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Michael Scherzer Hardware Netzwerktechnik Netzwerkbetriebssysteme strukturierte Netze

IT-Übertragungstechniken

IP-Telefonie
IP-Telefonie (kurz für Internet-Protokoll-Telefonie) auch Internet-Telefonie oder Voice
over IP (kurz VoIP) genannt, ist das Telefonieren über Computernetzwerke, welche nach
Internet-Standards aufgebaut sind. Dabei werden für Telefonie typische Informationen, d. h.
Sprache und Steuerinformationen beispielsweise für den Verbindungsaufbau, über ein auch
für Datenübertragung nutzbares Netz übertragen. Bei den Gesprächsteilnehmern können
sowohl Computer, auf IP-Telefonie spezialisierte Telefonendgeräte, als auch über spezielle
Adapter angeschlossene klassische Telefone die Verbindung herstellen.

IP-Telefonie ist eine Technologie, die es ermöglicht, den Telefondienst auf IP-Infrastruktur zu
realisieren, so dass diese die herkömmliche Telefontechnologie samt ISDN, Netz und allen
Komponenten ersetzen kann. Zielsetzung dabei ist eine Reduzierung der Kosten durch ein
einheitlich aufgebautes und zu betreibendes Netz. Aufgrund der hohen Einsatzdauer
klassischer Telefoniesysteme und der notwendigen Neuinvestitionen für IP-Telefonie wird der
Wechsel bei bestehenden Anbietern oft als lang andauernder, gleitender Übergang realisiert.
Währenddessen existieren beide Technologien parallel (sanfte Migration). Daraus ergibt sich
ein deutlicher Bedarf an Lösungen zur Verbindung beider Telefoniesysteme (z. B. über VoIP-
Gateways) und die Notwendigkeit zur gezielten Planung des Systemwechsels unter
Berücksichtigung der jeweiligen Möglichkeiten für Kosten- und Leistungsoptimierung. Neue
Anbieter drängen zunehmend ausschließlich mit neuer Technologie (also IP-Telefonie statt
herkömmlichem Telefon) auf den Markt.

Vermittlung von VoIP-Telefonaten – Vermittlungsdienst


Die Vermittlung von Telefonaten ist auch in Computernetzwerken eine wesentliche Aufgabe.
Da aber viele private Nutzer über DSL mit dem Internet verbunden sind, für die sich die IP-
Adresse häufig ändert, scheidet die IP-Adresse selbst direkt als „Telefonnummer“ für die
Kontaktaufnahme zu den VoIP-Telefonen aus. Ein Vermittlungsdienst in Form eines Servers
übernimmt diese Aufgabe und ermöglicht die Telefonie auch bei sich ändernden IP-Adressen
der IP-Telefone.

 VoIP-Telefone melden sich beim Server an, daher kennt der Server die aktuelle IP-
Adresse der Telefone.
 da der Server (zum Beispiel SIP-Server) die IP-Adressen der VoIP-Telefone kennt,
kann der Server die Vermittlung von einer IP-Adresse zur anderen IP-Adresse
übernehmen und das IP-Telefon klingelt dann in Abhängigkeit von der dem Server
bekannten IP-Adresse (also an einem beliebigen Ort in der Welt, wenn sich das IP-
Telefon von dort aus beim Vermittlungsserver über das Internet registriert hat).
 die Kommunikation zwischen den IP-Telefonen kann dann unabhängig vom Server
erfolgen.
 es gibt kommerzielle Dienste, die zugleich mit einem Account für den
Vermittlungsserver auch ein lokales Telefon anbieten, welches zugleich auch über das
Festnetz erreichbar ist. Die IP-Telefonate sind in der Regel kostenlos.
 Wenn man eine feste IP-Adresse besitzt, ist es möglich, auf dem zugehörigen Rechner
einen Vermittlungsserver aufzusetzen (z. B. OpenSIPS), um dann vergleichbar mit der
Verbindung von mehreren Ortsnetzen im Festnetz mehrere Vermittlungsserver
miteinander zu verbinden. In kommerziellen Lösungen existieren häufig Partnernetze,
die eine kostenfreie Verbindung zwischen VoIP-Partnernetzen herstellen. Die
Netzauswahl ist aber in der Regel eingeschränkt, da die Unternehmen mit den

