welcheräumlichenDistanzenzwischendemRichterstuhlunddemBe
reichfürdieStreitendenexistieren,worausKonnotationenentwickeltwer
denkönnten.AuchfehlenAussagenüberdieQualitätdesgroßenInnenrau

78
mes,umkonnotativeAussagenüberdieArtdesMarktgeschehensformulie
renzukönnen.JenachdemobdieFassadeoffenodergeschlossenist,kann
eshelloderdunkel,nassodertrocken,verhallt,staubigodermuffiggewesen
sein.WiemüssenwirandieserStelleVitruvsBetonenderKostenersparnis
bewerten?MüssenwirunsdasgesamteBauwerkalseinenSparbauvorstel
len,derjedochgleichzeitigdieästhetischeVollendungdesBautypsBasilika
darstellt?
AndieserStelledenFadenweiterspinnenwürdebedeuten,eigeneKon
notationen zu entwickeln, mit denen man frei vom Text und seinem ur
sprünglichenAutoraneinemGebäude,dasnichtdieFanoBasilikaist,wei
terbaut.
Eswirddeutlich,dassKonnotationeneinesGebäudesauseinembeschrei
bendenTextherauszulesen,schwerundinjedemFallunpräziseist,daoft
daskleineDetailfehlt,dasausschlaggebendist.ObdieKonnotationen,die
dieÜbersetzerdurchdieWahlderWorteVitruvindenMundgelegthaben,
alssolcheauchgemeintsind,istmindestensgenausoschwerzudefinieren,
dadieFestlegungaufunserenInterpretationenruht,dienichtzwangsweise
dieIdeenderÜbersetzerwiderspiegelnmüssen,daauchWortesichinihrer
BedeutungimLaufederJahrhunderteverändern.


4.4SchlechterSchreiberoderBlender?

DieSekundärliteraturhatstetsversucht,dentextlichenUnklarheitenmitar
chitektonischen Erklärungen und Lösungen zu Hilfe zu kommen. Fehlten
etwaBemerkungenüberdieAußenwände,wurdeangenommen,dassVitruv
sienichtfürwichtigoderalsallgemeinbekanntvorausgesetzthat.
Dabei sollte die hier angebrachte Frage der Forschung vielmehr lauten:
KannessichbeisolchenAuslassungeninderBeschreibungtatsächlichum
denentwerfendenundausführendenArchitektenalsAutorhandeln?
DieseFragezustellen,schließtdieAntwortmitein,dassVitruvgarnicht
derArchitektderFanoBasilikaseinkönnte.

79
DievonJuliusCaesarokkupierteundvonAugustuskolonisierteundbe
festigteStadtFanumFortunaewirdsowohlvonTacitus98alsauchvonPli
niusdemÄlteren99erwähnt.DieBautätigkeitunterAugustuswürdezumin
destdieMöglichkeiteröffnen,dassVitruv–oderaberjemandanderes–eine
neueBasilikagebauthabenkönnte.Bedenkenwiraber,welchenStatusVit
ruv hat. Er war nach eigenenAngaben Militäringenieur unter Caesar und
späterWasserbauingenieurunterAugustus.Waskonnteihnqualifiziertund
ausgezeichnethaben,ausgerechneteinsorepräsentativesGebäudewieeine
Basilikabauenzudürfen?Vitruvistegozentrischgenug,dass,wennernoch
mehrgebauthätte,dieseBauwerkeinseinemTraktatErwähnunggefunden
habenwürden.Esfindetsichabernichts.MitanderenWorten:Derinzwi
schenindieJahregekommenefrühereIngenieurhatkeineReferenzenvor
zuweisen.WürdemansojemandemdieAlleinverantwortungfürdenEnt
wurfunddieAusführungeinesöffentlichenGroßbauwerksübertragen?
AndererseitshatVitruvfürseineZeitgenossengeschrieben.Sicheinfach
als Urheber eines fremden Bauwerkes zu bezeichnen, bei welchem jeder
Fachkenner den Wahrheitsgehalt sofort nachprüfen kann, ist wohl ausge
schlossen.AlsowarVitruvirgendwieindasBauvorhabenFanoBasilikain
volviert,abererscheint,wennmansichdieEkphraseunterdiesemAspekt
genaudurchliest,nichtderfederführendeArchitektgewesenzusein.Esbe
stehtderVerdacht,dassVitruvaufGrundseinerIngenieurkenntnisseviel
leicht nur für die Dachkonstruktion, die er vergleichsweise detailliert be
schreibt, zuständig war. Daher kann er das Gebäude nur in dem Zustand
beschreiben,wieeszurZeitseinerArbeitenausgesehenhat:allgemeineAn
gaben über die grundsätzlichen Formen und Proportionen, Beschreibung
dertektonischenElemente,diefürdieKonstruktiondesDacheszuvorvon
Nötenwaren–Kolossalsäulen,Tribunal,Emporengänge–und,sehrdetail
reich,dieElementederDachkonstruktion,dieVitruvdannselbstentworfen
undausführenlassenhat.VitruvistdemnachderZimmermannderSchild
kröte!?
MachenwirdieGegenprobe.Sagenwir,VitruvistderalleinigeArchitekt
der Basilika, der nebenbei auch ein Traktat über dieArchitektur schreibt.
WiesoistdanndieEkphraseseineseinzigenBauwerkessounausgewogen–
maldetailliert,malnachlässigundinvielemlückenhaft?

98   Vgl.Tacitus,PubliusCornelius:Historien,WilhelmGoldmannVerlag,München1960,
Buch3/Kapitel50,S.218.
99   Vgl.Plinius1881,Buch3/Kapitel19,S.273.

