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Masterarbeit

Universität Bremen
FB10: Sprach- und Literaturwissenschaften
Master of Arts in “Germanistische Mediävistik”

Probleme des Übersetzens mittelhochdeutscher Literatur


in das Deutsch der Gegenwart. Ausgewählte Beispiele.
(Problems of Translating Medieval German Literature into Contemporary German. Selected
Examples.)

Verfasser: Abhimanyu Kumar Sharma


Betreuerin: Prof. Dr. Elisabeth Lienert
Matrikelnummer: 2548640
Ort, Abgabedatum: Bremen, 09.08.2012
E-Anschrift: sharma.abhi1@gmail.com
Adresse: Luisental 29E, 8-004
28359, Bremen
Inhaltsverzeichnis
1 Fragestellung, Forschungsstand und Methode
1.1 Fragestellung……………………....………………………………………….01
1.2 Forschungsstand………………………...…………………………………… 03
1.3 Auswahl der Theorie und Methode
1.3.1 Moderne Übersetzungstheorien und mittelhochdeutsche Texte……..……. 04
1.3.1.1 Eigenart der Texte……...…..…………………………………...……....05
1.3.1.2 Eigenart der Sprache………………...……………………………….… 07
1.3.2 Philologische Methoden und mittelhochdeutsche Texte
1.3.2.1 „Ad fontes“ als Weg zum richtigen Verstehen und Übersetzen……….. 08
1.3.2.2 Bedeutungstheorien………...…………………………………….……. 08

2 Programmatisches Schreiben im Mittelalter……………………………………. 11

3 Problemfälle
3.1 Lexikalische, semantische und hermeneutische Problemfälle……………......13
3.2 Syntaktische und grammatikalische Problemfälle..……………...…………... 38
3.3 Stilistische Problemfälle………………………...…………………………… 56

4 Schlussfolgerung und Ausblick………………………………………………… 66

5 Literatur……………………………………………...…………………………. 71
1 Fragestellung, Forschungsstand und Methode
1.1 Fragestellung
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist eine Forschungslücke innerhalb des
mediävistischen Übersetzungsdiskurses. 1 Der heutige Forschungsstand zu diesem
Thema besteht aus einem einzelnen Buch, 2 welches sich nicht ausschließlich auf
mittelhochdeutsche Texte fokussiert („Probleme des Übersetzens aus älteren 3
deutschen Texten“), einigen Aufsätzen 4 und drei Dissertationen (WAPNEWSKI, LUBRICH,
DOMKE), 5 die sich zwar mit mittelhochdeutschen Texten befassen, jedoch entweder
gattungsmäßig (DOMKE, WAPNEWSKI) oder in diachroner Hinsicht (LUBRICH, WAPNEWSKI)
beschränkt bleiben.
Aufgrund der wissenschaftlichen Forschritte seit Erscheinen dieser Arbeiten ist es
angebracht, die Probleme des Übersetzens mittelhochdeutscher Literatur in das Deutsch
der Gegenwart erneut zu analysieren. Im Fokus der Analyse steht die seit langem
bestehende Gegensätzlichkeit von Theorie und Praxis im Rahmen des mediävistischen
Übersetzungsdiskurses. Während die Theorie besagt, dass die Übersetzung als
Verständnishilfe und als Hinführung zum Original dient, 6 gibt es in der Praxis immerzu

1
Die Arbeit gebraucht den Terminus ‚mediävistischer Übersetzungsdiskurs’, um die im Rahmen der Disziplin
Mediävistik entstandene Menge von Aussagen über das Übersetzen zu bezeichnen. Der Terminus beruht demnach auf
einem Diskursbegriff im Sinne FOUCAULTS, welcher unter Diskurs eine Menge von Aussagen versteht, die zur
selben diskursiven Formation gehören. Ausführlich dazu siehe FOUCAULT, Michel: Archäologie des Wissens. Aus
dem Französischen übersetzt von Ulrich Köppen. Frankfurt/Main 1973. S. 156.
‚Diskursive Formation’ definiert FOUCAULT folgendermaßen: „[...]in dem Fall, wo man in einer bestimmten Anzahl
von Aussagen ein ähnliches System der Streuung beschreiben könnte, in dem Fall, in dem man mit Objekten, den
Typen der Äußerung, den Begriffen, den thematischen Äußerungen eine Regelmäßigkeit definieren könnte, wird man
übereinstimmend sagen, dass es mit einer diskursiven Formation zu tun hat.“ Siehe FOUCAULT, Michel: Archäologie
des Wissens, S. 58.
2
SOWINSKI, Bernhard: Probleme des Übersetzens aus älteren deutschen Texten. Bern u.a. 1992.
3
Hervorhebung von mir.
4
Die bisherigen Aufsätze lassen sich in zwei Kategorien aufteilen: a) problemspezifisch (im übergreifenden Sinne)
und b) werkspezifisch. Aufsätze beider Art sind aus demselben Grund – dem Mangel an Arbeiten in diesem Gebiet –
entstanden. Siehe z.B. PRETZEL, Ulrich: Die Übersetzungen von Wolframs Parzival. DU 6 (1954). S. 41-64, hier S.
42. Siehe auch KERN, Peter: Anregungen für eine bessere Übersetzung des Rolandsliedes. Eine Auseinandersetzung
mit der Übertragung Kartschokes. ZfdPh 90 (1971). S. 409-428.
5
Die Dissertationen nach jeweiligen Erscheinungsjahren: WAPNEWSKI, Peter: Die Übersetzungen
mittelhochdeutscher Lyrik im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Minnesang-Auffassung und –
Forschung und zum Problem des Übersetzens aus dem Mittelhochdeutschen. Diss. (masch.) Hamburg 1949.
LUBRICH, Elga: Die neuhochdeutschen Übersetzungen des Nibelungenliedes. Ein Beitrag zum Problem des
Übersetzens aus dem Mittelhochdeutschen. Diss. (masch.) Hamburg 1951. DOMKE, Lothar: Übersetzungen
mittelhochdeutscher Lyrik nach 1945. Ein Beitrag zur Minnesangrezeption sowie zum Problem des Übersetzens aus
dem Mittelhochdeutschen. Diss. Mannheim 1996.
6
Siehe die Einleitung bei MERTENS, Volker: Kreatives Übersetzen mittelhochdeutscher Lyrik. Ein Werkstattbericht
über die angewandte Rezeptionsästhetik. In: Blütezeit. Festschrift für L.P. Johnson. Hg. von Mark Chinca u.a.
Tübingen 2000. S. 141-151, 141. MERTENS fasst diese theoretische Instanz/Position mit folgenden Worten
zusammen: „Es scheint [sich] ein Konsens herausgebildet zu haben, wie […] zu übersetzen ist: textdienlich, ohne
eigenen poetischen Ehrgeiz, aber nicht ohne Streben nach sprachlicher Prägnanz, ohne Nachahmung der poetischen
Form, v.a. der Reime, jedoch zeilengetreu […]“.
Zum Postulat der ‚Übersetzung als Verständnishilfe’ siehe de BOOR, Helmut: Nachwort. In: Hartmann von Aue. Der
Arme Heinrich. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Hg. und übersetzt v. Helmut de BOOR. Frankfurt/Main.
S. 119-131, hier S. 130f.

1
neue Übersetzungen mittelhochdeutscher Texte, was indiziert, dass Übersetzungen den
mittelhochdeutschen Texten gerecht werden. Umso problematischer wird dies, wenn
von der Unmöglichkeit, mittelhochdeutsche Texte ins Neuhochdeutsche zu übersetzen,
gesprochen wird 7 und postuliert wird, dass Übersetzungen trotz aller Bemühungen das
Original nicht ersetzen können. 8
Der bisherigen Forschung zufolge fußt die oben genannte Hypothese der
‚Unmöglichkeit der Übersetzung’ auf zwei Problempunkten: i) der Übersetzung als
semantisches und hermeneutisches Problem 9 und ii) der Übersetzung als
textlinguistisches Problem. 10 Weitgehend ununtersucht ist hingegen ist der Aspekt
„Übersetzung als stilistisches Problem.“ 11 Angesichts der Beobachtung, dass die
Übersetzungen Verständnishilfe und Hinführung zum mittelhochdeutschen Original
zum Ziel haben, möchte die vorliegende Arbeit untersuchen, inwiefern dieses Ziel

Die Umsetzung dieser Theorie in Form einer Übersetzungsstrategie ist bei der folgenden Übersetzung zu finden:
Hartmann von Aue. Iwein. 4., überarbeitete Auflage. Text der siebenten Ausgabe von G. F. Benecke, K. Lachmann
und L. Wolff. Übersetzung und Nachwort v. Thomas Cramer. Berlin/New York 2001.
7
DOMKE, Lothar: Übersetzungen mittelhochdeutscher Lyrik nach 1945: Ein Beitrag zur Minnesangrezeption sowie
zum Problem des Übersetzens aus dem Mittelhochdeutschen. Diss. Mannheim 1996. S. 45.
8
a) Der bekannteste Beleg für die Hypothese der Unübersetzbarkeit innerhalb des mediävistischen
Übersetzungsdiskurses stammt von Max WEHRLI: „Es gibt kaum unübersetzbarere Texte als die
Mittelhochdeutschen.“ Siehe dazu das Nachwort von WEHRLI, Max: Deutsche Literatur im Mittelalter. 2. Aufl.
Zürich 1962. S. 514. Weitere Belege für diese These sind vorhanden bei: de BOOR, S. 130-131.
SPECHTLER, Franz V.: Das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen als Problem der Mediävistik. In: De poeticis
medii aevi quaestiones. Käte Hamburger zum 85. Geburtstag. Hg. v. Jürgen Kühnel u.a. Göppingen 1981 (GAG 335).
S. 129-146, hier 141.
b) Außerhalb der Mediävistik stammt der bekannteste Beleg für diese Hypothese von Roman JAKOBSON: „Poetry by
definition is untranstable. Only creative transposition is possible“. Siehe JAKOBSON, Roman: „On Linguistic Aspects
of Translation“. In: On Translation. Hg. v. Ulrich BROWER. New York. 1959/1966. S. 232-238, hier 238.
9
‚Übersetzung als semantisches und hermeneutisches Problem’ liegt hauptsächlich im Nichtverstehen der
mittelhochdeutschen Literatur. Siehe Fußnote 10 und KNAPP, Fritz Peter: Die literarische Übersetzung aus dem
Mittelhochdeutschen als sprachphilosophisches und hermeneutisches Problem. In: Festgabe für Otto Höfler zum 75.
Geburtstag. Hg. v. Helmut Birkhan. Wien/Stuttgart 1976 (Philologica Germanica 3). S. 386-408. Siehe auch
MAURER, Friedrich: Zum Übersetzen der Lieder Walthers von der Vogelweide. In Festschrift für Hans Eggers. Hg.
v. Herbert Backes. Tübingen 1972. S. 484-500.
10
Die Relevanz der Syntax im mediävistischen Übersetzungsdiskurs wurde zuerst durch WOLF hervorgehoben.
WOLF kritisiert die hermeneutik-zentrische Auffassung MAURERS und plädiert für eine textlinguistische Sicht des
Übersetzens mit folgenden Worten: „F. MAURER hat bei den Vorarbeiten zu seiner Walther-Übersetzungen versucht,
Prinzipien des Übersetzens aus dem Mittelhochdeutschen festzulegen, denn ‚alles Verstehen ist Auslegen und alles
Auslegen entfaltet sich im Medium einer Sprache, die den Gegenstand zu Worte kommen lassen will und doch
zugleich die eigene Sprache des Auslegers ist’. Jede Übersetzung ist also ‚subjektiv-konstitutionellen Einflüssen
unterworfen: der subjektiven Bedingtheit des hermeneutischen Prozesses und der Persönlichkeitstruktur des
Übersetzers. Jede Textproduktion ist historisch determiniert […]; das System der Sprache steht dabei mit dem System
der Sprachverwendung in einem sich wechselseitig bedingenden Verhältnis. Deshalb kann und muss es beim
Übersetzen zu category shifts kommen. Das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen ist also nicht bloß ein
semantisches Problem, sondern betrifft alle Bereiche der Sprache, die im Gegensatz zu F. MAURER, in diesem Fall
nicht hierarchisch zu ordnen sind.“ Siehe WOLF, Norbert Richard: Das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen als
textlinguistisches Problem. In: Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. In Verbindung mit Ulrich Fellmann.
Hg. v. Rudolf Schützeichel. Bonn 1979. S. 232-248, hier 247f.
Den Begriff der category shifts übernimmt WOLF von CATFORD, der ihn folgendermaßen erklärt: „Usually, but not
always, there is sentence-sentence equivalence, but in the course of a text, equivalences may shift up and down the
rank-scale, often being established at ranks lower than the sentence“. Siehe: CATFORD, John Cunnison: A Linguistic
Theory of Translation. An Essay in Applied Linguistics, 4. Aufl. London/New York/ Toronto 1974. S. 75.
11
Eine eher seltene Besprechung stilistischer Aspekte im Rahmen des Übersetzungsdiskurses ist in KREWITTS
Abhandlung zu finden. Er geht auf diesen Aspekt im Rahmen seiner Untersuchung poetologischer Voraussetzungen
des Übersetzens ein. Siehe KREWITT, Ulrich: Probleme des Verstehens altdeutscher Texte und die Möglichkeit ihrer
Übersetzung ins Neuhochdeutsche. In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und
ihrer Erforschung. Bd. I. Hg. v. Werner Besch u.a. Berlin/New York 1998. S. 948-963, hier S. 950f.

2
erreicht werden kann. Konkret: Es soll der Frage nachgegangen werden, ob und wenn
ja, wie die semantischen, syntaktischen und stilistischen Eigenarten der
mittelhochdeutschen Texte beim Übersetzen bewahrt werden. Von grundlegender
Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Termini „Texttreue“ und „Sinntreue“,
welche PRETZEL jeweils im Sinne von „Bewahrung der Form“ und „richtige Wiedergabe
des Sinns und der Bedeutung“ gebraucht. 12

1.2 Forschungsstand
Prekäre Forschungslage
Wie bereits angedeutet, zählen Abhandlungen über die Probleme des Übersetzens
mittelhochdeutscher Literatur zu wichtigen Desideraten der mediävistischen Forschung.
Diese Feststellung ist jedoch alles andere als eine Novität: Schon vor drei Jahrzehnten
stellte SPECHTLER fest, dass obgleich das Übersetzen mittelalterlicher Texte ins
Neuhochdeutsche einerseits zur Erlernung älterer Sprachstufen, andererseits als Zugang
zur Literatur des Mittelalters für einen großen Interessentenkreis unerlässlich ist, es
keine umfassende Untersuchung der neuhochdeutschen Übersetzungen
mittelhochdeutscher Literatur gibt. 13
Diese prekäre Forschungslage hat sich bis heute erhalten. Das einzige Buch zu diesem
Thema (SOWINSKI) erschien vor gut zwei Jahrzehnten, wobei es zu bemerken gilt, dass es
sich nicht explizit mit mittelhochdeutschen Texten befasst. Knapp vier Jahre nach
SOWINSKIS Arbeit profitierte die Forschung durch die umfangreiche Dissertation Lothar
DOMKES zu Problemen des Übersetzens mittehochdeutscher Lyrik nach 1945, die als
Fortsetzung zu WAPNEWSKIS Dissertation verstanden werden kann, da WAPNEWSKI die
Übersetzungen mittelhochdeutscher Lyrik vom 19. bis zur ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts analysiert. Diese Arbeiten, die Übersetzungen aus unterschiedlichen,
sukzessiven Zeitabschnitten untersuchen, sprechen nur einen Teilaspekt der
mediävistischen Übersetzungsforschung an. Gattungsmäßig bleiben sie auf die Lyrik
beschränkt. LUBRICHS Dissertation ergänzt zwar diese Lücke, leidet aber, wie
WAPNEWSKIS Arbeit auch, am Problem der zeitlichen Beschränkung. Diese zwei Mängel
werden auch bei den hier bereits erwähnten Aufsätzen sichtbar 14 .

12
PRETZEL, Die Übersetzungen von Wolframs Parzival, S. 43f.
13
SPECHTLER, Franz V.: Das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen als Problem der Mediävistik. In: De poeticis
medii aevi quaestiones. Käte Hamburger zum 85. Geburtstag. Hg. v. Jürgen Kühnel/Hans Dieter Mück/Ulrich Müller.
Göppingen 1981 (GAG 335). S. 129-146, hier 134f..
14
Während MAURER und MERTENS (2000) beispielsweise nur auf eine Gattung (Lyrik) fokussieren, befassen sich
MOSER und SCHÜTZEICHEL nur mit althochdeutschen Texten. Siehe: MOSER, Hugo: Zu den Typen der Translation
mittelalterlicher deutscher Dichtung. In: Untersuchungen zur Literatur als Geschichte. Festschrift für Benno von
Wiese. Hg. v. Vincent J. Günther u.a. Berlin 1973. S. 4-12.

3
Neuere Übersetzungen nützlich für eine umfangreiche Untersuchung
Im Gegensatz zur Forschungsliteratur über das Übersetzen bleibt der Bereich des
Übersetzens bzw. der Übersetzungen einzelner Werke immer auf dem aktuellsten Stand.
Zu ‚Iwein’ Hartmanns von Aue erschienen beispielsweise 2011 zwei neue
Übersetzungen. Die erste Übersetzung stammt von Rüdiger KROHN, 15 der ein
akademisches Publikum anspricht und die Zweite von Manfred STANGE, 16 der eher den
Anschluss an eine breitere Leserschaft sucht. 2011 erschien auch eine neue Übersetzung
zu ‚Greogorius’ Hartmanns von Aue. Diese stammt von Waltraud FRITSCH-RÖSSLER, 17 die
– von eigener Unterrichtserfahrung ausgehend – programmatisch die
mittelhochdeutsche Syntax soweit wie möglich beibehalten und nichts unübersetzt
lassen will. 18 Mit besonderem Interesse wird zudem die Übersetzung des ‚Parzival’
Wolframs von Eschenbach antizipiert, die gemeinsam von mehreren Wissenschaftlern
(Elke BRÜGGEN, Joachim BUMKE, Dorothee LINDEMANN, Eberhard NELLMANN und Hans-
Joachim ZIEGELER) herausgegeben und übersetzt wird. 19 Die neueren Übersetzungen
sind für die vorliegende Untersuchung von besonderem Wert, da sie – aufgrund ihres
Übersetzungsprinzips, textdienlich 20 zu übersetzen – umfangreichere
Übersetzungsvergleiche ermöglichen und damit der Arbeit wichtige
Erkenntnispotenziale bieten, die es auszuschöpfen gilt.

1.3 Auswahl der Theorie und Methode


1.3.1 Moderne Übersetzungstheorien und mittelalterliche Texte
Da SOWINSKIS Buch und alle hier genannten Aufsätzte moderne Übersetzungstheorien
miteinbeziehen, kann daraus geschlossen werden, dass Übersetzungstheorien auch im
Rahmen der germanistischen Mediävistik in Betracht gezogen werden. Angesichts
dieser Forschungstradition möchte die vorliegende Arbeit vorab prüfen, inwieweit sich
moderne Übersetzungstheorien in diesem Kontext anwenden lassen. Die

SCHÜTZEICHEL, Rudolf: Kontext und Wortinhalt. Vorüberlegungen zu einer Theorie des Übersetzens aus älteren
Texten. In: Sagen mit Sinne. Festschrift für Marie-Luise Dietrich zum 65. Geburtstag. Hg. v. Helmut Rücker/Kurt
Otto Seidel. Göppingen 1976 (GAG 180). S. 411-434.
15
Hartmann von Aue. Iwein. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hg. und übersetzt von Rüdiger KROHN.
Kommentiert v. Mireille SCHNYDER. Stuttgart 2011.
16
Hartmann von Aue. Iwein. Übersetzt, mit Anmerkung und einem Nachwort versehen v. Manfred STANGE.
Wiesbaden 2012.
17
Hartmann von Aue. Gregorius. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Neumann. Neu
herausgegeben, übersetzt und kommentiert v. Waltraud FRITSCH-RÖSSLER. Stuttgart 2011 (RUB 18764).
18
Ebd., S. 243f.
19
Siehe BRÜGGEN, Elke/LINDEMANN, Dorothee: Eine neue Übersetzung des ‚Parzival’. In: Wolfram-Studien
XVII. Wolfram von Eschenbach – Bilanzen und Perspektiven. Eichstätter Kolloquium 2000. Hg. v. Wolfgang
Haubrichs u.a. Berlin 2002. S. 377-386. Siehe auch den Link zum ‚Parzival’-Projekt der Universität Bonn:
www.gleichstellung.uni-bonn.de/perspektive_wissenschaft/professorinnen/brueggen
[18.06.2012]
20
Den Terminus ‚textdienlich’ wird aus MERTENS Aufsatz „Kreatives Übersetzen mittelhochdeutscher Lyrik“
entnommen. Siehe Fußnote 6 dazu.

4
mittelalterlichen Texte stellen hinsichtlich der Anwendung moderner
Übersetzungstheorien insofern einen Sonderfall dar, als hier andere Bedingungen
wirksam werden. In seiner Einführung gliedert STOLZE 21 das bisherige Inventar an
Theorien nach fünf Gesichtspunken: Sprachsyteme, Texte, Disziplin, Handeln und
Übersetzer. Zwei davon werden hier herangezogen, um das Verhältnis zwischen
modernen Übersetzungstheorien und mittelhochdeutschen Texten darzustellen: Eigenart
der Texte und Eigenart des Sprache bzw. des Sprachsystems.

1.3.1.1 Eigenart der Texte: Alterität und Textbegriff


Übersetzungstheorien gehen von der Prämisse aus, dass beim Übersetzen ein Text aus
einer Ausgangssprache (AS) in eine Zielsprache (ZS) übersetzt wird. 22 Dies impliziert,
dass sie immer von einem bestimmten Textbegriff ausgehen. STOLZE 23 gibt einen
Überblick über die textorientierte Wende in der Übersetzungswissenschaft und erläutert
bezugnehemend auf einige Übersetzungstheoretiker, wie im Laufe der Zeit das
Augenmerk auf den Text gelenkt wurde. 24 Keine dieser Theorien lässt sich jedoch auf
mittelhochdeutsche Werke anwenden, 25 da der moderne Textbegriff nicht in Einklang
mit dem mittelalterlichen Textbegriff steht. 26 In diesem Zusammenhang sind zwei
Charakteristika mittelhochdeutscher Texte hervorzuheben: i) ihr enger Bezug zu ihren
Vorlagen und ii) ihre unfeste Natur.