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Verbindungen von VoIP-Telefonen in das reguläre Festnetz ihren Umsatz bestreiten


müssen. Freie, selbst aufgesetzte Open Source-Telefonieserver können technisch
gesehen unabhängig von diesen ökonomischen Grenzen im Internet ein Netzwerk aus
Vermittlungsstellen bilden. Auch wenn SIP-Telefonieserver technisch gut
funktionieren, existiert eine institutionalisierte Vernetzung von solchen SIP-
Vermittlungsservern aber zur Zeit noch nicht.

Funktionsprinzip

VoIP-Kapselung

Das Telefonieren mit der IP-Telefonie kann sich für den Teilnehmer genauso darstellen wie in
der klassischen Telefonie. Wie bei der herkömmlichen Telefonie teilt sich das Telefonge-
spräch dabei in drei grundsätzliche Vorgänge auf, den Verbindungsaufbau, die
Gesprächsübertragung und den Verbindungsabbau. Im Unterschied zur klassischen Telefonie
werden bei VoIP aber keine dedizierten „Leitungen“ durchgeschaltet, sondern die Sprache
wird digitalisiert und in kleinen Daten-Paketen transportiert.

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Signalisierungsprotokolle

Der Auf- und Abbau von Rufen (Rufsteuerung) erfolgt über ein von der
Sprachkommunikation getrenntes Protokoll. Auch die Aushandlung und der Austausch von
Parametern für die Sprachübertragung geschehen über andere Protokolle als die der
Rufsteuerung.

Um in einem IP-basierten Netz eine Verbindung zu einem Gesprächspartner herzustellen,


muss die aktuelle IP-Adresse des gerufenen Teilnehmers innerhalb des Netzes bekannt sein,
jedoch nicht notwendigerweise auf der Seite des Anrufers. Geographisch feste Anschlüsse
wie im Festnetz (PSTN) gibt es in rein IP-basierten Netzen nicht. Die Erreichbarkeit des
Angerufenen wird, ähnlich wie in Mobilfunknetzen, durch eine vorangegangene
Authentifizierung des Gerufenen, und einer damit verbundenen Bekanntmachung seiner
momentanen Adresse, ermöglicht. Insbesondere kann dadurch ein Anschluss unabhängig vom
Aufenthaltsort des Nutzers genutzt werden; das bezeichnet man als nomadische Nutzung.

Aufgrund z. B. von Ortswechsel des Teilnehmers, Wechsel des Users am gleichen PC oder
der dynamischen Adressvergabe beim Aufbau einer Netzwerkverbindung ist eine feste
Zuordnung von Telefonnummern zu IP-Adressen nicht möglich. Die allgemein angewandte
Lösung besteht darin, dass die IP-Telefonie-Teilnehmer bzw. deren Endgeräte ihre aktuelle
IP-Adresse bei einem Dienstrechner (Server) unter einem Benutzernamen hinterlegen. Der
Verbindungsrechner für die Rufsteuerung, oder manchmal sogar das Endgerät des Anrufers
selbst, kann dann bei diesem Server die aktuelle IP-Adresse des gewünschten
Gesprächspartners über den angewählten Benutzernamen erfragen und damit die Verbindung
aufbauen.

Verbreitete Signalisierungsprotokolle sind:

 SIP – Session Initiation Protocol, IETF RFC 3261


 SIPS – Session Initiation Protocol over SSL, RFC 3261
 H.323 – Packet-based multimedia communications systems, ein ITU-T-Standard
 IAX – Inter-Asterisk eXchange protocol
 ISDN over IP – ISDN/CAPI-basierendes Protokoll
 MGCP und MeGaCo – Media Gateway Control Protocol H.248, gemeinsame
Spezifikation von ITU-T und IETF
 MiNET – von Mitel
 Skinny Client Control Protocol – von Cisco (nicht zu verwechseln mit SCCP (Q.71x)
der ITU-T)
 Jingle – Erweiterung des XMPP Protokolls, begründet durch Google Talk