80
Denkbarwäre,dasssichdieBasilikazurZeitderAbfassungdesKapitels
nochimBaubefindet.AberalsentwerfenderArchitektwäreVitruvallemal
inderLagegewesen,bereitsdasfertigeBauwerkvollständigzubeschreiben.
Dannsinddieinhaltlichen Lücken also tatsächlichderartbekannteEle
mente,sodasssiekeinerErwähnungbedürfen?WennmansichdiePräzision
derMaßangabenunddiepenibleAuflistungdereinzelnenDachelementean
schaut,fällteszumindestschwer,sichvorzustellen,dassVitruvsozentrale
ElementewiedieAußenhautunddieinnereErschließungvollständigweg
lässt.
DannwärenvielleichtVitruvssprachlicheDefiziteanzuführen?Beialler
KritikamSprachstil,dieindenJahrhundertenseitderRenaissancedurchaus
berechtigtwarundlautwurde,dasGesamtwerkistinsichdurchauslogisch
aufgebautunddieThemenwerdenstringentabgearbeitet.Esistschwervor
stellbar, dass Vitruv ein Gebäude, das er selbst entworfen hat, derart fern
jederLogikbeschriebenhabenwürde,wiederTextheuteaufunsgekommen
ist.
DamitbleibtdieletzteOption,nämlich,dassdieEkphraseimLaufeder
JahrhundertedesreinenAbschreibenssukzessivedurchUnleserlichkeitund
UnverständniszuerstgekürztunddanninspäterenJahrhundertennachei
genemErmessenrudimentärwiederergänztwird.WichtigePassagenüber
dieFassade,dieInnendekorationundInnenarchitekturimAllgemeinenwä
rensounwiederbringlichverlorengegangen;dennjederVersucheinerEr
gänzung–wirhabenesbereitsmehrfacherwähnt–erschaffteinneuesGe
bäude,dasderursprünglichenFanoBasilikabestenfallsähnelt.
Eine definitive Antwort kann hier also nicht gegeben werden. Aber es
scheintdurchauslohnenswert,wenninzukünftigenForschungsarbeitenmit
dem Thema der Urheberschaft Vitruvs kritischer umgegangen wird als es
bisherderFallwar.


81
5.„DerMenschbesitztdieFähigkeitSprachezu
bauen.“100

AmAnfangderUntersuchunghabenwirunsdieFragegestellt,obesmög
lichsei,einbestimmtesGebäudederartinSprachezuübersetzen,dassman
dieseseineGebäudenuranhanddesTexteswiederrekonstruierenkönnte.
AmEndederUntersuchungkönnenwirzunächsteinmalfesthalten:Vitruv
konnteesjedenfallsnicht.
AberwirhabennichtnachderMöglichkeitimEinzelfallgefragt,sondern
die allgemeinen Bedingungen der Möglichkeit einer derartigen Mehrfach
Translation gesucht. Diese Suche geschah mittels der Untersuchung eines
konkretenBeispieltextesbzw.dessenÜbersetzungen,welchediebesondere
VoraussetzungdesisoliertenMediumsmitbringt.DieseIsolationderInfor
mationbewahrteunsvordernurallzunaheliegendenVermengungvonOri
ginaltext, ergänzender zeitgenössischer Literatur und archäologischen Be
funden.
DarüberhinausistVitruv aufGrundseinesAltersundderscheinbaren
Überlebtheitseiner Rezensionen – auf den erstenBlick–neutralesTerrain
wasdasVerhältnisvonArchitekturundSpracheinHinblickaufdieaktuelle
Architekturentwicklung angeht.Aber das ist, wie abschließend zu zeigen
seinwird,nichtganzrichtig.DasdurchdiegewonnenenErkenntnisseent
wickelte Verständnis,Architektur und Sprache zusammen zu sehen, lässt
sichauchaufdieGegenwartanwenden.


5.1DieFragenachdemZweckdesGanzen

InderEinleitunghabenwirfestgelegt,dasszwischenArchitekturundSpra
cheeinekompatibleZeichenhaftigkeitbesteht.Wirhabenaber,aufEcosAus
führungenaufbauenderkannt,dassdiebeidenZeichensystemenichtdirekt
gleichgesetztwerdenkönnen.WährendSprachebeinahunendlichvielege
nerative Möglichkeiten bietet, produziert reale Architektur bereits fertige

100 Wittgenstein2003,S.29.

82
Schemata–andernfallswürdedasBauwerkinseinerErscheinungundFunk
tionnichtverstandenwerden.
Hierausfolgt,dassZeichenverschiedenkomplexseinkönnenund,dass
eineTranslationvonArchitekturinSprachenichtnurdieProblematikder
Synonymitätprovoziert,wieesauchzwischenzweiverbalenSprachender
FallistundderenLösungvonEcoalsVerhandlungbezeichnetwird,sondern
auch, vertikal, die verschiedenen Ebenen der Komplexität von Zeichen
kreuzt.EinFakt,dersichbesondersproblematischaufdieReKonstruktion
auswirkt.
DochzunächstmüssenwirdieZeicheninihrerFunktionundKomplexität
inderSpracheundinderArchitekturbetrachten.ÜberdieBedeutungdes
sprachlichenZeichensgibteszahlreicheLiteratur.Hierseiwiederumeine
ArbeitUmbertoEcos–dieKonzentrationaufeinensovielseitigenunddank
barenAutorenwahrtauchdierelativeEinheitunsererTheorie–empfohlen:
Zeichen.EinführungineinenBegriffundseineGeschichte.101
DieeinfachstenZeicheneinerverbalenSprachesinddiekleinstenbedeu
tungstragendensprachlichenEinheiten–dieMorpheme.DieseMorpheme
können,jenachIntentionundAbsicht,lexikalisch(Lexeme)odergrammati
kalisch(Grammeme)sein.
UnterhalbderMorphemegibtesnurnochdiePhonemealskleinstebe
deutungsunterscheidendesprachlicheEinheiten,diejedochselberkeineBe
deutunghaben.Unddas,derBesitzeinerBedeutung,istdieGrenze,dieEco
setzt,umdieMinimaleinheitdesZeichenszudefinieren.102Alsobeginntdie
Zeichenhaftigkeitder verbalen Sprachemit denMorphemen.Diesesetzen
sich zu Wörtern zusammen; die Wörter zu größeren Sinneinheiten, diese
wiederumzuganzenSätzen;unddieSätzeschließlichzueinerRede,oder,
wennsiegraphischfixiertwird,zueinemText.103DieKombinationderein
zelnenTeilefunktioniertnacheinemsyntaktischenCode–derGrammatik.
DamitistdiegrundlegendeStruktureinerverbalenSprachedargelegt.Wer
einen ausreichend vielseitigen Wortschatz hat und die Grammatik be
herrscht,kannallessagenundbezeichnen,wassichdenkenlässt.