Der enge Bezug zu ihren Vorlagen


Die Texte greifen stark mit ihren Vorlagen ineinander, so dass sie ohne eine
Bezugnahme darauf kaum verständlich sind. Verdeutlicht wird diese Tatsache durch die
folgende Bemerkung GROSSES:

Man kann ohne die Kenntnis der romanischen Vorlagen nicht zum Verständnis der deutschen
Dichtungen gelangen. Das gleiche gilt für die großen Epen des Artuskreises, des Trojanischen
Krieges oder der Geschichte um Roland und Karl den Großen. Hartmann von Aue folgt in

21
STOLZE, Radegundis: Übersetzungstheorien. Eine Einführung. 5. Aufl. Tübingen 2008. S. 4-8.
22
KOLLER, Werner: Einführung in die Übersetzungswissenschaft. 4. Aufl. Wiebelsheim 1992. S. 14.
23
STOLZE, Übersetzungstheorien, S. 105-123.
24
STOLZE erwähnt, zum Beispiel, in diesem Zusammenhang KOLLER, der in seiner „Einführung in die
Übersetzungswissenschaft“ an das Problem des Übersetzens stärker textbezogen geht, indem er die Klärung der
übersetzungskonstituierenden Beziehung zwischen Zieltext und Ausgangstext in Vordergrund stellt. Siehe STOLZE,
Übersetzungstheorien, S. 96. Siehe auch KOLLER, Einführung in die Übersetzungswissenschaft, S. 16.
25
Der Textbegriff variiert, zum Beispiel, vom „Text als eigentlichen Wortlaut einer Schrift“ (Siehe STOLZE, S. 105)
zum „Text als komplexen sprachlichen Zeichen“ (ebd., S. 106). Keine dieser Begriffe passen zu mittelhochdeutschen
Texten. Dem mittelalterlichen Textbegriff kommt KOLLERS Theorie über intertextuelle Bedeutungen am Nächsten.
Bemerkenswert ist, dass die moderne Übersetzungswissenschaft hier keine Lösung anzubieten hat, da KOLLER selber
kommentiert, dass eine Übersetzung in solchen Fällen kaum möglich ist. Siehe dazu STOLZE, Übersetzungstheorien,
S. 118.
26
Vgl. den Teilkapitel „Der unfeste Text“ von: BUMKE, Joachim: Die vier Fassungen der ›Nibelungenklage‹.
Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert. Berlin/New
York 1996. S. 53-60.

5
seinem zweiten Artusroman der Vorlage Chrestiens sehr viel treuer, als er es im Erec getan hat,
für den ihm offenbar eine zweite Quelle zur Verfügung gestanden hat. Er ändert den
Handlungsverlauf nicht, und er übernimmt sogar viele wörtliche Wendungen. Und doch ist der
Iwein keine Wort-für-Wort-Übersetzung, sondern eine höchst eigenständige Dichtung, die ihren
Wert gerade in der nuancierten Behandlung eines inhaltlich bekannten und dichterisch bereits
27
gestalteten Stoffes hat.

Bei ‚Erec’ mag jedoch GROSSES Aussage nur halbwegs stimmen. Denn HONEMANN
konstatiert, dass es nicht auszuschließen sei, dass Hartmann zwei verschiedene
Fassungen seines ‚Erec’-Romanes schuf: eine, die Chretien genau(er) folgte, sowie eine
weitere, die sich von diesem weit entfernte.28 Ungeachtet dessen, wie viele Fassungen
Hartmann schuf, Tatsache ist, dass die Gleichzeitigkeit von Abhängigkeit und
Unabhängigkeit mittelhochdeutscher Texte zu ihren Vorlagen sie zu einer besonderen
Textsorte macht und veranlasst, dass moderne Theorien nicht beliebig/rücksichtslos auf
sie angewendet werden können. Denn es handelt sich hierbei nicht um einen Text,
sondern um einen ganzen Diskurs 29 . 30

Die unfeste Natur mittelhochdeutscher Texte


Das zweite Charakteristikum mittelhochdeutscher Texte, welches die Anwendung
moderner Übersetzungstheorien erschwert, ist ihre unfeste und variable Natur. GANZ
erklärt in dieser Hinsicht die Alterität der mittelhochdeutschen Texte folgendermaßen:

Die Bedingungen […], unter denen wir mittelhochdeutsche Texte interpretieren, sind anderer Art
als die, denen wir bei modernen Dichtungen begegnen. Zunächst einmal sind wir vom
gedruckten Buch her gewohnt, Gedichte mit deutlich markiertem Anfang und Ende zu lesen,
denen normalerweise auch ein Titel vorangestellt ist, und müssen erst lernen, dass

27
GROSSE, Siegfried: Sprachwandel als Übersetzungsproblem (Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch). WW 20
(1970). S. 242-258, hier 249f.
28
HONEMANN, Volker: ›Erec‹. Von der Schwierigkeiten, einen mittelalterlichen Roman zu verstehen. In:
Germanistische Mediävistik. Hg. v. Volker Honemman/Tomas Tomasek. Münster 1999. S. 89-122, hier 95.
29
Der Terminus ‚Diskurs’ wird hier anders gebraucht als in Fußnote 1 vermerkt. Die Arbeit verwendet den Terminus
an dieser Stelle im Sinne von LINK/LINK-HEER, die den FOUCAULT’schen Terminus in zwei weitere Begriffe
unterteilen - den ‚Spezialdiskurs’ und den ‚Interdiskurs’. Der Spezialdiskurs befasst sich nach LINK/LINK-HEER mit
„jeder historisch-spezifischen ‚diskursiven Formation’ im Sinne FOUCAULTS“. Der ‚Interdiskurs’ indiziere „alle
interferierende, koppelnde, intergrierende Quer-Beziehungen zwischen mehreren Spezialdiskursen“. Siehe LINK,
Jürgen/LINK-HEER, Ursula: Diskurs/Interdiskurs und Literaturanalyse. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und
Linguistik 77 (1990). S. 88-99, hier 92.
Der Gebrauch von ‚Diskurs’ an dieser Stelle verweist auf das Gebilde, das aus solchen interdiskursiven Beziehungen
zwischen mitteralterlichen Texten und ihren Vorlagen entsteht.
30
Eine besondere Art von hermeutischer Lücke entsteht, wenn ein mitterlalterlicher Autor die Vorlage falsch versteht
und diesem Verständnis nach seine Fassung schreibt. In ‚Parzival’ findet sich eine solche Stelle in Buch 5, als
Parzival beim Gral ist (zwei mezzer snîdende als ein grât/brâhten si durch wunder/ûf zwein twehelen al besunder./daz
was silber herte wîz:/dar an lag ein spæher vlîz:/im was solch scherpfen niht vermiten,/ez hete stahel wol versniten.
234, 18-24). Laut NELLMANN verdanken sich die ‚silbernen Messer’ einem Missverstänis bzw. Nichtverstehen
Wolframs. Chrétien spricht hier, so NELLMANN, von einer silbernen Platte/Teller (un taileor d’arjant), was Wolfram
missverstanden haben mag, da das altfrz. taileor (abgeleitet von tailleor „schneiden“, bedeutet „Platte/Teller zum
Vorschneiden) damals sehr selten war. Obwohl dieses Beispiel kein entscheidendes Übersetzungsproblem ist, steht es
für die komplexe interdiskursiven Beziehungen mit den Vorlagen. Ausführlich dazu siehe: NELLMANN,
Stellenkommentar zu V. 234, 18-24, S. 579.

6
mittelhochdeutsche Texte, so wie die Handschriften sie uns überliefern, oft unfest und variabel
31
sind.

Dass sich die literaturtypologische Konstituente ‚Text’ solcherart in ihrer historischen


Bedingtheit und Differenziertheit zeigt, hat, so HONEMANN, Konsequenzen für [unsere]
Auffassung vom mittelalterlichen Text. 32

1.3.1.2 Eigenart der Sprache (Alterität der mittelhochdeutschen Texte auf


sprachsystematischer Ebene)
Vom zeichentheoretischen Standpunkt stellt das Verhältnis des Mittelhochdeutschen
und des gegenwärtigen Deutsch einen Sonderfall dar. Dem SAUSSURESCHEN Modell 33
zufolge ist das sprachliche Zeichen die Verbindung aus einem Lautbild (Signifikant,
Bezeichnendes) und einer Vorstellung (Signifikat, Bezeichnetes), die nicht von einander
getrennt werden können und zwei Seiten derselben Sache darstellen. Im gegenwärtigen
Deutsch haben sich viele Signifikante aus dem Mittelhochdeutschen erhalten, die
Vorstellung jedoch hat sich verändert. PRETZELerklärt dieses Problem folgendermaßen:

Unter Übersetzen versteht man gemeinhin das Übertragen aus einer fremden Sprache in die
eigene, nicht das aus einer früheren Stufe der eigenen Sprachen in die Lebende […] Bei einer
Übersetzung aus einer Fremdsprache bleiben grundsätzlich Inhalt und Sinn erhalten, die Worte
und Formen werden aus einem neuen Sprachleib gebildet, das Sprachmaterial ist ein anderes. Bei
der Übersetzung altdeutscher Dichtung in neudeutsche dürfte es grundsätzlich nicht anders
liegen, nur dass der neue Sprachleib nicht einer anderen Sprache zugehört, sondern teilweise
erhalten bleibt und bloß, freilich zum großen Teil, eines Ersatzes innerhalb der gleichen Sprache
34
bedarf.

In diesem Sinne schlägt PRETZEL anstatt eines völligen „Über-setzens“ ein „Er-setzen“
vor. 35 Aus dieser Diskussion schließt sich, dass die moderne Übersetzungswissenschaft
keine aufschlussreiche Lösung bietet, das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen zu
analysieren, da eine adäquate Theorie dazu fehlt. Aus diesem Grund gebraucht die
Arbeit den Terminus „Übersetzen“ nicht im Sinne von modernen Übersetzungstheorien,
sondern, wie es im mediävistischen Übersetzungsdiskurs üblich ist, im Sinne von
„textdienliche Übertragung“ 36 .

31
GANZ, Vom Nichtverstehen mittelhochdeutscher Literatur, S. 137.
32
HONEMANN, ›Erec‹. Von der Schwierigkeiten, einen mittelalterlichen Roman zu verstehen, S. 95.
33
SAUSSURE, Ferdinand de: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. 3. Aufl. Berlin/New York 2001. S.
14.
34
PRETZEL, Die Übersetzungen von Wolframs Parzival, S. 43.
35
Ebd.
36
Vgl. MERTENS, Kreatives Übersetzen mittelhochdeutscher Lyrik, S. 141.

7
1.3.2 Philologische Methoden und Übersetzen mittelhochdeutscher Texte
1.3.2.1. „Ad fontes“ als Weg zum richtigen Verstehen und Übersetzen
Im Bewusstsein dass Verstehen ein Akt des Übersetzens ist, 37 möchte sich die Arbeit
auf Theorien beziehen, welche in der mediävistischen Forschung zum Verstehen und
zur Deutung mittelalterlicher Texte gebraucht werden. Es muss für jede
Bedeutungslehre, so PRETZEL, der Leitsatz „ad fontes“ bestimmend 38 und die sorgfältige
Interpretation der Quellen die Hauptaufgabe bleiben. Ein besseres Verständnis von der
besonderen Eigenart altdeutscher Texte gewinnt man nach PRETZEL mittels Monografien
zu „Leitwörtern“ (minne, triuwe usw.). 39

1.3.2.1 Bedeutungstheorien
In der mediävistischen Forschung sind drei Theorien geläufig: Gebrauchstheorie,
Intentioanlistische Theorie und Vorstellungstheorie.
Die Gebrauchstheorie basiert auf der folgenden These WITTGENSTEINS: „Die Bedeutung
eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ 40 Die Wörter werden von Menschen
benutzt, um beim Gesprächspartner bestimmte Wirkungen zu erzeugen.41 Diese These –
zumindest in dieser Formulierung – ist fraglich, da sie nicht deutlich macht, ob bei
jedem Gebrauch eine andere Bedeutung erzeugt wird. Denn wenn einem Wort bei
jedem Gebrauch eine neue Bedeutung zugeschrieben wird, kann kein Rezipient in einer
gegeben Sprechsituation dieses Wort verstehen. 42 Aufgrund dieses Einwands wird diese
Theorie in der Arbeit nicht eingesetzt.

37
KREWITT, Probleme des Verstehens altdeutscher Texte und die Möglichkeiten ihrer Übersetzung ins
Neuhochdeutsche, S. 948f.
38
a) PRETZEL verweist auf Wolfgang SCHADEWALDT, der in seiner Einleitung zu ‚Goethewörterbuch’ die Sachlage
folgendermaßen zusammenfasst: „Das einzige Verfahren, um zwischen der Skylla und Charybdis, der subjektiven
Willkür der Nuancierung und der nicht weniger subjektiven Schematisierung hindurchzusetzen, ist und bleibt die
Interpretation“.
b) PRETZEL zieht den Terminus ‚Bedeutungskunde’ vor. PRETZEL, Ulrich: Mittelhochdeutsche Bedeutungskunde.
Unter Mithilfe von Rena Leppin. Heidelberg 1982. Einleitung, XI.
39
PRETZEL ist hier nicht der einzige, der für „ad fontes“ plädiert. GANZ möchte „seine Disziplin defnieren“ und
meint, dass die philologische Bemühung um literarische Texte zunächst dem geschichtlichen Gehalt des Textes
gelten, auch wenn – oder gerade weil – der zeitliche Abstand die Möglichkeit einer direkten Kommunikation
unwiderruflich verwehrt. Siehe GANZ, Vom Nichtverstehen mittelhochdeutscher Literatur, S. 152. Eine ähnliche
Auffassung vertritt WOLF, indem er dafür plädiert, auf das Original zurückzugreifen, wenn das Ziel ist, Texte bzw.
die Bedeutungsfestlegung von Texten in ihrer historisch-sozialen Vermitteltheit und Funktionalität zu begreifen. Das
Verhältnis der einzelnen Elemente der Sprache zueinander macht, so WOLF, das Spezifische eines Textes aus und
dieses Verhältnis hat seine Funktion im Kommunikationsprozess bzw. in der jeweiligen historischen Situation. Siehe
WOLF, Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen als textlinguistisches Problem, S. 248.
40
WITTGENSTEIN, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. In: Ders.: Werkausgabe. Bd. I: Tractatus logico-
philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/Main 1993, § 43.
41
LENERZ, Jürgen: Zum Beispiel mære: Bedeutung und Bedeutungsvielfalt aus sprachwissenschaftlicher Sicht. In:
Im Wortfeld des Textes. Worthistorische Beiträge zu den Bezeichnungen von Rede und Schrift im Mittelalter. Hg. v.
Gerd Dicke u.a. Berlin/New York 2006. S. 25-48, hier 27.
42
Erinnert sei an dieser Stelle an die Erzählung „Ein Tisch ist ein Tisch“ Peter BICHSELS, in der der isoliert lebende
Protagonist die bezeichnenden und bezeichneten Seiten der Zeichen beliebig kombiniert und dadurch das etablierte
Bedeutungssystem für sich dekonstruiert, und als Folge davon noch isolierter als früher wird. Siehe BICHSEL, Peter:

8
Die internationalistische Theorie beruht auf der GRICE’schen Idee, Bedeutung als
Geflecht von Gesagtem und Gemeintem zu sehen. 43 Der Einwand gegen diese Theorie
lautet, dass die Intention des mittelalterlichen Autors schwer fassbar ist. KREWITT
erläutert zum Beispiel, dass die Äquivalenz zwischen Gemeintem und Verstandenem in
der Regel durch Redesituationen und den jeweiligen Sinnhorizont ermöglicht wird 44
und sich bei mittelalterlichen Texten eine solche Sinnstiftung als problematisch erweist,
da der Sinnhorizont historischer Texte ein anderer als der des heutigen Rezipienten
ist 45 . 46 Dadurch ergiebt sich, dass auch diese Theorie unpassend für die vorliegende
Arbeit ist.
Als umsetzbar erscheint hingegen die Vorstellungstheorie Hermann PAULS, da sie – im
Gegensatz zur Gebrauchstheorie – darauf besteht, dass Wörter Bedeutungen haben,
wodurch die undurchsichtige Situation der Gebrauchstheorie vermieden wird. Ferner
ermöglicht die Vorstellungstheorie dank ihrer Erklärung des Phänomens des
Bedeutungwandels einen besseren Zugang zu mittelalterlichen Texten. Hier sind vor
allem zwei Begriffe ausschlaggebend: usuelle (konventionelle) Bedeutung und
okkasionelle Bedeutung. 47 PAUL erklärt die „usuelle“ Bedeutung als den gesamten
Vorstellungsinhalt, welchen der Redende, indem er ein Wort ausspricht, damit verbindet
und von welchem er annimmt, dass ihn auch der Hörende damit verbindet.48
Bedeutungswandel entstehe dadurch, dass vom „usuellen“ Gebrauch eines Ausdrucks in
besonderen Zusammenhängen „okkasionell“ abgewichen wird und dass sich diese
Abweichung als neue Verwendungsweise etabliert. 49
Gegen die Vorstellungstheorie lässt sich jedoch einwenden, dass ihre Zirkularität zu
leeren Erklärungen führt, da bei dieser Theorie Bedeutungsübergänge als Indikatoren
für bestimmte Vorstellungsassoziationen gedeutet werden und eben diese

Ein Tisch ist ein Tisch, im Internet unter: http://www.univie.ac.at/ims/koeppl_lv/Mth_04/Bichsel_Tisch.htm


[02.07.2012]
43
Der für die GRICE’sche Bedeutungstheorie zentrale Aufsatz ist „Meaning“. Der Titel besteht aus einer konjugierten
Form des englischen Verbs „to mean“, das im Deutschen sowohl als „bedeuten“ als auch als „meinen“
wiedergegeben werden kann. Dementsprechend lautet der Titel der deutschen Übersetzung: „Intendieren, Meinen,
Bedeuten“. Siehe PFISTER, Jonas: http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=859&n=2&y=1&c=49
[06.07.2012]
44
KREWITT, Probleme des Verstehens altdeutscher Texte und die Möglichkeiten ihrer Übersetzung ins
Neuhochdeutsche, S. 949.
45
Ebd.
46
Ein Beispiel für diesen ‚anderen’ Sinnhorizont wäre die mittelalterliche Bibelexegese, die anhand der Theorie des
vierfachen Schriftsinns (sensus historicus, sensus moralis, sensus anagogicus und sensus allegoricus) operierte. Ob
dieser Verstehensprozess (Exegese) als einziger entscheidender Faktor das Wesen sämtlicher mittelhochdeutscher
Texte prägte, ist fraglich, da die geistliche und die weltliche Literatur andere Interessen hatten. Zur Theorie des
vierfachen Schriftsinn siehe OHLY, Friedrich: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung. Darmstadt 1977.
S. 21-24.
47
FRITZ, Gerd: Historische Semantik. 2. Aufl. Stuttgart/Weimar 2006. S. 89.
48
Ebd., S. 89.
49
Ebd.

9
Vorstellungsassoziationen dann zur Erklärung der Bedeutungsübergänge benutzt
werden. 50 Eine solche hermeneutische Spirale kann man überwinden, indem man sie
nicht als einen geschlossenen Kreis, sondern als eine stets aufwärts steigende Spirale,
eine hermeneutische Helix, begreift. 51
Befund: Die Arbeit übernimmt PRETZELS Vorschlag, anhand Monografien bzw.
Aufsätzen zu einzelnen Begriffen (oder „Leitwörtern“, wie PRETZEL sie bezeichnet) und
Quellen ein besseres Verständnis von Texten zu erreichen. Zugleich bezieht sie sich auf
PAULS Bedeutungstheorie, um die Probleme transparenter darzustellen und zu
analysieren. Zur Analyse der Syntax wird auf Hermann PAULS „Mittelhochdeutsche
Grammatik“ 52 referiert.

Auswahl der Textbeispiele


Die Arbeit fokussiert auf zweisprachige Ausgaben mittelhochdeutscher Texte. Da
gezeigt wurde, dass moderne Übersetzungstheorien beim Übersetzen vormoderner
Texte nicht angwendet werden können, werden in der Arbeit keine solchen
Textbeispiele ausgewählt, die vom Standpunkt der Übersetzungswissenschaft als
problematisch betrachtet werden (können). Es werden nur diejenigen ausgewählt, die:
a) von Kommentatoren und von Übersetzern selbst als Problemfälle bezeichnet werden
und
b) bei allen Übersetzungen als Übersetzungsproblem 53 sichtbar werden 54 .
Um Problemfälle erster Art herauszufinden, wird auf Stellenkommentare zu
Übersetzungen und sonstige Kommentare verwiesen. Problemfälle zweiter Art werden
durch Gegenüberstellung zweier oder mehr Übersetzungen 55 desselben Textes
gewonnen. Übersetzungsfehler werden generell nicht berücksichtigt, es sei denn, dass
sie das Textverständnis beeinträchtigen oder die Historizität der Texte verfälschen. Auf
Nachdichtungen oder Nachgestaltungen (z.B. SPIEWOKS Übersetzung von ‚Parzival’)
wird verzichtet. Übersetzungen, die eine breitere Leserschaft ins Visier nehmen (z.B.
STANGES Übersetzung von ‚Iwein’) werden auch nicht berücksichtigt.

50
Ebd., S. 94.
51
Siehe FRICKE, Harald: Wortgeschichte oder Begriffsgeschichte? Bemerkungen zu einem wiederkehrenden
Problemkomplex der Reallexikon-Arbeit. In: Im Wortfeld des Textes. Worthistorische Beiträge zu den
Bezeichnungen von Rede und Schrift im Mittelalter. Hg. v. Gerd Dicke u.a. Berlin/New York 2006. S. 15-24, hier 23.
52
PAUL, Hermann: Mittelhochdeutsche Grammatik. 25. Auflage. Tübingen 2007.
53
Mit ‚Übersetzungsproblem’ ist an dieser Stelle gemeint, dass die ausgewählten Übersetzungen den Sinn des
mittelhochdeutschesn Textes verfehlen.
54
Dem Bereich der Edition zugehörige Probleme (wie die durch Eingriffe der rekonstruierenden Editionen
entstandenen zahlreichen Negationen im ‚Erec’ Gottfrieds von Straßburg; Siehe FLEISCHER, Jürg: Historische
Syntax des Deutschen. Tübingen 2011. S. 64f.) werden nicht berücksichtigt.
55
Da die Arbeit sich auf das Übersetzen ins Gegenwartsdeutsch fokussiert, werden nur neurere Übersetzungen
gewählt.