Verbindungsaufbau mit SIP

Das Session Initiation Protocol (SIP) wurde von der Internet Engineering Task Force (IETF)
entwickelt. Wie H.323 ermöglicht auch die herstellerunabhängige Spezifikation von SIP den
Einsatz von SIP-basierten Systemen in heterogenen Umfeldern, insbesondere die Kopplung
von VoIP-Komponenten unterschiedlicher Hersteller. Wie bei anderen Standards auch, ist
jedoch die Interoperabilität von Komponenten durch die Einhaltung der Spezifikation (SIP-
Kompatibilität) allein nicht gewährleistet. Sie ist daher im Einzelfall durch
Interoperabilitätstests zu prüfen. Grundsätzlich eignet sich SIP auch für Einsatzszenarien über
VoIP und Videotelefonie hinaus.

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Die Teilnehmer besitzen bei SIP eine SIP-Adresse (ähnlich einer E-Mail-Adresse) im
Uniform-Resource-Identifier-Format (URI-Format), wie zum Beispiel „sip:12345@beispiel-
server.de“. SIP-Endgeräte müssen sich einmalig während der Startphase bei einem SIP-
Registrar-Server registrieren. Zum Aufbau einer Verbindung schickt das Endgerät des
Anrufers eine Nachricht an diesen Server, der dem DNS unter dem Domainnamen „beispiel-
server.de“ bekannt ist (siehe auch DNS).

Dieser Verbindungswunsch wird durch den Server an das Endgerät des Angerufenen
weitergeleitet. Sofern diese Nachricht dort verarbeitet werden kann, schickt das Endgerät eine
entsprechende Nachricht zurück an den Server, der diese an den Anrufer weiterleitet. Zu
diesem Zeitpunkt klingelt das Endgerät des Angerufenen, der Anrufer hört einen Freiton.

Eine direkte Kommunikation zwischen den beiden Endgeräten hat bis jetzt noch nicht
stattgefunden. Im Rahmen dieses Austauschs zum Aufbau einer Session werden zwischen den
Endgeräten alle relevanten Informationen über Eigenschaften und Fähigkeiten ausgetauscht.
Für das eigentliche Telefongespräch ist der Server nicht mehr notwendig, die Endgeräte
senden sich ihre Daten direkt zu, d. h., der Datenaustausch im Rahmen des Gespräches läuft
am Server vorbei. Für die Übertragung dieser Daten in Echtzeit wird üblicherweise das Real-
Time Transport Protocol (RTP) eingesetzt.

Zur Beendigung des Gesprächs sendet eines der Endgeräte eine SIP-Nachricht an den Server,
der diese an den anderen Teilnehmer weitergibt. Beide Endgeräte beenden dann die
Verbindung.

SIP sieht aber, ebenso wie H.323, auch die Möglichkeit eines direkten Verbindungsaufbaus
zwischen zwei Endgeräten ohne die Verwendung eines SIP-Registrar-Servers, nur über die
IP-Adresse vor. Dazu müssen jedoch bei vielen Endgeräten zunächst alle vorhandenen
Einträge für SIP-Registrar-Server gelöscht werden.

Rufnummernsysteme

Zwar können die IP-Adressen der Teilnehmer für den Verbindungsaufbau verwendet werden,
diese sind den Anwendern aber nicht immer bekannt und können sich auch ändern. Es gibt
daher derzeit eine Reihe von Ansätzen, den Teilnehmern eine individuelle und
mnemotechnisch günstige, von den IP-Adressen unabhängige Internet-Telefonnummer zu
geben. Angefangen von reinen SIP-Nummern gibt es Ansätze zur Integration der Internet-
Telefonie in den bestehenden Rufnummernplan der herkömmlichen Telefonnetze bis hin zu
einem ganz neuen System. Wichtige Gesichtspunkte der Europäischen Union und der
deutschen Bundesnetzagentur (BNetzA, früher: RegTP) sind die Einhaltung der Vorschriften
und mittelfristig die Integration von Notrufsystemen.

SIP-Adresse

Für Nutzer, die über das Internet mit anderen Internet-Nutzern telefonieren wollen, bieten
viele Dienstanbieter SIP-Adressen an. SIP-Adressen sind, anders als Telefonnummern oder
MSNs, nicht an einen Anschluss gebunden, sondern wie E-Mail-Accounts von jedem
Internet-Anschluss der Welt nutzbar.

