Nr.

9 / 22
Demokratie
25. 2. 2022
braucht
37. Jahrgang
Meinungsfreiheit
EUR 5,40 (D)

W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E B AT T E

Ukraine-Krise Corona-Maßnahmen Infantile Gesellschaft Ende einer Großmacht

„Der Donbass ist Rußland, die ganze Ein Blick zu unseren Nachbarn zeigt: Die Kulturpolitik der neuen Zwei Jahre nach Kriegsende finden
Welt ist Rußland.“ Unser Autor Luca In anderen Ländern geht es bereits Staatsministerin Claudia Roth zielt auf die sich noch einmal alle Siegermächte
Steinmann berichtet aus Donezk. deutlich lockerer zu. Gleichschaltung des kulturellen Lebens. zusammen, um Preußen aufzulösen.
THEMA, Seite 7 HINTERGRUND, Seite 12 KULTUR, Seite 13 GESCHICHTE, Seite 20

KOLUMNE
VON
THORSTEN HINZ
Das Maß
ist voll!
Martenstein wirft hin

Fehl am
Platz
Der Journalist und populäre
E
s kommt selten vor, daß eine Zei-
tungs-Personalie außerhalb des Hau-
ses Beachtung findet. Die meisten Fernsehmoderator Peter Hahne
Journalisten sind eben bloß austauschbare
Dienstleister. Harald Martenstein ist eine rechnet mit dem Versagen von
Politik und Medien in Zeiten
Ausnahme. Einer, der eine individuelle
Handschrift besitzt und ohne Peinlich-
keit sogar über toxische Männlichkeit und
queere Sexroboter parlieren kann. Seine
wöchentlichen Glossen erschienen bisher im
der Corona-Pandemie ab
Berliner Tagesspiegel und im Zeit-Magazin.
Nun hat der 68jährige seine Mitarbeit
beim Tagesspiegel aufgekündigt, weil einer
seiner Texte aus dem Archiv gelöscht wurde.
Er handelte vom Judenstern, den Gegner Interview auf Seite 3
der Corona-Politik sich anheften. Marten-
stein findet das anmaßend, verharmlosend
und für die Überlebenden schwer erträg-
lich. „Aber eines ist er sicher nicht: antise-
mitisch. Die Träger identifizieren sich ja
mit den verfolgten Juden.“ Worin besagte
Anmaßung liegt. Aber: „Von denen, die
FOTO: PICTURE ALLIANCE / ZB

das ‘antisemitisch’ nennen, würden wahr-

scheinlich viele, ohne mit der Wimper zu
zucken, Trump mit Hitler und die AfD mit
den Nazis vergleichen. Der Widerspruch
in ihrem Verhalten fällt ihnen nicht auf.“

Andere, die ähnlich denken

wie Martenstein, müssen
weiter ihre Runden in der

Putin zielt auf eine Revision

Strafkolonie drehen.

Dieser Widerspruch ist das Betriebsge-

heimnis und das Wirkungsprinzip der Me-
dien. Daß Martenstein sie auf den Punkt
gebracht hat, darin liegt der wirkliche Skan-
dal. Weil die Chefetage das nicht ausspre- Ukraine-Krise: Rußland nutzt die Schwäche Deutschlands und des Westens für einen Rollback
chen kann, geriert sie sich als Anstandsda-
me und moniert, „nicht alles, was rechtlich
betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton DIETER STEIN Augen Putins – entgegen dem Budapester Memo- Was auf dem Verhandlungswege nicht zu erreichen Daß die politische Klasse die Tragweite dieses
des Tagesspiegels angemessen“. randum von 1994 – kein zu respektierender Na- war, setzte Moskau Kraft militärischer Stärke durch. Zusammenhangs begreift, ist nicht zu erwarten.
Ach ja, der Ton des Tagesspiegels, der tionalstaat mit eigener Geschichte, sondern eine Soweit hätte es nicht kommen müssen, wäre Kiew Es ist in Europa längst ein machtpolitisches Va-

„Hauptstadt-Zeitung“ sein will: In den
1990er Jahren liberal, meist schläfrig-lang-
weilig, aber grundsolide. Heute ist er scharf,
schneidend, missionarisch aufgeladen.
Der Zusammenhang zwischen dem Ton-
und Generationenwechsel ist evident. Neue
Mitarbeiter vollziehen ihre berufliche In-
itiation im Kampf gegen Rechts und er-
schnüffeln hinter jedem Straßenbaum Na-
zis, Rechtsextremisten, heimliche AfDler.
Ihre Texte atmen die verschwitzte Genug-
tuung, die auch Heinrich Manns „Professor
Unrat“ empfand. Dem war, wenn er die
Schüler ihrer harmlosen Späße wegen weg-
sperrte, „zumute wie dem Selbstherrscher,
der wieder einmal einen Haufen Umstürzler
in die Strafkolonie versendet“.
In diesem Milieu wurde Martenstein,
der 2014 geschrieben hatte: „Ich war in der
DKP. Wie politischer Irrtum sich anfühlt,
weiß ich also recht gut“, zunehmend zum
Fremdkörper. „Wo man glaubt, nur man
selbst sei im Besitz der Wahrheit, bin ich
fehl am Platz“, heißt es in seinem öffent-
lichen Kündigungsschreiben. Seine Pro-
minenz macht es ihm möglich, die nötige
Konsequenz zu ziehen. Andere, die ähnlich
denken, müssen weiter ihre Runden drehen.
Wie in der Strafkolonie.
09
D
er eisige Wind nackter Machtpolitik
weht uns ins Gesicht und vertreibt letzte
Illusionen. Mit dem Einmarsch russi-
scher Truppen in die Ostukraine schafft
Rußlands Präsident Fakten. Nachdem er die von
separatistischen Rebellen beherrschten „Volksre-
publiken“ anerkannt hat, die postwendend um
brüderliche Hilfe rufen konnten. Die hektischen
diplomatischen Bemühungen der letzten Wochen
sind Schall und Rauch. Wladimir Putin folgte da-
bei einem Drehbuch, dessen Dramaturgie länger
feststand.
In einer einstündigen Rede machte der russi-
sche Machthaber am Montag klar, daß es nicht
um ein kurzes Muskelspiel oder vorübergehendes
Ablenken von innenpolitischen Problemen geht.
Es geht ihm um nicht weniger als die Revision der
geschichtlichen Entwicklung seit 1989/91 und so-
gar darüber hinaus. Dieses Ziel hat er seit Beginn
seiner Präsidentschaft vor 20 Jahren vor Augen.
Den Zusammenbruch der Sowjetunion nannte
er in einer vielzitierten Rede an die Nation bereits
2005 die „größte geopolitische Katastrophe des 20.
Jahrhunderts“. Das staatliche Chaos der Nachwen-
dejahre wollte er durch Anknüpfung an russische
Größe überwinden. Um den demoralisierten Staat
wieder aufzurichten und verfeindete Lager zu einen,
schuf er ein Identitäts-Amalgam aus Versatzstücken
der orthodoxen, der zaristischen wie sowjetkom-
munistischen Tradition. Letzteres mündet in den
vergangenen Jahren in eine wachsende, von Putin
immer wieder persönlich geförderte, gespenstische
Stalin-Verehrung.
Das erklärt auch, warum die Ukraine in den
nach der bolschewistischen Revolution von 1917 von westlicher Seite signalisiert worden, daß zwar kuum entstanden. Bei allem vollmundigen Gerede
„willkürlich gegründete Einheit“, also ein Kunst- kein Bündnisbeitritt, aber eine garantierte Neutra- von „wertebasierter Außenpolitik“ und großspurig
produkt ist, dessen Entstehung er einer eklatanten lität zu erreichen sei. vor sich hergetragenen moralischen Forderungen
Fehlentscheidung Lenins zuschreibt. Putin hob Deutschland und die Europäische Union stehen höhlt Deutschland seit Jahren seine eigene Vertei-
in der aktuellen Rede das Schleifen von Lenin- jetzt vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik, die vor digungsfähigkeit aus, trägt nicht dazu bei, daß die
Denkmälern in der Ukraine der 90er allem durch Wirklichkeitsverlust ge- deutschen Streitkräfte als ein militärisch ernstzu-
Jahre hervor und meinte süffisant: kennzeichnet war. Putin hat Rußland nehmender Faktor wahrgenommen werden.
„Wir können euch zeigen, was ech- Die Ukraine ist in die Lage versetzt, bis auf weiteres Wir sind ein Land, das weder willens noch fähig
te Entkommunisierung ist.“ Das ist in den Augen die meisten der im Raum stehen- ist, massenhafte illegale Einwanderung zu unterbin-
eine Drohung, die nicht nur im Zu- den Sanktionen aushalten zu kön- den. Das hilflos vor hybrider Kriegsführung steht,
sammenhang mit der Annexion von Putins kein zu nen. Der Schuldenstand ist niedrig, wenn ein Regime wie das weißrussische – zweifellos
Krim und Donbass zu sehen ist, son- respektierender die Devisenreserven hoch. Von den von Putin ermuntert – darangeht, Zehntausende
dern auch als Teil des Projektes, das in Krisenzeiten steigenden Öl- und Migranten in Marsch zu setzen und das sich auf
auf die „Sammlung russischer Erde“ Nationalstaat, Gaspreisen profitiert Rußland sogar. jämmerliche „Flüchtlingsdeals“ oder die Pflichter-
abzielt. Damit steht nicht nur die sondern ein Die derzeitige Lage der Weltwirt- füllung polnischer Grenzschützer verlassen muß.
Ukraine im Fadenkreuz der russi- schaft nach zwei Jahren Corona läßt Ein Land, das obendrein nicht in der Lage ist, sei-
schen Expansion, sondern mittelbar
Kunstprodukt wenig Spielräume für harte Sanktio- ne Energieversorgung zu sichern, hat im Grunde
die gesamte Architektur der osteu- der UdSSR. nen, weil diese auch auf die Öko- beschlossen, als politischer Faktor auszuscheiden.
ropäischen Staatenwelt, wie sie nach nomie des Westens zurückschlagen. Der gleichzeitige Ausstieg aus Kernenergie und
1989 wiedererstanden ist. Niemand wird es im Moment hilf- Kohleverstromung läßt nicht nur Energiepreise
Putins Vorstoß ist ein Debakel für reich finden, den stotternden Motor explodierten, er lädt aufgrund der zunehmenden
die Außenpolitik Deutschlands, der Europäischen der Weltwirtschaft wieder abzuwürgen. Abhängigkeit von russischem Erdgas Moskau re-
Union wie der Nato. Rußland war zum aktuellen Das wird man eher über kurz als über lang in gelrecht zur Erpressung ein! Der Putin-Vertraute,
Schlag gegen die Ukraine in der Lage, weil es eine Washington wie in Paris, in London und in Berlin Ex-Präsident Dimitri Medwedew legte den Finger
anhaltende Schwäche des Westens und Europas begreifen. Deutschland sollte sein grundsätzliches in die Wunde, als er den als Sanktion verkündeten
nutzen konnte. Offenbar hat Putin den Abzug der Interesse an der Achtung der Nachwendegrenzen Stopp der Ostsee-Pipeline Nordstream 2 sarka-
US-Truppen und ihrer europäischen Verbündeten und der Souveränität der ostmittel- und osteuro- stisch kommentierte. „Na dann, willkommen in
aus Afghanistan als Beweis für die Unfähigkeit oder päischen Staaten deutlich machen. Uns kommt in einer neuen Welt, in der die Europäer bald 2.000
den Unwillen des Westens gewertet, seine Interes- der Zentrallage auf dem Kontinent die Rolle des Euro für 1.000 Kubikmeter Gas bezahlen werden.“
sen und seine Zusagen auch mit Hilfe der „Ultima Mittlers zu. Aber dieser Anspruch muß machtpo- Aber vielleicht, nur vielleicht, ist der Vorstoß
ratio“ – der Waffengewalt – zu verteidigen. litisch unterbaut werden, wenn er nicht rein dekla- Putins jenes Signal, das nötig war, eine Nation aus
Man gebe sich keinen Illusionen hin. Mit dem matorischer Natur sein soll. Wer garantiert denn jenem Traumland zurückzuholen, in dem man
Einmarsch russischer Soldaten in die „Volksrepu- im Ernstfall die Unverletzlichkeit von Grenzen? glauben konnte, das könnte eine Welt ohne Macht
bliken“ sorgt Moskau jetzt dafür, daß ein Beitritt Unter wessen Atomwaffenschirm wollen wir – und und ohne Geschichte und ohne die Härten des
der Ukraine zur Nato dauerhaft unterbunden wird. die bedrohten Staaten – uns bewegen? Daseins geben.

