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Analyse: Meeresstille

Das Gedicht „Meeresstille“ wurde 1837 von Joseph von Eichendorff verfasst. Zeitlich lässt es sich also
der Epoche der Romantik zuordnen, die sich insbesondere durch Naturverbundenheit, Irreales und
die Entgrenzung zwischen Gefühls- und Außenwelt auszeichnet. Das Gedicht thematisiert die
Vorstellungen des lyrischen Ich von den zum Erscheinungsdatum noch völlig verborgenen Tiefen des
Meeres.

Die Tiefen des Meeres verdeutlichen die Sehnsucht des lyrischen Ich nach dem Unbekannten. Es lässt
sich vermuten, dass sich das lyrische Ich beim Blick in das Meer in seinen Gedanken, Träumen und
Vorstellungen verliert. Dies Hypothese soll im Folgenden validiert werden.

Das Gedicht unterteilt sich in zwei Strophen mit jeweils 8 Versen. In beiden Strophen gibt es
ausschließlich Kreuzreime. Durch die gleiche Versanzahl in beiden Strophen und das gleichbleibende
Reimschema entsteht eine Regelmäßigkeit im Gedicht.

Das Gedicht setzt mit der Ausgangsposition des lyrischen Ich ein, welches sich auf einem Schiff
befindet und in das Meer hineinschaut. Dabei stellt es sich aus den Formen, die es erkennt, eine
Traumwelt im Meer vor, mit Landschaften und Türmen.

In der zweiten Strophe versinkt das lyrische Ich noch weiter in dieser Traumwelt. Jetzt beschreibt es
einen Seekönig in der Meereswelt

Das lyrische Ich tritt direkt zu Beginn des Gedichtes in Erscheinung: „Ich seh von des Schiffes Rande“
(V.1). Auf diese Weise wird dem Leser ein Bild von der Ausgangsposition des lyrischen Ich gegeben,
das „tief in die Flut hinein“ (V.2) blickt. Da der Leser nun ein Bild von der Situation hat, kann dieser
sich gut vorstellen, wie das lyrische Ich beim Betrachten des Meeres anfängt zu träumen. Dabei
versucht das lyrische Ich, in die unbekannten Formen etwas ihm Bekanntes hineinzuprojizieren. Die
„Gebirge“ (V.3) könnten Felsen sein und die „grüne Lande“ (V.3) Wasserpflanzen. Die Anapher „Und
Trümmer im falben Schein Und zackige Türme im Grunde“ (V.4f.) verdeutlicht, dass sich das lyrische
Ich mehr und mehr seinen Vorstellungen hingibt. Es verknüpft dabei ohne großes Nachdenken seine
Vorstellungen miteinander. Anschließend folgt eine weitere Anapher (V.6f.), die ebenso verstärkt,
dass das lyrische Ich weiter in eine Traumwelt rutscht. In der Aussage „Wie ich’s oft im Traum mir
gedacht“ (V.6) wird direkt gesagt, dass er sich die Tiefen des Meeres immer genauso vorgestellt hat,
wie er sie jetzt sieht. Dadurch wird auch die Realitätsflucht als ein Thema des Gedichtes deutlich. Das
lyrische Ich schafft es nämlich nicht unvoreingenommen zu beobachten, sondern verliert sich immer
wieder in seiner Traumwelt. Vermutlich verspürt das lyrische Ich Sehnsucht nach etwas Neuem und
Unbekanntem, dennoch kann es nicht von dem Alten und Bekannten loslassen. „Wie dämmert alles
da unten“ (V.7) verdeutlicht den Übergang der Lichtverhältnisse im Meer. Diese Dämmerung im
Meer verbindet das lyrische Ich mit einer „prächtige[n] Nacht“ (V.8). Dieser Ausdruck symbolisiert die
gespaltenen Gefühle des lyrischen Ich. Die Nacht ist dunkel und kann furchterregend sein und
trotzdem prächtig.

In der zweiten Strophe ist die Rede vom „Seekönig auf seiner Warte“ (V.9), der für die Macht und
Stärke, welche die See auf das lyrische Ich ausstrahlt, steht. Dieser „Sitzt in der Dämmrung tief“
(V.10). Die Dämmerung stellt dabei einen inhaltlichen Bezug zur ersten Strophe her. Die Dämmerung
als ein Thema im Gedicht soll die Gefühlslage des lyrischen Ich verbildlichen. Das lyrische Ich sehnt
sich nach einer Veränderung, wie der zwischen Tag und Nacht. Das lyrische Ich stellt sich den
„Seekönig“ vor, „Als ob mit langem Barte Über seiner Harfe schlief“ (V.10f.). Der lange Bart steht für
das Alter und die Weisheit des Seekönigs. Dass er so wirkt, als ob er schlafe, zeigt die Ruhe, die er
ausstrahlt. Dass die Schiffe „kommen und gehen“ (V.13), zeigt, dass sie dem „Seekönig“ kaum
Beachtung schenken. Und auch „er merkt es kaum“ (V.14). Das „Korallenriffe“ (V.15), von welchem
er grüßt, ist wie sein Schloss. Zuletzt behauptet das lyrische Ich: „Grüßt er sie wie im Traum“ (V.16).
So wird erneut ein Bezug zur 1. Strophe hergestellt, in der das lyrische Ich seine Vorstellungen
ebenfalls mit seinen Träumen vergleicht. Der „Seekönig“ repräsentiert die Assoziation des lyrischen
Ich mit dem Meer. Auf der einen Seite wirkt das Meer auf das lyrische Ich stark wie ein König, auf der
anderen Seite weise und sanft, was die Harfe und der Bart hervorheben sollen.

Der Aufbau des Gedichtes unterstützt die Wirkung des Inhalts und der Sprache. Die Einteilung in zwei
Strophen passt zum Inhalt. In der ersten Strophe haben die Vorstellungen des lyrischen Ich noch eine
Verbindung zu dem, was er sieht. Die zweite Strophe thematisiert hingegen nur noch die
Vorstellungen des lyrischen Ich.

Das Gedicht lässt sich in die Romantik einordnen, da es viele wesentliche Merkmale erfüllt. Das
lyrische vermischt das, was es sieht, mit dem, was es fühlt. Es versinkt in einer Traumwelt und
verliert den Bezug zur Realität.

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