Um eine eigene SIP-Adresse im URI-Format zu bekommen, kann man sich bei einem von
vielen freien oder kostenpflichtigen Anbietern anmelden. Da viele Anbieter entweder nur SIP-
Adressen mit reinen Zahlenfolgen vergeben (z. B. 12345@sip-server.de) oder zur

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nichtnumerischen Adresse einen numerischen Alias vergeben, können auch IP-Telefone mit
normaler Tastatur zum Wählen verwendet werden, um Gesprächspartner, die sich beim selben
SIP-Server registriert haben, anzuwählen. Kunden eines SIP-Serviceproviders können über
ihre SIP-Adresse angewählt werden und andere anrufen, soweit der Provider einer Seite das
nicht sperrt. Die meisten Anbieter von SIP-Adressen ermöglichen das Telefonieren mit
Teilnehmern des herkömmlichen Telefonnetzes, da sie bei solchen Gesprächen Geld
verdienen können. Über diesen Umweg kann man auch die Teilnehmer anderer SIP-
Serviceprovider anrufen, wenn der eigene Provider oder der des Gesprächspartners
entsprechend sperrt – natürlich gegen Entgelt. Zwischen manchen Providern bestehen
entsprechende Abkommen, die den Kunden eine direkte Kommunikation untereinander ohne
Festnetz-Umleitung erlaubt.

Telefonnummer

Telefonnummern können mittels Telephone Number Mapping (ENUM) im Internet


nachgeschlagen werden. Es wird von einigen Netzbetreibern und sowohl von der deutschen
(DENIC) als auch der österreichischen (Nic.at) Domain-Vergabestelle vorangetrieben.

Bei ENUM wird die Rufnummer umgekehrt und mit Punkten zwischen den einzelnen Ziffern
versehen, als Subdomain der Top Level Domain „arpa“ mit der Second Level Domain „e164“
vorangestellt. Aus +49 12345 6789 wird also zum Beispiel 9.8.7.6.5.4.3.2.1.9.4.e164.arpa.
Diese Lösung setzt allerdings voraus, dass der Telefonkunde schon über eine Rufnummer
verfügt.

Aufgrund der EU-Richtlinien zur Rufnummern-Mitnahme bei Wechsel des Telefonproviders


erlebt ENUM derzeit (zumindest in Österreich) den erhofften Aufschwung. Bevor
Telefonprovider aufgrund eigener Datenbanken ein Telefongespräch vermitteln, wird
überprüft, ob es zu der gerufenen Nummer und dem verwendeten Dienst bei ENUM einen
DNS-Eintrag gibt. Falls ja, wird der Ruf zu der im DNS angegebenen Adresse vermittelt
(PSTN- oder auch SIP-Teilnehmer).

Bei großen kommerziellen Anbietern unbeliebt ist der öffentliche Ansatz von ENUM.
Dadurch ist es einerseits Angreifern möglich, z. B. automatisierte kostenlose Werbeanrufe, so
genannte SPIT (Spam over IP Telephony), einzusetzen. Anderseits könnten Kundendaten
abgefragt werden. Durch geeignete Maßnahmen können allerdings ENUM-Verzeichnis-
Betreiber automatisierte Massen-Abfragen unterbinden, so dass sich beide Gefahren
eingrenzen lassen. Ein weiterer, vielleicht wesentlicher Grund für die Reserviertheit vieler
Anbieter gegenüber ENUM ist der, dass durch kostenlose Gespräche Einnahmequellen
entfallen.