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2|MEINUNG
Geschlechterdebatte im Bundestag
Feministischer
Selbstmord
Von Birgit Kelle
I
m Deutschen Bundestag sitzt ein Mensch, der sich
„Tessa“ nennt und beansprucht, eine Frau zu sein.
Biologisch und juristisch ein Mann namens Markus
Ganserer, von den Grünen aber als Trans-„Frau“ auf
einem Listenplatz für Frauen aufgestellt.
Besser kann man die Frauenquote unter den Be-
dingungen von Gender-Politik gar nicht als Farce de-
montieren. Glückwunsch liebe „Grün*innen“! Das von
ihnen geforderte „Selbstbestimmungsgesetz“, wonach
jeder sich sein Phantasie-Geschlecht beim Standesamt
eintragen lassen darf, erlaubt dann jedem Mann fortan,
„selbstbestimmt“ Frau zu sein.
Zugang zu allen Frauenhäusern, den Umkleide-
kabinen unserer Töchter, zu Frauenquotenplätzen
in Dax-Vorständen und selbst zu Frauengefängnis-
sen inklusive. Der Frauensport verkommt bereits zur
Resterampe erfolgloser Sportler, die sich gerade als
„Sportlerinnen“ neu erfinden. Der Feminismus begeht
kollektiven Selbstmord im Namen der Geschlechterge-
rechtigkeit. Jede „Frauen“-Politik wird ein Absurdum,
wenn Weiblichkeit zu einem reinen Gefühlszustand
degradiert wird.
Damit nicht genug, soll das Aussprechen, daß Tessa
früher Markus war oder immer noch ist, als „Dead-
naming“ zum Straftatbestand erhoben werden. Man
will Geschichte und Lebenswege im Namen der Ge-
rechtigkeit löschen. Das Volk zwingen, einer Lüge zu
huldigen. Die Gender-Politik zeigt jetzt offen ihre
totalitäre Fratze.
Regierung will Aktionsplan gegen Rechts
Kampf gegen
die Opposition
Von Felix Krautkrämer
B
undesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat
den „Kampf gegen Rechts“ zum Schwerpunkt
ihrer Amtszeit erhoben. Einen Hunderte millio-
nen Euro schweren Aktionsplan samt Demokratieför-
dergesetz will sie bis Ostern vorlegen. Die Bekämpfung
rechtsextremen Gedankenguts kann ihrer Ansicht nach
nicht früh genug beginnen. Schon im Kindergarten
müsse es eine entsprechende Bildungsarbeit geben.
Die einschlägigen Initiativen und Vereine können
sich somit auf einen dauerhaften, warmen Geldregen
freuen. Daß davon, wie schon in der Vergangenheit,
auch radikale Antifa-Gruppierungen profitieren, dürfte
angesichts Faesers beharrlicher Weigerung, sich glaub-
haft nach Linksaußen abzugrenzen, künftig eher die
Regel als die Ausnahme sein. Eine Verpflichtung auf
die freiheitliche-demokratische Grundordnung als Vor-
aussetzung für den Genuß von Fördergeldern wird es
mit der neuen Innenministerin nicht geben.
Ebenso naiv ist es, zu glauben, ihr „Kampf gegen
Rechts“ richte sich nur gegen echte Verfassungsfeinde.
Als rechts – und damit rechtsextrem – gilt Faeser und ih-
ren antifaschistischen Bündnispartnern, wer nicht links
ist. Das betrifft neben der AfD natürlich auch Teile der
Union. Der staatliche „Kampf gegen Rechts“ wird damit
zum Kampf der Regierung gegen die Opposition. Ob
das jedem in den Reihen von CDU und CSU bewußt
ist, kann bezeifelt werden. Um so schmerzhafter dürfte
das Erwachen ausfallen, wenn man sich plötzlich auf
der Seite wiederfindet, wo die eigene politische Ansicht
keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist.
Frankreich zieht sich aus Mali zurück
Berlin hat keine
Perspektive mehr
Von Felix Springer
D W
er in der vorigen Woche angekündigte Abzug
der hauptsächlich unter französischer Führung
stehenden Anti-Terror-Operationen „Bark-
hane“ und „Takuba“ aus Mali macht die Lage für die
etwa 1.300 deutschen Soldaten vor Ort nicht einfacher.
Ihr Umfeld hat sich zu einem selbst für afrikanische
Verhältnisse bemerkenswert komplexen Kräftegewirr
entwickelt.
Frankreich bleibt voraussichtlich im westlichen Sa-
hel vertreten, dennoch ist fraglich, ob die Bundeswehr
ohne den französischen Beitrag überhaupt in der Lage
sein wird, ihre Ziele vor Ort weiter zu verfolgen. Und
welche waren das noch mal?
Der Vorgang verdeutlicht mindestens zwei bestim-
mende Tendenzen der letzten und wohl auch der näch-
sten Jahre: Einerseits versteckt sich das sicherheits-
politische Deutschland, das so gern den Begriff der
„Verantwortung“ in den Mund nimmt, bis zur Selbst-
verkrüppelung in multinationalen Institutionen. Die
größte Volkswirtschaft Europas hat auf diese Weise ein
Maß der militärischen Selbstverzwergung erzwungen,
das selbst unseren Verbündeten die Berliner Perspektive
auf die Welt als irrelevant erkennen läßt.
Andererseits ist es immer wieder das Frankreich
Macrons, das entstehenden Spielraum zur Durchset-
zung eigener Interessen nutzt. Der Konflikt der mali-
schen Putschistenregierung mit der Postkolonialmacht
zeigt, wer politisches Subjekt und wer Anhängsel ist.
Deutschland zählt zu letzterem.
Sportministerin Tessa Ganserer beglückwünscht den...äh...die Gewinnerin
Bloß nicht aufhören
Corona-Maßnahmen: Der 20. März als Freiheitstag ist eine Mogelpackung
D
eutschland hat sich in der Rolle des
europäischen Sonderlings wohlig ein-
gerichtet. Wir leisten uns nicht nur
die dümmste Energiepolitik der Welt
und eine selbstverleugnende Migrationspolitik,
sondern auch das härteste und undurchschau-
barste Corona-Regime aller Staaten. Nachdem
zuletzt die bislang führenden Fidschi-Inseln in
ihrem Eifer nachgelassen haben, hält Deutsch-
land laut „Stringency Index“ der Oxford-Univer-
sität seit kurzem endlich auch in dieser Disziplin
den Negativrekord.
So wie es aussieht, sollen die deutschen Co-
rona-Restriktionen auch die längsten von allen
werden. Während reihum von Großbritanni-
en über Skandinavien und Osteuropa bis nach
Spanien die Maßnahmen vollständig fallen, die
Rückkehr zur Normalität proklamiert und die
Covid-19-Erkrankung dank Omikron auf den
Rang einer endemischen saisonalen Grippe zu-
rückgestuft wird, hat sich die deutsche Politik
einen bürokratieverliebten Pseudo-„Öffnungs“-
Plan in Trippelschritten ausgedacht, der sich
über Wochen hinziehen soll.
Da gelten also weiter Kontaktbeschränkun-
gen für private Zusammenkünfte, mit denen
Ungeimpfte weiter ans diskriminierende Gän-
gelband gelegt werden. Rational begründbar ist
das nicht; die abnehmende Wirksamkeit der
Impfstoffe, die allenfalls einen gewissen Eigen-
schutz gewährleisten können, liegt längst offen
zutage. Kontrollier- und durchsetzbar ist das
ebenfalls nicht, genausowenig wie die voraus-
gegangenen Vorschriftenorgien; die Obrigkeit
verläßt sich darauf, daß der deutsche Untertan,
der auch nachts um halb vier auf menschenleerer
Straße geduldig auf die grüne Fußgängerampel
wartet, sich weiterhin an jede noch so widersin-
nige Vorschrift halten wird.
Während also in Großbritannien mit den
letzten Regeln auch die Testerei aufgegeben wird,
ohne die das Virus wohl gar nicht mehr wahr-
genommen würde, während die Briten masken-
und auflagenbefreit wieder Pubs und Fußball-
stadien bevölkern, während die Skandinavier
wieder wie gewohnt einkaufen und feiern und
die dänische Regierung „Faktenchecker“ nicht
auf Maßnahmenkritiker, sondern auf Corona-
Panikmacher ansetzt, während selbst die sonst
so spröden Schweizer sich befreit die leidigen
Masken aus dem Gesicht reißen, sollen die Deut-
Bild der Woche
Erfolgreich
abgeschnitten
Siegerpose: Die Medaillengewin-
ner der deutschen Olympia-Mann-
schaft feiern nach der Rückkehr
von den Olympischen Spielen in
Peking auf dem Frankfurter Flug-
hafen. Am Ende holte die deutsche
Mannschaft zwölfmal Gold, zehn-
mal Silber, fünfmal Bronze und
landete damit auf Platz 2 im
Medaillenspiegel.
schen sich auch in den nächsten Wochen mit
Zugangsbeschränkungen herumschlagen. Bis
dann am 20. März zum zweiten Jahrestag der er-
sten Corona-Verordnungen die Rechtsgrundlage
dafür formal auslaufen und die „Schutzmaßnah-
men“ enden sollen. Aber nur die „strengeren“,
und auch nur „weitgehend“.
Was den Bürgern da als deutscher „Freiheits-
tag“ angedreht werden soll, ist wieder eine Mo-
gelpackung. Denn „Basisschutzmaßnahmen“
sollen weiter gelten, welche und wie genau, ist
noch auszukungeln. Hinter dem unverfänglich
klingenden Begriff verbergen sich neue Zumu-
tungen. Das Damoklesschwert des unerklärten
und jederzeit wieder verhängbaren Notstands
soll weiter über dem ganzen Land hängen.
VON MICHAEL PAULWITZ
„Deutsche Politiker
haben sich an
die bequeme
Bürgerdressur
per Verordnung
gewöhnt.“
Deutschlands Regierungspolitiker haben
sich so sehr an die bequeme Bürgerdressur per
Verordnung im Wochentakt gewöhnt, daß sie
dieses Instrument freiwillig nicht mehr aus der
Hand legen wollen. Es könnte ja, entgegen wis-
senschaftlicher Evidenz, doch wieder eine „ge-
fährlichere“ Mutation auftreten. Mit Spekula-
tionen stellt die Exekutive sich so selbst einen
Blankoscheck aus.
Deren zentraler Fetisch ist die Maskenpflicht.
Der Nutzen des Zwangs, jeden Menschen mit
Gesichtsbedeckung herumlaufen zu lassen, ist
weiterhin zweifelhaft. Wo man – im Ausland
natürlich – die Effizienz der allgemeinen Mas-
kenpflicht einer systematischen Überprüfung
unterzogen hat, löst sie sich in nichts auf. Die
Maske ist tatsächlich nicht nur „ein Stück Stoff“
– sie raubt dem Bürger seine Individualität in der
Öffentlichkeit. Sie erweckt den Eindruck einer
allgegenwärtigen Bedrohung, auch wo diese in
harten Zahlen gar nicht meßbar ist, und dient
der Aufrechterhaltung einer unterschwelligen
Panikstimmung.
Für Schulkinder, die ihr am härtesten und
längsten unterworfen werden, ohne daß die El-
tern sie davor schützen können, ist die Masken-
pflicht eine unerträgliche gesundheitliche und
seelische Belastung. Vor allem aber ist sie ein
Ritual, das die Unterwerfung unter den Willen
der Obrigkeit für jedermann erkennbar macht
und den Abweichler auf einen Blick von den
eifrigen Unterstützern, gleichgültigen Mitläu-
fern und murrend sich Beugenden scheidet.
Der zweite große und mächtige Fetisch ist die
Impfung. Der Formierungsdruck, den die Impf-
kampagne in den vergangenen vierzehn Mona-
ten den Bürgern auferlegt hat, sucht seinesglei-
chen in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Dennoch hat die Impfung nicht gehalten, was
sie an Infektionsschutz versprach; ihre Risiken
und Nebenwirkungen sind nach wie vor nicht
vollständig aufgeklärt, auch wenn Minister das
Gegenteil behaupten. Die „Impflücke“ ist eben-
falls eine Schimäre; die Impfquote in Deutsch-
land ist nicht geringer als in jenen Ländern, die
sich bereits aus der Maßnahmenpolitik verab-
schiedet haben.
Dennoch klammert sich die politische Klasse
an die allgemeine Impfpflicht als gesellschaft-
liches Kontrollinstrument, das sie über das ab-
sehbare Ende der Pandemie retten wollen. Die
Front bröckelt, die Zweifel wachsen, eine kon-
krete Formulierung dieses Anschlags auf das
Verfassungsrecht der körperlichen Unversehrt-
heit steht weiter aus, aber das Projekt ist noch
nicht vom Tisch.
Denn sonst wäre der sich laufend widerspre-
chende und von einem Gerichtsurteil nach dem
anderen abgestrafte Bundesgesundheitsmini-
ster Karl Lauterbach (SPD) nur noch der wirre
Pharmalobbyist von der Hinterbank, wären die
Maßnahmenverordner und Bund-Länder-Gip-
feldarsteller gezwungen, sich ihrer Verantwor-
tung für den gesellschaftlichen Scherbenhaufen
zu stellen. Ob in gut drei Wochen tatsächlich alle
Maßnahmen enden oder ob der 20. März wieder
nur eine Etappe in einer endlosen Hängepartie
wird, ist der Prüfstein dafür, ob Deutschland
noch als freiheitlicher Rechtsstaat mit mündi-
gen Bürgern und intakten Kontroll- und Kor-
rekturmechanismen gelten kann.
FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022
ZITATE
„Trotz Schwächen ist das Bruttoinlandspro-
dukt (BIP) der beste Indikator für die Lei-
stung eines Landes. Steigt es, wachsen die
Einkommen und damit die Leistungsfähigkeit.
Sinkt es, schrumpft der Wohlstand und die
Gesellschaft kann sich weniger leisten. In der
Zielhierarchie muß deshalb die Entwicklung
des BIP an oberster Stelle stehen. Es bildet
die Grundlage und Finanzierungsquelle für
alles andere: einen funktionierenden Sozial-
staat, Investitionen zur Sicherung künftigen
Wohlstands und auch die Klimaschutzmaß-
nahmen. (…) ‘Klimagerechter Wohlstand’
kann alles sein, nur nicht weniger Wohlstand.
Denn es läßt sich kein einziger Fall auf der
Welt finden, bei dem ein nachhaltig sinkendes
Bruttoinlandsprodukt mit mehr Zufriedenheit
der Bevölkerung einherging.“
Daniel Stelter, Unternehmensberater und
Podcaster, im „Handelsblatt“ am 18. Februar
„In Kanada beginnt es. Wenn sich Trudeau
durchsetzt, haben wir die nächste Blaupause,
wie die globalistische Klasse mit dem einstigen
Souverän und Demos umzugehen gedenkt.
(...) Woran vergreifen sich Trudeau und die
Vize-Premierministerin Chrystia Freeland als
erstes? An den Bankkonten der Protestler. Ein
Wink an jene, die in der Bargeldabschaffung
einen Fortschritt zum einfacheren Bezahlen
sehen. Es ist ein Fortschritt zum einfacheren
Beherrscht- und Erpreßtwerden. Der Staat ist
nicht dein Freund.“
Michael Klonovsky, Essayist, auf seinem Blog
„acta diurna“ am 18. Februar
„Vor allem die wohlmeinenden Freunde Putins
benehmen sich oft wie Psychotherapeuten.
Also, je weicher und verständnisvoller man
das Putin-Regime anfasse, desto größer seien
die Chancen auf ein friedliches Miteinander.
Was sie übersehen: Eine große Macht läßt sich
nicht von außen definieren, was sie macht
und was sie unterläßt. Wir investieren viel zu
wenig Energie darein, die innere Mechanik
Rußlands besser zu begreifen. Die verstehen
wir nicht wirklich. Und weil man so wenig
weiß, nimmt man zu Projektionen Zuflucht.
Das russische Verhalten wird nur als Reaktion
auf Aktionen des Westens erklärt, nicht als
Handeln aus eigenem imperialen Antrieb.“
Karl Schlögel, Osteuropa-Historiker, in der
„taz“ vom 20. Februar
„Diejenigen, die eine abweichende Ideologie
vertreten (...) sind heute nicht einfach nur An-
dersdenkende. Der Begriff „Andersdenkende“
bedeutet in den westlichen Demokratien Legi-
timität, so daß man ihnen diese Bezeichnung
verweigern muß. Sie sind stattdessen einhei-
mische Extremisten, einheimische Terroristen,
Aufwiegler, Verräter, Aufrührer. Die Anwen-
dung des Begriffs ‘kriminell’ rechtfertigt alle
nachfolgenden Repressionsmaßnahmen: Wir
sind darauf trainiert, zu akzeptieren, daß mit
der Begehung von Straftaten grundlegende
Freiheitsrechte verlorengehen. Am bemer-
kenswertesten ist jedoch, daß diese angebliche
Kriminalität nicht durch ein Gerichtsverfah-
ren entschieden wird, sondern einfach per
Dekret.“
Glenn Greenwald, freier Journalist und
Pulitzer-Preisträger, auf seinem Substack-Blog
am 21. Februar
„Die global denkenden Eliten Deutschlands
fühlen sich weniger ihrem Land und ihren
Bündnissen als der ‘einen Welt’ verpflichtet.
Ihre nationale Identität liegt im gemeinsamen
Bekenntnis zur Globalität, in der sie an Luft-
schlössern ohne Mauern bauen.“
Heinz Theisen, Politikwissenschaftler, in der
„Neuen Zürcher Zeitung“ vom 22. Februar
Aufgeschnappt
Identität deklassiert
die Biologie
Von Matthias Bäkermann
illiam Thomas war immer ein ganz
passabler Schwimmer, allerdings
machte der Hüne mit dem breiten
Kreuz von der University of Pennsylvania
erst seit Ende 2021 von sich reden, als der
22jährige nach drei Jahren in der Herrenriege
der National Collegiate Athletic Association
(NCAA) erstmals als Frau zu Wettbewerben
antrat. Seitdem hagelt es für die nach Ein-
nahme einiger Hormonblocker und längerer
Haartracht unter dem Namen Lia Thomas
auftretende „Transfrau“ einen Titel nach dem
anderen. Bei der jüngsten Meisterschaft der
Ivy-League-Universitäten deklassierte er/
sie die Konkurrenz, die Thomas alle um
Kopfeslänge überragt. Im Wettkampf auf
500 Metern Mitte Februar war Thomas die
Schwimmer-Ewigkeit von zwölf Sekunden
schneller am Ziel und brach den Harvard-
Pool-Rekord, über 1.650 Meter Freistil
schlug Thomas die beste weibliche Gegnerin
um 38 Sekunden. Im US-Lifestyle-Magazin
Evie wurde vergangene Woche die damit
ausgelöste Debatte über die Kluft zwischen
Inklusion und Fairneß, über die Spannung
zwischen Identität und Biologie reflektiert.
Der Fall sei zu einem „Totem in den Kul-
turkämpfen“ geworden, da er Geschlecht
„mental und nicht chromosomal“ definiere.
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022
„Politiker zur
Rechenschaft
ziehen“
Peter Hahne: In seinem neuen Buch „Das Maß ist voll“
spießt der ehemalige ZDF-Journalist und Bestsellerautor
Politikversagen und ideologischen Irrsinn in Deutschland
auf. Im Interview verlangt er nun öffentliche Konsequenzen
Kritiker Hahne: „Ich fordere, Betreffende in Politik
und Journalismus haftbar zu machen, sowie die
Rehabilitierung aller Corona-Kritiker, die sich um
Aufklärung bemühten und dafür diffamiert wurden“
Herr Hahne, ...
Peter Hahne: Moment! Darf ich etwas sagen?
Aber deswegen sind Sie doch hier.
Hahne: Sicher, doch weiß ich ja nicht, was Sie
mich fragen wollen. Ich finde aber, daß eines end-
lich einmal gesagt werden muß.
Und das wäre?
Hahne: Daß es beim Thema Corona in Deutschland
ein großes Problem mit Schwurblern, Fake-News-
Verbreitern und Verschwörungstheoretikern gibt.
Das ist doch ständig Thema.
Hahne: Und daß es sich dabei um viele unserer
Politiker und Journalisten handelt.
Das allerdings nicht.
Hahne: Eben. Denn viele ihrer Behauptungen
haben sich als unbegründet oder unwahr heraus-
gestellt. Und das, weil sie diese entweder nicht hin-
terfragt haben – also aus Desinteresse oder Mit-
läufertum. Oder weil sie gelogen haben – also aus
Opportunismus oder ideologischem Furor. Und
deshalb fordere ich zweierlei.
Ja? ... Bitte, nur zu.
Hahne: Ich fordere, daß die betreffenden Politiker
und Journalisten zur Rechenschaft gezogen werden!
Wie denn das?
Hahne: Per Untersuchungsausschüssen in den
Parlamenten und notfalls auf juristischem Weg.
Sie meinen zivilrechtlich?
Hahne: Natürlich.
Mit so einer Anzeige kommen Sie nicht durch, und
selbst wenn, es käme nichts dabei heraus.
Hahne: Bei Untersuchungsausschüssen bekannt-
lich auch nicht – und trotzdem muß es gemacht
werden. Damit wenigstens das wahre Geschehen
der Corona-Krise aufgearbeitet und öffentlich ge-
macht wird! Damit sichtbar wird, wie gelogen und
gehetzt, verschwiegen und verschwurbelt wurde!
Gegenmeinungen wurden diskreditiert, die Lage
dramatisiert, Kritiker dämonisiert. Die dafür Ver-
antwortlichen müssen benannt werden! Denn die
flüchten sich jetzt schon wieder ins „wir“.
„Lauterbachs geschwurbelte Fake
News und Verschwörungstheorien“
Ins „wir“?
Hahne: Erinnern Sie sich nicht an Herrn Spahn?
Sein Versagen, seine Lügen – und dann seine Äu-
ßerung: „Wir werden einander verzeihen müssen.“
Einspruch: Er hat zu bereuen und um Verzeihung
zu bitten! Von wegen „einander“, so hätte er’s gern.
Oder Markus Söder jüngst: „Wir müssen nun erst-
mal der Toten gedenken.“ Eine Binsenweisheit. Die
Wahrheit: Ihre Verantwortung schieben sie ab ins
„wir“, in der Hoffnung, daß sie vergessen wird. So
etwas wie Corona-Kollektivschuld gibt es nicht. In-
dem Politiker seit zwei Jahren mit falschen Zahlen
und Panikmache operieren, haben sie unfaßbare
Schäden angerichtet: Physische, psychische, ma-
terielle und gesellschaftliche, mit unermeßlichen
Folgen, die ich in meinem neuen Buch beschreibe.
Obwohl ich mich beim Thema Corona zurückge-
halten habe, da ich dazu schon viel in meinen ak-
tuellen Artikeln geschrieben habe, und deshalb nun
verstärkt wieder andere Aufregerthemen aufgreife.
Von denen es ja mehr als genug gibt.
Hahne: Ja, denn im „Schatten“ von Corona ist viel
Skandalöses, politisch wie gesellschaftlich, einfach
durchgedrückt worden. Ich sage nur Gender oder
eingewanderter Antisemitismus und Islamismus.
Aber natürlich ist Corona das derzeit wichtigste
Thema. Wenn ich etwa daran denke, daß ein Herr
Lauterbach nun erklärt, eigentlich sei das Gesund-
heitssystem nie überlastet gewesen – und damit
vielleicht durchkommt! Wo bleibt der Aufschrei
der Medien und des Bundesverfassungsgerichtes,
das aufgrund der geschwurbelten Fake News ent-
schieden hat?
„Steinmeier sollte sich bei der
’Jungen Freiheit’ bedanken“
Wobei Sie davor warnen, daß am Ende Lauterbach
allein der Schwarze Peter zugeschoben werden könnte.
Hahne: Das darf auch nicht passieren, denn die
Fehlprognosen von „Karl dem Schwurbler“ fül-
len Seiten! Eigentlich müßte bei jeder Erwähnung
seines Namens angemerkt werden: „der Wunsch-
kandidat Söders“ – denn der hat eifrig die Wer-
betrommel für Lauterbach gerührt, während ihn
Olaf Scholz ja bekanntlich gar nicht als Minister
wollte. Ebenso sollte übrigens bei den sogenannten
Klimaaktivisten – die allerdings treffender „Klima-
chaoten“ heißen müßten – angemerkt werden: „die
Wunschkinder Söders“, die er auf der Zugspitze
auf folgender Schleimspur empfing: „Ich bin der
Markus. Und ich finde es gut, was ihr macht.“
Immerhin haben wir jetzt doch Friedrich Merz.
Hahne: Den ich einmal für seine gerade christdemo-
kratische Linie sehr bewundert habe. Neuerdings ist
aber vom alten Merz leider kaum mehr etwas zu er-
kennen. Man schaue sich nur seine Idealkandidaten
für den CDU-Vorstand an. Überhaupt ist es absolut
schamlos, wie sich die Union jetzt gibt – als wäre
sie die letzten 16 Jahre nicht an der Macht gewe-
sen! Die Ampel ist die konsequente Fortsetzung der
Merkel-Söder-Jahre: Politik als gigantische Mogel-
packung. Das Schlimme ist nur, viele Wähler fallen
schon wieder darauf herein. Es ist nicht zu fassen!
Sie sprachen eingangs von „zwei“ Forderungen.
Hahne: Die zweite, neben dem Zur-Verantwortung-
Ziehen der Täter – und ich sage bewußt „Täter“,
denn für mich sind sie genau das –, ist: Die Rehabi-
litierung aller Journalisten, Wissenschaftler, Spazier-
gänger und sonstiger Kritiker, die sich in den zwei
Corona-Jahren ehrlich um Aufklärung bemüht ha-
ben und dafür vielfach diffamiert, stigmatisiert und
ausgegrenzt, teilweise sogar sozial vernichtet wurden.
Glauben Sie denn ernstlich, sich damit durchsetzen
zu können?
Hahne: Fakt ist doch, daß sich zwar längst nicht al-
les, aber immer mehr von dem, was Querdenker und
Spaziergänger vorhergesagt haben, als zutreffend
herausgestellt hat. Viele „Verschwörungstheorien“
sind doch durch die Realität weit überholt worden,
die letzte: Impfen hat keine Nebenwirkungen. Irre!
Hätte man die Masse der vernünftigen Kritiker in
die gesellschaftliche Debatte einbezogen, statt sie
pauschal als „Schwurbler“ und potentielle Rechts-
radikale zu diffamieren, etwa die „Alles auf den
Tisch“-Intellektuellen, vor allem aber die gesamte
Wissenschaft – und damit meine ich nicht nur an-
dere Virologen als die Hofvirologen der Kanzlerin,
sondern auch Vertreter weiterer Disziplinen, wie
Psychologen, vor allem Kinder- und Familienpsy-
chologen, Geriater, Ökonomen etc. –, dann wäre
die öffentliche Debatte anders verlaufen und die
Maßnahmen der Politik nicht so verheerend aus-
gefallen. Manches wäre abgemildert oder gar ganz
vermieden worden, was stattdessen zahlreiche Men-
schen in finanzielle und psychische Not und damit
in Armut, Krankheit oder gar den Tod getrieben
hat. Kinder in Käfighaltung, 400 Prozent Steige-
rung der Selbstmordrate unter Kindern – ein un-
Peter Hahne
Der Diplomtheologe und ehemalige Vizechefredakteur des ZDF-Haupt-
stadtstudios moderierte die „heute“-Nachrichten, das „heute-journal“,
„Berlin direkt“ und bis zur Pensionierung 2017 seine sonntägliche Talk-
show „Peter Hahne“. Auch als Bild am Sonntag-Kolumnist und Best-
sellerautor mit Millionenauflage machte er sich einen Namen. Am 25.
Februar erscheint sein neuer Band: „Das Maß ist voll. In Krisenzeiten
hilft keine Volksverdummung“ Geboren wurde er 1952 in Minden.
entschuldbares Verbrechen! Das zeigt, wie unglaub-
lich wichtig demokratischer und wissenschaftlicher
Pluralismus ist und wie verheerend es ist, wenn er
durch Ausgrenzung, autoritäres Durchregieren und
williges Untertanentum ersetzt wird. Übrigens sind
das für den ultralinken Schriftsteller Umberto Eco,
Sie wissen, „Der Name der Rose“, klare Anzeichen
für den „ewigen Faschismus“, wie er es nennt und
ich es in meinem neuen Buch ausführlich zitiere.
Nochmals, Sie glauben doch nicht wirklich, mit Ihren
Forderungen auch nur gehört zu werden?
Hahne: Wenn wir so mutlos an die Sache heran-
gehen, lieber Herr Schwarz, dann natürlich nicht.
Wenn aber genug Menschen öffentlich nicht lok-
kerlassen und immer und immer wieder friedlich
auf die Straße gehen und „richtig“ wählen – warum
nicht? Wir sehen doch, die Straße hat bereits gesiegt.
Inwiefern denn das?
Hahne: Sehen Sie das nicht? Auch wenn Söder öf-
fentlich sogar vor einer „Corona-RAF“ bezüglich der
Spaziergänger gewarnt hat, die Herrschenden wissen,
wer da tatsächlich „spazierengeht“: Lehrer, Hand-
werker, besorgte Eltern, viel Jugend und auch das
linke Spektrum. Die Impfpflicht ist immer schwerer
durchzusetzen im Bundestag. Und ein beträchtlicher
Teil des medizinischen Personals weigert sich stand-
haft. Die Corona-Ideologen mit ihrer Panikmache
erleben gerade ihr Waterloo. Nur wird dieses in den
Hof-Medien nicht so kommentiert, so daß dies den
Bürgern nicht bewußt wird. Kein Wunder, es würde
ihren politischen Widerstand befeuern.
Na ja, laut Erhebung haben gerade mal vier Prozent
aller Deutschen schon einmal an einem Corona-Pro-
test teilgenommen, während die große Mehrheit sogar
schärfere Maßnahmen fordert.
Hahne: Erstens macht das den Sieg der Straße um
so bewundernswerter. 1989 fing es in der DDR
auch klein an. Zweitens ist das kaum überraschend,
werden die Leute doch, wie gesagt, von morgens bis
abends in vielen Mainstream-Medien mit Schwur-
beleien und Fake News indoktriniert. Alte Hahne-
Weisheit: Nachrichten heißen Nach-richten, damit
man sich danach richtet. So erstaunt es auch nicht,
daß – nachdem man uns achtzig Prozent unserer
Freiheit genommen und am 20. März nur zehn
Prozent zurückgeben will – die Mehrheit auf diese
Mogelpackung hereinfällt. Man feiert freudig einen
angeblichen „Freedom Day“, statt empört auf die
restlichen siebzig Prozent zu insistieren. Wobei ich
keine generelle Medienbeschimpfung betreibe: Es
gibt da auch Nachdenkliches und Neutrales, mit-
unter sogar mal etwas Kritisches. Das ist jedoch
Ausnahme, ich nenne in meinem Buch ausdrück-
lich positiv linke Kollegen wie Heribert Prantl,
Stefan Aust oder Hans-Ulrich Jörges. Doch dem
steht ein mehrheitlich vermitteltes desinformatives
Narrativ gegenüber. Beispiel gefällig?
Bitte.
Hahne: Ich war damals auf dem Weg zum BER,
Sie wissen schon, dieses Berliner Milliardengrab,
und hörte die RBB-Radionachrichten. Erste Mel-
dung: Um die Schulen offenzuhalten, müssen die
Kinder ab jetzt Masken tragen. Zweite Meldung:
Stiftung Warentest prüfte 15 Masken für Kinder
– 14 haben sich als geradezu schädlich erwiesen!
Hätte in dieser Kombination nicht diese zweite die
ständig wiederholte Top-Meldung sein und eine
bundesweite Debatte auslösen müssen? Stattdessen
Schweigen im Walde – während die erste Meldung
weiter wiederholt wurde. So funktioniert das! Die
Dinge werden nicht verschwiegen, aber indem sie
IM GESPRÄCH|3
FOTO: PICTURE ALLIANCE / ZB
in den Vorder-, andere in den Hintergrund gerückt
werden, entsteht ein bestimmtes Meinungsklima.
Und das ist für mich ein Verbrechen! Vor allem
an den Kindern, aber auch an der demokratisch-
pluralistischen Wissenschaftsdebatte. Und deshalb
müßte sich eigentlich auch kein Geringerer als Bun-
despräsident Steinmeier öffentlich zum Beispiel bei
Ihrer Zeitung, der jungen freiheit, bedanken.
Warum denn das?
Hahne: Weil Sie gemeinsam mit den anderen Wahr-
heitsaktivisten den Meinungspluralismus gerettet
haben – ich finde, wenn von „Klimaaktivisten“ die
Rede ist, dann haben alternative Medien und auch
die Corona-APO Anspruch darauf, entsprechend
bezeichnet zu werden. Schließlich wird doch überall
„Diversity“ gefordert, sogar ausdrücklich im Ampel-
Koalitionsvertrag – also bitte, genau das ist doch
die erwünschte Vielfalt: Querdenker, Impfkritiker,
Alternativmedien, die junge freiheit und viele an-
dere retten den Ruf Deutschlands als einem „bun-
ten“ Land unter dem Regenbogen der Pressefreiheit.
Jetzt heißt es für alle: Haltung und Gesicht zeigen,
statt zu vertuschen und zu verdrehen!
„Motto der Grünen: ‘Deutschland,
Deutschland über alles’“
Das wird den „eiskalten Sozi-Machtpolitiker“, wie
Sie Herrn Steinmeier nennen, kaum überzeugen.
Hahne: Natürlich nicht, hat er doch trotz seiner
gegenteiligen Schwüre keinerlei Interesse an Plura-
lismus. Er hetzt und wiegelt auf. Das exakte Gegen-
teil von Johannes Raus „Versöhnen statt spalten“.
Klar, hat er sich zu Studentenzeiten doch mit lu-
penreinen Linksradikalen gemein gemacht. Plura-
lismus ist diesen Leuten ein Graus, da sie glauben,
als bessere Menschen alles besser zu wissen. Das
nennt man mit Umberto Eco Faschismus! Sie füh-
len sich ganz offen dem Rest der Welt überlegen.
Haben sie angeblich doch weit verständiger als alle
anderen Politiker und Nationen aus der Geschichte
gelernt. Und so weiß Deutschland bei Corona alles
besser, ebenso wie beim Klima, bei der Atomkraft
und der Energiewende, bei Menschenrechten und
Moral sowieso, und jetzt auch bei der fürchterlichen
Gender-Ideologie, über die die Außenministerin
offenbar die übrige Welt belehren will. Vor allem
natürlich bei der Einwanderung, die die CDU/
CSU-Regierung 2015 der EU – und uns Bürgern
– wie selbstverständlich aufgezwungen hat. Man
fragt sich, warum nicht längst Frau Merkel oder
die Ampel, besonders aber die Grünen, die erste
Strophe des Deutschlandliedes wieder zur National-
hymne erhoben haben: „Deutschland, Deutschland
über alles“ – das entspricht doch genau ihrer Politik!
Eine letzte Frage in eigener Sache: Diese Zeitung hat
aufgedeckt, daß Nancy Faeser, Monate bevor sie Innen-
ministerin wurde, einen Artikel im Magazin „antifa“,
der vom Verfassungsschutz beobachteten VVN-BdA
geschrieben hat. „Tagesschau“ und ZDF-„heute“ haben
das in ihren TV-Nachrichten ausgespart. Zu Recht?
Hahne: Ausgespart ist ein schöner Euphemismus,
wie „Auffrischungsimpfung“. Gegenfrage: Erinnern
sie sich an den sächsischen Landesbischof Carsten
Rentzing, der 2019 zurücktreten mußte, weil er
27 Jahre früher für ein rechtes – nicht vom Ver-
fassungsschutz beobachtetes – Magazin gearbeitet
hat? 27 Jahre zurück! Frau Faeser müßte also erst
recht zurücktreten! Diese Dame als „Hüterin des
Grundgesetzes“ – tiefer kann Deutschland nicht
mehr sinken!
Warum muß sie es dennoch nicht?
Hahne: Unter anderem, weil entscheidende Me-
dien es nicht in ihre Nachrichten heben und
scharf kommentieren. Und weil CDU/CSU ei-
ne lächerlich schwache Truppe darstellen. Wer
es nicht schafft, einen alternativen Bundesprä-
sidentenkandidaten aufzustellen oder zu unter-
stützen, hat sich als Opposition bereits zu Beginn
der Legislaturperiode abgemeldet. Gute Nacht!
MORITZ SCHWARZ
Chrystia Freeland treibt in der kanadi-
schen Trucker-Krise gefährliche Gesetze
gegen die Protestler voran.
Notstand
ohne Ende
BJÖRN HARMS
G
etreu dem Motto „Folge dem Geld“
stellte Kanadas stellvertretende Pre-
mierministerin Christina „Chrystia“
Freeland in der vergangenen Woche das um-
fassende und autoritäre Maßnahmenpaket
vor, mit dem ihre Regierung derzeit gegen
unliebsame Trucker und ihre finanziellen
Unterstützer vorgeht. Auf ihr Geheiß können
Banken nun ohne Gerichtsbeschluß Konten
sperren und müssen Internet-Spendenseiten
den staatlichen Behörden bei Auffälligkeiten
all ihre Daten offenbaren (siehe Seite 9).
Dem Geld zu folgen ist für Freeland nichts
Neues. Knapp zwanzig Jahre lang beschäf-
tigte sich die 53jährige als Journalistin vor
allem mit den Milliardären und Mächtigen
dieser Welt. Die Harvard-Absolventin aus Al-
berta mit familiären Wurzeln in der Ukraine
führte als freie Mitarbeiterin der Financial
Times, der Washington Post oder des Econo-
mist zahlreiche Gespräche mit Dutzenden
Wirtschaftsführern und gewann tiefe Ein-
blicke in die Welt des digitalen Kapitalismus.
Ihre Erkenntnisse mündeten 2012 in dem
auch auf deutsch erschienenen, internatio-
nalen Bestseller „Die Superreichen. Aufstieg
und Herrschaft einer neuen globalen Geld-
elite“. Darin nähert sich die Mutter dreier
Kinder dem Thema weniger aus aktivisti-
scher als aus deskriptiv-analytischer Sicht
und beschreibt, wie und warum der Ein-
kommensunterschied zwischen den obersten
0,1 Prozent dieser Welt und der restlichen
Bevölkerung in Zeiten der Globalisierung
immer weiter anwächst. Mitunter wurden
aus ihren Kontakten geradezu freundschaft-
liche Beziehungen. Im Jahr 2012 führte sie
etwa ein ausführliches Interview mit George
Soros, woraus der Gedanke erwuchs, eine
autorisierte Biographie des Milliardärs zu
verfassen. Trotz Ankündigungen ist diese
Biographie jedoch nie erschienen.
Mittlerweile ist Freeland auch
weltweit eine der mächtigsten
Frauen. Auf Trudeaus Amt soll
sie ein Auge geworfen haben.
Stattdessen brach Freeland mit ihrer jour-
nalistischen Karriere und ging in die Politik.
2013 wurde sie in Toronto als Abgeordnete
für die Liberale Partei ins kanadische Unter-
haus gewählt. Ab 2015 übernahm sie ver-
schiedene Kabinettsposten unter Premier-
minister Justin Trudeau. Zunächst war sie
Ministerin für internationalen Handel, ab
2017 dann Außenministerin. Im November
2019 übernahm sie den Posten der stellver-
tretenden Premierministerin und der Mini-
sterin für zwischenstaatliche Angelegenhei-
ten. Im August 2020 gab sie letzteren auf,
um Finanzministerin zu werden.
Ihre weltweiten Kontakte zu den Eliten
aus Wirtschaft und Politik hat sie dabei nie
verloren. So wurde Freeland etwa mit dem
Eric-M.-Warburg-Preis der Atlantik-Brük-
ke für ihre Verdienste um die Stärkung der
transatlantischen Beziehungen ausgezeichnet.
Zudem ist sie seit 2019 Mitglied des Kurato-
riums des Weltwirtschaftsforums, an dessen
Treffen sie seit Jahren teilnimmt.
Mittlerweile ist Freeland auch weltweit
eine der wohl mächtigsten Frauen. Immer
wieder machen dazu Gerüchte die Runde,
wonach sie die Nachfolge Justin Trudeaus
antreten könnte und bereits ein Auge auf das
Amt des Premierministers geworfen habe. Ihr
Regierungsstil dürfte wohl kaum liberaler
ausfallen. Das jüngst in Kanada beschlossene
Notstandsgesetz erlaubt jene dystopischen
Maßnahmen wie Kontensperrungen nur für
dreißig Tage durchzuführen. Doch die am-
bitionierte Chrystia Freeland will mehr und
triumphiert: „Einige der Instrumente, die wir
ins Auge gefaßt haben, werden diesen Maß-
nahmen künftig Dauerhaftigkeit verleihen.“
4|POLITIK
Erasmus-Stiftung pocht
auf Fördermittel
BERLIN. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung
(DES) hat einen Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz beim Bundesverfassungsge-
richt gestellt, um in den Genuß staatlicher
Fördermittel für ihre Arbeit zu kommen.
Dies teilte die Vorsitzende der AfD-nahen
Stiftung, Erika Steinbach, vergangene Wo-
che vor Journalisten in Berlin mit. Hin-
tergrund ist, daß im derzeit vorliegenden
Haushaltsplanentwurf für 2022 keine För-
dersumme für die DES eingestellt worden
ist. Die parteinahen Stiftungen erhalten aus
dem Einzelplan des Bundesinnenministe-
riums sogenannte Globalmittel, mit denen
ihre gesellschaftspolitische und demokra-
tische Bildungsarbeit gefördert wird. Laut
Bundesverfassungsgericht sind daran „alle
dauerhaften, ins Gewicht fallenden politi-
schen Grundströmungen in der Bundes-
republik Deutschland angemessen zu be-
teiligen“. Dieses Kriterium gilt als erfüllt,
sobald die der Stiftung nahestehende Partei
zum wiederholten Mal in den Bundestag
einzog, davon mindestens einmal in Frakti-
onsstärke. Dies ist seit September vergange-
nen Jahres bei der AfD der Fall. Man nehme
Bundestag und Bundesregierung nun „beim
Wort, ihre praktizierten Grundlagen zur För-
derung politischer Stiftungen jetzt für die
DES umzusetzen und unserer Stiftung die
Fördermittel nicht länger zu versagen“, so
Steinbach. „Wir fordern jetzt Gleichberech-
tigung und Gleichbehandlung – und nichts
anderes.“ Demokratie sei Wettbewerb und
dieser setze Chancengleichheit „zwingend
voraus“. Die Globalmittel belaufen sich im
Haushalt 2022 auf insgesamt 132 Millionen.
Laut Steinbach beansprucht die DES davon
für dieses Jahr sechs Millionen Euro. (vo)
Attacken auf Parteien
am meisten gegen AfD
BERLIN. Die AfD ist im vergangenen Jahr
von allen im Bundestag vertretenen Parteien
zum wiederholten Mal am häufigsten at-
tackiert worden. Die Sicherheitsbehörden
zählten 660 Fälle, in denen Funktionäre oder
Mitglieder der Oppositionspartei angegriffen
wurden, teilte das Bundesinnenministeri-
um auf eine Anfrage der AfD mit. Dahin-
ter folgten CDU (617 Fälle), Grüne (454
Fälle) und SPD (445 Fälle). Ein ähnliches
Bild ergibt sich beim Blick auf Angriffe auf
Gebäude oder Einrichtungen der Parteien.
Während die AfD hierbei 120mal Opfer
war, geschah dies bei der SPD 83mal, bei
der CDU 82- und bei den Grünen 67mal.
Mit Abstand am häufigsten wurden 2021,
als fünf Landtagswahlen sowie die Bundes-
tagswahl stattfanden, Plakate der AfD be-
schädigt oder zerstört. Die Behörden regi-
strierten insgesamt 9.435 Straftaten mit dem
Unterangriffsziel „Wahlplakat“. Mit 3.365
Fällen betraf mehr als ein Drittel davon die
AfD. Dahinter folgten die Grünen (1.751)
und die CDU (1.591). Die meisten Attacken
gegen die AfD kamen laut Innenministeri-
um aus dem linksradikalen Spektrum. „Ei-
ne zentrale Steuerung von Angriffen durch
linksextremistische Einzelpersonen oder
Gruppen läßt sich nicht erkennen, zumal
die Bekennerschreiben ganz überwiegend
unter anonymen Bezeichnungen verfaßt
werden“, teilte das Ministerium mit. Der
AfD-Innenpolitiker Martin Hess sieht in
der Antwort ein Zeichen dafür, daß sich der
Fokus des Innenministeriums unter Faesers
Leitung verschoben habe. „In der Vergan-
genheit gab die Bundesregierung ausdrück-
lich die Erkenntnis preis, daß die tätlichen
Angriffe auf unsere Partei von Linksextre-
misten verübt werden, die dem Aktionsfeld
des ‘Antifaschismus’ zugerechnet werden“,
sagte Hess der jungen freiheit. (ls)
Parteien, Verbände, Personen
AfD-Delegation im EU-Parlament
Zum Leiter ihrer Delegation in Brüssel und Straßburg
haben die AfD-Europaabgeordneten Nicolaus Fest
gewählt. Er folgt damit Jörg Meuthen, der aus der
AfD ausgetreten ist. Der neue De-
legationschef kündigte an, er wolle
die Bündelung aller „patriotischen,
freiheitlichen und konservativen
Kräfte im EU-Parlament“ weiter
forcieren. Zum neuen Stellvertreter
FOTO: AFD
Fests wurde Gunnar Beck gewählt.
Der frühere Parteichef Meuthen
verließ unterdessen auch die Frakti-
on Identität und Demokratie (ID), Fest
zu der die AfD gehört.
www.id-afd.eu
Bundespräsidialamt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seine
langjährige Büroleiterin Dörte Dinger zur Leiterin des
Bundespräsidialamts ernannt. Die 40jährige promovier-
te Politologin tritt die Nachfolge von Stephan Steinlein
an, der ins Auswärtige Amt wechselt. Neue Sprecherin
im Schloß Bellevue wird die bisherige stellvertreten-
de Leiterin der Parlamentsredaktion der Süddeutschen
Zeitung, Cerstin Gammelin. Als Redenschreiber holt
Steinmeier den Zeit-Politikchef Marc Brost.
www.bundespraesident.de
Ciao, Gao?
Auslandseinsatz: Bundeswehrsoldaten sollen in Mali bei der Stabilisierung des Landes helfen / Mission steht auf der Kippe
PETER MÖLLER
D
ie frühere Bundeskanzlerin Angela
Merkel konnte es rückblickend selbst
kaum fassen „Und plötzlich sind wir
in Afrika“, sagte sie im Mai 2018 auf
einer Bundeswehrtagung mit Blick auf die seit 2013
laufenden Einsätze der Bundeswehr im westafri-
kanischen Mali. Und an dieser Zustandsbeschrei-
bung hat sich seitdem auch nichts geändert. Die
Bundeswehr ist in Mali derzeit an zwei Einsätzen,
der Stabilisierungs-Mission Minusma der Verein-
ten Nationen und der EU-Ausbildungsmission
EUTM, beteiligt.
Doch jetzt befindet sich das Engagement Berlins
in Mali, wo das Militär gerade zum dritten Mal
seit 2012 geputscht hat, in einer entscheidenden
Phase: Nachdem Frankreich angekündigt hat, den
Anti-Terror-Einsatz in seiner ehemaligen Kolonie
zu beenden, stellt sich die Frage, wie es nun für
Deutschland und die dort stationierten gut 1.350
Soldaten der Bundeswehr weitergeht? Insbesondere
der Abzug der französischen Kampfhubschrauber
erschwert die Situation für die deutschen Solda-
ten und läßt das Risiko der eh schon als besonders
gefährlich eingestuften Mission weiter steigen. Be-
reits Anfang Februar hatte Außenministerin An-
nalena Baerbock (Grüne) den Mali-Einsatz wegen
wachsender Spannungen mit der Militärregierung
grundsätzlich in Frage gestellt, nachdem Ende Ja-
nuar die Regierung einer Bundeswehrmaschine mit
75 Soldaten an Bord die Überfluggenehmigung
verweigert hatte.
Es komme jetzt darauf an, sehr zügig über ei-
ne Kompensation der französischen Fähigkeiten
zu sprechen, sagte nun Verteidigungsministerin
Christine Lambrecht (SPD). „Wer kann das über-
nehmen?“ Das sei wichtig für die Entscheidung,
wie man mit den Bundeswehr-Missionen umge-
he, ob und wie man sie verlängere. Damit machte
Lambrecht deutlich, daß es keinen Automatismus
für einen Abzug der deutschen Truppen aus Mali
gibt – im Gegenteil.
Das machten auch die Äußerungen der Vor-
sitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-
Agnes Strack-Zimmermann (FDP), deutlich, die
„Nicht, was sie sagt, sondern was sie tut“
Linkspartei: Erst laufen die Wähler davon, dann die Parteiprominenten / Die ehemaligen Einheitssozialisten sind ziemlich gespalten
PAUL LEONHARD
B
ei den SED-Nachfolgern hängt der Haus-
segen schief. Mal wieder. Ihnen ist ihre
Wählerklientel abhanden gekommen, wie
die 4,9 Prozent bei der Bundestagswahl gezeigt
haben. Angesichts der Pläne der Linken für den
sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und
Gesellschaft haben die bisherigen Sympathisanten
lieber gleich das Original gewählt: Grüne und SPD.
Es genüge eben nicht, „sozialdemokratische oder
grüne Politik sozialer machen zu wollen“, ätzte der
Landesverband Brandenburg, der die gesamte Linke
„in ihrer Existenz bedroht“ sieht und skeptisch
fragt, ob das der Parteiführung wichtigste Thema,
die radikale und doch sozial verträgliche Klima-
wende, tatsächlich für einen Neuanfang tauge.
Einer der prominentesten innerparteilichen Kri-
tiker hat nun auch persönliche Konsequenzen ge-
zogen: Oskar Lafontaine, einst Chef der Linken,
hat seinen Rückzug aus der Politik angekündigt.
Grund: der derzeitige Kurs seiner Partei. „Es
gibt immer zwei Optionen: Entweder man bleibt
im Verein, verläßt aber das Programm. Oder man
CDU Nordrhein-Westfalen
Die Christdemokraten im bevölkerungsreichsten Bun-
desland haben Ministerpräsident Hendrik Wüst zum
Spitzenkandidaten für die nordrhein-westfälische Land-
tagswahl im Mai gewählt. Wüst erhielt die Stimmen fast
aller 300 Delegierten. In einer Kampfabstimmung um
Listenplatz 12 setzte sich der Chef der Staatskanzlei,
Nathanael Liminski, gegen den türkischstämmigen
Duisburger CDU-Politiker Denis Güner durch. In
der aktuellen Insa-Umfrage rangiert die CDU mit 27
Prozent auf Platz zwei hinter der SPD (29 Prozen).
www.cdu-nrw.de
Grüne im Landtag Baden-Württemberg
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Frak-
tion im Landtag von Baden-Württemberg, Hans-Ulrich
Sckerl, ist verstorben. Medienberichten zufolge erlag
der 70jährige vergangene Woche einem Krebsleiden.
Der langjährige Kommunalpolitiker aus Weinheim zog
2006 erstmals in den Stuttgarter Landtag. 2016 ge-
wann er das Direktmandat für die Grünen, das er im
vergangenen Jahr mit 35 Prozent der Stimmen vertei-
digte. Nachrückerin wird Sckerls bisherige Referentin
Fadime Tuncer.
www.gruene-landtag-bw.de
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vor einer schnellen Beendigung des Einsatzes der
FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA
Bundeswehr warnt. Die Konsequenzen eines sol-
chen Schrittes müßten bedacht werden, sagte sie
und brachte sogar eine Verstärkung der Bundes-
wehr mit schwererer Bewaffnung zum Schutz der
Soldaten ins Gespräch. „Wir haben dort ja leichtes
bis mittelschweres Gerät. Uns wurde immer gesagt,
das reiche. Aber wenn die Luft da bleihaltiger wird,
müssen wir dann unter Umständen auch den Boxer
verlegen, um unsere Leute zu schützen? Das muß
geklärt werden“, forderte Strack-Zimmermann mit
Blick auf den Radpanzer der Bundeswehr. „Wenn
wir in so einer Region mit all diesen komplexen
Zusammenhängen sind, muß die Bundeswehr op-
timal ausgerüstet werden.“ Strack-Zimmermann
warnte vor den möglichen Folgen eines Abzugs der
Bundeswehr. „Die Frage ist, was passiert, wenn wir
rausgehen? Machen sich die Russen breit, um das
Vakuum zu füllen? Auch größere Unruhen und
damit große Fluchtbewegungen sind nicht im In-
teresse Europas“, sagte die FDP-Politikerin.
„Nicht ersichtlich, welchen
deutschen Interessen das dient“
Ob es aber tatsächlich zu einer Verstärkung der
deutschen Truppen in Mali kommt, um den Abzug
der Franzosen zu kompensieren, scheint fraglich.
Das gilt nicht zuletzt auch für die Entsendung von
Kampfhubschraubern. Bereits von 2017 bis 2018
waren vier deutsche Kampfhubschrauber vom Typ
Tiger im Mali-Einsatz. Dabei stürzte 2017 eine Ma-
schine nach einem Wartungsfehler ab, die beiden
Piloten wurden getötet. Eine neue Entsendung
von Kampfhubschraubern wäre laut Lambrecht
aber „ein völlig anderes Mandat“, das der Bundes-
tag beschließen müßte. Eine Mehrheit der Ampel-
koalition dafür gilt in Berlin als unwahrscheinlich.
Dennoch fordert der CDU-Verteidigungspo-
litiker Henning Otte von Bundeskanzler Olaf
Scholz und dem Bundeskabinett, den deutschen
Soldaten nach dem Abzug der Franzosen „robu-
sten Schutz zur Verfügung zu stellen“. Sollte der
Bundesregierung dazu der Mut fehlen, müßte sie
den Einsatz beenden, sagte Otte im Interview mit
der ARD. Das hätte aus seiner Sicht fatale Folgen:
„Deutschland würde Mali im Kampf gegen den
bleibt im Programm und wenn der Verein das Pro-
gramm verläßt, muß man eben den Verein verlas-
sen“, sagte der Noch-Fraktionsvorsitzende im Saar-
ländischen Landtag. Seinen Genossen warf er vor,
sich nicht mehr an den Problemen der arbeitenden
Menschen zu orientieren. Das Wahlergebnis der
jüngsten Bundestagswahl sage: „Ihr habt versagt!“
Mit Themen wie Diversität und Gendern könne
man sich beschäftigen, aber sie dürften niemals
das Programm einer linken Partei bestimmen. Das
Kerngeschäft müsse die soziale Gerechtigkeit sein.
„Linke ist inzwischen
in westdeutscher Hand“
Die frühere DDR-Ministerin Christa Luft, seit
1955 in der SED, verließ inzwischen aus Protest die
Partei, von deren Führung sie „nicht den Anflug
einer Analyse einschließlich Selbstkritik zur Aufklä-
rung der Ursachen des Scheiterns“ habe erkennen
können, deren Fraktionschefs aber „bruchlos wei-
ter amtieren“. Anbiederei und das vernachlässigte
Ost-Thema seien aus ihrer Sicht an der Wahlnie-
derlage schuld. Diese nur auf Corona und Sahra
Krise an der Küste
WERNER BECKER
A
m Donnerstag ist die Landesregierung in
Mecklenburg-Vorpommern die berühmten
hundert Tage im Amt. Für Ministerpräsiden-
tin Manuela Schwesig (SPD) ist das allerdings kein
Grund zum Feiern. Ihr rot-rotes Kabinett ist schon
nach wenigen Wochen in schweres Fahrwasser gera-
ten. Erst die spektakuläre Pleite der zum Hongkonger
Genting-Konzern gehörenden „MV-Werften“, dann
allerlei Kritik an Schwesigs Personalpolitik und nun
auch noch Ärger im Energiewende-Paradies. Nordex,
einer der größten Hersteller von Windrädern, droht
die Pleite. 2.000 Arbeitsplätze könnten nach China
ausgelagert werden.
Auch unverbindliche Versprechungen von Bun-
deswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rund
um eine „mögliche“ Modernisierung der weltweiten
Flotten „auf dem Weg hin zur Klimaneutralität“
konnten die Stimmung nicht heben. Die Werften-
krise wird auch für Schwesig langsam zum Problem.
Lange hatten die Ministerpräsidentin und auch der
Bundeswehr-Patrouille in der Nähe des malischen Gao: Nach dem Abzug der Franzosen
braucht das deutsche Kontingent einen robusten Schutz
Terror alleine lassen. Die Sahel-Zone würde vom
Terror destabilisiert werden, und Deutschland
würde den Vereinten Nationen in ihrem Bemühen
um die Region in den Rücken fallen.“
Die Haltung der AfD, die in der vergangenen
Woche im Bundestag eine Aktuelle Stunde zu Mali
beantragt hatte, ist eindeutig: „Die Bundesregierung
muß jetzt den Franzosen folgen und den Abzug
der Bundeswehr aus Mali unverzüglich einleiten“,
sagte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-
Fraktion, Rüdiger Lucassen. Die Aussichtslosigkeit
des Mali-Einsatzes der Bundeswehr sei seit Jahren
bekannt. Die Bundesregierung sei nie einer tragfähi-
Wagenknecht zu schieben, sei „ärmlich“. Der Ka-
pitalismus stelle die Ungleichheit immer wieder
neu her und zerstöre die natürlichen Grundlagen,
heißt es in einem von der Parteiführung zum Jah-
resauftakt veröffentlichen Papier. Deutlicher wird
der Liebknecht-Kreis Sachsen, der in einem Brief,
dem das Rosa-Luxemburg-Zitat „Aber eine Partei
ist nicht, was sie von sich sagt und glaubt, sondern
was sie tut“ vorangestellt ist, der Linken-Spitze vor-
wirft: „Von Ausbeutung, Imperialismus und der
Lösung der Eigentumsfrage (öffentliches Eigentum
in der Daseinsvorsorge, an der gesellschaftlichen
Infrastruktur, in der Energiewirtschaft und im
Finanzsektor) wird nur noch selten gesprochen.“
Von den Parteivorsitzenden Janine Wissler und
Susanne Hennig-Wellsow komme „weder eine
tragfähige Analyse der verheerenden Niederlage“
bei der Bundestagswahl, „noch ein Neustart oder
eine Kurskorrektur hin zu einer kämpferischen
sozialistischen Partei“. Der interne Streit, ob die
Linke überhaupt noch sozialistisch ist und falls ja,
die richtigen Anführer habe, hat alle Landesver-
bände und Flügel erfaßt.
Nahezu vier Fünftel der Gesellschaft, das ge-
samte Dienstleistungsproletariat, kommen in der
Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Ex-Koalitionspartner CDU dem Genting-Konzern
vertraut und immer neue Bürgschafts- und Darle-
henspakete geschnürt. Daß der Kreuzfahrtschiff-
bau, auf den die „MV-Werften“ sich spezialisiert
hatten, nicht erst seit Corona Probleme bekommt,
wurde lange ignoriert. Erst mit der plötzlichen Plei-
te der Werften und auch des Mutterkonzerns ging
die Landesregierung auf Distanz zum Investor. Es
droht der Verlust von bis zu 400 Millionen Euro
Steuergeld. Schwesig war bis dahin bei fast jedem
Stapellauf persönlich anwesend, ließ die schlechten
Botschaften aber stets Wirtschafts- oder Finanzmi-
nister überbringen.
Dennoch geben laut einer Umfrage der AfD-
Landtagsfraktion, die der jungen freiheit vorliegt,
42 Prozent der Befragten der SPD-Frau eine „persön-
liche Mitverantwortung“ für die Pleite. 37 Prozent
sehen diese nicht. Insgesamt sind 50 Prozent (eher)
unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Lan-
desregierung, nur 25 Prozent sind (eher) zufrieden.
Schlechte Zahlen für eine Ministerpräsidentin, die
die vergangenen Wahlen vor allem wegen persön-
licher Beliebtheit gewann. So ist es dann auch kein
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022
gen Strategie gefolgt. „Bis heute ist unklar, welchen
deutschen Interessen der Einsatz unserer Soldaten in
Mali dient. Nun entfällt auch noch das Argument
der Bündnissolidarität mit Frankreich.“
Doch wahrscheinlicher als ein kompletter Ab-
zug der Bundeswehr scheint zu sein, daß Berlin
die Beteiligung an der EUTM-Ausbildungsmission
beendet oder reduziert und den Minusma-Einsatz
zur Stabilisierung des Landes fortsetzt. Auch künf-
tig dürfte es daher für die Bundeswehr heißen:
„Wir sind in Afrika.“
Kommentar Seite 2
Wahrnehmung der Linken kaum vor, ist etwa
der Vorsitzende des Linken-Ältestenrates Hans
Modrow überzeugt. Ausgebrochen ist auch wieder
der alte Streit zwischen Ost- und West-Linken.
Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, so
Modrow, „daß die Partei wie seinerzeit das östliche
Land inzwischen in westdeutscher Hand“ sei und
deren Vertreter den Ton angeben. Diese müßten
daran erinnert werden, „wofür Generationen ge-
kämpft haben: nämlich nicht für die Stabilisierung
des kapitalistischen Systems, sondern für dessen
Überwindung“. Die „faktische Vernachlässigung
des Ostens in den vergangenen zehn Jahren“ hält
inzwischen auch Fraktionschef Dietmar Bartsch
für einen „grandiosen Fehler“.
Wenigstens eine Genossin setzt derweil in Berlin
linke Ideen um. Zwar nicht wie erhofft als Bundes-
arbeitsministerin, aber immerhin als Senatorin für
Integration, Arbeit und Soziales im rot-grün-rot
regierten Berlin – Katja Kipping. Die 43jährige,
die acht Jahre Parteivorsitzende der Linken war,
sagte der zerstrittenen Kleinstfraktion im Bundes-
tag Lebewohl und will nun demonstrieren, was
sie unter einem sozial-ökologischen Umbau von
Wirtschaft und Gesellschaft versteht.
Wunder, daß für die SPD auch in der Insa-Sonn-
tagsfrage für den Nordkurier die Bäume nicht mehr
in den Himmel wachsen. Auf 36 Prozent kommen
die Sozialdemokraten, rund vier Prozentpunkte we-
niger als bei der Landtagswahl 2021.
Auch Schwesigs Personalpolitik gerät mehr und
mehr in die Kritik. Die CDU kündigte an, gegen
die Berufung von Patrick Dahlemann (SPD) zum
Chef der Staatskanzlei Klage einzureichen. Grund:
Dahlemann verfügt weder über einen Berufs- noch
Studienabschluß. Sein Grundgehalt in der Besol-
dungsgruppe B 9 beträgt stattliche 11.500 Euro
im Monat. An der Berufung der Landeschefin der
Linken, Wenke Brüdgam, zur Gleichstellungsbe-
auftragten des Landes stört sich nicht nur die AfD
(„Vetternwirtschaft“), sondern auch der Landesrech-
nungshof. Die Stelle wurde ohne Ausschreibung ein-
fach besetzt. Dies sei „grundgesetzwidrig“. Schwere
Zeiten also für Schwesig. Die allerdings zieht sich
wegen einer Nachsorge-Operation nach ihrer Brust-
krebserkrankung erst einmal drei Wochen aus der
Öffentlichkeit zurück. Das Hundert-Tage-Jubiläum
ihrer Regierung kann sie also nicht feiern.
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022
Viel hilft
nicht
immer
viel
Lobbyregister: Im Kampf
gegen Korruption wird
ein Bürokratie-Monster
erschaffen
PAUL ROSEN
D
er Weg der Politik war wie üblich mit
guten Vorsätzen gepflastert. „Um einen
zweiten Fall Amthor zu verhindern,
muß in Zukunft offengelegt werden,
welche Einflußnahme es zwischen Abgeordneten
und Lobbyisten gibt“, hatte der damalige SPD-
Generalsekretär Lars Klingbeil im Sommer 2020
erklärt. Unter dem Druck der Verhältnisse war
auch die Union auf einmal für ein Lobbyregister.
Hintergrund ist der Fall des jungen CDU-Ab-
geordneten Philipp Amthor, der eine Nebentä-
tigkeit für das amerikanische IT-Unternehmen
„Augustus Intelligence“ angenommen hatte und
dafür mit Aktienoptionen entlohnt werden soll-
te. Der CDU-Hoffnungsträger Amthor geriet so
unter Druck, daß er sogar seine Kandidatur für
den CDU-Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpom-
mern zurückziehen mußte. Seit Jahresanfang ist
das Lobbyregister-Gesetz in Kraft. Das Register
ist öffentlich einsehbar und soll laut Bundestag zu
mehr Transparenz bei der für ein demokratisches
Gemeinwesen sichtbaren Vertretung gesellschaft-
licher Interessen gegenüber der Politik beitragen.
Das Gesetz hat bei den Betroffenen hektische
Betriebsamkeit ausgelöst. Denn von der Bundes-
tagsverwaltung werden detaillierte Angaben über
die jeweiligen Lobbyisten oder die jeweilige Lob-
byorganisation verlangt, die nicht immer einfach
anzugeben beziehungsweise zu beziffern sind. Die
Folgen bei Verstößen – und das ist neu – können
gravierend sein: Wer sich nicht einträgt oder (sogar
nur fahrlässig) falsche Angaben im Register macht,
muß mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro
rechnen. Interessenvertreter müssen zudem bei
der Registrierung im Lobbyregister einen Verhal-
Richtig ist, was gegen Rechts ist
Faeser-Affäre: Die Innenministerin distanziert sich weiterhin nicht von ihrem Beitrag für eine linksextrem beeinflußte Publikation
CHRISTIAN VOLLRADT
E
s sei für sie wichtig gewesen, sich „nicht von
der jungen freiheit und anderen treiben zu
lassen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy
Faeser (SPD) am Wochenende in einem Interview
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).
Wenn man eine Überzeugung habe, soll man auch
dazu stehen. Damit begründete die Chefin des für die
staatliche Sicherheit und den Schutz der Verfassung
zuständige Ministerin, warum sie sich nicht von ih-
rem Gastbeitrag in der Zeitschrift antifa der Vereini-
gung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN-BdA),
die der Verfassungsschutz als linksextrem beeinflußt
einstuft, distanziert (JF 7/22).
Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Jeder wie sie will
CHRISTIAN VOLLRADT
D V
a war mal wieder richtig Stimmung im
Plenum. Und das bei einem Thema, das
verglichen mit anderem gerade eher – nun
ja – randständig ist: dem Internationalen Frauentag.
Kaum hatte die Bundestagsabgeordnete Beatrix
von Storch (AfD) mit ihrem Redebeitrag begon-
nen, notierten die Stenographen bereits wütende
Zwischenrufe aus den Reihen der Grünen: „Jetzt
reicht’s!“, „Ekelhaft“ oder „Aufhören! Aufhören!“
und sogar „Halten Sie Ihre Fresse!“ – wobei an dieser
Stelle kein Ordnungsruf erfolgte.
Mit was hatte die Politikerin ihre politischen
Mitbewerber so in Rage versetzt? Nun, sie hatte
jenes Mitglied des Bundestages erwähnt, das als
Markus Ganserer für die bayerischen Grünen kan-
didiert hatte und nach erfolgreicher Wahl als Tessa
Ganserer im Reichstagsrund Platz nimmt. Wört-
lich sagte von Storch: „Wenn der Kollege Markus
Ganserer Rock, Lippenstift, Hackenschuhe trägt,
tenskodex akzeptieren, der sie auf die „Grundsät-
ze der Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und
Integrität verpflichtet“. Verstöße dagegen sollen
veröffentlicht werden.
Am Gesamtverband der Deutschen Versiche-
rungswirtschaft wird deutlich, was alles angegeben
werden muß. Offenzulegen sind die jährlichen
finanziellen Aufwendungen für Interessenvertre-
tung, die die Versicherungswirtschaft mit rund
15 Millionen Euro angibt. Als Beschäftigte im
Lobbywesen werden neben Hauptgeschäftsführer
Jörg Asmussen weitere 17 vertretungsberechtigte
Personen und rund 90 Mitarbeiter, die Interes-
senvertretung unmittelbar ausüben, namentlich
genannt.
Bundestag droht
mit empfindlichen Strafen
Daneben müssen die Zahl der Mitglieder des
Verbandes (455) und auch Mitgliedschaften des
Verbandes selbst wie zum Beispiel im Ost-Aus-
schuß der deutschen Wirtschaft und in der Deut-
schen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanz-
mathematik angegeben werden.
Verlangt werden Angaben zu Interessengebieten,
zur eigenen Tätigkeit, zu Jahresabschlüssen und
zum eigenen Verhaltenskodex. Was indes fehlt, sind
zum Beispiel biographische Hinweise, obwohl das
lobbyistische Wirken der Versicherungswirtschaft
besser verständlich sein würde, wenn man wüßte,
daß ihr Hauptgeschäftsführer Asmussen als ehe-
maliger Staatssekretär der Bundesregierung wei-
terhin beste persönliche Kontakte zu Ministerien
sowie zu den Fraktionen haben dürfte. Asmus-
sen befindet sich damit in bester Gesellschaft mit
Diese Schmallippigkeit wollte die Opposition
im Bundestag Faeser nicht durchgehen lassen. Dort
mußte sich die Ministerin im Innenausschuß recht-
fertigen, außerdem ließ die Union das Thema in ei-
ner Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung setzen.
Das wiederum reizte die Verteidiger Faesers auf der
linken Seite des politischen Spektrums zu heftigen
verbalen Attacken nach rechts.
„Unter Merkel hätte es so eine Aktuelle Stunde
nicht gegeben“, wetterte die Linken-Abgeordnete
Martina Renner, selbst Mitglied der VVN-BdA.
Sie fand es „unerträglich, daß die Union in dieser
Woche gemeinsam mit der AfD die Hetzkampagne
weiterführt, die von der extrem rechten jungen
freiheit und der Springer-Presse losgetreten“ wor-
den sei. Auch Konstantin von Notz (Grüne) em-
dann ist das völlig in Ordnung; es ist aber seine Pri-
vatsache.“ Biologisch und juristisch sei und bleibe
er ein Mann. Und wenn er im Bundestag als Frau
geführt werde, „dann ist das schlicht rechtswidrig“,
so die Juristin, um dann sogleich das über sie gefällte
Urteil vorwegzunehmen: „Der Queer-Beauftragte
der Bundesregierung, Sven Lehmann, meint, jeder,
der Herrn Ganserer nicht als Frau akzeptiere, sei
transphob.“
Ihre Empörung faßte Britta Haßelmann von
den Grünen so zusammen: „Homophob und zu-
tiefst menschenverachtend“, gar „abscheulich und
niederträchtig“ habe von Storch gesprochen. Gan-
serer sei eine „vom 59-Prozent-Anteil Frauen“ in
ihrer Fraktion, „und niemand von uns hat darüber
zu richten oder darüber zu reden oder zu entschei-
den, wie diese Frau ihr Selbstbestimmungsrecht
wahrnimmt“, deklamierte die Fraktionsvorsitzende
unter großem Beifall.
Von den Fakten her stand dagegen von Storch
auf der stabilen Seite: Ganserer hatte es bisher abge-
lehnt, Vornamen und Geschlecht nach dem Trans-
Abgeordnete bei der Stimmabgabe in der Lobby
des Bundestags: Transparenz und Geldbußen
vielen anderen Verbandsgeschäftsführern. Doch
über das Vorleben von Lobbyisten in Regierung
und Fraktionen schweigt sich das Lobbyregister
bezeichnenderweise aus.
Bis zum 21. Februar hatten insgesamt 787 Lob-
byisten, darunter 84 natürliche Personen, die Ein-
tragung ins Lobbyregister geschafft. Zu den jüng-
sten Einträgen zählen zum Beispiel die Forschungs-
vereinigung Antriebstechnik und das Deutsche
Lack-Institut. Die meisten Lobbyisten geben als
Interessenbereiche Wirtschaft, Umwelt, und Ge-
sundheit an. Bei den Verbänden sind 3.869 Per-
sonen namentlich registriert. Sie müssem auf ihrer
Seite also eine Transparenz an den Tag legen, die
umgekehrt von Abgeordneten und Fraktionen bei
deren Mitarbeitern nicht verlangt wird.
Die Eintragung ins Lobbyregister wird online ab-
gewickelt, und das scheint alles andere als einfach zu
sein. Von der jungen freiheit befragte Lobbyisten
bezeichneten das Register und das Verfahren als
Bürokratiemonster. Zumal die strikte Umsetzung
der Vorgaben Folgen hat, die rational kaum noch
nachvollziehbar sind. So muß in großen Konzer-
nen intern abgefragt werden, welche Mitarbeiter
als mögliche Lobbyisten in Frage kämen. Ein Un-
ternehmen wie Volkswagen (120.000 Beschäftig-
te in Deutschland) ist zum Beispiel nicht nur im
Verband der Automobilindustrie (VDA), sondern
hat Mitarbeiter, die etwa auch im Deutschen Feu-
erwehrverband sind, weil Firmen dieser Größe über
eigene Werksfeuerwehren verfügen. Und könnte
nicht womöglich auch ein Unternehmensarchivar
von Volkswagen als Mitglied des Verbands deut-
scher Archivarinnen und Archivare lobbyieren,
weshalb er ins Register aufzunehmen ist?
Inzwischen bemüht sich die Bundestagsver-
waltung, mit zusätzlichen Informationen für Ad-
pörte sich über die Kritiker der Ministerin: „Wenn
das der neue Friedrich-Merz-Style ihrer Fraktion
ist und wenn das Aufwärmen von Kampagnen der
jungen freiheit hier stilprägend wird, dann gu-
te Nacht!“ Seine Fraktionskollegin Irene Mihalic
sprach von einem „plumpen“ Versuch, „Mitglieder
der Bundesregierung zu diskreditieren“.
Unterdessen kündigte die Bundesinnenmini-
sterin an, bis Ostern einen Aktionsplan gegen
Rechtsextremismus vorzulegen. Einen solchen –
mit 89 Punkten – hatte vor zwei Jahren auch schon
Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) präsentiert.
Auch die Inhalte klingen vertraut: unter anderem
ist eine weitere Verschärfung des Waffenrechts
vorgesehen. Faeser zielt außerdem darauf, „daß
Rechtsextremisten schneller aus dem öffentlichen
sexuellengesetz offiziell ändern zu lassen, wofür es
eines psychologischen Gutachtens und einer ge-
richtlichen Entscheidung bedurft hätte. Im Perso-
nalausweis steht daher der Name Markus, und der
Bundeswahlleiter führt das gewählte Mitglied der
Bundestags als „Ganserer, Markus (Tessa)“.
Und wie verfährt der Bundestag? Auf JF-Anfrage
teilte ein Sprecherin mit, man sei zur Auskunft nur
verpflichtet, „soweit sich die erbetenen Angaben
nicht auf einzelne Abgeordnete unter Namensnen-
nung, sondern auf die Gesamtheit der Abgeordneten
beziehen“. Warum aber verwendet die Parlaments-
verwaltung in ihren offiziellen Angaben ausschließ-
lich den Vornamen Tessa? „Der Bundestag veröf-
fentlicht auf der Internetseite und im Amtlichen
Handbuch biographische Informationen, die er von
den Abgeordneten erhält.“ Und für deren Richtig-
keit seien diese selbst verantwortlich. In „Kürsch-
ners Volkshandbuch“ vollzog man schon eine kleine
Änderung. In Auflage 1 der Vorab-Version hatten
die Grünen 69 Frauen und 49 Männer. Auflage 2
zählt 70 Frauen und 48 Männer.
POLITIK|5
Parteien reagieren auf
FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA
Rußlands Vorgehen
BERLIN. Außenministerin Annalena Baer-
bock (Grüne) hat das Vorgehen des russi-
schen Präsidenten Wladimir Putin im Ukrai-
ne-Konflikt scharf verurteilt. Die Anerken-
nung der Separatistengebiete Luhansk und
Donezk als eigenständige Staaten sowie die
Entsendung von Truppen, um angeblich den
Frieden vor Ort zu sichern, stelle einen „ekla-
tanter Bruch des Völkerrechts“ dar, kritisier-
te die Grünen-Politikerin. Putins Handeln
sei „ein schwerer Schlag für alle diplomati-
schen Bemühungen zur friedlichen Beile-
gung und politischen Lösung des aktuellen
Konflikts“. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) sprach von einem schwerwiegenden
Bruch des Völkerrechts und gab den Stopp
des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 bekannt.
FDP-Chef Christian Lindner bescheinigte
Putin, sich mit dem Manöver zum Schaden
seines Volkes selbst zu isolieren. Seine Partei-
kollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann
bezeichnete Putins Rede als „Kriegserklä-
rung“. Er spreche der Ukraine damit die
Unabhängigkeit ab, schrieb die Vorsitzen-
de des Verteidigungsausschusses auf Twitter.
ministratoren die Eintragungsmöglichkeiten zu Zudem verdrehe er alle historischen Fakten.
verbessern. Die staunten nicht schlecht, als sie Nun müßten Sanktionen folgen. Auch die
von der Bundestagsverwaltung eine E-Mail mit Unionsfraktion im Bundestag forderte har-
der Betreffzeile „Entschuldigung“ erhielten. Darin te Konsequenzen für Rußland. „Wenn der
bedauerte die Verwaltung, daß ein von ihr an die Westen diesen Belastungstest nicht besteht,
Lobbyisten gemeldeter „Trick“ – die vorläufige wird es dauerhaft Unfrieden in Europa ge-
Angabe fiktiver Daten – zur frühzeitigen Auslö- ben. Wir dürfen nicht zulassen, daß Putin
sung des Postversands eines Freigabecodes nicht Europa scheibchenweise nach seinen auto-
funktioniert habe und empfahl einen anderen Weg, ritären Vorstellungen neu ordnet“, mahn-
um für die rechtzeitige Veröffentlichung schnell ten die Christdemokraten. Anderslautende
an den Code zu kommen. Signale kamen dagegen von der AfD. De-
Andererseits droht die Bundestagsverwaltung ren Ehrenvorsitzender Alexander Gauland
damit, Lobbyisten müßten sich unbedingt verge- warnte davor, Rußland die Alleinschuld für
wissern, daß alle Angaben richtig sind, bevor sie die Entwicklungen zu geben. „Die jetzige
den mit einem Trick von der Behörde erhaltenen Situation ist eine Folge der entgegen allen
Freigabecode eingeben. Denn auch eine versehent- Absprachen mit Moskau vorangetriebenen
liche Falschangabe im öffentlichen Lobbyregister Osterweiterung der Nato nach dem Ende
stelle bereits eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit des Kalten Krieges. Dadurch hat der Westen
einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro geahndet die legitimen Sicherheitsinteressen Rußlands
werden könne. verletzt.“ Ziel müsse eine Entspannung der
Der Fall Amthor, die Maskenaffäre um Abge- Lage sein. Sanktionen gegen Rußland lehnt
ordnete wie Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas die AfD ab, weil dadurch weitere Eskalatio-
Löbel (CDU) oder die Vorgänge um die sogenann- nen zu befürchten seien. (zit/ag)
te Aserbaidschan-Connection (JF 19/18) hätten
sich auch mit dem Lobbyregister nicht verhin-
dern lassen. Gericht kippt Verkürzung
Daß in der besonders korruptionsanfälligen
Rüstungsbranche die Namen einiger früherer Ab-
des Genesenenstatus
geordneter wie Uwe Beckmeyer (SPD) und Ditmar
Staffelt (SPD) auftauchen, ist immerhin ein Fin- BERLIN. Das Berliner Verwaltungsgericht
gerzeig in die Richtung, wo in der Vergangenheit hat entschieden, daß die vom Robert-Koch-
massiv Korruption stattgefunden hat. So hatten Institut angeordnete Verkürzung des Ge-
ehemalige SPD-Parlamentarier bei einem Panzer- nesenenstatus von sechs auf drei Monate
geschäft mit Griechenland tatkräftig mitgeholfen. rechtswidrig war. „Die bundesrechtliche
Was allerdings die Organisation „Pax Christi“ unter Verkürzung der Geltungsdauer des Gene-
der Aufstellung der Rüstungslobbyisten im Register senenstatus durch das Robert-Koch-Insti-
soll, erschließt sich nicht. tut (RKI) ist rechtswidrig“, teilte die Justiz-
behörde am Donnerstag mit. Die beiden
Kläger waren vergangenes Jahr an Corona
erkrankt und sahen sich durch die Schmä-
lerung ihres Immunitätsnachweises in ihren
Rechten verletzt. Das Gericht begründe-
te den Beschluß damit, nicht das Robert-
Koch-Institut, sondern die Bundesregierung
selbst müsse über die Dauer des Genesenen-
status entscheiden. So stehe es im Infekti-
onsschutzgesetz. Gegen die Entscheidung
Dienst entfernt werden können“. Zudem solle der ist eine Berufung möglich. Das Urteil gilt
Kampf gegen Rechtsextremismus noch viel frü- allerdings nur für die betroffenen Kläger.
her anfangen, „nämlich schon im Kindergarten“. Zuvor hatte auch das Oberverwaltungsge-
Und wie bereits Seehofer betont seine sozialde- richt Osnabrück die Verkürzung der Dauer
mokratische Nachfolgerin, „daß die größte Bedro- des Genesenenstatus im Falle eines Klägers
hung der Demokratie im Moment vom Rechtsex- aufgehoben. Im Januar hatte die Bundesre-
tremismus ausgeht“. Das sei „Tatsache“, so Faeser gierung die Bemessung der Gültigkeit der
überzeugt. Legt man die Zahl der politisch rele- Immunität von Genesenen auf das Robert-
vanten Ermittlungsverfahren des Generalbundes- Koch-Institut übertragen. Dieses verkürzte
anwalts zugrunde, so fällt allerdings auf, daß 46 sie anschließend für Ungeimpfte von sechs
Ermittlungsverfahren gegen „rechts“ motivierte auf drei Monate. Im Bundestag allerdings
Beschuldigte, 52 gegen „links“ und 266 Verfahren galt der Genesenen-Nachweis weiterhin
gegen „religiös“, sprich islamistisch motivierte Be- sechs Monate lang, was für Kritik sorgte.
schuldigte laufen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
(SPD) kündigte an, die Bemessung des Ge-
Kommentar Seite 2 nesenenstatus wieder an sich zu ziehen. (fw)
Antwort der Woche
Sprich nicht über Sprit
FELIX KRAUTKRÄMER chen Nachbarlandes zeige doch, so Springer, daß
solche Entlastungen durchaus an die Autofah-
rer weitergegeben würden. Ob der Kollege von
or allem Pendler ächzen derzeit unter den den Grünen angesichts dieser Tatsache seinen
steigenden Spritpreisen. Im Bundestag Standpunkt nicht doch noch einmal überdenken
wurde daher die Frage debattiert, wie und eine Steuersenkung auf Kraftstoffe erwägen
man der explodierenden Kosten für Energie Herr wolle? Der so Gefragte entgegnete mit einem
werden könne. Sofort runter mit den Steuern eher sachfremden Argument: „Zu einer wehrhaf-
für Sprit, forderte unter anderem die AfD. Ein ten Demokratie gehört es auch, mit bestimmten
Vorschlag, der bei den Grünen erwartungsgemäß Gruppierungen nicht zu sprechen. Das ist der
auf wenig Gegenliebe stieß. Ihr Abgeordneter Grundsatz. Und das bedeutet für mich, daß
Andreas Audretsch erteilte dem Ansinnen eine ich mit Rechtsextremisten nicht spreche, mit
klare Absage. Eine Senkung der Spritsteuer nutze Rechtsextremisten nicht in einen politischen
weder den Bürgern, noch komme sie an den Dialog gehe.“ Das sei das einzige, was er Springer
Tankstellen an. Es seien vor allem die Mineralöl- in dieser Frage als Antwort übermitteln könne,
konzerne, die von einer solchen Maßnahme pro- erläuterte Audretsch knapp und unter dem Ap-
fitierten. In einer Intervention meldete sich der plaus von SPD und Grünen. Ob den gebeutelten
Abgeordnete René Springer (AfD) und verwies Bürger, der für eine Tankfüllung immer tiefer
auf Polen, wohin immer mehr Brandenburger in den Geldbeutel greifen muß, überzeugt, daß
zum – dank Mehrwertsteuersenkung – günsti- seine wachsenden finanziellen Sorgen mit einem
geren Tanken auswichen; zum Leidwesen heimi- lapidaren Rechtsextremismusvorwurf vom Tisch
scher Zapfsäulenbetreiber. Das Beispiel des östli- gewischt werden?
6|POLITIK JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

SPD-Politikerin für Reform

FOTO: PICTURE ALLIANCE / US ARMY/COVER IMAGES

der Abtreibungsregelung

BERLIN. Die SPD-Bundestagsabgeordnete

Kerstin Griese hat eine Reform der im Straf-
gesetzbuch verankerten Regelung von Ab-
Auf den Hund gekommen
treibungen gefordert. Frauen, die ungewollt
schwanger seien, bräuchten Beratung statt Drohnen: Unbemannte Waffensysteme werden nicht nur in der Luft eingesetzt /
Bestrafung, sagte die Sozialdemokratin der Auch die Bundeswehr setzt auf Schreit-Roboter, die Tiere nachahmen / Teil 2
Zeitschrift Herder-Korrespondenz. Sie plädiert
dafür, solche Eingriffe künftig außerhalb des
Strafrechts zu regeln. Dieses sei in diesem Fall
„nicht der adäquate Weg“. Zuletzt war der
Paragraph 218 zur Strafbarkeit von Abtrei-
bungen 1976 reformiert worden. Seitdem
habe sich die Gesellschaft stark gewandelt,
merkte die Sozialdemokratin an. Eine Debat-
te über eine Neubewertung der Norm führe
heute nicht mehr zu einem Kulturkampf.
„Ich sehe hier eher Nachholbedarf, damit
die Gesetzgebung mit der gesellschaftlichen
Realität Schritt hält.“ Überdies verteidigte
Griese die geplante Abschaffung des Wer-
beverbots für Abtreibungen. Frauen hätten
ein Recht auf „Zugang zu sachlichen medi-
zinischen Informationen“. (zit)

Keine Abschiebungen
Soldat mit vierbeinigem Roboter: „In den nächsten drei bis vier Jahrzehnten werden wir menschenähnliche Bodendrohnen erleben“
nach Syrien

BERLIN. Im vergangenen Jahr hat es keine

einzige Abschiebung nach Syrien gegeben. ALEXANDER GRAF „Die Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden und nige Roboter-Begleiter kann demnach im Einsatz auf die berühmten Science-fiction-Filmreihen. In
Und das, obwohl der seit 2012 bestehende des Heimatschutzes müssen für diese Bedrohung eine Nutzlast von acht bis 15 Kilogramm tragen den kommenden Kriegen werde jedenfalls die Sei-
Abschiebestopp zu Beginn des Jahres ausge- geschult werden, ähnlich wie bei konventionellen und durch seine auswechselbare Batterie 3,5 bis te triumphieren, die wegen ihrer wirtschaftlichen

laufen war. Ursprünglich hatte der damalige
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
angekündigt, mit der Nichtverlängerung des
Abschiebestopps nach Syrien solle es möglich
gemacht werden, potentielle Terroristen, Ge-
fährder und Schwerstkriminelle dorthin zu-
rückzuschicken. Doch davon wurde offenbar
kein Gebrauch gemacht, wie eine Antwort
der Bundesregierung auf eine Anfrage des
Bundestagsabgeordneten Stephan Brand-
ner (AfD) zeigt, die der jungen freiheit
vorliegt. Demnach hielten sich das gesam-
te Jahr über zwischen 60 und 70 Syrer in
Deutschland auf, die offiziell als Gefährder
eingestuft werden. So waren es im Januar
2021 beispielsweise 65 syrische Gefährder,
im Juni 67 und im Dezember 69. Daß deren
Zahl relativ konstant blieb, liegt auch daran,
daß laut Bundesregierung „Abschiebungen
nach Syrien aus dem Zuständigkeitsbereich
der Länder“ im Jahr 2021 nicht stattfan-
den. Schon Mitte vergangenen Jahres hatte
sich abgezeichnet, daß das Auslaufen des
Abschiebestopps wirkungslos blieb und die
Aufregung darum unbegründet war. Bereits
damals hatte eine Anfrage Brandners erge-
ben, daß es bislang keine Rückführungen
nach Syrien gegeben hatte. Um so weni-
ger Verständnis hat der AfD-Abgeordnete
deshalb nun dafür, daß sich daran nichts
geändert hat. „Das ganze Jahr 2021 hin-
durch befanden sich jeden Monat 60 bis
über 70 syrische Gefährder in Deutschland,
zum Jahresende 69, die allesamt als tickende
Zeitbomben eingeschätzt werden müssen“,
sagte Brandner der JF. „Daß keine einzige
Gefährder-Abschiebung nach Syrien stattge-
funden hat und wir deshalb in Deutschland
mit der enormen und jederzeitigen Gefahr
von Anschlägen leben müssen, ist nicht hin-
nehmbar.“ Sämtliche ausländischen Gefähr-
der müßten umgehend abgeschoben werden,
auch wenn sie aus Syrien stammten. (krk)
A
Angriffen.“ zehn Stunden in Betrieb bleiben. Dabei erreicht die Stärke länger durchhalte und mehr Maschinen her-
llgemein herrscht in der Debatte um Allerdings mache er sich keine Illusionen. „Wir mit dem Spitznamen „LASSy“ versehene Drohne stellen könne.
Kampfdrohnen das Bild von vergleichs- leben in einer reaktiven Gesellschaft“, sagt Vornik. eine Höchstgeschwindigkeit von elf Stundenkilo- Was noch wie Zukunftsmusik klingt, eine kämp-
weise großen Flugkörpern vor, die durch „Felsbrocken quer über die Wege wurden erst auf- metern. „Robotics L“ könnte zum Transport von fende Drohnen-Infanterie, ist auch nichts mehr,
ihre Ausstattung mit Bomben und Ra- gestellt, nachdem Terroristen zum Beispiel Fahr- Ausrüstung, zur Aufklärung, aber auch zur Kom- was ins Reich der Spinnerei abzutun ist. Das US-
keten nach und nach bemannte Kampfjets ablö- zeuge benutzt haben, um durch Menschenmengen munikation eingesetzt werden. Unternehmen Boston Dynamics gibt mit dem
sen. Jedoch bereiten Sicherheitskreisen in ihren zu brettern.“ Insgesamt sei der „Robotisierungsgrad der west- Modell Atlas die Richtung vor. Ein Roboter, der
Überlegungen Schwärme von kleineren Drohnen Die Drohnen-Forschung läuft derweil auch auf lichen Streitkräfte hochgradig vorangeschritten“, aufrecht geht, akrobatische Sprünge vollführt und
weitaus mehr Sorgen. Denn sie könnten nur schwer Feldern auf Hochtouren, die für den Laien wie Stoff erläutert Sicherheitsdienstleister Alexander Jag mit Hindernisse bewältigt, wie sonst nur ein trainierter
abgewehrt werden. aus Science-fiction-Filmen klingt. Die Rede ist von Blick auf die weltweite Entwicklung. „Die automa- Mensch. Dabei handelt es sich gewissermaßen um
Das Magazin Newsweek zitierte im vergangenen animalischen Drohnen, deren Bewegungsabläufe tisierte Gefechtsführung der USA ist dabei Welt- den „Heiligen Gral“, gibt Jag zu.
November einen anonymen US-Militärbeamten, denen von Hunden, Gemsen oder Pferden nach- spitze. Mithalten können da wohl nur China, Israel, Aber abseits ihres Potentials als laufende Waf-
der sich zur Gefahr durch solche Drohnenangrif- empfunden sind. Die vierbeinigen Konstruktionen Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate“, fensysteme seien humanoide Drohnen in Konflik-
fe äußerte. „Ich frage mich, was man tun könnte, sollen beispielsweise zusätzliche Ausrüstung auch ist die Einschätzung des international vernetzten ten auch zu Täuschungszwecken einsetzbar. Für
wenn jemand ein paar Drohnen in ein voll besetz- im schwierigen Gelände transportieren können. Experten. Nachtsichtgeräte und Wärmebildkameras könnten
tes Stadion steuern würde. Das könnte eine Menge Die US-amerikanische Firma Boston Dynamics sie mit leichten Modifikationen wie Wärmepads in
Schaden anrichten. Das ist ein Szenario, mit dem konnte mit ihren Modellen Spot und Mule bereits „Eine Mischung aus der Fernaufklärung nicht von Personen zu unter-
man sich auseinandersetzen muß.“ beachtliche Ergebnisse vorweisen. scheiden sein, erläutert Jag. Das bedeute, „daß den
Der Chef des australisch-amerikanischen Un- Dem verschließt sich auch die Bundeswehr Star Wars und Terminator“ Drohnen bis zu ihrer Enttarnung Menschenrechte
ternehmens Droneshield, Oleg Vornik, das unter nicht. Das Magazin Europäische Sicherheit und eingeräumt werden“ müßten. So werde beispielswei-
anderem auf dem Feld der elektronischen Kriegs- Technik berichtete im November, daß die deut- Aber wie schon der Einsatz der Bayraktar-Droh- se bei der Besetzung von umstrittenen Territorien
führung und der künstlichen Intelligenz tätig ist, schen Streitkräfte sogenannte Schreitroboter der nen im Bergkarabach-Konflikt (JF 8/22) gezeigt der Gegner davor zurückschrecken, augenschein-
ruft die Politik zum Handeln auf. Im Gespräch mit Firmen Boston Dynamics und Ghost Robotics habe, seien auch die Türken bei dem Thema nicht lich menschliche Ziele auszuschalten wegen der
Newsweek plädierte er dafür, daß sich Regierungen bereits getestet und im Zusammenspiel mit Solda- zu vergessen. Dabei handele es sich schließlich um möglichen Konsequenzen – auch von seiten der
mit den neuen Gefahren durch Drohnen in den fal- ten ausprobiert haben. Das deutsche Unternehmen die zweitgrößte Militärmacht innerhalb der Nato, internationalen Staatengemeinschaft. „Drohnen
schen Händen befassen müßten. Jetzt sei es an der Rheinmetall arbeitet dabei mit Ghost Robotics gibt Jag zu bedenken. Die Bayraktar sei derzeit der können Sie problemlos wegschießen. Der Abschuß
Zeit, entsprechende Abwehrsysteme einzurichten. zusammen am Projekt „Robotics L“. Der vierbei- türkische Exportschlager und das Land beim Thema eines Menschen zieht Konsequenzen nach sich“,
Drohnen „hochgradig fortschrittlich aufgestellt“. faßt der Sicherheitsdienstleister knapp zusammen.
Was bedeutet nun die voranschreitende Aufrü- Damit hätten humanoide Drohnen noch einen
stung mit Drohnen für die kommenden Kriege? Nutzen, der über zukünftige Einsätze als Roboter-
Drohne Bayraktar TB2 Der Leiter der Global AG in der Ukraine ist sich soldaten hinausgeht. Sie könnten damit im Vorfeld
sicher, daß die symmetrische Kriegführung zwi- bewaffneter Konflikte zur Provokation und Eska-
Die türkische Kampf- und Aufklärungsdroh- sie billiger als vergleichbare amerikanische schen Nationen in Zukunft ihr Gesicht drastisch lation genutzt werden.
ne Bayraktar TB2 kann bis zu 24 Stunden in oder israelische Drohnen ist, hat sie sich zu verändern wird. „In 40 bis 50 Jahren werden die Doch im Moment hakt es noch bei ganz prakti-
der Luft verbleiben. Dabei ist sie in der Lage, einem Exportschlager entwickelt. Sie wird Fronten dieser Welt kaum noch mit Menschen be- schen Dingen. Derzeit sei ein Problem insbesondere
vollautonom zu operieren, Ziele auszuspä- seit dem Jahr 2014 verwendet. Neben dem stückt sein. Das werden keine klassischen Kriege bei den humanoiden Bodendrohnen die Energie-
hen und nach zuvor festgelegten Parametern türkischen Militär wird sie beispielsweise mehr, wo sich Armeen mit Soldaten aus Fleisch versorgung. Sollte es in nächster Zeit einen For-
anzugreifen. Sie kann mit bis zu vier laserge- von Polen, Aserbaidschan und Marokko ge- und Blut gegenüberstehen, sondern wirtschaftliche schungsdurchbruch bei den Energieträgern geben,
lenkten 22-Kilogramm-Bomben ausgestat- nutzt. Im Bergkarabach-Krieg 2020 setzte Erschöpfungskriege“, wagt Jag einen Blick voraus. dann könne das den Fortschritt auf diesem Gebiet
tet werden oder einer L-UMTAS-Rakete. Das Aserbaidschan sie ein, um die armenische Dabei werden dann automatisierte Luft- und Bo- massiv beschleunigen. Seine Einschätzung lautet:
Zielerfassungssystem der Bayraktar-Droh- Flugabwehr und Panzer zu zerstören. Einer denfahrzeuge gegeneinander kämpfen, gleiches gelte „Wir werden in den nächsten drei bis vier Jahr-
ne stammt von der deutschen Firma Hen- der Hauptabnehmer-Staaten der Bayraktar auf See. „Das wird dann eine Mischung aus Star zehnten noch humanoide Bodendrohnen erleben,
soldt aus dem bayerischen Taufkirchen. Da TB2 ist die Ukraine. (ag) Wars und Terminator“, sagt Jag unter Anspielung die für Aufgaben eingesetzt werden.“

100 % zensiert. 0 % widerlegt.

j Mehr als eine Milliarde Menschen aus aller Welt haben den ersten Teil von PLANDEMIC
gesehen. Die 26 Minuten lange Dokumentation mit der angesehenen Virologin Dr. Judy Mikovits
stellte damit einen historischen Rekord auf. Auch der Weltpremiere von PLANDEMIC 2
(auch bekannt als PLANDEMIC: Indoctornation) mit Dr. David Martin, einem Experten für die
Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, gelang mit 2 Millionen Zuschauern ein Weltrekord
für einen Livestream.
Die meistgesehene und gleichzeitig am häufigsten hilfe von Patenten und Dokumenten aufdeckte, dass Dr.
zensierte Dokumentation der Geschichte! Fauci gefährliche »Gain-of-Function«-Forschung in den
Die wahren Hintergründe jetzt enthüllt! Labors von Wuhan finanziert, lachten die Kritiker nur.