10
2 Programmatisches Schreiben im Mittelalter
claritas – obscuritas:
Von besonderer Relevanz für die Arbeit ist die Dichotomie claritas – obscuritas, 56 auf
welche Gottfried von Strassburg im Literaturexkurs seines ‚Tristanromans’ anspielt und
welche den Literaturprogrammen verschiedener mittelalterlicher Autoren innewohnt. 57
In Rückgriff auf das claritas-Ideal der mittellateinischen Poetiken beurteilt Gottfried im
Literaturexkurs des ‚Tristanromans’ den höfischen Roman nach französischen Vorlagen
dezidiert als Stilkunst 58 und führt, um zu illustrieren, wie ein idealer Autor sein soll, als
Beispiel Hartmann von Aue an, da Hartmanns Worte cristallîn sind:
Hartmann der Ouwaere,
âhî, wie der diu maere
beide ûzen unde innen
mit worten und mit sinnen
durchverwet und durchzieret!
wie er mit rede figieret
der âventiure meine!
wie lûter und wie reine
sîniu cristallînen wortelîn
beidiu sint und iemer müezen sîn! (‚Tristan’ V. 4621– 4630)

Darauffolgend kritisiert Gottfried einen unbenannten Autor, der auf wortheide springt
und ausschweift:
Swer nû des hasen geselle sî
und ûf der wortheide
hôchsprünge und wîtweide
mit bickelworten welle sîn
und ûf daz lôrschapelekîn
wân âne volge welle hân,
der lâze uns bî dem wâne stân. (‚Tristan’ V. 4638– 4644)

Es wird behauptet, dass dieser obscuritas-Vorwurf gegen Wolfram von Eschenbach


gerichtet ist, da seine poetische Technik auf Verständniserschwerung zielt, wie dies die
poetologischen Passagen im ‚Parzival’ mit ihrer Komplexität von Stoff- und
Sinnkonstruktion verdeutlichen 59 . 60 Diesen Vorwurf spitzt Gottfried zu, indem er

56
Nach HÜBNER bedeutet das Stilideal obscuritas eine „beabsichtigte Verständniserschwerung durch den Autor (hier
Wolfram)“. claritas zielt hingegen auf Verständlichkeit. Siehe HÜBNER, Gert: Rhetorische und stilistische Praxis des
deutschen Mittelalters. In : Rhetorik und Stilistik. Bd. I. Hg. v. Ulla Fix u.a. Berlin/New York 2008. S. 348-369, hier
352f.
57
Ebd.
58
Ebd.
59
HÜBNER, Rhetorische und stilistische Praxis des deutschen Mittelalters, S. 355. Für eine weitere Interpretation
siehe MERTENS, Volker: Frau Âventiure klopft an die Tür. In: Im Wortfeld des Textes. Hg. v. Gerd Dicke u.a. Berlin
2006. S. 339-346, hier 344. MERTENS interpretiert hier hochsprünge unde wîtweide in Hinblick auf die Neuerungen,
die Wolfram beim Begriff âventiure bringt, da bei ‚Parzival’ erstmals „der Erzähler seine eigene Erzählung als
âventiure bezeichnet und in der Selbstverteidigung sie von der Bucherzählung abhebt (disiu âventiure / vert âne der
buoche stiure V. 115, 29f.) Sein Erzählen inszeniert sich, so MERTENS, auf diese Weise als kontingent, weswegen
Gottfried ihn rügt.

11
besagt, dass man tiutære (V. 4684) und glose 61 (V. 4689) braucht, um die Verse
(vermeintlich Wolframs) zu verstehen. Wolfram selber besagt, dass seine Sprache
krump ist (mîn tiutsche ist etswa sô krump ‚Willehalm’ 237, 11) und führt damit, wie
BUMKE es postuliert, ein Gegenprogramm zum Ideal der ebenen rede bei den rhetorisch
geschulten Epikern ein. 62 63

Dieser programmatische Konflikt zwischen Gottfried und Wolfram klärt einen


wichtigen Aspekt der mittelhochdeutschen Texte: Das Nichtverstehen der (vor allem
Wolfram’schen) Texte kann gewollt sein. In Zusammenhang steht die These
REUVEKAMPS, die anhand einer Untersuchung der Sentenzen und Sprichwörter der
höfischen Literatur den Schluss zieht, dass mit der Integration solcher Stilmittel
Autoren höfischer Romane auf eine Steigerung der Komplexität des Schrifttextes
zielen. 64 Diese Komplexitätssteigerung äußere sich in poetischen Verfahren des
indirekten oder mehrdeutigen Sprechens und der semantischen Verdichtung, die den
Gebrauch der Stilmittel (wie Phraseologismen, Sentenzen usw.) über die Grenzen
einzelner Funktions- und Verwendungszusammenhänge hinaus in Prolog, Erzähler- und
Figurenrede auszeichnen. 65 Da die Dunkelheit der Wolfram’schen Sprache als
Konsequenz einer auf Verrätselung angelegten Metaphorik in Verbindung mit schwer
durchschaubaren Neologismen, Gallizismen, Dialektwörtern, Paraphrasen und
syntaktischen Konstruktionen verstanden wird, 66 soll im Textbeispielkapitel auf die
genannten Merkmale eingegangen werden, um ihre Funktion und
Übersetzungsmöglichkeiten zu untersuchen.

60
Im Gegensatz zu den oben zitierten Versen verwendet Gottfried in einem späten Abschnitt (V. 4665-4690) die
Pluralform (z.B. vindære wilder mære, V. 4665). HAUG weist in diesem Zusammenhang auf drei Interpretationen
hin: a) entweder ist mit vindære nur ein einzelner Autor gemeint, oder b) ist in diesem Begriff die Anhängerschaft des
Autors inbegriffen, oder c) stellt die Pluralform ein Stilmittel dar, mittels welchen der literarische Konkurrent in
ähnlichem Sinne wie durch die Aussparung seines Namens demonstrativ entpersönlicht wird. Siehe HAUG,
Stellenkommentar zu V. 4665, Bd. II, S. 374.
61
Während HAUG glose als ‚Bedeutung’ übersetzt, versteht KREWITT es als ‚Kommentar’. Siehe:
Gottfried von Strassburg. Tristan und Isold. Bd. I. Mit dem Text des Thomas, hg., übersetzt und kommentiert von
Walter HAUG. Berlin 2011. S. 266.
KREWITT, Probleme des Verstehens altdeutscher Texte und die Möglichkeiten ihrer Übersetzung ins
Neuhochdeutsche, S. 951.
62
BUMKE, Joachim: Wolfram von Eschenbach. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. X.
Hg. v. Burghart Wachinger zusammen mit Gundolf Keil u.a. Berlin/New York 1999. S. 1376-1418, hier 1392.
63
Nach HÜBNER wird Gottfrieds Klarheit durch seinen Tropengebrauch nicht gemindert, sondern unterstützt. Die
Figurierung im ‚Tristanroman’ zielt – von der Euphonie über Wortgeminationen bis zur syntaktischen
Hyperstrukturierung – auf Eleganz und Eindrücklichkeit. Sowohl Gottfried und Wolfram dienten für Dichter des 13.
Jahrhunderts als Vorbilder. Während auf der Seite der claritas Rudolf von Ems und Konrad von Würzburg
herausragen, steht auf der Seite der obscuritas Albrecht von Scharfendorf wegen seiner auf die Spitze getriebenen
Verrätselungstechnik im ‚Jüngeren Titurel’. Siehe HÜBNER, Rhetorische und stilistische Praxis des deutschen
Mittelalters, S. 353.
64
REUVEKAMP, Silvia: Sprichwort und Sentenz im narrativen Kontext. Ein Beitrag zur Poetik des höfischen
Romans. Berlin/New York 2007. S. 166f.
65
Ebd.
66
HÜBNER, Rhetorische und stilistische Praxis des deutschen Mittelalters, S. 353.

12
3 Problemfälle
3.1 Lexikalische, semantische und hermeneutische Problemfälle
B1: Begriff: âventiure 67
âventiure, einer der wichtigsten 68 Begriffe der mittelalterlichen Literatur, erweist sich
als problematisch was das Übersetzen anbelangt, zumal die Kontexte in denen er
gebraucht wird eine hohe Diversität aufweisen. Bereits im ersten Buch von ‚Parzival’
wird dieser Begriff in einer Pluarität von Kontexten gebraucht, wie sich anhand der
folgenden Tabelle veranschaulichen lässt:

Stelle Vers KNECHT KÜHN


3,18 und al die âventiure sîn Wunder pouvoir
3,28 nu hoert dirre âventiure site, Geschichte histoire
4,25 dem man dirre âventiure giht, Abenteuer histoire
12,3 Als uns diu âventiure saget, Geschichte histoire
15,13 als mir diu âventiure giht: Geschichte histoire
27,22 mange âventiure suohter blôz. Abenteuer aventures
27,27 uz durch âventiure reit, Abenteuer aventures
52,25 hie umb âventiure gelt, Abenteuer succès
58,16 als mir diu âventiure swuor. Âventiure histoire

Wie anhand dieser Beispiele ersichtlich, wird der Begriff aventiure in verschiedenen
Kontexten unterschiedlich gebraucht. Das Problem des Übersetzens dieses Begriffs
macht sich vor allem dadurch bemerkbar, dass die Übersetzungen sogar bei ein und
demselben Übersetzer und im selben Kontext stark variieren. Während KÜHN sich
ausschließlich auf Gallizismen verlässt, sind bei KNECHT nur – bis auf eine Ausnahme –
deutschsprachige Wörter zu finden. Sowohl KNECHT als auch KÜHN wählen vier
unterschiedliche Entsprechungen für dasselbe Wort in seinen neun unterschiedlichen
Gebrauchszusammehängen: Ein Indiz für die Polysemie 69 des Begriffs, deren
Wiedergabe viel Überlegung voraussetzt.

67
Zum systematischen Darstellen werden sämtliche Beispiele nummeriert und als „B1“, „B2“ usw. gekennzeichnet,
wobei „B“ für „Textbeispiel“ steht.
68
Der Begriff aventiure wird hier als wichtig bezeichnet, vor allem weil er in der mittelhochdeutschen Literatur –
neben seinen vielen anderen Bedeutunegn – auch als poetologisches Konzept gebraucht wird. Siehe MERTENS,
Volker: Frau Aventiure klopft an die Tür. In: Im Wortfeld des Textes. Hg. v. Gerd Dicke u.a. Berlin 2006. S. 369-
375.
69
Die Polysemie des Begriffs lässt sich anhand SCHNYDERS Aufsatz verstehen, die sieben Thesen zur Erklärung
dieses Begriffs aufstellt: a) âventiure gehört in den Bereich der Imagination und meint das in der Artifizialität der

13
Das Problem bei diesen Beispielen liegt nicht darin, dass der Begriff nicht verständlich
ist, sondern darin, dass man nicht weiß, mit welcher gegenwartsprachlichen
Entsprechung er zu übersetzen ist. Die gegenwärtige Sprache verfügt nämlich über
kaum einen Ausdruck, der den Nuancen von aventiure gerecht wird. Dass âventiure ein
Lehnwort 70 aus dem Altfranzösischen ist, verschärft nur das schon existierende
Problem, da nebst dem semantischen Aspekt sich noch die Frage nach der
Stilwiedergabe stellt. Die Einflüsse dieses Aspekts werden vor allem an KÜHNS
Übersetzung ersichtlich, der zum Übersetzen kein einziges deutsches Wort gebraucht.
Es lässt sich mit GANZ sagen, dass die Veränderung des historischen und
gesellschaftlichen Kontexts dazu führt, dass mittelhochdeutsche Texte schwer
übersetzbar werden. 71

B2: Begriffe im okkasionellen Gebrauch: âne zuht


der herre Îwein jagte in âne zuht
engegen siner burc dan. (‚Iwein’ V. 1056f.)

Herr Iwein jagte ihn rücksichtslos


seiner Burg zu. (CRAMER, S. 21)

Herr Iwein jagte ihn wider alle Kampfregeln


auf seine Burg zu. (KROHN S. 73-75)

Herr Iwein jagte ihn rückhaltlos


in Richtung auf seine Burg. (MERTENS, S. 375)

Diese Textstelle, in der geschildert wird, wie Iwein Askalon beim Ritterkampf schlägt
und ihn auf seine Burg jagt, gilt als eine der meist diskutierten im ganzen Roman.72 Von
erkenntnisleitendem Interesse ist im Rahmen dessen die Unklarheit des Ausdrucks âne
zuht, die durch den eher seltenen Gebrauch („okkasionelle Verwendung“ nach der
PAUL’schen Theorie) des Begriffs zuht verursacht wird. Nach LEXERS Handwörterbuch
hat der Begriff zuht folgende Bedeutungen: „Bildung des innern und äußeren

Nacherzählung konstituierte Geschick; b) âventiure ist Kontingenzbewältigung, Sinngebung (für das Mittelalter
besser: Sinn-Offenlegung) für die Welt; c) âventiure ist das Glück des Spiels; d) âventiure ist das Produkt eines
Erkenntnisprozesses und somit eine Gedankenfigur; e) Die Vervielfältigung der âventiure-Erzählungen wird zum
Problem für die Erkenntnis des Einzelgeschicks. Und das ist als Anfang der Moderne zu sehen; f) Das Abenteuer löst
sich immer mehr vom Körper des Helden und f) Die Sinngebung vom Ende her wird durch eine Versicherung vom
Anfang her abgelöst. Die äventiure wird so zum kalkulierbaren Risiko. Dabei ist zu bemerken, dass SCHNYDER sich
nicht nur auf Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach bezieht, sondern auch auf
andere nachklassische Autoren wie Wihelm von Österreich u.a. Siehe SCHNYDER, Mireille: Sieben Thesen zum
Begriff der âventiure. In: Im Wortfeld des Textes. Hg. v. Gerd Dicke u.a. Berlin 2006. S. 369-377.
70
Nach MERTENS wurde das afrz. Wort avanture im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts ins Deutsche übernommen
und in der modischen Adelssprache existierte. Ob Hartmann von Aue als erster den Begriff verwendete, ist nicht
sicher. Siehe MERTENS, Frau Aventiure klopft an die Tür, S. 369.
71
GANZ, Peter: Vom Nichtverstehen mittelhochdeutscher Literatur. In: Wolfram-Studien V. Hg. v. Werner Schröder.
Berlin 1979. S. 136-153, hier S. 152.
72
Zur ausführlichen Besprechung dieser Textstelle siehe: MERTENS, Stellenkommentar zu V. 1056 (‚Iwein’), S. 994
und SCHNYDER, Stellenkommentar zu V. 1056, S. 561f.

14
Menschen, feine Sitte und Lebensart, Sittsamkeit, Höflichkeit, Liebenswürdigkeit,
Anstand.“ 73 Da sämtliche hier genannten Bedeutungsmöglichkeiten positiv konnotiert
sind, passen sie nicht in diesen Kontext, 74 weil dieser auf Gewaltausübung ausgelegt ist.
Auch ein wörtlicher Übersetzungsversuch im Sinne von „Iwein jagte ihn ohne
Sittsamkeit (oder Anstand)“ 75 erscheint nicht sinnvoll, weil die Formulierung
ungewöhnlich klingt. Der Versuch, durch Deutung der Autorintention auf den Sinn
dieser Textstelle zu gelangen, indem der Text in sein interdiskursives Umfeld gestellt
wird und mit der Vorlage verglichen wird, scheitert, da selbst ein Verweis auf die
Vorlage keine Klarheit schafft 76 .
Wie problematisch die Deutung dieser Stelle ist, lässt sich anhand der folgenden
Bemerkung MERTENS verdeutlichen:

(Es ist) eine der meist diskutierten Stellen im Iwein, da aus ihrem Verständnis eine Bewertung
von Iweins Handeln abgeleitet wird. Der tödlich Verwundete ergibt sich nicht und leistet nicht
das Treuegelöbnis (sicherheit), wie es der regelgerechte Abschluss eines solchen Kampfes wäre.
Ob jagte negative Konnotationen hat, ist umstritten. V. 1059 betont die regelwidrige Absicht des
Quellenritters zu fliehen. âne zuht ist in seiner Bedeutung unklar. Ist zuht hier der ethische
77
Begriff? Oder ein terminus technicus (»ohne zu zügeln«)?

MERTENS bringt hier zwei wichtige Punkte zur Sprache: a) Diese Stelle spielt eine Rolle
bei der Bewertung der Iwein-Figur, und b) Der Begriff zuht ist möglicherweise ethisch
konnotiert. Die Frage nach der ethischen Konnotation von zuht wird auch von STANGE in
seinem Kommentar zur Übersetzung dieser Stelle in Erwägung gezogen: „Muss zuht
ethisch verstanden werden (›rücksichtslos‹) und damit als schwerwiegendes
Schuldeingeständnis gedeutet werden (CRAMER) oder nur als kampfbeschreibend
(›heftig‹/›eiligst‹)?“ 78
Während CRAMER und MERTENS in ihren jeweiligen Übersetzungen die ‚ethische’
Komponente hineinzubringen versuchen, spitzt KROHN diesen Gedanken – vor allem
durch das Ersetzen von âne und Generalisierung durch Hinzufügung von ‚alle’ – bei
seiner Übersetzung dermaßen zu, dass er auf scharfe Kritik stößt. So bezeichnet VOSS in

73
LEXER, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. III, S. 1169-1171.
74
DECKE-CORNILL weist auf mehrere Stellen (49, 21; 144, 21; 154, 3; 163, 6; 183, 6f.; 287, 22) im ‚Willehalm’ hin,
die eine negative Verbalwendung mit zuht haben. Das Wort zuht verliert jedoch dadurch nicht seine Bedeutung. Siehe
DECKE-CORNILL, Renate: Stellenkommentar zum III. Buch des ‚Willehalm’ Wolframs von Eschenbach. Marburg
1985. S. 97.
75
Meine Übersetzung
76
MERTENS verweist auf Chrétien, um die Intention zu erfassen und findet heraus, dass der analoge Ausdruck bei
Chrétien (de randon „mit großer Kraft, mit großem Schwung“)‚ anscheinend nur negative Implikationen’ hat.
Zugleich mahnt er aber auch, dass nicht übersehen werden soll, dass Hartmann aus Chretiens implizitem „mit“ ein
„ohne“ macht, d.h. die Abwesenheit von etwas kontrastiert. Siehe MERTENS, Stellenkommentar zu V. 1056
(‚Iwein’), S. 994.
77
MERTENS, Stellenkommentar zu ‚Iwein’ V. 1056, S. 994.
78
STANGE, Anmerkung zu V. 1056f., S. 496.

15
seiner Rezension KROHNS Übersetzungsvorschlag als „Überschreitung der Grenze zur
distinkt tendenziösen Wiedergabe“und „vorurteilshafte Ummodellierung der
Textaussagen durch Überakzentuierung und Zugabe wertender Elemente:“ 79

Allerdings wird die Grenze zur distinkt tendenziösen Widergabe dort überschritten, wo
Textaussagen durch Überakzentuierung und Zugabe wertender Elemente nach einem Vorurteil
ummodelliert werden. Dies ist der Fall gerade bezüglich des wegen seiner Bedeutung für den
ethischen Gehalt der Übersetzung V. 1056 [...], der den Vorgang der Flucht des tödlich
verwundeten Brunnenherrn und der Verfolgung durch den Helden charakterisiert. Wenn die
Übersetzung als vermeintliches Äquivalent den Satz: „Herr Iwein jagte ihn wider alle
Kampfregeln [...]“ formuliert, so nur Kraft der philologisch dubiosen Prozedur, dass die relativ
neutrale Fokussierung âne in eine kontrapositorische („wider“) gewandelt und der somit fixierte
negative Aspekt emphatisch durch Attribuierung eines generalisierenden Adjketivs („alle“)
untermauert wird. Diese durch den Kommentar (S.561) verstärkte negativ moralisierende
Sichtweise führt bereits in unmittelbarem Anschluss zu gravierenden interpretatorischen
80
Verwerfungen.

VOSS’ Analyse hebt einen sehr wichtigen Aspekt hervor – das Verhältnis von
Übersetzung und übersetzerspezifischer Interpretation. 81 Dieses verdeutlicht, dass bei
Textstellen, die einen okkasionellen Gebrauch bedeutender Begriffe 82 enthalten, sogar
die kleinste Abweichung vom Text einen erheblichen Einfluss auf die Sinnherstellung
haben kann.

B3: Deutungsproblem (1): suon


mîn hêrre mir gewalt wil tuon
durch daz ich hân decheinen suon. (‚Parzival’ 367, 18-20)

Das durch suon entstandene Wortspiel stellt ein grundlegendes Übersetzungsproblem


dar, zumal sowohl in Primärtexten (Wolframs Werke), als auch in Sekundärtexten für
dieses Wort konkurrierende Bedeutungen zu finden sind. Den gängigen
Textinterpretationen (NELLMANN 83 und Übersetzungen von KNECHT 84 und KÜHN 85 ) nach
meint Lippaut, dessen Rede hier zitiert wird, er hätte keinen Sohn, der ihn verteidigen

79
VOSS, Rudolf: Rez. zu Hartmann von Aue. Iwein. Hg. und übersetzt v. Rüdiger KROHN. Kommentiert von
Mireille SCHNYDER. S. 109f.
80
Vgl. Ebd.
81
Darauf kann jedoch nicht näher eingeganen, da sich die Arbeit primär auf Probleme fokussiert, die sich aufgrund
des mittelhochdeutschen Texts ergeben.
82
Der Terminus „bedeutender Begriff“ verwendet die Arbeit zur Bezeichnung von Begriffen, die der mittelalterlichen
Kultur eigen sind z.B. êre, muot, zuht u.a.
83
NELLMANN, Stellenkommentar zu 367, 18-20, S. 634.
84
Siehe Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 371. KNECHT übersetzt „Mein Herr will
mir Gewalt antun, weil ich noch keinen Sohn habe“.
85
Siehe Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S. 611. KÜHN übersetzt „[Meleans]
greift mich deshalb an,/weil mir eines fehlt: ein Sohn.“

16
könnte. Einer solchen Deutung opponiert die These EDWARDS’, 86 der darauf hinweist,
dass suon hier auch die kurze Form von suone (im Sinne „Versöhnung“) sein kann.
Geht man vom LEXERS Handwörterbuch 87 aus, findet man Belege für beide Deutungen:

sun stm. (II2. 732a) öfter suon im reime auf tuon (PRL. 278, md. sûn: tûn), md. auch son HERB. zu
118. EILH. 4964. 5017; pl. süne, in älterer spr. und md. sune, sun —: sohn, filius (sun, suon, son)
DFG. 235a. allgem.; erbprinz von SCHM. Fr. 2,295; das männl. junge von tieren GEN. D. 108,24.
gt. sunus zu skr. sûnu (von w. su zeugen) […]

suone stf. (II2. 749a) süene GUDR. 1644,1. süen CHR. 3. 330,22. md. sûne, sône —: urteil, gericht.
der suone tac s. v. a. suontac MSH. 2,236b; sühne, versöhnung, frieden, ruhe allgem. (in valscher
suone stên ENGELH. 2212. EILH. 705. keinerlei sûne noch bessrung finden Chr. 1. 468,10 […]

Wenn man in Wolframs anderen Werken nach weiteren Belegen sucht, findet man bei
‚Titurel’ ingesamt sieben Belege für den Gebrauch von sun im Sinne ‚Sohn’ (7,4; 8,4;
9,1; 43,1; 55,2; 86,2; 163,4). 88 Interessanterweise gibt es auch im ‚Willehalm’ einen
Beleg, dem nach das Lexem suon – wie in LEXERS Handwörterbuch – auf tuon reimt und
im Sinne von „Sohn“ gebraucht wird:
die man ze orssen solte tuon,
Fâbors Terramêres suon (‚Willehalm’ 97, 11f.)