Herkömmliche Ortsrufnummern über ein Gateway

VoIP-Anbieter können über eigene Gateways freie Telefonnummern aus dem Nummernvorrat
der deutschen Ortsnetze erhalten und an ihre Kunden vergeben. Darüber sind ihre Kunden
dann auch aus dem herkömmlichen Telefonnetz zu erreichen. Die Bundesnetzagentur
begrenzt solche Angebote jedoch auf Teilnehmer, die in diesen Ortsnetzen ihren Wohnort
haben. Die für einen orts- und anschlussunabhängigen Dienst nur schwer nachvollziehbare
Begründung ist, dass ansonsten der Bezug, den die Vorwahl zum Wohnort hat, aufgelöst
werde. Die Anbieter sind damit verpflichtet, zu überprüfen, ob der Kunde in dem
gewünschten Ortsnetz auch tatsächlich wohnt und Nummern aus allen Ortsnetzen
anzuschaffen, in denen sie Kunden haben. Aus Kostengründen bieten die meisten kleineren

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VoIP-Anbieter nur in den größeren Ortsnetzen Nummern an. Falls der Kunde außerhalb eines
verfügbaren Vorwahlbereiches wohnt, stellen viele Anbieter 0180x-Nummern zu Verfügung.
Dieses Verfahren ist jedoch nur noch übergangsweise zulässig.

Wenn der VoIP-Anbieter beim Verbindungsaufbau das SIP-Protokoll einsetzt, besitzt der
Kunde neben der Ortsrufnummer gleichzeitig eine SIP-Nummer. Viele Anbieter teilen ihren
Kunden jedoch lediglich die vergebene Festnetz-Rufnummer mit. Zudem blockieren viele
dieser Anbieter Internet-Anrufe von Anrufern, die sich nicht bei ihm oder einem seiner
Partner registriert haben. Dadurch kann man nur dann ein kostenloses Internet-
Telefongespräch führen, wenn sich beide Gesprächspartner beim selben Anbieter (oder einem
Partneranbieter) registriert haben.

Für die meisten Unternehmen und Behörden ist die Übernahme des gesamten bisherigen
Rufnummernplans des bestehenden herkömmlichen Anschlusses (Ortsvorwahl,
Hauptrufnummer und alle Durchwahlnummern) Voraussetzung für einen Wechsel zu einem
IP-Telefonie-Service-Provider. Für SIP bieten das bisher erst wenige Provider an.

Gesprächsübertragung

Prinzip eines Gespräches via IP-Telefonie bei der möglichen Nutzung eines IP-Telefons

Wie bei herkömmlicher Telefonie werden die akustischen Signale der Sprache zunächst
analog mit einem Mikrofon (z. B. über den Telefonhörer) in elektrische Signale gewandelt.
Diese analogen elektrischen Signale werden dann digitalisiert (kodiert). Optional können sie
auch komprimiert werden (verbreitet sind dafür z. B. ITU-T G.723.1 oder G. 729 Annex A),
um die zu übertragende Datenmenge zu reduzieren. Der Transport der so umgewandelten
Daten erfolgt dann über ein öffentliches oder privates Telekommunikationsnetz. Bedingt
durch das für den Transport verwendete Verfahren der Paketvermittlung werden die Daten
dazu in viele kleine Pakete aufgeteilt.

Digitalisierung der analogen Signale und digitale Verarbeitung

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Das analoge Sprachsignal wird zur Digitalisierung mit einer geeigneten Abtastrate abgetastet
und die Ergebnisse (Samples) durch einen Analog-Digital-Umsetzer (ADC) in eine
regelmäßige Folge von Digitalsignalen umgewandelt. Die Datenrate dieses digitalen
Datenstroms ist das Produkt aus der Abtastrate und der Auflösung des ADC in Bit. Sie kann
bei Bedarf vor der Übertragung mittels Kodierung reduziert werden. Je nach verwendetem
Codec (Coder-Decoder) sind unterschiedliche Kompressionsfaktoren möglich. Viele Codecs
benutzen dabei verlustbehaftete Verfahren, bei denen für das menschliche Gehör unwichtige
Informationen weggelassen werden. Das verkleinert die Datenmenge und verringert so die zur
Übertragung benötigte Bandbreite erheblich, ohne den Höreindruck nennenswert zu
verschlechtern. Werden allerdings zu viele Informationen weggelassen, kommt es zu einer
wahrnehmbaren Verschlechterung der Sprachqualität. Verschiedene Codecs, die
unterschiedliche Kodierverfahren anwenden, kommen zum Einsatz. Manche sind speziell
dafür ausgelegt, ausgehend von der Standard-Telefonqualität (Abtastrate 8 kHz, 8 Bit ADC-
Auflösung) eine deutlich niedrige Datenrate zu erreichen als die 64 kBit/s des ITU-Standards
G.711. Andere dagegen codieren ausgehend von höher abgetasteter und aufgelöster digitaler
Sprache mit Radio- oder sogar CD-Qualität (7 kHz oder mehr Bandbreite der übertragenen
Sprache) bei dennoch gemäßigtem Bedarf an Übertragungsbitrate. Je nach Digitalisierungs-
und Kodierverfahren variiert also der Frequenzbereich der kodierten Sprache, die zur
Übertragung erforderliche Bandbreite sowie die resultierende Sprachqualität
(Quellkodierung). Zusätzlich können die Kodierverfahren noch so ausgelegt sein, dass
bestimmte typische Störungen auf dem Transportweg ausgeglichen werden (Kanalkodierung).
Damit die Daten nach dem Transport wieder in für das menschliche Gehör verständliche
Sprache umgewandelt werden können, muss der Empfänger einen zum Coder passenden
Decoder verwenden, was dazu führt, dass viele Endgeräte zur Sicherstellung der
Interoperabilität mehrere Codecs enthalten.