Rasch erklärten die Kritiker, die zweiteilige Serie sei
widerlegt. Gleichzeitig beeilten sich die Torwächter der
politischen Korrektheit mit beispiellosen Zensurmaß-
nahmen die »gefährliche Verschwörungstheorie« von
den Bildschirmen verschwinden zu lassen.
Dieses Buch ist die Antwort darauf. Denn anders
als Videos können Bücher nicht gelöscht werden!
Als Dr. Mikovits die vermeintlich gewagte Behauptung
aufstellte, Covid-19 sei im Labor manipuliert worden,
wurde sie als »verrückt« verspottet. Als Dr. Martin mit-
Inzwischen ist ihnen das Lachen vergangen. Glaub-
würdige wissenschaftliche Untersuchungen haben
jede einzelne zentrale Behauptung, die in den PLAN-
DEMIC-Filmen aufgestellt wurde, als zutreffend bestä-
tigt. PLANDEMIC gilt nun als eine der ersten und wich-
tigsten Warnungen vor dem Vorhaben, die Freiheit der
Bürgerinnen und Bürger durch medizinische Tyrannei
einzuschränken.
Aus erster Hand erleben Sie
eine Unterwelt der Verderbtheit, der Lügen
und der dunklen Geheimnisse.

Mikki Willis (Hrsg. und Co-Autor): Plandemic • gebunden • 224 Seiten • Best.-Nr. 985 500 • 16.99 €
 THEMA
AUSLAND, Seite 9 HINTERGRUND, Seite 12
Kanadas Premier Justin Trudeau Corona-Maßnahmen: Europa
nutzt Notstands-Gesetz macht sich locker. Deutschland
gegen Corona-Demonstranten hinkt widerwillig hinterher
|7
J U N G E F R E I H E I T | Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

LUCA STEINMANN, DONEZK

Hoffnung auf bessere Zeiten

E
s ist Nacht, als die eisige Stille in Donezk
plötzlich von Explosionsgeräuschen
und Lichtern von Feuerwerkskörpern
unterbrochen wird. Rußlands Präsident
Wladimir Putin hat soeben die Unab- Rußland-Ukraine-Konflikt: Putin läßt erstmals offiziell
hängikeit der beiden separatistischen Republiken
des Donbass, Donezk und Lugansk, anerkannt. russische Truppen in das umkämpfte Gebiet im Donbass
Die prorussischen Aktivsten feiern. Etwa dreißig
Personen versammeln sich auf dem Lenin-Platz einrücken. Doch bisher bleiben sie dort unentdeckt.
im Stadtzentrum und böllern. Einige schwenken
russische Fahnen, anderen fahren hupend vorbei Eine Reportage
und singen die Hymne der Roten Armee. Doch
schon innerhalb einer halben Stunde kehrt Ruhe
in die Stadt ein.
Nur Alexandr Kofman, der ehemalige Außen-
minister der Donezker Republik, bleibt auf dem
Platz. „Heute abend feiern wir den Sieg nach acht
Jahren Krieg gegen die ukrainischen Nazis. Aber
die Kämpfe werden weitergehen. Wir werden auch
dafür kämpfen, Sloviansk und Mariupol vom Na-
zismus zu befreien. Heute Abend findet das Halbfi-
nale statt. Das Finale wird sein, wenn wir die ganze
Ukraine von den Nazis befreien.“ Er wolle also bis
nach Kiew marschieren? „Das brauchen wir nicht.
Die Ukraine ist voll von Bürgern, die mit Rußland
befreundet sind. Heute zeigen wir ihnen, daß ein
Sieg möglich ist. Es ist unser Stalingrad. Aber wol-
len sie unabhängig oder Teil Rußlands sein? Der
FOTO: PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS

Donbass ist Rußland. Die ganze Welt ist Rußland.“

Am Tag darauf, Dienstag, herrscht eine Atmo-
sphäre der gespannten Erwartung, in der sich auch
Gefühle von Hoffnung und Angst mischen. Vor
allem aber Ungewißheit über die Zukunft. In der
Nacht kündigte der Kreml an, Truppen zu schicken.
Die Bürger in der Stadt erwarten jeden Augenblick
russische Panzer. Sie kommen jedoch nicht. Die
zahlreichen Internetvideos, die die angebliche An-
kunft von Moskaus Militärfahrzeugen zeigen, werden
von der Realität widerlegt. Die einzige Veränderung Russische Panzer, hier auf Eisenbahnwaggons, wurden in großer Zahl an die Grenze zur Ukraine gebracht: Bis zu 150.000 Soldaten soll Rußland an der Grenze zusammengezogen haben
im Vergleich zu den vorangegangenen Tagen sind
die – immer noch wenigen, aber lautstarken – pro-
russischen Militanten, die weiter feiern. Es sind aber

Zwei Schritt vor,

nur ein paar Dutzend Menschen. Die meisten Ein-
wohner bleiben diskret und gehen ihrem Alltag nach.
Auf dem Markt vor dem Hauptbahnhof gehen Frau- Zitate aus Wladimir Putins Rede
en und Mädchen einkaufen, während in der Ferne vom 21. Februar 2022
gelegentlich Explosionen von den Schlachtfeldern
am Rande der Stadt zu hören sind. Die pro-russi-
schen Milizen sind zwar in Donezk präsent, aber
Ich möchte nochmals betonen,
einen zurück
die umliegenden Dörfer im Norden stehen unter
der Kontrolle der ukrainischen Armee. daß die Ukraine für uns nicht nur Weltweite Reaktionen: Putin läßt die separatistischen Republiken
Die moderne Ukraine wurde
ein Nachbarland ist. Sie ist ein in der Ukraine als unabhängig anerkennen
unveräußerlicher Teil unserer vollständig von Rußland
Frauen verabschieden ihre Männer, geschaffen, genauer gesagt
eigenen Geschichte, Kultur und
die eingezogen werden vom bolschewistischen, JÖRG SOBOLEWSKI schen Vorgehens in der Ukraine gestoppt worden,
unseres geistigen Raums. Es sind
unsere Kameraden, die uns am kommunistischen Rußland. Dieser Putin verstoße massiv „gegen das Völkerrecht“, so
„Im Vergleich zu gestern hat sich für mich wenig Prozeß begann praktisch unmittelbar der Sozialdemokrat. Auch sein Amtskollege in Pa-

M
geändert“, sagt Tatjana, die gegenüber dem Bahn- Herzen liegen – nicht nur Kollegen, it einer Mischung aus Spannung und ris verurteilte das russische Vorgehen scharf, Putin
Freunde und Menschen, die einst nach der Revolution von 1917.
hof einen Obstladen betreibt. „In den vergangenen Furcht hatte man in Hauptstädten und „untergrabe die ukrainische Souveränität“. Die
Stunden hat der Beschuß etwas nachgelassen, aber gemeinsam gedient haben, sondern Regierungszentralen weltweit auf die französische Nachrichtenagentur AFP zitierte einen
wir befürchten, daß er bald wieder einsetzt. Das geht auch Verwandte, Menschen, die Die sowjetische Ukraine ist das Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin unbekannten leitenden Mitarbeiter des Präsidenten,
schon seit acht Jahren so. Aber ich will Hoffnung durch Blut, durch Familienbande Ergebnis der Politik der Bolschewiki gewartet. Nachdem bereits zuvor Gerüchte über Putin habe eine „paranoide Rede gehalten“ und
haben.“ Mehr als die Bomben scheint Tatjana die verbunden sind. und kann zu Recht als „Wladimir eine Anerkennung der Separatistengebiete in der überdies „Zusagen an den französischen Staatschef
Wirtschaftskrise zu beunruhigen. „Seit Beginn des Ostukraine die Runde machten, ließ der Kreml nicht eingehalten“.
Lenins Ukraine“ bezeichnet werden.
Evakuierungsplans sind viele Menschen nach Ruß- in den frühen Abendstunden des 21. Februar die Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von
Er war ihr Schöpfer und Architekt.
land geflüchtet, und ich habe viele Kunden verloren.“ Sowohl vor als auch nach dem Bombe platzen. Nach der knapp ein stündigen Rede der Leyen warf Putin eine Verletzung getroffener
Damit meint sie die in der vergangenen Woche be- Großen Vaterländischen Krieg des russischen Machthabers, in der er nicht nur Absprachen vor, konkret des Minsker Abkommens.
gonnene Flucht vieler Bürger in die russische Region gliederte Stalin einige Gebiete in Eine stabile Staatlichkeit hat sich den Westen und die Regierung in Kiew, sondern Die EU und ihre Partner würden „fest, zielstrebig
Rostow am Don, die von den dortigen Behörden im auch die Politik der untergegangenen Sowjetunion und gemeinsam in Solidarität mit der Ukraine“
die UdSSR ein und übertrug sie in der Ukraine nie herausgebildet;
Hinblick auf eine mögliche Eskalation des Krieges kritisierte, verkündete Moskau, man werde die reagieren. Der Premierminister des Vereinigten
verstärkt wurde. Auf die Frage, was sie von der mögli- der Ukraine, die zuvor zu Polen, ihre Wahl- und sonstigen politischen sogenannten „Volksrepubliken von Lugansk und Königreichs, Boris Johnson, sprach ebenfalls von
chen Ankunft russischer Truppen hält, antwortet die Rumänien und Ungarn gehörten. Verfahren dienen lediglich als Donezk“ als unabhängige Staaten anerkennen und „Solidarität mit der Ukraine“, eine erste „Salve
Frau: „Ich möchte nur, daß eine Lösung gefunden Dabei gab er Polen einen Teil des Deckmantel, als Projektionsfläche militärisch für „den Frieden in den Gebieten“ sor- und Sanktionen“ seien bereits auf dem Weg. Man
wird, damit der Krieg endet und die Isolation, in traditionell deutschen Landes als für die Umverteilung von Macht und gen. Eine Ankündigung, die in den abtrünnigen werde Anfragen der Ukraine zu weitergehender
der wir seit Jahren leben, durchbrochen wird. Wir Entschädigung, und 1954 nahm Eigentum zwischen verschiedenen Regionen der Ukraine für Jubel sorgte, welcher Militärhilfe prüfen.
hoffen, daß wir zumindest durch die Zugehörigkeit Chruschtschow Rußland aus oligarchischen Clans. kurz darauf auch der Speerspitze der russischen Ins gleiche Horn blies auch der türkische Prä-
zu Rußland mehr Möglichkeiten haben werden.“ irgendeinem Grund die Krim weg Streitkräfte zuteil wurde, die in langen Kolonnen sident Recep Tayyip Erdoğan, dessen Regierung
Alle, die an diesem Tag mit mir sprechen, gehen in das Gebiet einrückte. zuletzt unter anderem bewaffnete Drohnen an die
und gab sie ebenfalls der Ukraine.
davon aus, daß die Ereignisse in der vergangenen Tausend Kilometer westlich, in der ukrainischen ukrainischen Streitkräfte geliefert hatte (siehe Seite
Nacht den Beitritt der selbsternannten Republiken Auf diese Weise ist das Gebiet der Hauptstadt Kiew, wurde die Ankündigung aus 8). Er bezeichnete das russische Vorgehen als „in-
Donezk und Lugansk zur Russischen Föderation heutigen Ukraine entstanden. Moskau als Prätext eines vollständigen Einmar- akzeptabel“. Man rufe die beteiligten Parteien dazu
markieren. Viele sagen, sie seien bereit, wenn nicht sches gedeutet: „Dies ist unser Land (...) wir ge- auf, mit gesundem Menschenverstand zu reagieren.
sogar glücklich, dies zu akzeptieren, solange es nur ben niemandem etwas“, gab sich Präsident Wolo- Die Volksrepublik China, einer der wichtigsten
zu einer besseren Zukunft führt. „Meine Tochter ist dymyr Selenskyj kämpferisch. „Wir haben keine Verbündeten Rußlands, warb für die Rückkehr an
sieben Jahre alt und hat in ihrem Leben nur Krieg Angst“, beschwor er die Ukrainer und warb um den Verhandlungstisch: In dieser Situation sollten
erlebt“, sagt Veronica, eine junge Mutter, die über Die Konfliktlinie in der Ukraine „weitreichende Sanktionen“ gegen die Russische alle Beteiligten davon absehen „weiter Öl ins Feuer
den Markt geht. „Ich versuche, sie einigermaßen zu Föderation in einem Telefonat mit US-Präsident zu gießen“. Ebenso forderte die Regierung in Neu-
erziehen, indem ich ihr von einer anderen Welt er- Russische Truppen stehen massiert nicht nur an den Grenzen der Ukraine, sondern auch im von Biden. Der kündigte eine „schnelle und entschie- Delhi beide Seiten zur Deeskalation auf und warb
zähle als der, in der wir hier leben. Wir hoffen, daß Separatisten kontrollierten Gebiet. Die selbsternannten Volksrepubliken beanspruchen je den dene“ Reaktion der Vereinigten Staaten gemeinsam um „Zurückhaltung“ und eine „langfristige Lösung
die internationale Diplomatie eine Lösung finden ganzen Oblast. In beiden Verwaltungseinheiten gibt es russische Mehrheiten. mit ihren Verbündeten an. Darunter zählen auch des Konflikts, die die berechtigten Sicherheitsin-
wird. Ich möchte, daß ihre Zukunft hier liegt.“ weitreichende Wirtschaftsbeschränkungen, sowohl teressen aller Beteiligten in Betracht“ ziehe. Auch
Doch die Spannungen lassen nicht nach. Seit ei- von Separatisten gegen die Regierung in Moskau als auch gegen jede der Iran warb dafür, die Spannungen von beiden
nigen Tagen fordern die Behörden in Donezk Män- beanspruchtes Territorium Art des Wirtschaftslebens in den beiden selbster- Seiten her zu entschärfen. „Leider haben die Ein-
ner im Alter zwischen 18 und 55 Jahren auf, sich in nannten Volksrepubliken. Auch diese werden „mit mischung der Nato und die Provokationen der
einem der 14 eingerichteten Rekrutierungszentren zu den Partnern in Europa“ abgesprochen werden. Vereinigten Staaten die Lage in der Region noch
von Separatisten Luhansk
melden. Am Montag morgen waren sie voll. Männer komplizierter gemacht“, sagte der Sprecher des
kontrolliertes Territorium
jedes Alters, die Taschen oder Koffer tragen, stellten China, Indien und Iran rufen Außenministeriums.
sich in einer Reihe auf, wurden von den Soldaten Donetzk Ob es nun zu größeren Kampfhandlungen
registriert und setzten sich dann hin, um auf den UKRAINE beide Seiten an Verhandlungstisch kommt oder nicht, hängt von vielen weiteren Ent-
Appell zu warten: Wenn eine Gruppe gerufen wird, scheidungen ab. Bisher haben sich russische Sol-
steht sie auf, geht auf die Straße und steigt in Mili- Als Adressaten dieser Aussage können nicht nur daten nicht an der Frontlinie von Ukrainern und
tärfahrzeuge ein, mit denen sie wegfahren. Mariupol Moskau und Kiew verstanden werden, sondern Separatisten sehen lassen, berichtet die Associated
Vor der Abreise kommt es zu emotionalen Mo- auch die Bundesregierung in Berlin. Die hatte sich Press. Unklar ist auch, in welchen Grenzen Ruß-
menten: Einige der Männer verabschieden sich von RUMÄNIEN zwar sofort nach Bekanntwerden der veränderten land die Republiken anerkennt. In den Grenzen,
MOLDAWIEN RUSSLAND
ihren Frauen. Einige lächeln, andere weinen. „Ich russischen Haltung klar positioniert. So sprach etwa in denen sie ausgerufen wurden, als den Grenzen
bin hier, um mich von meinem Mann Vitaly zu Asowsches Meer Bundesfinanzminister Christian Lindner von einem des ukrainischen Oblast? Oder in den Grenzen, die
verabschieden“, sagt die 35 Jahre alte Olga, als sie „Zusammenrücken von Nato und EU als Wertege- die Milizen kontrollieren? Putin-Sprecher Dimitri
ihn gehen sieht. „Mein erster Mann starb 2014 im meinschaften“ in Solidarität mit der Ukraine, eine Peskow erklärte auf Nachfrage von Journalisten: Die
Kampf. Jetzt weiß ich nicht, ob und wann ich Vitaly Entscheidung über die Zukunft von Nord Stream Republiken bestünden „innerhalb der Grenzen, in
wiedersehen werde. Sie haben uns nicht gesagt, wo- 2 stand aber am selben Abend noch aus. Erst am denen sie ausgerufen wurden und in denen sie exi-
Schwarzes Meer Krim
hin sie ihn schicken und wie lange sie ihn behalten nächsten Vormittag verkündete Bundeskanzler Olaf stieren“. Das Spiel des russischen Präsidenten mit
GRAFIK

werden. Selbst wenn die Russen kommen, scheint (von Rußland annektiert) Scholz das vorläufige Aus für die Gaspipeline. Das der Aufmerksamkeit und den Nerven des Westens
der Frieden noch weit entfernt.“ Genehmigungsverfahren sei angesichts des russi- ist noch lange nicht vorbei.
8|AUSLAND JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

Arm, aber gut gerüstet

Energiepreishilfen für
Grüße aus …
tschechische Firmen
Bern
PRAG. Die Inflationsrate in der Tschechei
ist im Januar im Jahresvergleich auf 9,9 Pro- Ukraine: Seit 2014 wurde die Ex-Sowjetrepublik vom Westen aufgerüstet /
zent geklettert. Preistreiber waren weiterhin
Doch ist sie auch ökonomisch lebensfähig?
die Energie- und Kraftstoffkosten, teilte das
Statistikamt ČSÚ mit. Daher sollen nun
Firmen, bei denen die Energiekosten min-
Die Masken
destens zehn Prozent der Gesamtausgaben PAUL LEONHARD
brennen

FOTO: PICTURE ALLIANCE / NEWSCOM

ausmachen, mit insgesamt einer Milliarde
Kronen (41,1 Millionen Euro) unterstützt

D
werden. „Damit wird in erster Linie kleinen Von Frank Liebermann
und mittelständischen Unternehmen gehol- ie Volksrepublik China hat zum eska-

D
fen, die am meisten unter den Änderungen lierten Streit zwischen Moskau und er vergangene Mittwoch war ein
äußerer Bedingungen – wie eben dem der- Washington über die Osterweiterung Tag, der den Bernern in Erinne-
zeitigen Anstieg der Energiepreise – leiden“, der Nato im allgemeinen und über die rung bleiben wird. Die Menschen
erklärte Wirtschaftsminister Jozef Síkela vo- Ukraine im speziellen Position bezogen. Es handele tanzten nackt über den Bundesplatz, lagen
rige Woche. Die Firmen können Kredite in sich um einen Konflikt zwischen Rußland und sich lachend in den Armen und sangen
Höhe von einer bis zehn Millionen Kro- der Nato, sagte der chinesische UN-Botschafter fröhliche Lieder. Vielleicht ist diese Schil-
Motiv:
nen beantragen. Traummaße
Der Staat übernimmt 80 Zhang Jun auf der von den USA einberufenen Motiv: Stecknadel derung leicht übertrieben, aber sie kommt
Prozent der jeweiligen Bürgschaft. Bei 35 Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, wobei er der Realität schon sehr nahe.
Großbetrieben aus den Bereichen Metall, das westliche Militärbündnis als „Produkt des Kal- Am Nachmittag prasselten die ersten
Papier, Leder oder Chemie sollen die Auf- ten Krieges“ bezeichnete. Der Diplomat forderte WhatsApp-Nachrichten auf meinem Com-
wendungen für die teuren CO2-Zertifikate nachdrücklich, die „legitimen Sicherheitsbeden- puter ein. Ob ich es gehört hätte, der „Free-
der EU teilweise übernommen werden. Laut ken Rußlands“ anzuerkennen. Diese eindeutige dom Day“ sei gekommen. Alain Berset, der
einer Umfrage des Industrieverbands klagen Stellungnahme aus Peking überraschte
U N S E R E T R AU M M Aß E : selbst den K L E I N E D I N G E M I T Kleinanzeigen in der JF · Herrlustige
beck@berliner-medienvertrieb.de
Beck Glatzkopf, ist Innenminister der
43 Prozent seiner Mitgliedsfirmen derzeit russischen UN-Botschafter Wassili Nebensja, der GROSSER WIRKUNG Telefon 030 - 86 49 53 - 67 Schweiz, und da es hier kein Gesundheits-
über einen Anstieg
U N S E Rder
E TEnergiekosten
R A U M M A ß E : um sich kurz3davor
1 . 0 6noch 2 xbeschwert
7 5 , 4 5hatte,x 2 daß
. 3 4der3 ,75* ministerium gibt, ist er in Personalunion
20 Prozent oder mehr. (fis)
3 1 .0 62 x 75 , 4 5 x 2 . 3 4 3 ,75* Westen die Ukraine „mit Waffen vollpumpen“ der eidgenössische Karl Lauterbach. Nur
www.mpo.cz/en/energy würde, um *verbr.
Verbreitete Auflage (IVW II/2019). Preis je Tausend
einen Keil zwischen die beiden slawi- nicht ganz so verrückt. Auf seiner 85sten
*
Verbreitete Auflage (IVW II/2019).
Preis je Tausend verbr. Auflage bei
Auflage bei 1/4-Seite Eckfeldanzeige in 4c
schen Brudervölker zu treiben. Pressekonferenz verkündete er das Aus aller
1/4-Seite Eckfeldanzeige in 4c
Derweil geht das Säbelrasseln auf beiden Seiten Corona-Maßnahmen.
Premier Anzeigenbuchungn
Draghi scheitert in der JF · Herr Beck
beck@berliner-medienvertrieb.de
Für mehr Informationen zu unseren Traumwerten, allen Anzeigen-
weiter. Während Rußland Panzer entlang seiner
formaten und Beilagen kontaktieren Sie gerne Herrn Beck.
Es war Schluß mit der Maskenpflicht,
mit Bargeldeinschränkung
Telefon 030 - 86 49 53 - 67 Westgrenze rollen
Telefon 030 läßt und
- 86 49 53 - die
67 · Ukraine Volksmi-
beck@berliner-medienvertrieb.de
lizen aufbaut, gab US-Präsident Joe Biden 2.000 Ukrainischer Präsident Volodymyr Zelensky (2.v.r.) besucht die Truppe: Säbelrasseln
die ganzen G-Regelungen gelten nicht
mehr, jeder darf sich mit so vielen ande-
Soldaten den Marschbefehl nach Europa und KLEINE DINGE MIT ren Personen treffen, wie er will. Für Kon-
ROM. Ministerpräsident Mario Draghi ist schickte zwei nicht der Nato unterstellte US-Mi- Litauen und Montenegro Munition. Allein 69 pische Investoren. G R O SMit S Eden R Vereinigten
W I R K UArabischen
NG taktpersonen wurde sogar die Quarantäne-
mit seinem Plan, die Obergrenze für Bar- litärberater ins Kiewer Verteidigungsministerium, Millionen Dollar kosteten die zwölf bewaffneten Emiraten wurde 2021 eine Kooperation zur Ent- pflicht aufgehoben. Und nicht nur das.
zahlungen in Italien von bisher 2.000 auf die insbesondere auch bei der „euroatlantischen Aufklärungsdrohnen aus der Türkei, die sich im wicklung von Raketensystemen, Flugzeugtrieb- Auch Ungeimpfte erhalten das Menschen-
1.000 Euro abzusenken, gescheitert. Im zu- Integration“ beraten sollen. Rußlands Staatsprä- Syrienkrieg gegen die russische Luftabwehr bestens werken und Drohnen
Kleinanzeigen vereinbart.
in der JF Die ukrainische recht auf Kneipenbesuche, Party, Kinos
beck@berliner-medienvertrieb.de
ständigen Ausschuß der Abgeordnetenkam- sident Wladimir Putin dürfte das als weitere Pro- bewährt hatten. Armee selbst – 2014 wurde
Telefon 030 - 86 49 53 - 67
die 2013 abgeschaff- und Restaurantbesuche zurück. Es bleibt
mer stimmten nur linke, grüne und liberale vokation werten. Will er doch mit seinen Mili- Die genauen Liefermengen listet die Länderin- te Wehrpflicht wieder eingeführt – verfügt laut nur die Maskenpflicht im öffentlichen Ver-
Parlamentarier für den Reformplan der Re- tärmanövern an Rußlands Westgrenze einerseits formation „Sicherheit, Rüstung und Entwicklung BICC über 209.000 aktive Soldaten (2014 waren kehr, die Ende März verschwinden soll.
gierung. „Dank der Lega und der anderen die Nato zu einer Abänderung ihrer „Politik der in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte“ es 121.000), 900.000 Reservisten sowie 60.000 Selbst Infizierte müssen dann nicht mehr
RechtsparteienU Nändert
S E R E sich
T R Adie
U MObergrenze
MAßE: offenen Türen“ zumindest bezüglich der Ukraine des Bonner „International Centre of Conflict Stu- Nationalgardisten und 42.000 Grenzschützer mit in die Zwangsquarantäne.
beim Gebrauch 3 1 . 0 6 2 X 7 5 , 4nicht“,
von Bargeld 5 X 2 .schrieb
3 4 3 ,75* und Georgiens zwingen.
U N S E R E T R AU M M Aß E : dies“ (BICC) vom Dezember 2021 auf. All diese rund 2.200 schweren Kampfpanzern, davon mehr
Lega-Chef Matteo Salvini auf Facebook. 3 1 . 0 6 2 x 7 5 , 4 5 x 2 . 3 4 3Waffensysteme ,75* wurden trotz Rüstungskontrollbe- als 900 relativ moderne T-80 oder T-84. Die Bun- Der Wunsch nach Smalltalk
* Verbreitete
Seine Partei stellt Auflage (IVW II/2019).
zwar seit 2021 drei Mini-
Preis je Tausend verbr. Auflage bei Munition, Granatwerfer und stimmungen in ein Land geliefert, das sich nach deswehr hat hingegen nur noch 266 Leopard-2.
ist hier meist nicht aus-
ster in Draghis überparteilichem
1/4-Seite Eckfeldanzeige inKabinett,
4c eigenem Verständnis zumindest theoretisch im Der so mit ausgemusterten wie modernen Waf-
doch auch bei weiteren unpopulären The- *
ScharfschützengewehreVerbreitete Auflage (IVW II/2019). Preis je Tausend
verbr. Auflage bei 1/4-Seite Eckfeldanzeige in 4c Kriegszustand mit Rußland befindet. Denn ein fen ausgestatteten Armee wird inzwischen zuge- geprägt. Heute gibt es ein
men – etwa der Erhöhung
Für mehr der steuerlichen
Informationen zu unseren im Januar 2018 verabschiedetes ukrainisches Ge- traut, einen Angreifer zwar nicht dauerhaft zu Schwätzchen am Empfang.
EinheitswerteTraumwerten,
für allen Anzeigenformaten
Immobilien – verweigert
und Beilagen kontaktieren Sie gerne
Die Ukraine gehört seit 2020 neben Schwe- setz bezeichnet die Oblaste Donezk und Lugansk schlagen, aber derartige Verluste beibringen zu
die Lega ihre notwendige
Herrn Beck. Zustimmung. Der den, FinnlandFür mehr Informationen zu unseren Traumwerten, allen Anzeigen-
und Australien zu den sogenannten als „von Rußland besetztes Gebiet“. Bereits im können, daß dieser lieber auf Verhandlungen setzt,
formaten und Beilagen kontaktieren Sie gerne Herrn Beck.
Am frühen Morgen gehe ich ins Fit-
frühere EZB-Präsident
Telefon 030 - 86 Draghi argumen-
49 53 - 67 Partnernationen der Nato, die ohne Mitglieder zu Januar 2016 war mit den USA die Aktivierung statt einen zu hohen Blutzoll gegenüber der eigenen neßstudio. Normalerweise sind um sechs
sein, „Mitwirkungsmöglichkeiten“ und damit den der militärischen Zusammenarbeit offiziell ver- Bevölkerung K L E I NzuEmüssen.D I N „DieG E Steigerung
M I T G R O S S EUhr R W dieIAnwesenden
R K U N G still. Um diese Zeit
Telefon 030 - 86 49 53 - 67 · beck@berliner-medienvertrieb.de
tiert hingegen, ohne schmerzliche Refor-
beck@berliner-medienvertrieb.de erklären
men sei die Auszahlung der insgesamt 191 Zugang zu moderner Kriegstechnologie der inzwi- einbart worden, da waren bereits seit zwei Jahren der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit würde spult man sein Programm ab und ver-
Milliarden Euro aus dem Brüsseler Corona- schen 30 Verbündeten haben. Andererseits will der US-Militärberater im Land. Sie sollten Streitkräfte nicht nur die Verluste des Landes mindern, sondern schwindet dann wieder. Dieses Mal ist es
Wiederaufbaufonds „NextGenerationEU“ Kreml die Ukraine davon abhalten, die beiden von und Polizei insbesondere im Umgang mit bewaff- auch seine Entschlossenheit stärken und ein klares anders. Zwar sind nicht mehr Personen
(NGEU, JF 8/22) gefährdet. (fis) prorussischen Milizen kontrollierten „Volksrepu- neten Aufständischen schulen. Kanada lieferte Signal an Rußland senden“, so Dumitru Minzarari da als sonst, aber sie strahlen einen glück-
legaonline.it bliken“ Donezk und Lugansk im Osten anzugrei- Ausrüstung im Wert von 524 Millionen Dollar und Susan Stewart in ihrer
Kleinanzeigen Studie
in der „Die
JF · Herr BeckLogik von lich an. Der Wunsch nach Smalltalk ist in
beck@berliner-medienvertrieb.de
fen. Seit die Nato massiv Waffen und militärische und unterzeichnete im April 2017 ebenfalls eine Verteidigungshilfe für die Ukraine“
Telefon 030 - 86 49 53 - 67
(SWP-Aktuell Bern meistens nicht ausgeprägt. Heute gibt
Ausrüstung liefert, fürchtet Moskau, daß Kiew „Verteidigungskooperation“. 2021/A 54) im vergangenen Sommer. Eine Inva- es beim Eintritt ein Schwätzchen mit der
„Islamistischer Terror den Donbass-Konflikt gewaltsam lösen könnte. sion sollte für Rußland möglichst teuer werden. Empfangsdame, die schon gestern abend
Bedrohung für Europa“ Tatsächlich wird die Ukraine seit mindestens Die arme Ukraine zählt zu den am
sieben Jahren von den Nato-Staaten systematisch
Allerdings ist der Preis dafür hoch. Die Ukraine
hat ohne die Krim noch 41,2 Millionen Einwohner
alle Maskenplakate entfernt hat und sonst
eher muffelig ihren Kaffee trinkt. Pumper,
aufgerüstet. Die russische Annexion der Krim und stärksten militarisierten Staaten und ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von nur die normalerweise mit Kopfhörern isoliert
WIEN. Der islamistische Extremismus stell- der Ausbruch der bewaffneten Kämpfe in der Ost- 4.384 Dollar – das ist das Niveau von Jordanien. schweigsam ihre Gewichte stemmen, reden
te „auch im Berichtsjahr 2020 eine anhal- ukraine führten 2014 dazu, daß das zu den welt- Die Militärausgaben der Ukraine kletterten – Weißrußland kommt immerhin auf 7.032 Dollar, miteinander.
tende und hohe Bedrohung für Österreich weit bedeutendsten Waffenexporteuren zählende die Geschenke der Nato-Staaten nicht eingerech- Rußland auf 11.273 Dollar und Polen auf 17.318 Später sind Besorgungen angesagt. Beim
dar“. Das ist Ueine
N S EKernaussage
R E T R AU M M desA ßverspä-
E: Land – es hatU30 N S E R E T R AU M M Aß E :
Prozent der sowjetischen Rü- net – von vier Milliarden Dollar 2016 auf rund Dollar. Im Ranking des weltweiten Militarisie- Betreten von Läden fasse ich mehrfach re-
tet erschienenen Verfassungsschutzberichts
3 1 .0 62 X 75 , 4 5 X 2 . 3 4 3 ,75* stungsindustrie geerbt – bereits verkaufte Waffen- sechs Milliarden 2020, was etwa neun Prozent rungsindex des BICC belegte die Ukraine aber flexartig zum Gesichtslappen, bis ich mer-
des Innenministeriums. „Wie Konflikte aus 3 1 .0 6
systeme zurückhalten und2 der x eigenen
7 5 , 4Armee
5 xzur2 . 3der4Staatsausgaben
3 ,75* entspricht. Gleichzeitig gilt 2020 Platz 16 von 151 Staaten (2012: Platz 47). ke, daß ich es mir sparen kann. Nur ein
fremden Staaten nach Österreich herein- Verfügung stellen sowie erstmals in der Geschichte die Ukraine aber noch immer als Ursprungs- und Der wichtige russische Absatzmarkt ist seit 2014 paar Vereinzelte haben sie noch auf. Ich
* Verbreitete
getragen werden,
Preis jehaben
Auflage (IVW II/2019).
Tausenddie gewalttätigen
verbr. Auflage bei *verbr.
seiner Unabhängigkeit massenhaft Waffen, Muni- Transitland vieler illegaler Waffentransfers, dar- verschlossen. Damit in Kiew das Geld nicht aus-
Verbreitete Auflage (IVW II/2019). Preis je Tausend
beschließe, die vier Masken, die in ver-
Auflage bei 1/4-Seite Eckfeldanzeige in 4c
Versammlungen im Juni 2020 in Wien-Fa-
1/4-Seite Eckfeldanzeige in 4c
tion und Ausrüstung einkaufen mußte. Seitdem unter an bewaffnete Akteure in unterschiedlichen geht, will die EU-Kommission die Ukraine mit ei- schiedenen Hosen- und Manteltaschen
voriten klar aufgezeigt“, erklärte Ressortchef importiert die Ukraine an militärischen Gütern, Konflikten in Afrika, Osteuropa, Mexiko und dem nem langfristigen Darlehen „zu äußerst günstigen versteckt sind, zu entsorgen.
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2020 erschoßundein 20jähriger Islamist mit tronik, Kommunikationsausrüstung, Scharfschüt- verkauf erzielte die Ukraine 2019 Einnahmen von Euro sollen, so Kommissionschefin Ursula von pe. Diese ist brechend voll, wie schon lange
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und verletzte weitere schwer. „Dieser heim- 360 Javelin-Panzerabwehrraketen und zwei Pa- Exportschlager waren die Panzerabwehrsysteme ausforderungen, mit denen das Land konfrontiert Tresen, später folgen weitere, alles gratis.
tückische Anschlag hat auch die Arbeit des trouillenboote übergaben die USA. Die früheren „Corsar“ und „Skif“ sowie Hochpräzisionsmuniti- sei, decken und sowohl den Staatsaufbau als auch Auf dem Heimweg sehe ich eine kleine
Verfassungsschutzes in Frage gestellt“, so Warschauer-Pakt-Staaten Polen und Tschechi- on. 2012, zu Zeiten des prorussischen Präsidenten die Resilienz des Landes stärken. Gruppe. Die Jugendlichen sind ausgelas-
Nehammer. „Der islamistische Terror ist ge- en veräußerten gegen Dollar Selbstfahrlafetten Viktor Janukowitsch, waren es allerdings noch 1,5 sen. Sie zünden Masken an, halten die-
genwärtig wohl die größte extremistische Be- „Gwosdika“, BMP-Schützenpanzer, gepanzerte Milliarden Dollar gewesen. Bonn International Centre for Conflict Studies: se am Gummibändchen fest und wedeln
drohung für die europäischen Staaten.“ (fis) MTLB-Mannschaftstransporter und 100 War- Aktuell tüfteln ukrainische Waffenschmieden www.bicc.de/publications
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GROSSER WIRKUNG
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022 AUSLAND|9

Gelder
Demonstranten und die Polizei stehen sich Trumps Twitter-Ersatz
am Samstag vor dem kanadischen Parlament
gegenüber: Zahlreiche Personen wurden
Truth Social gestartet
festgenommen und Dutzende Fahrzeuge abgeschleppt

einfrieren
PALM BEACH. Mehr als 58 Wochen nach
seiner endgültigen Twitter-Sperre ist Donald
Trump mit einem eigenen Angebot in die
sozialen Medien zurückgekehrt. Pünktlich
zum diesjährigen President’s Day am 21. Fe-
bruar startete der 75jährige seine Plattform
Kanada: Polizei löst Proteste Truth Social. Diese solle „einen offenen,
in Ottawa auf / Banken sperren freien, ehrlichen und weltweiten Gedanken-
austausch bieten, ohne dabei politische Mei-
Konten von Regierungskritikern nungen auszugrenzen“. Zunächst nur für
iPhone-Besitzer verfügbar und auf Benutzer
in den USA begrenzt, sollen ab März schritt-
BJÖRN HARMS weise weitere Zugangsmöglichkeiten eröff-
net werden, teilte die Firma Trump Media
& Technology Group Corp. (TMTG) mit.

M
Das neue Angebot richte sich gegen „Cancel
it drastischen Mitteln hat die Polizei in Culture“ und die Macht von „Big Tech“.
Ottawa dem seit knapp drei Wochen Obwohl es wegen der riesigen Nachfrage
andauernden Protest der kanadischen bei der Neuanmeldung massive technische
Trucker ein Ende bereitet. Die Beam- Probleme gab und viele Interessenten nur

FOTO: PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS

ten räumte am Wochenende die blockierten Straßen
der Hauptstadt und nahm zahlreiche Demonstran-
ten vorübergehend fest. Teilweise versuchte man die
Menschenansammlungen aufzulösen, indem man
mit Pferdestaffeln in die Menge ritt, wodurch eine
49jährige Frau schwer verletzt wurde. Mindestens
191 Demonstranten wurden laut offziellen Angaben
verhaftet. Von ihnen sollen 103 angeklagt werden,
mehrheitlich wegen Sachbeschädigung oder Be-
hinderungen des Straßenverkehrs. Dazu ließ die
Polizei mehrere Dutzend Fahrzeuge abschleppen.
Nach den Tumulten und Protesten der vergan-
genen Wochen und Tage ist es vorerst ruhig in der
Hauptstadt. Dort, wo die Demonstranten zuvor
noch laut gehupt, „Freiheit“ skandiert und „Haltet
die Linie“ gerufen hatten, bleibt es still. Lediglich ein
paar Beamte und Journalisten streiften am Sonntag
im vormals blockierten Regierungsviertel umher.
Für die Strafverfolgungsbehörden soll die Ar-
beit jedoch nun erst richtig beginnen: „Wenn Sie
an diesem Protest beteiligt sind, werden wir aktiv
nach Ihnen suchen und finanzielle Sanktionen und
Strafanzeigen einleiten“, twitterte die Polizei von Ot-
tawa am Sonntag. Einen Tag zuvor hatte Interims-
Polizeichef Steve Bell bereits angekünfigt, „Leute
zur Rechenschaft“ zu ziehen, „die unsere Straßen
in Beschlag genommen haben“. Die gesetzlichen
Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Drohungen
kennen tatsächlich immer weniger Grenzen im einst
als liberal geltenden Kanada.
Nachdem das kanadische Unterhaus am Mon-
tag mit 185 zu 151 Stimmen zugestimmt hatte,
trat am Dienstag der sogenannte „Emergency Act“
in Kraft. Das 1988 beschlossene, aber bislang nie-
mals angewendete Gesetz gibt der Regierung 30
Tage lang praktisch unbegrenzte Befugnisse, um
eine Krise zu bewältigen. So kann die Teilnahme
an öffentlichen Versammlungen verboten werden,
können bestimmte Firmen wie Abschleppdienste
verpflichtet werden, auf staatliche Anweisungen zu
handeln, sowie Banken gezwungen werden, ohne
Gerichtsbeschluß Konten zu sperren. Dazu können
Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jah-
ren für diejenigen verhängt werden, die gegen eine
der genannten Anordnungen verstoßen. Durch eine
Zustimmung im Unterhaus und im Senat könnte
das Gesetz sogar nochmals verlängert werden.
Klagen gegen Trudeaus
Notstandsgesetz eingereicht
Für die Umsetzung des „Emergency Acts“ ist je-
doch die Androhung oder Anwendung „ernsthafter
Gewalt“ zwingend erforderlich. Verfassungsrechtlich
steht das Ganze deshalb auf wackeligen Beinen, da
die überwiegende Mehrheit der Demonstranten sich
völlig friedlich verhielt. Bürgerrechtsorganisationen
wie die „Kanadische Vereinigung für bürgerliche
Freiheiten“ haben bereits Klagen eingereicht.
Trudeau, der die Trucker mehrfach mit Rassismus
und Terrorismus in Verbindung gebracht hatte, es-
kalierte die Situation vergangene Woche weiter, als
er eine zusätzliche Richtlinie mit der Bezeichnung
„Verordnung über wirtschaftliche Sofortmaßnah-
men“ erließ. Unter Berufung auf ein Gesetz zur
Terrorfinanzierung verlangt die Anordnung von
Finanzinstituten – einschließlich Banken, Kredit-
genossenschaften, Kreditunternehmen, Trusts und
Kryptowährungs-Wallets – die Einstellung der „Er-
bringung von Finanz- oder damit verbundenen
Dienstleistungen“ für Personen, die mit den Prote-
sten in Verbindung stehen. Dabei ist es egal, ob diese
„direkt oder indirekt“ an den Protesten teilnehmen,
das heißt auch Leute, die über Crowdfunding-Seiten
für die Demonstranten gespendet haben, sind mit
einbegriffen. Einer Großmutter, die aus Sympathie
für die Trucker gespendet hat, kann damit über
Nacht das Konto gesperrt werden.
Freudestrahlend berichtete die stellvertretende
Premierministerin Chrystia Freeland am vergan-
genen Donnerstag in einer Pressekonferenz, daß
verschiedene Banken bereits erste Konten einge-
froren hätten. Laut Freeland, die auch Finanzmi-
nisterin ist, hätten die Strafverfolgungsbehörden
auf eine Warteliste kamen, kletterte Truth
Social am Montag auf Platz 1 im App-Store
von Apple. Das frühere Twitter-Konto „@
realDonaldTrump“ hatte über 88 Millio-
nen Follower gehabt. Am 8. Januar 2021
wurde der damalige US-Präsident von dem
Kurznachrichtendienst jedoch endgültig
gesperrt. Grund sei das „Risiko einer wei-
teren Anstiftung zur Gewalt“, hatte Twitter
damals mit Blick auf das Eindringen von
Informationen über die Demonstranten und ihre Trump-Anhängern ins Washingtoner Ka-
Unterstützer gesammelt und diese an die Finanzin- pitol am 6. Januar erklärt. Auf Facebook
stitute weitergegeben, um den Zugang zu Bargeld, ist Trump vorerst bis 2023 blockiert. Auch
aber auch Kryptowährungen zu beschränken. Da Youtube (Plattform von Google/Meta) hat
gleichzeitig Hacker die Spendendaten der Crowd- eine Rückkehr nicht völlig ausgeschlossen.
funding-Website „GiveSendGo“ veröffentlichten Die bisherigen Twitter-Alternativen Gettr
(hier wurden rund 5,5 Millionen Euro gesammelt), und Parler haben bislang nur eine Anhän-
die zeigten, daß Kanadier den größten Teil der Gel- gerschaft im zweistelligen Millionenbereich.
der gespendet haben, drohen nun Tausenden von Im technischen Bereich will TMTG mit
gesetzestreuen Kanadiern finanzielle Vergeltungs- Rumble, wo Trump seit Juni 2021 einen
maßnahmen, nur weil sie einen Anti-Regierungs- Videokanal betreibt, zusammenarbeiten.
Protest unterstützt haben. In Ontario wurde eine Die 2013 gegründete kanadische Video-
niedere Regierungsbeamtin entlassen, nachdem plattform hat mit dem deutschstämmigen
ihre 100-Dollar-Spende ans Licht gekommen war. Tech-Milliardär Peter Thiel einen promi-
Der „Freiheitskonvoi“ der Trucker begann ur- nenten US-Investor. (fis)
sprünglich als Reaktion auf die Entscheidung der Re- truthsocial.com
gierung, von kanadischen Lkw-Fahrern, die die US-
Grenze überqueren, zu verlangen, daß sie vollständig
geimpft sind. Mittlerweile geht es um deutlich mehr: Großer Staudamm der
B.J. Dichter, einer der Organisatoren der Proteste
in Ottawa, dem mittlerweile alle seine Bankkonten
äthiopischen Wiedergeburt
und Kreditkarten gesperrt wurden, kommentierte
seine finanzielle Auslöschung wie folgt: „Es fühlt ADDIS ABEBA. Vorigen Sonntag wurde
sich an, als wäre man aus einem mittelalterlichen unweit der Grenze zum Sudan der „Gro-
Dorf verbannt und dem Tod überlassen.“ ße Staudamm der äthiopischen Wieder-
geburt“ (Grand Ethiopian Renaissance
Dam/GERD) offiziell eingeweiht. Dies sei
der „Beginn einer neuen Ära“, erklärte der

Wer ist hier der Rechtsstaat? äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed

Ali, bevor der 45jährige den ersten 375-Me-
gawatt-Stromgenerator in Betrieb nahm.
Das 2011 begonnene Milliardenprojekt
Europa: Die Klage gegen den „Konditionalitätsmechanismus“ ist abgeschmettert. Doch kann die Klausel überhaupt greifen? staut den Blauen Nil auf. Nach der kom-
pletten Wasserauffüllung soll der Stausee
eine Fläche von 1.874 Quadratkilometern
ALBRECHT ROTHACHER Kommission nicht sofort tätig wird. Vereinzelte Mitgliedstaat eine nicht mehr sachgemäße EU- gemeinschaft 1957 werden im sonnigen Süden Ita- einnehmen, das entspricht drei Viertel der
Politiker aus der FDP wollen sogar das Gehalt von Mittelverwendung befürchten lassen. Es dürfte liens jährlich Milliardenbeträge an EU-Hilfen für Fläche des Saarlands. Mit dann 13 Turbinen
Präsidentin Ursula von der Leyen blockieren, wenn sehr schwer werden nachzuweisen, warum die un- Landwirtschaft, Industrie und Regionalentwicklung und einer Gesamtleistung von bis zu 6,5

D
er Europäische Gerichtshof (EuGH)
hat die Klage der Osteuropäer Ungarn
und Polen gegen den sogenannten EU-
„Konditionalitätsmechanismus“ abgewiesen. Laut
EuGH kann die EU nun künftig Gelder einbehal-
ten, wenn ein Mitgliedstaat gegen die Rechtsstaat-
lichkeit verstößt und dadurch den EU-Haushalt
beeinträchtigt. Die ungarische Regierung sieht im
Urteil einen klaren Machtmißbrauch, die polnische
einen Angriff auf ihre Souveränität und Selbstbe-
stimmung.
Die Europäische Kommission soll jetzt den
politisch mißliebigen Regierungen in Polen und
Ungarn – am besten noch vor den ungarischen
Parlamentswahlen vom 3. April – den Geldhahn
zudrehen. Eine Mehrheit im Europäischen Parla-
ment droht mit einer Untätigkeitsklage, falls die
sie nicht handelt. Klar ist: Es geht um viel Geld. Im
Jahr 2020 allein erhielten Polen aus dem regulären
Haushalt netto zwölf Milliarden Euro und Ungarn
fünf Milliarden. Mit dem zusätzlichen schuldenfi-
nanzierten Corona-Haushalt sind noch einmal für
die nächsten Jahre 36 Milliarden Euro für Polen
und 7,2 Milliarden für Ungarn vorgesehen.
Ob der Mechanismus angewendet
werden kann, steht in Frage
Aber was ist wirklich entschieden worden? EU-
Mittelflüsse können auf Kommissionsvorschlag,
wenn der Europäische Rat mit qualifizierter Mehr-
heit und das EP zustimmen, dann gesperrt werden,
wenn Rechtsstaatsprobleme in dem betroffenen
garische Kinderschutzgesetzgebung gegen Homo-
Propaganda an den Schulen einen Einfluß auf ei-
ne ordentliche Mittelverwendung zum Beispiel
beim Bau von Industrieparks, Kläranlagen oder
Autobahnen haben sollte. Das gleiche in Polen,
wo die inkriminierten Disziplinarkammern, die
die Entscheidungen altkommunistischer Richter
überprüfen sollten, laut Ankündigung von Präsi-
dent Andrzej Duda demnächst aufgelöst werden,
nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben.
Um die nötigen rechtlich dichten Leitlinien zur
Anwendung dieses EU-internen Sanktionsinstru-
ments zu schaffen, braucht die Kommission also
Zeit, „einige Wochen“, wie Frau von der Leyen
sagt. Es ist aber fast ausgeschlossen, daß sie recht-
lich haltbar aktuell angewendet werden können.
Seit der Gründung der Europäischen Wirtschafts-
veruntreut. Das gleiche gilt bei den EU-Geldern Gigawatt (entspricht etwa vier AKW oder
für den Balkan. großen Kohlemeilern) ist die Anlage des
Und zum EUGh selbst: Sämtliche 27 Richter staatlichen Energieversorgers EEP dann das
wurden von ihren Staaten politisch ernannt. Zu größte Kraftwerk Afrikas. Mit 118 Millio-
Gerhard Schröders Zeiten als Bundeskanzler ver- nen Einwohnern liegt Äthiopien – nach Ni-
langte der Koalitionsproporz eine linke, grüne Frau. geria – bei der Bevölkerungszahl schon auf
Man fand mühsam eine weibliche Arbeitsrichterin Rang zwei in Afrika. Die Nil-Anrainer Su-
in Bremen, die das richtige Parteibuch in der Ta- dan und Ägypten haben das GERD-Projekt
sche hatte. Erfahrungen mit dem EU-Recht hatte scharf kritisiert. Sie befürchten, daß künftig
sie dagegen nur wenig. Das toppten die Österrei- zu wenig Wasser den Nil herabfließen wird.
cher noch und benannten kurzzeitig eine sozialisti- Der Blaue und der Weiße Nil vereinen sich
sche Justizministerin, der eigentlich die Befähigung in der sudanesischen Hauptstadt Khartum
zum Richteramt vollkommen fehlte. Das aber stieß zum Nil. Der Assuan-Staudamm staut den
kaum unangenehm auf. Nil seit 1970 in Oberägypten auf. Der so
entstandene, etwa 5.500 Quadratkilometer
große Nassersee erstreckt sich bis in den
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10 | W I R T S C H A F T JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

FOTO: IMAGO IMAGES/R¸DIGER WˆLK

Der Europäischen Zentralbank verdanken wir die Stagflation

Alles war vorhersehbar

C
armen Reinhart, seit 2020 Chefökono- Macht errungen haben. Draghis Nachfolgerin
min der Weltbank, hat vor der Gefahr Christine Lagarde sollte nicht noch ein wei-
einer Stagflation gewarnt, „auch wenn teres Jahr untätig zusehen. Die industriellen
es verfrüht ist, das jetzt schon so zu benennen“. Erzeugerpreise signalisieren längst einen kräf-
Doch die Zentralbanken stehen längst vor die- tigen Inflationsschub. Steigende Zinsen werden
sem Dilemma: Wollen sie die Inflation bekämp- in einem inflationären Umfeld als zusätzliche
fen, indem sie die Geldmenge drosseln und die Kosten an die Abnehmer weitergereicht. Die
Zinsen erhöhen, dämpfen sie die wirtschaftli- Gewerkschaften werden nicht länger stillhalten,
che Aktivität und verschärfen die Stagnation. weil sie um ihre Legitimationsbasis fürchten. Sie
Wollen sie die unternehmerische sehen sich gezwungen, finanzielle
Tätigkeit beleben, stärken sie die Kompensationen für ihre Mitglie-
inflatorischen Auftriebskräfte. der einzufordern.
Aber das alles war vorhersehbar. Und dann sind wir mittendrin
Wer rechtzeitig auf die Gefahren in einer Preis-Lohn-Spirale. Die
der Nullzinspolitik und der Geld- EZB und die Politik haben so ge-
schwemme für die Geldwertstabi- handelt, als ob es kein Morgen gä-
lität hinwies, mußte sich sagen las- be. Die EZB hat sogar Negativ-
sen, wir lebten inzwischen in einer zinsen erhoben, damit die Ban-
anderen Welt, wo nicht Inflation, ken die bei ihnen ankommende
sondern Deflation zu bekämpfen von Geldschwemme nicht horten,
sei. Zudem ist die EZB-Politik seit Joachim sondern an Unternehmen weiter- Sparkassen-Papiere: Die Auskunft entscheidet, ob jemand eine Wohnung bekommt, ein Haus bauen oder ein Unternehmen starten kann
2012 – dem maßlosen „Whatever reichen, auch wenn diese wenig
it takes“-Rettungsverprechen von
Starbatty kreditwürdig waren. Draghi hat
Mario Draghi – überdeterminiert: zwar eingeräumt, daß seine Poli-

„Dringend nötiger Wandel“

Zusammenhalt der Eurozone oder „Die Geldflut hat tik die Sparer schädige, doch käme
Sicherung der Geldwertstabilität.
Nullzinspolitik und Geldschwem-
wie eine Droge sie der Bevölkerung insgesamt zu-
gute, weil Arbeitskräfte nicht ent-
me sind die Konsequenzen. Die gewirkt. Bei lassen würden. Und das würde
EZB hält über ihre verdeckte einem Entzug den Verlust auf den Sparkonten
Staatsfinanzierung überschuldete mindestens ausgleichen. In dieser Schufa-Verkauf: Werden die geheimsten Daten der Deutschen an Finanzinvestoren verkauft?
Mitgliedstaaten in der Währungs- kommt das Geldflut sind auch Unternehmen
union. Insofern sind der EZB die Jammertal der mitgeschwommen, die aus eigener
Hände gebunden: Bekämpft sie die Kraft nicht überlebensfähig wa- PAUL LEONHARD an. Aktuell verwaltet sie die 18 Prozent Anteile die Verbraucher bekommen können“, erklärt Birgit
Inflation, muß sie befürchten, daß Stagnation.“ ren. So hat diese Geldpolitik eine der Volks- und Raiffeisenbanken an der Schufa. Vorberg von der Verbraucherzentrale NRW.
die Eurozone auseinanderbricht. „Zombie-Wirtschaft“ geschaffen. Gemeinsam mit anderen Bestandsaktionären wolle Mehr als eine Milliarde hochsensibler Kunden-

W
Daher betreibt sie eine Doppelstrategie: Sie Warren Buffett, seit Jahrzehnten erfolgreicher
bleibt bei ihrer Politik, sagt aber der Öffentlich- US-Investor, bringt es auf den Punkt: Wenn ie liquide sind die Deutschen? Wie
keit, daß sie sich in ihrer Sorge um Preisstabili- die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Bade- ist es um ihre Zahlungsmoral be-
tät von niemandem übertreffen lasse. Sie redet hose anhat. Die Geldmengenflut hat wie eine stellt? Die Antwort darauf könnte
inflatorische Gefahren klein. Sie gingen vor- Droge gewirkt. Bei einem Entzug geht unsere bald das alleinige Geheimnis eines
über, wenn Einmaleffekte wie partielle Steuer- Wirtschaft durch das Jammertal der Stagnation. in Stockholm ansässigen Finanzinvestors sein, der
erhöhungen, ausgestanden seien. So haben wir der EZB beides zu verdanken – mit diesem Wissen viel Geld verdienen will. Die
Inflation ist unsozial: Steigende Preise tref- inflatorischen Auftrieb und Stagnation. seit 2019 börsennotierte Firma EQT, bisher vor
fen diejenigen besonders hart, die mit ihrem allem in Nordeuropa und Asien tätig, möchte die
Einkommen gerade über die Runden kommen. Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und ursprünglich 1927 in Berlin gegründete Schutzge-
Inflation muß man bekämpfen, bevor sie die war bis 2019 Abgeordneter des EU-Parlaments. meinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa)
erwerben. In einem ersten Schritt hat sich EQT
für 200 Millionen Euro eine Option auf jene zehn
Prozent Anteile gesichert, die die Pariser Großbank
Strafanzeige gegen Kanzler Scholz und Bürgermeister Tschentscher Société Générale hält. Aus einer Pflichtveröffentli-
chung des Bundeskartellamtes von Januar geht nun
man „stabile Mehrheitsverhältnisse und langfristig
das Grundprinzip der Neutralität der Schufa erhal-
ten“, sagte eine Teambank-Sprecherin T-Online.
Das Bundeskartellamt hat beiden Bewerbern sei-
nen Segen gegeben – und damit eine Bieterschlacht
ermöglicht, bei der es um nichts Geringeres, als
um die Finanzsituation von 68 Millionen Bürgern
und sechs Millionen Unternehmen in Deutschland
und ihre Bonitätseinschätzung geht. Denn trotz
teilweise grotesker Datenschutzauslegungen im
deutschen Bürokratenstaat darf ausgerechnet eine
privatwirtschaftliche Auskunftei Informationen all
jener sammeln, die am bargeldlosen Zahlungsver-
kehr teilnehmen, Kredite aufnehmen oder einen
neuen Mietvertrag unterzeichnen möchten.
daten besitzt die Schufa. 170 Millionen kosten-
pflichtige Auskünfte über Deutsche gibt sie im
Schnitt alljährlich an 10.000 Unternehmen und
macht damit ein glänzendes Geschäft. Voriges Jahr
betrug der Umsatz 223 Millionen Euro, der Jah-
resüberschuß wurde mit 40 Millionen Euro ange-
geben, was sich nach Ansicht von EQT aber noch
steigern läßt. So nennt auch EQT-Partner Matthias
Wittkowski der Börsen-Zeitung als Ziel, „das unge-
nutzte Innovations- und Wachstumspotential der
Schufa zu aktivieren und mit zusätzlichem Kapital
und Know-how zu beschleunigen“. Oder wie es in
der Begründung der Online-Petition „Stoppt den
Ausverkauf der Schufa-Daten“ heißt: „Dem schwe-
dischen Konzern geht es um Gewinne, Wachstum
und mehr Rendite für seine Investoren.“

Noch längst nicht vergessen aber hervor, daß EQT die heutige Schufa Holding
AG Wiesbaden komplett übernehmen möchte.
Dagegen formiert sich Widerstand – seitens der
Von Martin Krüger anderen Schufa-Anteilseigner sowie der Kampa-
gnen-Plattform Campact (JF 27/21). Diese NGO
hat die Petition „Stoppt den Ausverkauf der Schufa-
Angaben über Einkommen, Arbeit
und Familienstand sind noch tabu
Die Schufa hat Kenntnis über Bankkonten,
Geldkarten, Kredit- und Leasingverträge, Raten-
EQT bestreitet das nicht, wirbt aber mit Trans-
parenz und Verbraucherschutz. Man wolle den
„Reformstau auflösen und den dringend nötigen
Wandel einleiten“, so Wittkowski gegenüber T-
Online. Als Beispiel nennt er eine App, in der Ver-
braucher „einfach und kostenlos sehen können,

T
ausende Strafanzeigen wurden in ihrer
16jährigen Regierungszeit gegen Angela
Merkel gestellt – die meisten wegen der
Grenzöffnung 2015. Alle Verfahren verliefen
im Sande. Nun hat der renommierte Strafver-
teidiger Gerhard Strate ihren Amtsnachfolger
Olaf Scholz und Hamburgs Bürgermeister Peter
Tschentscher angezeigt. Beiden SPD-Politikern
wirft der 72jährige vor, die Warburg-Bank im
Cum-Ex-Steuerbetrug geschützt zu haben. Es
geht um eine mögliche politische Einfluß-
nahme, 2016 von der Hamburger Privatbank
47 Millionen Euro an Steuern nicht zurückzu-
fordern. Scholz war damals Erster Bürgermeister
der Hansestadt und Tschentscher Finanzsenator.
Erst als das CDU-geführte Bundesfinanzmini-
sterium die Stadt anwies, das Geld zurückzu-
fordern, floß der Betrag 2017 an den Fiskus.
Neu ist das alles nicht – alles war schon vor
der Bürgerschaftswahl 2020 und der Bundes-
tagswahl 2021 bekannt. Es hat beiden nicht ge-
schadet, denn das Thema ist juristisch trocken:
Die Vorwürfe lauten Beihilfe zur Steuerhinter-
ziehung sowie – im Falle von Scholz – uneidli-
che Falschaussage. Akribisch begründet Strate
seine Anzeige auf 38 Seiten mit 44 Fußnoten:
Der Verzicht auf eine Rückforderung der Ka- Daten“ gestartet, die bisher 230.000 Menschen
pitalertragsteuer sei keine Rechtsentscheidung unterzeichnet haben. Die Initiative fordert von
gewesen, sondern ein Willkürakt. Die krimi- den anderen Schufa-Eignern – insbesondere den
nelle Einbettung der Cum-Ex-Geschäfte habe Sparkassen und Genossenschaftsbanken –, von
bereits 2016 auf der Hand gelegen. Daß Scholz ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und
keinerlei Erinnerung an die Treffen mit hoch- dafür zu sorgen, daß keine Anteile an EQT und
karätigen Bankvertretern habe, sei unglaubwür- ähnliche Investoren verkauft werden. Die hoch-
dig. Strate, der bereits anläßlich der Finanzkri- sensiblen Daten, so Antonia Becher von Campact,
se 2008 zahlreiche Anzeigen einreichte, kennt „entscheiden, ob jemand eine Wohnung bekommt,
die komplizierte Materie und Arbeitsabläufe ein Haus bauen oder ein Unternehmen starten
im Finanzamt. kann“, und dürften daher „nicht zum Spielball von
Nun wird der zuständige Generalstaatsan- Finanzinvestoren“ werden. Und was ist, wenn EQT
walt prüfen, ob es einen Anfangsverdacht gibt, nur ein Strohmann“ ist, der die Schufa nach einer
der dann zu neuen Ermittlungen führen wür- Schamfrist an Google oder Facebook weiterreicht?
de. Erst dann wäre es politischer Zündstoff für Es ist nicht der erste Versuch der Schweden,
Berlin und Hamburg. Zwei Bankmanager, die sich in die Schufa einzukaufen. Bereits vor einem
Anlegern bei dem professionellen Cum-Ex- Jahr berichtete die Agentur Bloomberg, daß EQT
Steuerbetrug geholfen haben, sind immerhin gemeinsam mit dem US-Investor Hellman & Fried-
schon zu Haftstrafen verurteilt worden. Weitere man (bis 2008 Springer-Aktionär; seit 2020 Auto-
Verfahren laufen. Eine Anklage gegen den lang- Scout24-Eigner) Interesse an den Schufa-Anteilen
jährigen Warburg-Chef und einen der Haupt- von Commerzbank (sechs Prozent) und Deutscher
eigentümer, Christian Olearius, gilt inzwischen Bank (zwölf Prozent) bekundet habe. Inzwischen
als möglich. Es bleibt also spannend. gibt es aber Konkurrenz: Die zur genossenschaft-
lichen DZ-Bank-Gruppe gehörende Nürnberger
strate.net/verfahren/strafanzeige-gegen- Team-Bank strebt ihrerseits den Erwerb einer wett-
olaf-scholz-und-dr-peter-tschentscher bewerblich erheblichen Minderheitsbeteiligung
zahlungen und Versandhandelskonten. Die Schufa
weiß über Zahlungsrückstände und Mahnungen
Bescheid, mißt die Kreditwürdigkeit, „Coring-
werte“ und gibt Bonitätsauskünfte. Sie kennt von
82 Prozent der Einwohnerschaft in Deutschland
Namen, Geburtsdatum und -ort, aktuelle und frü-
here Postanschriften. Am liebsten würde die Schufa
auch über ihre tagtäglichen Kontobewegungen
Kenntnis haben. Dafür hatte sie bereits 2018 die
Münchner Firma finAPI GmbH erworben, ein
Startup, das über eine Lizenz der Finanzaufsicht
Bafin für das Auslesen von Konten verfügt, die die
Schufa selbst nicht besitzt. Damit könnten künftig
die privaten Ausgaben der Kunden erkannt und
bewertet werden.
Immerhin war der öffentliche Unmut über diese
Konto-„Scores“ daraufhin so stark, daß die Schufa
diese Pläne 2020 erst einmal zurückstellen mußte.
Tabu sind noch Angaben über Einkommen, Ver-
mögen, Arbeitgeber und Familienstand der regi-
strierten Bürger. Diese dürfen von der Schufa nicht
gesammelt werden. Und die Schufa ist seit April
2010 verpflichtet, auf Antrag jedem Bürger alle
über ihn gesammelten Daten einmal jährlich als
„Datenkopie nach Art. 15 DS-GVO“ kostenfrei
zuzuschicken, die „umfangreichste Selbstauskunft,
welche Daten die Schufa über sie speichert, wann
Löschfristen einsetzen und wie die Daten in den
Score einfließen“. Welche Informationen die Schufa
wie bewertet – bisher eines der bestgehüteten Ge-
heimnisse der Auskunftei, interessiert auch die
grüne Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
brennend. Sie sieht in der Übernahmediskussion
eine Chance, um in Sachen Transparenz „verbal
Druck auf die Schufa zu machen und Verbesserun-
gen anzumahnen“: Es wäre wunderbar, wenn „aus
dem Kampf um die Schufa am Ende diejenigen
als Sieger hervorgehen würden, um deren Daten
hier geschachert wird“.
So wird es auch in der Campact-Petition gefor-
dert: Das derzeitige Scoring-Verfahren sei höchst
intransparent und die Schufa weigere sich, Infor-
mationen zum Verfahren preiszugeben und stuft es
als Geschäftsgeheimnis ein. Überdies hat die Aus-
kunftei nach Recherchen des Bayerischen Rund-
funks und des Spiegels viele Menschen ohne jeg-
liche Negativeinträge zum Risikofall erklärt: „Die
Prognosen der Schufa beruhen auf teilweise höchst
fragwürdigen Annahmen.“
aktion.campact.de/datenschutz/schufa-deal
eqtgroup.com/current-portfolio

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JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022
„Existentielle Schwierigkeiten“
Eurovignetten-Richtlinie: Die „Klima-Maut“ für Lkw bringt dem
Fiskus neue Milliardeneinnahmen / Bald auch Pkws betroffen?
CHRISTIAN SCHREIBER
W
ährend die Bürger und Teile der
Wirtschaft weiter unter Corona-
Maßnahmen leiden, sprudeln die
Steuereinnahmen: 57,6 Milliarden
Euro kassierten Bund, Länder und Gemeinden im
Januar ein – das waren 22,4 Prozent mehr als im
Januar 2021. Haupteinnahmequelle waren Um-
satz- und Lohnsteuer. Demnächst bekommt Bun-
desfinanzminister Christian Lindner eine weitere
Geldquelle hinzu: die „Klima-Maut“. Die hat der
FDP-Politiker zwar nicht selbst erfunden, aber seine
Parteifreunde im EU-Parlament haben die Zusatz-
abgabe für Lkws und Transporter auf Autobahnen
und Bundesstraßen freudig abgenickt – nur die
Rechtsparteien waren konsequent dagegen.
„Die neuen Regeln sehen differenzierte Nut-
zungs- und Infrastrukturgebühren auf der Grundla-
ge des CO2-Ausstoßes vor und führen eine obliga-
torische Gebühr für externe Kosten von schweren
Nutzfahrzeugen ein“, erklärte EU-Verkehrskom-
missarin Adina Vălean. FDP-Verkehrsminister Vol-
ker Wissing muß nun die verschärfte Eurovignet-
ten-Richtlinie bis spätestens März 2024 umsetzen.
Aber er hat dabei großen Spielraum: Sie können nur
den Mindestsatz erheben – oder auch das Doppel-
te. Im ersten Fall nähme der Fiskus 3,3 Milliarden
Euro pro Jahre ein, im anderen 6,6 Milliarden Euro.
Der grüne Koalitionspartner macht daher
Druck: „Die CO2-Differenzierung muß so ausge-
staltet sein, daß es finanziell deutlich vorteilhafter
wird, Güter klimaneutral zu transportieren“, for-
derte der bahnpolitische Sprecher der Bundestags-
fraktion, Matthias Gastel. Mit den Zusatzmilliar-
den könnten Gewerbegebiete ans Schienennetz
Fingerabdrücke sind verzeihlich, tiefe Kratzer nicht
Geldanlagen: Tim Schieferstein erklärt seinen Lesern, wie sich mit Gold und Silber in Zeiten finanzieller Repression Ersparnisse retten lassen
HARALD MELZER
D
ie Inflationsrate lag im Januar bei 4,9 Pro-
zent, nach EU-Statistik (HVPI) waren es
sogar 5,1 Prozent. Zinsen aufs Sparbuch
oder für Bundesanleihen bekommt man nicht
mehr. Banken verlangen schon ab wenigen tausend
Euro ein „Verwahrgeld“, also Strafzinsen. „Spare in
der Zeit, dann hast du in der Not“ – gilt das noch?
Nach beiden Weltkriegen entpuppte sich das schon
einmal als falsches Versprechen. Bei der Währungs-
reform in den drei Westzonen wurden 1948 aus
100 Reichsmark 6,50 D-Mark – ein Verlust von 94
Prozent. Bei der Neufestsetzung des Aktienkapitals
gab es eine Umstellung von 10 zu 8,2 – sprich: Der
formale Verlust für die Aktionäre – ungeachtet
der Kriegsschäden und Reparationen – belief sich
hingegen „nur“ auf 18 Prozent.
Zu D-Mark-Zeiten gab es zwar auch Inflation,
doch die Sparzinsen lagen fast immer darüber. Der
Sparerfreibetrag bei den Zinserträgen lag bis 1999
bei 6.000 Mark. Gleichzeitig wertete die D-Mark
spürbar auf: 1957 mußten 4,20 D-Mark für einen
Dollar bezahlt werden. 1997 waren es nur noch
1,73 D-Mark. Doch seit der Eurokrise und den Mi-
ni- und Negativzinsen bei gleichzeitig gestiegener
Inflation gilt das nicht mehr: Selbst verzinstes Spar-
und Versicherungsgeld verliert real an Wert. Wie
also in Zeiten der „finanziellen Repression“ sein
Vermögen vermehren oder wenigstens bewahren?
Schutzimpfung
für Deutschland
Politiker behindern Spaziergänge.
Facebook löscht Nutzerprofile.
Youtube sperrt regierungskritische
Kanäle. Und das geschieht hier, wo
das Recht auf freie Meinungsäuße-
rung im Grundgesetz steht! Deshalb
war die kritische Wochenzeitung
JUNGE FREIHEIT noch nie so wichtig
wie heute! Bestellen Sie gratis die
JF-Postkarte „Meinungsfreiheit“ zum
Verteilen und verpassen Sie unserem
Land die wichtige Schutzimpfung für
eine gesunde Demokratie!
Demokratie
braucht
Meinungsfreiheit
angeschlossen, Güterumschlagsterminals gebaut
und elektrische Lkws gefördert werden. Im Ampel-
Koalitionsvertrag ist der Passus allgemein gehalten:
„Wir werden 2023 eine CO2-Differenzierung der
Lkw-Maut vornehmen, den gewerblichen Güter-
kraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen
CO2-Zuschlag einführen.“ Das Verkehrsministeri-
um sieht daher erst einmal keinen Anlaß zur Eile.
Für die Spediteure ist die zusätzliche „Klima-
Maut“ ein Schlag ins Gesicht. Es droht eine Pleite-
welle – nicht nur wegen der Diesel-, sondern auch
wegen der Gaspreise. Daher schrieb der Bundes-
verband Güterkraftverkehr (BGL) an Wirtschafts-
minister Robert Habeck einen Brandbrief: „Spedi-
tions-, Transport- und Logistikunternehmen, die
zu einem hohen Anteil oder sogar vollständig auf
gasbetriebene Lkw umgestellt haben, geraten da-
durch unmittelbar in existentielle Schwierigkeiten,
bis hin zur Insolvenz.“ Der BGL fordert den Grü-
nen-Politiker auf, „einen Rettungsschirm für die
existenzgefährdeten Unternehmer einzurichten“.
Der Mittelstand kann die Kosten
eigentlich nicht mehr schultern
Laut BGL investieren die Firmen vermehrt in
Lkws, die mit Flüssiggas (LNG) getrieben werden.
In der Anschaffung sind sie deutlich teurer als die
Diesel-Modelle. „Treiber des Markthochlaufes“
seien die „bis Ende 2023 bestehende Mautbefrei-
ung und der bis Sommer 2021 wettbewerbsfähige
Preis von LNG“ gewesen. Doch vor allem durch
die Ukraine-Krise gehen die Gaspreise nun durch
die Decke. „Ein Mittelständischer Betrieb kann die
Kosten eigentlich nicht mehr schultern.“
Wissings parlamentarischer Staatssekretär Oli-
ver Luksic (FDP) machte wenig Hoffnung auf
„Investieren statt sparen“ empfahl Max Otte
schon 2016 in seinem Bestseller – und darin wid-
met sich der Ökonom auch alternativen Anlagen
wie Gold, Oldtimern oder Wein.
Sechs Jahre später hat sich die Situation weiter
verschärft. Doch der deutsche Anleger ist weiter
vorsichtig und möchte sein Risiko breit gestreut
wissen. Seit der Lehman-Pleite 2008 und zahlrei-
chen geplatzten Anlagen mit Totalverlusten miß-
trauen viele zu Recht selbst Sparkassenberatern.
Und das nächste Wirecard-Desaster wird nicht
ausbleiben. Seit November 2021 hat sich der Kurs
des Bitcoins fast halbiert. Die Prognosen der Märk-
te für das Jahr 2022 sind verhalten optimistisch.
Ulrich Stephan rechnet aber mit keiner Jah-
resendrallye an den Börsen. Vielmehr hofft der
Deutsche-Bank-Analyst auf ein Ende der Corona-
Pandemie im Frühjahr sowie auf eine sinkende In-
flation. Mick Knauff, langjähriger N24-Börsenkor-
respondent, empfiehlt in seinen Anlegerseminaren:
Tim Schieferstein: Gold &
Silber für Einsteiger. Gold-
werte Tips für Auswahl,
Kauf und Aufbewahrung.
Verlag Solit Management,
Wiesbaden 2021,
broschiert, 248 Seiten,
14,90 Euro
Hilfen. Man sei „in Abstimmung“ mit dem für
Hilfen zuständigen Wirtschaftsministerium. Zu-
gleich verwies Luksic darauf, daß der Bund LNG
„durch einen ermäßigten Energiesteuersatz und
die laufende Mautbefreiung sowie indirekt durch
seine relative Wettbewerbsfähigkeit im Brennstoff-
emissionshandel“ fördere. Und es könnte alles noch
viel schlimmer werden, wenn sich der elektrische
Pkw tatsächlich gegen die Benziner und Diesel
durchsetzt. Denn dann sinken die milliardenschwe-
ren Einnahmen aus der Energie- und Kfz-Steuer
drastisch. Reine E-Autos sind für bis zu zehn Jahre
von der Kfz-Steuer befreit, danach gilt ein Rabatt
von 50 Prozent. Und Strom soll von Abgaben ent-
lastet werden. Die Lösung liegt daher fast schon
„Kaufen und empfehlen Sie nichts, was sie nicht
kennen oder nicht verstehen.“ Eine Alternative oder
eine Ergänzung zu bewährten Aktien und Fonds
stellt sicher die Investition in Edelmetalle dar: Zur
Euro-Einführung war eine Goldunze für 300 Euro
zu haben – heute sind es 1.680 Euro.
Der „innere Wert“ von
Edelmetallen ist langfristig stabil
Tim Schieferstein, Geschäftsführer eines der
größten Edelmetallhäuser Europas, der Solit-Grup-
pe, hat darüber ein lesenswertes Buch geschrieben.
Es soll die Grundlagen für den Handel mit Gold,
Silber und anderen Edelmetallen für jeden verständ-
lich darlegen. Natürlich kann man dem Autor un-
terstellen, daß dies nur eine Masche ist, um sein ei-
genes Geschäft anzukurbeln – aber das gilt auch für
Aktien- oder Fonds-Bücher. Wenn man dies immer
im Hinterkopf hat, dann bietet das reich bebilderte
Buch auf 250 Seiten die exzellente Möglichkeit, sich
im Bereich Edelmetalle fundiert zu informieren.
Schieferstein fängt mit einem Rückblick über die
Geschichte des Goldes und seines Wertbestandes
an. So erfährt der Leser unter anderem, daß „der
innere Wert von Gold“, also nicht der Preis in ei-
ner Währung gerechnet, sondern der tatsächliche
Gegenwert an Waren und Dienstleistungen, in der
Vergangenheit immer Stabilität aufwies. Für eine
Feinunze Gold konnte man sich in den vergange-
Gratis
bestellen
W I R T S C H A F T | 11
Für die Freiheit
Auszeichnung: Erich Weede
erhielt Roland-Baader-Medaille
FOTO: PICTURE ALLIANCE / STEPHAN GOERLICH
CHRISTIAN DORN
A
m vergangenen Wochenende wurde
der Soziologieprofessor und Publi-
zist Erich Weede vom libertären
Institut für Austrian Asset Management
(IfAAM) mit der Roland-Baader-Auszeich-
nung geehrt. Der Zeitpunkt konnte nicht
passender gewählt sein, gilt doch der 80jäh-
rige Preisträger als Experte für Sicherheitspo-
litik und Konfliktforschung. Nicht zufällig
widmete sich Weedes Habilitationsschrift
dem Thema Kriegsursachen.
Seine frühen Reisen durch die weite Welt
hätten ihn zu der Erkenntnis geführt, daß es
gerade die europäische Fragmentierung der
Macht gewesen sei, die das „Wunder Eu-
ropa“ ermöglicht habe, erklärte der Lauda-
tor Gerd Habermann, Mitbegründer der
Hayek-Gesellschaft. Das förderlichste Frie-
Überlastete Bundesstraße denskonzept sei für Weede der Freihandel,
bei München: Umstieg auf da dieser einen „kapitalistischen Frieden“
andere Verkehrsmittel? herausbilde. Gleichwohl sehe der Preisträ-
ger für die unmittelbare Zukunft „schwarz,
auf der Hand: Das Thema Pkw-Maut dürfte also
in Deutschland bald wieder auf der Tagesordnung
FOTO: IFAAM
stehen.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat eine solche
„Verkehrswende“ schon vor der Bundestagswahl
skizziert: „Eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut
setzt Anreize, Autofahrten zu verkürzen oder ganz
einzusparen oder stattdessen auf klimafreundlichere
Verkehrsmittel umzusteigen“, heißt es in dem UBA-
Papier. Vom ADAC, einst Anwalt der Autofahrer,
und mit 21 Millionen Mitgliedern der größte Ver-
ein Deutschlands, ist wohl auch keine große Hilfe
zu erwarten. Man wende sich nicht gegen gezielte
Preissignale für mehr Klimaschutz, teilte die dem
Zeitgeist huldigende Verbandsführung mit.
Gerd Habermann, Erich Weede und
IfAAM-Gründer Steffen Krug: Freihan-
del als Friedenskonzept für die Welt
ja rabenschwarz“. Nicht nur angesichts der
sich ausweitenden Kriegsgefahren, sondern
auch in bezug auf den EU-Zentralismus und
angesichts der seit Jahrzehnten gewachse-
nen geopolitischen Naivität der Deutschen.
Doch damit nicht genug: So steige die Ge-
nen 200 Jahren fast immer einen Maßanzug kau- fahr eines Bürgerkriegs durch die unter An-
fen. Natürlich sind das plakative Beispiele, die es gela Merkels Regentschaft ausgeweitete Mi-
aber ermöglichen, sich in die Materie einzufinden. grationspolitik. Weede geißelt auch den als
Später erklärt Schieferstein die Vorteile von Gold Wohlfahrtsstaat geführten Sozialstaat, der
und Silber, aber auch ihre Unterschiede in Handel, zwangsläufig zur „Sozialkleptokratie“ ent-
Wertbestand und Volatilität. arte. Mit seiner rhetorischen Gabe sei er
Er erklärt mit vielen Charts und Schaubildern geradezu „unschlagbar“ durch die „glaskla-
die Vorteile, aber auch Risiken des Edelmetallhan- re, unerschrockene Art“ seiner Rede, deren
dels und gibt praktische Tips zu Anlageformen, „apodiktische Sachlichkeit“ und den „gele-
Kauf, Aufbewahrung und Lagerungen. Schließlich gentlich scharfen Zynismus“, durch den sich
gibt es Barren und Anlagemünzen und diese auch automatisch jeder angesprochen fühle, der
noch in verschiedenen Qualitäten – von Krüger- ihn hört oder liest, so Habermann.
rand, Mapple Leaf, Britannia, Wiener Philharmo- Höhepunkte seiner Publikationen seien
niker bis zu Vreneli, Sovereign oder Arche Noah. unter anderem „Mensch und Gesellschaft“
Der Leser gewinnt einen Überblick über die ver- (1992), „Asien und der Westen“ (2000) und
schiedenen Münzen und Barren, aber auch worauf „Mensch, Markt und Staat“ (2003). Der ro-
zu achten ist: Beschaffenheit und Fehler. Bei Mün- te Faden seiner Schriften zeige sich in dem
zen sind Fingerabdrücke verzeihlich, tiefe Kratzer Bekenntnis zu Freiheit, Wettbewerb, Dezen-
hingegen nicht. Sie mindern den Wert erheblich. tralisation und in der strikten Ablehnung
Auch bei den Barren gibt es Unterschiede. Unter eines Sozialstaates, der Erfolg bestraft und
anderem stellt er die verschiedenen Hersteller von den Mißerfolg belohnt. Weede bekennt sich
Gold- und Silberbarren sowie deren Spezialitäten zur Methode des „methodologischen Indivi-
vor. Dabei nutzt er die Gelegenheit und erklärt, dualismus“: Kollektiv- und Gattungsbegriffe
wie Fälschungen zu erkennen sind. Auch auf Platin, sind keine handelnden Personen, sondern
Palladium und Rhodium geht Schieferstein ein, bloße Abstraktionen. Im Mittelpunkt auch
selbst den Bitcoin stellt er vor. Einen praktischen soziologischer Analyse müsse der einzelne,
Schlußpunkt setzt er mit der Vorstellung verschie- handelnde und leidende Mensch stehen,
dener Anlagemöglichkeiten, bei denen Gold und den es deutend zu verstehen gilt.
Silber berücksichtigt werden. Dennoch gilt aber die
wichtigste Anlageweisheit auch bei Edelmetallen: www.roland-baader.de/roland-baader-
Tue niemals alle Eier in einen Korb. auszeichnung-2022
JF-Aktion Meinungsfreiheit
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12 | H I N T E R G R U N D JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

Unsere Nachbarn, alle irre?

Corona-Maßnahmen: Europa macht auf. Und Deutschland?
MATHIAS PELLACK Niederlande Dänemark
70,8% 50,5% 81,3% 62%

K
Bis zum 18. Februar galt sie an allen Seit dem 1. Februar gilt sie nur noch in
arl Lauterbach findet: „Das ist das öffentlichen Orten. Danach nur noch in Flughäfen oder Gesundheitseinrichtungen.
Maximum, was wir uns an Lockerun- öffentlichen Verkehrsmitteln. Ab dem
15. März soll sie enden. Keine Polen
gen leisten können.“ Doch darüber
besteht alles andere als Einigkeit. Der Keine 2/3G 2G und 3G sind seit dem 1. Februar 58% 28,9%
Epidemiologe Klaus Stöhr attackiert aufgehoben.
die Begründung für die deutsche Zurückhaltung 2/3G Kein 2G. Für Restaurants, Museen, Generell in Innenräumen
mit scharfen Woren. Daß noch zu wenig über die Touristische Aufenthalte gilt 3G. 6.159
Sie gilt bereits im Gesundheitsbereich.
Gefahr des Omikron-Subtyps-B2 bekannt sei, ist Für Polizei, Armee, Feuerwehr und
schlicht „unzufriedenstellende Kommunikation, Lehrkräfte ist sie beschloßen
die auf Panik und Angst drängt“, sagt Stöhr. 2.895 2/3G 2G gab es nie. 3G soll teils gelten. Doch
Auch die Begründung, wegen der „Impflücke fehlt eine rechtliche Grundlage die eine
in Deutschland“ vorsichtiger zu lockern, greift er Statusabfrage erlaubt
an. Er findet: Die Bundesregierung müsse jetzt ei-
Belgien 515
nen vollkommen anderen Weg gehen. „Ich glaube,
daß es ganz wichtig ist, daß die Bundesregierung 77,8% 59,2%
jetzt wirklich proaktiv die Zukunft und das En-
de der Pandemie kommuniziert. Nämlich: Alle Generell im Innenbereich
infizieren sich, alle sollten sich möglichst impfen Tschechien
lassen, für die die Impfung der bessere Weg ist als Gilt für Gesundheitspersonal.
die Infektion.“ Eine allgemeine wird diskutiert. 63,8% 36,8%
Wer währenddessen einen Blick in unsere eu- 2/3G 2G wurde nie eingeführt. 3G gilt
in Restaurants, Fitneßcentern, Generell in der Öffentlichkeit mit FFP2
ropäischen Nachbarländer wirft, sieht, daß die
Versammlungen ab 50 Personen
meisten schon viel weiter sind. Österreich kippt und Reisen. Wurde im Dezember beschlossen,
womöglich eine bereits beschlossene Impfpflicht. aber von der neuen Regierung
Dänemarkt beendet wie Tschechien alle Zutritts- 898 wieder ausgesetzt. Medizinisches
regeln (G-Regeln). Nur Frankreich schärfte im Personal, Polizei, Feuerwehrleute,
Medizinstudenten und Menschen ab
Januar noch nach und verlangt beim Gang ins Re- 60 Jahren sollen darunterfallen
staurant nunmehr ausschließlich Impf- oder Ge-
2/3G 2G und 3G sind überall abgeschafft
nesenennachweis.
1.462

Luxemburg Österreich

71,4% 56,2% 73,2% 54,5%

Gilt in der Öffentlichkeit generell. In der Öffentlichkeit gilt generell FFP2-
Pflicht. Ab dem Freedom Day am 5. März
Breite Diskussionen, aber kein Konsens. soll sie nur noch im öffentlichen Verkehr,
Deutschland im Supermarkt, in der Bank, Apotheken,
2/3G 2G gilt für Versammlungen ab 21 Postämtern und Krankenhäusern gelten.
Personen plus aktuelle Immunisierung 75,1% 56,2%
oder Test. 3G gilt für Restaurants. Gilt seit dem 5. Februar für alle ab 18
In der Öffentlichkeit gilt meist FFP2- Jahren. Jetzt ist sie aber ausgesetzt. Bis
889 Pflicht. Auch nach dem Freedom Day zum 15. März soll entschieden werden,

GRAFIK FOTO: ADOBESTOCK; JF-MONTAGE

Frankreich
77,2% 51,4%
Obligatorisch. Ab dem 2. Feburar gilt sie
nicht mehr im Außenbereich. Ab dem
28. Februar soll sie unter 2G ganz fallen.
Sie gilt für Gesundheitspersonal,
Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei.
2/3G 2G notwendig, um an vielen Teilen
des öffentlichen Lebens teilzuhaben.
Impfung und Genesung stellen ab dem
15. Februar nur noch für 4 Monate einen
rechtsgültigen Immunschutz dar. Eine
teilweise Abschaffung wird für Mitte
März diskutiert. 3G wurde im Januar
großflächig durch 2G ersetzt.
1.124
am 20. März soll der Atemschutz weiter ob die Durchsetzung notwendig ist. Ab
getragen werden. dem „Freedom Day“ am 5. März bleibt
erstmal nur noch die Maskenpflicht.
Gilt ab dem 16. März 2022 in 2/3G 2G galt in weiten Teilen der Öffentlichkeit
medizinischen und pflegerischen und wurde mit dem 19. Februar
Einrichtungen. Eine Mehrheit des durch das laxere 3G ersetzt. Dies soll
Parlaments liebäugelt mit einer voraussichtlich am 5. März enden.
Schweiz allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren, Eine Ausnahme bilden Alten- und
die aber noch nicht beschlossen ist. Pflegeheime.
68,9% 41,1% 2/3G Stark abhängig vom jeweiligen
3.134
Bundesland. 2G galt in den
Wurde zum 17. Februar Bundesländern Hamburg und Hessen in
weitgehend gestrichen, außer in weiten Teilen der Öffentlichkeit. Ab dem
öffentlichen Verkehrsmitteln & 4. März braucht man für Restaurants
Gesundheitseinrichtungen. Vollständiges
nur noch 3G. Ab dem 20. März fallen die
Ende für 1. April angepeilt Zugangsbeschränkungen. Anteil Grundimmunisierter
Keine
2.065 Anteil Geboosterter
2/3G 2G galt bis zum 17. Februar in weiten
Maskenpflicht
Teilen der Öffentlichkeit. Ist seither wie
3G aufgehoben.
Impfpflicht
2.072
Entwicklung der Inzidenz seit
Jahresbeginn; aktueller Wert

Deutschlandweiter Aktionstag.
Für eine freie Impfentscheidung
und gegen die Impfpflicht.
Herausgeber: Alternative für Deutschland, Bundesverband, Schillstraße 9, 10785 Berlin

„Ich bin jetzt 18.

Die Corona-Maßnahmen zermürben unser Land. Mit der Impf-
pflicht will die Regierung einen weiteren Keil in die Gesellschaft
treiben. Nicht-Geimpfte werden immer stärker stigmatisiert.
Weder das für die meisten Menschen völlig ungefährliche Co-

Politiker Seien
ronavirus noch die nur eingeschränkt wirksamen Impfungen
rechtfertigen diesen radikalen Weg. Unsere Grundrechte sind

Sie dabei –
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sind Abwehrrechte gegen einen zunehmend übergriffigen Staat.

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 KULTUR
MEDIEN, Seite 17 FORUM, Seite 18
Cancelculture.de dokumentiert Geschäft des Lebens:
die zunehmende Zensur Gerd Habermann hält eine
in Deutschland Lobrede auf den Wettbewerb
| 13
J U N G E F R E I H E I T | Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

Böse Kinder an der Macht

Die Kulturpolitik der Grünen, federführend von

FOTO: REUTERS
Claudia Roth exekutiert, zielt auf die Gleichschaltung
des kulturellen Lebens

THORSTEN HINZ exklusiv auf die NS-Zeit, womit sie unbewußt zu

erkennen gibt, daß sie über kein historisches Ge-
dächtnis, sondern nur über die typisch bundes-

D
deutsche Naherinnerung verfügt, wobei das „Dritte
ie grüne Kulturstaatsministerin Clau- Reich“ als Wasserscheide zwischen Gut und Böse
dia Roth hat in ihrem Interview mit fungiert. So erklärt sich auch, daß ihr im Interview
der FAZ (Ausgabe vom 7. Februar) kein reflektiertes Wort über das Verhältnis zum kul-
keinen Zweifel daran gelassen, daß turellen Erbe einfällt. Die ganze Hinterlassenschaft
sie ihre Berufung in das Amt als eine der vordemokratischen, finsteren Vergangenheit
solche empfindet: „Daß die Grünen sich dann für materialisiert sich für sie in den Benin-Bronzen, die
mich entschieden haben, verstehe ich als Signal: nun schnellstens nach Afrika zurückgegeben werden
Da gibt jemand der Kulturpolitik ein Gesicht und müßten. Oder in der Inschrift auf der Kuppel des
eine Stimme.“ Die Stimme der Claudia Roth: ab- Berliner Stadtschlosses, des jetzigen Humboldt-
wechselnd im Leidens-, Anklage- und Weltret- Forums, die verkündet, daß der Mensch sein Heil
tungsmodus, schrill auf jeden Fall. Ihr Gesicht ziert nur finde „in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des
neuerdings eine große schwarzgerahmte Brille, ein Vaters“. Roth: „Da wird ein Dominanzanspruch
Hipster- oder Existentialisten-Zitat. formuliert, der einfach nur abschreckend wirkt.“
Kenner des DDR-Kinderfernsehens kann sie Das Humboldt-Forum müsse stattdessen „zu ei-
damit nicht täuschen: Trotz kontrastierender Haar- nem weltoffenen Ort“ gemacht werden, „an dem
farbe ähnelt sie der „Frau Puppendoktor Pille mit sich niemand ausgegrenzt fühlt“.
der großen klugen Brille“, welche den Puppen- Das Christentum ist heute am lebendigsten in
muttis und -vatis in einer fiktiven Sprechstunde Afrika, in Lateinamerika, jedenfalls in außereuro-
und in kindgerechter Sprache nützliche Ratschlä- päischen Weltgegenden. Besucher, die von dort-
ge mit auf den Lebensweg gab: zum Beispiel, daß her kommen, werden sich durch die christliche
35 hastig hintereinander verzehrte Pflaumen für Botschaft gewiß nicht „ausgegrenzt“ fühlen. Und
Bauchschmerzen sorgen und Puppen- wie Men- interessierte Gäste aus Ostasien, Indien oder der
schenkinder sich von schnupfenden, niesenden, islamischen Welt wissen natürlich und respektie-
hustenden Erwachsenen fernhalten sollen von we- ren, daß Deutschland und Europa auf christlich-
gen der Ansteckungsgefahr. abendländischer Grundlage beruhen. Auch lassen
Bei Frau Roth ist es umgekehrt: die Vielzahl überseeischer Exponate
Sie bemüht sich um gehobene Er- sich nicht auf koloniales Raubgut
wachsenensprache, doch der Sinn- Gottfried reduzieren: Ihre Sammlung, Archi- Grünen-Politikerin und Kulturstaatsministerin Claudia Roth: In ihrer Haltung erinnert sie an „Frau Puppendoktor Pille mit der großen klugen
gehalt verbleibt im kindlich-eindi- Benns Gedicht vierung, Pflege, Erforschung und Brille“ im DDR-Fernsehen (siehe Bild unten)
mensionalen Bereich. Dabei ist, was Präsentation zeugen vom Interesse
sie sagt, absolut ernst gemeint und „Einsamer an anderen Kulturen. Die expres- Consultants sowie der Einrichtung einer Green- persönliche Spinnerei belächelt werden (JF 4/22), dertprozentig auf Kurs bringen will. Dazu soll „im
zu nehmen. Immerhin ist sie die Re- nie“ ist mehr sionistische Malerei und Plastik hat Consultants-Datenbank“. Weiterhin fordert der doch der Wahnsinn ist methodisch und soll nach Zuge der Novellierung der Filmförderung das aktu-
präsentantin einer Partei, deren An- sich von der afrikanischen figürli- Antrag „die Entwicklung/Lizenzierung eines ein- grünen Vorstellungen durch eine Art Bundeskul- elle System offen (evaluiert) und dabei innovative
teil am politisch-medialen Diskurs wert als die chen Kunst direkt inspirieren las- heitlichen Monitoring- & ReportingInstruments turkammer institutionalisiert werden. neue Instrumente hinsichtlich ihrer Stärkung der
den Wähleranteil um ein Mehrfaches Textproduktion sen. Davon weiß die Staatsministerin zur Messung der Ressourcenverbrauche und -ein- Erhard Grundl, grüner Obmann im Ausschuß kulturellen Vielfalt (geprüft)“ werden.
übersteigt. Und vor allem hat sie ein offenbar nichts, und sie wird auch sparungen bei Kultureinrichtungen und -projekten“ für Kultur und Medien und kulturpolitischer Spre- Baden-Württembergs grüne Kulturstaatssekre-
Regierungsamt und damit admini-
sämtlicher nicht danach gefragt. Was sie für sowie „die Mitgestaltung des öffentlichen Diskur- cher seiner Fraktion, will die Kultur „ökologisch tärin Petra Olschowski hat klargestellt, daß es we-
strative Macht inne. Grünen- „Weltoffenheit“ hält, ist Unbildung ses zu Fragen der ökologischen Transformation im zukunftsfähig (...) machen“ und dazu „in der Trias niger um eingesparte Plastikbecher und die Absen-
„Kultur ist die Stimme der Demo- Parteitage. und grün-provinzieller Geistesmuff. Kulturbereich und der Kulturpolitik (…).“ ‘Kultureinrichtungen – Expert*innen – Politik’ (...) kung des Stromverbrauchs, sondern um Inhalte
kratie“, lautet ihr Credo. Kulturpo- Die zwei anderen Punkte – „Di- Was im technokratischen Kauderwelsch der Ma- regelmäßig Bedarfsanalysen“ erstellen lassen. Das geht: „Kunst und Kultur können aufgrund ihrer
litik will sie als „Gesellschaftspolitik versität“ und „Klimakrise“ – gehören nagersprache entworfen wird, ist ein umfassendes ist bemerkenswert: Politiker maßen sich an, am Innovationskraft und Kreativität eine Rolle bei
und Demokratiepolitik“ betreiben. in die Bereiche des grünen Utopis- Gängelungs- und Überwachungskonzept, um den grünen Planungstisch eine zukunftsfähige Kultur der Entwicklung alternativer Zukunftsaussichten
Nur hat es Kultur bereits gegeben, als von Demo- mus und der säkularen Religiosität. Auch deshalb gesamten Kulturbetrieb – die Produktion, Distribu- zu entwerfen. spielen und damit ein wichtiger Treiber von Trans-
kratie und der freiheitlich-demokratischen Grund- markieren Roths kulturpolitische Vorstellungen tion, Präsentation – unter ein grün-wokes Dogma Die Blaupause dafür ist in der „Brüsseler Erklä- formationsprozessen sein.“ Künstlerische Freiheit
ordnung noch keine Rede war. Auch sind Kultur keinen „Aufbruch in die Wirklichkeit“, sondern zu stellen und zu seinem Propagandainstrument zu rung – für die Freiheit der Kunst“ enthalten, die bestünde dann darin, grüne Phantasmen in unter-
und Kunst oft eine aristokratische Angelegenheit. sind darauf angelegt, mit den Mitteln von Kultur machen. Katrin Göring-Eckardts Idee, eine Hof- Roth und Grundl im Juli 2018 initiierten. Sie ist schiedlichen Variationen zu illustrieren. Wobei der
Trotzdem – oder gerade deshalb – ist Gottfried und Kunst mitzuhelfen, eine neue, ideologisierte, poetin im Parlament zu installieren, konnte noch als gegen Versuche „rechtsnationale(r) Regierungen“ Rahmen eng gezogen ist, denn die Filmemacher
Benns Gedicht „Einsamer nie“ mehr wert als die „woke“ Wirklichkeit zu realisieren. gerichtet, „die Kreativszene für ihre Zwecke einzu- müßten auf jeden Fall „darauf achten, daß ökolo-
Textproduktion sämtlicher Grünen-Parteitage. Zu- Die 66jährige Politikerin, deren Unterkomple- spannen“. Politik solle Kunst nicht beurteilen oder gische und soziale Kriterien bei geförderten Filmen
dem weckt das Wort „Demokratiepolitik“ düstere xität häufig mit Spontanität und Authentizität ver- durch Vorgaben instrumentalisieren, sondern ihr eingehalten werden und die gesellschaftliche Diver-
Assoziationen in dem Sinne: „Was Demokratie ist, wechselt wird, ist das törichte Gesicht einer knall- „den Rücken freihalten“. Kritisiert wurde unter sität vor und hinter der Kamera abgebildet wird“.
bestimmen wir, die an den politischen Machthe- harten Politik, die den Umbau zu einer „Green- anderem, daß die „staatliche Ungarische Akade- Denn das wußte schon Walter Ulbricht, der
beln sitzen, und die Kultur ist einer der Hebel, die Culture“-Gesellschaft anstrebt. Im Internet-Auftritt mie der Künste (…) mit einer nie dagewesenen 1965 auf dem berüchtigten Kultur(„Kahlschlag-“)
wir bedienen.“ der grünen Bundestagsfraktion heißt es: „Viele Machtfülle, exklusiven infrastrukturellen Kontroll- plenum des Zentralkomitees der SED den Künst-
Roth hat hinzugefügt: „Kulturpolitik verstehe Künstler*innen und Kultureinrichtungen wollen werkzeugen und einem gigantischen Budget aus- lern ins Stammbuch schrieb: „Demokratie bedeutet
ich als Aufbruch in die Wirklichkeit“, bei dem es ihren Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels gestattet“ wurde. doch nicht, daß jeder nur Geld nimmt und macht,
„nicht nur um finanzielle Förderung, sondern um leisten.“ Was als Feststellung daherkommt, ist eine Die Erklärung beruft sich auf die „68er-Bewe- was er will.“ Sein Nachfolger im Wartestand, Erich
grundlegende Fragen (geht): Wie sieht Erinnerung Drohung an jene Künstler, die das 1,5-Grad-Ziel gung in Europa“, die „mit ihrem Bekenntnis zu Honecker, sekundierte: „Die aktive Rolle der Kunst
aus in Zeiten, in denen es keine Zeitzeugen mehr für einen Irrwitz halten. Denn schon die Corona- Nonkonformismus, zur Freiheit des Denkens, ge- und Literatur besteht gerade darin, die Überwin-
gibt? Wie erweitern wir Erinnerungskultur um den Maßnahmen sorgen im Kulturbetrieb für große gen das Spießertum und für den politischen Diskurs dung der Widersprüche auf der Grundlage unserer
ganzen Bereich der Dekolonialisierung?“ Ihr zweiter Not. Künstlern aller Genres wurde durch die Absage frischen Wind unter Talare, auf Bühnen, in Ateliers sozialistischen Bedingungen im bewußten Handeln
Schwerpunkt „betrifft die ‘Gesellschaft der Vielen’. von Konzerten, Ausstellungen, Lesungen, Kinovor- und Orchester“ brachte. Nur ist der „Nonkonfor- der Menschen durch die konstruktive Politik von
Wie drückt sich diese Vielfalt eigentlich in unse- stellungen, Filmdrehs ihr Broterwerb genommen. mismus“ von 1968 der geistig-kulturelle Konfor- Partei und Staat künstlerisch zu erfassen.“
rer Kultur aus? Inwiefern ist die Diversität unseres Die Kulturszene ist in einem existentiellen Sinne mismus von heute und längst vom internationalen Der Grünen-Politiker Grundl hebt eine nicht
Landes beim Personal der Kultureinrichtungen und abhängig und erpreßbar geworden. Kultur- und Medienbetrieb in seine globalistische ganz unwichtige Kleinigkeit hervor: Die Maßnah-
in den künstlerischen Ausdrucksformen sichtbar? Für die Grünen bietet die Krise die wunderbare Softpower integriert worden. Als Teil dieser Macht men zur „Transformation hin zu ökologischer Kul-
Mein dritter Schwerpunkt ist der Kampf gegen die Chance, einen funktionalen bzw. totalitären Kul- nehmen die Grünen für sich als selbstverständli- turproduktion kosten Geld“. Sie hätten einen gün-
FOTO: PICTURE ALLIANCE / ZB

Klimakrise. Wie können die Kultureinrichtungen turbegriff und die Gleichschaltung des kulturel- ches Recht in Anspruch, was sie den „Rechten“ stigen Nebeneffekt für die eigene Klientel. Neben
da ihren Beitrag leisten?“ len Lebens durchzusetzen. Bereits im März 2021 vorwerfen. grüngesinnten Künstlern ließen sich viele Halbge-
Zum ersten Punkt: Erinnerung gilt dem Ver- stellten sie einen Antrag im Bundestag (Drucksa- Wie alle modernen Propagandisten vor ihnen bildete, unqualifizierte Schwadroneure, Bummel-
gangenen, und das Verschwinden von Zeitzeugen che 19/27877), der „den Aufbau einer zentralen haben die Grünen primär die Filmproduktion im studenten – also ein wichtiges grünes Wählerseg-
ist der Lauf der Welt. Es existieren heute ja auch Anlaufstelle für Beratung von Kultureinrichtungen Blick. „Film und Kino sind wichtig für den gesell- ment – mit gutdotierten Posten in der staatlichen
keine Zeitzeugen aus der Luther-, Bach-, Goethe- und -akteur*innen zu Fragen der ökologischen schaftlichen Diskurs. Wir werden die Förderung Kulturplanung und Kulturobservation versorgen.
oder der Kaiserzeit – letztere eine Periode, in der Transformation“ verlangt. Es geht um „den Aufbau Frau Puppendoktor Pille, die Schauspiele- des Films so gestalten, daß sie Schritt hält mit dem Die bösen Kinder der Bundesrepublik, sie mei-
Deutschland die meisten Nobelpreisträger her- eines Green-Consultants-Pool, durch Identifizie- rin Urte Blankenstein: Fiktive Sprechstunde technischen und gesellschaftlichen Wandel“. Was nen es ernst. Welcher falsche Puppenspieler hat sie
vorgebracht hat. Roths „Erinnerung“ bezieht sich rung, Vernetzung und Qualifizierung von Green im DDR-Kinderfernsehen im Klartext heißt, daß man die Filmindustrie hun- bloß verführt?