Grammatik und Stil: Grammatisch gesehen, spricht gegen suone die Kongruenz, da
decheinen eine männliche Akkusativform indiziert, während suone weiblich ist.
Weibliche Substantive können – im Akkusativ – im Auslaut mit „-n“ suffigiert werden,
jedoch gehört suone nicht zu dieser Gruppe von Substantiven. 89
Je nachdem wie der Inhalt von suon interpretiert wird, kann man die Bestimmung der
stilstischen Form dieses Wortspiels auf zwei Weisen verstehen: i) Entweder entsteht das
Wortspiel durch eine Anaptyxe, indem bei sun ein Sprossvokal „o“ eingefügt wird, oder
ii) es handelt sich um eine Apokope, aufgrund welcher bei suone im Auslaut ein
Vokalschwund geschieht. Da beide Übersetzungen von der Bedeutung „Sohn“
ausgehen, kann man behaupten, dass das Wortspiel als Anaptyxe zu verstehen ist. Doch
frei von Zweifel ist es nicht, denn die PAUL’sche Grammatik enthält keinen einzigen
Beleg für den Gebrauch von „o“ als Sprossvokal. 90

86
Siehe Wolfram von Eschenbach. Parzival. Translated by Cyril EDWARDS. Cambridge 2004. S. 117. EDWARDS
besagt: „The rhyme-word contains a pun. Wolfram’s normal word for ‘son’ would be sun, but suon (toun: do) is a
short form of suone (reconciliation, appeasement).”
87
Zum Eintrag sun siehe LEXER, Mathias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Bd. II. Stuttgart 1970. S. 1302. Der
Eintrag zu suon findet sich auf S. 1322, ebd.
88
Wolfram von Eschenbach. Titurel. Hg., übersetzt und mit einem Kommentar versehen v. Helmut BRACKERT und
Stephan FUCHS-JOLIE. Berlin/New York 2002.
89
suone gehört, so PAUL, zu Klasse 6, der Substantive, die wie gëbe flektieren. Im Akkusativ wird hier – im
Singular – ein Nullmorphem gesetzt. Siehe PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik, § M18, S. 195.
90
PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik, §L56, S. 112.

17
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Übersetzen solcher Textstellen
Schwierigkeiten bereitet, da sie sich weder vom semantischen noch vom grammatischen
bzw. stilistischen Standpunkt her deuten lassen.

B4: Deutungsproblem (2): Bogengleichnis


ich sage die senewen âne bogen.
diu senewe ist ein bîspel.
nu dunket iuch der boge snel:
doch ist sneller daz diu senewe jaget.
ob ich iu rehte hân gesaget,
diu senewe gelîchet mæren sleht:
diu dunkent ouch die liute reht.
swer iu saget von der krümbe,
der wil iuch leiten ümbe. (Parzival’ 241, 8-16)

Die obigen Verse sind dem Bogengleichnis entnommen, das als wichtigste theoretische
Äußerung Wolframs über seine Kompositionstechnik 91 verstanden wird, wobei das
Übersetzungsproblem in Vers 15 enthalten ist. Dieser ist so unklar, dass NELLMANN 92
gleich mehrere Übersetzungsmöglichkeiten in Erwägung zieht: i) Wer Euch von nicht
Hierhergehörendem erzählt; ii) Wer Euch erzählt infolge der Krümmung iii) Wer Euch
von Krümmen/Krümmung spricht (d.h. die Krümmung empfiehlt) und iv) Wer Euch da
von Krümmung redet. Bezieht man sich auf die ‚Parzival’-Übersetzungen, die in dieser
Arbeit untersucht werden, so findet man hauptsächlich negativ konnotierte
Übetragungen. KNECHT übersetzt (die letzten zwei Verse) als „Wenn aber einer seine
Geschichte vom Bogen her aufzieht, dann will euch der auf krumme Wege führen“,
KÜHNS Übersetzung wiederum lautet „Wer euch in krummer Tour erzählt, der führt euch
an der Nase herum“. HERBERICHS erhellt die Diskrepanzen dieser Übersetzungen:

[…] Bei Übersetzungen von KNECHT […] und KÜHN […] wird die trügerische Intention des umbe leiten
betont. Gegen ein solches Verständnis hat sich Martin BAISCH in seiner textkritischen Überlegungen zum
Bogengleichnis geäußert […] er argumentiert, leiten umbe bedeute (im Gegensatz zur
überlieferungsgeschichtlich ebenfalls bezeugten Varianz in diesem Vers fuoren umbe) neutraler
93
›herumführen‹.

Ob KNECHT und KÜHN den Ausdruck bewusst negativ interpretieren, wie KROHN dies im
Falle von âne zuht tut, ist nicht deutlich. Was deutlich wird, ist die Tatsache, dass – wie

91
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 241, 8-30, S. 586.
92
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 241, 15, S. 587.
93
HERBERICHS, Cornelia: Erzählen von den Engeln in Wolframs ›Parzival‹. Eine poetologische Lektüre von
Trevrizents Lüge. PBB 134.1 (2012). S. 39-72, hier S. 42f.

18
in Textbeispiel 2 – die Undurchsichtigkeit des mittelhochdeutschen Texts stets die
Gefahr bürgt, dass die Übersetzung den eigentlichen Textsinn verfälscht.

B5: Deutungsproblem (3): die ich iu ze hulden nante hie


daz die vertriben geiste
mit der gotes volleiste
bî dem grâle wæren,
kom iu von mir ze mæren,
unz daz si hulde dâ gebiten.
got ist stæt mit sölhen siten,
er strîtet iemmer wider sie,
die ich iu ze hulden nante hie (‚Parzival’ 798, 11-18)

Der letzte Vers wird von NELLMANN und SCHMITZ jeweils als „schwer verständlich“ 94 und
als „Schwierigkeiten bereitend“ 95 bezeichnet. Das Nichtverstehen dieser Passage
entsteht sowohl aus syntaktischem als auch aus erzähllogischem 96 Grund. Vom
syntaktischen Standpunkt her ist sie, so SCHMITZ und KÜHN 97 , aufgrund der verkürzten
Konstruktion schwer verständlich. Die Erzähllogik scheitert aufgrund der
widersprüchlichen Aussagen Trevrizents, welche diese ganze Passage dermaßen
anspruchsvoll machen, dass BUMKE 98 sie als eine der ‚vertracktesten’ Passagen des
‚Parzivals’ bezeichnet. 99 NELLMANN führt in diesem Zusammenhang zwei vorherige
Übersetzungenversuche an, um das Verstehensproblem zu erklären:
a) Die erste Übersetzung stammt von Ernst MARTIN, der den letzten Vers mit „die ich als
zu Gnaden (gelangt) bezeichnete“ 100 übersetzt. NELLMANNS Kritik an dieser Übersetzung
ist, dass sie im Widerspruch zu Trevrizents früheren Worten steht: „ich enweiz op got ûf

94
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 798, 18, S. 777.
95
SCHMITZ, Michaela: Der Schluss des Parzival Wolframs von Eschenbach. Kommentar zum 16. Buch. Berlin
2012. S. 99.
96
Der Terminus ‚erzähllogisch’ wird aus SCHMITZ’ Kommentar zu dieser Passage entnommen. Siehe Ebd.
97
Ebd. und NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 798, 18, S. 777.
98
BUMKE, Joachim. Die Wolfram von Eschenbach Forschung seit 1945. München 1970. S. 243.
99
Auch SCHMITZ konstatiert, dass in der bisherigen Forschung für diese Passage keine befriedigende Erklärung gibt
und erläutert das Problem folgendermaßen: „Der Dreißiger ist der Ausgangspunkt einiger Forschungskontroversen
um die so genannten Gralprämissen und zugleich die Textstelle, die zu einer Modifizierung des Trevrizentsbildes
nötigt, dass wie es sich im neunten Buch darstellte. Zwei problematische (da erzähllogisch widersprüchliche)
Aussagen Trevrizents haben die Forschung dabei vor allem beschäftigt: Trevrizents Staunen darüber, dass es Parzival
gelungen sei, Gott den Gral abzutrotzen, überrascht insofern, da er selbst in Buch 9 die Möglichkeit genannt hatte,
den von Gott Berufene könne zum Gral gelangen (jane mac den grâl nieman bejagn, wan der ze himel ist sô bekannt
daz er zem grâle sî benant. 468, 12-14; grœzer wunder selten ie geschach, sît ir ab got erzürnet hât, daz sîn endelôsiu
Trinitât 798, 2-5). Der zweite Punkt betrifft Trevrizents so genannten Widerruf, der sich wohl auf seine Aussage über
das Schicksal der neutralen Engel bezieht, über das er in Buch 9 nichts zu wissen vorgab (471, 23-24), während er
nun feststellt, sie seien auf ewig verdammt. Die beiden problematischen Aussagen erschüttern Trevrizents Autorität
und fügen sich nicht ein in das Bild von Parzivals Lehrmeister als Mann ohne „Falsch und Arg“. Zum einen scheint
Trevrizent selbst ein wenig die Übersicht verloren zu haben, wenn er die Bedingung, über göttliche Berufung zum
Gral zu gelangen hat (ich louc durch ableitens list 798, 6). Zum anderen wirft die Selbstbezichtigung der Lüge ein
zweifelhaftes Licht auf die religiöse und moralische Autoritätsfigur des neunten Buches.“ Siehe SCHMITZ, Der
Schluss des Parzival Wolframs von Eschenbach, S. 89f.
100
Zitiert nach NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 798, 18, S. 777.

19
si verkôs,/ode ob ers fürbaz verlôs/was daz sîn reht, er nam se wider (‚Parzival’ 471,
23-25).“ Im Einklang steht SCHMITZ’ Meinung über diese Übersetzung:

MARTINS Übersetzungsvorschlag […] führt dazu, dass man im Vergleich mit Trevrizents frühren
Aussagen […] einen Selbstwiderspruch konstatieren muss. Behauptete er vormals, das Schicksal
der neutralen Engel nicht zu kennen, gibt er in der Retrospektive fälschlicherweise an, damals
101
eine Aussage zugunsten der indifferenten Engel getroffen.

b) Die zweite Übersetzung stammt von REITHER, die den letzten Vers folgendermaßen
wiedergibt: „die ich […] hier im Zusammenhang mit ‚hulde’ nannte“. 102 NELLMANN lobt
diese Übersetzung dafür, dass sie den oben genannten Widerspruch vermeidet, kritisiert
sie zugleich mit den Worten, dass sie ‚sehr frei’ sei. 103
Dieses Beispiel zeigt einen problematischen, jedoch interessanten Fall, der beim
Übersetzen öfters vorkommt. Interessant ist er vor allem dadurch, dass an ihm das
Dilemma des Prinzips vom Textdienen ersichtlich wird: Wählt man die Worttreue, so
distanziert sich die Übersetzung von dem Sinn; wählt man die Sinntreue, wird
wiederum der Übersetzung vorgeworfen, dass sie zu frei ist. Das Übersetzen befindet
sich demnach, wie PRETZEL es nennt, in einer Zwischenlage zwischen ‚Freiheit und
Zwang’. 104 Die gegenwärtigen Übersetzungen sieht man in derselben Zwischenlage
befangen. KÜHNS Übersetzung („Er setzt den Kampf fort gegen sie,/die ich die
›Gnadenherr‹ nannte“) 105 bleibt dem Text nahe und wird dem Sinn fremd, wohingegen
KNECHTS Übersetzung („Gott ist aber in seinem Willen stets wandelbar, und also ist er
ihnen, von denen ich behauptet habe, sie können Versöhnung finden, feind für alle
Zeit“) 106 der Konstruktion des mittelhochdeutschen Verses nicht nahe bleiben kann, da
sie auf Sinnbewahrung bewahrt.

B6: Deutungsproblem (4): sculdehaft


Do hiez er Gernôten,
den sculdehaften tôten,
wegen ûf mit handen,
der von allen schanden,
het gewendet sînen muot. (‚Nibelungenklage’, V. 1921-1925)

101
SCHMITZ, Der Schluss des Parzival Wolframs von Eschenbach, S. 99.
102
Zitiert nach NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 798, 18, S. 777.
103
Ebd.
104
Zur Erklärung dieser Termini siehe Teilkapitel 1.3.1.1 von dieser Arbeit.
105
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. II. S. 361.
106
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 802.

20
Die Deutung des Adjektivs sculdehaft, das in Wörterbüchern nicht belegt ist, ist nach
LIENERT 107 in der Forschung aus zwei Gründen umstritten: Zum einen aufgrund
schlechter Überlieferung, da dieses Wort nicht in allen Handschriften vorhanden ist und
zum anderen scheint es im Widerspruch zum Tugendpreis Gernots zu stehen. CLASSEN
übersetzt das Adjektiv – in Einklang mit dem Tugendpreis Genots – als ‚hochverdient’
(„dass der hochverdiente Gernot“), 108 da nach ihm Gernot im eigentlichen Sinn keine
Schuld trifft. 109 LIENERT erklärt, dass Gernots Schuld in seinem Anteil an Rüdigers Tod
liegt und schlägt demnach ‚schuldbeladen’ als Übersetzungsmöglichkeit vor, was in
diesem Zusammenhang zutrifft, da ihre These, dass die Tatsache, dass jemand frei von
schande (V. 1924) ist, keinesweges bedeutet, dass er auch ohne Schuld ist, dem Sinn
näher steht. 110 Dieses Textbeispiel illustriert treffend die hermeneutischen
Herausforderungen, die der mittelhochdeutsche Text modernen Lesern und Übersetzern
stellt.

B7: Deutungsproblem (5): ir tougen nicht verklagen


si mochte ir tougen nicht verklagen
umb ir vil lieben mannes lip. (‚Nibelungenklage’ V. 4234f.)

sie konnten nicht aufhören, heimlich


um ihren allerliebsten Mann zu klagen (LIENERT, S. 313)

Problematisch ist der Satzteil ir tougen nicht verklagen, zumal er, wie LIENERT 111 ihn
interpretiert, sprachlich unklar ist. Aus dieser sprachlichen Unklarheit ergeben sich auch
in diesem Fall mehrere Deutungen. BUMKE deutet auf die Möglichkeit hin, tougen als
Substantiv im Sinne von „geheimer Schmerz“ zu verstehen („Sie konnte ihren
geheimen Schmerz um den Tod ihres Mannes nicht durch Klagen überwinden“), 112
räumt dabei selbst ein, dass tougen in dieser Bedeutung nicht belegt zu sein
scheint. 113 Auch CLASSEN übersetzt tougen mit „Schmerz“ (sie war nicht fähig gewesen,
den Schmerz/um den Tod ihres geliebten Ehemannes zu überwinden), 114 was
überrascht, zumal sein Stellenkommentar zu tougen diese Bedeutung nicht enthält. 115
LIENERT übersetzt tougen zwar im belegten Sinn, indem sie es als Adverb (im Sinne von

107
LIENERT, Stellenkommentar zu V. 1922, S. 418.
108
Diu Klage. mittelhochdeutsch-neuhochdeutsch. Einleitung, Übersetzung, Kommentar und Anmerkungn von
Albrecht CLASSEN. Göppingen 1997 (GAG 647). S. 89
109
CLASSEN, Stellenkommentar zu V. 1922, S. 215.
110
Ebd.
111
LIENERT, Stellenkommentar zu V. 4234, S. 456.
112
BUMKE, Die ›Nibelungenklage‹. Synoptische Ausgaben aller vier Fassungen, S. 554.
113
Ebd.
114
Diu Klage. Übersetzt v. Albrecht CLASSEN. S 197.
115
CLASSEN, Stellenkommentar zu V. 4234, S. 228. CLASSEN besagt: „tougen bedeutet ‚Heimlichkeit’,
‚Geheimnis’, ‚Einsamkeit’ und sogar ‚Wunderskraft’“.

21
„heimlich“) auffasst, doch muss sie, um Sinn herzustellen, verklagen („aufhören zu
klagen“) als intransitives Verb auffassen, was, wie sie selbst erläutert, von
Wörterbüchern nicht belegt wird. 116 LIENERT verdeutlicht weiterhin, dass der nächste
Vers umb ir vil lieben mannes lip von verklagen abhängt und der pronominale Dativ ir
als (im gegenwärtigen Deutsch nicht übersetzbaren) Dativus ethicus zu verstehen ist. 117
Wie beim vorigen Beispiel, macht auch dieses die hermeneutischen Herausforderungen,
die der mittelhochdeutsche Text modernen Lesern und Übersetzern stellt, ersichtlich.

B8: Deutungsproblem (6): blinzend


der künec sich dicke des bewac,
daz er blinzender ougen pflac
etswenne gein vier tagn (‚Parzival’ 788, 21-22)

Die obige Textstelle handelt von Anfortas, der von seinem Leid erlöst werden will. Das
Übersetzungsproblem liegt im Wort blinzen. Sowohl KNECHT („Der König nahm sich
immer wieder vor, ganz fest die Augen blind zu machen – vier Tage lang hielt er das
einmal aus“) 118 als auch KÜHN („Häufig tat König dies:/er machte seinen Augen zu –
/manchmal war es vier Tage lang“)119 übersetzen es im Sinne von „(Augen) zumachen“.
Im Gegensatz steht die These EDWARDS, 120 dass die Etymologie und Bedeutung von
blinzen unklar ist. blinzen kann, so EDWARDS, auch „aufwecken“ bedeuten. 121 Aufgrund
dieser Unklarheit ist das Lexem blinzend als Deutungsproblem zu verstehen.

B9: Deutungsproblem (7): hêre


Dô ih den grâl enphienc von der botschefte,
die mir der engel hêre enbôt mit sîner hôhen krefte[…] (‚Titurel’ 6, 1f.)

Als ich den Gral entgegennahm durch die Botschaft, die mir der herrliche Engel mit göttlicher Vollmacht
überbracht […] (BRACKERT/FUCHS-JOLIE, S. 67)

Das handschriftliche here, das BRACKERT/FUCHS-JOLIE 122 in ihrer Textausgabe als hêre
wiedergeben, ist doppeldeutig, da es sowohl als Adverb wie auch als Adjektiv

116
LIENERT, Stellenkommentar zu V. 4234, S. 456.
117
Ebd.
118
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S, 792.
119
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. II. S. 345.
120
EDWARDS erläutert das Problem mit folgenden Worten: „The etymology and meaning of blinzen are problematic.
The 12thC Reihnart Fuchs suggests that the meaning is ‘shutting one’s eyes’, but ‘blinking’ is suggested by the Latin
glosses oculare and ocellare. In Konrad von Würzburg’s Trojanerkrieg (mid 13thC) blinzend is used to describe an
old man waking up. It would appear that Anfortas is wishing the ultimate darkness upon himself.“ Siehe Wolfram
von Eschenbach. Parzival. Translated by Cyril EDWARDS, S. 251.
121
Referiert man auf die Textstelle aus dem ‚Trojanerkrieg’ Konrads von Würzburg, so findet man tatsächlich die
Bedeutung im Sinne „aufwecken“: „dô nam er wider unde las/sin unde craft geswinde/und wart von eime kinde/dâ
wider z'einem alten man/er sach die liute blinzend an/und nam ir dinges goume,/als der ûz eime troume/wirt aller êrst
erwecket (‚Trojanerkrieg’, V. 27300-27307)
122
Wolfram von Eschenbach. Übersetzt v. Helmut BRACKERT/Stephan FUCHS-JOLIE. S. 67.

22
verstanden werden kann. 123 In ihrem Kommentar erwähnen BRACKERT/FUCHS-JOLIE die
zwei Übersetzungsmöglichkeiten, die sich in diesem Fall ergeben: a) „die mir der Engel
hierher (here) entboten hat“ und b) „die mir der erhabene, heilige Engel (der engel here)
entboten hat“. 124

B10: Deutungsproblem (8): westerlege


dô der heiden touf enpfienc
unt diu westerlege ergienc, (‚Parzival’ 818, 15-16)

Als der Heide die Taufe empfangen und man ihm das Taufkleid angezogen hatte […] (KNECHT, S. 822)

Als der Heide nur getauft war,


und dies Fest zu Ende ging. (KÜHN, Bd. II, S. 393)

Wie bei B9 gibt es auch hier das Problem Zweideutigkeit, die im Wort westerlege 125
liegt. Nach LEXERS Handwörterbuch 126 bedeutet westerlege die „Anlegung des
Taufkleids“. Da diese Übersetzung nicht abzusichern ist, entscheiden sich NELLMANN 127
und SCHMITZ 128 gegen diese Bedeutung und wählen „Tauffest“ als
Übersetzungsmöglichkeit, was in Einklang mit KÜHNS Übersetzung ist. Für LEXERS
Vorschlag spricht jedoch der Eintrag zu westerlege im Grimmschen Wörterbuch, in
welchem der Begriff als elliptische Bildung für westerhemdelege bezeichnet wird. 129
Durch das Morphem hemde wird – das im gegenwärtigen Deutsch dieselbe Bedeutung
trägt wie das Wort „Hemd“ 130 – die Bedeutung vom „Kleid bzw. Taufkleid“ verstärkt,
wodurch es schwierig wird, eine eindeutige Lösung zu erreichen.

B11: Deutungsproblem (9): geprüevet


Swenne ir geprüevet sînen art
ir sît gein strîte dermite bewart. (‚Parzival’ 240, 1f.)

Hier liegt wieder eine Stelle vor, in der zwei Deutungen desselben Satzes möglich sind.
Parzival ist in Munsalvaesche und denkt, dass er keine Fragen stellen soll, weil
Gurnemanz ihm dies so vorher vorgeschlagen hat (er dâhte «mir riet Gurnamanz/mit
grôzen triwen âne schranz,/ich solte vil gevrâgen niht ‚Parzival’ 239, 11-13). Während

123
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu V. 6, 2, S. 183.
124
Ebd.
125
EDWARDS postuliert: „a unique problematic compound. The –lege element suggests a reference to the laying of
baptismal robes, but another possibility is: ‘the baptismal feast’.“ Siehe Wolfram von Eschenbach. Parzival.
Translated by Cyril EDWARDS. S. 262.
126
LEXER, Mittelhochdeutsches Handwöterbuch, Bd. III, S. 803.
127
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 818, 16, S. 784.
128
SCHMITZ, Michaela: Der Schluss des Parzival Wolframs von Eschebach, S. 164.
129
http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GW18328 [02.07.2012]
130
LEXER, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. I, S. 1245.