Transport der

Im Normalfall schickt jedes Endgerät die codierten Sprachdaten unabhängig von der
Signalisierung „direkt“ über das Netzwerk an die IP-Adresse der Gegenstelle. Die
Gesprächsdaten fließen also nicht über Server eines VoIP-Providers.

Der eigentliche Transport der Daten erfolgt über das Real-Time Transport Protocol (RTP)
oder SRTP, gesteuert durch das RealTime Control Protocol (RTCP). RTP verwendet zur
Übertragung in der Regel das User Datagram Protocol (UDP). UDP kommt zum Einsatz, da
es ein minimales, verbindungsloses Netzwerkprotokoll ist, das nicht auf Zuverlässigkeit
ausgelegt wurde wie beispielsweise das Transmission Control Protocol (TCP). Das bedeutet,
dass der Empfang der Sprachpakete nicht bestätigt wird, also keine Übertragungsgarantie
besteht. Der Vorteil von UDP ist aber dessen geringere Latenzzeit gegenüber der von TCP, da
nicht auf eine Bestätigung gewartet und fehlerhafte Pakete nicht neu gesendet werden und
sich somit der Datenfluss insgesamt nicht zusätzlich verzögert. Eine komplett fehlerfreie
Übertragung ist aufgrund der Redundanz gesprochener Sprache (und der Fähigkeit der
verwendeten Codecs, Fehler zu korrigieren) nicht nötig. Für ein flüssiges Gespräch ist eine
geringe Laufzeit viel wichtiger.

Übertragungsqualität

Die Anforderungen an das Netz für Datenübertragung und IP-Telefonie unterscheiden sich
erheblich. Neben der erforderlichen Übertragungskapazität (ca. 100–120 kbit/s für ein
Gespräch kodiert mit G.711) haben insbesondere Qualitätsmerkmale wie mittlere
Verzögerung, Schwankungen der Verzögerung (Jitter) und Paketverlustrate erheblichen

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Einfluss auf die resultierende Sprachqualität. Durch Priorisierung und geeignete Netzplanung
ist es möglich, eine mit der herkömmlichen Telefonie vergleichbare Sprachqualität und
Zuverlässigkeit des Telefondienstes über IP-Netze unabhängig von der Verkehrslast zu
erreichen.

Da das Internet in seiner heutigen Form (Stand 2008) keine gesicherte Übertragungsqualität
zwischen Teilnehmern garantiert, kann es durchaus zu Übertragungsstörungen, Echos,
Aussetzern oder Verbindungsabbrüchen kommen, so dass die Sprachqualität nicht ganz der
von herkömmlichen Telefonnetzen entspricht, aber meist noch besser als in Mobilfunk-
Netzen ist. Mit einem guten DSL-Anschluss (Engpass ist die Bitrate in Richtung Netz
[upstream], sie sollte dauerhaft zwischen 120 und 200 kbit/s je Telefonverbindung liegen)
kann man heute schon durchaus eine etwa gleichwertige und kostengünstige Alternative zum
klassischen Telefonanschluss erhalten. Bei internationalen Gesprächen in die USA und nach
Japan ist die Sprachqualität unter Verwendung eines robusten Sprach-Codecs wie z. B. dem
iLBC zur Zeit (2007/2008) schon besser als bei Call-by-call-Vorwahlen.