Museen sind nicht Eigentümer, sondern Treuhänder Über Spiritualität in apokalyptischer Zeit

Umgang mit „kolonialer Raubkunst“ Kleine Theologie des Als-ob

M D
it der in seinen linken Kreisen eher verpönten Wen-
dung „unsere ehemalige Kolonie Deutsch-Neugui-
nea“ eröffnet der Berliner Historiker Götz Aly ein
Gespräch über „koloniale Raubkunst“ (Neue Gesellschaft/Frank-
furter Hefte, 1/2-2022). Aly, Jahrgang 1948, früher ein Klaus
Kinski seines Metiers, gibt sich darin altersmilde. Es könne in
dieser hitzigen Debatte über „Kolonialschuld“ weder darum
gehen, die „obszöne und verwerfliche Forderung kleiner Grup-
pen“ zu erfüllen, den Völkermord an den Juden Europas unter
der Parole „decolonize Auschwitz“ mit Kriegsverbrechen in
Deutsch-Südwestafrika gleichzusetzen, noch darum, unter dem
Druck eines solchen Hypermoralismus „alles zurückzugeben“,
was während der Hochzeit des Imperialismus und Kolonialis-
mus in deutsche Museen gelangte. Zumindest kurzfristig müsse
eine auch für Aly unabdingbare museumspolitische Wende
nicht darauf hinauslaufen, „Berlin ohne Pergamonaltar und
Nofretete“ zurückzulassen. Aber Ziel „fairer Übereinkünfte“ mit
den Staaten und Gesellschaften, aus denen die Kulturobjekte
stammen, sollte jedenfalls sein, daß „wir uns in Europa nicht
länger als Eigentümer der sogenannten ethnologischen Objekte
betrachten, sondern als Treuhänder“. Den Treugebern, den
„Nachfahren der einst Beraubten“, stünde es dann frei, etwa
die nun im Humboldt-Forum präsentierte Südsee-Sammlung
jederzeit zurückzufordern. Für den Filmkünstler Hans-Jürgen
Syberberg wäre das kein Verlust: Warum füllen die Deutschen
das Berliner Schloß nicht „mit Eigenem“, „was müssen sie sich
das aus der Welt herbeiholen und sich vor dem eigenen Erbe
wegducken?“ (FAZ vom 8. November 2021). (wm)
www.frankfurter-hefte.de
as Werk des Philosophen und Kant-Forschers Hans
Vaihinger (1852–1933) ist heute fast vollständig dem
kulturellen Gedächtnis entschwunden. Nur Kenner der
jüngeren Fachgeschichte verknüpfen noch mit dem Namen die
vage Vorstellung von ihm als Urheber der „Als-ob-Philosophie“.
Was kauzig-versponnen klingt und daher zu Recht vergessen
zu sein scheint. Und doch wirkt sein „Fiktionalismus“ wie der
Vorläufer einer ultramodernen Ideologie, die lehrt, daß alles,
zuerst jedoch die Wirklichkeit der westlichen Zivilisation, nur
„Konstruktion“ und der „Dekonstruktion“ zu überantworten
sei. Vaihinger gibt „Als-ob“-Realitäten wie sittliche Werte und
religiöse Ideale jedoch nicht zur Zerstörung frei, sondern preist
ihre lebenssteigernden Funktionen. Ohne den schwäbischen
Denker zu erwähnen, bewegt sich jetzt Sebastian Kleinschmidts
„kleine Theologie des Als-ob“ in dessen Bahnen. Denn der Pa-
storensohn und langjährige Chefredakteur der Kulturzeitschrift
Sinn und Form sieht im fiktionalen Charakter des Religiösen die
beste Empfehlung für eine „Spiritualität in apokalyptischer Zeit“
(Ausgabe 1/2022). Bezogen auf die auch von ihm gefürchtete
„Klimakrise“ mit dem „Auftauen der Permafrostböden und dem
Schmelzen des polaren Eises“ könnte die Corona-Pandemie nur
Vorspiel und Menetekel sein. „Angst“ davor sei also berechtigt.
Anders als die vorherrschenden atheistischen Angstreaktionen,
das verharmlosende Verdrängen und das hysterische Schüren der
Angst verspreche „Angstbannung“ jenseits von Ignoranz und
Panik eine pragmatische Lösung. Dafür sei es nötig, die Welt
zu sehen, als ob sie Gott geschaffen habe und den Menschen
mahne, ohne „Herrschaftshybris“ mit der Erde umzugehen. (dg)
https://sinn-und-form.de
14 | K U L T U R
AfD fordert freien Zugang
zu Kultureinrichtungen
MÜNCHEN. Die AfD-Fraktion im Bay-
erischen Landtag hat die sofortige Aufhe-
bung aller Zutrittsverbote für ungeimpfte
Menschen zu zoologischen und botanischen
Gärten, Museen und Theatern sowie zu al-
len anderen Kultureinrichtungen verlangt.
Aus ihrer Sicht könne es nicht sein, daß
Kaufhäuser und Sportstätten allgemein zu-
gänglich seien, während die Teilnahme am
kulturellen Leben vielen Menschen wei-
terhin verwehrt werde. „Es ist allerhöchste
Zeit, daß Kultur und Einkaufen gleichge-
stellt werden. Beides ist für das Leben der
Menschen essentiell. Es ist bezeichnend,
daß dichtes Gedränge in Kaufhäusern und
Stadien wieder gestattet ist, der Besuch von
botanischen Gärten aber weiterhin Zutritts-
beschränkungen unterliegt“, erklärte der
wissenschaftspolitische Sprecher der AfD-
Fraktion Ingo Hahn. Der Staatsregierung sei
offenbar nicht klar, daß „gerade das Erlebnis
von Kultur einen wesentlichen Beitrag zur
seelischen und geistigen Gesundheit der
Menschen leistet“. (tha)
www.afd-landtag.bayern
Umfrage: Gendern nervt
junge Menschen
KÖLN. Die Mehrheit der jungen Menschen
in Deutschland (54 Prozent) lehnt das Gen-
dern und die Debatte darüber ab. Zu diesem
Ergebnis kommt eine Studie des Kölner
rheingold-Instituts für Kultur-, Markt- und
Medienforschung. In begleitenden Inter-
views erklärten Befragte außerdem, sie fühl-
ten sich durch die Genderdebatte genervt
und provoziert. Rund 44 Prozent halten
die Diskussion über die „geschlechterge-
rechte Sprache“ für gerechtfertigt. Vielen
Befragten sei nicht klar, was das Gendern
überhaupt bewirken solle. So glaubten 36
Prozent der Befragten, es solle Frauen in
der Sprache stärker berücksichtigen und für
mehr Gleichstellung sorgen, während über
50 Prozent der Aussage zustimmten, es solle
Neutralität zwischen allen Geschlechtern
schaffen. 33 Prozent sahen darin „eine In-
klusion von Menschen jenseits von Mann
und Frau“. Weiter erklärte das Institut in
einer Pressemitteilung, die mit dem Gen-
dern verbundenen Pausen im Sprachfluß
würden „wie ein holpriges, abruptes Loch“
erlebt, das irgendwann vom Inhalt ablenke.
Dieses Loch werde häufig wie eine sprachli-
che „Stolperfalle“ beschrieben. Da die Be-
fragten teilweise hitzige Diskussionen über
das Gendern erlebten, widerspreche es ihrer
Sehnsucht nach einem besseren Miteinander
in der Gesellschaft. Für die Studie wurden
2.000 repräsentativ ausgewählte Menschen
im Alter zwischen 14 und 35 Jahren be-
fragt. (idea/JF)
www.rheingold-marktforschung.de
Sprachpranger
New Memories
Titel des neuen Programms
des Circus Krone in München
Zeitschriftenkritik: Cato
Wenn Ideologie auf Realität trifft ...
WERNER OLLES
D W
er Wechsel in der Cato-Chefredaktion von
Andreas Lombard zu Ingo Langner wird in
der aktuellen Ausgabe (Februar/März 2022)
auch in der Ausrichtung der Zeitschrift deutlich.
Das zweimonatlich erscheinende „Magazin für neue
Sachlichkeit“ orientiert sich stärker an kulturellen
beziehungsweise kulturpolitischen Themen, was
definitiv kein Nachteil sein muß. Daß die Politik
dabei nicht zu kurz kommt, dafür sorgen unter
anderem die Beiträge von Till Kinzel, Siegfried
Gerlich und Thorsten Hinz. So beschreibt Till
Kinzel in seinem Essay „Der Anfang vom grünen
Ende“ die Lage der deutschen Grünen, nachdem
die EU-Kommission inzwischen die zu Unrecht
dämonisierte Kernenergie faktisch rehabilitiert hat.
Die grünen Schlagworte „Nachhaltigkeit“ und „Kli-
maneutralität“ könnten sich schon bald gegen ihre
eifrigen Propagandisten wenden. Die Kehrtwende
in der Klimapolitik durch die EU-Nomenklatura,
die sich offensichtlich Restbestände an gesundem
Schöne neue
Zensur-Welt
Publizistik: Ein Gespräch über
Meinungskorridore, Sprachregelungen
und Cancel Culture
OLIVER BUSCH
M
it ihren akademischen Qualifikati-
onsschriften, der Dissertation über
die Kindheitsmotivik bei Marie Luise
Kaschnitz (1997) und der zur Ha-
bilitation an der Technischen Universität Darm-
stadt eingereichten Monographie über „Parodie
und Moderne von 1870 bis 1914“ (2005) hat die
Literaturwissenschaftlerin Nikola Roßbach (Uni-
versität Kassel) naturgemäß nur ein handverle-
senes Publikum erreicht, ebenso wie mit ihren
folgenden Spezialstudien zur frühneuzeitlichen
Literaturgeschichte.
So etwas wie ein Ausbruch aus der Quarantäne
des Elfenbeinturms gelang ihr erst 2018 mit dem
bei Ullstein, einem nicht gerade für ein wissen-
schaftlich-esoterisches L’art pour l’art-Programm
bekannten Publikumsverlag, veröffentlichten Werk
mit dem knalligen Titel „Achtung Zensur!“ Da-
mit traf sie mitten hinein in eine „heiße Debatte“.
Das Buch, eine Kulturgeschichte der Kontrolle des
gedruckten Wortes, bescherte ihr einen Preis der
Friedrich-Ebert-Stiftung, zahllose Interviews im
Feuilleton der „Qualitätspresse“ und begründete
ihren Ruhm als führende „Zensur-Historikerin“.
Roßbach scheint damit inzwischen ihre berufli-
che Erfüllung gefunden zu haben, so daß sie rich-
tig groß in dieses Thema eingestiegen ist. Denn
seit 2019 arbeitet sie an einem höchst ehrgeizigen
Forschungsprojekt: der „Kasseler Liste“. Einer Da-
tenbank, die bis heute 120.000 verbotene Bücher
aus der ganzen Welt verzeichnet. Ihr „hehres Ziel“,
das sie im Gespräch mit dem Historiker Daniel
Schönpflug (FU Berlin) markiert (Zeitschrift für
Ideengeschichte, 1/2022), ist eine „globale Kartie-
rung gegenwärtiger Zensur“. Momentan speise
sich das Unternehmen zwar eher aus vielen histo-
rischen Segmenten wie verbotenen Büchern des
römisch-katholischen Indexes, der NS-Zeit, der
Sowjetischen Besatzungszone in Mitteldeutsch-
land, sowie von anderen europäischen wie von
afrikanischen und südamerikanischen Diktatu-
ren des 20. Jahrhunderts „aussortierten“ Werken.
Die Datenbank sei darum bei weitem noch nicht
tragfähig genug, um die angepeilten „großen stati-
stischen Vermessungen globaler Zensur“ leisten zu
können. Immerhin liefere sie jedoch schon „aus-
sagekräftige Einzelanalysen“. So könne man nach
bestimmten Werken, Grimms Märchen, Hitlers
„Mein Kampf“, Goethes „Faust“, „Harry Potter“
oder „Mickey Mouse“ fahnden und prüfen, wo sie
wann verboten waren.
Allerdings, räumt Roßbach zerknirscht ein er-
hebliches Manko ein: die Frage nach dem Warum
des Verbots beantworte ihre Liste leider nicht. Ein
Rätsel bleibt daher nicht nur, warum hier und da
mal der Bannstrahl der Zensur nicht nur Finster-
linge wie Hitler, sondern auch Lichtgestalten wie
Goethe treffe, warum texanische Gefängnisbiblio-
theken noch im 21. Jahrhundert keine „Hexenbü-
Menschenverstand und Realitätssinn bewahrt hat,
sei für die Grünen ein Schock, quasi eine „Got-
teslästerung“. Damit ginge nicht nur ihre geistige
Vorherrschaft verloren, sondern auch ihre „bisher
unwidersprochen hingenommene mediale Avantgar-
deposition“. Inzwischen plädiere auch eine Mehrheit
der Deutschen für einen Weiterbetrieb der vorhan-
denen Atomkraftwerke, in der weisen Voraussicht,
daß die Energieversorgung eines dichtbevölkerten
Industrielandes nicht durch Solarzellen und natur-
zerstörende Windräder sichergestellt werden kann.
Kinzels Fazit: „Wer aus hypermoralischen Quellen
schöpft, ist realitätsuntauglich.“
Siegfried Gerlich befaßt sich in seinem Beitrag
„Der Mensch, das Klima und die Wissenschaft“
mit der These vom angeblich „ausschließlich men-
CATO
schengemachten Klimawandel“, die jedoch mehr
Propaganda als Wissenschaft sei. Die Verquickung
Welche Welt wollen wir?
von Klimaforschung und Klimaaktivismus, für die
in Deutschland das Potsdam-Institut für Klimafol-
genforschung“ unter seinem Gründer und Direktor
No. 2 | 2022
Hans Joachim Schellnhuber stehe, der zugleich auch
als Sprachrohr des „Weltklimarats“ (IPCC) agiere,
cher“ aufnehmen dürfen, warum das für inhaftierte
Freunde der Energiewende gewiß unentbehrliche
Handbuch „How to Build a Solar Cell That Really
Works“ ihnen dort gnadenlos vorenthalten wird.
Fragen, die jeden Nutzer zum „Weiterforschen“
einladen. Ob ihm das eine insoweit komplettierte
Datenbank eines Tages abnimmt, verrät Roßbach
nicht.
Überhaupt ist Beschränkung Gebot der Stunde,
um die ungeheure Masse des aktuell Verbotenen zu
digitalisieren. Dafür operiert Roßbach mit einem
engen Begriff von Zensur, der nicht jeden sozi-
alen Kontroll- und Beschränkungsmechanismus
als Zensur berücksichtigt, sondern reserviert ist
für die „umfassende, strukturell und institutionell
verankerte Kontrolle von Meinungsäußerungen“.
Zensur geht auch von
privaten Unternehmen aus
Wie sie selbst einwendet, könnte dieser auf staat-
liche Kontrolle fixierte Begriff, gerade weil ihre
Datenbank den aktuellen Stand weltweiter Zensur
abbilden will, veraltet sein. „Denn heute gehen die
größten Gefahren für die Meinungsfreiheit nicht
mehr vom Staat aus, jedenfalls nicht bei uns, in
einem demokratischen Rechtsstaat“ – wie sie reich-
lich naiv annimmt. Vielmehr seien es im digitalen
Zeitalter „eher nicht-staatliche Kontrollmechanis-
men, die systematisch wirken und unsere Kommu-
nikation massiv prägen“. Daher müsse man durch-
aus darüber nachdenken, ob es noch genüge, das
Zensurverbot lediglich auf den Staat zu beziehen,
oder nicht auch privatwirtschaftliche Unternehmen
via Drittwirkung in die Pflicht zu nehmen wären.
Der Staat hätte mithin eine Schutzpflicht ebenso
in bezug auf soziale Netzwerke und Provider, die
„per Geschäftsordnung eine Art Privatrecht für
Milliarden Menschen schaffen und auf vielfältige
Weise zensuranalog wirken“.
Das vom vierten Merkel-Kabinett erfundene fa-
mose Netzwerkdurchsetzungsgesetz hält Roßbach
bestenfalls für ein „zweischneidiges Schwert“, das
angesichts der „völlig neuen Herausforderungen“
für effiziente Meinungskontrolle versage. Daß der
Staat einen Teil der Strafverfolgung von Gesetzes-
habe zu einer ideologisch verhärteten Klimaortho-
doxie beigetragen, die ergebnisoffene Forschung ab-
lehne, den offiziellen „Klimaalarm“ als unantastbar
ansehe und in apokalyptische Szenarien versinke,
anstatt wie beispielsweise der Geowissenschaftler Se-
bastian Lüning und der Chemiker Fritz Vahrenholt
kritische Wissenschaft zu betreiben. Damit stelle sich
die „Klimakatastrophe“ als Phantom heraus – und
die allein auf „Zappelstrom aus Wind und Sonne“
setzende deutsche Energiewende als pure Ideologie.
Weitere Beiträge befassen sich unter anderem
mit „Europas leerer Mitte“ (Hinz) und Theodor
Lessings 150. Geburtstag (Abramovych).
CATO
M AG A ZI N FÜR NEUE SACH LICH KEIT
No. 2 | 2022
Welche Welt wollen wir?
Chaim Noll: Die große Gereiztheit
Seite 49
Till Kinzel: Der Anfang vom Ende der Grünen
Seite 8
Antoni Libera: Warum ich zum EU-Skeptiker geworden bin
Seite 29
In einer Datenbank,
der sogenannten
Kasseler Liste,
sind rund 120.000
verbotene Bücher
aus allen Zeiten und
Ländern verzeichnet
OB E.COM
STOCK.AD
ELHEID -
KA GAND
FOTO: AN
NI
verstößen im Internet auf IT-Giganten abwälzt,
findet Roßbach im Prinzip „ja erst mal gut“. Wenn
deren intransparente, unkontrollierte Löschprak-
tiken aber ihrerseits die Meinungsfreiheit im Netz
gefährden, würden sie zum Problem.
Jedoch nicht, wenn es aus der Sicht von Roß-
bach und ihrem Gesprächspartner Schönpflug die
Richtigen erwischt. „Haßkriminalität“ im Netz geht
für beide westdeutsch sozialisierten Haltungsaka-
demiker mit gußeisernem Weltbild offenbar aus-
schließlich vom „Rechtsextremismus“ aus. Oder
von „Populisten“ wie Donald Trump und ähnlichen
„Leuten, die Lügen verbreiten, Haß säen und ei-
gene Wirklichkeiten fabrizieren“, wie der in seiner
eignen Wirklichkeit behaglich eingerichtete Pro-
fessor Schönpflug behauptet. Roßbach denkt hier
großzügiger: Natürlich finde sie es „unglaublich
entspannend“, nicht mehr täglich mit den „unsägli-
chen Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten,
den ich persönlich für unberechenbar und gefähr-
lich halte, konfrontiert zu sein“. Trotzdem, wäre
sie Mark Zuckerberg, würde sie Trump nicht sper-
ren. „Als Demokratin“ gelte ihr Meinungsfreiheit
nun einmal als „höchstes Gut“, das jetzt von den
„neuen Zensoren“ Facebook, Twitter und Google
bedroht werde.
Obwohl so linksliberal konditioniert wie der
an einem Geschichtsbild, das „europäische Iden-
tität“ erzeugen soll, schnitzende Schönpflug, für
den alle „Zensurbegehren von rechts“ ausgehen,
urteilt Roßbach ein wenig differenzierter. Tatsäch-
lich kämen sie heute „eher von links“, und zwar
absurderweise im Namen des Kampfes gegen „Dis-
kriminierungen aller Art“. Was sie aber nicht so
beunruhige wie die harten Löschungen und Sper-
rungen der IT-Zensoren. Bewege sich doch die
Cancel Culture, ungeachtet „rigider Ausschläge“,
in eine „prinzipiell gute Richtung auf dem Weg
hin zu einer Gesellschaft ohne Diskriminierung“.
Dieser Zweck heiligt für Roßbach offenbar auch
das Mittel „nicht-staatlicher Zensur“.
www.wiko-berlin.de/wikothek/zeitschrift-fuer-
ideengeschichte
Verzeichnis zensierter und verbotener Bücher
www.kasselerliste.com
CD-Kritik: Kiefer Sutherland – Bloor Street
Herzlandmusik
THORSTEN THALER
as verbindet die Hollywood-Schau-
spieler Kevin Bacon, Jeff Bridges,
Kevin Costner, Russell Crowe,
Johnny Depp, Scarlett Johansson, Dennis
Quaid, Keanu Reeves und Kiefer Sutherland
miteinander? Nun, sie geben nicht nur auf der
Leinwand eine gute Figur ab, sondern sind auch
musikalisch unterwegs. So veröffentlichte Kie-
fer Sutherland, unter anderem preisgekrönter
Hauptdarsteller in der Echtzeitserie „24“, jüngst
sein bereits drittes Album nach „Down in a
Hole“ (2016) und „Reckless & Me“ (2019).
Die elf neuen Songs auf „Bloor Street“ sie-
deln wieder in den Gefilden zwischen Country,
Folk, Americana und Heartland Rock. In den
Midtempo-Nummern singt Sutherland mit
Kontakt: Cato Verlag GmbH, rauchig-warmer Stimme über die „omniprä-
Fasanenstr. 4, 10623 Berlin.
sente amerikanische Sehnsucht nach Nostalgie
Das Einzelheft kostet 15,20 Euro,
ein Jahresabonnement 79 Euro. und Freiheit“ (Online-Magazin laut.de). So ist
der Titeltrack und Opener eine Reminiszenz an
www.cato-verlag.de
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022
Dorn im
Auge
Von Christian Dorn
M
ein vom Balkan stammender Ga-
stronom, dessen Auto defekt ist,
muß den Sonntagabend erstmals
mit der U-Bahn fahren. Auf meine Warnung
entgegnet er: „Wieso, ich bin Ausländer, die
haben doch Angst vor mir.“ Während er in
seinem Café mich immer wieder vor anderen
spaßeshalber mit dem Hinweis diskreditiert,
ich sei Autor der „heute-show“ oder der taz
(in der tatsächlich mal vor Jahrzehnten drei
Texte von mir erschienen waren), wird letz-
tere Unterstellung in der Linie U2 – die
jede Freitagnacht eine Freakshow bietet –
beinahe lebensgefährlich. Eine derangierte,
angetrunkene Frau in buntem Kostüm ver-
hört sich, als ich mit Mitarbeitern der FDP-
Bundestagsfraktion ins Gespräch komme
und auf deren Nachfrage erwidere, daß ich
gewissermaßen für die „rechte taz“ arbeite.
Daraufhin wird die Betrunkene, die nur
„taz“ gehört hatte (und angeblich mit der
taz-Chefin bekannt sei), aggressiv und will
auf mich losgehen – instinktiv strecke ich
mein rechtes Bein hoch, schließlich leben
wir in Zeiten des „Distancing“, das sich
in dem Augenblick eher zu einem „Diss-
Dancing“ entwickelt.
TürkInnensturm, oder:
„Wenn einer keine Reise
macht, / dann kann er
Erbsen zählen ...“
Am nächsten Morgen grüßt nicht das
Murmeltier, sondern das täglich überra-
schende Programm des globalen Cancel
Culture Clubs. So präsentiert der Deutsch-
landfunk das Katz-und-Maus-Spiel in New
York, wo der Holocaust-Comic „Maus“ von
Art Spiegelmann in der Bestsellerliste der
New York Times auftaucht, nachdem er von
einer Schule in den US-Südstaaten aus po-
litisch-korrekten Gründen, hier der „Wo-
keness“ (wegen drastischer Darstellung und
obszöner Sprache), vom Lehrplan entfernt
wurde. Tage später gerate ich unversehens
selbst in das Programm des Cancel Cultu-
re Clubs, nachdem der – geschlechterge-
recht formuliert – TürkInnensturm Zeynep
Berlin blockiert hat, so daß mich kein Zug
nach Bad Pyrmont fährt zur Verleihung der
Roland-Baader-Medaille. Stattdessen wer-
de ich genötigt, zur Fahrpreiserstattung ein
bürokratisches Formular auszufüllen, wohl
nach dem Motto: „Wenn einer keine Reise
macht / Dann kann er Erbsen zählen …“
Viel besser bringt das staatliche Verhängnis
der vor zehn Jahren verstorbene Roland Baa-
der in seinen Aphorismen auf den Punkt,
etwa in seinen „Aphoristischen Impfungen“,
die 2008 unter dem Titel „Freiheitsfunken“
erschienen sind, etwa zum Thema Corona-
Politik: „Staatsmedizin macht ein Volk arm
und krank – und die Funktionäre des Ge-
sundheitswesens reich.“
Eine gesunde Skepsis gegenüber dem
Staatsgeld hat auch der aufgeweckte Sohn
meines Gastronomen, der begeistert in Bit-
coin und – im wahrsten Wortsinn – „affige
Bilder“ (digitale Assets namens NFT) in-
vestiert, wo er mit wenigen hundert Euro
bereits mehrere zehntausend Euro verdient
hat und mich ermuntert, es ihm nachzutun.
Da ich im Tagesspiegel gerade von der In-
flation in der Türkei gelesen habe, bin ich
verständnislos ob seiner scherzenden Auf-
forderung, ich könne ja meine „Lira“ ver-
kaufen – natürlich habe ich mich verhört,
tatsächlich meint er die Niere. Da wird mir
bewußt: Nierchen standen hier schon lange
nicht mehr auf der Speisekarte.
das Viertel im kanadischen Toronto, in dem
Sutherland aufgewachsen ist: „Wenn diese Stadt
mit mir spricht/ Erzählt sie die Geschichte mei-
nes Lebens/ Ich gehe durch ihre Schatten/ In
einer kalten Winternacht/ Und ich kann den
Wind spüren/ Der vom See kommt/ Er schnei-
det direkt in die Knochen/ Und dieses schiefe
Lächeln/ Wächst auf meinem Gesicht/ Denn
jetzt weiß ich, daß ich zu Hause bin“.
Weitere Anspieltips: die Ballade „County
Jail Gate“ und das Duett „Down the Line“. Im
Oktober ist Kiefer Sutherland auch auf deut-
schen Konzertbühnen präsent, unter anderem
in Stuttgart, Berlin, München, Hamburg und
Köln. Hingehen lohnt sich!
Kiefer Sutherland
Bloor Street
Cooking Vinyl / Indigo 202
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JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022 K U L T U R | 15

Zwischen Schule

FOTO: FILMSTARTS
Filmkritik

und Straßenkrawall
Kino I: Mit „Belfast“ setzt Regisseur Kenneth Branagh seiner Winter People – Wie ein Blatt
im Wind
Heimatstadt ein filmisches Denkmal

DIETMAR MEHRENS Scorsese-Epos „Gangs of New York“ (2002)

A
lles beginnt am 15. August 1969.
Irische Katholiken, verärgert über
andauernde Diskriminierung, und
Protestanten, die in der nordirischen Haupt-
auf der irischen Insel zur Wiederaufführung
Unversöhnliche
zu bringen.
Familienfehde
Mit zwei Dauerkonflikten, die sich als
rote Fäden durch die Handlung ziehen, ver-
sucht der Autor und Regisseur Spannung Von Werner Olles
aufzubauen, was auch leidlich gelingt. Kon-

stadt Belfast die Mehrheit bilden, gerieten
heftig aneinander. Es gab acht Tote und
mehr als 750 Verletzte. Ein dreißigjähriger
Bürgerkrieg war die Folge.
Meisterregisseur und Hercule-Poirot-
Darsteller Kenneth Branagh läßt seinen neu-
en Film an diesem denkwürdigen Tag be-
ginnen, indem er den neunjährigen Buddy
(Jude Hill), aus dessen Sicht die Ereignisse
geschildert werden, in Straßenkrawalle gera-
ten läßt. Nur dank des beherzten Eingreifens
seiner resoluten Mutter (Caitríona Balfe)
entgeht der Knabe ihnen unbeschadet.
Finales Kräftemessen
mit Western-Filmmusik
Damit sind die unruhigen äußeren Um-
stände etabliert, die Branagh dazu verwen-
det, die Erinnerungen an seine eigene Kind-
heit in Belfast im Licht einer anhaltenden
M
flikt Nummer eins wirkt dabei etwas kon- itte der 1930er Jahre sind der
struiert: Ein radikaler Protestant, ein Auf- verwitwete Uhrmacher Wayland
wiegler und Unruhestifter, fordert Buddys Jackson (Kurt Russell) und seine
Vater (Jamie Dornan) immer wieder heraus: Richard Williams (Will Smith) mit seinen Töchtern Serena (Demi Singleton; li.) und Venus (Saniyya Tochter Paula (Ameliz Burnette) mit einem
In seinen Augen muß den katholischen Ag- Sidney): „Wenn du beim Planen scheiterst, planst du dein Scheitern“ LKW in den Wäldern von North Carolina
gressoren, die die protestantische Gemeinde unterwegs. Als der Truck in einem Fluß stek-
bekriegen, mit viel mehr Härte begegnet kenbleibt, finden die beiden Unterschlupf
werden. Ein finales Kräftemessen unterlegt auf der abgelegenen Farm der jungen Collie
der Regisseur mit der berühmten Filmmu-
sik aus Fred Zinnemanns Westernklassiker
„Zwölf Uhr mittags“ (1952). Man kann das
durchaus ein wenig dick aufgetragen finden.
Konflikt Nummer zwei ergibt sich fast
Ghettokinder Wright (Kelly McGillis), die hier mit ihrem
Baby lebt. Am nächsten Tag sieht Wayland,
wie Drury und Cole Campbell (Mitchell
Ryan/Jeffrey Meek), denen das Land jenseits
des Flusses gehört, den Wagen plündern und
zwangsläufig aus Konflikt Nummer eins: Kino II: In „King Richard“ brilliert US-Darsteller Will Smith als umstützen.
Buddys Vater, der in England eine lukrative Collie erhält in der Nacht Besuch von
Arbeit gefunden hat, trägt sich schon länger Vater der Tennis-Königinnen Venus und Serena Williams Cole Campbell, dem Vater ihres Sohnes, mit
mit Abwanderungsgedanken. Selbst Kanada dem sie ein Verhältnis hatte, obwohl die Fa-
und Australien erscheinen ihm lebenswer- milien verfeindet sind. Als Cole gewalttätig
ter als seine friedlose nordirische Heimat. DIETMAR MEHRENS folgs – Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrach- wird, eilt Wayland ihr zu Hilfe und setzt den
Buddys Mutter ist von der Idee nicht an- te“ von „Tigermutter“ Amy Chua für Aufsehen. Die Betrunkenen auf sein Pferd, um es in einem
getan. Und als der Junge selbst davon hört, chinesischstämmige Autorin hatte alle Anhänger der Bachbett in Richtung Campbells Ranch zu
bricht es aus ihm heraus: „Ich will Belfast antiautoritären Betüdelungspädagogik schockiert mit treiben. Unterwegs stürzt Cole vom Pferd

Bedrohung erscheinen zu lassen. Denn ei-
gentlich – und das ist zumindest in der er-
sten Hälfte des Films sein Problem – sind
die typischen Abenteuer eines Heranwach-
senden nichts, weshalb die Welt den Atem
anzuhalten geneigt wäre. Ein bedrohlich
wirkender Geistlicher, ein Ladendiebstahl
als Mutprobe, ein Opa (Ciarán Hinds), der
schwer erkrankt, eine Klassenkameradin,
in die der Junge sich verguckt: bei alledem
kann man als Kinobesucher viel entspann-
ter zuschauen als bei den Alltagsdramen in
der Bestsellerverfilmung „Die Asche meiner
Mutter“ (1999), die ebenfalls eine Kindheit
in Irland zum Thema hatte.
Tatsächlich ging es dem 1960 in Bel-
fast zur Welt gekommenen Filmemacher
erkennbar mehr darum, Stimmungen,
Befindlichkeiten, das Lebensgefühl einer
Kindheit in den Sechzigern darzustellen als
die opulenten Straßenschlachten aus dem
W
nicht verlassen!“ enn Richard Williams (Will Smith)
Wie die Western, die der Knirps im seine Kinder Demut lehren will, geht
Fernsehen oder im Kino anschaut, präsen- das so: Er legt die Videokassette von
tiert Branagh seinen Film in nostalgischem „Aschenputtel“ ein und läßt sie nach
Schwarzweiß und läßt als kleinen Kunstgriff dem Ansehen des Films auf die Frage antworten: „Also,
nur Theater- und Lichtspielerlebnisse seines was habt ihr gelernt?“ Bekommt er von keiner seiner
jugendlichen Helden, einen Ausschnitt aus fünf Töchter eine befriedigende Antwort, bedeutet das:
dem Urzeitdrama „Eine Million Jahre vor „Dann schauen wir den ganzen Film jetzt nochmal.“
unserer Zeit“ (1966) und einen aus dem Das ist immerhin pädagogisch wertvoller, als sie unter-
Filmmusical „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ wegs irgendwo auszusetzen und ohne weitere Erklärung
(1968), in kunterbunten Farben erstrahlen. zu Fuß nach Hause laufen zu lassen, weil sie einmal
Sie symbolisieren den Reiz des Künstleri- nicht pariert haben. Eine Idee, auf die der Vater mit
schen, das wie eine verlockende Frucht in den eisernen Überzeugungen auch schon gekommen
das farblose Grau des Belfaster Straßenall- ist. Über seine Herkunft gibt er sich keinen Illusionen
tags hereinragt. Ihrem Duft, der zugleich hin: „Diese Familie kommt aus dem Ghetto“, bekennt
der Duft der weiten Welt ist, dürfte der er freimütig.
spätere Shakespeare-Regisseur als junger Das Ghetto ist eine Schwarzensiedlung in Comp-
Kinogänger genauso erlegen sein wie sein ton/Kalifornien. Und wenn Richard seine Töchter auf
Alter ego Buddy. einem öffentlichen Tennisplatz trainieren läßt, kann es
schon mal zu Revierkämpfen mit den örtlichen Halb-
Kinostart ist am 24. Februar 2022 starken und Taugenichtsen kommen. Zu Richards
vielen Ticks gehört es auch, daß er zu Beginn jeder
FOTO: FILMSTARTS
der These: Kinder brauchen Druck. Je mehr Druck, und bleibt im Steigbügel hängen. Collies
desto besser für ihre Entwicklung. Ihrem Fördern-und- Bruder Gudger findet ihn und verlangt, daß
fordern-Konzept war der Gedanke an eine mögliche er Collie endlich heiratet, damit ihr Sohn
Überforderung der Kinder fremd. Die Autorin konnte einen Vater hat. Doch Cole beleidigt Gud-
auf die beachtlichen Karrieren ihrer eigenen Sprößlinge ger, worauf dieser wegreitet, ohne sich wei-
verweisen. „King Richard“ ist der gelungene Versuch, ter um ihn zu kümmern. Am nächsten Tag
Chuas steile Thesen anhand eines realen Fallbeispiels steht das Pferd mit dem erfrorenen Cole vor
eindrucksvoll zu beglaubigen. Collies Farm …
Ein Vater, der für seine Kinder
alles zu opfern bereit ist
DVD: Winter
Neben der in vielen Details unglaublichen Erfolgs- People – Wie ein
geschichte, die der Film nacherzählt – da stört Richard Blatt im Wind. Pidax
Film-Klassiker 2021,
mal eben erfolgreich eine Trainingsstunde von John
Laufzeit etwa
McEnroe und Pete Sampras, um deren Trainer Paul 108 Minuten
Cohen (Liev Schreiber) anzuwerben –, ist es vor al-
lem die darstellerische Leistung von „Man in Black“
Will Smith, die beeindruckt. Der durch Filme wie Ted Kotcheffs Abenteuer-Melodram
„Independence Day“ (1996) und „Staatsfeind Num- „Winter People – Wie ein Blatt im Wind“
mer 1“ (1998) berühmt gewordene Schauspieler ist („Winter People“, USA 1988) nach einem

Trainingsstunde ein selbstgemaltes Schild am Zaun
aufhängt, auf dem sein Lebensmotto zu lesen ist: „If
you fail to plan, you plan to fail!“ („Wenn du beim
Planen scheiterst, planst du dein Scheitern.“) Was ist
der Plan? Kein geringerer, als daß die begabteste seiner
Töchter eines Tages das Tennisturnier in Wimbledon
gewinnt. Daß das ein realistisches Ziel ist, daran läßt
der Besessene keinen Zweifel aufkommen.
Richard Williams, wegen seiner dominanten Art
auch „King Richard“ genannt, ist der Vater von Venus
und Serena Williams, die zusammen dreißig Grand-
Slam-Titel holten. Venus gewann fünfmal die British
Open in Wimbledon. Den mühsamen Weg dorthin
schildert dieser Film. Er stellt die ältere Venus in den
Mittelpunkt, die später von ihrer Schwester Serena
in den Schatten gestellt wurde. Die Geschichte des
kometenhaften Aufstiegs der beiden schwarzen Ten-
nislegenden ist wie gemacht für großes Hollywood-
Kino, das Geschichten liebt, in denen vermeintliche
Außenseiter – schwarze Ghettokinder im Sport der
weißen Tennissocken – es wider alle Wahrscheinlich-
Der neunjährige Buddy (Jude Hill) mit seinem Vater (Jamie Dornan; li.) und den keit ganz nach oben schaffen.
Großeltern: „Ich will Belfast nicht verlassen!“ Im Jahr 2011 sorgte das Buch „Die Mutter des Er-
in jeder Szene absolut authentisch. Will Smith wird Roman von John Ehle, der auch für das
zu King Richard – meisterhaft, Oscar-reif. Der 53jäh- Drehbuch verantwortlich zeichnet, erzählt
rige knüpft an die Rolle an, die er bereits mit ähnli- in wunderschönen Bildern und atemberau-
cher Überzeugungskraft in „Das Streben nach Glück“ benden Landschaftsaufnahmen (Kamera:
(2006) spielte: die eines liebenden Vaters, der für den François Protat) die Geschichte eines ein-
eigenen Nachwuchs alles zu opfern bereit ist, verbissen fachen Uhrmachers, der sich während der
an seinem Traum festhält und sich dabei um Wahr- 1930er Jahre mit archaischen Lebensstruk-
scheinlichkeiten nicht schert. Mit einer Sturheit, die turen und einer unversöhnlichen Familien-
die daraus resultierenden Härten bereitwillig in Kauf fehde auseinandersetzen muß, in die er durch
nimmt. Aber auch Aunjanue Ellis überzeugt in jeder die Liebe zu einer jungen Frau gerät. Der
Szene als Richards zu hundert Prozent solidarische Film hat zahlreiche anrührende Momente,
Ehefrau, die voll mitzieht, ihrem Mann aber auch mal doch mangelt es der Inszenierung und den
kräftig die Leviten liest, wenn die Gefahr besteht, daß Dialogen bisweilen an Dichte, Atmosphäre
sein Ehrgeiz nicht mehr auf das Wohl seiner Töchter und dramaturgischem Geschick. So wirkt er
zielt, sondern zur Selbstbeweihräucherung entartet. zuweilen ein wenig konstruiert und nicht be-
Fazit: Endlich mal ein Film, den man rückhaltlos sonders glaubwürdig. Sechs Jahre zuvor dreh-
empfehlen kann. Familienfreundlich, voller Optimis- te Ted Kotcheff mit „Rambo – First Blood“
mus und bei allem Respekt-Einwerben schlechterdings (1982) am Beispiel des Umgangs mit einem
kein antirassistisches Propaganda-Pamphlet, sondern traumatisierten US-Vietnamkriegsveteranen
ein Plädoyer für demütige Frömmigkeit, Fleiß und (Sylvester Stallone) einen perfekt inszenier-
familiären Zusammenhalt. ten, harten und spannenden Actionfilm. Das
ist dem Regisseur mit „Winter People“ leider
Kinostart ist am 24. Februar 2022 nicht ganz geglückt.