101Vgl.Eco,Umberto:Zeichen–EinführungineinenBegriffundseineGeschichte,Suhrkamp
Verlag,FrankfurtamMain1977.
102Ebenda,S.35.

103Siehehierzuauch:Eco,Umberto:ApokalyptikerundIntegrierte–ZurkritischenKritikder

Massenkultur,FischerTaschenbuchverlag,FrankfurtamMain1986,besondersKapitel
3„DieStrukturdesschlechtenGeschmacks“,S.59ff.

83
WiesiehtesjedochbeiderArchitekturaus?Hiermüssenwirunsaufdas
verlassen,waswirwährendderUntersuchungherausgefundenhaben.Ar
chitekturlässtsichnichtsoeinfachaufeinenGrundbausteinwieimFalleder
Sprachereduzieren.DaArchitekturnichtabstraktsondernobjektgebunden
ist,müsstemanandernfallsaufsubatomarerEbeneanfangenunddannauch
nochdasProblemderkleinstenEinheitderFunktionserfüllungundRaum
gestaltungbewältigen.DiesinSprachezuübersetzenwürdebereitsfürdie
BeschreibungeineseinzelnenZiegelsteins,einenunendlichlangenTextge
nerieren.
Gibt es dann überhaupt eine architektonische Minimaleinheit des Zei
chens,einearchitektonischeMonade,einkleinstesModul,dasalleAspekte
berücksichtigt?
Halten wir noch einmal fest, dass als sprachliche Minimaleinheit, die
kleinsteEinheitbezeichnetwird,diefürsichalleinnochbzw.schoneineBe
deutungträgt.
WelchekleinsteEinheitderArchitekturmiteinereigenenBedeutungließe
sichdemgegenüberstellen?Esliegtnahe,nachdiesersemiotischenMonade
imBereichderMaterialitätundKonstruktionzusuchen.EinBacksteinetwa
kommuniziertbereitsdurchseinekantige,regelmäßigeForm,seineFestig
keitundseineProportiondieSoliditäteinermassivenMauer,dieausvielen
BacksteineninanalogerRegelmäßigkeiterrichtetwerdenkann.Aberwiege
henwirdannmitBetonwändenum?WennwirunsdannstattdessenanLeon
BattistaAlbertihaltenundvonWandalseinemGrundelementreden,haben
wirebendasProblem,dasssichdieWandinbedeutungstragendeEinzelteile
–Materialität,Schichten,Öffnungen–zerlegenlässt.KeineFrage,eineWand
kannbereitseinkomplexesZeichensein,aberwennichsieausBetongieße,
ließesiesichschwernocheinmalinbedeutungstragendeEinzelelementezer
legen.AlsoistbeispielsweisedieWandeinmaleinkomplexesZeichenund
einandermaldiesemiotischeMinimaleinheit.Eskommtdemnachaufden
architektonischenCode,dievorgefertigtenSchemataan,umdefinierenzu
können, aus welchen Minimaleinheiten ein bestimmtes Gebäude besteht.
DerarchitektonischeCodedarfnichtmitdemsyntaktischenCodederArchi
tektur–derTektonik–verwechseltwerden.DiesergiltfüralleGebäudeund
Typologiengleichermaßen.
DerAutor einer Baubeschreibung muss also, bevor er zu schreiben an
fängt,sichüberdenderAllgemeinheitbekanntenundverständlichenarchi
tektonischenCodeseineszubeschreibendenGebäudesimKlarensein.Aus
diesemCodeistabzuleiten,welcheDateninSprachezuübersetzensindund