QoS auf Layer 3 bei VoIP

Eine Kennzeichnung und Bevorzugung (Priorisierung) der „Sprachpakete“ gegenüber anderen


Datenpaketen im Internet ist sinnvoll. Das heute im Internet verwendete Protokoll IPv4 bietet
zwar solche Möglichkeiten (z. B. DiffServ), jedoch werden sie von den Routern im Internet in
der Regel nicht oder nicht durchgängig beachtet. Sorgfältig geplante und konfigurierte private
IP-Netze können jedoch eine ausgezeichnete „Quality of Service (QoS)“ gewährleisten (auch
mit Ethernet als Bitübertragungsschicht) und dadurch die Telefonie auch bei Überlast im
Datenbereich mit gewohnter Qualität ermöglichen. Die QoS-Mechanismen funktionieren aber
leider in der Regel bei weitem nicht so, wie von den Herstellern angegeben. Da sie wegen der
normalerweise eingeplanten Überkapazitäten nur ausnahmsweise in Aktion treten, bleiben
QoS-Fehlfunktionen vom Anwender meist unbemerkt, selbst dann, wenn es, vielleicht nach
Monaten oder Jahren, einmal zum Störfall kommt. Status quo im Internet ist jedoch bisher der
Best-Effort-Transport, das heißt die Gleichbehandlung aller Pakete. Die trotzdem meist
brauchbare Telefonie-Qualität ist den Überkapazitäten der Netze zu verdanken. An

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weitergehenden QoS-Standards für das zukünftige, multimedia-lastige Internet wird in einer


Reihe von Gremien und Forschungsprojekten gearbeitet (z. B. MUSE, DSL Forum, ITU-T
u. v. a. m.).

Auch vom Nachfolgeprotokoll IPv6 sind bezüglich QoS keine Wunder zu erwarten. IPv6
bringt als neues Element Flows. Bisher besteht aber wohl noch keine Klarheit darüber, wie
das genutzt werden soll. Ob die Infrastruktur diese Markierungen (Priorität, DSCP-Code)
berücksichtigt oder nicht, ist letztlich eine finanzielle Frage. Die Zukunft wird zeigen, ob die
Internet Service Provider für mehr Geld auch qualitativ höherwertige IP-Ströme bereitstellen
werden.

Qualitätsmerkmale
Um eine qualitativ hochwertige Kommunikation über Voice-over-IP führen zu können,
müssen die für den Sprachtransport verwendeten Datenpakete so beim Gegenüber ankommen,
dass sie zu einem getreuen Abbild des ursprünglichen, zeitlich zusammenhängenden
Datenstroms zusammengesetzt werden können. Die im nachfolgenden aufgeführten Faktoren
bestimmen die Qualität des Systems.

Durchsatz

Der erforderliche Durchsatz (Menge an Daten, die von einem System oder Teilsystem pro
Zeiteinheit verarbeitet werden können) hängt in erster Linie von der verwendeten Codierung
ab. Ein unkomprimiertes Gespräch hat typischer Weise eine Datenrate von 64 kbit/s
(Payload). Abhängig vom verwendeten Kompressionsverfahren beträgt die für die reine IP-
Telefonie benötigte Bandbreite also maximal knapp 100 kbit/s (64 kbit/s netto zuzüglich der
Overheads der verschiedenen Kommunikations-Protokolle).