23
er in diesem Bedenken befangen ist, bringt ein Knappe ihm ein prächtiges Schwert,
dessen Besonderheit in den zitierten Versen beschrieben wird. Während KNECHT
geprüeven mit „auf Probe sellen“ („Immer wenn Ihr seinen Adel auf die Probe stellt/ 
seid Ihr sicher vor dem Feind.“) 131 übersetzt, deutet KÜHN es im Sinne von „kennen
lernen“ („Lernt Ihr sein Wesen erst mal kennen/seid Ihr im Kampf damit beschützt“). 132
Nach NELLMANN wird das Verbum geprüeven meist fälschlich mit „erproben“ übersetzt
und hat in diesem Kontext die Bedeutung „kennen lernen“, da Parzival die Besonderheit
des Schwertes und den Segen, der zu dem Schwert gehört, erfahren soll.133 Trotz dieser
Kontext-Deutung lässt sich nicht festhalten, dass geprüeven hier nur „kennen lernen“
bedeutet, da KNECHTS Deutung ebenso plausibel klingt. Durch diese gleichrangige
Zweideutigkeit erweist sich das Hinführen zum Original als ein schwieriges
Unterfangen.

B12: Faux amis (1): gesinde ↔ Gesinde


Der Begriff gesinde zählt zu den wichtigen und grundsätzlichen Begriffen
mittelalterlicher höfischer Literatur. Die Arbeit betrachtet ihn trotzdem als ein
lexikalisches und semantisches Übersetzungsproblem, da er beim Übersetzen desöfteren
mit dem gegenwärtigen Ausdruck „Gesinde“ verwechselt wird, was nach VOSS dazu
führt, dass der tiefgreifende, sozialgeschichtlich begründete Bedeutungswandel des
Wortes ignoriert wird. 134 Anschauliche Beispiele für diese fehlehafte Tendenz ist bei
den ‚Iwein’-Übersetzungen von KROHN und CRAMER zu finden. Besonderer
Aufmerksamkeit bedarf in diesem Zusammenhang folgende Stelle aus ‚Iwein’:
Dô er gaz und getranc,
dô huopz gesinde grozen schal
zu bêden porten über al (‚Iwein’ V. 1225)

Der Begriff wird hier mit dem gegenwärtigen Homonym ‚Gesinde’ verwechselt – nicht
nur bei KROHN („[…] machte das Gesinde großen Lärm“) 135 und CRAMER („[…] erhob
das Gesinde großen Lärm“) 136 sondern auch bei MERTENS („[…]begann das Gesinde
überall […] heftig Lärm zu machen“), 137 der diesen Begriff in seiner ‚Iwein’-
Übersetzung an sonstigen Stellen angemessen (bedeutungswandelsgerecht) wiedergibt.
Es folgt unten ein ähnliches Beispiel.
131
Wolfram von Eschenbach. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 244.
132
Wolfram von Eschenbach. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S. 401.
133
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 240, 1, S. 477.
134
VOSS, Rez. zu Iwein, S. 111.
135
Hartmann von Aue: Iwein. Übersetzt v. Rüdiger KROHN. S. 85.
136
Hartmann von Aue: Iwein. Übersetzt v. Thomas CRAMER. S. 25.
137
Hartmann von Aue: Iwein. Übersetzt v. Volker MERTENS. S. 385.

24
B13: Faux amis (2): sper ↔ Speer
ich tjostierte wider in:
des vuort er ouch mîn ros hin.
daz beste heil daz mir geschach,
daz was daz ich mîn sper zerbrach. (‚Iwein’ V. 739-742)

Ich ritt mit der Lanze gegen ihn an.


Auf diese Weise gewann er mein Pferd:
Das beste, was ich ausrichtete,
war, dass ich meine Lanze zerbrach. (CRAMER, S. 16)

Mit dem Speer ritt ich ihn an;


dadurch gewann er auch noch mein Pferd.
Das einzige, was mir noch gelang,
dass ich meinen Speer zerbrach (KROHN, S. 53)

Ich ritt mit dem Speer gegen ihn –


doch nahm er mein Pferd mit.
Es war noch ein Glück, was mir geschah,
dass nämlich mein Speer zerbrach. (MERTENS, S. 359)

Die zitierte Textstelle ist ein weiteres Beispiel für die fehlerhafte Tendenz,
mittelhochdeutsche Lexeme mit den gegenwärtigen zu verwechseln und dadurch den
Bedeutungswandel (bewusst oder unbewusst) zu ignorieren. Die zitierten Übersetzer
verwechseln diese Begriffe an mehreren Stellen, doch wurde diese Stelle speziell
ausgesucht, da sie eine Verbindung des Wortes sper mit dem Begriff tjostieren enthält,
wodurch dessen Bedeutung explizit wird. Es stellt sich die Frage, warum sich KROHN
und MERTENS für „Speer“ entscheiden, obwohl ihre Übersetzungen später erschienen und
dementsprechend davon ausgegangen werden darf, dass sie mit dieser Nuance vertraut
sind. Diese Frage wird umso bedeutender, zumal MERTENS 138 in seinem Stellekommentar
zu dem Wort tjostierte diese Nuance richtig erklärt. KÜHNbeschreibt diese fehlerhafte
Übersetzungstendenz folgendermaßen:

Das mittelhochdeutsche Wort ‚sper’ wird in allen Übersetzungen, die ich kenne, mit ‚Speer’
übersetzt. Dies ist auch weithin üblich in der germanistischen Sekundärliteratur (als eine der
Ausnahmen Joachim Bumke). Im englischen Sprachbereich würde man das Wortpaar »sper-
Speer« als »false friends« bezeichnen. Denn bei allen Beschreibungen von Tjosts ist
selbstverständlich die Lanze gemeint. Ein Speer wird geworfen, eine Lanze wird ‚eingelegt’. Ein
Speer ist also erheblich kürzer, dünner, leichter als eine Lanze, mit der ein gepanzerter Reiter in
wuchtiger Attacke aus dem tief eingemuldeten Satten gehoben werden musste, über den hinteren
139
Sattelbogen hinweg.

Beispiel 12 und Beispiel 13 stehen für ‚Falsche Freunde’, die (bewusst oder unbewusst)
durch Übersetzungsfehler entstehen. Bedeutend sind sie trotzdem, da, wie schon oben
erläutert, der Bedeutungswandel ignoriert wird.

138
Tjost ist der Lanzenkampf zu Pferd, der mit dem Abwurf eines Gegners regelrecht abläuft. Das Pferd als
Siegespreis ist ebenfalls die Norm. Siehe MERTENS, Stellenkommentar zu V. 739, S. 988.
139
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übertragen v. Dieter KÜHN. Bd. II. S. 437.

25
B14: Faux amis (3): list ↔ List
als si sînen ernest ersach
und daz er’z von herzen sprach
vil güetlichen sach si in an,
den vil ungetriuwen man
und lachete durch schœnen list (‚Erec’ V. 3839-3842).

In diesem Textbeispiel stammt der Übersetzungsfehler – im Gegensatz zu B12 und B13


– aus dem mittelhochdeutschen Text, da sich die Bedeutung des Begriffs im Wandel
befindet. HELD übersetzt schœnen list mit „schöne List“ 140 und versteht list in negativer
Bedeutung. Eine ähnliche Meinung vertritt CRAMER, indem er den Ausdruck list so
gebraucht wie im Gegenwartsdeutsch („und lächelte mit kluger List“),141 jedoch
anstelle von „schön“ das Adjektiv „klug“ verwendet. MERTENS hingegen schlägt in
Anbetracht des Kontexts „künstlich“ vor („und lächelte künstlich“). 142 An einer
weiteren Stelle, in welcher Enite ihre Ehre und das Leben ihres Mannes rettet, kommt
derselbe Ausdruck erneut vor (mit schœnen wîbes listen, V. 3940). Während MERTENS
bei seiner Auffassung dieses Begriffs bleibt („mit weiblicher Kunst“) 143 und ihn mit
„Kunst“ wiedergibt, übersetzt HELD den Vers mit der Phrase „mit feiner weiblicher
Klugheit“. 144 CRAMER entscheidet sich jedoch für „mit schöner weiblicher List“145 und
mischt dadurch erneut den mittelhochdeutschen und den gegenwärtigen Begriff.
Im Kommentarteil verdeutlicht MERTENS, dass list im Mittelhochdeutschen nicht die
Bedeutung der Hinterhältigkeit, sondern der Kunstfertigkeit hat.146 Nach PRETZEL kann
list jedoch auch negative Bedeutungen haben. 147 Als Beispiel dafür nennt er eine Stelle
aus ‚Iwein’ (si zigen mich der valscheit,/daz ez schüefe niwan mîn list V. 4125), die
auch bei MERTENS Übersetzung in negativer Bedeutung wiedergegeben wird („Sie
beschuldigten mich der Falschheit, es habe allein an meiner Ränkespiel gelegen“ 148 ).
FRITZ erwähnt in diesem Zusammenhang in seiner‚ Einführung zur historischen
Semantik’ die Untersuchungen von TRIER zum deutschen Intellektualwortschatz. 149
Diese handeln von der Entwicklung der Wörter wîsheit, kunst und list im Zeitraum vom
frühen 13. Jahrhundert bis zum frühen 14. Jahrhundert. FRITZ besagt:

140
Hartmann von Aue. Erec. Übersetzt v. Susanne HELD. S. 223.
141
Hartmann von Aue. Erec. Übetragung v. Thomas CRAMER. S. 170.
142
Hartmann von Aue. Erec. Übersetzt v. Volker MERTENS. S. 221.
143
Hartmann von Aue. Erec. Übersetzt v. Volker MERTENS. S. 225.
144
Hartmann von Aue. Erec. Übersetzt v. Susanne HELD. S. 227.
145
Hartmann von Aue. Erec. Übetragung v. Thomas CRAMER. S. 174.
146
MERTENS, Stellenkommentar zu V. 3842 (,Erec’), S. 659.
147
PRETZEL, Mittelhochdeutsche Bedeutungskunde, S. 26.
148
Hartmann von Aue. Iwein. Übersetzt v. Volker MERTENS. S. 541.
149
FRITZ, Historische Semantik, S. 116.

26
kunst bezieht sich vor allem auf höfische Fähigkeiten als Teil der höfischen Bildung, von den
ritterlichen Fähigkeiten, die im Turnier verlangt werden, bis hin zur Sprachenkenntnis und zu
musikalischen und dichterischen Fähigkeiten. list dagegen bezieht sich vor allem auf
handwerkliche Fertigkeiten wie die des Schmieds, aber auch auf Naturkunde, Arzneikunde und
schließlich auf zauberische Fähigkeiten […] 100 Jahre später – beim Mystiker Meister Eckhart –
hat sich nach TRIER das Bild […] geändert: list gehört nicht mehr in den engeren Bereich der
150
Intellektualwörter, sondern nähert sich zunehmend der heutigen Verwendung.

Der TRIERSCHEN Untersuchung nach befindet sich ‚Erec’ in einem Zeitraum, in dem die
Bedeutungsbreite von list variabel ist. Ein Zweifelsfall, bei dem die Bedeutung dieses
Begriffs deutlich zwischen „positiv“ und „negativ“ schwankt, merkt man bei der
folgenden Textselle aus ‚Gregorius’: mit listen sprach er dô zuo ir (V. 3879).
Greogorius zeigt hier, so FRITSCH-RÖSSLER, ein Glanzstück psychologischer
Gesprächsführung und hoher Einfühlsamkeit, indem er abwägt, wie viel Wahrheit seine
Mutter auf einen Schlag vertragen kann. 151 FRITSCH-RÖSSLER übersetzt daher die Phrase
mit listen sprach als „wohlüberlegt sagte er“. 152 Dieselbe Phrase versteht MERTENS als
negativ konnotiert, was an seiner Übersetzung „mit kunstreicher Verstellung sagte
[er]“ 153 ersichtlich wird. Auch wenn das Wort „Verstellung“ mit dem positiv
konnotierten Wort „kunstreich“ assoziiert wird, verliert es seine Bedeutung der
„Unaufrichtigkeit, Unehrlichkeit“ nicht. Die voneinander abweichenden
Interpretationen dieses Begriffes sind ein Indiz für die Breite seines semantischen
Sprektums, wodurch er zum Übersetzungsproblem wird, da oftmals Unklarheit darüber
besteht, wie dieser Begriff zu verstehen und übersetzen ist.

B15: Hapax Legomena


Die Wolfram’schen Hapax Legomena lassen sich am treffendsten anhand des Terminus
bickelworte beschreiben, welchen Gottfried von Strassburg in seinem Literaturexkurs
zwecks einer Wolfram-Kritik gebraucht. Wie im vorherigen Kapitel bereits angedeutet,
zeichnet sich Wolframs Sprache – im Einklang mit dem obscuritas-Begriff – unter
anderem durch ihre zahlreichen Neologismen und Hapax Legomena aus. Die folgenden
Verse aus dem ‚Parzival’ enthalten eines davon:

der wol geborne knappe


hielt gagernde als ein trappe. (‚Parzival’ 149, 25-26)

150
Ebd.
151
FRITSCH-RÖSSLER, Stellenkommentar zu V. 3879, S. 305.
152
Hartmann von Aue. Gregorius. Übersetzt v. Waltraud FRITSCH-RÖSSLER. S. 229.
153
Hartmann von Aue. Gregorius. Übersetzt v. Volker MERTENS. S. 219.

27
Schwer zu deuten ist das Lexem gagernde. KÜHN übersetzt: „Der edle Knappe blieb im
Sattel/wackelnd wie ein Trapphahn [...]“. 154 NELLMANN zeigt sich damit nicht
einverstanden, da Parzivals angeblich schlechter Sitz zu Pferde überraschend sei. 155 Da
das Verbum gagern (Iterativum zu gagen „schwanken“) ein Hapax Legomenon ist,
nimmt NELLMANN an, dass gâgern (Iterativum zu gâgen „schreien“; gebraucht für Gänse
und Krähen) gemeint sein könnte. 156 Demnach lautet NELLMANNS Übersetzungsvorschlag
„schimpfend wie ein Rohrspatz“. 157 NELLMANN verweist hier auf den Kontext, um zu
dieser Übersetzung zu gelangen.
Zur Analyse wird unten eine Liste von einigen Hapax Legomena aus ‚Parzival’ mit
ihren Übersetzungen von KÜHN und KNECHT angeführt.
Hapax Legemenon Vers KÜHN KNECHT
ân âderstôz 825,10 ohne Wimperzucken Kein Pulsschlag lang
buzzel 190,13 tonnelets Legel
dienstbietære 767,28 Dienstweiser Kavalier
geheistieret 592,28 mit Effekt mit Eile
genit 778,2 Civette Türkischer Rappe
geschaeret 424,4 gemausert gemausert
(saelden) pflihtaer 289,12 Segensreich Wenn es gut
ausgegangen ist
ribbalîn 127,8 Bauernstiefel Stiefel
sarjande ad piet 386,12 troupiers au pied Sarjande à pied
schürbrant 588,19 Wolltuch von Seide
sleif 566,27 glatt poliert schlüpfrig
stiven 764,27 Schalmeien Schalmeien
tavelrunderære 652,13 Rondisten Rittern von der
Tafelrunde
templeis 444,24 Tempelritter Templeise
überparlieret 696,17 überparliert plauderte hinweg
vilzelîn 537,6 Sattel-Filzelchen Filzdecke
vindenlichiu flust 547,19 du Fund und du Verlust Finden und Verlieren
vipperhornîn 790,1 Vipern-Hornhaut Viperhorn
visellîn 112,25 Schnibbel Pimperlein

Diese Liste enthält sowohl aus dem Altfranzösischen übernommene Wörter wie buzzel
als auch Neuprägungen wie dienstbietære. Außer geschaeret stimmen KNECHTS und
KÜHNS Übersetzungen bei keinem Wort überein. Besonders problematisch werden die
154
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S. 253.
155
NELLMANN, Stellenkommetar zu V. 149, 26, S. 537.
156
Ebd.
157
Ebd. Absolut sicher ist jedoch NELLMANN über ihren Vorschlag nicht, da sie sich zugleich auch fragt, ob mit
trappe ein „einfältiger Mensch“ gemeint sein könnte, was eigentlich mit Parzivals tumpheit übereinstimmt.

28
Hapax Legomena für das Übersetzen, wenn sie im Text metaphorisch gebraucht werden
wie das beim Oxymoron vindenlichiu flust der Fall ist. KNECHT und KÜHN übersetzen den
Ausdruck als zwei unterschiedliche, durch die Konjunktion „und“ verbundene
Substantive, auch wenn vindenlichiu ein Adjektiv ist und wörtlich, so EDWARDS, „lossful
find“ 158 bedeutet.

B16: Programmatische Sätze und Wörter (1): rehte güete, sælde und êre
Swer an rehte güete
wendet sîn gemüete,
dem volget sælde und êre (‚Iwein’ V. 1-3).

Wer auf das Gute


sein Bemühen richtet,
dem wird Glück und Ansehen zuteil. (MERTENS, S. 319)

Wer nach dem wahrhaft Guten


von ganzem Herzen strebt,
dem wird Ansehen vor Gott und den Menschen als sicherer Lohn zuteil. (CRAMER, S. 3)

Der ‚Iwein’-Prolog ist für das Übersetzen in einem solchen Maße problematisch, dass
RAGOTZKY bemerken muss, dass jeder Versuch einer adäquaten Übersetzung zum
Scheitern verurteilt ist. 159 Der Grund dafür liegt in dem stark variierenden Verständnis
der Begriffe güete und sælde. 160 So fragt sich beispielsweise MERTENS, 161 ob güete eine
theologische Dimension hat und ob sie ethisch oder ästhetisch zu verstehen ist. Seinem
Verständnis nach ist güete eine positive Leerformel, die durch welche die Rezeption des
Romans mit einer ästhetisch vermittelten Erfahrung gefüllt wird. 162 güete
korrespondiert daher, so MERTENS, 163 mit dem rehte und wesen (sô rehte wol wesen sol,
V. 57), das die Erzählung bewirkt.
Nach KROHNS Übersetzung lauten die Eingangsverse im gegenwärtigen Deutsch wie
folgt: „Wer nach wahrer Vollkommenheit/aus ganzem Herzen strebt,/der erwirbt sich
ein gesegnetes Leben und weltliches Ansehen.“ 164 Diese Paraphrasierung findet
VOSSzwar „grosso modo akzeptabel“, doch keineswegs optimal. 165 Dafür nennt er
folgenden Grund:

158
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Translated by Cyril EDWARDS. S. 176.
159
RAGOTZKY, Hedda: saelde und êre und der sêle heil. Das Verhältnis von Autor und Publikum anhand der
Prologe zu Hartmanns ›Iwein‹ und zum ›Armen Heinrich‹. In: Grundlagen des Verstehens mittelalterlicher Literatur.
Literarische Texte und ihr historischer Erkenntniswert. Hg. v. Gerhard Hahn/Hedda Ragotzky. Stuttgart 1992.
(Kröners Studienbibliothek 663). S. 33-54, hier S. 36.
160
MERTENS, Stellenkommentar zu V. 1-3 (‚Iwein’), S. 976.
161
Ebd.
162
Ebd.
163
Ebd.
164
Hartmann von Aue. Iwein. Übersetzt v. Rüdiger KROHN. S. 7.
165
VOSS, Rudolf: Rez. zu: Hartmann von Aue: Iwein. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hg. und übersetzt v.
Rüdiger Krohn. In: ZfdA 141.1 (2012). S. 106-118, hier 108.

29
Zunächst wäre zu reflektieren, dass der Begriff des Guten in der platonisch-neuplatonischen
Tradition, welche die Philosophie, die Theologie und die Vorstellungswelt des Mittelalters
schlechthin maßgeblich prägt, die höchste Idee überhaupt fasst; Vollkommenheit ist zwar deren
Wesenseigenschaft, aber nicht ihr Wesen selbst. Vor diesem Hintergrund ist m.E. angemessen,
die Kategorie des Guten in ihr durchaus offenen, aber eben deshalb universalen transzendenten
Verweisung unangetastet zu lassen. 166

VOSS versteht güete also – wie MERTENS und CRAMER – als ‚Gute’ und übersetzt rehte
güete als „[das] wahrhaft Gute“. 167 Wendet man sich den anderen wichtigen Begriffen
zu, namentlich sælde und êre, findet man das gleiche Interpretationsproblem wie bei
güete. MERTENS konstatiert, dass man sælde sowohl als „Ansehen vor Gott“, wie CRAMER
dies tut, aber auch undifferenziert als „Glück“ verstehen kann. Dieses Verständnis wird
von VOSS erweitert, indem er postuliert, dass der Begriffsinhalt der Lexeme sælde und
êre in Hartmanns Artusromanen nicht exklusiv religiös konnotiert ist, sondern auch
säkuläres Gelingen impliziert. Dieser Befund, so VOSS, steht nicht singulär, sondern
entspricht einer kollektiven Denkweise. 168 In diesem Sinne übersetzt er den dritten Vers
mit „dem wird Heil und Ehre zuteil“.
Die Tatsache, dass es zur Deutung dieser Begriffe mehrere Möglichkeiten gibt,
erschwert das Übersetzen. VOSS fasst das Problem treffend zusammen, indem er
postuliert, dass angesichts der Einbettung der Dichtung in einen epochentypischen
mentalen und ideologischen Horizont der sattsam bekannte Sachverhalt evident wird,
dass das Übersetzen nicht ohne interpretatorische Leistung auskommt. 169

B17: Programmatische Sätze/Wörter (2): zwîvel


Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr. (‚Parzival’ 1, 1-30)

Wenn Zweifel beim Herzen wohnt, dass muss der Seele sauer werden. (KNECHT, S. 3)

Wenn das Herz mit Zweifeln lebt,


so wird es für die Seele herb. (KÜHN, Bd. I, S. 11)

Der Prolog zum ‚Parzival’ gehört zu den meist diskutierten Textstellen der
mittelhochdeutschen Literatur. 170 Die Deutungen sind so divergierend, dass ein
Konsens nicht zu erwarten ist. 171 Vor allem aus hermeneutischen Gründen ist die Stelle

166
Vgl. Ebd.
167
Ebd., S. 109.
168
Zum Beweis verweist VOSS auf die Widmungsvorrede Otfrids von Weißenburg an König Ludwig in seinem
Evangelienbuch: „Thémo si íamer héili | ioch sálida giméini, druhtin hóhe mo thaz gúat | ioh freuue mo émmizen
thaz múat“. Siehe Ebd.
169
Ebd.
170
Siehe folgende: DALLAPIAZZA: Wolfram von Eschenbach: Parzival, S. 32f. und HAUG, Walter: Das
literaturhistorische Konzept Wolframs. Eine neue Lektüre des ›Parzival‹-Prologs. S. 211.
171
DALLAPIAZZA, Wolfram von Eschenbach: Parzival, S. 32f.