TERMINE
ALKERSUM
Bis 27.11.2022: Inseljugend. Foto-
Ausstellung von Andreas Jorns
im Museum Kunst der Westküste,
Hauptstraße 1. Täglich außer mon-
tags 10 bis 17 Uhr. Info: 0 46 81 / 7
47 40-0, https://mkdw.de
AUGSBURG
Bis 24.04.2022: Mauro Bergonzo-
li – Magic Rococo. Ausstellung mit
Werken des Neo-Pop-Malers im
Schaezlerpalais, Maximilianstraße
46. Täglich außer montags 10 bis
17 Uhr. Info: 0821 / 324 41 02
https://kunstsammlungen-museen.
augsburg.de
BADEN-BADEN
Bis 27.02.2022: Schön und gefähr-
lich. Die hohe See im 19. Jahrhun-
dert. Ausstellung im Museum LA8
– Museum für Kunst und Technik des
19. Jahrhunderts, Lichtentaler Allee
8. Täglich außer montags 11 bis
18 Uhr. Info: 072 21/ 97 39 76-90,
https://la8.de
BASEL
Bis 18.04.2022: Hermann Scherer.
Kerben und Kanten. Ausstellung im
Kunstmuseum, St. Alban-Graben
8. Täglich außer montags 10 bis 18
Uhr, Mi. bis 20 Uhr. Info: 00 41 / 61
/ 206 62 62 https://kunstmuseum-
basel.ch
alte-muenze-berlin.de/event/
monets-garten/
Bis 22.05.2022: Helmut Newton.
Legacy. Ausstellung mit etwa 300
Werken im Museum für Fotogra-
fie, Jebensstraße 2. Täglich außer
montags 11 bis 19 Uhr, Do. bis 20
Uhr. Info: 030 / 266 42 42 42,
www.smb.museum
Bis 29.05.20022: Berliner U-Bahn
– gestern & morgen. Ausstellung
im Deutschen Technikmuseum,
Trebbiner Straße 9. Täglich außer
montags 9 bis 17.30 Uhr, Sa./So. 10
bis 18 Uhr. Info: 030 / 90 254 0,
https://technikmuseum.berlin
Bis 03.07.2022: Klangbilder – Musik
im antiken Griechenland. Ausstel-
lung der Antikensammlung im Alten
Museum, Am Lustgarten, Bodestra-
ße 1-3. Täglich außer montags 10
bis 18 Uhr. Info: 030 / 266 42 42 42,
www.smb.museum
Bis 21.08.2022: Karl Marx und der
Kapitalismus. Ausstellung im Pei-
Bau des Deutschen Historischen
Museums, Unter den Linden 2.
Täglich 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr.
Info: 030 / 20304-750/-751, www.
dhm.de
BERNRIED
Bis 26.06.2022: Brücke & Berliner
21 Uhr. Info: 0228 / 91 71–200, Hegenbarth-Archiv, Calberlastraße kommt nach dem Ende? Ausstellung Hamburger Künstlerin (1866–1934) Do. bis 21 Uhr. Info: 040-/ 428131- Bis 06.06.2022: Bilderkosmos Täglich außer montags 11 bis 17 Uhr.
www.bundeskunsthalle.de 2. Sonntags 15 bis 18 Uhr. Info: 0351 mit Filmausschnitten, Setdesigns, im Ernst-Barlach-Haus, Jenischpark, 200, www.hamburger-kunsthalle.de Leipzig. 1905–2022. Ausstellung mit Info: 021 02 / 96 50, www.ober-
/ 49 14 32 11, www.skd.museum Kinoplakaten und Zeitschriften im Baron-Voght-Straße 50A. Täglich mehr als 200 Werken im Museum schlesisches-landesmuseum.de
Bis 30.06.2022: Aufbruch in die DFF – Deutsches Filminstitut & Film- außer montags 11 bis 18 Uhr. HANNOVER der bildenden Künste, Katharinen-
Moderne. Sammlungspräsentation Bis 01.05.2022: Gerhard Richter. museum, Schaumainkai 41. Täglich Info: 040 / 82 60 85, www.barlach- Bis 19.06.2022: Ohne Moos nichts straße 10. Täglich außer montags 10 WIEN
August Macke und die Rheinischen Portraits. Glas. Abstraktionen. Aus- außer montags 10 bis 18 Uhr. Info: haus.de los ... Die Macht des Geldes in der bis 18 Uhr, Mi. 12 bis 20 Uhr. Info: Bis 31.03.2022: Böse Kaiser.
Expressionisten. Ausstellung im stellung im Albertinum, Tzschirner- 069 / 961 220 – 220, www.dff.film Karikatur. Ausstellung im Wilhelm 0341 /21 69 90, https://mdbk.de Ausstellung des Münzkabinetts im
Kunstmuseum, Museumsmeile, platz 2. Täglich außer montags 10 Bis 31.12.2022: Impressionismus. Busch – Deutsches Museum für Kunsthistorischen Museum, Maria-
Helmut-Kohl-Allee 2. Täglich außer bis 17 Uhr. Info: 0351 / 49 14 20 00, HAMBURG Deutsch-französische Begeg- Karikatur und Zeichenkunst, Geor- MÜNCHEN Theresien-Platz. Täglich 10 bis 18
montags 11 bis 18 Uhr; Mi. bis https://albertinum.skd.museum/ Bis 12.06.2022: Mary Warburg. nungen. Ausstellung mit rund 80 gengarten 1. Täglich außer montags Bis 27.03.2022: Glanzvolle Glück- Uhr, Do. bis 21 Uhr. Info: 0043 / 1 /
21 Uhr. Info: 0228 / 77-6260, „Auf Augenblicke frei und glücklich“. Werken in der Lichtwark-Galerie der 11 bis 17 Uhr. Info: 0511/ 16 99 99 wünsche. Geburtstagsgaben für 525 24 - 0, www.khm.at
www.kunstmuseum-bonn.de FRANKFURT/MAIN Pastelle, Zeichnungen, Plastiken. Kunsthalle, Glockengießerwall 5. 11, www.karikatur-museum.de Prinzregent Luitpold. Ausstellung
Bis 22.05.2022: Katastrophe. Was Ausstellung mit rund 50 Werken der Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, mit Gemälden, Skulpturen und WÜRZBURG
BREMEN Bis 26.06.2022: Im Freien. Von weiteren kunsthandwerklichen Bis 15.05.2022: Landschaften im
Bis 27.02.2022: Goya und Manet. Monet bis Corinth. Ausstellung im Arbeiten im Bayerischen Natio- Licht. Der Impressionist Ludwig von
Revolutionäre Radierungen. Aus- Niedersächsischen Landesmuseum, nalmuseum, Prinzregentenstraße Gleichen-Rußwurm. Ausstellung
stellung mit über 50 Werken in der Willy-Brandt-Allee 5. Täglich außer 3. Täglich außer montags 10 bis 17 mit über 100 Werken (Gemälde und
Kunsthalle, Am Wall 207. Täglich montags 10 bis 18 Uhr. Info: 0511 / Uhr. Info: 089 / 211 24-01 www. Aquarelle) im Museum im Kulturspei-
außer montags 10 bis 18 Uhr, Di. bis 98 07 – 686, www.landesmuseum- bayerisches-nationalmuseum.de cher, Oskar-Laredo-Platz 1. Täglich
21 Uhr. Info: 0421 / 329 08-0, hannover.de außer montags 11 bis 18 Uhr, Di. ab
www.kunsthalle-bremen.de MÜNSTER 13 Uhr, Do. bis 19 Uhr. Info: 0931 / 3
HOF Bis 03.04.2022: Wildlife Photogra- 22 25-0, www.kulturspeicher.de
Bis 27.02.2022: Manet und Astruc. Bis 27.02.2022: Schnee von pher of the Year 2021. Ausstellung
Künstlerfreunde. Ausstellung in der gestern. Winterbilder aus der Kunst- im Westfälischen Pferdemuseum WUPPERTAL
Kunsthalle, Am Wall 207. Täglich sammlung der Stadt Hof. Ausstel- im Allwetterzoo Münster, Sentruper Bis 27.02.2022: Brücke und Blaue
außer montags 10 bis 18 Uhr, Di. bis lung im Reinhart-Cabinett, Unteres Straße 311. Täglich 9 bis 16.30 Uhr Reiter. Ausstellung im Von der
21 Uhr. Info: 0421 / 329 08-0, Tor 7. Fr.–So. 14 bis 17 Uhr. Info: 092 (ab März bis 17.30 Uhr). Info: 0251 / Heydt-Museum, Turmhof 8. Täglich
www.kunsthalle-bremen.de 81/140 27 11, http://museen.de/ 484 27-0, www.pferdemuseum.de außer montags 11 bis 18 Uhr, Do. bis
johann-christian-reinhart-cabinett- 20 Uhr. Info: 0202/563-62 31,
Bis 10.07.2022: Korallenriffe – hof.html OBERHAUSEN www.von-der-heydt-museum.de
vielfältig. verletzlich. verloren? Bis 08.05.2022: Vinyl! Die Comic-
Ausstellung im Übersee-Museum, KÖLN Cover. Ausstellung in der Ludwig- Bis 10.04.2022: Goldene Zeiten.
Bahnhofsplatz 13. Täglich außer Bis 01.05.2022: Sammlungsprä- galerie, Konrad-Adenauer-Allee 46. Die Sammlung niederländischer
montags 9 bis 18 Uhr, Sa./So. ab sentation zum 90. Geburtstag von Täglich außer montags von 11 bis 18 Kunst und ihre Geschichte(n). Aus-
10 Uhr. Info: 0421 / 160 38 - 0, Gerhard Richter. Ausstellung (JF Uhr. Info: 0208 / 412 49 28, stellung im Von der Heydt-Museum,
www.uebersee-museum.de 7/22) im Museum Ludwig, Hein- www.ludwiggalerie.de Turmhof 8. Täglich außer montags
rich-Böll-Platz. Täglich außer mon- 11 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr. Info:
FOTO: MALTE SCHERF / SDTB

Bis 22.05.2022: Georgia O’Keeffe.
Ausstellung mit Gemälden, Zeich-
nungen und Druckgrafiken in der
Fondation Beyeler, Baselstraße 101.
Täglich 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr.
Info: 00 41 / 61 / 645 97 00,
www.fondationbeyeler.ch
BERLIN
Bis 15.03.2022: Monets Garten.
360-Grad-Ausstellungserlebnis in
der Alten Münze, Molkenmarkt 2.
Täglich 10 bis 21 Uhr. Info: https://
Secession. Ausstellung im Buch-
heim Museum, Am Hirschgarten 1.
Täglich außer montags 10 bis 17 Uhr.
Info: 081 58 / 99 70 55,
www.buchheimmuseum.de
BONN
Bis 06.03.2022: Methode
Rainer Werner Fassbinder. Eine
Retrospektive. Ausstellung in der
Bundeskunstkalle, Museumsmeile,
Helmut-Kohl-Allee 4. Täglich außer
montags 10 bis 19 Uhr, Di./Mi. bis
DARMSTADT tags 10 bis 18 Uhr. Info: 0221 / 221 POTSDAM 0202/563-62 31, www.von-der-
Bis 15.05.2022: Frauen! Ausstellung 261 65, www.museum-ludwig.de Bis 21.08.2022: Mit dem Sandmann heydt-museum.de
mit 58 Arbeiten von 17 zeitgenössi- auf Zeitreise. Ausstellung im Film-
schen Künstlerinnen im Hessischen LEIPZIG museum, Breite Straße 1A. Täglich ****
Landesmuseum, Friedensplatz 1. Bis 27.02 2022: Schnee von außer montags von 10 bis 18 Uhr,
Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, gestern? Die Kulturgeschichte des Do. bis 20 Uhr. Info: 0331 / 2 71 81- Alle Angaben ohne Gewähr
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auf Papier. Ausstellung im Josef- in Berlin (bis 29. Mai) museum-leipzig.de Landesmuseum, Bahnhofstr. 62. 10713 Berlin) an die JF-Terminstelle.
16 | K U L T U R
Wissenschaftspreis
für Michael Andrick
DÜSSELDORF/ERLANGEN. Der Berli-
ner Philosoph und Historiker Michael An-
drick (41) erhält den mit 5.000 Euro do-
tierten Jürgen-Moll-Preis für verständliche
Wissenschaft. Das haben die Theo-Münch-
Stiftung für die Deutsche Sprache und die
Vierteljahreszeitung Deutsche Sprachwelt am
Montag dieser Woche, dem Unesco-Welttag
der Muttersprache, bekanntgegeben. Andrick
wurde durch sein Buch „Erfolgsleere – Philo-
sophie für die Arbeitswelt“ (2020) bekannt.
Außerdem schreibt er seit Juli 2021 alle vier
Wochen für die Berliner Zeitung eine philoso-
phische Kolumne und arbeitet in der Indu-
strie, vor allem in den Bereichen betriebliche
Optimierung und Organisationsentwick-
lung. Zur Begründung der Preisverleihung
erklärte Sebastian Moll, Vorstandsmitglied
der Theo-Münch-Stiftung: „Wissenschaft
hat die Aufgabe, die großen und prinzipiel-
len Fragen unserer Zeit anzugehen. Tut sie
dies, gerät sie leider oft in Gefahr, den Leser,
auch den interessierten, zu verlieren, weil sie
in eine komplizierte und unverständliche
Akademikersprache abschweift. Andrick ge-
lingt das Kunststück, die der Wissenschaft
gestellte Aufgabe wahrzunehmen, ohne in
die genannte Falle zu tappen, und leistet so
der Gesellschaft einen wertvollen Dienst.“
Die Auszeichnung ist nach dem Unterneh-
mer Jürgen Moll (1941–2013) benannt. Sie
wird an Wissenschaftler vergeben, denen ei-
ne besonders gut lesbare Ausdrucksweise in
ihren Publikationen gelingt. (tha)
https://deutsche-sprachwelt.de
Gesamtausgabe von
Hofmannsthal vollendet
FRANKFURT/MAIN. Die kommentierte
Gesamtausgabe der Werke des österreichi-
scher Schriftstellers, Dramatikers und Ly-
rikers Hugo von Hofmannsthal ist nach
55 Jahren editorischer Arbeit vollendet. Sie
umfaßt 40 Bände mit 28.500 Druckseiten.
Damit handelt es sich nach Angaben des
Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt
am Main, wo ein Großteil des Nachlasses
verwahrt wird, um die umfangreichste kri-
tische Gesamtausgabe zu einem deutsch-
sprachigen Autor des 20. Jahrhunderts. Sie
umfaßt alle von Hofmannsthal (1874–1929)
veröffentlichten und nachgelassenen Werke,
Fragmente und Notizen. Die Ausgabe stellt
zudem die Entstehungsgeschichte der Texte
anhand von Briefen, Tagebüchern sowie an-
deren Aufzeichnungen dar. Der letzte Band
ist soeben im S. Fischer Verlag erschienen.
Er enthält die späten Essays, darunter Pu-
blikationen zu Theater, Literatur und Kino
sowie Hofmannsthals berühmte Rede „Das
Schrifttum als geistiger Raum der Nation“
von 1927. Wie das Hochstift weiter mit-
teilte, sollen in Kürze die Arbeiten an einer
Online-Fassung der Kritischen Ausgabe be-
ginnen. (tha)
https://freies-deutsches-hochstift.de
Uwe-Johnson-Preis:
Bewerbungsfrist endet
NEUBRANDENBURG. Die Mecklenbur-
gische Literaturgesellschaft (Neubranden-
burg) hat den mit 20.000 Euro dotierten
Uwe-Johnson-Literaturpreis 2022 ausge-
schrieben. Als Preisträger kommen bisher
unveröffentlichte Werke oder seit April 2020
erschienene Arbeiten aus den Sparten Prosa
und Essayistik in Frage. Bewerbungsschluß
ist der 1. März dieses Jahres. (JF)
www.uwe-johnson-preis.de
DIE
GROSSE
GER EIZTHEIT
»Der Zauberberg« von Thomas Mann ist
mehr als nur ein gesellschaftskritischer
Roman. Wer ihn als Chronik einer sich
allmählich vollziehenden unaufhaltsamen
Selbstzerstörung liest, wird Parallelen
zum Hier und Jetzt entdecken.
Von Chaim Noll
Verpuffte Wucht des Aufpralls
Literatur: Der Filmregisseur
Sönke Wortmann hat mit
„Es gilt das gesprochene Wort“
sein Romandebüt vorgelegt
REGINA BÄRTHEL
G
egensätze ziehen sich bekanntlich an
und kollidieren sie, können interes-
sante, bisweilen sogar erhellende Fun-
ken entstehen. Das weiß auch Sönke
Wortmann, Regisseur von Filmen wie „Der bewegte
Mann“ (1994), „Der Campus“ (1998), eine Tra-
gikomödie zum Thema Political Correctness nach
dem gleichnamigen Roman von Dietrich Schwa-
nitz, sowie des Kriegsheimkehrer- und Fußball-
dramas „Das Wunder von Bern“ (2003). Jüngst
adaptierte Wortmann mit „Contra“ (2020) eine
französische Vorlage, in der Bildungsbürgertum
und migrantische Lebenswelt aufeinanderprallen.
Nun legt Wortmann mit „Es gilt das gesproche-
ne Wort“ sein Romandebüt vor, das in der Welt
des Auswärtigen Amtes und der deutschen Di-
plomatie angesiedelt ist. Auch hier setzt er auf die
Gegenüberstellung zweier Antagonisten, aus deren
Perspektiven sich die Handlung entwickelt: Franz-
Josef Klenke, Redenschreiber und Vertrauter des
amtierenden Außenministers Hans Behring (SPD),
und Cornelius von Schröder, Diplomat im marok-
kanischen Rabat.
Mit Erzählfreude und nicht ohne Witz nimmt
Wortmann den Leser mit auf die Reise: In Prag ehrt
der Außenminister mit einer Rede voll persönlicher
Betroffenheit den dortigen Widerstand gegen das
nationalsozialistische Deutschland (das Treffen mit
ehemaligen DDR-Flüchtlingen in der deutschen
Botschaft entspricht weniger dem politischen Wil-
len, bitten sie doch darum, „daß die Grenzen end-
gültig dichtgemacht“ werden), in Vietnam hebt er
den Standortfaktor Kultur hervor (obgleich der
Besuch im großen Troß natürlich deutschen Wirt-
schaftsinteressen dienen soll).
Frustration, Alkohol und
Verschwörungstheorien
Behringer kann sich auf seinen Redenschreiber
verlassen; als Werbefachmann ist Franz-Josef Klenke
ein versierter Mann des Wortes und weiß genau,
welche Inhalte und Assoziationen er einzusetzen
hat, um dem jeweiligen Anlaß gerecht zu werden.
In seinen freien Stunden studiert Klenke die großen
historischen Reden von Goebbels bis Obama, be-
rauscht sich an deren Form und Wirkung. Klenke
wirkt wie ein Handwerker des Wortes, ebenso wie
sein Vater, ein Installateur, Handwerker der Rohre
und Muffen war. Von ihm übernahm Klenke auch
die Vorliebe für die SPD, die dem Sohn – obgleich
er deren zahlreiche innerparteiliche Querelen kriti-
siert – eine gewisse Nestwärme vermittelt. Anson-
sten lebt Franz-Josef eher grün, liebt das Bahnfah-
ren, nutzt das Fahrrad (inklusive Schutzhelm) und
ernährt sich – unter dem Einfluß seiner Freundin
Maria – vegetarisch.
Der Gegenpol zum politischen Quereinsteiger
Klenke ist der Diplomat Cornelius von Schröder.
Schon aus alter Familientradition – bereits sein Va-
ter und Großvater hatten angesehene Botschaften
geleitet – hatte Schröder seine Karriere zielgerichtet
und strategisch klug verfolgt und mit Stolz seinen
diplomatischen Eid abgelegt. Doch nun ist er Leiter
der Abteilung Politik im marokkanischen Rabat,
eine seiner Ansicht nach minderwertige Botschaft,
was er als unverzeihlichen Karriereknick ansieht.
Auch seine chilenische Frau Marysol hat sich –
aufgrund Schröders fehlender Leidenschaft auf
sexueller wie kommunikativer Ebene – von ihm
entfremdet, und so trudelt er in eine Abwärtsspi-
Sönke Wortmann auf der
Frankfurter Buchmesse (2021)
rale aus Frustration, Alkohol und Verschwörungs-
theorien hinein.
Als Klenke Schröder bei der Vorbereitung zum
Staatsbesuch in Marokko übergeht, kommt es, wie
es nach allgemeiner Auffassung kommen muß:
Die aus zahlreichen Kränkungen angestaute Wut
läßt Schröder ein Attentat begehen – das aber von
Maria, der Freundin Klenkes, vereitelt wird. Schön
und hochintelligent, leidet sie an selektivem Mu-
tismus: Es ist ihr von Kindesbeinen an unmöglich,
unter Fremden zu sprechen; selbst dann, wenn es
sich nur um belanglosen Smalltalk handelt. Eine
Angststörung, die laut ihres Psychiaters auf einem
überbordenden Anspruch an sich selbst entstand.
Die Beziehung zwischen dem Redenschreiber
und der im sozialen Kontext Stummen ist eine in-
teressante Konstellation, die, wenn auch nur im-
plizit, zu einer überraschenden Wendung führt:
Klenkes Wortmacht entfaltet sich vorwiegend im
Hinblick auf klar strukturierte Anlässe, während
seine verbalen Reaktionen in unvorhergesehenen
Lebenssituationen – zum Beispiel im persönlichen
Gespräch mit dem bereits desolaten Schröder in
Marokko – völlig versagen. Am Ende ist es der er-
schreckend unartikulierte, quasi animalische Schrei
der „stummen“ Maria, der als Aufruf zum retten-
den Handeln verstanden wird und Schröders An-
schlag vereitelt.
Aus Erfahrung sich speisende
Ansichten zur Migrationspolitik
Und so ist „Es gilt das gesprochene Wort“ ein
Roman über Kommunikation. „Die ganze Kunst
der Sprache besteht darin, verstanden zu werden“:
Diese konfuzianische Weisheit stellt Wortmann sei-
nem Buch voran. Ein schönes, wahres Zitat, doch –
so möchte man hinzufügen – es hilft, auch zuzuhö-
ren. Um unterschiedliche Ansichten auszutauschen,
Veränderungen, Annäherungen zu ermöglichen,
denn, wie Maria weiß: „Mit der Sprache erschlie-
ßen wir uns die Welt, schaffen Zugang zu unseren
Mitmenschen und schließlich zu uns selbst.“
Gerade dies aber gelingt den Protagonisten nur
unzureichend, und auch der Roman selbst ver-
Sönke Wortmann: Es gilt
das gesprochene Wort.
Roman. Ullstein, Berlin
2021, gebunden, 240 Sei-
ten, 24 Euro
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022
Fairneß trotz
Distanz
FOTO: PICTURE ALLIANCE / FRANK MAY
Film: Zur Premiere der AfD-
Doku „Eine deutsche Partei“
JÖRG KÜRSCHNER
W
ie ticken AfD-Politiker? Diese
Frage sucht der Regisseur Si-
mon Brückner (44) in seinem
Dokumentarfilm „Eine deutsche Partei“ zu
beantworten, der am Freitag voriger Woche
auf der Berlinale Premiere hatte. Brückner
begleitete zwischen 2019 und 2021 Bun-
des-, Landes- und Bezirkspolitiker der AfD
in den Parlamenten, auf Parteitagen und
Wahlveranstaltungen, und auch während
interner Sitzungen lief seine Kamera. Alles
bleibt unkommentiert, selbst die sechs Ka-
pitel, in die der Filmemacher seine Doku
unterteilt hat, sind titellos.
So wird der Zuschauer Zeuge, wie der
Berliner Fraktionsvorstand die Plenarsit-
zungen vorbereitet und den Wahlkampf
strategisch plant. Da prallen die Gegensätze
ohne Knautschzone aufeinander, etwa in
der Corona-Politik. Vehement streiten sich
schließt sich der Vielfalt der Perspektiven. Es bie- zwei Abgeordnete, Ärzte von Beruf, über die
tet sich natürlich an, Antagonisten klischeehaft zu Wirksamkeit von PCR-Tests. Schließlich
überzeichnen; um so sprühender die Wucht des muß der damalige Landes- und Fraktions-
Aufpralls. Doch während sich der smarte Klenke chef Georg Pazderski resigniert feststellen:
bei aller Weltoffenheit immer wieder auch als bor- „Wir haben keine klare Position.“
nierter Biedermann erweist, wird Schröder rasch Auf dem Parteitag in Braunschweig im
zum eindimensionalen, reaktionären Biest, dessen Dezember 2019 kandidiert der national-
sich durchaus aus realer Erfahrung speisende An- konservative Pazderski für den Posten des
sichten – nicht zuletzt zur Migrationspolitik – unter Vize-Bundessprechers und unterliegt knapp
einem Wust von unappetitlichen Charakterisierun- Stephan Protschka, der als Anhänger des
gen begraben werden. Maria bleibt die einzige, die Flügels gilt. Geschlagen und angeschlagen
an ihrer Kommunikation arbeitet – mit Erfolg. verläßt der ehemalige Oberst den Parteitag,
Es entbehrt nicht der Ironie, wenn die fiktiven wird beim Hinausgehen überrascht von der
Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes das marokka- Nachricht einer Siegesfeier. Auch hier ver-
nische Verbot von Zwangsheiraten feiern, der Leser zichtet der Regisseur auf Interviews, läßt
aber kurz zuvor Zeuge von Schröders mißglücktem die Szene für sich sprechen. Ein einsamer
Versuch geworden ist, eine junge Deutsch-Marok- Mann geht von Bord.
kanerin vor eben diesem Schicksal zu bewahren:
„Es halten sich eben noch nicht alle daran.“ Parteiprominenz kommt
Oder wenn Außenminister Behringer den in
Mali stationierten Bundeswehrsoldaten für ihren kaum zu Wort
stabilisierenden Einsatz dankt: „Mali ist eine Tran-
sitzone, nicht nur für Drogen und Waffen, sondern So erfährt der Zuschauer viel über das
auch für gefährliche Ideologien, für Menschen- Innenleben der AfD – ohne die üblichen
handel und für Migration.“ Die Hauptroute füh- belehrenden Erläuterungen oder Einord-
re direkt nach Marokko und von dort nach Eu- nungen. Auf die Bloßstellung von Personen
ropa, der Mali-Einsatz sei also ein Beweis dafür, wird verzichtet, die Parteiprominenz kommt
daß Deutschland internationale Verantwortung ins Bild, aber kaum zu Wort. Noch nicht
übernimmt – was sich im realen Leben unter der einmal Alexander Gauland. Der Partei fehle
Außenpolitik der Grünen, deren Mitglied Sönke jemand mit Charisma, bedauert ein Partei-
Wortmann ist, jetzt ändern könnte (siehe Seite 4 vertreter und verweist anerkennend auf den
dieser Ausgabe). Tags darauf lobt Behringer Marok- AfD-Ehrenvorsitzenden. Eine mitreißende
ko als Land der Gastfreundschaft und verspricht Persönlichkeit, die Wähler begeistert wie
weitere Hilfe zur Wirtschaftsentwicklung – sofern einst in Österreich FPÖ-Chef Jörg Haider,
Marokko seine Grenzkontrollen zur Verhinderung sucht man in der AfD vergebens.
der illegalen Migration aufrechterhält. Brückner geht es offenbar darum, die
Durch seinen Roman „Es gilt das gesproche- unterschiedlichen Positionen in der Partei
ne Wort“ ermöglicht Sönke Wortmann einen gut zu markieren. Und die Risse werden sicht-
recherchierten Einblick in die Verfahren der Di- bar, die Unterschiede könnten kaum größer
plomatie und verweist darüber hinaus auf aktuelle sein. Gespenstisch mutet eine öffentliche
Fragen der deutschen Außenpolitik gerade in bezug Kundgebung auf dem Erfurter Domplatz
auf Mali und Marokko. Er zeigt auch, daß es nicht an. „Impfen ist für den Arsch“, rufen ei-
die fein gesetzten Worte aus dem Textbaukasten für nige lautstark, oder „Meuthen muß weg“.
Politische Korrektheit sind, die politisches Han- Der Austritt des Parteichefs Jörg Meuthen
deln, ja Handeln überhaupt auszeichnen. Vielmehr wird am Ende der Langzeitreportage noch
geht es um eine klare Wahrnehmung der Realität erwähnt.
in allen ihren Facetten. Werden aber unliebsame Es ist erstaunlich, daß die AfD Brückner,
Bestandteile dieser Realitätsbeobachtungen jenen der in einem 68er-Haushalt aufgewachsen
in den Mund gelegt, die von vornherein als Pa- ist, so viel Einblick nehmen ließ in Parteiin-
rias abgestempelt wurden, müssen sie selbstredend terna. Ergebnis: Eine faire Darstellung über
nicht ernst genommen werden – und die Wucht die AfD ist möglich, trotz klarer politischer
des Aufpralls verpufft. Distanz des Filmemachers. Möge sich das
Was Wortmann aber unbestritten gelungen ist, Publikum also ein eigenes Urteil bilden.
sind Szenen voller Witz und doppeltem Boden
sowie filmreife Beschreibungen der Schauplätze:
Gute Voraussetzungen für ein unterhaltsames Ki- Der 110 Minuten lange Film soll demnächst
no im Kopf der Leser. auch in ausgewählten Kinos anlaufen.
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JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022 M E D I E N | 17

Blick in
die Medien
Zerstörungen dokumentieren Harald Martenstein
verläßt „Tagesspiegel“
BERLIN. Der Kolumnist Harald Marten-
Meinungsfreiheit: Cancelculture.de sortiert den Irrsinn der allgegenwärtigen Zensur stein hat den Berliner Tagesspiegel verlassen.
„Dies ist meine letzte Kolumne für diese

Wenn der BORIS T. KAISER

Zeitung, mit der ich fast genau mein hal-
bes Leben verbracht habe“, schrieb er auf
Seite eins der aktuellen Sonntagsausgabe
WDR twittert unter der Überschrift „Ich bleibe bei mei-
ner Meinung“. Der 68jährige reagierte da-

S
elten zuvor waren die Grenzen des Main- mit auf das Löschen eines seiner Texte von
Von Tobias Dahlbrügge streams so eng gesteckt wie heute. Die tagesspiegel.de. In seiner Kolumne vom 6.
Hauptschuld an dieser, die Kreativität und Februar hatte Martenstein Teilnehmer an

W
er beim WDR arbeitet, konnte das Denken einschränkenden Entwicklung Corona-Maßnahmen-Demonstrationen, die
bisher in sozialen Medien ziem- trägt ohne Zweifel die in den letzten Jahren immer einen Judenstern mit der Aufschrift „Unge-
lich unbehelligt machen, was er stärker gewordene Cancel Culture. Eine kleine laut- impft“ tragen, zwar als anmaßend und ver-
wollte. Es gab für den Umgang mit Face- starke Minderheit hat, unter Zurhilfenahme der harmlosend bezeichnet, aber als „sicher nicht
book & Co. nur unkonkrete Richtlinien. Sozialen Medien, ihre Macht über den öffentlichen antisemitisch“ verteidigt, weil sie sich mit
Das soll sich ändern: Aus Empfehlungen Diskurs aufgebaut und weitet diese konsequent aus. den verfolgten Juden identifizierten. Meh-
sollen verbindliche Dienstanweisungen wer- Politische Parteien, TV-Sender und Verlagshäuser Die zunehmenden rere Leser und Redaktionskollegen kritisier-
den. Und um die gibt es Streit: in einem von widmen dem Scheinriesen aus dem Netz inzwischen Löschungen gefährden ten den Artikel scharf. Die Chefredaktion
der Seite Netzpolitik.org geleakten Entwurf oft mehr Aufmerksamkeit als Meinungsumfragen die Demokratie: zog ihn daraufhin nach Gesprächen „mit
ging es neben offiziellen WDR-Accounts oder Einschaltquoten und Verkaufszahlen. Schaden für alle Kolleginnen und Kollegen, Wissenschaft-
auch um private Profile. Ein einfacher Shitstorm im Internet kann einen lern, Betroffenen und dem Autor selbst“
In der ersten Version hieß es, daß private von einem Tag auf den anderen alles kosten, was E.C
OM vom Online-Auftritt zurück und betonte,
OB
Postings, Kommentare oder Likes auch „au- man sich an Reputation über Jahre und Jahrzehn- OC
K .A D er hätte so nicht veröffentlicht werden dür-
ST
ßerhalb der eigentlichen dienstlichen Tätig- te mühsam aufgebaut hat. Um zum Aussätzigen JUB
ISA
-
fen. „Wir verteidigen die Meinungsfreiheit,
SL
keit“ die Anstalt nicht beschädigen dürften. zu werden, muß man nicht einmal mehr ein in FO
TO
:
sind uns aber deren Grenzen bewußt. Dabei
Insbesondere „der Eindruck der Voreinge- irgendeiner Weise geschlossenes dissidentes politi- gilt: Nicht alles, was rechtlich betrachtet ge-
nommenheit“ solle in der Öffentlichkeit sches Weltbild haben. Es genügt bereits, wenn man sagt werden darf, ist dem Ton des Tagesspie-
vermieden werden, um die Unabhängigkeit in einem einzigen Themenbereich vom offiziellen gels angemessen. Scharf dürfen Glossen, Ko-
des Senders zu verdeutlichen. Guter Witz. und „politisch korrekten“ Narrativ abweicht. Eine lumnen und Kommentare sein; persönlich
Bei Verstößen könne die Rundfunkanstalt ablehnende Haltung gegenüber unkontrollierter verletzen sollten sie nicht“, hieß es in einer
mit internen Versetzungen „im Rahmen Masseneinwanderung, Verweigerung der neuen Stellungnahme zu dem Schritt. „Ich war in
des Weisungsrechts“ reagieren. Eine Ein- Gendersprache, eine kritische Meinung zum Islam, diese Entscheidung nicht eingebunden. So
schränkung der Meinungsfreiheit sei das eine andere Definition dessen, was echter Rassismus Gesundheitskollektiv bekam. Der Initiator des und verweist dabei auf eine entsprechende Fest- etwas bedeutet in der Regel, daß man sich
aber nicht, betonte ein WDR-Sprecher nach ist, sich nicht von der allgemeinen Klimahysterie fortlaufenden Cancel-Culture-Archivs ist der Jour- stellung des Bundesverfassungsgerichts aus dem trennt, den Entschluß dazu habe ich gefällt“,
Bekanntwerden des Entwurfes. anstecken lassen und natürlich Kritik an der Coro- nalist Kolja Zydatiss. Der in Berlin geborene und Jahre 1958. Zydatiss, der in Großbritannien Psy- schrieb Martenstein nun in seiner letzten
na-Politik der Bundesregierung: die Liste des „Un- aufgewachsene Autor beschäftigt sich schon länger chologie, Neurowissenschaft und Statistik studiert Kolumne. „Man sollte nicht Handlanger ei-
Ihre links-grüne Parteilichkeit sagbaren“ ist lang und wird nahezu täglich länger. mit dem Phänomen. Im März vergangenen Jahres hat, ist davon überzeugt, daß in einer Demokratie nes ideologischen Lagers sein, und man darf
erschien sein mit dem „Ferdinand-Friedensburg- alle erwachsenen Bürger die Möglichkeit haben keine Angst vor Wutstürmen haben. Genau
wollten sich die Mitarbeiter
Unbekannte „kleine“ Fälle Preis“ ausgezeichnetes Sachbuch „Cancel Culture: müssen „am Kampf um die öffentliche Meinung dazu ist Meinungsfreiheit ja da: um Dinge
offenbar nicht nehmen Demokratie in Gefahr“ (Solibro Verlag). Auch in teilzunehmen“, um so „die Mehrheit von den eige- zu sagen, die manche nicht hören möchten.“
lassen. sichtbar machen seiner Kolumne „Der/die Ausgestoßene der Woche“ nen Argumenten zu überzeugen“. Auf dem Papier Er bekräftigte nochmal, daß Leute, die Ju-
für den Polit-Blog „Die Achse des Guten“ befaßt sei diese Möglichkeit in Deutschland zwar noch densterne benutzen, „um sich zu Opfern zu
Die Redakteurskonferenz hatte die Pläne Die Internetseite cancelculture.de will sich die- sich der 32jährige regelmäßig mit der Verbannung gegeben, „aber durch die Cancel Culture entsteht stilisieren, dumm und geschichtsvergessen“
„mit Irritation“ aufgenommen und prote- ser stetigen Machterweiterung der neuen öffent- unliebsamer Meinungen und Personen aus dem zunehmend eine Kultur der Angst und des Kon- seien. Leute, „die auf ihren Demos zur Ver-
stiert. Ihre links-grüne Parteilichkeit woll- lichen Moralhüter entgegenstellen, indem sie die öffentlichen Diskurs. formismus, die dem demokratischen Anspruch nichtung Israels aufrufen“, seien allerdings
ten sich die Mitarbeiter offenbar nicht neh- multimediale Empörungsflut zusammenträgt und Gegenüber der jungen freiheit sagt er zu sei- unserer Gesellschaftsordnung zuwiderläuft“, so „etwas gefährlicher“. (gb)
men lassen. Sie warnten vor einer rechten zentral und übersichtlich nach Monaten sortiert nem Engagement: „Ein Klima der Disziplinierung der Redakteur des Magazins Novo.
Hetzern helfenden Schere im Kopf. Die archiviert. Ein besonderes Augenmerk legen die und Einschüchterung von Menschen, die sich öf- Die Beispiele für seine Online-Enzyklopädie
Dienstvorschrift wurde daraufhin modi- Macher der Seite „Für Meinungsfreiheit und Mei- fentlich geäußert haben, der extremen Moralisie- der Cancel Culture, die von Mitgliedern des KEF: Rundfunkbeitrag
fiziert. Die Anweisung zur Social-Media- nungsvielfalt“ dabei darauf, aufzuzeigen, wie die rung und Hypersensibilität, hat mittlerweile die Freiblickinstitut e.V. ehrenamtlich betreut wird,
Nutzung betrifft nun doch nur noch die Cancel Culture mittlerweile auch das Leben vieler verschiedensten Lebensbereiche und sozialen Mi- dürften dem Journalisten so schnell nicht ausge- muß nicht erhöht werden
offiziellen WDR-Accounts. Die privaten einfacher und ganz normaler Leute betrifft, deren lieus erfaßt.“ Zydatiss sieht in der Cancel Culture hen in Zeiten, in denen sich einflußreiche linke
Profile der Mitarbeiter sind davon ausge- Fälle in der Berichterstattung sonst kaum bis gar eine „Fehlentwicklung, die unserer demokratischen Meinungsmacher wie Jan Böhmermann ganz of- MAINZ. Der Rundfunkbeitrag muß nicht
nommen. Für sie gelten weiterhin lediglich keine Aufmerksamkeit erfahren. Kultur und damit letztlich uns allen schadet.“ Die fen zur „Überzensierung“ bekennen und selbst steigen. Das hat die Kommission zur Ermitt-
„Empfehlungen“ des Arbeitgebers. Damit So zum Beispiel der Fall eines Schreibwarenla- Demokratie sei „ein deliberativer, ergebnisoffener Wiederholungen alter „Tatort“-Krimis im öffent- lung des Finanzbedarfs der Rundfunkan-
verbunden ist allerdings die Erwartung, daß dens, der in der Corona-Zeit als Partnerfiliale der Prozeß“. lich-rechtlichen Fernsehen mittlerweile mit einem stalten (KEF) in ihrem vergangene Woche
WDR-Beschäftigte „dienstliche und private Deutschen Post/DHL wegen des Aufhängens eines Daher sei die Meinungsfreiheit für die Demo- Warnhinweis auf „Passagen mit diskriminierender Freitag vorgelegten 23. Bericht empfohlen.
Online-Auftritte künftig klarer voneinander Plakats „für maskenfreie Schulen“ Ärger mit dem kratie „schlechthin konstituierend“, sagt der Autor Sprache und Haltung“ versehen werden. Demnach solle die Zwangsgebühr von der-
trennen“, so ein Sprecher gegenüber dem zeit 18,36 Euro monatlich bis 2024 nicht
Branchendienst Meedia. Für die offiziellen erhöht werden. ARD, ZDF und Deutsch-
Accounts gelten dieselben journalistischen landradio seien in der Beitragsperiode von
Maßstäbe wie für die Produktionen, hieß
es. Wenn andere Nutzer beispielsweise auf
sachliche Fehler hinwiesen, solle man sich
Klare Ansagen verteilen 2021 bis 2024 mit einem Gesamtaufwand
von 38,76 Milliarden Euro „bedarfsgerecht
finanziert“. Im Vergleich zu den Jahren 2017
dankbar für den Hinweis zeigen. Zudem bis 2020 sei dies bereits eine Steigerung von
dürften Inhalte nicht gelöscht werden und Das konservativ-alternative Angebot wächst: Der Blog „Ansage“ möchte wichtige Stimmen sichern 2,49 Milliarden Euro, ein Zuwachs von 6,7
wenn, dann nur nach Rücksprache und mit Prozent beziehungsweise von 1,6 Prozent pro
einem entsprechenden Vermerk. Ein Ver- Jahr. „Erhebliche Zweifel an der Wirtschaft-
sprechen, auf dessen Einhaltung die Nutzer TOBIAS DAHLBRÜGGE Medien, zu Presse und Parteien und zum Corona- ein gutes Stück entfernt. Aber „Ansage“ ist ja auch lichkeit einzelner Vorhaben“ sieht die KEF
und Zuschauer künftig achten sollten. Chaos. Mitte vergangenen Jahres gründete der noch nicht so lange online. Dafür erfährt man bei den zahlreichen Bauprojekten der öffent-
Multi-Aktivist seinen eigenen Autoren-Blog mit durchaus Interessantes, beispielsweise daß die re- lich-rechtlichen Rundfunkanstalten. (gb)

D
aniel Matissek ist ein umtriebiger Mann:
Der Pfälzer war Gastronom, gab ein
TV-Tip Stadtmagazin für Kaiserslautern heraus,
ist selbständiger Unternehmer. Auch politisch ist er
sehr umtriebig: Er selbst bezeichnet sich als „Freier
Dienstag, 1. März, Journalist und Blogger mit ausgeprägtem Drang
21.45 Uhr, Arte zur Unruhestiftung“.
Matissek ist Autor für verschiedene Online-
Der Algerienkrieg Magazine mit einem Namen in der rechtsalter-
nativen Medienszene wie zum Beispiel „Journa-
Dreiteilige Dokumentation über listenwatch“. Auch auf Facebook postet er mit
den blutigen Konflikt Frankreichs hoher Schlagzahl politische und gesellschaftliche
in Nordafrika Kommentare. Er äußert sich zu Migration und
Foto: Adobe Stock, phadventure
dem angriffslustigen Titel „Ansage“. Auf www.an-
sage.org schreibt er zu tagesaktuellen und grund-
sätzlichen Themen. Um sich schart er einen Kreis
verschiedener Co-Autoren, darunter der frühere
Präsident des Thüringer Landeskriminalamtes,
Uwe G. Kranz, sowie Journalisten und Buchau-
toren. Es herrscht eine liberalkonservative Sicht.
Die Beiträge sind in Rubriken wie „Politik“, „Co-
rona“, „Umwelt“ oder „Freakshow“ sortiert. Ei-
ne Kommentarfunktion rundet das Angebot ab.
Die Qualität der Beiträge ist unterschiedlich,
ebenso wie die Schwerpunkte der Autoren. Von
einer Güte wie bei der „Achse“ ist man hier noch
gierungskritische französische Antifa die deutsche
Antifa für deren Regierungskonformität angreift.
Videos gibt es auch, unter anderem von Ma-
Aufgelesen
tissek selbst sowie „Erdingers unterste Schubla-
de“ von Max Erdinger, einem Lieblingsfeind von
„Correctiv“. Allerdings ist der letzte Upload hier
schon eine Weile her. Doch wer sich daran stört, „Die Medien ihrerseits täten gut
soll es erst mal besser machen. Alles in allem ist daran, sich in dieser Situation nicht
die „Ansage“ eine begrüßenswerte Ergänzung des als Trommler des Krieges, sondern
konservativen Medienspektrums. Daniel Matissek als Seismographen der Vernunft zu
sagt, mit seinem Blog sichere er zudem wichtige
Kommentare vor der Löschung in sozialen Me- betätigen.“
dien – auch ein wichtiger Aspekt. Gabor Steingart in seinem „Morning Briefing“

Foto: Adobe Stock, industrieblick

Foto: Adobe Stock, hxdyl

Themenwoche
E C K
Mythos C H
K T EN
Energiewende FA
in 4 Folgen

Folge 1: Folge 2: Folge 3: Folge 4:

Mythos alte Technologie Mythos erneuerbare Energien Mythos Atomkraft Mythos Energiewende
Donnerstag, 20.01.2022, 18 Uhr Sonntag, 23.01.2022, 18 Uhr Dienstag, 25.01.2022, 18 Uhr Donnerstag, 27.01.2022, 18 Uhr
auf jf.de/tv
18 | F O R U M
FOTO: PICTURE ALLIANCE / AKG-IMAGES
Vermeintliche Lehren aus Bismarcks außenpolitischer Haltung gegenüber dem Zarenreich
Gegen Rußland eisern bleiben
I
n der gegenwärtigen, von Rußland ausgelösten in-
ternationalen Krise um die künftige politische Stel-
lung der Ukraine werden in Deutschland sehr un-
terschiedliche Standpunkte artikuliert: Die eine, die
„westliche“ Position, wie man sie nennen könnte,
vertritt eine entschieden rußlandkritische Haltung
und plädiert dafür, russischen Erpressungsversuchen durch
Drohungen und Interventionen gegen die Ukraine (und im
weiteren auch gegen die Nato-Mitgliedschaft der baltischen
Staaten) im Einvernehmen mit den westlichen Verbündeten
nicht nachzugeben. Die Gegenposition hierzu, die man
wohl als rußlandfreundlich bezeichnen kann, sieht dagegen
in Rußland die vom Westen militärisch bedrohte Welt-
macht und vertritt die Forderung, Deutschland solle sich
nicht auf die Seite des Westens stellen, sondern zumindest
eine vermittelnde Zwischenposition einnehmen. Begründet
wird dies neben anderem auch mit der Behauptung, schon
Bismarck habe „den Draht nach Rußland“ nicht abreißen
lassen wollen, daher sei es gute Tradition deutscher Au-
ßenpolitik, stets den Ausgleich mit Rußland zu suchen.
Es lohnt sich, dieses Argument einmal näher zu be-
trachten. Tatsächlich bestand, darauf ist in diesem Kontext
ausdrücklich hinzuweisen, während fast des gesamten 19.
Jahrhunderts eine langgestreckte Landgrenze zwischen dem
Königreich Preußen und ab 1871 dem Deutschen Reich
auf der einen Seite, dem russischen Zarenreich auf der an-
deren Seite. Heute hat sich dies durch die Umbrüche von
1945 und nach 1990/91 gründlich geändert; Polen und
die baltischen Staaten bilden ein Glacis zwischen beiden
Ländern; Rußland ist nicht mehr direkter Nachbar des
wiedervereinigten Deutschland. Vor mehr als einhundert
Jahren jedoch gab es eine direkte Grenze, und schon aus
diesem Grund war es geboten, nach Möglichkeit keine Kon-
fliktpotentiale zwischen der deutschen und der russischen
Seite aufkommen zu lassen und alle immer wieder einmal
auftauchenden Interessenunterschiede einvernehmlich zu
regeln. Diese Politik haben die meisten der damals leiten-
den deutschen Außenpolitiker betrieben – auch Bismarck.
Bismarck hat gegenüber
Rußland stets eine vorsichtig
abwägende, wenn nötig
jedoch auch eine konsequent
harte Politik betrieben.
Allerdings geht es nicht an, hieraus die These abzulei-
ten, Bismarck habe stets eine rußlandfreundliche Politik
– schon gar aus vermeintlich genuiner Sympathie für den
östlichen Nachbarn – vertreten. Das Gegenteil ist der Fall:
Bismarck hat, seitdem er in den 1850er Jahren in die erste
Reihe der preußischen Diplomaten aufgerückt war und
vor allem, nachdem er 1862 die Leitung der preußischen
Politik übernommen hatte, gegenüber Rußland stets eine
vorsichtig abwägende, wenn nötig jedoch auch eine kon-
sequent harte Politik betrieben, die einen vollständigen
Bruch ebenso wie eine zu große Nähe stets vermieden hat.
Der Grund hierfür bestand vor allem in der unberechen-
baren, oft sprunghaften und in ihrer Motivation irrational
anmutenden Außen- und Kriegspolitik des Zarenreiches,
die immer wieder Anlaß zu der Befürchtung gab, Preußen
und später Deutschland könnten in gefährliche interna-
tionale Verwicklungen hineingezogen werden.
Das zeigte sich für Bismarck zuerst während der Zeit
des Krimkriegs (1853–56). Der russische Zar Nikolaus I.
vertrat die Ansicht, das damals noch weit ausgedehnte Os-
manische Reich – er bezeichnete es 1852 als den „kranken
Mann“ am Bosporus – stünde vor dem Zusammenbruch
und daher sei es an der Zeit, sich um die ansehnliche Erb-
schaft dieses „kranken“, ja eigentlich schon sterbenden
Mannes zu verständigen. Der von Rußland unter einem
Vorwand ausgelöste Krieg gegen den Sultan in Konstanti-
Von Hans-Christof Kraus
nopel führte zum Eingreifen Großbritanniens und Frank-
reichs; gemeinsam konnte man Rußland schließlich zum
Rückzug zwingen, nachdem auch Österreich unter dem
massiven Druck der Westmächte der antirussischen Koali-
tion beigetreten war. Nur Preußen war neutral geblieben,
hatte allen russischen, aber auch allen westlichen Verlok-
kungen widerstanden, in den Krieg auf der einen oder
anderen Seite einzutreten. Bismarck hatte diese Strategie
ausdrücklich unterstützt – jedoch keineswegs aus pro-
russischen Sympathien wie die damaligen preußischen
Konservativen, sondern aus rationalem politischem Kal-
kül, denn die kleinste europäische Großmacht Preußen
hätte sich eine Dauerfeindschaft des riesigen östlichen
Nachbarn nach einem Krieg gegen Rußland ebensowenig
leisten können wie andererseits einen Kampf gegen die
vereinten Westmächte Großbritannien und Frankreich.
Die zwei Jahrzehnte zwischen dem Ende des Krim-
kriegs und dem nächsten Krieg Rußlands gegen die Tür-
kei brachten die Einigung Deutschlands als Folge der drei
Einigungskriege gegen Dänemark (1864), gegen Öster-
reich und dessen Verbündete (1866) sowie gegen Frank-
reich (1870/71). Rußland unterstützte Preußen hierbei
keineswegs, legte aber der Politik Bismarcks auch keine
Hindernisse in den Weg. Der Grund hierfür ist allerdings
nicht in einer genuinen russischen Sympathie für das sich
einigende Deutschland zu sehen, sondern ganz einfach in
der politischen Isolierung des Zarenreichs. Frankreich als
dem Hauptgegner im Krimkrieg und seinem sich revo-
lutionär gebenden Herrscher Napoleon III., dem Unru-
hestifter in Europa, mißtraute man in Sankt Petersburg
zutiefst, Großbritannien war und blieb der Hauptrivale
nicht nur im Vorderen Orient, sondern auch in Asien
(wo sich damals zwischen beiden Mächten das bekannte
„Great Game“ abspielte), und dem Habsburgerreich hat-
te man den Beitritt zum Kreis der Gegner Rußlands im
Krimkrieg nicht verziehen. Blieb also nur Preußen, auf
dessen Unterstützung man nicht zuletzt bei der Nieder-
schlagung von Aufständen in Polen angewiesen war, was
sich gerade erst 1863 gezeigt hatte.
Nach der Reichsgründung jedoch begann sich das Blatt
zu wenden. Auf einmal erschien das neue Deutsche Reich
aus russischer Perspektive als eine starke, potentiell sogar
zu starke Macht, und der russische Staatskanzler Alexan-
der Gortschakow ergriff denn auch die erste sich bietende
Gelegenheit, um der Berliner Regierung genau dies klarzu-
machen. Obwohl er noch im Herbst 1873 zum Abschluß
des Dreikaiserabkommens zwischen Deutschland, Öster-
reich-Ungarn und Rußland beigetragen hatte, nahm er zwei
Jahre später einen Fehler Bismarcks, die Kriegsdrohung
gegen Frankreich im Rahmen der „Krieg-in-Sicht-Krise“,
zum Anlaß, um Rußland ohne Not ostentativ auf Seiten
Frankreichs und Großbritanniens zu positionieren und
gegen eine mögliche „Aggression“ des Deutschen Reiches
scharf Stellung zu nehmen. Diese unfreundliche Aktion
mußte Bismarck – dem hier nichts anderes übrigblieb –
hinnehmen
Eine weitere, in Berlin ebenfalls als ausgesprochen un-
freundlich, ja feindselig empfundene russische Aktion
bestand wenige Jahre später in dem sogenannten „Ohr-
feigenbrief“ des Zaren Alexander II. an seinen Onkel, den
deutschen Kaiser Wilhelm I. im August 1879. Der Hin-
tergrund war folgender: Rußland sah sich als Schutzmacht
der Balkanslawen und hatte seit 1876 einen erneuten, die-
ses Mal erfolgreichen Krieg gegen das Osmanische Reich
geführt. Der dem Sultan aufgezwungene Friedensvertrag
sah jedoch die Bildung eines (mit Rußland natürlich eng
verbündeten) Großbulgariens mit einem Zugang zum
Mittelmeer vor. Dies alarmierte die Briten, die das Mit-
telmeer als ihre eigene geopolitische Einflußzone ansahen.
Kurz gesagt: es drohte ein europäischer Krieg. Bismarck
ergriff die Gelegenheit, sich als neutraler Vermittler, als
„ehrlicher Makler“, wie er selbst sagte, zu präsentieren: Er
berief den Berliner Kongreß ein, auf dem nach einmona-
tigen Verhandlungen im Sommer 1878 alle wesentlichen
Streitfragen geregelt werden konnten. Die Briten unter
Premierminister Benjamin Disraeli und Außenminister
Lord Salisbury verhandelten äußerst geschickt, die Rus-
sen dagegen konnten ihre Forderungen nur in wenigen
Punkten durchsetzen, weil der inzwischen senil geworde-
ne Gortschakow und der russische Chefdiplomat Peter
Schuwalow miteinander nicht kooperierten.
Der genannte „Ohrfeigenbrief“ warf ein Jahr später
den Deutschen „Undankbarkeit“ vor: Während das Za-
renreich die deutsche Reichseinigung unterstützt hätte,
seien die Russen von Bismarck auf dem Berliner Kongreß
im Stich gelassen worden. Schon vorher waren auf Befehl
des Zaren russische Truppen an der deutschen Ostgrenze
aufmarschiert. Bismarck wiederum hatte umgehend mit
Wirtschaftssanktionen reagiert: mit einer Erhöhung der
Einfuhrzölle ebenso wie mit einer – vorübergehenden –
Einfuhrsperre für russisches Schlachtvieh. Und was den
Berliner Kongreß anbetraf, hatte er sich gerade nicht auf die
britische Seite gestellt, sondern – soweit ihm dies als offizi-
ell neutraler Verhandlungsführer möglich war – alles getan,
um dem russischen Standpunkt wenigstens angemessene
Beachtung zu sichern. In Sankt Petersburg war dies jedoch
nicht nur nicht anerkannt worden, sondern der Zar hatte
sogar noch mit dem „Ohrfeigenbrief“ und den dort for-
mulierten Vorwürfen zu einer massiven Verschlechterung
der deutsch-russischen Beziehungen beigetragen.
Es ist in jedem Fall
unangebracht, das Bild eines
angeblich uneingeschränkt
rußlandfreundlichen „Eisernen
Kanzlers“ Bismarck zu zeichnen.
Bismarck reagierte auf diese durch nichts zu begrün-
dende, letztlich irrationale russische Politik mit dem Ab-
schluß eines festen Bündnisses zwischen Deutschland und
dem Habsburgerreich – dem Zweibund. Dieses Bündnis
mußte er dem aus sentimentalen Gründen an der Chimäre
einer preußisch-russischen „Freundschaft“ festhaltenden
alten Kaiser regelrecht abringen. Denn natürlich bedeutete
der Abschluß des Zweibundes ein starkes, nicht mißzu-
verstehendes Signal an Rußland: Deutschland wünsche
zwar auch weiterhin friedliche Beziehungen zum Zaren-
reich, werde aber einen eventuellen Angriff Rußlands auf
Österreich-Ungarn nicht akzeptieren. In den seit Jah-
ren latenten Spannungen zwischen dem Zaren- und dem
Habsburgerreich hatte sich Deutschland damit klar auf
die österreichische Seite gestellt, was man damals nur als
Niederlage der russischen Diplomatie bezeichnen konnte.
Zwar gelang es Bismarck noch einmal, mit einem erneu-
ten, eher lockeren „Dreikaiserbund“ zu einem vorüberge-
henden Einvernehmen der drei östlichen Großmächte zu
gelangen, doch die bulgarische Krise führte seit 1885 zum
endgültigen Bruch zwischen Wien und Sankt Petersburg;
der „Dreikaiserbund“ hörte auf zu bestehen. Wie schon in
früheren Jahren ging es Bismarck jetzt darum, die russische
Seite von einem eventuellen Krieg gegen das Habsburger-
reich, den Hauptkonkurrenten auf dem Balkan, abzuhal-
ten. Trotz des Zweibunds erklärte sich Deutschland in den
österreichisch-russischen Streitfragen zwar ausdrücklich als
neutral. Das allerdings reichte der russischen Seite nicht
mehr; der äußerst mißtrauische neue Zar Alexander III.,
der 1881 als Nachfolger seines von Terroristen ermorde-
ten Vaters auf den Thron gelangt war, schwankte in seinen
politischen Einschätzungen hin und her; nicht wenige
seiner außenpolitischen Berater und Teile der russischen
Publizistik traten inzwischen vehement für ein russisch-
französisches Zusammengehen gegen die beiden Zwei-
bundmächte ein; auch wirtschaftlich gab es zunehmende
Gegensätze zwischen Rußland und Deutschland.
Bismarck reagierte sehr differenziert: Zum einen schloß
er 1887 den bekannten Rückversicherungsvertrag mit
Rußland ab, dessen Hauptzweck für ihn darin bestand,
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022
Reichskanzler Otto von Bismarck
beglückwünscht den russischen
Bevollmächtigten Graf Peter Schuwa-
low auf dem Berliner Kongreß 1878,
Ausschnitt aus dem gleichnamigen
Gemälde von Anton von Werner:
Stets bemüht, einen vollständigen
Bruch ebenso wie eine zu große
Nähe zu vermeiden
den Berliner „Draht nach Sankt Petersburg“ zu halten, das
heißt Rußland vor einem offenen Bündnis mit Frankreich
abzuhalten; zum anderen verhängte er – auch als Reaktion
gegen die frankreichfreundlichen Aktivitäten von Teilen
der russischen Regierung sowie gegen die deutschfeind-
lichen Exzesse der russischen Presse – harte Wirtschafts-
sanktionen gegen das Zarenreich. Rußland war seit dem
Krimkrieg hoch verschuldet, benötigte daher ausländisches
Kapital; außerdem führte es in Massen landwirtschaftliche
Produkte und Rohstoffe (Getreide, Schlachtvieh, Holz)
nach Deutschland aus. Hier konnte Bismarck die Dau-
menschrauben ansetzen: Das von ihm verhängte Lom-
bardverbot machte es für die Russen praktisch unmöglich,
ihre Staatspapiere in Deutschland zu verkaufen, und die
ebenfalls von der Reichsregierung verhängte massive Er-
höhung der Einfuhrzölle für russische Produkte und Roh-
stoffe wirkte sich ebenfalls negativ auf Rußlands Exporte
aus. Dem Zarenreich wurde dadurch unmißverständlich
signalisiert: Deutschland möchte keine Auseinanderset-
zung, auch keinen Handelskrieg mit Rußland (deshalb der
Rückversicherungsvertrag), aber es läßt sich auch keine
Aktionen gefallen, die eindeutig gegen Deutschland und
seinen Zweibundpartner, das Habsburgerreich, gerichtet
sind; deshalb die Wirtschaftssanktionen.
Man kann nur darüber spekulieren, wie sich die deutsch-
russischen Beziehungen entwickelt hätten, wäre Bismarck
im März 1890 nicht zum Rücktritt veranlaßt worden. Aller
Wahrscheinlichkeit nach hätte er seine zweigleisige, sich
stets politische Alternativen offenhaltende Politik fortge-
setzt. Blickt man aus der Perspektive von fast eineinhalb
Jahrhunderten auf seine Politik zurück, dann ist es aller-
dings in jedem Fall unangebracht, das Bild eines angeblich
uneingeschränkt rußlandfreundlichen Außenpolitikers
Bismarck zu zeichnen. Der „Eiserne Kanzler“ hat stets eine
konsequente Interessenpolitik betrieben, zuerst im Dienst
seines Vaterlandes, des Königreichs Preußen, später des
Deutschen Reichs. Wenn er Rußland gegenüber vorsichtig
agierte, dann vor allem wegen der langen Staatsgrenze, die
das eigene Land unmittelbar mit dem Zarenreich verband,
und zum anderen wegen der damaligen internationalen
Lage, ihrer äußerst komplexen, sich gegebenenfalls rasch
ändernden Bündnissysteme. Zudem waren ihm, wie er
einmal im Gespräch mit seinem Mitarbeiter Arthur von
Brauer formulierte, „die wölfischen Instinkte der russi-
schen Politik“ genauestens bewußt. Angesichts der oft
schwankenden, manchmal genuin irrational motivierten
russischen Außenpolitik blieb dem Kanzler gelegentlich
nichts anderes übrig, als dem Zarenreich auch einmal die
klare Kante zu zeigen.
Unsere heutige Lage ist eine hiervon vollkommen ver-
schiedene: Die Bundesrepublik Deutschland ist eingebun-
den in ein europäisch-atlantisches Bündnis- und Verteidi-
gungssystem, das ihre äußere Sicherheit garantiert. Es bleibt
der deutschen Politik – egal, welche Regierungskoalition
gerade in Berlin die politische Macht innehat – daher gar
nichts anderes übrig, als im Rahmen dieses Bündnissystems
zu agieren und sich, was die aktuelle Lage anbetrifft, der
Aggression Putins konsequent entgegenzustellen, wenn
nötig auch um den Preis einer Stillegung der Gaspipeline
Nordstream 2. Um es abschließend in aller Klarheit zu
formulieren: Würde Bismarck unter den heutigen Bedin-
gungen angesichts der gegenwärtigen Lage deutsche Au-
ßenpolitik betreiben – er würde gegenüber der Moskauer
Regierung nicht anders handeln können und wohl auch
nicht anders handeln wollen.
Prof. Dr. Hans-Christof
Kraus, Jahrgang 1958, ist
Inhaber des Lehrstuhls für
Neuere Geschichte an der
Universität Passau. Zuvor
lehrte er in Speyer und an
den Universitäten Stuttgart
und München. Zu seinen
Schwerpunkten gehört das
19. Jahrhundert.