84
welchemanweglassenkann.BeieinerBacksteinwandmachtesSinn,dieArt
deseinzelnenSteins,derFugeunddenVerbundzubeschreiben,während
einedetaillierteBeschreibungderKiesZementMischungeinerSichtbeton
wand–abgesehenvonexzentrischenAusnahmen–überflüssigist.
ImGrundegenommen,hatesVitruvrichtigbegonnen.Zuerstbeschreibt
erdenarchitektonischenCodeimAllgemeinenanhandseinerNormalbasi
likaundsetztdanachzueinerBeschreibungseinesBauwerksan,mitdem
VerweisaufGemeinsamkeitenundUnterschiede.AberderTextistausver
schiedenenGründenvielzuungenau.Wirkennenheutewederdenvollstän
digen architektonischen Code einer antiken Basilika noch können wir der
Ekphrase alle Besonderheiten und Eigenarten dieses speziellen Bauwerks
entnehmen.WirhabendaszumeinenaufVitruvsUnkenntnisdesfertigen
Gebäudeszurückgeführt,müssenandererseitsauchdieVerfälschungenund
Auslassungen,dieimLaufederJahrhundertedenTextbelastethaben,be
rücksichtigen.
Die eben erarbeitete logikbasierte, kompatible Zeichenhaftigkeit zwi
schen der objektiv in Morpheme zerlegbaren Sprache und der subjektiv,
nacheinemarchitektonischenCode,zerlegbarenArchitekturhilftunsnicht
nurhistorischeAutorenzu kritisieren,siebietetunsauchEinblickeindas
aktuelleArchitekturgeschehen. Denn es stellt sich die Frage, ob wir noch
überallgemeingültigearchitektonischeCodesverfügen,dieesunsermögli
chen, moderne Architektur direkt sinnlich und indirekt intellektuell über
Sprachekommunikativalsdaswahrzunehmen,wassieistbzw.seinsollte.
DieFragestellungmutetzunächstetwasprovokantodervielleichtüber
zogenan.KönnenwirdochinderRegelArchitekturvonNichtArchitektur
unterscheiden.Abergelingtesuns,lediglichaufGrundunsererKenntnisar
chitektonischerCodes,einemmodernenGebäude–ohnezusätzlicheInfor
mationen–seinenfunktionalenZweckabzulesen?Istesnichtvielmehrso,
dassgeradebeibesondersexponiertenBauten,derzuGrundeliegendear
chitektonischeCodedurchdiversenichtarchitektonischeCodesderartüber
lagertwird,dasswirdieeigentlichenDenotationenundKonnotationennicht
mehrempfangenkönnen?UndeinGebäude,dassdurcheinZuvielanande
renZeichen,nichtmehrverständlicharchitektonischkommuniziert,unsere
aufGewohnheitundGebrauchbasiertenarchitektonischenCodesignoriert,
kannauchnichtineinerEkphrasebeschriebenwerden.Ohneklarerkenn
barearchitektonischeCodeskannauchnichtdiejeweiligesemiotischeMini
maleinheitdefiniertwerden.Unabhängigvondenindividuellunterschied

85
lichausgeprägtenVermögen zurAbstraktion undzurräumlichenVorstel
lungkönnenwirnursagen,wasesnichtistundwasesjenseitsderArchitek
turdarstellensoll.
DieseÜberlagerungdurchandereZeichenbeschränktsichheutzutage–
tendenziell,nichtabsolut–nichtaufoberflächlichenZierratwiezurZeitdes
Historismus,sondernsiegreifttiefindieGebäudestruktureneinunddomi
niertzumTeilMaterialität,FunktionalitätundÄsthetik,waseigentlichAuf
gabederArchitekturseinsollte.FehlteVitruveinstdieSprache,mangeltes
heuteanarchitektonischenVokabeln.
Mit anderen Worten: Wir neigen dazu, Schildkröten statt Gewölbe zu
bauen.DieseNeigungbasiertaufdemallmählichenVerlustderarchitekto
nischenCodesdurcheinZuvielannichtmehrklardefinierbarenAlternati
ven.DieZeichenwerdenunscharf–eineneuebabylonischeSprachverwir
rungdroht.


86
A.1Primärquellen
A.1.1RiviusÜbersetzung(1548)

Weitermögensolchepallastinschönergestaltdermassengeordnetwerde,
alswirdePallastJulieerbawethabemitfenstergestelle,welcherPallastin
volgender proportion und Symetri gesetzt ist, das inner gewelb zwischen
denColumneist120werckschuchlangun60werckschuchbreit,derSchopff
oderPorticusumdasmitlergewelbzwischendermaurenundColumne,ist
gewesen20werkschuchbreit,aberdieseulenhabeinallerirergantzehöhe
samptdenCapitelen50werkschuchgehaltenundfünffwerkschuchinder
dicke,mitirenstockpfeilernsodieschwibbogentragen,derParastraten20
schuchhochundanderthalbschuchbreit,vonwelchemdiebalckenunter
haltenwerden,darauffderbodendervorschöpffgelegtwird,auffsolchePa
rastratenwerdenandreschwibbögenpfeilergesetzet18werckschuchhoch,
unndzwenwerckschuchbreit,uneinenwerckschuchdick,welchewiderum
die balcken tragen, sambt den Canterien und oberschopff der nidrigen
dachungunterhalbdegewelb.
Die uberigen spacien zwischen den Parastaten und Columne sind dem
liechtundfensternzuverordnet,dieColumnesindinderbreytTestudinis
odergewelbs,mitbeydenEckcolumnezuderrechtenunlinckenseitenvier,
undnachderleng so dem Foro am nechste mitirenEckseulen8,vonder
andernseite6,sambtdenEckseulen,dandiezwomittlerenColumnensind
nitgesetzetworden,damitsolchenitverhindertendasansehendeshaußAu
gustii,soinmittlerseytenderwanddisesPallastserbaweist,gegendermit
Fori,undgegendemTempelJouisgericht.
EsistaucheinTribunaloderKörleinindisemPallasthalbZirckelrondmit
geringer krümme formiert, solcher halber Zirckelkreiß ist zuvorderst aus
serhalbimbegriffsexundvierzigwerckschuch,aberinnerhalbaufffünffze
henschuchgeordnet,damitdiesovordemMagistrathandleten,diehanthie
runginirengewerbshendlennithindretten.AuffdenColumnensindher
umbgelegtgrosseTramenvondreyschuchdickbalckenzusamengesetzt,
solchewiderkerenvondendritteninnerenColumnenzudenAntensovon
Pronao hinfür gesetzet werden, und sich erstrecken zu beyder seyt der
linckenunndrechten,bisdassiesolcheaußgeladenerondeerreichen.
auffsolchebalckengeradobendenCapiteelensindpfeylergesetzt,drey
schuchinderhöhe,allenthalbeninderbreitevierschuch,auffdieselbigen
sindgrossebalckengelegtvonzweyschüchigentramenEuerganeaegenant