30
schwierig zu übersetzen. BRACKERT präzisiert das Übersetzungsproblem folgendermaßen:
„Der Eingang des Wolfram’schen ‚Parzival’ ist nicht nur deshalb so schwer zu
übersetzen, weil es kein deutsches Äquivalent für zwîvel gibt, sondern weil eine über
150 Jahre lange kontroverse Forschungsgeschichte bisher keine überzeugende Lösung
gebracht hat, wie denn dieses Wort im Kontext von Prolog und Gesamtwerk überhaupt
zu verstehen sei.“ 172

Fünf Deutungen von zwîvel


Rekurrierend auf verschiedene Übersetzungen dieses Begriffs teilt BRACKERT die
bisherigen Forschungspositionen zu diesem Wort in folgende fünf Punkte auf: 173
i) zwîvel und damit zusammenhängend auch unstæte (der unstæte geselle 1, 10) und
stæte (der mit stæten gedanken 1, 14) als die Leitwörter dieser Eingangsverse beziehen
sich nur auf den Prolog und haben mit den darrauf folgenden Teilen des ‚Parzival’
nichts zu tun. 174
ii) zwîvel bedeutet desperatio (Verzweifelung) und impliziert eine Todsünde, die
ausnahmslos zur Verdammnis führt (daz mouz der sêle werden sûr 1, 2). Nach dieser
Interpretation greift Wolfram den Prolog von Hartmanns höfischem Legendenroman
‚Gregorius’ auf, laut dem alles außer zwîvel vergeben wird. 175
iii) zwîvel bedeutet „moralisches Schwanken“ bzw. „Wankelmut“. Dies wird an einer
der zentralen Stellen des Werkes ersichtlich nämlich an Parzivals Unterlassen der
Mitleidsfrage. 176
iv) In Bezug auf Parzivals Absage an Gott nach Cundries Verfluchung wird zwîvel
interpretiert als „Unglaube“, „Abfall von Gott“ und „Abtrünnigkeit“. 177
v) Schließlich wurde zwîvel, als Äquivalent von unstæte (1, 10), mit „Unbeständigkeit“
übersetzt und damit der dunklen Farbe, der Hölle zugeordnet. 178

172
BRACKERT, Helmut: zwîvel. Zur Übersetzung und Interpretation der Eingangsverse von Wolframs von
Eschenbach ‚Parzival’. In: Blütezeit. Festschrift für L. Peter Johnson zum 70. Geburtstag. Hg. v. Mark Chinca u.a.
Tübingen 2000. S. 335-348, hier 336.
173
Ebd., S. 337.
174
Ebd.
175
Ebd.
176
DALLAPIAZZA bezeichnet KÜHNS Übersetzung als ‚holprig’ und sieht den Grund dafür im Wort zwîvel: „Das
Problem ist das Wort zwîvel, denn es kann im Mittelhochdeutschen sowohl Unsicherheit, Schwanken, Zweifel im
modernen Sinne, als auch religiösen Zweifel, gar Unglaube oder auch Verzweifelung bedeuten. Für alle diese
Interpretationen ist optiert worden, doch ist der Vorschlag LACHMANNS von 1835 der praktikabelste, hier
Unsicherheit zu lesen, im ethischen Sinne, was übrigens bestens mit dem Begriff stæte, der inneren Beständigkeit aus
Vers 14 zu vereinbaren wäre.“ Siehe DALLAPIAZZA: Wolfram von Eschenbach: Parzival, S. 32.
177
Ebd.
178
Ebd.

31
Zwei dieser Bedeutungen, denen in der neueren Forschung eine besondere Beachtung
zukam, sind „desperatio“ und „Zwiespalt, Wankelmut, Unentschiedenheit“. Um die
Eingangsverse zu deuten werden vier Modelle gebraucht: a) Prologtheorie und
Intertextualität, b) Wolfram’scher Sprachgebrauch, c) zeitgenössische Rezeption und d)
textimmanente Interpretation. Im Zentrum stehen die gegensätzlichen Meinungen von
HAUG 179 und BRACKERT 180 bezüglich dieser Modelle.

a) Deutungsversuch anhand mittelalterlicher Prologtheorie und Intertextualität


Bei den ersten zwei Versen handelt es sich um eine Sentenz, wie EIKELMANN/TOMASEK
dies erklären. 181 DALLAPIAZZA postuliert, dass sentenzenartige Anfangsverse nicht
unbedingt überbewertet werden sollten, da es ihre Funktion ist, ein rasches
Einverständnis mit dem Publikum zu erzielen. 182 Zugleich betont er aber auch, dass im
Falle Wolframs ein Großteil der Forschung davon überzeugt ist, dass es sich um einen
Leitgedanken des ganzen Romans handelt und nicht nur um eine sehr allgemeine
Affirmation. Damit weist DALLAPIAZZA 183 indirekt auf die Debatte hin, welche die Frage
aufwirft, ob der ‚Parzival’-Prolog mit der mittellateinischen Prologtheorie
korrespondiert. Im Rahmen dieser Debatte sind zwei Positionen hervorzuheben:
Einerseits die Position Walther HAUGS, 184 andererseits die Position Helmut BRACKERTS. 185
HAUG postuliert, dass die Eingangsverse ‚Parzivals’ der Prologtheorie nach gestaltet
sind. 186 Er stellt dabei die Eingangsverse in einen intertextuellen Kontext (‚Gregorius’-
Prolog) und zieht demnach den Schluss, dass zwîvel die Todsünde desperatio bedeutet:

179
HAUG, Walter: Das literaturtheoretische Konzept Wolframs. Eine neue Lektüre des ›Parzival‹-Prologs. PBB 123
(2001). S. 211-229.
180
BRACKERT, Helmut: zwîvel. Zur Übersetzung und Interpretation der Eingangsverse von Wolframs von
Eschenbach ‚Parzival’, S. 335-348.
181
EIKELMANN, Manfred/TOMASEK, Tomas (Hgg.): Sentenzen und Sprichwörter im Höfischen Roman des 12. und
13. Jahrhunderts. Bd. 2. Artusromane nach 1230. Gralromane, Tristanromane. S. 134.
182
DALLAPIAZZA, Wolfram von Eschenbach: Parzival, S. 32f.
183
Ebd.
184
HAUG fasst die Pro-Prologtheorie-Position folgendermaßen zusammen: „Seit Hennig Brinkmanns Prolog-Studie
hat der Rekurs auf die mittelalterliche Prologtheorie eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Beurteilung des
‚Parzival’-Eingangs gespielt. Diese Theorie besagt, dass die Funktion des Prologs in seinem ersten Teil darin besteht,
mit dem Publikum in Kontakt zu treten, sich mit ihm zu verständigen, es für das Werk aufnahmebereit zu machen
(‚prologus praeter rem’). Hier wird also in der Regel nicht auf das Werk selbst eingegangen, vielmehr pflegt man erst
in einem zweiten Teil (›prologus ante rem‹) auf den Stoff, seine Herkunft, seine Vermittlung usw. hinzuweisen,
wobei auch da die mehr sachliche Seite im Vordergrund steht, also nicht von der Thematik im Sinne einer Einführung
in Problemstellungen die Rede ist. Da diese aus lateinischer Tradition stammenden theoretischen Vorgaben auch von
den vulgärsprachlichen Dichtern beachtet wurden - Chretien de Troyes bezeugt dies ebenso wie Hartmann von Aue -,
ist damit zu rechnen, dass auch Wolfram mit ihnen vertraut war.“ Siehe HAUG, Das literaturhistorische Konzept
Wolframs, S. 214.
185
BRACKERTS Analyse ist an (unter anderem) HAUGS erstmals 1985 erschienenes Buch „Literaturtheorie im
deutschen Mittelalter. Eine Einführung“ gerichtet. Der hier miteinbezogene Aufsatz HAUGS erschien 2002 als
Antwort auf BRACKERTS Beitrag. Wenn in der vorliegenden Arbeit BRACKERTS Aussagen als Kritik HAUGS später
erschienen Aufsatzes angeführt werden, dann geschieht es nur aus dem Grund, dass HAUGS Positionen in den
jeweiligen Werken starke Ähnlichkeiten aufweisen.
186
HAUG, Das literaturhistorische Konzept Wolframs, S. 213.

32
Geht man also davon aus - und darüber besteht heute weitgehend Einigkeit -, dass man es bei
den ersten beiden Versen mit der typischen publikumsbezogenen Eingangssentenz zu tun hat,
dann liegt es nahe, im intertextuellen Horizont nach Anknüpfungsmöglichkeiten Umschau zu
halten. Eine solche Anknüpfung glaubte man – seit Hermann Schneider – in Hartmanns
›Gregorius‹-Prolog gefunden zu haben, der den zwîvel thematisiert, und zwar in seiner
radikalsten Form, als Zweifel also an der göttlichen Gnade. Hartmanns bekannte These lautet:
Jede noch so große Sünde kann vergeben werden, solange man nicht an Gottes Gnade
verzweifelt, und er demonstriert dies dann an der Figur des Gregorius, der schuldlos in Schuld
gerät, aber, weil er sich vorbehaltlos in die Hand Gottes gibt, nach langer Buße doch gerettet
wird. Das desperatio-Thema lag also ›in der Luft‹, und wenn Wolfram sentenzhaft von der
Gefährdung der Seele durch zwivel spricht, so konnte er damit rechnen - und dürfen auch wir
damit rechnen -, dass das Publikum den Bezug zum ›Gregorius‹ herstellte. In diesem Fall wäre,
die Implikation herausstellend, zu übersetzen: »Wer dem radikalen Zweifel an der göttlichen
Gnade in seinem Herzen Raum gibt, der liefert seine Seele - so sagt es bekanntlich Hartmann im
›Gregorius‹ - der Hölle aus«. Die Deutung der ersten beiden Verse in diesem Bezugshorizont
erschien auch mir bislang als die plausibelste Lösung. 187

BRACKERT findet jedoch eine solche Sinnherstellung nicht plausibel. Den Haupteinwand
erhebt er auf zwei Ebenen:
i) Formale Ebene: Bezugnehmend auf weitere epische Prologe besagt BRACKERT, dass
die allgemeine Sentenz, wenn nicht direkt auf das gesamte Werk bezogen, doch in der
Regel wenigstens in den jeweiligen Kontext des Prologs einbezogen ist. 188 Als Beispiel
nennt er den ,Iwein’-Prolog, der zwar mit einem allgemeinen Leitsatz beginnt (swer an
rehte güete, wendet sîn gemüete,/dem volget sælde und êre, V. 1-3), welcher jedoch im
darauf folgenden Vers (des gît gewisse lêre, V. 4) in Kontext aufgenommen wird.
ii) Hermeneutische Ebene: Die dem HAUGSCHEN Vergleich zugrunde liegende
Interpretation des Terminus zwîvel im Sinne von desperatio erweist sich nach BRACKERT
als problematisch, da es sich, wie der ‚Gregorius’-Prolog (V. 64ff.) deutlich macht,
nicht um ‚Verzweiflung’, sondern um den Zweifel an Gottes Sündenvergebung
handelt. 189 Dem ‚Gregorius’-Prolog nach (V. 160f.) gäbe es, wie BRACKERT dies versteht,
überhaupt keine Verfehlung, die es nötig mache, Gott gegenüber im zwîvel (d.h. im
Zweifel an Gottes Gnade) zu beharren, da man sich von jeder Sünde mittels riuwe
befreien könne. 190
In diesem Sinne zieht BRACKERT den Schluss, dass Hartmann im Gregorius-Prolog
andere Akzente setzt und dass „Hartmanns Art der Problembehandlung von einer
»simplen Schwarz-Weiß-Manier« entfernt ist, wie sie HAUG bei seinem Vergleich

187
Vgl. Ebd.
188
BRACKERT, zwîvel. Zur Übersetzung und Interpretation der Eingangsverse von Wolframs von Eschenbach
‚Parzival’, S. 339.
189
Ebd.
190
Ebd.

33
voraussetzt, oder genauer: wie Wolfram sie nach HAUGS Argumentation angeblich bei
Hartmann voraussetzt.“ 191

b) Deutungsversuch anhand des Wolfram’schen Sprachgebrauchs


Nach BRACKERT taucht der zwîvel nirgendwo in Werken Wolframs als desperatio auf. 192
BRACKERT versteht dieses Wort als ‚Unschlüssigkeit, Unentschiedenheit oder
Entzweiung’. Als Beispiel nennt er die Stelle aus ‚Parzival’, an der Herzeloyde Parzival
vor der Unentschiedenheit warnt und sagt, er solle sich vor zwîvels wanke (‚Parzival’,
V. 119,28) hüten. 193 Als einen möglichen Problemfall nennt er die Stelle aus
‚Willehalm’, 194 in welcher Petrus dreimal nacheinander tief in zwîvel gerät (von zwîvel
im dristunt geschach, daz er an gote verzagete, ‚Willehalm’ 332,12-13). Der darauf
folgende Vers (hôhen prîs es sît bejagete, ‚Willehalm’ 332,14) impliziert laut BRACKERT
jedoch, dass es sich hier nicht um eine endgültige Verzweiflung handelt, sondern nur
um eine situative Verunsicherung. 195

c) Deutungsversuch in Bezug auf zeitgenössische Rezeption


HAUG berücksichtigt zwar die von BRACKERT hervorgehobenen Punkte, bemängelt
jedoch, dass BRACKERT beim Rezipienten nicht nur von Anfang an die Kenntnis der
weiteren Überlegungen Wolframs, sondern überdies auch die Kenntnis des Werks, d. h.
des Schicksals der Hauptfigur, voraussetzt. 196 HAUGS These lässt sich in zwei Punkte
gliedern:
i) Man könnte sich zwar vorstellen, dass der Hörer oder Leser, wenn er den Weg
Parzivals mitgegangen ist, rückblickend den Prolog so interpretiert, wie BRACKERT dies
getan hat. Aber beim ersten Hören oder Lesen dürfte ihm dies schwerlich möglich
gewesen sein. Vielmehr wird er bei den beiden Eingangszeilen in genau jene
Unsicherheit geraten, die auch dem modernen Interpreten zu schaffen macht.

191
Ebd., S. 340.
192
Ebd., S. 341.
193
Ein ähnlicher Beleg ist das Hendiadyoin zwîvel mit wank aus ‚Titurel’ (V. 51,4), der von BRACKERT/FUCHS-
JOLIE als ‚Zwiespalt’ übersetzt wird. Siehe Wolfram von Eschenbach. Titurel. Übersetzt v. Helmut
BRACKERT/Stephan FUCHS-JOLIE. S. 91.
194
Wolfram von Eschenbach. Willehalm. Hg., übersetzt und kommentiert v. Joachim HEINZLE. Frankfurt/Main
2009. (Bibliothek des Mittelalters 9).
195
In diesem Zusammenhang schlägt BRACKERT auch Bedeutungen für nachgebûr und sûr vor: nachgebûr = ‚nahe,
oft bedrohlich oder leidvoll nahe Nachbarschaft; sûr = leidvolle, belastende, qualvolle Bitternis. Siehe BRACKERT,
zwîvel. Zur Übersetzung und Interpretation der Eingangsverse von Wolframs von Eschenbach ‚Parzival’, S. 342.
196
HAUG räumt hier ein, dass diese Schwäche nicht nur bei BRACKERT, sondern bei sämtlichen bisherigen
Prologinterpreten (darunter nennt HAUG sich selbst auch) zu finden ist. Ausführlich siehe: HAUG, Das
literaturhistorische Konzept Wolframs, S. 218.

34
ii) Er wird sich fragen, wie er zwîvel zu akzentuieren hat, und er wird dabei die beiden
ersten Verse nach gängigem Muster als vom Romanthema unabhängige Sentenz
auffassen und sich möglicherweise an Hartmanns ‚Gregorius’-Prolog erinnert sehen.

d) Deutungsversuch anhand textimmanenter Interpretation


Der Fokus richtet sich in diesem Zusammenhang auf zwei Fragen: i) Soll die
Übersetzung von zwîvel in Bezug auf die Entwicklung der Parzivalfigur geschehen?
Und: ii) welche Rolle spielt das Elstergleichnis bei der Deutung von zwîvel? Die erste
Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der bisherigen Forschung
versuchte, den Begriff zwîvel rigoros von Parzivals Schicksal zu trennen. Die Lösung
dieser Frage liegt nach BRACKERT in einer Änderung des Blickwinkels:

Nur ist gegenüber der früheren Auffassung, die so selbstverständlich den zwîvel mit der
Parzivalfigur verband, festzuhalten, dass es dabei nicht um den Zusammenhang mit einer
bestimmten Szene oder einem bestimmten Entwicklungsstand Parzivals geht; der zwîvel bezieht
sich vielmehr auf die gesamte Werkstruktur und das heißt in diesem Falle auf den ganz neuen
Entwurf einer Romanfigur, eben den Typus eines gemischten Helden, den Parzival verkörpert.
Es geht also nicht um ein Entweder/oder, sondern um ein Sowohl/Als auch. Das wird […] auch
von denen bestätigt, die den Zusammenhang zwischen zwîvel und Werk bestreiten: keiner
kommt in seiner Deutung des prologus praeter rem ohne den Rekurs auf die Parzivalfigur
197
aus.

Nach HAUG beruht BRACKERTS These auf falschen Prämissen. HAUG setzt sich hier erneut
mit der Rezeptionsfrage auseinander und postuliert, dass nicht von der Deutung der
Romanfiguren ausgegangen werden soll, sondern von dem Denkprozess, welcher dem
Hörer oder Leser zugemutet wird, wenn dieser den Prolog zum ersten Mal hört bzw.
liest. 198
Die Frage nach der Rolle des Elstergleichnisses wird von diesen zwei Wissenschaftlern
auf vollkommen unterschiedliche Weisen verstanden. Für BRACKERT bezieht sich die
Elsternfarbigkeit nicht nur auf Feirefiz, sondern auch auf Parzival. 199 Während Feirefizs
Elsternfarbigkeit in seiner äußerlicher Erscheinung liegt, ist sie bei Parzival nach innen
gewendet. Parzivals Elsternfarbigkeit indiziert, dass – im Gegensatz zum perfekten
Artusritter – an Parzival Himmel und Hölle, Helles und Dunkles, stæte und unstæte
gleichermaßen Anteil haben (wand an im sint beidiu teil,/ des himels und der helle
‚Parzival’ V. 8-9). zwîvel steht in diesem Fall für die spätere Erhöhung des Helden. 200

197
BRACKERT, zwîvel. Zur Übersetzung und Interpretation der Eingangsverse von Wolframs von Eschenbach
‚Parzival’, S. 345f.
198
HAUG, Das literaturhistorische Konzept Wolframs, S. 227.
199
BRACKERT, zwîvel. Zur Übersetzung und Interpretation der Eingangsverse von Wolframs von Eschenbach
‚Parzival’, S. 345f.
200
Ebd.: Die andere Bedeutung von zwîvel erklärt BRACKERT an dieser Stelle folgendermaßen: „[...] die Differenz
zwischen dem unverzaget mannes muot und dem immer wieder erneuerten Scheitern an der vorbestimmten Aufgabe;

35
Die HAUGSCHE Position wiederum besagt, dass es Wolfram nicht darum geht, auf seinen
Helden vorauszuweisen, sondern darum, den schwarz-weißen Typus erstmals aus der
Perspektive der tumben zu diskutieren, die dieses Gleichnis falsch verstehen. 201 Die
tumben vermögen den Sinn von diesem Gleichnis nicht zu verstehen, denn:

[…] es geht Wolfram um ein Verhältnis von Gut und Böse, das nicht als ein Hin und Her
zwischen Schuld und Buße, zwischen Verfehlung und Erlösung episch zu entfalten ist, sondern
sich als ein Ineinander von Positivem und Negativem darstellt, das nicht aufgelöst und auf eine
Formel gebracht werden kann. Es handelt sich nicht um ein Schwanken im Sinne von zwîvel.
Wenn hier überhaupt noch an zwîvel zu denken ist, dann in einer neuen Dimension: Er bestünde
in der verzweiflungsvollen Unmöglichkeit, das Ineinander von Gut und Böse zu durchdringen
und zu begreifen. Es hilft dabei – darauf insistiert der Prolog-Schluss – kein Rezept, keine Lehre,
keine Moral, sondern Rettung ist allein möglich durch ein rückhaltloses Mitgehen mit der
Erzählung. Mit dem Elstergleichnis ist also zunächst gar nicht eine Figur anvisiert, und wer dies
nicht erkennt, täuscht sich und verfehlt den Sinn, sondern es soll den Rezipienten in eine neue
Erzählsituation hineinstellen. 202

Der Begriff zwîvel mitsamt des ‚Parzival’-Prologs stellt eine der mühsamsten
hermeneutischen Herausforderungen dar, dies vor allem aufgrund des dem Prolog
zugrunde gelegten obscuritas-Prinzips. Der aussagekräftigste Beweis dafür ist, dass
trotz der intensiven Auseinandersetzung mit diesem Begriff HAUG konstatiert, dass seine
Bedeutung offen bleiben muss: 203 Eine Konstatierung, welche den Übersetzungsprozess
als solchen erschwert.

B18: Verwandtschaftsbezeichunungen
Condwir âmûrs begunde klagn
ir vetern tohter, hôrt ich sagn,
und wart vil freuden âne,
wand si Schoysiâne
der tôten meide muoter zôch
kint wesnde, drumb si freude vlôch,
diu Parzivâles muome was, (‚Parzival’ 805, 3-9)

Condwir âmûrs klagte sehr um ihres Vaterbruders Tochter, so hat man mir berichtet; mit großer Trauer
fühlte sie den Verlust, denn Schoysiâne, die Mutter der toten Jungfrau, hatte sie bei sich als Kind erzogen,
darum ließ Freude sie im Stich. Jene war die Mutterschwester Parzivals — (KNECHT, S. 809)

Verwandtschaftsbezeichnungen sind der gegenwärtigen deutschen Sprache fremd und


daher fast unübersetzbar. Sie stehen für die Veränderung des historischen und
gesellschaftlichen Kontexts 204 und für den kulturellen Unterschied. Bezeichnungen wie
muome, veter, oheim werden zwar mit Mutterschwester, Vaterbruder, Mutterbruder

das zwischen Hell und Dunkel unaufhörlich schwankende Schicksal, das einem aufrechten Herzen aufgebürdet wird;
die Figur gewordene Zweigeteiltheit droht den Helden mit seiner Nähe zu erdrücken.“
201
HAUG, Das literaturhistorische Konzept Wolframs, S. 227.
202
Vgl. Ebd.
203
HAUG, Das literaturtheoretische Konzept Wolframs, S. 227.
204
GANZ, Vom Nichtverstehen mittelhochdeutscher Literatur, S. 153.

36
übersetzt, doch versteht es sich, dass diese im gegenwärtigen Deutsch nicht gängigen
Neologismen nur Notlösungen sind, den Umständen, jede Bezeichnung in ihrer
tatsächlichen Beschreibung (z.B. oheim = Bruder der Mutter) wiederzugeben, zu
entkommen.