LITERATUR, Seite 21
Bilanz und Ausblick über die
deutsche Verteidigungspolitik
und die strategische Kultur
Globalisierung
und Massenelend
im Altertum
Untrügliches Zeichen innerer Auflösung:
Die chronische Wohnungsnot im antiken Rom
DIRK GLASER
V
iel erinnert nicht mehr an den 2016
verstorbenen FDP-Politiker und Au-
ßenminister (2009–2013) Guido We-
sterwelle. Allein sein den „Mißbrauch
des Sozialstaats“ geißelndes Wort von
der „spätrömischen Dekadenz“, das in ulkigem
Kontrast steht zum Ruch des Hedonismus, der
seiner „liberalen“ Spaß-Partei anhaftete, hält seinen
Namen bis heute frisch.
Wenn Westerwelle Niedergang und Entartung
mit den nachchristlichen Jahrhunderten des späten
römischen Weltreiches assoziierte, wiederholte er
damit allerdings nur ein Klischee, das der historisch
gebildete Europäer seit Edward Gibbons „Histo-
ry of the Decline and Fall of the Roman Empire“
(1782–1788) pflegte. Tatsächlich setzten Fäulnis
und Verfall wesentlich früher ein. Gehörte doch die
Klage über häßliche Symptome innerer Auflösung
des römischen Gemeinwesens als Folge äußerer
Machtausdehnung seit Cato dem Älteren (234–149
v. Chr.) zum rhetorischen Standardrepertoire al-
ler moralisierenden Zeitkritiker, die schließlich in
Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) ihren be-
rühmtesten tugendstolzen Repräsentanten fanden.
Selbstsucht, Bindungslosigkeit und
Kosmopolitismus der Eliten Roms
Allerdings ist es diesem Philosophen, Politiker,
Advokaten und vermögenden Immobilienbesitzer
in keiner seiner zahlreichen Reden je eingefallen,
die von ihm unermüdlich attackierte „Dekadenz“
an der Ausplünderung des Sozialstaats festzuma-
chen. Weil es den im antiken Rom gar nicht gab.
Anders als Westerwelle, der die Schuld an bun-
desdeutschen Zerfallsprozessen nicht den „Besser-
verdienern“, sondern dem angeblich überzogenen
Anspruchsdenken Einkommensschwacher in die
Schuhe schob, konnte sich Ciceros Kritik daher
zwangsläufig auf die Habgier seiner eigenen Stan-
desgenossen konzentrieren.
Ciceros Karriere, die ihn in höchste Staatsäm-
ter trug, um tragisch mit seiner Ermordung zu
enden, vollzog sich in einer vierzigjährigen Pha-
se des latenten, mehrfach offen ausbrechenden,
Bürgerkriegs, in dem diverse Adelscliquen um die
Macht im Pfründe verteilenden Senat kämpften.
Ihnen hielt Cicero vor, in ihrem Luxusleben jeden
Sinn für das Gemeinwohl verloren und vergessen
zu haben, daß wahrer Adel nicht mit der Geburt
Ausstieg aus dem gescheiterten „Krieg gegen den Terror“
Zurück zum Großmacht-Denken
U V
nterstützt von ihren Verbündeten hat
die Supermacht USA im noch jungen
21. Jahrhundert vier Kriege geführt und
verloren. Schlimm genug, aber noch schlimmer
ist für Paul Rogers, emeritierter Professor für
Friedensstudien (Universität Bradford), die Tat-
sache, daß die USA unfähig waren, Ordnung
dort zu schaffen, wo sie intervenierten, im Irak,
Afghanistan, Libyen und Syrien (Welt-Sichten
12-2021/1-2022). Musterbeispiel dafür, wie sich
Chaos durch Militäreinsätze noch steigern lasse,
seien die von den USA dirigierten französisch-
britischen Schläge gegen Libyen. Statt wie erhofft,
als öl- und gasreiches Land im Westen verankert
zu sein, ist es heute ein „gescheiterter Staat“, Un-
WISSEN
J U N G E F R E I H E I T | Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022
FOTO: AKG-IMAGES
verliehen, sondern durch Leistung im Dienst der
res publica, der gemeinsamen Sache aller freien Bür-
ger, erworben werden müsse. Statt nach, freilich
kräftig verklärter, altrömischer Sitte zu leben, nach
Mäßigung und Einfachheit der Lebensführung zu
streben, kultivierte die von Korruption und Nepo-
tismus zerfressene Oberschicht der Republik, die
in allen Teilen des „globalisierten“ Weltreiches mit
kriminellen Methoden Vermögen erraffte, ihren
Hang zu Materialismus und Müßiggang, zu ent-
hemmter Selbstsucht, Bindungslosigkeit, Kosmo-
politismus, um sich von allen Normen und Werten
des „altväterischen“ römischen Bauernkriegerstaates
zu verabschieden.
Der Egoismus der Reichen und ihr mangelndes
Verantwortungsgefühl für Abhängige und Arme,
bewirkte aus Ciceros Sicht die tiefe Spaltung der
Gesellschaft, die jedoch, wie stets in der Geschich-
te, die nach Karl Marx eine Geschichte von Klas-
senkämpfen ist, allein von den Herrschenden aus-
ging. Gesetzmäßig bedeute die „Accumulation von
Reichtum auf dem einen Pol auf dem Gegenpol
Modell des antiken
Roms, Museo della
Civiltà Romana:
Weitläufige Areale
dem privaten Woh-
nungsbau entzogen
ruheherd der gesamten Sahel-Sahara-Region bis
nach Mosambik. Gelernt hätten die USA daraus
nur insoweit, wie sie kurz nach dem Afghanistan-
Desaster das Militärbündnis mit Australien und
Großbritannien ins Leben riefen. Dies signalisiere
eine Rückkehr vom „asymmetrischen Krieg“ zum
steinzeitlich wirkenden „Wettbewerb der Groß-
mächte“. Der neue Hauptfeind heißt China,
während sich Rußland, wie Rogers noch kurz
vor der Inszenierung der „Ukraine-Krise“ glaubte,
kaum überzeugend als ernsthafte Bedrohung prä-
sentieren ließe, weil sein Bruttoinlandsprodukt
kleiner als das von Frankreich oder Italien ist. (ob)
www.welt-sichten.org
Thomas Couture, „Die Römer in der Verfallszeit“, Öl auf Leinwand 1847: Eine von Korruption und Nepotismus zerfressene Oberschicht
Accumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei,
moralische Degradation“, wie Marx am Beispiel
der vom Senat forcierten „Privatisierungen“ und
„Deregulierungen“ öffentlicher Aufgaben zeigt,
die das Volksvermögen von unten nach oben in
Hände „Superreicher“ umschichtete und parallel
dazu selbständige Existenzen en masse vernichtete.
Profitgier vieler Vermieter trieb auf
breiter Front die Mietzinsen hoch
Da Cicero jedoch weit von Marx’ Einsicht ent-
fernt war, die soziale Zerrissenheit könnte ihre
materielle Ursache in ungleicher Güterverteilung
haben, suchte er das Heil des Staates in der mo-
ralischen Erziehung des Führungspersonals zu ge-
meinschaftsfähigen Menschen. Für ihn, wie für alle
idealistischen Staatsdenker von Plato bis zu Max
Weber, lag darin die Lösung des Urproblems jeder
Politik: Die concordia ordinum, die einträchtige
Gemeinschaft freier und gleicher Bürger, beruht
FOTO: FLICKR, DALBÉRA
Vor 80 Jahren – Untergang des Frachters „Struma“
Jüdische Flüchtlinge geopfert
or der türkischen Schwarzmeerküste wurde
im Morgengrauen des 24. Februar 1942
der rumänische Frachter „Struma“ torpe-
diert. Nur einer von 783 Passagieren, rumänischen
Juden auf dem Weg ins britische Mandatsgebiet
Palästina, überlebte den Untergang. Verantwort-
lich dafür war nicht, wie der Berliner Historiker
Götz Aly noch 1987 behauptete, ein deutsches
Schnellboot, und auch kein deutsches U-Boot, wie
der Marinehistoriker Jürgen Rohwer schon 1965
zweifelsfrei feststellte, als er im Auftrag der Bun-
desregierung etwaige Entschädigungsansprüche
prüfte. Vielmehr feuerte ein sowjetisches U-Boot
den tödlichen Schuß auf die „Struma“ ab. Die
wahren „Täter“ saßen für den ehemaligen WDR-
NATUR & TECHNIK, Seite 22
Die „Grenzen des Wachstums“
wurden 1972 veröffentlicht und
seither mehrfach revidiert
darauf, daß in der regierenden Schicht ein Men-
schentyp dominiert, der die Kraft hat, uneigen-
nützig zu handeln. Es stehe schlecht um den Staat,
wenn die Bestverdienenden sich für die Besten
hielten und eine Plutokratie errichten könnten.
In der Studie „Wohnungsnot und Wuchermie-
ten“ des Althistorikers Andreas Klingenberg (Köln)
begegnet uns Cicero jedoch weniger als Anwalt der
Gemeinschaft denn als skrupelloser Egoist (Gym-
nasium, 128/2021). Als Hausbesitzer ließ er seine
römischen Mietshäuser ungerührt verrotten, so
daß nach den letzten Mietern selbst die Ratten das
Weite suchten. Erst dann zog er einen Architekten
für billige Instandsetzungen hinzu, die ihm um so
höhere Mieten verschaffen sollten. Diese Praxis sei
in Rom üblich gewesen; es wurden sogar regelmäßig
Einstürze wie Brände vorsätzlich herbeigeführt, um
aus dem Wiederaufbau Gewinn zu schlagen. Die
Profitgier vieler Vermieter trieb auf breiter Front die
Mietzinsen hoch. Die Verhältnisse verschlimmerten
sich noch dadurch, daß häufig ganze Häuserblocks
(insulae) an Generalpächter vergeben wurden, die
ihrerseits einen Reibach machen wollten und dar-
um als erstes die Miete kräftig erhöhten.
Ermöglicht wurden diese für Vermieter pa-
radiesischen, für Mieter höllischen Verhältnisse
durch die seit dem frühen 2. Jahrhundert v. Chr.
zunehmende Masseneinwanderung von Opfern
eines „unerhörten agrarischen Kapitalismus“ (Max
Weber), der die durch den Zweiten Punischen
Krieg (218–201 v. Chr.) ohnehin ausgepowerten
bäuerlichen Klein- und Mittelbesitzer Italiens zu
Landlosen machte und in die Metropole vertrieb.
Was dort die Bauspekulation anheizte, zu Woh-
nungsnot und Mietwucher führte. Davon blieb die
chronisch prekäre Lage der ständig um Heere von
„Arbeitsmigranten“, Kriegsgefangenen und auf den
Märkten des Mittelmeerraums gekauften Sklaven,
erweiterten Unterschicht noch unter Kaiser Au-
gustus und dessen, nun wirklich, „spätrömischen“
Nachfolgern bestimmt. Dabei verschlechterte sich
die Situation zudem laufend, weil großzügige Bau-
programme, die Tempel, Thermen und Forums-
anlagen zur Feier des Ruhms etwa von Psychopa-
then wie Caligula und Nero, weitläufige Areale
okkupierten und sie dem privaten Wohnungsbau
entzogen. Soweit wie sich dort noch „Investoren“
tummelten, rekrutierten sie sich wie zu Ciceros
Zeiten aus Roms oberen Zehntausend.
Die Ende des 20. Jahrhunderts eskalierende
Globalisierung mit ihren sozialökologischen Ver-
heerungen ist bislang nirgendwo auf nennenswer-
ten „zivilgesellschaftlichen“ Widerstand gesto-
ßen. Ein Phänomen, das seltsam anmutet, aber in
der langen Verfallsgeschichte Roms eine Parallele
Redakteur Eberhard Rondholz, der den Fall als
vermeintlich „größte zivile Schiffskatastrophe des
Zweiten Weltkriegs“ verkauft, aber in Istanbul und
London (Konkret, 2/2022). Denn die türkischen
Behörden hatten sich geweigert, die Passagiere des
wegen Maschinenschadens in den Istanbuler Hafen
geschleppten Havaristen an Land gehen zu lassen.
Und der britische Außenminister Anthony Eden
wollte ihnen keine Visa für das britische Man-
datsgebiet in Palästina erteilen. Stattdessen riet er
dazu, daß ein Schlepper die „Struma“ außerhalb
der türkischen Hoheitsgewässer ziehen sollte, wo
sie dann versenkt wurde. (dg)
www.konkret-magazin.de
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hat, fügte sich doch auch die plebs urbana fast
apathisch in ihr „Schicksal“. Klingenberg spricht
darum von „mangelnder politischer Relevanz“ der
manifesten Wohnungsmisere. Schon Robert von
Pöhlmann (1852–1914), der erste Erforscher der
„sozialen Frage im Altertum“, konstatierte verwun-
dert: Trotz himmelschreiender Ungerechtigkeiten
sei die Revolution, die „gewaltsame Umstülpung
der Eigentumsverhältnisse“, ausgeblieben. Was,
wie Klingenberg die Passivität in den Elendsvier-
teln erklärt, daran gelegen habe, daß die meisten
Armen angesichts knappen Wohnraums schlicht
froh gewesen seien, überhaupt ein Dach über dem
Kopf zu haben, stand ihnen doch als Alternative
stets die Obdachlosigkeit vor Augen. Die Mie-
terschaft war zur Kaiserzeit jedenfalls derart zur
politisch willenlosen Masse eingeschmolzen, daß
ihr materielles und mentales Niveau die Klage des
kulturpessimistischen Satirikers Juvenal (60–140
n. Chr.) rechtfertigte, das einst so stolze Volk der
Römer wünsche sich, geduckt und vergnügungs-
süchtig, nur mehr zwei Dinge: Brot und Spiele.
Römische Oberschicht offenbarte
nur Zynismus für die Armen
Das antike Rom, stellt Klingenberg klar, sei
zwar weder als Republik noch als Monarchie ein
Sozialstaat gewesen. Und die Umverteilung der
Vermögen, eine Aufweichung sozialer Hierarchi-
en oder die Einebnung des krassen ökonomischen
Gefälles, jenseits staatlich organisierter Almosen
wie der Getreidespenden (ein früher Vorgriff auf
das „leistungslose Grundeinkommen“ für Aus-
gebootete der schönen neuen „Arbeitswelt 4.0“),
stand nie zur Debatte. Gleichwohl verblüffe die
Aufstände nicht fürchtende kaltherzige Ignoranz –
Ciceros „Cynismus ohnegleichen“ (v. Pöhlmann) –,
mit der die Oberschicht das Wohnungselend quit-
tierte: „Es blieb weitgehend unbeachtet“ – ebenso
wie andere soziale Übel, sei es die Ausbeutung
von Arbeitskräften im Niedriglohnsektor, sei es
die Verweigerung öffentlicher Gesundheitsvor-
sorge. Die Armen, „Freie“ wie Sklaven, zählten
als Bürger einfach nicht. Ihr Status als Besitzlose,
denen, soweit vorhanden, ihre karg ausgestatte-
ten Wohnhöhlen lediglich als Nachtlager dienten,
wies bereits voraus auf die von Klaus Schwab, dem
„Vordenker“ der Großen Transformation, erträum-
te Schrumpfung des Menschen zum besitzlosen
Gattungsteilnehmer, zur Minusexistenz eines fle-
xiblen Arbeitsnomaden.
https://gymn.winter-verlag.de
Historisches
Kalenderblatt
25. Februar 1992: In der
Region Bergkarabach werden
im Massaker von Chodschali
mindestens 200 aserbaid-
schanische Zivilisten von
armenischen und russischen
Truppen ermordet. Aserbaid-
schanische Behörden geben
613 Opfer an, davon 106
Frauen und 83 Kinder.
20 | G E S C H I C H T E JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

Gefälschte Karte betrog

Indianer um ihr Land
CAMBRIDGE. Der US-amerikanische
Finis Borussiae Japans
Marionettenstaat
Entdecker und Nationalheld William Clark, Am 25. Februar 1947 wurde mit dem alliierten Kontrollratsgesetz Nr. 46 Preußen aufgelöst Vor 90 Jahren wurde
welcher als Co-Leiter der Lewis-und-Clark- Mandschukuo gegründet
Expedition im Gebiet zwischen dem Mis-
sissippi und der Pazifikküste fungierte und STEFAN SCHEIL an ihr Ende. Als Orientierungspunkt oder Feindbild

FOTO: AKG-IMAGES / AP
später als erster Gouverneur der riesigen, hat Preußen seine Auflösung aber zweifellos über- JÜRGEN W. SCHMIDT
von Texas bis zur kanadischen Grenze rei- lebt. Es kam immer wieder einmal in Mode, gerne
chenden Provinz Missouri amtierte, hat auch idealisiert. An einer vom sozialdemokratischen

D J
die Indianerstämme der Iowa, Sauk und as Gesetz mit der Nummer 46 sei die
Meskwaki um ein Stück Land von der wichtigste Entscheidung des Alliierten
Größe der Schweiz betrogen. Er behaup- Kontrollrats über Deutschland gewe-
tete 1816, dieses Territorium sei 1808 vom sen. Auf diesen Standpunkt stellte sich
Volk der Osage an die Siedler abgetreten jedenfalls der amerikanische Militärgouverneur Lu-
worden und präsentierte als „Beweis“ eine cius D. Clay später in seinen Erinnerungen. Denn
entsprechende Karte. Jetzt freilich fand der mit Gesetz Nummer 46 wurde am 25. Februar
britische Historiker Robert Lee heraus, daß 1947 die Auflösung des Staates Preußen verfügt.
die in den Verhandlungen von 1816 höchst- Für diese Maßnahme fanden sich fast zwei Jah-
wahrscheinlich zum Einsatz gekommene re nach Kriegsende noch einmal alle Siegermächte
Karte kurz zuvor von Clark selbst gezeichnet zusammen, angesichts einer weltpolitischen Situa-
worden war, wonach der Gouverneur dann tion, in der ihr Zusammenhalt längst zu bröckeln
die angebliche „alte“ Grenze von 1808 per begonnen hatte. Der Kalte Krieg zeichnete sich ab,
Bleistift hinzufügte, um die drei Stämme auch als Streit um den Umgang mit der deutschen
zu täuschen (Pressemitteilung der Univer- Beute. Bereits ein Jahr später zog die Sowjetunion
sity of Cambridge vom 7. Februar 2022). ihren Vertreter aus dem Kontrollrat zurück.
Den mutmaßlichen Beleg für den Betrug Man darf aber wohl getrost davon ausgehen,
an den Indianern entdeckte Lee im US- daß es sich bei Gesetz 46 um eine Attacke han-
Nationalarchiv in Washington, wo man die delte, die auch der sowjetischen Geschichtspolitik
Karte einem Offizier namens Eli Clemson besonders gefiel. Sein Text klang geradezu wie ein
zugeordnet hatte. Der Forscher konnte al- realsozialistisches Angebot. Der Staat Preußen sei
lerdings glaubhaft machen, daß die Hand- „seit jeher Träger des Militarismus und der Re-
schrift und der Zeichenstil eindeutig auf aktion in Deutschland“ gewesen, hieß es in der
Clark hindeuten. (ts) Präambel im Sowjetjargon. Er habe „in Wirklich-
www.cam.ac.uk/stories keit“ zu bestehen aufgehört. Demnach hatte also
der „Staat“ militaristisch agiert, nicht das „Volk“,
wie es die laufende Umerziehungskampagne der
Falsche Theorien zur Westmächte suggerierte.
frühzeitlichen Megadürre
Preußen war für die Alliierten
NEW YORK. Viele Klimaforscher behaup- Symbol unzähmbarer Herrschaft
ten, daß es vor 4.200 Jahren eine abrupt
einsetzende globale Megadürre gegeben Warum aber zur angeblichen Sicherung der wei-
habe, welche den dritten und aktuellen teren demokratischen Entwicklung in Deutschland
Abschnitt unseres Erdzeitalters Holozän dann nicht nur dieser Staat, sondern auch ausdrück-
namens Meghalayum einleitete. Dieses so- lich seine Zentralregierung und seine Behörden
genannte „4,2-Kilojahr-Ereignis“ soll auch gesetzlich aufgelöst werden mußten, wenn es sie
für den Zusammenbruch des Reiches von schon nicht mehr gab, das ist viel diskutiert wor-
Akkad, die Instabilität im Pharaonen-Reich den. Auffällig fiel beispielsweise der Kontrast zum
während der Ersten Zwischenzeit und das Schicksal des Deutschen Reiches insgesamt aus.
Ende der Harappa-Kultur im Indus-Tal ver- Obwohl es seit 1945 „in Wirklichkeit“ genauso-
antwortlich gewesen sein. Jetzt mehren sich wenig oder genausoviel bestand wie Preußen, fiel
jedoch die Belege für kleinere zeitversetzte es den Alliierten niemals ein, zu behaupten, es exi-
Trockenperioden von lediglich lokaler Be- stiere nicht mehr. Ein Gesetz über die Auflösung
deutung, womit die Definition des Megha- oder auch nur formale Umgestaltung des Reiches
layum hinfällig wäre (Nature 8/2022). So gab es nicht und gibt es bis heute nicht.
deuten Analysen der Tropfsteine aus der Natürlich läßt sich mit guten Gründen in Zwei-
Mawmluh-Höhle in Indien auf eine Dür- fel ziehen, ob der Kontrollrat überhaupt befugt ge-
reperiode vor 4.300 Jahren hin, während wesen ist, völkerrechtliche Eingriffe von der Dimen-
der Rückgang der Niederschläge im Indus- sion einer Staatsauflösung vorzunehmen. Zudem
Tal in mehreren späteren Phasen zwischen lag der betroffene Staat zu einem großen Teil über-
2260 und 1700 v. Chr. erfolgte. Zudem haupt nicht in dem Gebiet, das dem Kontrollrat
bleiben die Klimaforscher jegliche Erklä- als Besatzungsbehörde unterstand, sondern östlich
rung über die Ursachen des angeblichen davon. Dort allerdings, in den damals neuerdings
Umschlagens des globalen Klimas vor 4.200 von Polen verwalteten Gebieten östlich von Oder
Jahren schuldig. Und letztlich fanden sich und Neiße, begrüßte die verantwortliche Regie-
auf dem Gebiet der drei vermeintlich beson- rung in Warschau ebenfalls Preußens Auflösung.
ders betroffenen Reiche bisher auch keine Insofern handelte es sich bei der Auflösung Preu-
Massengräber mit Verhungerten oder Ver- ßens um einen merkwürdigen symbolischen Akt, der
dursteten. (ts) die jahrzehntelange Feindschaft gegenüber dem zum
www.nature.com/articles Ausdruck brachte, was man in Teilen des Auslands
als deutsches Problem erkannt zu haben glaubte.
Der preußische Herrschaftswille sei unzähmbar, erst
Erste Sätze innerhalb Deutschlands und nun auf der Weltbüh-
ne. Diese Behauptung lag beispielsweise dem legen-
dären Gutachten von Sir Eyre Crowe zugrunde, in
Wir waren schon seit einigen
Berliner Senat ins Leben gerufenen Ausstellung mit
dem Titel „Preußen – eine Bilanz“ rieben sich trotz
einer sehr dezenten Konzeption 1981 manche links-
orientierten Kritiker und witterten Geschichtsrevi-
sionismus. Andererseits kam zu dieser Zeit gerade
die realsozialistische DDR ebenfalls zusehends auf
den Preußengeschmack und entwickelte sich zu
dem, was der Historiker und Filmproduzent Wolf-
gang Venohr ein „rotes Preußen“ nannte.
Die Jahre 1989/90 stellten einige Dinge im frü-
heren Preußen dann sogar auf staatlicher Ebene
noch einmal in Frage. Dazu gehörte zwar nicht
mehr die Oder-Neiße-Linie, doch gab es Hoffnun-
gen auf eine Rückgabe des nördlichen Ostpreußen
nebst der Krönungsstadt Königsberg durch die
Sowjetunion. Oder wenigstens dessen Umgestal-
tung zu einer von Rußlanddeutschen bewohnten
Sonderzone. Auch ein Bundesland Preußen tauchte
gesprächsweise in den Debatten als Bezeichnung
bei einer anstehenden Neuordnung der Bundes-
länder in der früheren DDR auf. Unter solchen
Vorzeichen trat gar der Alliierte Kontrollrat nach
über vierzig Jahren Unterbrechung 1990 wieder zu-
sammen und erinnerte an die Souveränität, die die
Besatzungsmächte immer noch über Deutschland
beanspruchten. Gesetze jedoch erließ er keine mehr.
Ausgerechnet der SPD-Sozialminister Alwin
Ziel im Kabinett Manfred Stolpes entfachte zehn
Jahre später letztmalig die Debatte, als er im „Preu-
ßenjahr“ 2001 vorschlug, bei einer Vereinigung
von Berlin und Brandenburg das neue Bundesland
„Preußen“ zu nennen. Allerdings ließ zu diesem
Zeitpunkt der völlig marode Haushalt der Haupt-
stadt alle Fusionspläne austräumen.
Kurz vor der Abtragung der
Standbilder brandenburgischer
und preußischer Fürsten und Kö-
nige im Berliner Tiergarten 1947:
Die Zeit am liebsten bis
hinter Friedrich den Großen
zurückgedreht
Preußen und Nachkriegsdeutschland
Alliierte Besatzungszonen, Gründung der Bundesländer und
die Ostprovinzen unter polnischer und russischer Verwaltung
apan hatte 1904/05 das russische Zaren-
reich besiegt und damit seine Ansprü-
che in Korea und Nordchina bekräftigt.
Nach dem Ersten Weltkrieg, Japan gehörte
zu den Siegermächten, betrieb das Kaiser-
reich Japan eine aggressive Außenpolitik
im pazifischen Raum und in Nordchina.
Besondere Anstrengungen erfolgten in der
nördlich von Korea gelegenen Mandschurei.
Obwohl diese Region offiziell ein Teil
von China war, geriet sie mehr und mehr
unter japanischen Einfluß. Japan war an den
landwirtschaftlichen Produkten der Man-
dschurei und deren Rohstoffen interessiert.
Zudem plante man in dem rund 800.000
Quadratkilometer großen Gebiet, in wel-
chem 38 Millionen mongolischstämmige
Mandschu und Han-Chinesen lebten, min-
destens eine Million Japaner anzusiedeln. In
erheblichem Maße investierte Japan eigenes
Kapital in der Mandschurei. Ab 1929/30
wurde die wirtschaftliche Durchdringung
der Mandschurei durch den immer heftiger
geführten Bürgerkrieg in China bedroht,
dessen Auswirkungen unter der Bevölkerung
der Mandschurei nationalistische Tenden-
zen hervorriefen. Obwohl die bürgerliche
japanische Regierung Rücksicht auf briti-
sche und amerikanische Interessen in China
zu nehmen hatte, preschten erzreaktionäre
Kräfte der japanischen Armee vor und or-
ganisierten hinter dem Rücken der eigenen
Regierung am 1. März 1932 die Ausrufung
des Satellitenstaates „Mandschukuo“ (Man-
dschuland).
Mit der japanischen
Niederlage endete der Staat
Der japanischen Armeeführung kam da-
bei zupasse, daß der entthronte letzte chi-
nesische Kaiser Pu Yi ein Abkömmling der
mongolischstämmigen Mandschu-Dynastie
war. Folglich installierte man ihn als japa-
nische Marionette und Staatsoberhaupt in
Mandschukuo. Während die USA und Eng-
land diesen Handstreich ablehnten und den
unter sowjetischer neuen Staat nicht diplomatisch anerkann-
Verwaltung
ten, bezogen Deutschland und die Sowjet-
union eine andere Position. Das Deutsche
Reich erkannte Manchukuo im Mai 1938
völkerrechtlich an und betrachtete es im
Zweiten Weltkrieg als verbündeten Staat.
Die Sowjetunion hingegen erklärte sich
in Geheimverhandlungen bereit, die Exi-
stenz von Mandschukuo zu tolerieren, falls
Japan die gleiche Position gegenüber dem
unter polnischer
sowjetischen Marionettenstaat „Mongoli-
Verwaltung
sche Volksrepublik“ beziehen sollte. Dies
verhinderte jedoch nicht, daß 1938 und
1939 zwei heftige sowjetisch-japanische
militärische Konflikte an der Grenze von
Mandschukuo (Chassan-See und Chalchin-
Gol) ausgetragen wurden. Obwohl Japan
sehr bemüht war, die Mandschurei zu japa-
nisieren und dort als offizielle Sprache Japa-
GRAFIK QUELLE: WIKIMEDIA COMMONS

dem der damalige britische Chefdiplomat 1907 sein nisch eingeführt wurde, endete im August
Stunden im Himmel über Europa, Außenministerium auf grundsätzlichen Konfronta- 1945 die Existenz des Marionettenstaates.
als unsere Maschine mit einem tionskurs mit Preußen-Deutschland einstellte. Sie Preußische Provinzen 1922–1938 Von gewaltigen sowjetischen Panzerkräften
sanften Schwenk nach rechts geisterte seitdem durch dessen Flure, auch während Deutschland mit Bundesländern wurde das Land überrollt und 1946 an die
des Zweiten Weltkriegs unter Crowes Nachfolger Republik China übergeben. Allerdings ge-
unten den Landeanflug auf den
Robert Vansittart, der die Zeit am liebsten bis hinter Die vier Besatzungszonen am 8. Juni 1947 lang es der nationalchinesischen Regierung
Flughafen von Kiew begann. Friedrich den Großen zurückgedreht hätte. Britische Besatzungszone unter Tschiang Kai-schek nicht, die Pro-
Guido Westerwelle (mit Dominik Weich- Die Geschichte dieses „Preußen“ kam weniger Sowjetische Besatzungszone vinz unter ihre Kontrolle zu bekommen, die
mann): Zwischen zwei Leben. Von Liebe, Tod mit dem Jahr 1947 als mit dem Verlust von Pom- Amerikanische Besatzungszone Mandschurei wurde sogar zur Machtbasis
und Zuversicht, Hamburg 2015 mern, Schlesien und West- und Ostpreußen sicher Französische Besatzungszone der Kommunisten.