87
vonGriechen,darauffdieTranstramitdenCapreolisgegendenZophoren
AntenunndwandodermaurendesPronai,einforstoderunterzugunter
halten,wirdnachderlengedesgantzenbawsgezogen,Dieanderforstgehet
vondermitteuberdasPronaumdesbaws.
AlsoerhebtsichzwyfachedispositionderForstenoderdurchzugdeseus
serstendachsunnddesinnerngewelbs,welcheseinvastschönegestaltgibt
dieunterlassungderzierungderEpistilien,unddieordenierungderobern
Columnensambtdenzwischenwenden,erspareteintrefflichemüheundnit
wenigeinsgrossenunkosten.Aberdiegrossehöhebisvonunterstzudem
obersten Testudines oder übergewelbs, gibt dembaw ein herlich ansehen,
unndbringtdemgantzenwerckeinauthoritetunddapfferkeit.


A.1.2RodeÜbersetzung(1796)

DieArtvonEinrichtung,derichmichbeyderBasilikaderIulischenColonie
zu Fanestrum bedient habe, giebt diesen Gebäuden ebenfalls die größte
Würde undAnmuth. Die dabey gebrauchten Verhältnisse – symmetriae –
sind folgende: Das mittlere Gewölbe – testudo – zwischen den Säulen ist
hundertundzwanzigFußlangundsechzigbreit.DerSäulenganguntenum
dasGewölbeherhältvondenSäulenbiszurMauerzwanzigFußanBreite.
DieSäulen,mitInbegriffderKapitäle,sindfunfzigFußhochundfünfedick,
undhabenPilaster–parastatae–hintersich,zwanzigFußhoch,drittehalb
Fuß breit und anderthalb Fuß dick, welche die Balken tragen, worauf das
DielenwerkderoberenGängederPortikusruhet.Überdenselbenbefinden
sichnochanderePilaster,achtzehnFußhoch,zweyFußbreit,undEinenFuß
dick,welcheebenfallsBalkenunterstützen,diedasSparrenwerk–cantherius
– und die Dächer der Portiks, die niedriger sind alsdas mittlere Gewölbe
sind,tragen.
DerübrigeRaumzwischendenUnterbalkenderPilasterundSäulenistin
denZwischenweitendemLichtegelassen.DerSäulensindinderBreitedes
Gewölbes,dieEcksäulenzurRechtenundLinkenmitgerechnet,jevier:in
derLänge,aufderSeitenächstdemMarkte,dienehmlichenEcksäulenmit
gerechnet, acht: und auf der anderen, gleichfalls mit den Ecksäulen, nur
sechs,ausdemGrunde,weildiebeydenmittlerenaufdieserSeitenichtge
setztwordensind,damitsienichtdenAnblickderVorhalle–pronaos–des
TempelsAugustusverhindernmöchten,welchermitteninderSeitenwand

88
derBasilikeangebrachtist,undnachdemMitteldesMarktsunddemTem
pelJupitershinsieht.
IngleichenistdasTribunalindemTempel–ineaaede–(inGestalteines
Halbzirkels, nur etwas weniger gekrümmt; denn der Zwischenraum zwi
schendenäußerstenEndendesHalbzirkelsbeträgtsechsundvierzigFuß;
dieinnereKrümmeaberfunfzehnFuß)damitdiejenigen,sobeydenobrig
keitlichenPersonenzuthunhaben,nichtvondenHandelsleuteninderBa
silikegestörtwerden.ÜberdenSäulenlegenringsumherArchitravenaus
dreyzusammengefügtenZimmerstückenvonzweyFuß,unddiesewenden
sich von den beyden dritten Säulen im Innern nach den von der Vorhalle
hervortretenden Eckwandpfeilern – antae hinüber, und laufen Rechts und
LinksfortbisandenHalbzirkel.
Über denArchitraven sind, gerade über den Kapitälen, gleich Stützen,
Pfeilergestellt,diedreyFußhochundvierFußinsGeviertedicksind.Über
diese sind aus zweyzweyfüßigen Zimmerstücken wohleingebundene Bal
ken–trabeseverganeae–ringsherumgelegt,woraufSpannrigel–transtra
–mitStreben–capreoli,–welchegeradeüberdenFriesen–zophori–und
überdenEckwandpfeilern–antae–undWändenderVorhalle–pronaos–
angebracht sind, einen Firstbalken – culmen – tragen, welcher der Länge
nach über die ganze Basilike hinüberreicht, ingleichen einen andern, der
vomMittelderselbensichüberdieVorhalledesTempelshinerstrecket.
DiealsoentstandenezwiefacheEinrichtungderGiebel–fastigium,–von
außendesDachesundvoninnendeshohenGewölbes,gewähreneinanmut
higesAnsehen.IngleichenerspartdieHinweglassungdesKranzgesimses–
epistyliorumornamenta,–unddieEinrichtungderBrustlehneundderobe
renSäulennichtalleineinelästigeMühe,sondernaucheinengroßenTheil
derKosten:dahingegendie,bisunterdenUnterbalkendesGewölbesinEi
ner Höhe hinaufgeführten Säulen sowohl über alles Verhältnis gegen den
Aufwandprangen,alsauchdemGebäudenocheinegewissenGrößeverlei
hen.