37
3.2 Syntaktische und grammatikalische Problemfälle
Syntaktische Problemfälle beim Übersetzen entstehen nicht nur aus dem Grund, dass
das Mittelhochdeutsche und das Gegenwartsdeutsch grundsätzlich anders sind, sondern
auch deswegen, weil die Entstehungsbedingungen der mittelhochdeutschen Literatur
andersartig waren. Gemeint ist damit vor allem die Tatsache, dass diese Literatur
diktiert wurde und ihre Sprache, so SCHRÖDER, viel loser in Konstruktion ist. 205 ZÄCH
erläutert das Problem deutlicher:
Die Schrift hat den Mittel, verfehlt begonnene Sätze restlos zu verbessern und das Falsche zu
tilgen. Die gesprochene Rede kann nur durch Beifügungen, weitere Erklärungen etc. den Fehler
abschwächen, nicht aber ganz ausmerzen. Sprecherrhythmus, Atempausen, Gedächtnislücken,
innere Erregung des Sprechenden, Konzentration auf den Inhalt unter Vernachlässigung der
Form und dergleichen mehr üben einen Einfluss auf die gesprochene Sprache aus, die bei der
206
geschriebene nicht vorhanden ist.

Es entstehen daher, so ZÄCH, irreguläre Redewendungen, die von der Schulgrammatik


als falsch bezeichnet werden, trotzdem aber in die Literatur eindringen und sogar als
besondere stilistische Kunstmittel Verwendung finden. 207 Einige Beispiel für solche
„Unregelmäßigkeiten“, wie ZÄCH sie nennt, 208 werden unten angeführt.

B19: άπò κοινοũ


Dass die Konstruktion apo koinou in mittelhochdeutschen Texten ein Deutungsproblem
(und somit ein Übersetzungsproblem) ist, ist an sich evident. Problematisch wird sie vor
allem deshalb, weil sie schwierig zu erkennen ist: So wird öfters darüber debattiert, ob
der jeweilige mittelhochdeutsche Text diese Konstruktion enthält oder nicht. Kurt
GÄRTNER nennt in seinem exemplarischen Beitrag zu apo koinou in Wolframs Werken
insgesamt 39 Stellen aus ‚Parzival’, die diese Konstruktion haben mögen und nur eine
Stelle, bei der kein Zweifel über das Vorhandensein eines apo koinou besteht. 209
Letztere lässt sich als ‚apo koinou im Akkusativobjekt' charakterisieren:

die finteiln er für sich pant,


gein strîter wolde füeren
den helm er mit den snüeren
eben ze sehne ructe. (‚Parzival’ 260, 12-15)

Er aber band sich das Visier vors Gesicht; in den Kampf wollte er seinen Helm tragen, und er zurrte ihn
mit den Riemen so zurecht, dass er gut hinaussah. (KNECHT, S. 753)

205
SCHRÖDER, Werner: Wolfram von Eschenbach. In Deutsche Dichter. Bd. I. Mittelalter. Hg. v. Günter E.
Grimm/Frank Rainer Max. Stuttgart 1989. S. 180-216, hier S. 214.
206
ZÄCH, Alfred: Der Nominativus Pendens in der deutschen Dichtung des Hochmittelalters. Bern/Leipzig 1932. S.
11.
207
Ebd.
208
Ebd.
209
GÄRTNER, Kurt: Die constructio apo koinou bei Wolfram von Eschenbach. Diss. Marburg/Lahn 1968.

38
Es schnallte den ventail vors Kinn,
er wollte Kampf; auch zurrte er
mit Riemen seinen Helm zurecht,
damit er richtig sehen konnte (KÜHN, Bd. I, S. 433)

Die Passage, aus welcher diese Verse stammen, handelt davon, dass Parzival sich zum
Kampf gegen Orilus rüstet, weil dieser Jeschute des Treuebruchs verdächtigt. Parzival
möchte seinen Helm wieder aufsetzen und befestigen, da er diesen, laut einer vorigen
Stelle (256, 7-9), aufgrund von Hitze abgebunden hat, um sich Luft zu verschaffen. Den
Helm zu befestigen ist, laut BACKES von großer Bedeutung, da die Helmschnur ein
beliebtes Ziel des Gegners darstellt und ein unbefestigter Helm den Kämpfer stark
behindert. 210
Das Übersetzungsproblem entsteht hier, wie es sich versteht, durch die Konstruktion
apo koinu. An den oben zitierten Übersetzungen wird das Problem deutlicher: Während
KNECHT wolde füeren mit helm verbindet, ist das Verb nach KÜHN mit strît verbunden
(„er wollte Kampf“). 211 Zur Ungunst der vorliegenden Untersuchung gibt es im
Anschluss zu KNECHTS und KÜHNS Übersetzungen keinen Kommentar zu dieser Passage,
demnach steht dieses Beispiel für das Problem des Nichtverstehens bzw.
Missverstenens mittelhochdeutscher Texte.

B20: Anakoluth
Nu lât in hohe minnen – sô muoz er ouch denken,
wie er sich gein der hcehe ûf rihte unt im künne alle valscheit verkrenken
sin wernder brîs in der iugent unt in dem alter.
ich weiz den fürsten, solte er daz lernen, man lêrte einen bern ê den salter. (‚Titurel’ 92, 1-4)

Laut BRACKERT/FUCHS-JOLIE ist der letzte Vers als Anakoluth zu verstehen und zu
interpretieren als „Ich kenne manchen Fürsten, (der so ungeschickt ist,) dass man eher
einem Bären das Psalmensingen beibringen könnte, als dass er das lernte.“ 212 In ihrer
Übersetzung bleiben BRACKERT/FUCHS-JOLIE jedoch nah am Text und versuchen auf
folgender Weise Sinn herzustellen: „Ich kenne manchen Fürsten, wenn der das lernen
sollte – eher könnte man einem Bären Psalterspielen beibringen.“ 213 Da die

210
Das Motiv des Aufsetzen und Befestigen des Helms kommt in mittelalterlicher Literatur öfters vor (‚Erec’ V.
9072, ‚Parzival’ V. 96,2 usw.) Ausführlich siehe: BACKES, Von Munsalvaesche zum Artushof, S. 72.
211
Charakteristisch für den Gebrauch von apo koinou an dieser bestimmten Stelle ist, so GÄRTNER, dass sie einen
Vorgang schildert bzw. eine Vorgangsschilderung einleitet: „Nach dem Gespräch zwischen Parzival und Jeschute
und dem dieses abschließenden Preis der in ihrer erbarmenswerten Lage gleichwohl makellosen blôzen herzogîn,
beginnt Wolfram mit den Versen 260, 12ff. den Bericht von Parzivals Kampf mit Orilus. Die Erzählung geht damit
von der Wiedergabe direkter Reden und Zustandsschilderungen in die Vorgangsschilderung über, in die Darstellung
dessen, was geschieht. Dabei ist die zeitlich-logische Abfolge der einzelnen Phasen des Geschehens beachtet: zuerst
bindet Parzival die Ventaille fest, dann setzt er den Helm auf und bindet ihn fest.“ Siehe GÄRTNER, Die constructio
apo koinou bei Wolfram von Eschenbach, S. 205f.
212
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu V. 92,1, S. 329.
213
Wolfram von Eschenbach. Titurel. Übersetzt v. Helmut BRACKERT/Stephan FUCHS-JOLIE. S. 115.

39
Interpretation dieser Textstelle sinnvoller als deren eigentliche Übersetzung erscheint,
stellt sich die Frage, ob die Diskrepanz zwischen der Interpretation und der
tatsächlichen Übersetzung indiziert, dass aufgrund des Prinzips der Texttreue die
Sinntreue beeinträchtigt wird.

B21: Brachylogie: als noch ûf ungeslähte birt


dâ was inne ein arger wirt,
als noch ûf ungeslähte birt, (‚Parzival’ 142, 15f.)

Wegen der Brachylogie der gedrängten Redeweise, so EICHHOLZ, muss aus dem Adjektiv
arc ein Substanstiv hergeleitet werden. 214 Derselben Meinung ist KRATZ, indem er
kommentiert: „The clause in line 16 proceeds as if the preceding line contained a noun
meaning ‚greed’ instead of an adjective meaning ‚greedy’.“ 215 KÜHNS Übersetzung steht
im Gegensatz zu diesen Thesen, da er wirt als Substantiv auffasst: „Dessen Hausherr
war sehr geizig – / der wächst noch heute aus krummen Holz.“ 216 KNECHT fasst arg als
„böse“ auf und übersetzt demnach „Der da drinnen wohnte, war ein böser Kerl von
jener Art oder Unart, wie sie noch heute aus einem gemeinen Stamm schlagen mag.“ 217
Im Gegensatz zu KÜHN ist es bei KNECHT also die „Art bzw. Unart des Böseseins“
(Abstraktum), die aus einem unedlen Geschlecht stammt und nicht ‚der Hausherr’
(Konkretum). KÜHNS Übersetzung indiziert die hermeneutischen Herausforderungen, die
am Text liegen. KNECHTS Übersetzung zeigt, wie sehr man die Konstruktion ändern
muss, um den Sinn wiederzugeben. Dies steht in starkem Kontrast zum vorherigen
Beispiel (Anakoluth), denn KNECHT verletzt – vom Standpunkt der Syntax betrachtet –
das Prinzip des Textdienens, während BRACKERT/FUCHS-JOLIE keine Änderungen der
Syntax vornehmen.

B22: Dativus Ethicus


,Owe’, sprach diu kwngin, ,du redest nach den wisen.
wer hat dich mir verraten?[…] (‚Titurel’ 127, 1f.)

Der Dativus Ethicus, ein Charakteristikum des Mittelhochdeutschen, ist im


gegenwärtigen Deutsch schwer übertragbar, da er im modernen Deutschen, so
HENTSCHEL/WEYDT, relativ selten ist. 218 Dativus Ethicus liegt hier im Wort mir.

214
EICHHOLZ, Birgit: Kommentar zu Sigune- und Itherszene im 3. Buch von Wolframs ‚Parzival’ (138, 9 – 161,8).
Stuttgart 1987. S. 70.
215
KRATZ, Henry, Wolfram von Eschenbach's Parzival. An Attempt at a Total Evaluation. Bern 1973. S. 92.
216
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S. 241.
217
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 145.
218
HENTSCHEL, Elke/WEYDT, Harald: Handbuch der deutschen Grammatik. 3. Aufl. Berlin/New York 2005.

40
Wortwörtlich übersetzt lautet der letzte Vers „*wer hat dich mir so übel beraten“, was
im Standarddeutschen nicht gängig wäre. BRACKERT/FUCHS-JOLIE müssen einen Umweg
machen („Wer hat dich zu meinem Schaden so falsch beraten?“),219 um den Sinn
wiederzugeben. Ob man davon sprechen kann, dass die syntaktische Eigenart verloren
geht, ist strittig, da der Dativus Ethicus ein sprachspezifisches Problem ist und der
Übersetzer keine andere Wahl hat, als dem Sinn des Textes zu folgen.

B23: Ellipse (Auslassung vom Subjekt)


Ellipsen zählen zu den problematischsten Aspekten des Übersetzens aus dem
Mittelhochdeutschen, da die Sinnherstellung bei Satzteilersparungen beinahe unmöglich
wird. Im Folgenden werden Beispiele für Ersparungen von jeweils Subjekt, Objekt und
Verb angeführt, um die Schwierigkeiten zu illustrieren, die durch Ellipsen verursacht
werden:

entwâpent wart der tôte man


aldâ vor Nantes ûf dem plân,
und an den lebenden geleget [...] (‚Parzival’ 156, 21-23)

Diese Verse weisen eine Eigenartigkeit vor, zumal hier die Partizipform eines Verbs als
Substantiv für den darauf folgenden Satzteil gebraucht wird. Wörtlich übersetzt
bedeuten die Verse „auf dem Feld vor Nantes wurde der tote Mann entrüstet und an den
Lebenden angelegt“, was zumindest im Kontext des Geschehens nicht zutreffend ist, da
in den vorigen Versen Parzival, in diesem Fall der lebende, Iwânet bittet, ihm zu zeigen,
wie man eine Rüstung anzieht (got lôn dir. nu rât waz ich tuo:/ich kan hie harte wênic
zuo:/wie bringe ichz ab im unde an mich? 156, 15-17). Da das Verb gelegen nicht mit
dem Partizip entwâpent kongruiert werden kann, muss KNECHT, um den Sinn zu
rekonstruieren, bei seiner Übersetzung („es wurde dort auf dem weiten Feld vor Nantes
der tote Mann entwaffnet, seine Rüstung wurde dem, der am Leben geblieben war,
angezogen“) 220 ein Subjekt („seine Rüstung“) setzen. Diese Konstruktion ist ein
Wolfram-typisches Problem, was anhand der folgenden Textstelle deutlich wird:
die rîter in dem palas
belibn, der wol gekerzet was,
die harte liehte brunnen. (‚Parzival’ 807, 11-13)

Die Partizipform des Verbs kerzen, welche eigentlich ein Hapax Legomenon ist,
fungiert als Substantiv des letzten Verses, was vom Standpunkt des heutigen

219
Wolfram von Eschenbach. Titurel. Hg., übersetzt und mit einem Kommentar und Materialien versehen v. Helmut
BRACKERT/Stephan FUCHS-JOLIE. Berlin/New York 2002. S. 133.
220
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 159.

41
Sprachverständnisses aus nicht korrekt und daher nicht übersetzbar ist. In solchen
Fällen muss sich die Übersetzung ins Gegenwartsdeutsch von der Konstruktion des
mittelhochdeutschen Textes distanzieren, um Sinn herzustellen. Dadurch liegt erneut ein
Fall vor, in welchem Sinntreue der Texttreue vorgezogen werden muss.

B24: Ellipse (Auslassung vom Verb)


arâbesch golt gap drûffe schîn,
wol geworht manc turteltiubelîn
nâch dem insigel des grâles. (‚Parzival’ 778, 21-23)

Arabisches Gold darauf sorgte für hellen Glanz, schön eingewebt in den Stoff waren viele Turteltäublein,
Wahrzeichen des Grals. (KNECHT, S. 782)

arabisch Gold erglänzte auf ihm;


schön gestickte Turteltäubchen –
genau wie das Emblem des Grals (KÜHN, Bd. II, S. 329)

Aufgrund der Auslassung des Verbs in den letzten zwei Versen wird der Satz
zweideutig. In ihrer Studie zu „Attributsstrukturen des Mittelhochdeutschen“ 221
bemerkt BARUFKE, dass unabhängig davon, für welche Lesart von geworht man sich in
diesen Versen entscheidet, man bereits auf der hierarchischen Stufe einer offene
Zuordnung begegnet, die in der Phrase nâch dem insigel des grâles zu finden ist. 222
Diese ist bei einer attributiven Lesart von gewohrt sowohl als ‚gestuft’ wie auch als
‚gestaffelt’ zu deuten. 223 BARUFKE gibt die zwei Deutungsmöglichkeiten in
dependenzgrammatischer Darstellung folgendermaßen wieder:

(a) Die Täubchen sind entweder gut gearbeitet 224 und sehen aus wie die des
Gralwappens oder,

turteltiubelîn

geworht manc nâch

wol dem insigel

des grâles

wol geworht manc turteltiubelîn nâch dem insigel des grâles

221
BARUFKE, Attributsstrukturen des Mittelhochdeutschen im diachronen Vergleich. Hamburg 1995.
222
Vgl. Ebd. S, 110.
223
Ebd.
224
BARUFKE gebraucht den Ausdruck ‚gut gearbeitet’ für wol geworht. Vgl. Ebd.

42
(b) die gute Arbeit bezieht sich genau darauf, dass die Ähnlichkeit zwischen Wappen
und Täubchen besonders groß ist.

turteltiubelîn

geworht manc

nâch
wol
dem insigel

des grâles

wol geworht manc turteltiubelîn nâch dem insigel des grâles

BARUFKE zieht anhand dieser grafischen Darstellungen einen sehr wichtigen Schluss: Die
mittelhochdeutschen Formen stehen im Grunde den gegenwärtigen Formen an nichts
nach, aber ihre locker gefügte Struktur verstellt nicht nur den Blick auf diese
Komplexität, sondern erzwingt sie sich auch in einigen Übersetzungen, wie an KÜHNS
Übersetzung erkennbar wird. 225 Ferner erhellt das Beispiel auch das Problem der Prosa-
Übersetzungen: Während KÜHN auf ein Verb verzichtet, auch wenn es grammatisch
nicht stimmt, muss KNECHT im zweiten Satzteil ein Verb (‚waren’) einfügen, da im
gegenwärtigen Deutsch ein Satz ohne Verb (in diesem Kontext) nicht akzeptabel wäre.

B25: Ellipse (Auslassung vom Objekt): ûf geleit


ich weiz daz wol geschach
von mîner unhövscheit.
also het ich ûf geleit,
ichn wære ir grouzes niht sô wol wert,
als man dâ ze hove gert: (‚Iwein’ V. 1188-1192)

Heute weiß ich wohl,


dass es wegen meines unhöfischen Benehmens geschah.
Ich hatte mich so benommen, (?)
dass ich ihrer Begrüßung nicht so wert war
wie man bei Hofe verlangt. (CRAMER, S. 24)

Ich weiß wohl, das lag


an meiner Fremdheit.
Folglich stellte ich mir vor,
dass ich ihrer Begrüßung nicht so würdig war
wie man es bei Hofe wünscht. (KROHN, S.83)

225
Ebd, S. 111.

43
Das hatte seinen Grund darin, dass ich
Mich nicht höfisch genug benommen habe.
Ich war so aufgetreten,
dass sie mich eines Grußes,
wie es am Hofe üblich ist, nicht für wert hielten. (MERTENS, S. 383)

Das Beispiel steht für die problematischen Konstruktionen des Mittelhochdeutschen, die
gemäß dem heutigen Sprachverständnis als ‚Unregelmäßigkeiten’ zu bezeichnen sind,
bei denen weder syntaxdienendes noch semantikdienendes Übersetzen möglich ist.
Problematisch ist die elliptische Konstruktion des Verses 1190, in welchem ein Objekt
fehlt. Lunete will Iwein dafür vergelten (der ich iu hie lônen sol, V. 1197), dass er sie
höfisch grüßt (do grouzet ir mich, V. 1194) und ihr somit Ehre erweist (do erbutet ir mir
die êre, V. 1196). Dass Iwein sie höfisch grüßte, bedeutet ihr viel, weil ihr in Britannien
einmal der grouz verweigert wurde. Die Verse bieten eine Erklärung der Ursache dieser
Verweigerung, jedoch wird diese aufgrund der Ellipse in Vers 1190 nicht klar
vermittelt. Zum Verb ûf geleit fehlt das Objekt welches bestimmen könnte, ob die
grouz-Verweigerung an Lunetes Kleidung oder an ihrem Benehmen lag.
Aus diesem Grund variieren die zitierten Übersetzungen stark von einander: CRAMER
deutet die Stelle im Sinne „sich benehmen“, MERTENS wählt „auftreten“ und KROHN
übersetzt mit „sich vorstellen“. Während im Kommentar zu KROHNS Übersetzung diese
Stelle unangesprochen bleibt, vermerkt CRAMER sie im Übersetzungsteil mit einem
Fragezeichen, doch auch er bietet keine Lösung in Form eines Stellenkommentars.
MERTENS schenkt diesem Problem einige Aufmerksamkeit, indem er auf die Frage
eingeht, ob ûf geleit sich auf die „Aufmachung“ (Kleidung, Ausstattung) oder auf das
„Benehmen“ bezieht. 226 Rückt man in diesem Zusammenhang wiederum den Autor in
den Mittelpunkt der Analyse, findet man eher eine Ausnahme, da Hartmann Wert auf
claritas legte. 227

B26: Gnomischer Aorist


ir freude vant den dürren zwîc,
als noch diu turteltûbe tuot.
diu het ie denselben muot:

226
Zur Erklärung verweist MERTENS auf ‚Tristan’ Gottfrieds von Straßburg, wo dieses Verb – in Bezug auf Tristans
kostbare Rüstung – im Sinne „entworfen“ gebraucht wird: Tristan den schilt an sich gewan/nu lûhten disiu vier werc/
helm und halsperc,/ schilt und hosen einander an,/ sô schône, ob si der wercman/ alle viere alsô hæte ûf geleit
(‚Tristan’, V. 6624-6629). MERTENS spekuliert in diesem Sinne, dass Lunete nicht nach der neusten Mode gekleidet
war. Die zweite Erklärungshilfe findet MERTENS bei Chrétien, bei dem in den Versen 1006-1008 folgendes steht:
Espoir so ne fui pass i sage,/si cortoise ne de tel ester/Come pucele deüst ester („Vielleicht war ich nicht so
verständig, so höfisch, noch von solchem Rang, wie es sich für eine Fräulein ziemete“). Nach Chrétien liegt es also
an Lunetes Bildung, dass ihr die höfische Akzeptanz (gruoz) verweigert wird. Siehe MERTENS, Stellenkommentar zu
V. 1190 (‚Iwein’), S. 996.
227
Siehe Gottfrieds Aussage über Hartmannsche Sprache, Kapitel 2.

44
swenne ir an trûtscheft gebrast,
ir triwe kôs den dürren ast. (‚Parzival’ 57, 10-14)

Die Verse schildern Belakanes Trauer mittels eines Taubengleichnisses. Das Problem
liegt in den letzten zwei Versen, in denen das Präteritum als Zeitform des gnomischen
Aorist gebraucht wird. 228 Die allgemeine Gültigkeit des gnomischen Wissens vom
Verhalten der Turteltaube erscheint so auf einen perfektiven Fall bezogen 229 , während
in der gegenwärtigen Sprache dieser linguistische Aspekt durch das Präsens
ausgedrückt wird. An den Übersetzungen wird das Dilemma des Übersetzens auffällig:
Während KNECHT die Präteritumform des Originals beibehält („Wenn sie ihren Liebsten
verloren hat, dann zieht ihre Liebe hin zum dürren Ast“) 230 , übersetzt KÜHN dem
heutigen Sprachverständnis nach („sie sucht, wenn ihr der Liebste fehlt, aus Treue einen
dürren Ast“). 231 Die Eigenarten des Mittelhochdeutschen, die man vom heutigen
Standpunkt als Unzulänglichkeiten bezeichnen könnte, werden somit zum
Übersetzungsproblem.

B27: Interpunktion
Die fehlende Interpunktion in mittelhochdeutschen Texten ist beim Übersetzen öfters
problematisch, da die gegenwärtige Sprache nicht ohne Interpunktion auskommt und
somit der Leser bzw. der Übersetzer an mehreren Textstellen vor die große
hermeneutische Herausforderung gestellt wird, aus dem nicht-interpungierten
mittelhochdeutschen Text Sinn herzustellen. Interpungieren ist in zweisprachigen
Ausgaben ein Muss, wobei BEIN mahnt: „Der Benutzer der Ausgabe hat sich stets vor
Augen zu halten, dass die Interpunktion nur eine moderne Verständnishilfe ist, die im
einzelnen Fällen durchaus anders gesetzt werden kann.“ 232 Dies lässt sich anhand des
folgenden Beispiels aus Hartmanns ‚Gregorius’ (V. 3706-3708) treffend illustrieren:

Interpunktion nach FRITSCH-RÖSSLER Interpunktion nach MERTENS


der vischære sprach: ›waz hülfe uns daz der vischære sprach: ›waz hülfe uns daz
ob wir si suochten dâ si lît, ob wir si suochten? dâ si lît,
dâ ist si vul vor maneger zît dâ ist si vul vor maneger zît

228
NOLTZE, Holger: Gahmurets Orientfahrt. Kommentar zum ersten Buch von Wolframs ‚Parzival’ (4, 27 – 58, 26).
Würzburg 1995. S. 208.
229
Ebd.
230
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 59.
231
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S. 101.
232
BEIN, Thomas: Textkritik. Eine Einführung in Grundlagen germanistisch-mediävistischer Editionswissenschaft.
Frankfurt/Main 2008. S. 146.