Da das Netz gemeinsam mit anderen Datendiensten genutzt wird, ist insbesondere im
Heimbereich eine Datenverbindung (z. B. ein DSL-Anschluss) mit einer Bandbreite von
mindestens 100 kbit/s in beide Richtungen empfehlenswert. Hier gilt es zu beachten, dass im
häufig verwendeten ADSL-Verfahren die Upstream-Bitrate wesentlich geringer ist als die
Downstream-Bitrate.[6]

Laufzeit (Latenz) und Jitter

Der Transport von Daten benötigt Zeit. Sie wird als Laufzeit bzw. Latenz (engl. delay oder
latency) bezeichnet und ist bei herkömmlicher Telefonie im wesentlichen die Summe der
Signallaufzeiten auf den Übertragungskanälen. Bei Telefonie über IP-Netze kommen weitere
Verzögerungen durch die Paketierung und Zwischenspeicherung sowie gegebenenfalls
Kompression und Dekompression der Daten hinzu. Bei der Telefonie (unabhängig davon mit
welcher Technologie sie realisiert wird) stellen gemäß ITU-T Empfehlung G.114 bis
400 Millisekunden Einweglaufzeit (Mund zu Ohr) die Grenze dar, bis zu der die Qualität von
Kommunikation in Echtzeit noch als akzeptabel gilt. Ab ungefähr 125 Millisekunden kann die
Laufzeit vom Menschen jedoch schon als störend wahrgenommen werden. Daher empfiehlt
die ITU-T bei hoch-interaktiven Kommunikationsformen generell eine Einweglaufzeit von
150 Millisekunden nicht zu überschreiten.

Als Jitter bezeichnet man die zeitliche Schwankung zwischen dem Empfang von zwei
Datenpaketen. Um diese zu kompensieren, werden so genannte „Pufferspeicher“ (Jitterbuffer)

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eingesetzt, die eine zusätzliche, absichtliche Verzögerung der empfangenen Daten bewirken,
um anschließend die Daten isochron auszugeben. Pakete, die noch später ankommen, können
nicht mehr in den Ausgabedatenstrom eingearbeitet werden. Die Größe des Pufferspeichers
(in Millisekunden) addiert sich zur Laufzeit. Sie erlaubt also die Wahl zwischen mehr
Verzögerung oder mehr Paketverlustrate.

Paketverlust

Von Paketverlust spricht man, wenn gesendete Datenpakete den Empfänger nicht erreichen
und deshalb verworfen werden. Bei Echtzeitanwendungungen spricht man auch von
Paketverlusten, wenn das Paket zwar den Empfänger erreicht, aber zu spät eintrifft, um noch
in den Ausgabestrom eingefügt werden zu können. Für Telefonie wird nach ITU-T G.114 eine
Paketverlustrate (packet loss rate) bis maximal 5 % noch als akzeptabel eingestuft.

Verfügbarkeit

Die Verfügbarkeit des Gesamtsystems ergibt sich aus den Einzelverfügbarkeiten der
beteiligten Komponenten und deren Zusammenschaltung (kaskadiert – in Reihe, oder
redundant – parallel). Somit hängt die Verfügbarkeit eines IP-Telefonie-Systems in erster
Linie vom Netzdesign ab. Eine US-amerikanische Studie vom Juni 2005 untersuchte die
Verfügbarkeit von IP-Telefonie in den USA. Im Durchschnitt wurden knapp 97 % erreicht.
Das entspricht einem Ausfall an insgesamt 11 kompletten Tagen im Jahr.[7] Zudem gibt es bei
vielen deutschen DSL-Providern eine so genannte 24-Stunden-Zwangstrennung, die dazu
führt, dass bei ständig benutzter Leitung eine Trennung stattfindet. Die daraufhin nötige
Neueinwahl kann unter Umständen mehrere Minuten dauern.

Architektur
Es gibt für VoIP unterschiedliche Architekturen. Weit verbreitet sind: die Architektur gemäß
dem H.323-Rahmenstandard der ITU-T, die die Elemente Terminal, Gateway, Gatekeeper
und MCU vorsieht (siehe unten) sowie die Architektur gemäß dem De-facto-Standard SIP der
IETF. Dazu kommen eine Reihe von Nicht-Standard-Lösungen für VoIP.

Terminal

Ein Terminal ist in der ITU-Terminologie der „multimediale Endpunkt“ der Kommunikation,
im engeren Sinne also das Endgerät zur Ein- und Ausgabe der Sprachinformationen. Seine
(ungefähre) Entsprechung in der SIP-Terminologie der IETF ist der User-Agent.

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