A.1.3ReberÜbersetzung(1865)

AuchkönnenwohljeneBasilikendiehöchsteWürdeundSchönheitentfalten,
welcheinderArteingerichtetsind,wieicheinesolchefürdiejulischeKolo
nieFanumentworfenundgebauthabe,derenZahlenundMaßverhältnisse
infolgenderWeiseangeordnetsind:DasMittelschiffzwischendenSäulen

89
isthundertzwanzigFußlangundsechzigFußbreit;derKorridorringsum
dasMittelschiffistvondenSäulenbiszudenWändenzwanzigFußbreit;
dievonuntenbisobenreichendenSäulenmessenmitdenKapitellenfünfzig
FußinderHöhebeieinerDickevonfünfFuß,undhabenanihrerRückseite
PilasterzwanzigFußhoch,zweieinhalbFußbreitundanderthalbFußdick,
welchedieBalkentragen,aufwelchendieDeckedesSäulengangsruht;und
darüber werden andere Pilaster angebracht, die achtzehn Fuß hoch, zwei
FußbreitundeinenFußdicksindunddasSparrenwerkunddasDachder
Säulengängetragen,dasetwastieferunterhalbdemdesMittelschiffesange
brachtist.
DernochübrigeRaumzwischenderBalkenlageüberdenPilasternund
der über den Säulen ist für das durch die Säulenzwischenräume eindrin
gendeLichtoffengelassen.WasdieSäulenbetrifft,sosindderenanderrech
tenundlinkenSeitedesMittelschiffesmitEinschlußderEcksäulenjeviere,
aufderandasForumgrenzendenLangseitemitdenselbenEcksäulenacht,
aufderandernSeitemitdenEcksäulensechs,deshalb,weildiezweimittle
renaufdieserSeiteweggelassensind,damitsienichtdenAnblickderVor
halledesAugustustempelsverdecken,derinderMittederLangseitenwand
derBasilikaundmittenaufdasForumundgegendenTempeldesJupiter
schauenderrichtetist.
DasTribunalferner(dieErhöhungfürdenRichterstuhl),welchessichin
jenemTempelbefindet,istnachderKrümmungeinesKreisbogens,deret
wasgeringeralseinHalbkreisist,geformt,vondiesemKreisbogenabermißt
derAbstandanderStirnseite(dieSehne)sechsundvierzigFuß,dieTiefe(der
Radius)diesesKreisbogenausschnittesaberfünfzehnFuß,sodaßdiejenigen,
welchebeidenObrigkeitenstehen,dieGeschäftsleuteinderBasilikanicht
behindern.ÜberdieSäulensindBalken,ausdreigedoppeltenzweifüßigen
Zimmerstückenbestehend,gelegt,unddiesewendensichvondenbeider
seitsdrittenSäulenderinnerenLangseitezudenEckwandpfeilernab,wel
che von der Tempelvorhalle vorspringen und zur Rechten und Linken an
denEckendesKreisbogenausschnittessichbefinden.
Über diesen Balken sind gerade oberhalb der Kapitelle Pfeiler von drei
FußinderHöhemiteinerGrundflächevonvierFußimGeviertealsStützen
verteiltangebracht.ÜberdiesensindringsumBalkengelegt,auszweiZim
merstückenjezweiFußstarkwohlzusammengearbeitet,überwelchedann
die Querbalken mit den Streben, den Säulenschäften, denAnten und den

90
WändenderTempelvorhalleentsprechendgelegt,diezweiFirstbalkentra
gen,nämlichdeneineninderLängenrichtungderBasilikaunddenanderen
vonderMitteaninderRichtungüberdieTempelvorhallehin.
DiesichsokreuzendedoppelteGiebelanlagegibtsowohlderAußenseite
desDaches,alsauchderHöhedesMittelschiffesinneneinschönesAnsehen.
FernerbenimmtdieWeglassungeinesGebälkesderZwischenmauer(zwi
schendenbeidenSäulenreihen)undderoberenSäulenstellungdieLangwie
rigkeit und Schwierigkeit derArbeit und vermindert die Summe desAuf
wandesumeinengroßenTeil.DieSäulenselbstaberinununterbrochener
HöhebisunterdasBalkenwerkdesMittelschiffesgeführt,dürftensowohl
demAufwandeeinengroßartigenAnstrichgeben,alsauchdieBedeutsam
keitdesBauwerkeserhöhen.


A.1.4PrestelÜbersetzung(191214)

KeinegeringereWürdeundSchönheitdarfdiekünstlerischeAusstattungje
nerBasilikenartbeanspruchen,wieicheinederartigefürdieJulischeKolonie
FanestrisentworfenundalsArchitektihreAusführungselbstgeleitethabe;
derenEinzelverhältnisseundkünstlerischesEbenmaßsindaberinfolgender
Weiseangeordnet.DasmittleremithorizontalerfesterDeckeabgeschlossene
Dachwerk ist innerhalb der Säulen (im Lichten) 120 Fuß lang und 60 Fuß
breit;diedasMittelschiffumgebendenHallensindzwischenSäulenundder
Außenmauer 20 Fuß breit. Die durchgehenden Säulen des Mittelschiffes
messenmitEinschlussihresKapitells50FußbeieinemunternDurchmesser
von5Fuß.DiesensindanderRückseite20Fußhohe,21/2Fußbreiteund
11/2FußdickePilasterangefügt,welcheBalken,trabes(d.h.Unterzügenebst
Tragbalken),aufnehmen,innerhalbwelchendasGetäfelwerkmitKassetten,
contignationes,desunternPortikuseingespanntist.UeberdiesemGebälk
werksindweiterhin18Fußhohe,2Fußbreiteund1FußdickePilasterauf
gestellt, die ebenfalls Querbalken, trabes, aufnehmen, welch letztere das
Sparrenwerk,canterium,nebstderDeckenstrukturmitihrenKassettentra
gendieunterderVerschalung der darüber befindlichen,testudo, Terrasse
eingefügtsind.
DerübrigeRaum,welcherzwischendemGebälkabschlussmitSimskrö
nung,deroberenPilasterstellungderSeitenschiffeunddemEpistyliumder
Mittelsäulensichbefindet,istinnerhalbderSäulenabständefürdaseindrin