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JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022
Kontrukt des
Protestantismus
Der US-Theologe Joel S. Peters
und das „Sola Scriptura“-Prinzip
WERNER OLLES
D
er US-amerikanische Theologe,
Religionswissenschaftler und Psy-
chologe Joel S. Peters unterzieht in
seiner kleinen apologetischen Schrift eines
der Hauptprinzipien, auf die sich der Pro-
testantismus stützt, „Sola Scriptura“ – „Die
Schrift allein“, einer akribischen und sach-
kundigen Belastungsprobe. Das Resultat ist
eindeutig: Das „Sola Scriptura“-Prinzip ist
ein menschliches Konstrukt und der von
Christus gestifteten Religion und Kirche
fremd. Tatsächlich steht es sogar im Wi-
derspruch zur Heiligen Schrift, den histo-
rischen Fakten und dem gesunden Men-
schenverstand.
So wird die Schrift nicht nur zum alleini-
gen Ort theologischer Erkenntnis erhoben,
während die Gegenreformation mit ihren
großen Theologen Robert Bellarmin, Pe-
trus Canisius und Franz von Sales bewies,
daß Heilige Schrift, Tradition und Lehramt
nach dem Willen göttlicher Vorsehung un-
trennbar verbunden sind. Die Spaltung, die
durch die Formulierung „die Schrift allein“
entstand, ist wohl in nicht geringem Maß
auf Martin Luthers Ringen mit seiner für
ihn problematischen Vergangenheit als Au-
gustinermönch und Priester und auf seinen
durch Zweifel, Verzweiflung, Schuldgefühle
und ein übertriebenes Sündenbewußtsein
psychisch-labilen Seelenzustand zurückzu-
führen.
Joel S. Peters: Die Schrift
allein? 21 Gründe gegen
das protestantische Bibel-
verständnis. Renovamen-
Verlag, Bad Schmiedeberg
2021, 115 Seiten, 12 Euro
Die römisch-katholische Kirche ent-
nimmt indes ihre Lehre der göttlichen Of-
fenbarung, also der „Heiligen Schrift“ und
der mündlichen Überlieferung, der Traditi-
on. Beide sind gleichermaßen Quellen der
christlichen Religion. Zwar war Luthers
Protest gegen bestimmte Mißstände in der
Kirche wie beispielsweise ein übertriebener
Klerikalismus oder der skandalöse Lebens-
wandel selbst der höchsten Geistlichkeit
durchaus berechtigt, doch seine Behaup-
tung, die Kirche habe die biblischen Wahr-
heiten und die christliche Lehre verfälscht,
entbehrten jeder Grundlage.
Fest steht, daß das „Sola Scriptura“-
Prinzip nirgends in der Bibel gelehrt wird,
hingegen die mündliche Überlieferung als
Ergänzung der „Heiligen Schrift“ anzuneh-
men ist. So empfiehlt der Heilige Paulus
im Ersten Korintherbrief ausdrücklich die
Bewahrung der mündlichen Tradition. Da-
her enthält sie auch nichts, was der Bibel
in irgendeiner Weise widerspricht, und so
bezeichnet die Bibel auch die Kirche – und
nicht die Bibel als „Säule und Grundfeste
der Wahrheit“. Ob die Anklage des und
seit über vier Jahrzehnten im Kirchendienst
als Theologielehrers an einer katholischen
High School tätigen Peters tatsächlich „ein
Grundpfeiler des Protestantismus restlos
dekonstruieren“ wird, wie der Verlagstext
urteilt, muß aber dahingestellt bleiben.
Gunnar Kaiser
Der Kult
Über die Viralität des Bösen
Auf der Suche nach einer Antwort auf die
Frage „Wie konnte all das bloß gesche-
hen?“ nimmt Gunnar Kaiser uns mit auf
eine philosophische Reise ins Dickicht der
Kultideologie, ins Innerste einer vergifte-
ten Gesellschaft. Kaisers Buch weist den
Weg aus selbst verschuldeter Ohnmacht
hin zu einer Kultur der Lebendigkeit und
Freiheit.
360 S., Pb.
Best.-Nr.: 95660 20 Euro
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht mit dem Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais (r.), und Brigadegene-
ral Christian Freuding (l.), auf dem Panzerübungsplatz Munster 2022: Deutschland ist auf einem schlechten Weg
Erneuerung der Staatsräson
Die in London lehrenden Politikwissenschaftler Maximilian Terhalle und Bastian Giegerich
über notwendige Strategien deutscher Verteidigungspolitik
PETER SEIDEL
D
as kleine Büchlein richtete sich an „den
nächsten deutschen Kanzler“, dessen
Aufgabe folgendes sein sollte: eine breite
gesellschaftliche Unterstützung für ein
neues Konzept zur Rolle militärischer Macht für
eine modernisierte deutsche Staatsräson herbeizu-
führen. Dies werde, so die Autoren Bastian Gie-
gerich und Maximilian Terhalle für das Londoner
Institut für Strategische Studien (IISS), keine leichte
Aufgabe. Doch sei sie innerhalb des kommenden
Jahrzehnts unausweichlich notwendig, sich ihr zu
stellen eine zentrale Aufgabe politischer Führung.
Das in englischer Sprache verfaßte Büchlein hat
den Titel „Die (deutsche) Verantwortung zur Vertei-
digung. Strategische Kultur neu denken“, erschie-
nen in der traditionellen Adelphi-Paper-Reihe des
IISS (Nr. 477) noch vor der Bundestagswahl und in
Unkenntnis des Wahlsiegers. Beiden Autoren geht
es somit um generelle Aussagen, unabhängig von
möglichen Parteienkoalitionen, im besten Sinne
also um eine Blaupause zur Erneuerung deutscher
Staatsräson. Das schafft einerseits den notwendi-
gen Abstand, sorgt andererseits aber für ein Argu-
mentieren unabhängig von Parteiprogrammen und
Koalitionsvereinbarungen. Darin liegt die Stärke,
aber auch die Schwäche des Papiers. Denn niemand
weiß, ob etwas und wieviel von ihren Vorschlägen
aufgegriffen und umgesetzt würde. Die damit ver-
bundene Überparteilichkeit könnte aber zumin-
dest für eine gefestigte Opposition ein realistischer
Maßstab ihrer sicherheitspolitischen Arbeit sein.
Die Autoren liefern eine Folie, von der sich alt-
bekannte deutsche Leistungsdefizite ebenso wie jah-
relanger Unwillen und Unvermögen deutscher Si-
cherheitspolitik klar abheben. Ihr Fazit: „Deutsch-
land ist auf einem schlechten Weg.“ Deutschlands
Sicherheitspolitik sei problematischer als die be-
kannten Beschaffungsprobleme, Finanzierung und
Ausrichtung der Bundeswehr vermuten ließen. Es
handle sich dabei um neue strategische Herausfor-
derungen geopolitischer Art, die von den Berliner
Eliten weder in ihrer Unumgänglichkeit noch ihrer
Dringlichkeit gesehen würden.
Sheldon S. Wolin
Umgekehrter Totalitarismus
Faktische Machtverhälnisse und ihre
zerstörerischen Auswirkungen auf
unsere Demokratie
Seit Ende des 20. Jahrhunderts sehen
wir uns vermehrt neuen, postdemokrati-
schen Regierungstechniken ausgesetzt,
die Elemente der liberalen Demokratie
mit denen totalitärer politischer Systeme
verbinden. Das Streben nach Superpower
und das Management von Demokratie ha-
ben zu diesem „umgekehrten“ Totalitaris-
mus geführt, so Sheldon S. Wolin.
550 S., geb.
Best.-Nr.: 95658 36 Euro
Auf 150 Seiten umfaßt der schmale Band fünf
Kapitel, die sich mit „den Quellen des deutschen
Verhaltens“, „Deutschlands gestörter Sicherheits-
politik“, „Beschaffungspolitik, Technologie und
Industrie“, mit „einer neuen strategischen Menta-
lität“ in Deutschland sowie mit „Elementen einer
neuen Sicherheitspolitik“ beschäftigen. Die Auto-
ren belegen dabei nachdrücklich, daß Deutschland
dabei sei, seine militärischen Fähigkeiten weiterhin
erodieren zu lassen, die Interoperabilität mit seinen
engen Partnern sowohl in der Nato wie in der EU
(soviel zum Thema „europäische Armee“!) zu ver-
lieren und seine verteidigungstechnologische und
-industrielle Basis weiter zu schwächen.
Dies bedeutet, daß die Fortführung dieser Ent-
wicklung, so die Autoren, zugleich die politischen
Optionen und Wahlmöglichkeiten jedes zukünf-
tigen deutschen Kanzlers ausdünnen würde. Und
dies zu einem Zeitpunkt, wo Deutschland seine Si-
cherheit nicht mehr an die USA outsourcen könne.
Von einem Nettoimporteur von Sicherheit müsse es
deshalb künftig zum Nettoexporteur von Sicherheit
zugunsten westlicher und vor allem europäischer
Verteidigung werden. Deutschlands strategisches
Ziel müsse sein, maßgeblich dazu beizutragen, daß
Europa Rußland abschrecken und sich selbst ver-
teidigen könne. Dafür müsse sich aber das Land
in der Mitte Europas zur führenden europäischen
Landmacht entwickeln (gemeint ist wohl in der
EU!). Aber allein der Neuaufbau der Bundeswehr
würde wieder an die 15 Jahre benötigen, entspre-
chenden Willen einmal vorausgesetzt.
Beide Experten verschweigen nicht, daß es unab-
hängig von jeder Koalitionszusammensetzung gra-
vierende Hindernisse für Veränderungen gibt. Dazu
zählen sie ein fehlendes strategisches Bewußtsein,
Bastian Giegerich,
Maximilian Terhalle:
The Responsibility to
Defend: Rethinking
Germany‘s Strategic Cultu-
re. The International Insti-
tute for Strategic Studies,
London 2021, broschiert,
150 Seiten, 21,45 Euro
Patrik Baab
Recherchieren
Ein Werkzeugkasten zur Kritik der
herrschenden Meinung
Statt Macht- und Gewaltverhältnisse
aufzuklären, vernebelt die Presse oft die
Interessen von Machteliten und wird so
zum Helfer der Gegenaufklärung. Dieses
Buch zeigt, wie Kritik und Kontrolle von
Eliten wieder in den Mittelpunkt der
Recherche rücken können. Baab bietet
einen Werkzeugkasten mit Instrumenten
der Aufklärung.
256 S., Pb.
Best.-Nr.: 95659 20 Euro
gerade auch beim „intellektuellen Mainstream“, die
Monopolstruktur der Deutschen Forschungsför-
derung (DFG) mit ihrer einseitigen Ausrichtung
auf corporate governance-Philosophie (und „Frie-
densforschung“) sowie einen mangelnden Willen
von Thinktanks und Experten, Regierungspolitik
zu kritisieren, ebenso wie ein falsches oder fehler-
haftes, jedenfalls aber nicht mehr hilfreiches Ver-
ständnis der Lektionen aus der eigenen Geschichte.
Nur am Rande widmen sich die Autoren Fragen
der deutschen nuklearen Sicherheit, insbesondere
der Frage der „nuklearen Teilhabe“ und was an ih-
re Stelle treten könnte. Angesichts der Größe der
anstehenden Aufgaben erscheint die Konzentration
auf den konventionellen Bereich und grundlegende
Zukunftsfragen als kluge Beschränkung. Weniger
ist eben manchmal durchaus mehr, auch wenn
das nukleare Thema hierzulande sicher noch für
beträchtliche Aufregung sorgen dürfte.
Allerdings muß die Frage gestellt werden, was
Vorschläge wie die von Terhalle und Giegerich über-
haupt bewirken können, wenn parteiübergreifend
maßgebliche Politiker von SPD und CDU wie
Scholz und Schäuble sich erklärtermaßen darin
einig sind, ganz auf eine nationale deutsche Armee,
also die Bundeswehr, zugunsten europäischer Streit-
kräfte verzichten zu wollen. Dies mag die aktuelle
politische Kultur sein, aber gewiß keine, die den
Namen „deutsche strategische Kultur“ verdient.
Hier sei an die alte Warnung von Sebastian Haff-
ner erinnert: „Zu jedem guten oder schlechten Re-
gierungssystem gehört eine besondere Kategorie
von Menschen, die genau zu ihm passen und in
diesem System ein prächtiges Leben führen. Solange
alles normal und komplikationslos verläuft, ist dem
Regime der von ihm begünstigte Typus eine Stüt-
ze. Aber es kann passieren, daß dieser Typus sich
unter dem negativen Einfluß einer Abdankungs-
psychose selbst aufgibt und ‘sein’ System zerstört
– wie es die republikanisch gesinnten Deutschen
im Fall der Weimarer Republik getan haben.“ Und
dennoch: Der Versuch von Giegerich und Terhalle
verdient alle Anerkennung für die zahlreichen gu-
ten und notwendigen Anregungen, Deutschland
wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Möge ihr
schmales Bändchen viele Leser finden – vielleicht
sogar in der Berliner Politik?
Thomas Fasbender
Wladimir W. Putin
Eine politische Biographie
JF-BD-9/2022
Die erste Putin-Biographie eines deut-
schen Autors seit mehr als zwei Jahr-
zehnten – weder pro noch contra, weder
Anklage noch Verteidigung. Stattdessen
eine klassische Biographie, gut lesbar er-
zähltes Leben. Thomas Fasbender ist kein
Verehrer und kein Verächter, er blendet
nichts aus, nicht die Vorwürfe, nicht die
fundamentale Kritik.
566 S., geb.
Best.-Nr.: 95583 30 Euro
Abbildungen können vom Original abweichen!
L I T E R A T U R | 21
FOTO: IMAGO IMAGES/BJˆRN TROTZKI
Frisch gepreßt
Neudeutsche Führerin. Wer weiß, viel-
leicht wäre Annalena Baerbock, die damalige
Co-Vorsitzende der Grünen, wirklich ins
Kanzleramt eingezogen, wenn nicht einige
Protagonisten der Gegenöffentlichkeit wie
Hadmut Danisch und Roland Tichy ihren
getürkten Lebenslauf skandalisiert hätten. In
letzter Minute derart ausgebremst, hat die
Hochstaplerin es aber jetzt immerhin mit
ein paar Scheinen aus dem Grundstudium
Politologie und einem dubiosen, an einer
Londoner Bezahl-Universität „erworbenen“
Au-pair-Master in „Völkerrecht“ bis an die
Spitze des Auswärtigen Amtes gebracht. Bei
den heute für das politische Führungsper-
sonal der BRD gültigen Qualifikationsstan-
dards wäre ihr das allerdings auch mit ei-
nem „Seepferdchen“ im Schwimmausweis
gelungen. Denn ausschlaggebend für solche
Karrieren sind nicht Kompetenzen, sondern
Kontakte. Und über die, das belegt Michael
Grandts akribisch recherchierte Biographie,
verfügt die „junge globale Führerin“ in rei-
chem Maß. Deutsche Interessen dürfte die
neue AA-Chefin demnach nicht vertreten.
„Durch Baerbock“, eine Marionette des Da-
voser Weltwirtschaftsforums und New Yor-
ker Großspekulanten, so lautet das Fazit von
Grandts mit 749 Fußnoten gegen den billi-
gen Vorwurf der „Verschwörungsideologie“
gepanzerten Studie, „bilden die Grünen nun
die Speerspitze einer postindustriellen Ge-
sellschaft, auf die das globale Finanzkapital
seine Hoffnungen setzt“. (wm)
Michael Grandt:
„Junge globale Führerin.“
Annalena Baerbock:
Wer sie ist – wer sie steu-
ert – was sie will. Kopp
Verlag, Rottenburg 2021,
gebunden, 239 Seiten,
19,99 Euro
Grüne Satire. Mit George Orwells Zitat
„Jede Generation hält sich selbst für intel-
ligenter als die vorherige und weiser als die
nach ihr“, leitet der Blogger Peter Borbe
(borblog.de) sein satirisches Werk ein. Den
von ihm dargestellten 117 Situationen ist
schnell anzumerken, daß es sich um dys-
topische Gedankenexperimente handelt.
Andererseits ist offensichtlich, daß vie-
le seiner geschilderten Szenarien aus der
„Grünen-Welt“ direkt durch reale Aussa-
gen und Geschehnisse inspiriert wurden.
Beispiel: „Um racial profiling zu vermeiden,
muß die Polizei Quoten bei Kontrollen er-
füllen. Wenn in der Nähe eines Drogen-
brennpunkts ein Schwarzer kontrolliert
wird, dann muß auch die nächste weiße
Oma gefilzt werden.“ Dieses Zusammen-
spiel regt den Leser gleichermaßen zum
Nachdenken wie zum Schmunzeln an. Die
Tatsache aber, daß heutige politische Rea-
litäten noch vor wenigen Jahren als völlig
skurril galten, könnte dazu führen, auch
Borbes Satiren einen prophetischen Cha-
rakter nahezulegen. (ew)
Peter Borbe:
Leben in der Grünen-Welt.
Ein satirischer Blick in ei-
ne grüne Zukunft. Verlag
Tredition, Hamburg 2021,
gebunden, 125 Seiten,
15,99 Euro
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22 | N A T U R & T E C H N I K
Testmission zur Abwehr von
Asteroideneinschlägen läuft Die Welt reduziert im Computer
LAUREL. Was tun, wenn ein Asteroid auf
Vor 50 Jahren erschien der
die Erde zurast? Wie im Film „Armaged-
don“ einfach Bruce Willis ins All schicken,
alarmierende Bericht über
der den Planetoid mit einer Atombombe
sprengt? Die Nasa, die europäische Raum- „Die Grenzen des Wachstums“
fahrtbehörde Esa und Physiker der Johns
Hopkins University setzen lieber auf Prä-
vention. Dazu zählt zunächst ein präziseres VOLKER KEMPF
Wissen über diese „potentiell gefährlichen“
Himmelskörper, von deren Begegnungen
mit der Erde fast 200 nachgewiesene Ein-
D
schlagkrater zeugen. Zur Asteroiden-Er- en linken Wortführern der Protestbe-
kundung ist im Rahmen des gemeinsamen wegungen der späten sechziger Jahre
Asteroidenprojekts Aida im November 2021 ging es um den Vietnamkrieg und
die Nasa-Sonde Dart gestartet. Sie soll am „gesellschaftliche Veränderungen“.
26. September 2022 den erdnahen Dop- Wohlstandskinder sympathisierten mit brutalen
pelasteroiden „65803 Didymos“ erreichen, Diktatoren wie Mao, einige gingen sogar in den
um dann zu demonstrieren, daß sich seine Untergrund und erklärten den westlichen Demo-
Bahn durch den Aufschlag einer Raumson- kratien den Krieg. Um Natur- und Umweltschutz
de ändern läßt. Da aber der 1996 entdeckte ging es ihnen nicht. In Washington zeigte sich
Asteroid mit 780 Metern Durchmesser zu das exemplarisch: Am 1. März 1971 zündeten die
groß ist, soll Dart auf seinem Minimond Linksterroristen des „Weather Underground“ eine
Dimorphos (160 Meter) aufprallen. Eine Bombe auf der Senatsseite des US-Kapitols.
Esa-Sonde wird dann 2024 die Auswirkun- Nicht mal einen Kilometer weiter westlich, im
gen dieser kalkulierten Karambolage genau 1855 eingeweihten „Smithsonian Castle“, dem
untersuchen (Physik Journal, 1/22). (ft) Zentrum der Washingtoner „Schatzkiste“ aus 17
nasa.gov/planetarydefense/dart Museen und Galerien, präsentierten am 2. März
1972 Wissenschaftler des Massachusetts Institu-
te of Technology (MIT) ihren Bericht über „Die
„Gen-Madai“: 20 Prozent Grenzen des Wachstums“ (The Limits to Growth/
LTG). Die vom 1968 gegründeten „Club of Ro-
mehr eßbares Fischfleisch me“ beauftragte und von der Volkswagenstiftung
mitfinanzierte Studie versuchte mit Computer-
MÜNCHEN. In Japan ist ein genveränder- modellen die bange Frage zu beantworteten: Wie
ter Speisefisch als Nahrungsmittel zugelassen lange reichen die natürlichen Ressourcen, wenn die
worden: der dort beliebte Madai (Rote Meer- Weltbevölkerung immer weiter wächst?
brasse). Forscher der Universität Kyōto ist „Es waren nicht die Revoluzzer der 68er-Be-
es gelungen, mit der Genschere Crispr/Cas wegung, sondern der neu gegründete hoch ange-
das Myastin-Gen von Pagrus major auszu- sehene Club of Rome aus Industrieführern, Mei-
schalten, das sein normales Muskelwachstum nungsführern und Wissenschaftlern, von dem der
hemmt. Der „Gen-Madai“ kann daher bis zu große Anstoß zum Umdenken ausging“, erklärte
20 Prozent mehr eßbares Fleisch ansetzen. der Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD),
Daten darüber, wie sich die Genmanipula- erster Leiter des Wuppertal Instituts für Klima,
tion auf Lebensdauer und Tiergesundheit Umwelt, Energie und bis 2018 Co-Präsident des
auswirkt, wurden allerdings nicht veröffent- Club of Rome. Die Erde lasse sich nicht „übernut-
licht, kritisiert das Münchner Institut für zen“. Von diesen Grenzen her müsse gedacht und
Folgenabschätzung in der Biotechnologie. gehandelt werden. Die Zivilisation müsse lernen,
Auch Untersuchungen darüber, ob die Zucht nachhaltig zu haushalten – oder sie werde scheitern.
mit Tierleid verbunden sei, scheine es nicht Entscheidungen von heute haben Auswirkungen für
zu geben, obwohl die Fische eine verkürzte morgen. Wenn Grenzen erst einmal überschritten
Körperlänge und eine Fehlstellung im Rük- sind und spürbar werden, könnte es zu spät sein.
kenwirbel aufweisen. Da bei der Crispr/Cas-
Methode keine zusätzlichen Gene eingefügt Die Weltbevölkerung stieg von
würden, durften die Japaner auf eine Risi-
kobewertung verzichten (Natur, 2/22). (rs) 3,8 auf heute 7,8 Milliarden an
www.testbiotech.org/aktuelles
Am ersten „Bericht des Club of Rome zur La-
ge der Menschheit“ waren 17 Experten aus den
„Landeigentümer werden Amerika, Europa, Indien, dem Iran und der Türkei
beteiligt, auf dem Buchtitel der Originalausgabe
wieder zu Bittstellern“ standen der US-Ökonom Dennis Meadows, sei-
ne Frau Donella und der Admiralssohn William
POTSDAM. Die „Freien Bauern Bran- Behrens III sowie der norwegische Physiker Jørgen
denburg“ haben den Entwurf für ein neu- Randers. 1992 erschien das erste und 2004 mit
es Landesjagdgesetz scharf kritisiert. „Die zweijähriger Verspätung das „30-Year Update“ der
geplante Zersplitterung der Reviere und die LTG, in dem erneut zum „Kurswechsel“ aufgeru-
mögliche Einführung von Abschußpflich- fen wird. Damit stellt sich die Frage, die auch von
ten würde jede Freude an der Jagd in einem Weizsäcker in seinem Vorwort zur deutschen Neu-
bürokratischen Chaos ersticken“, warnte auflage von 2020 umtreibt: Waren die vergangenen
Frank Michelchen, Landesvorstand des Ver- Jahrzehnte verlorene Zeit, wurde der Kurs nicht
bands der bäuerlichen Familienbetriebe in geändert? Oder gibt es völlig neue Erkenntnisse,
Deutschland. Die Gesetzesnovelle sei völlig wie auf einem Schiff, das auf Hoher See plötzlich
praxisfern: „Am Ende bestellt der Staat die einen „Eisberg voraus“ sichtet?
Jäger, und wir Landeigentümer werden wie- Die Weltbevölkerung wuchs von 3,8 auf 7,8
der zu Bittstellern wie vor 200 Jahren – nur Milliarden an – Tendenz weiter steigend. Doch mit
eben nicht mehr beim Adel, sondern künftig Überraschungen der Natur ist zu rechnen – Corona
beim Amtsdirektor“, so der 56jährige Bio- oder massive Ernteausfälle sind solche Unbekann-
bauer und Jäger aus Leibsch im Spreewald. ten. Die Klimaerwärmung sei hinzugekommen.
Die Landwirtschaft habe ein existentielles Und letzteres dominiert mittlerweile das hektische
Interesse daran, Wildschäden an ihren Kul- Treiben an Bord der Weltgesellschaft. Der tech-
turen gering zu halten. Jagdgenossenschaf- nische Umweltschutz brachte Entlastungseffekte
ten seien zudem „gelebte Demokratie“, die – vom Auto-Katalysator oder der Rauchgasent-
die Bindung zum Land aufrechterhalten und schwefelung profitierten Mensch und Natur. Dafür
das Dorfleben bereichern. (fis) ist die Artenvielfalt stärker bedroht – es schwinden
www.freiebauern.de der Regenwald, die Wildnis in Afrika, die Fisch-
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ines Ketzers
Klima-Paniker: Modellrechnungen lassen sie den Untergang der Welt fürchten
bestände in den Weltmeeren sowie Bienen und
Singvögel hierzulande. Die Kohlereserven reichen
für Jahrhunderte, doch ihrer Nutzung steht die
CO2-Frage entgegen.
Bieten Atom-, Sonnen- und Windkraft sicheren
Ersatz? Der „Peak Oil“ wurde hinausgeschoben –
durch die Erschließung neuer Öl- und Erdgasre-
serven und durch neue Förderungstechniken. Das
symbolische Ölfaß war nie halb voll oder halb leer,
es glich eher einer Zitrone, die mit steigendem Auf-
wand immer weiter ausgepreßt werden kann. So
oder so endet hier jede Kurvendiskussion irgend-
wann im Nichts. Was nach theoretischer System-
dynamik klingt, hat eine praktische Seite: Dazu
zählen der US-Einmarsch in den Irak oder der Auf-
stieg Chinas, wie Randers 2012 in „2052“, seiner
LTG-Prognose „für die nächsten 40 Jahre“ zeigt.
Eines haben die mehrfach revidierten „Grenzen
des Wachstums“ und die apokalyptischen Berichte
des 1988 gegründeten UN-Weltklimarates (IPCC)
gemeinsam: Hier wie da beruhen die Prognosen
auf Computersimulationen. Das dynamische Mo-
dell „World2“ des MIT-Informatikers Jay Wright
Forrester (1918–2016) verknüpfte erstmals Daten
zu Bevölkerung, Ernährung, Industrie, Umwelt,
Ressourcen und Lebensqualität. Das erweiterte
„World3“-Modell war für die Meadows und ihre 15
Kollegen – darunter die späteren Professoren Stef-
fen Harbordt (TU Berlin), Peter Milling (Mann-
heim) und Erich Zahn (Stuttgart) – Grundlage der
LTG-Warnungen.
Beim Klima sind die Modelle viel komplexer.
Die Computer sind auch leistungsfähiger – doch
kleine Variationen der Daten oder Algorithmen lie-
fern unterschiedliche Szenarien. Wer den Menschen
nicht für den Hauptverantwortlichen beim Klima-
wandel hält, kommt heute kaum noch zu Wort.
Wer Alarm schlägt, bestimmt die Debatte. Doch
die Warner haben an Glaubwürdigkeit verloren,
die Apokalypse ist immer noch nicht eingetreten.
Auch von Weizsäcker ahnt das, wenn er schon
dem LTG-Update von 2004 mit seinem Ruf nach
Umkehr und Effizienz keine große mediale Reso-
nanz mehr bescheinigt. Der „ökologische Fuß-
abdruck“ – die Maßeinheit für die menschliche
Belastungen auf die Umwelt – lag laut Randers
vor zehn Jahren schon bei 1,4 Erden. Es gibt also
Dieses Buch erschien 1986.
Nichts ist lehrreicher als sein Vergleich mit
der Gegenwart und der Corona-Diktatur.
WIDER DAS VERGESSEN !
»Hoevels behandelt in der genannten Schrift die Ursachen, weshalb eine Eingrenzung des AIDS-Virus durch prophylaktische
Seuchenhygiene (etwa: zweimalige Testung der gesamten Bevölkerung im Abstand von drei Monaten) in der Bundesrepublik
bis jetzt unterlassen worden ist: ›Die AIDS-Seuche gilt erdrückend weiten Kreisen [...] als ein wahres Geschenk Gottes, welches
endlich mit der potentiell subversiven sexuellen Liberalität der letzten Jahrzehnte aufräumen wird.‹ Sehr einverstanden.«
JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022
Umwelt
Licht und
FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA
Schatten
Von Bernd Rademacher
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er Afrikanische Waldelefant, der
Glattwal oder Feldhamster – sie
stehen mit Tausenden anderen auf
der „Roten Liste“ der vom Aussterben be-
drohten Tierarten der Weltnaturschutzunion
IUCN. Doch auch die Vielfalt einheimischer
Nutztierrassen ist gefährdet. Das geht aus der
aktuellen „Roten Liste“ der Zentralen Do-
kumentation Tiergenetischer Ressourcen in
Deutschland (TGRDEU) hervor. Demnach
gelten 56 der 80 dort registrierten Groß-
und Kleintiere als bedroht. Als „extrem ge-
fährdet“ gelten Rassen mit weniger als 200
Individuen. Ab einem Bestand von tausend
Individuen gilt eine Art als gesichert. Vom
Ansbach-Triesdorfer Rind dagegen gibt es
in Bayern nur noch ganze sechs Bullen, die
für Nachwuchs sorgen könnten. „Extrem
gefährdet“ sind auch Aylesbury-Enten, West-
fälische Totleger-Hühner und das Fuchska-
ninchen. Am kritischsten ist die Situation
bei den Gänserassen.
„Der Wolf macht eine
naturnahe Weidehaltung von
Schafen und Ziegen immer
schwieriger.“
Bei einigen Pferderassen gibt es gute
keinen Grund zur Entwarnung. Daß die Frage des Nachrichten, etwa beim Lehmkuhlener
Bevölkerungswachstums inzwischen meist ignoriert Pony, einer Zucht des Barons von Donner
wird, macht die Situation noch schwieriger. Denn aus Preetz in Holstein von 1913. Zudem
hier liegt ein Grund dafür, daß der „Fußabdruck“ widmen sich regionale Initiativen dem ge-
zu einem Megaproblem wurde – sprich: Immer zielten Erhalt alter Nutztierrassen – nach
mehr Land und Ressourcen werden für Nahrung, dem Motto: „Erhalten durch Aufessen“. Ein
Kleidung, Heizung, Freizeit & Co. benötigt. Beispiel ist das Bunte Bentheimer Schwein.
Daneben gibt es Förderprogramme mit Hal-
„Narren und Schwindler“ terprämien. Das Modelabel „Nordwolle“
half, das Pommersche Landschaf zu konso-
als grün-linke Trittbrettfahrer lidieren, indem es die strapazierfähige Wol-
le zu Textilien verarbeitet. Und wegen der
Aber wer spricht in Zeiten der Political Correct- Afrikanischen Schweinepest (ASP) wurde
ness noch von „Bevölkerungssdruck“? Die EU soll einige bestandsgefährdete Schweinerassen
bis 2050 mit Billionenkosten „klimaneutral“ wer- in andere Regionen umgesiedelt oder in
den – doch bis dahin steigt die Weltbevölkerung Zoos verbracht. Die deutschen Ziegen- und
laut Uno auf 9,74 Milliarden Menschen. Mehr als Schafrassen gelten als „Beobachtungsfälle“.
das Vierfache der EU kommt also hinzu, vor allem Hier ist es der Wolf, der eine naturnahe
in Afrika und islamischen Ländern. Die Bevöl- Weidehaltung immer schwieriger macht.
kerungszahl in Europa und Nordamerika – ohne Und die eingewanderten Raubtiere vermeh-
Zuwanderung gerechnet – sinkt seit Jahrzehnten ren sich unaufhaltsam. Aber wegen zuneh-
hingegen. Dafür ist aber der Pro-Kopf-Verbrauch mender Rißschäden (JF 50/21) dürfen sie
an Ressourcen gestiegen – das gilt auch für Chi- nun ausnahmsweise abgeschossen werden.
na, Indien, Brasilien und andere Schwellenländer.
Es waren 68er-Vordenker wie Herbert Marcuse, „Rote Liste“ der TGRDEU:
die alle Probleme einfach beim Kapitalismus ab- tgrdeu.genres.de
luden. Sie verkannten dabei nicht nur die große
Ressourcenverschwendung im Realsozialismus.
Viele Linke versuchten, auf den Zug des Welt-
bestsellers von 1972 aufzuspringen, nicht wenige Erkenntnis
darunter waren „Narren und Schwindler“ (Roger
Scruton). Organisationen wie Greenpeace sammel-
ten, einem modernen Ablaßhandel gleich, Spenden „Wenn ich an einem Gerät trainiere,
von „Umweltsündern“. Viele haben auch einfach desinfiziere ich es vorher. Auch Um-
den Überblick verloren und reagieren panisch. Wer
dennoch handeln will, reduziert die Komplexi- kleiden und Duschen in Trainings-
tät auf Symbolpolitik: Nach „Fridays for Future“ stätten ist hygienisch gesehen oft
und „Extinction Rebellion“ drangsaliert nun die eine Katastrophe. Sie sollten auch
selbsternannte „Letzte Generation“ mit Straßen- im Schwimmbad nicht barfuß ge-
blockaden das arbeitende Volk. Noch ist das nicht hen. Deshalb kämpfen wir Hautärzte
ganz so drastisch wie die teilweise ins Militante ab- dafür, daß traditionelle Saunaregeln
gerutschten antikapitalistischen „Aktionen“ nach
– wie Schuhe vor der Tür abstellen
1968. Aber auch hier gilt: Die Zukunft ist offen.
– endlich abgeschaff t werden.“
„The Limits to Growth“-Originalausgabe von 1972: Christoph Liebich, Facharzt für Haut- und
donellameadows.org/the-limits-to-growth-now- Geschlechtskrankheiten und Chef der
available-to-read-online Dermazent-Praxis in München
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Nr. 9 / 22 | 2 5 . Februar 2022
„Schwarmintelligenz? Ameisen!“
Zu: „Den bittersten Preis zahlt Kiew“ von
Bruno Bandulet, JF 8/22
Die Bedrohung durch Rußland ist real
Wieder so ein Artikel eines „Rußland-Verstehers“,
der Rußland und den armen Putin als Opfer west-
licher Politik sieht. Allerdings hat Rußland keiner-
lei Anrecht auf wirtschaftliche, ideologische oder
militärische Gefolgschaft seiner Anrainerstaaten.
Zudem sind die Länder des ehemaligen Ostblocks
souveräne Staaten, die selbst entscheiden können,
wem sie sich annähern wollen, von wem sie sich
bedroht fühlen und wen sie um Unterstützung
bitten. Und wenn sie ein starkes militärisches mul-
tinationales Verteidigungsbündnis an ihrer Seite
wünschen, ist auch das ihr Recht. Rußland mag
das nicht gefallen, aber hat nicht das Recht dies
zu verhindern. Hat anderseits die Nato das Recht
diesen Wunsch abzulehnen? Der Vergleich eines
Militärbündnisses zwischen China und Kanada
sowie Mexiko hinkt gewaltig. Zum einen ist die
Nato kein Staat und zum anderen fühlen sich diese
Länder durch die USA nicht bedroht. Die russische
Bedrohung ist jedoch äußerst real, auch wenn der
Autor keine objektive Grundlage sieht. Die An-
nexion der Krim, die massive Unterstützung von
Separatisten (nicht nur in der Ukraine) und das
militärische Muskelspiel an der Grenze sprechen
eine deutliche Sprache.
SEBASTIAN FRITSCHE, TAUBERBISCHOFSHEIM
Mißverständnis, oder: Minsker Abkommen
Was hat Moskau gemäß dem Minsker Abkommen
zu erfüllen bzw. nicht erfüllt? In diesem Abkom-
men hat Moskau nichts zu erfüllen. Rußland ist
wie Deutschland und Frankreich Garantiemacht
– nichts weiter. Alle Auflagen des Abkommens be-
treffen ausschließlich die beiden streitenden Seiten
in der Ukraine. Und gemäß dem Abkommen hat
Kiew den ersten Schritt zu tun – lehnt aber genau
dies mit Deutschlands Unterstützung ab! Wer üb-
rigens war es, der während seines Staatsbesuches
2014 die Lunte als angeblicher „Friedensvermittler“
in Kiew zündete? Der damalige deutsche Außen-
minister und heutige Bundespräsident Steinmeier!
Demokratie, Menschenrechte, Selbstbestimmung
der Staaten und all die üblichen Sprüche und Werte
des Westens sind Nebel, Schall und Rauch – und
letztendlich ein Bombengeschäft im wörtlichen
wie übertragenen Sinne. In der Außenpolitik der
USA und ihrer Vasallen (etwas anderes sind die
„Bündnispartner“ der „einzigen Weltmacht“ nicht)
spielt nur eines eine Rolle: die US-Interessen und
sonst nichts! Nachzulesen bei Zbigniew Brzezinski.
UWE FIEDLER, KRUMMIN / INSEL USEDOM
Zu: „Hatte Trump doch recht?“ von
Mathias Pellack, JF 8/22
Kommunisten Chinas exkulpiert
Im Februar 2020 hatten einige renommierte Viro-
logen (darunter Fauci = der Drosten aus Amerika)
in einer großangelegten öffentlichen Vertuschungs-
aktion die Vermutung „stammt aus dem Labor“ als
Verschwörungstheorie abgetan. In Wuhan wurde
seit Jahren an Viren (hochriskant und menschheits-
gefährdend) geforscht. Diese Forschung wurde in
Amerika vor mehreren Jahren verboten und nach
China verlegt (trotzdem wurden Forschungsgel-
der aus Amerika bezahlt). Der Ausbruch des Virus
war kein Zufall und ist (so wird vermutet) bereits
im Rahmen eines Laborunfalls im August 2019
entwichen. Parallel wurde zwar an einem Impf-
stoff geforscht, dieser war aber noch längst nicht
fertig. Die Firma Biontech (u.a.) hat an diesem
Impfstoff bereits geforscht. Fakt ist auch, Merkel
war bereits im September 2019 (also nach dem
vermuteten Ausbruch des Virus) in Wuhan – Zu-
fall? Fauci und weitere Wissenschaftler hatten im
Januar 2020 eine Telefonkonferenz. Man hat die
Analyse und die Erkenntnisse im Rahmen eines
offenen Briefs in das Gegenteil verkehrt. Drosten
hat diesen mitunterzeichnet und ist damit Teil des
Wissenschaftsbetruges.
Wäre der Laborunfall (Absicht?) offen kommu-
niziert worden, hätte das ganz andere Reaktionen
(auch medizinisch) zur Folge gehabt. Die Medien
und die Politik sind mit allen Konsequenzen auf
das Narrativ reingefallen. Die hieran beteiligten Vi-
W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E B AT T E
GEGRÜNDET 1986 IN FREIBURG I. BR. · WOCHENZEITUNG IN BERLIN SEIT 1994 · ISSN 0932-660X
Herausgeber und Verlag:
JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG
Chefredakteur: Dieter Stein
Stellv. Chefredakteur: Thorsten Thaler
Chef vom Dienst: Matthias Bäkermann
Verantwortliche Redakteure:
Meinung: Björn Harms; Im Gespräch: Moritz
Schwarz; Politik: Christian Vollradt; Außenpolitik,
Hintergrund: Dr. Curd-Torsten Weick; Wirtschaft,
Natur & Technik: Jörg Fischer, Mathias Pellack;
Kultur: Thorsten Thaler; Geschichte, Literatur:
Matthias Bäkermann; Medien, Sein & Zeit:
Gil Barkei; Thema, Forum: Christian Rudolf;
Leserforum: Christian Dorn; Reporter:
Hinrich Rohbohm, Martina Meckelein;
Online: Felix Krautkrämer (Leitung), Lukas
Steinwandter, Dr. Alexander Graf, Zita Tipold;
Schlußredaktion: Matthias Seegrün
Satz und Gestaltung:
Daniela Lemke, Andrea Müller, Kristina Tarras,
Dina Niestaedt, Vera Wischnewsky
Die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT hält sich an
die bewährte traditionelle Rechtschreibung, wie
sie bis zum 1. August 1999 gültig war.
L E S E R F O R U M | 23
der Schützefrau vielversprechend: Sie ist das hei-
terste Geschöpf unter den Sternzeichen. Ihre gute
Laune steckt an. Sie ist vielseitig begabt, tolerant,
Nr. 8 / 22
Demokratie
18. 2. 2022
braucht
37. Jahrgang
Meinungsfreiheit
EUR 5,40 (D)
freundlich und reist gerne. Sie bewegt sich selbstsi-
W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E B AT T E
cher durchs Leben. Was sie sagt, hat meistens Hand
Krieg und Frieden Wojna i mir La Guerre et la Paix War and Peace und Fuß. Und wenn sie etwas auszusetzen hat, wird
Die einen spazieren gegen Corona, die
anderen blockieren Autobahnen: Die
Politik wertet mit zweierlei Maß.
Der Ekel vor der Konsensdemokratie
trieb ihn an: Nachruf auf den
Rechtsintellektuellen Günter Maschke.
Der „neue Houellebecq“ thematisiert
den katholisch-patriotischen Widerstand
gegen die Verkommenheit der Gegenwart.
Eine Analyse der kaputtmachenden
Herrschaftstechnik der Corona-Zeit mit
einer verstörenden Parallele zu China.
dies ohne Umschweife offen und direkt angespro-
MEINUNG, Seite 2 KULTUR, Seite 13 KULTUR, Seite 14 FORUM, Seite 18
chen. Ihre Eleganz stempelt sie zur Dame. Selbst in
FOTO: PRIVAT
einem billigen Fummel von der Stange macht sie
KOLUMNE
VON
DIETER STEIN
Die Antifa- noch eine gute Figur. Mit anderen Woren: Eine gute
Ausgangsbasis für das Amt einer Außenministerin!
Republik
„Antifa“-Affäre Faeser PAUL JÖRG, DENKLINGEN
Nützliche Fragebogen
Idioten Zu: „Corona-Politik / Die Stimmung kippt“ von
A
uf meinem Schreibtisch liegen zwei
Pflastersteine. Linksextreme „An-
tifas“ hatten diese im Januar 2003
in Halle durch die Scheiben meines Autos
geworfen. Ebenfalls in Sichtweite der ge-
schmolzene Rest des Kennzeichens meines
Wie es der radikalen Linken gelingt,
die Gesellschaft systematisch auf ihre
ideologische Agenda einzuschwören
Ulrich van Suntum, JF 6/22
Der Weg zur Herdeninvalidität
Christoph Rohde
Autos von 1995, das Linksextremisten vor
dem damaligen Redaktionsbüro in Pots-
dam angezündet hatten. In einem von der
„Antifa“-Postille Göttinger Drucksache ver-
Seiten 1, 3, 7, 12 und 19
Die aktuellen bayerischen Entscheidungen, aber Sicherheitsberater & Publizist
öffentlichten Bekennerschreiben hatten die
Täter den Angriff als „Entscheidungshilfe“
bezeichnet, damit die junge freiheit „end-
lich ihr Erscheinen einstellt“.
auch bundesweite Maßnahmen bergen Unge-
Wir können somit ein Lied davon singen,
mit welcher Brutalität unter dem Label „An-
tifaschismus“ Linksextremisten vor allem
reimtheiten mit Erklärungsbedarf: Nach wie vor
beherrscht die Politik das kleine Einmaleins der Wo möchten Sie jetzt am
JF-Ausgabe 8 / 22 vom 18. Februar 2022 Epidemiologie nicht: Erkennen, absperren, sanie- liebsten sein?
ren, sichern. Dem stehen föderale Kleinkleckerles- In Meran in Südtirol zum Frühlingsanfang.
wirtschaft, das Dogma der offenen Grenzen und
Mobilität und ein Chaos unterschiedlicher Lob- Wofür lassen Sie alles stehen und liegen?
rologen haben sich meines Erachtens eines Verbre- deren Bauprogramm in den besetzten Gebieten byisteninteressen entgegen. Die wahren Ursachen Für eine Kultur- und Naturreise mit be-
chens schuldig gemacht. Trump hat im Jahr 2020 Völkerrecht verletze. Bei ihrem kurz darauf fol- wie Globalisierung und Überbevölkerung werden sten Freunden in ein christliches Land.
die Behauptung „Laborunfall“ aufgestellt. Damit genden Besuch bei den Palästinensern bemängelt nicht erkannt oder aus politischem Opportunismus Was bedeutet Heimat für Sie?
war für die Öffentlichkeit automatisch klar, daß sie nicht etwa den bei Palästinensern weitverbrei- nicht angesprochen. Somit sind künftig weitere
es eine „Verschwörungstheorie“ sei. Allein die Tat- teten, vielfach faschistisch geprägten Antisemitis- Pandemien zu erwarten. Wenn statt Coronaviren Geborgenheit, Vertrautheit. Die eigene
sache „kommt aus dem Mund Trump“ reichte für mus, nein, sie fordert dort mehr Frauenrechte. Die erst Erreger in einer Qualität von Lassa, Ebola oder Sprache, die Städte, die Architektur, die
diese Behauptung aus. Nach Fakten wurde nicht Israelis werden verstanden haben, wieviel unter Marburgvirus eingeschleppt werden, dürfte Europas Gedichte, die musikalischen Höchst-
mehr gefragt, zum Recherchieren war man zu faul. der gegenwärtigen Regierung das Bekenntnis zum Bevölkerung in kurzer Zeit hinweggerafft werden. leistungen; den Geist von Goethe bis
Abhänige Virologen sind aktuell die wohl mit Ab- Staate Israel wert ist. Vergessen wird überdies das Risiko von Long Co- Beethoven zu spüren.
stand größte Gefahr der Menschheit. Die Frage ist, HANS-JOACHIM KUHLWEIN VON RATHENOW, vid, das auch Omikron mit sich bringt. Der Traum Was ist Ihnen wichtig im Leben?
wie lange können die tonangebenden Medien die HERRNWAHLTHANN von der Herdenimmunität kann ohne weiteres in
Die Familie als Wert an sich, ein Glaube,
Fakten noch verheimlichen. Das Jahr 2022 wird einer Herdeninvalidität enden, deren soziale und
der durch Krisen trägt, und eine das Leben
wohl für viele ein sehr böses Erwachen bringen. Zu: „Von Bischöfen verraten“ von medizinische Beherrschung die gesellschaftlichen
transzendierende Hoffnung. Ein vielseitiges,
KARL HEINZ NUSSER, ROSSHAUPTEN Martin Lohmann, JF 7/22 Möglichkeiten an ihre Grenzen bringen dürfte.
kein diverses Leben.
Peinlich, drittklassig, schlichter Blödsinn Heutzutage läßt man eben nicht mehr den Chirur-
Zu: „Mehr Fettnäpfchen wagen!“ von Diesen Kommentar kann ich so nicht stehenlassen. gen entscheiden, wie er das Skalpell ansetzt, sondern Was haben Ihnen Ihre Eltern
Michael Paulwitz, JF 7/22 Es ist ein vordergründig vereinfachendes Verfahren, ein Gremium von Laien, die mit demokratischen mitgegeben?
Widerspruch: Der Wähler hat es so gewollt den feigen Münchner Kardinal und den wohl um Mehrheiten und das auch möglichst föderal fest- Den katholischen Glauben, den Wert von
Leider muß ich hier widersprechen: Es ist kein Ausgleich bemühten Bischof Bätzing über einen legen, wie der Patient zu operieren ist. Dabei gibt Bildung und Ordnung, das Bewußtsein
„Fehlstart der Ampel-Koalition“. Die Regierung Leisten zu schlagen. Auch die radikale Ineinssetzung es Schwarmintelligenz nur bei Ameisen. für Geschichte und Kultur.
zieht nur konsequent durch, was ihre Politiker schon von synodal und suizidal ist hier nur ein drittklas- DR. MED. ROBERT BETZ, BIESSENHOFEN
immer propagiert haben: Kampf gegen Rechts, un- siger Kalauer. Und der „nicht verstandene“ Zölibat Welches Buch hat Sie
kontrollierte Masseneinwanderung, Ruinieren der wirkt auf medizinisch oder psychologisch geschulte Zu: „Braun, aber Bio“ von Oliver Busch, JF 5/22 nachhaltig beeinflußt?
Wirtschaft durch die Energiewende, Dekonstruk- Zeitgenossen nur noch peinlich. Wieweit ein Zu- Forschungsarbeit nicht überzeugend Die Trilogie Joseph Ratzingers „Jesus von
tion der Familie. Nicht zu vergessen: Das „durch sammenhang zwischen den „Mißbrauchsverbre- Der Vegetarier Adolf Hitler soll nur bio-dynamisches Nazareth“ – Benedikt XVI. ist für mich ei-
Negativauslese bestimmte Führungspersonal“ wurde chern“ und der Sexuallehre der Kirche besteht, ist Gemüse gegessen haben? Dieses Forschungsergebnis ner der bedeutendsten Glaubensträger und
vom deutschen Volk so gewählt, in Kenntnis der wohl eine sehr komplexe Frage. Die Analyse der von Emeritus Prof. Werner Troßbach (Agrarhistori- Intellektuellen unseres Landes, wenn nicht
angekündigten Politikrichtung. Es ist also gewollt. Schwächen und Folgen dieses Lehrgebäudes ist we- ker der Universität Kassel) überzeugt nicht. Hier wird gar der katholischen Geschichte.
Solange Deutschland Zahlmeister der EU bleibt, gen der Verschleierungstaktik der besorgten Mutter eine „Komplizenschaft zwischen Öko-Landbauern
Welche Musik mögen Sie?
darf es ruhig deren „Geisterfahrer“ sein. Notfalls Kirche für diese nichts anderes als Teufelswerk. Und und NS-Verbrechern“ herbeigeredet, die es so nicht
wird noch mehr Geld gedruckt. Wer nicht auswan- das, weil der „Gottessohn“ (der im übrigen eine gab. Zudem verachtete und haßte „der Führer“ die Von Bachs Kantaten über Reinhard Meys
dern kann, um seinen Kindern solch eine Zukunft Reihe von heute meist totgeschwiegenen Frauen in Anthroposophie und erst recht ihren Begründer. Lieder bis hin zum Hard Rock von Status
zu ersparen, dem bleibt nur noch das innere Exil. seinem Gefolge hatte) heute „kein Maßstab mehr Adolf Hitler kannte seinen Feind genau und äußerte Quo, passend zur seelischen Befindlichkeit.
FLORIN SPATARU, WORMS ist“, „Frauen Priester werden“ sollen, ist, halten sich schon frühzeitig im Völkischen Beobachter (Aus- Welches Ereignis ist für die Welt das
zu Gnaden, Herr Lohmann, schlichter Blödsinn. gabe v. 15. März 1921) über „den Gnostiker und einschneidendste gewesen?
Zu: „Antifa in der Regierung“ von Dieter Stein, WOLFGANG JÄGER, DORTMUND Anthroposoph[en] Rudolf Steiner, Anhänger der
Christi Auferstehung, die Vergebung der
JF 7/22 Dreigliederung des sozialen Organismus und wie
Sünden – der Menschheit ewige Hoffnung.
Beispielhaft: Umgang mit Bischof Rentzing Zu: „Anspruch und Wirklichkeit“ von diese ganzen jüdischen Methoden zur Zerstörung
Zu Recht macht Dieter Stein in unserer Republik Jörg Sobolewski, JF 7/22 der normalen Geistesverfassung der Völker heißen.“ Was möchten Sie verändern?
einen „antifaschistischen“ Konsens, anstelle des frü- Fehlendes Verständnis vom Amt Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg hatte Ru- Dieser Gesellschaft die Heuchelei und den
heren antitotalitären, aus. Diese Entwicklung zeigt Das zu dem Beitrag abgedruckte Foto spricht Bän- dolf Steiner (1861–1925) in der Öffentlichkeit ab Selbstdarstellungswahn austreiben – und
sich bereits länger: Spätestens als ein amtierender de: Die deutsche Außenministerin begegnet in ab- 1918 Verständnis für die Lösung der bedrängenden die schnellebige Instagramkultur ablösen.
Landesbischof von einer Clique antifaschistisch weisender, ja hochnäsiger Haltung – weil offenbar gesellschaftlichen Probleme zu wecken gesucht, was
ideologisierter Amtsbrüder aus dem Amt gemobbt nur so „auf Augenhöhe“? – ihrem russischen Kolle- leider nicht gelang. Er propagierte die fundamentale Woran glauben Sie?
wurde, weil er Jahre zuvor einen Vortrag in der Bi- gen, einem wesentlich älteren und zudem langjährig Idee der „Sozialen Dreigliederung“: Freiheit im Gei- An die Nachfolge Christi.
bliothek des Konservatismus gehalten hatte und ein berufserfahrenen Mann, und verweigert ihm damit stesleben, Gleichheit im Rechtsleben, Brüderlichkeit
EKD-Ratsvorsitzender diesen – nicht nur unchrist- den schon aus Anstand gebotenen Respekt. Nicht im Wirtschaftsleben. Und: Er sah das geschichtliche Welche Werte sollen wir
lichen, sondern – zutiefst unanständigen Vorgang besser wird es mit Blick auf die Menschrechtsbe- Verhängnis von 1933 kommen ... unseren Kindern weitergeben?
des Amtsverzichts mit wohlwollendem Verständnis auftragte im Auswärtigen Amt, Luise Amtsberg, MATTHIAS RANGE, ALTWIGSHAGEN Ehrlichkeit, Treue, die klassischen Glau-
begleitete und dem scheidenden Bischof Rentzing deren Auffassung ich nachdrücklich widerspreche: benswerte und Unternehmungsmut.
hinterhertrompetete, rechtes Gedankengut dürfe Die Aufgabe von Außenpolitik ist es keineswegs, Welche Bedeutung hat der Tod für Sie?
nicht hingenommen werden. Spätestens da war geschlechterspezifische und Minderheiteninteres-
klar, wohin die Reise geht. Der VVN-BdA, für sen zu verfolgen, sondern die nationalen Interessen Liebe Leser! Er erlöst uns. Ohne den Tod wäre alles
den sich die Bundesinnenministerin engagiert, galt des jeweiligen Staates zu dessen Wohl zu definieren Leider können wir nicht alle Zuschriften, die uns täglich bedeutungslos.
erreichen, veröffentlichen. Auch müssen wir manch-
übrigens schon Anfang der sechziger Jahre bei den und gegenüber jedem anderen Staat zu vertreten mal kürzen. Alle Briefe werden aber sorgfältig ausge-
meisten Hinterbliebenen des Widerstandes als so- und durchzusetzen – das sollte diese Dame nie wertet, wenngleich wir sie nicht in jedem Fall beant- Dr. rer. pol. Christoph Rohde, Jahrgang
zialistisch-kommunistisch unterwandert und somit vergessen, solange sie ihr Amt bekleidet. worten können. 1966, schrieb u.a. die Titel „Reinhold Nie-
nicht förderungswürdig. HENNING SACHS, KIEL-HOLTENAU Ihre Leserbriefredaktion buhr. Die Geburt des christlichen Realismus
Andererseits pflegt unsere treffliche Außenmi- JF-Leserbriefredaktion aus dem Geist des Widerstandes“ (2016),
nisterin „Antifaschismus“ ihrerseits offensichtlich Vielversprechendes Sternzeichen Hohenzollerndamm 27 a, „Hans Morgenthau und der weltpolitische
10713 Berlin,
nur in ihrem Heimatland; auf ihrer gegenwärtigen Dem Artikel ist zu entnehmen, daß Annalena Baer- Realismus“ (2004) und jüngst „Das Kreuz
Fax: 030 / 86 49 53 - 14,
Reise durch den Nahen Osten belehrt Annalena bock im Sternzeichen Schütze geboren ist. In einem E-Mail: leserbriefe@jungefreiheit.de
und der Krieg. Prämissen einer realistischen
Baerbock zunächst die israelische Regierung, daß profunden Astrologiebuch klingt die Charakteristik katholischen Friedensethik“ (JF 40/21).
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enn Harald Melzer, selbst
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Fax: 030¢/¢86¢49¢53¢-¢14 Deutschland nur eine Warnweste im freie Woche. Und wenn nicht, dann
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24 | S E I N & Z E I T JUNGE FREIHEIT
Nr. 9 / 22 | 25. Februar 2022

Wände erzählen Geschichten

Der Flaneur

Beim
Spaziergang Einrichtungstrend mit Gebrauchsspuren: Weniger ist mehr: Wohnen in

FOTO: PHOTOGRAPHEE.EU - STOCK.ADOBE.COM

Rohbauoptik als Kontrastangebot
Wabi-Sabi setzt auf Patina und Schlichtheit zu Blattgold, Marmor und Kristall
Von Bernd Rademacher

D
as Wetter ist nicht gerade günstig GIL BARKEI ten oder simpel erscheinende Designer-Holzmöbel
für eine Protestdemo, die als „Spa- können mehrere tausend Euro kosten, ohne daß sie
ziergang“ angekündigt ist. Aber seit zwischen kombinierten günstigen Vintage-Stücken
Wochen schreibt die Lokalpresse Berichte vom Flohmarkt oder vom Scheunenverkauf auf-

T
darüber, die mit den Schilderungen von apetenlose Wände ohne einheitlichen fallen. Gerade nordische Ausstatter und Produkte
Bekannten, die dort waren, nicht überein- Putz. Hier schimmern noch grünbläuli- können punkten. Auch Tiefstapeln kann in der
stimmen. Wer hat recht? Da hilft nichts: Wir che DDR-Farbreste, dort kleben einige Wohlstandsgesellschaft teuer sein und penetrant
müssen in Gummistiefel und Regenjacken, Fetzen Tapete, vielleicht aus den Drei- betont werden. Hier beginnt die angeblich beschei-
um es herauszufinden. ßigern. Grau überspachtelte Fugen der Elektro- dene konsumabgewandte Konzentration aufs We-
Die Polizei erscheint grotesk übermö- leitungen führen von den einzelnen Steckdosen sentliche oft zu hinken. Zahlreiche Vasen, Kerzen-
bliert im Vergleich zu den höchstens hun- Richtung Decke, die zum Kontrast geweißt ist ständer oder die x-te Tagesdecke können letztlich
dert Versammelten, die sich auf dem Markt- und in der Mitte über den zwei schnörkellosen ebenfalls wie kostspieliger Schnickschnack wirken.
platz zusammendrängen. Doch von Mi- schwarzen Fabriklampen sogar Stuck präsentiert. In dieser auf mehr Komfort setzenden Ausprä-
nute zu Minute werden es mehr, und das Nur eine Wand des mit abgezogenen Holzdielen gung trifft skandinavische Hygge auf japanische
Häuflein wächst zu einer beeindruckenden ausgelegten Raumes ist mit absichtlich ungleich- Teezeremonie. Architektur- und Interieurmagazine
Menge an. mäßiger Kalkfarbe in einem Erdton gestrichen. sprechen bereits vom Wohnstil „Japandi“. Kombi-
Auch die anderen Zimmer des kleinen märki- niert wird das Ganze gerne mit Stoffen wie Leinen
Ein Mittzwanziger trommelt schen Ferienhauses aus rotem Backstein aus der Kai- in Pastellfarben, rustikalem Töpfergeschirr, hoch-
serzeit sehen ähnlich aus. Die einzelnen Schichten wertigen Accessoires und einer beispielsweise mit
unentwegt auf einen
an der Wand erzählen die Geschichte des urigen Blumen oder interessant geformten Ästen betonten
Plastikeimer – Demonstrieren Gemäuers. Die alten Holztüren zieren unpolierte Nähe zur Natur. Ein gewisser stereotyper Öko-
kann anstregnedn sein. Messingklinken. Die Einrichtung ist bescheiden. Touch ist bei vielen Vorzeigebildern und -projekten
Ein rustikaler, patinabehafteter Holztisch. Die daher nicht zu leugnen. Umweltschonende Ener-
Die Schar ist bunt gemischt: Viele jun- Kommode ist eigentlich nur eine dicke Holzplat- gieträger, nachhaltige Ernährungsansätze aus dem
ge Mütter, WG-Studis, Senioren der Alter- te, an die eiserne kurze Beine geschraubt wurden, eigenen Gemüseanbau sowie Naturwerkstoffe wie
nativszene, Künstlertypen, Rollstuhlfahrer, die schon etwas Rost angesetzt haben. Natürlich Hanf oder Lehm werden großgeschrieben. Marken
Normalos. Das soll der „Aufmarsch“ sein, dürfen auch ein gußeiserner Kamin, eine Küchen- wie Claytec oder Bauwerk Colour erfreuen sich
über den die Zeitung schrieb? Hier sieht’s hexe und der Smeg-Kühlschrank in rundlicher Re- zunehmender Beliebtheit. Doch auch die Masse
eher aus wie eine Mischung aus Ostermarsch trooptik nicht fehlen. ist längst auf den Unvollkommenheits-Zug aufge-
und Ökomarkt. Die Slogans auf den selbst- sprungen. Mittlerweile präsentiert selbst IKEA eini-
gemalten Plakaten verraten Humor: „Piks- Auch Purismus ge Möbel in Shabby-Showrooms im Rohbau-Look.
dienstverweigerer“ lese ich und „Antiva – an- Vorreiter dieses Schicks in Deutschland sind
tivaccinistische Aktion“ und „Für Fressefrei- kann teuer sein neben Influencern wie „Krautkopf“ oder „Desi-
heit!“ Der Zug setzt sich in Bewegung. Ein gntales“ insbesondere die Gutshausretter Christi-
Bluetooth-Lautsprecher sorgt für Dauerbe- Was für viele aussieht wie eine halbfertige dürf- na Ahlefeldt-Laurvig und Knut Splett-Henning,
schallung mit Goa-Beats, ein Mittzwanziger tige Herberge ist der letzte Schrei in puncto Re- die zu den Lieblingen der NDR-Erfolgssendung
mit Rastafrisur trommelt dazu unentwegt novierung und Inneneinrichtung. Wabi-Sabi heißt „Mit Mut, Mörtel und ohne Millionen“ gehören,
auf einen Plastikeimer. Demonstrieren kann der Trend, was nichts mit rohem Fisch zu tun hat, von der Ende Januar die achte Folge erschienen
sehr anstrengend sein. sondern soviel bedeutet wie einsam, traurig oder al- ist. Mit ihren liebevoll eigenwillig eingerichteten
Am Straßenrand plärren schwarzver- lein (japanisch: „wabi“) und alt, reif oder gebraucht Ferienwohnungen im mecklenburgischen Rensow
mummte Kinder ihr sinnfreies „Nazis („sabi“). Das Imperfekte und Schlichte als ästheti- wie der „Alten Schule“ prägen sie Kreative, die
raus!“-Mantra. Es nimmt niemand Notiz sches Ideal, quasi ein Gegenmodell zu Blattgold, keine Lust mehr auf makellose glatte Oberflächen
von ihnen. Die martialischen Polizisten ge- glänzendem Marmor und funkelndem Kristall. haben. Die Tarife sind jedoch nicht aus vergange-
ben sich entspannt und professionell. Einem Purismus statt Protzen. nen Jahrhunderten: eine Nacht kostet zwischen
Teilnehmer, der keine Maske trägt, weil er Dabei hat das vermeintliche Understatement oft 110 und 140 Euro. Dennoch lädt der Trend zur
angeblich keine dabei hat, bieten sie sogar ebenfalls seinen stolzen Preis. Wer sich einmal die Nachahmung oder zumindest Inspiration ein: Es
eine an. Er nimmt sie. Die Reden aus der Preisliste einer deVol-Landhausküche anschaut, fällt muß nicht immer die komplette neue Produktreihe
Box auf dem Bollerwagen an der Spitze weht vom handgearbeiteten Stuhl. Passende Antiquitä- aus dem (Luxus-)Möbelhaus sein.
der Wind fort. Doch an vielen Fenstern und
auf Balkonen der Strecke zeigen Anwohner
„Daumen hoch“ oder klatschen. Sie bekom-
men Applaus aus dem Zug. Einige schütteln
aber auch mit dem Kopf oder machen eine
Wischer-Geste. „Tausendfünfhundert“, ver- Haltungsnote Kabinenklatsch
kündet ein Ordner begeistert, „wieder mehr
als letzte Woche!“ In der nächsten sind wir
auf jeden Fall wieder dabei! Einfach nicht mitmachen Goldregen im Eiskanal
GIL BARKEI stellt Wirt Robert Hilbers gegenüber dem Express RONALD BERTHOLD Hause geblieben wären? Auch den zweiten! Neun-
 Diese klar. „Es sind die bekannten Gründe. Die viele mal Gold, sechsmal Silber und einmal Bronze
Kohle, die Menschenrechte und der Witz, daß es haben die Sportler im Eiskanal erkämpft. Der
allgegenwärtige
N D
och immer fragen sich viele, warum die im Winter stattfindet. Das Team und ich haben en Medaillenspiegel der Olympischen Rest steuerte nur drei Goldmedaillen bei.
Häßlichkeit war die Fußballweltmeisterschaft dieses Jahr am gemeinsam entschieden. Die Mitarbeiter haben Winterspiele hätte ich so nicht erwar- Nun können wir es zynisch sehen und sagen:
21. November beginnt, in einem autori- bei mir offene Türen eingerannt.“ Dabei bieten tet. Deutschland belegte vor vier Jahren Ja, in Randsportarten, da haben wir es noch drauf.
einzige Gleichheit tär und streng islamisch regierten Land, in dem gerade Public-Viewing-Events Gelegenheit für ein den zweiten Platz. Nach dem Debakel bei den Randsportarten? Na klar: Wer von uns ist denn
im Sozialismus. Kicken so verwurzelt ist wie hierzulande Kamel- (in Corona-Zeiten willkommenes) gutes Geschäft. Sommerspielen in Tokio mit Rang neun hatte ich jemals eine solche Bahn runtergerast? Dagegen
rennen, und in dem Arbeitskräfte oft- Doch Hilbers bleibt konsequent: „Es für Peking einen ähnlichen Abstieg befürchtet. hatte fast jeder schon mal Skier oder Schlittschu-
Sozialismus mals gehalten werden wie moderne betrifft auch die Quali-Spiele. Wir Aber ist es nicht schön, mal positiv überrascht zu he unter den Füßen. Lassen Sie es mich aber
bedeutet die Sklaven. Die Antwort ist ganz einfach: zeigen die halt nicht.“ werden? Ein Land, in dem der Leistungsgedanke mal positiv auslegen: Wenn wir das Potential in
FOTO: IMAGO IMAGES/EDUARD BOPP

Ölgeld. Doch immer mehr Menschen
Austreibung der ziehen eine rote Linie: Stopp, mit mir
Schönheit. nicht mehr. So wie die Belegschaft
der Kölner Kneipe „Chlodwig Eck“.
Herta Müller Eigentlich werden in der Schenke alle
(*1953) Partien der Bundesliga und Länder-
spiele gezeigt, doch während der WM
in Katar bleiben die Bildschirme aus.
„Wir machen den Scheiß nicht mit“, Chlodwig-Eck
Als moralinsaurer Boykott-An- zuweilen verpönt ist, kann einen Erfolg feiern den publikumswirksameren Disziplinen fördern,
führer möchten er und sein Team al- und stolz auf seine Sportler sein. könnten wir noch erfolgreicher sein. Dazu ge-
lerdings nicht gelten: „Ich will keine Wie Sie wissen, bin ich immer für eine statisti- hört, es Polizisten und Soldaten nicht zu neiden,
Bewegung oder konzertierte Aktion sche Spielerei zu haben. Raten Sie mal, welchen wenn sie sich mehr dem Sport als ihrem Beruf
starten, jeder sollte es selbst wissen, Platz wir in der Endabrechnung belegt hätten, widmen. Ein Leser meckerte neulich, Claudia
was er tut oder läßt. Nur wir vom wenn wir nur die Sportler des Bob- und Schlit- Pechstein nehme nur deshalb mit fast 50 noch
‘Chlodwig Eck’ können das halt nicht tenverbandes nach China geschickt hätten? Wenn an Olympia teil, weil sie kaum bei der Polizei
gutheißen, was da passiert und dem also Biathleten, Skiläufer und -springer, Snow- arbeite. Mir aber macht sie im Laufanzug mehr
Ganzen eine Plattform geben.“ boarder, Eisschnell- und Eiskunstläufer usw. zu Freude als in Uniform.

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