91
gendeLicht(alsFenster)offenbelassen.WasdieAnzahlderSäulendesMit
telsaalesanbelangt,sobefindensichandenStirnfrontenmitEinschlußder
rechtenundlinkenEcksäulenjevier,anjenerLangseite,welchezunächst(an
dieAußenseite)desForumsgrenzt,befindensichinklusivejenerEcksäulen
acht,anderentgegengesetztenLangseitejedochmitdenEcksäulennursechs
anderZahl;undzwarsinddiemittlerendeshalbausgefallen,damitdiese
nicht denAusblick auf die Vorhalle der Basilika, auf den Mittelpunkt des
Forums und das (gegenüber befindliche) Heiligtum des Jupiter gerichtet,
eingebauterscheint.
AndiesernachdemTempelhingerichtetenStelleistzugleichinGestalt
eines Kreisausschnittes der erhöhte Sitz für die Handelsrichter, Tribunal,
hergerichtet,wobeiaufdenRadiusdesbetreffendenKreisbogens46Fuß,auf
die Tiefe des Bogensegments bis zu den seitlichen Pilastern 15 Fuß fallen,
damit die Leute, welche bei derAmtshandlung sind, die Kaufleute in der
Basilikanichtbehindern.UeberderSäulenstellung(derMittelhalle)sindBal
ken,ausdreijezweiFußhohen(gedoppelten)undfestzusammengefügten
Zimmerstückenbestehend,ringsgebreitet.DiegleicheKonstruktionreicht,
vonderdrittenimLanghausebefindlichenSäuleimrechtenWinkelabbeu
gend, zu den Eckpfeilern hin, welche an dem Seitenschiffe, pronaos, zu
nächstderTribunavorspringenundhierselbstrechtsundlinksdieStufen
desRichtersitzesflankieren
aufjenen(alsEpistyldienenden)BalkenlagensindüberderAchsederje
weiligen Säulenkapitelle Steinpfeiler als Stützen, fulmenta, in regelrechter
Anlageaufgemauert,welcheeineHöhevondreiFußbeieinerGrundfläche
vonvierFuß(alsStückedesZophorus)einnehmen.OberhalbdieserStänder
isteinauszweiFußstarkenZimmerstückenscharfkantigbearbeitetesBal
kenwerk,euerganeaetrabes,gebreitet,überwelchemdieQuerbalkennebst
demStrebewerkderDachstruktur,denSchäftenderSäulen,Antenundden
Umfassungswänden des Langhauses (sowie) jenen des Pronaos entspre
chend,sichbefinden,welcheGesamtstrukturzweiFirstbalken,nämlichei
nen die Längenachse der Basilika durchlaufen, den andern, von der Mitte
desDachscheitelsinderRichtungnachderTempelvorhallesicherstreckend,
aufnimmt.
Diese zweifach sich kreuzende Giebelanlage verleiht hiernach der Au
ßenerscheinungdesDachwerkes,tecti,wiederInnenansichtderhohenDe
ckenstruktur,testudinis,einherrlichesAnsehen.IngleichemSinnebenimmt
dieWeglassungeinesweiterenKranzgebälkesnebstobererSäulenstellung
mit ihrem unteren Mauergürtel, pluteum, im Mittelschiffe eine mühevolle

92
beschwerliche Arbeit und vermindert zum großen Teile die Kosten der
Bauschöpfung. Während andererseits die Säulen in einheitlicher Form bis
zumGebälkwerkedesMittelschiffessicherheben,sindsiegeeignetdenKos
tenaufwandgewaltigererscheinenzulassenunddemWerkeeinarchitekto
nischbedeutsameresAnsehenzuverleihen.


A.1.5FensterbuschÜbersetzung(1964)

NichtwenigerkönnenEntwürfevonBasilikenvonderArthöchsteWürde
undAnmuthaben,wieichdieBasilikafürdieKolonieFanoentworfenund
untermeinerLeitungalsArchitekthabebauenlassen.DerenProportionen
undSymmetriensindsobestimmt:DasMittelschiffistzwischendenSäulen
120Fußlang,60Fußbreit.DerSäulenumgangumdasMittelschiffistzwi
schen den Wänden und den Säulen 20 Fuß breit. Die Säulen haben eine
durchlaufendeHöheeinschließlichderKapitellevon50Fuß,eineDickevon
5Fuß.AnihrerRückseite(nachdenWändenzu)habensiePilaster,die20
Fußhoch,21/2Fußbreitund11/2Fußdicksind,diedieBalkentragen,auf
denendieDeckedesSäulengangesruht.ÜberdiesenstehenanderePilaster,
die18Fußhoch,2Fußbreitund1Fußdicksind,dieebenfallsQuerbalken
aufnehmen,diedasSparrenwerkunddasDachderSäulengängetragen,das
etwastieferunterhalbdesDachesdesMittelschiffeseingefügtist.
DerRaum,derzwischendenBalkenaufdenPilasternunddenenaufden
Säulenübrigbleibt,istfürdieLichteinstrahlungdurchdieSäulenzwischen
räumehindurchoffengelassen.AnderSchmalseitedesMittelschiffessind
einschließlichderEcksäulenrechtsundlinksje4Säulen,anderLangseite,
die dem Forum am nächsten ist, einschließlich derselben Ecksäulen 8, auf
deranderenSeitemitdenEcksäulen6,weilandieserStellediebeidenmitt
lerenSäulennichtgesetztsind,damitsienichtdieAnsichtdespronaona
edisAugustiverhindern,dasinderMittederLangwandderBasilikaange
legtundaufdieMittedesForumsundaufdenJupitertempelgerichtetist.
DasTribunal,dassichindiesemBaubefindet,istdurcheinevonKreisbö
gengebildetegebogeneFlächegebildet,die(vorn)dieFigureineskleineren
Halbkreiseshat.VornistderDurchmesserdiesesHalbkreises46Fuß.Nach
innen zu (zwischen dem kleineren und größeren Kreisbogen) beträgt die
TiefedergebogenenFläche15Fuß,damitdie,diebeidenBeamtenstehen,
die Geschäftsleute in der Basilika nicht behindern.Auf den Säulen liegen
ringsumausdreiBalkenvon2FußStärkezusammengesetzteBalken,und

93
diesekröpfenvondendrittenSäulen,dieanderinnerenLangseitestehen,
auf die Eckpfeiler zurück, die vom Pronaon vorspringen und rechts und
linksdenHalbkreisberühren.
AufdiesenBalkensindüberdenKapitellenPfeilervon3FußHöheund
jederseits 4 Fuß Breite auf Unterlagen angeordnet. Über diesen liegen
ringsum eichene Balken (Unterzüge), die aus 2 Hölzern zusammengefügt
sindundvondenenjedesHolz2Fußstarkist.Hierüberliegen,inRichtung
aufdieSäulenschäfte,dieAntenunddieWändedesPronaon,dieDachbin
dermitdenStreben,undsietrageneinDachderganzenBasilika,einzweites,
dasvonderMitte(desHauptdaches)überdasPronaonverläuft.
Sobietetdiesichkreuzende,doppelteGiebelanlage,außenDach,innen
einhohesMittelschiff,einanmutigesBild.FernererspartdieWeglassungdes
SchmuckeseinesSäulengebälksundderAnordnungderoberenSäulenmit
ihremMauergürteleinemühevolle,beschwerlicheArbeitundvermindertso
zueinemgroßenTeildieSummederBaukosten.DieSäulenselbstaber,die
indurchgehenderHöhebisunterdasDachgebälkdurchgeführtsind,schei
nendieGroßzügigkeitderaufgewendetenKostennochgrößererscheinenzu
lassenunddieWirkungdesBauwerkszuerhöhen.



94
A.2RekonstruktionszeichnungenderÜbersetzer
A.2.1Rivius

Abb. 1: Rivius Nachdruck derAusgabe Nürnberg 1548, GeorgOlmsVerlag, Hildesheim


1973,S.CLXIIII.

95
A.2.2Reber

Abb.2:RebernachderAusgabevon1908,marixverlag,Wiesebaden2004,S.154und155.

96
A.2.3Prestel

(NachdruckmitfreundlicherGenehmigungdesVerlagesValentinKroener)

Abb.3:PrestelVerlagValentinKoerner,BadenBaden1987,Tafel39und40.


97






Abb.4:PrestelVerlagValentinKoerner,BadenBaden1987,Tafel41und42.



98


Abb.4:PrestelVerlagValentinKoerner,BadenBaden1987,Tafel43und44.

99
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AbrufimMai2014  http://de.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Energie
AbrufimMai2014 http://de.wikipedia.org/wiki/Enki.
AbrufimMai2014  http://www.premiumwanadoo.com/cuneiform.langu
ages/dictionary/index_en.phpgl.

106
Marie Anne Nauer

Who are YOU?


Identität im Spiegel der Handschrift.
Beiträge zur psychoanalytischen
Graphologie

Schriftenreihe des Forschungszentrums


für vergleichende Graphologie Friaul-
Julisch Venetien, Bd. 4, 2013, 180 S., br.
ISBN 978-86226-169-7, € 24,80

Who are YOU?“ – „Wer bist DU?“ fragt um 1863 der Caterpiller die kleine Ali-
ce in Alice in Wonderland von Lewis Carroll. In der Aufführung der jungen
Theatertruppe OIMOI von Wonderland Inn im Jahr 2011 ist dies der Schlüssel-
satz zum Stück – die Identitätsfrage ist aktueller denn je.
Dieses Thema wird besonders und immer wieder angeregt durch die Arbeit mit
Patienten, Kandidaten und Coachees: das Thema der narzisstischen Entwick-
lung, deren Problematik und Integration, also die Frage, wie Aufbau und Stabili-
sierung des Selbstwertgefühls stattgefunden oder Schiffbruch erlitten haben; wie
so etwas kompensiert, gekittet oder gar kreativ umgesetzt werden kann; was dies
bedeutet für die erwachsene Persönlichkeit – und schließlich, wie sich dies alles
manifestiert im individuellen Schriftbild. Es stellt sich die Frage nach der Identi-
tät und der integrativen Kraft des Selbst und ihrem Ausdruck in der Handschrift.
Darauf folgt die Frage: Was ist zu tun mit der Erkenntnis? Im vorliegenden
Band sind Vorträge und Essays zum Thema versammelt, die an verschiedenen
Orten oder noch gar nicht im Druck erschienen und kaum erhältlich sind; mit
diesem Band sollen sie versammelt und zugänglich werden.

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»Ich vermute, dass Blocks Arbeiten, wären sie nicht verloren und verbrannt, heute auf Auktionen
wieder gefragt wären und dass Klaus-Dieter Spangenberg, der nun einen ersten biografischen Über-
blick verfasst hat, recht daran tat, auf Block hinzuweisen. «
Roland H. Wiegenstein in: Die Berliner Literaturkritik, 03.05.11.

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