45
Da die metrischen und syntaktischen Einheiten nicht zusammenfallen, 233 wird bei den
zwei Herausgebern bzw. Übersetzern jeweils anders interpungiert. MERTENS folgt der
Reimbrechung, wohingegen FRITSCH-RÖSSLER in ihrer Interpunktion die Satzeinheiten-
und Grenzen (und den Bezug von dâ si lît, V. 3707) offener halten will. 234 Dies übt
zweifelsohne Einfluss auf die Übersetzungen, die aufgrund dessen auf unterschiedlice
Weise gestaltet sind. Während MERTENS hier von zwei unterschiedlichen, nebeneinander
stehenden Sätzen ausgeht („Der Fischer sagte: »Was nützte es uns, sie zu suchen? Wenn
sie dort liegt, ist sie längst verrottet.“), versteht FRITSCH-RÖSSLER – entsprechend ihrer
Entscheidung, die Satzgrenzen offen zu halten – die Verse als einen Satz („Der Fischer
entgegnete: »Was würde uns das helfen, wenn wir sie suchten, dort, wo sie liegt, da ist
sie vor langer Zeit schon vermodert“) und bleibt dem Text im syntaktischen Sinne nahe.

B28: Modalität und Logik


mit bluote gaber solhen guoz
daz Gâwân mohte vaste stên: (‚Parzival’ 572, 2f.)

Dieses Beispiel illustriert auf welche Weise die mittelhochdeutsche Modalität beim
Übersetzen richtig zu verstehen und wiederzugeben ist: Ein Problem, das nicht derart
weitreichend ist, dass es die Historizität der mittelhochdeutschen Literatur und den
kulturellen Kontext fälscht (z.B. zwivel oder gesinde), jedoch einer näheren Analyse
bedarf, da es von pragmalinguistischem Belang ist. In seinem Kommentar zur obigen
Stelle reflektiert KNECHT dieses Problem auch in Bezug auf andere Übersetzungen:

Andere Übersetzer stellen [...] den logischen Zusammenhang ganz anders dar, etwa in diesem
Sinn: „Er vergoß einen solchen Schwall Blut, dass Gawein Ursache hatte, festen Tritt zu fassen“,
dass er festen Tritt fassen musste (um nicht weggespült zu werden). Ich bezweifele an sich nicht,
dass das Wort mügen die hier unterstellte Bedeutung haben kann, und die Meinung des Satzes
überhaupt ist, glaube ich, so Wolfram durchaus zuzutrauen, gerade deswegen, weil die Sache
nicht so logisch ist, wie sie zu sein scheint, weil vielmehr hier eine ironische Lust am inneren
Widerspruch regiert: Denn möchte Gawein auch alle Ursache der Welt haben, sich fest
hinzustellen, so hatte er doch auf dem spiegelglatten Boden beim besten Willen nicht die
235
Möglichkeit dazu.

Der ganzen Explikation zu Trotz entscheidet sich KNECHT jedoch für die Lösung: „Er
vergoß einen solchen Schwall Blut, dass Gawein (jetzt) festen Tritt zu fassen
vermochte“. 236 Den Grund dafür sieht er in der Vorstellung, dass das Blut klebt. 237

233
FRITSCH-RÖSSLER, Stellenkommentar zu V. 3706f., S. 302.
234
Ebd.
235
KNECHT, Anmerkungen zu V. 572,2, S. 805.
236
Ebd.

46
Dieses Beispiel zeigt somit die semantische Vielfalt mittelhochdeutscher Wörter und
die Tatsache, auch die Interpretation des Kontexts keine eindeutige Lösung bietet, da
die jeweiligen Interpretationen zu unterschiedlichen Erkenntnissen führen mögen.

B29: Negation im positiven Sinne (1)


nû sage mir: tuont si dir iht?
si lobtenz, tæte ich in niht (‚Iwein’ V. 491f.)

Nun sage mir, tun sie dir was?


Sie sind froh, wenn ich ihnen nichts tue. (CRAMER, S. 11)

Sage mir doch, tun sie Dir denn nichts?


Sie können froh sein, dass ich ihnen nichts tue. (MERTENS, S. 345)

Nun sage mir, tun sie dir denn nichts?


Sie dürfen sich freuen, wenn ich ihnen nichts tue (KROHN, S. 37)

An den Übersetzungen von MERTENS und KROHNS wird ersichtlich, dass sich der erste
Satz des angeführten Textbeispiels leicht als Negation verstehen lässt. Nach der
PAUL’schen Grammatik gibt jedoch es kaum Belege dafür, dass iht, iemer, ieman in
selbständigen Sätzen eine negative Bedeutung haben. 238 In diesem konkreten Beispiel
spricht der Gebrauch der unterschiedlichen Formen in der antithetischen Fügung dafür,
dass iht einen positiven Sinn trägt. 239

B30: Negation im positiven Sinne (2)


die tweheln leite er ûf das gras,
dar ûf die spîse die dâ was
vleisch brôt unde win:
es enmohte nie mêre sîn. (‚Erec’ V. 3552-3555)

Der Fokus liegt bei diesem Beispiel auf der Negation im Vers 3555. Da der Sinn aus
dem Kontext hergeleitet wird, eignet es sich, diesen präzis wiederzugeben. Erec und
Enite sind im Wald unterwegs und kommen bei einem weit entfernten Schloss an (dô
sach vür sich Êrec/wâ in wîste der wec/zeinem hûs niht verre,/dâ des landes herre,/ein
rîcher grâve, ûfe saz V. 3475-3480), wo sie vom Knappen des Schlossherrn empfangen
werden (Nû bekam in ûf dem wege/ein knabe, der hete in sîner phlege/gesoten schultern
unde brôt,/gewunden, als man im gebôt V. 3494-3494). Die hier zitierten Verse
beschreiben, wie er sie bedient. Wörtlich übersetzt bedeutet der letzte Vers „dessen

237
Ebd.
238
PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik, § S147, S. 392-394.
239
MERTENS, Stellenkommentar zu V. 491f. (‚Iwein’), S.

47
konnte [es] nicht mehr sein“. 240 In ähnlicher Manier übersetzt das Hartmann-von-Aue-
Knowledgebase-Portal-Kontextwörterbuch: 241

WordForm Lemma Grammar German English


es ër pron davon of it
en- en neg _ _
-mohte mügen an.v konnte could
nie nie adv nicht not
mêre mêre n mehr more
sîn sîn an.v sein be

Auch CRAMER („mehr gab es eben nicht“) 242 und HELD („mehr gab es nicht“) 243
übersetzen dem Text- und nicht dem Kontextsinn entsprechend. MERTENS („Das war
mehr als reichlich“) 244 und RESLER („von alldem gab mehr als genug“) 245 vertreten
jedoch andere Meinungen.
Es stellt sich also die Frage, warum MERTENS’ und RESLERS Übersetzungen von der
ursprünglichen Bedeutung abweichen. SCHULZ versucht diese Diskrepanz in Bezug auf
die Vorlage zu erklären:
Bemerkenswert ist Hartmanns Kommentar in der letzten Zeile: ›auf gar keinen Fall hätte es mehr
geben können‹, eine bei höfischen Festtafeln gängige Floskel, die zu dieser Szene am Wegesrand
nicht so ganz passen will, wenn es sich in seiner Version der Episode sonst deutlich von
Chrétiens Darstellung absetzt. In der französischen Vorlage ist der Knappe, der unterwegs ist,
gleichsam mit einer kompletten Picknick-Ausstattung versehen, die aus höheren Ansprüchen
genügt. Dazu gehören Tischtücher und schöne Becher (jeweils in Mehrzahl!), und auch feines
Gebäck aus Weizen (‚Herrenspeise’), (fetter und damit gehaltvoller) Käse und Wein sind im
Gepäck. Vielleicht lässt Chretien den Knappen in Begleitung erscheinen, weil der Knappe
alleine diese Fracht wohl kaum hätte tragen können? Hartmanns Darstellung weist in Richtung
einer durchaus angemessenen, jedoch eher zünftigen ‚Brotzeit’ am Wegesrand. Entsprechend
gestaltet er Personal, Kulisse und ‚Requisiten’. Angesichts dieser deutlichen Änderung seiner
Vorlage ins Schlichtere, gar Rustikale wirkt die abschließende, ganz in das höfische Umfeld
246
weisende Formel merkwürdig.

Der letzte Vers der Hartmannschen Version ist also sinnstörend und das mag der Grund
sein, warum MERTENS und RESLER in ihrer jeweiligen Übersetzung von der eigentlichen
Bedeutung des Verses abweichen.

240
RESLER, Michael: Anmerkungen zum Textvertständnis des »Erec« Hartmanns von Aue. In: Studia
Neophilologica. A Journal of Germanic and Romance Languages and Literature. 60.1 (1988). S. 77-95, hier 84.
241
Hartmann-von-Aue-Knowledgebase-Portal-Kontextwörterbuch, V. 3555, Im Internet unter: http://hvauep.uni-
trier.de/kb_erec.php?q=translations [14.06.2012]
242
Hartmann von Aue. Erec. Übersetzt v. Thomas CRAMER. S. 157.
243
Hartmann von Aue. Erec. Übersetzt v. Susanne HELD. S. 207.
244
Hartmann von Aue. Erec. Übersetzt v. Volker MERTENS. S. 204.
245
RESLER, Anmerkungen zum Textvertständnis des »Erec« Hartmanns von Aue, S. 83.
246
SCHULZ, Anne: Essen und Trinken im Mittelalter (1000-1300). Berlin/Boston 2011. S. 36f.

48
B31: Negation: iht
dem rîchen dem was leide,
daz der arme iht behielt
wan daz er grôzer sinne wielt
und micheler vrümikeit
er hæte in dicke hingeleit (‚Der arme und der reiche König’ von ‚Der Stricker’ V. 4-7)

Den reichen störte es,


dass der arme überhaupt was besaß.
Wäre der nicht sehr klug gewesen
Und besonders tüchtig,
hätte ihn der andere schon oft aus dem Weg geräumt (GRUBMÜLLER, S. 71)

Den reicheren ärgerte es, dass der arme nichts besaß – außer viel Verstand und viel große
Rechtschaffenheit. Schon oft hätte der Reiche ihn gerne vernichtet […] (EHRISMANN, S. 165)

Anhand dieser Stelle wird wieder einmal deutlich, dass das Beibehalten der
mittelhochdeutschen Konstruktion zu undeutlichen Übersetzungen führen kann. Der
PAUL’schen Grammatik nach können in mit daz eingeleiteten Final- und Objektsätzen
iht, ieman, ie, iender zum Ausdruck der Verneinung werden. 247 EHRISMANNS Übersetzung
scheint dieser Regel zu folgen, büßt dabei jedoch an Sinn ein. Es stellt sich beim Lesen
nämlich die Frage, warum es den reichen (König) ärgern soll, wenn der arme (König)
nichts besitzt, zumal dem Kontext nach zwischen den Königen Feindschaft besteht
(zwêne künige wâren ze einer zît,/die grôzen haz unde nît V. 1f.) GRUBMÜLLER bietet eine
alternative Erklärung: Nach ihm muss EHRISMANN iht als negativ interpretieren, weil er
den fünften Vers als Vordersatz zum Vers 6 auffasst, was nach GRÜBMÜLLER‚ nicht sehr
sinnvoll ist. 248

B32: Subjekt-Verb-Kongruenz
al frisch rûch kelberîn
von einer hût zwei ribbalîn
nâch sînen beinen wart gesnitn. (‚Parzival’ 127, 7-9)

Problematisch ist hier die fehlende Subjekt-Verb-Kongruenz, da anstatt warn wart


vorliegt. BARUFKE schließt daraus, dass der Satz bereits im Mittelhochdeutschen
‚undurchsichtig’ war. 249 Mit dieser ‚Undurchsichtigkeit’ wird bei den Übersetzungen
auf unterschiedliche Art und Weise umgegangen: KÜHN kongruiert das Verb – wie dies
im gegenwärtigen Deutsch angemessen ist – nach dem Numerus („Vom frischen, noch
behaarten Fell/des Kalbes wurden Bauernstiefel/auf seine Fußform zugeschnitten“). 250

247
PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik, § S147, S. 392-394.
248
GRUBMÜLLER, Stellenkommentar zu V. 4-7, S. 1053.
249
BARUFKE, Attributsstrukturen des Mittelhochdeutschen im diachronen Vergleich, S. 159.
250
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S. 217.

49
KNECHT kongruiert hingegen wart mit hût des kelberîn („Ganz frisch und haarig rauh
war die Kälberhaut, aus der man ihn zwei Stiefel für die Beine zuschnitt“), 251 was
grammatikalisch nicht korrekt ist. Vom syntaktischen Textdienen kann hier nicht Rede
sein, da die direkte Übernahme der mittelhochdeutschen grammatikalischen Form
keinen Sinn herstellt (*vom frischen […] wurde zwei Stiefel geschnitten).

B33: Tempus (1): Vergangenheit oder Vorvergangenheit?


Oransch wart umbelegen,
als ob ein wochen langer regen
niht wan rîter güzze nider. (‚Willehalm’ 99, 1-3)

Orange wurde so umlagert,


als ob’s in wochenlangem Regen
nichts anders als Ritter schüttete. (HEINZLE, S. 175)

Das Wort güzze ist schwierig zu übersetzen, da es eine grammatikalische


Zweideutigkeit enthält, aufgrund welcher in der Übersetzung auch die
Vorvergangenheitsform („geschützt hatte“) möglich wäre. 252 HEINZLE erschließt den
Sinn anhand des Kontexts: Er entscheidet sich für die Vergangenheitsform angesichts
der durativen Art der Aktion (fortdauernder Zustrom von Truppen, V. 106, 1-5), die im
Laufe der Handlung folgt.

B34: Tempus (2): Mischung von Tempusformen


alumbe an allen sîten
mit senften plûmîten
manec gesiz dâ wart geleit,
dar ûf man tiure kultern treit. (‚Parzival’ 627, 27-30)

An allen vier Seiten in der Runde legte man viele Sätze aus mit weichen Federbetten, dann brachte man
teure Decken, die man darüber breitete. (KNECHT, S. 631)

Ringsumher, an allen Seiten,


wurden Sitze aufgestellt
mit weichen Daunenkissen,
darauf teure courtepoints. (KÜHN, Bd. II, S. 85)

Die Präsensform des letzten Verses steht im Gegensatz zum Präteritum, die im vorigen
Satz vorliegt. Solche Mischungen der Tempusformen sind typisch für das
Mittelhochdeutsche und vor allem für die Wolfram’sche Sprache. Demgemäß muss die
Übersetzung der gegenwärtigen Grammatik angepasst werden, wie KNECHT es hier tut.
KÜHN vermeidet diese Situation dadurch, indem er die vier Verse in einem Satz
zusammenstellt und, wie KNECHT dies auch tut, die Präteritumform beibehält.
251
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 130.
252
HEINZLE, Kommentar zu V. 99, 3 (‚Willehalm’), S. 909.

50
B35: Tempus (3): Der temporale und der logische Zusammenhang
waz half in küenes herzen rât
unt wâriu zuht bî manheit?
und dennoch mêr im was bereit
scham ob allen sînen siten.
den rehten valsch het er vermiten:
wan scham gît prîs ze lône
und ist doch der sêle krône.
scham ist ob siten ein güebet uop (‚Parzival’ 319, 4–11).

Was hatte ihm sein kühnes Herz geholfen, was seine Tapferkeit mitsamt den wirklich feinen Sitten? Es
mußte sich doch in ihm erst noch recht die höchste von seinen Tugenden bewähren, das ist die Scham. Sie
hatte ihn noch keinen wirklichen Verrat begehen lassen; denn die Scham belohnt mit weltlicher Ehre, und
sie ist zugleich die Krone der Seele. Scham ist noch mehr als alle anderen Tugenden ein wohlbestelltes
Tagwerk. (KNECHT, S. 323).

Cundrie wirft Parzival an dieser Stelle Verletzung der triuwe vor. Nach MÜLLER wirft
die Übersetzung Probleme auf, da KNECHT Wolframs Aussagen trennt in solche, die auf
die Vorvergangenheit und solche, die auf die Zukunft bezogen sind. 253 MÜLLER fragt
sich, ob eine derartige Trennung richtig ist, da das, was KNECHT in Vergangenheit und
Zukunft scheidet, offenbar auf ein und derselben Ebene liegt. 254 Ferner kritisiert er den
Gebrauch von „bewähren“, indem er fragt, wieso Parzival scham noch bewähren
muss. 255 Angesichts der Sinnstörung, die durch unüberlegtes Folgen des Textes
verursacht wird, schlägt MÜLLER seine eigene Übersetzung dieser Passage vor, die
folgendermaßen lautet: „Was halfen ihm, was sein kühnes Herz ihm eingab, und sein
wahrhaft höfisches Verhalten bei männlichem Wesen? Darüber hinaus verfügte er noch
über scham, die höchste aller seiner Tugenden? Wirkliche Bosheit (valsch) hatte er
gemieden; denn scham belohnt mit Ehre und krönt die Seele; sie ist ein praktisch
geübtes Verhalten an der Spitze aller Sitten.“256 Interessant ist es zu bemerken, dass
MÜLLERS Übersetzung, obwohl sie dem Sinn gerecht wird, viel lockerer in der
Konstruktion ist als KNECHTS Übersetzung, was die Schwierigkeit darstellt, dass man
zugleich texttreu und sinntreu nicht übersetzen kann.

B36: Uneindeutige Syntax (1)


Die uneindeutige Syntax mittelhochdeutscher Texte erweist sich öfters als
problematisch für das Übersetzen, da sie dazu führt, dass die Übersetzungen an Sinn

253
MÜLLER, Jan-Dirk: Scham und Ehre. Zu einer asymmetrischen Verhältnis in der höfischen Epik. In: Scham und
Schamlosigkeit. Grenzverletzungen in Literatur und Kultur der Vormoderne. Hg. v. Katja Gvozdeva/Hans Rudolf
Velten. Berlin/Boston 2011. S. 61-96, hier S. 83f.
254
Ebd.
255
Ebd.
256
Ebd.

51
einbüßen. Die unten angeführten Beispiele illustrieren die Unverständlichkeit und
Zweideutigkeit der Syntax. Das erste Beispiel ist aus der Nibelungenklage:
daz geschach ûf den gedingen:
durch daz si wâren kristen,
ir engeln vil wol wisten
war ir sêle solden komen (‚Nibelungenklage’ V. 1842-1845)

LIENERT erwähnt in diesem Zusammenhang zwei grundlegende Deutungsversuche: 257


i) Man fasst den Vers 1843 als Kausalsatz auf, wie BARTSCH dies tut. Die Übersetzung
lautet in diesem Fall: „weil sie Christen waren, wussten ihre Engel genau […]“. 258
ii) Man fasst den Vers 1843 als ‚abhängig von gedingen’ im Sinne BUMKES auf: „Das
geschah im Vertrauen darauf, dass sie Christen waren. Ihre Engel wussten genau
[…]“. 259
CLASSENS 260 Übersetzung stimmt mit dem ersten Deutungsversuch überein: „Dies
geschah aus dem Grund,/weil sie Christen waren./Ihre Engel wussten sehr genau,/wohin
ihre Seelen kommen sollten“. LIENERT entscheidet sich dazu, wie BUMKE davon
auszugehen, dass gedinge sinnvoll einen abhängigen Satz nach sich zieht. Zugleich folgt
sie auch BARTSCH in der Auffassung, dass der Vers 1843 als Kausalsatz zu verstehen ist.
LIENERT 261 übersetzt demnach: „Das geschah in der Hoffnung darauf,/dass ihre
Engel,/weil sie Christen waren, ganz genau wussten,/wohin ihre Seelen zu gelangen
bestimmt waren“. 262 Bemerkenswert sind auch die gegensätzlichen Interpretationen des
Begriffs gedinge: LIENERT verbindet ihn mit V. 1844 und stellt somit den Sinn
‚Hoffnung auf Seelensheil der Toten’ her, wohingegen CLASSEN ihn als ‚Grund’
interpretiert. 263

B37: Undeutige Syntax (2)


innerhalp ir hende, als si wæren berifet,
grâls eines tiostiurs hant, dem der schaft von der gegenhurte slifet,
der zusehet über blôzez vel gerüeret.
rehte alsô was seil durch der herzoginne hant gefüeret. (‚Titurel’ 167, 1-4)

Wie beim vorherigen Beispiel liegen auch hier zwei Lesarten vor:

257
LIENERT, Stellenkommentar zu V. 1842-1845, S. 416.
258
Zitiert nach LIENERT, Stellenkommentar zu V. 1842-1845, S. 416.
259
Zitiert nach LIENERT, Stellenkommentar zu V. 1842-1845, S. 416.
260
Diu Klage. mittelhochdeutsch-neuhochdeutsch. Einleitung, Übersetzung, Kommentar und Anmerkungen v.
Albrecht CLASSEN. S. 85-87.
261
Die Nibelungenklage. Mittelhochdeutscher Text nach Ausgabe von Karl Bartsch. Einführung, neuhochdeutsche
Übersetzung und Kommentar v. Elisabeth LIENERT. S. 161.
262
Ebd.
263
LIENERT, Stellenkommentar zu V. 1842-1845, S. 416.

52
i) Entweder betrachtet man den Satz weiterhin durch vant er aus Strophe 166,4 regiert
(er hiez si twahen, e er kceme underz gezelt. sus vant er Sigünen dort unden) und
übersetzt demnach: „er fand Sigune […] grau an der Innenseite ihrer Hände“, 264 oder
ii) Man nimmt eine Ellipse des verbum substantivum an („an der Innenseite ihrer Hände
[war sie] grau […])“. 265

B38: Undeutige Syntax (3)


Dem wâren sîner tohter zwô von den iâren,
daz si gein hôher minne an vriundes arm volwahsen wâren. (‚Titurel’ 13, 1f.)

Zwei seiner Töchter waren nun in einem Alter, in dem sie herangewachsen waren zu Hoher Minne in den
Armen eines Geliebten. (BRACKERT/FUCHS-JOLIE, S. 71)

Nach BRACKERT/FUCHS-JOLIE besteht keine Möglichkeit, den zweiten Vers absolut richtig
zu deuten, da arm sowohl als Akkusativ als auch als apokopierter Dativ verstanden
werden kann. 266 Wird arm als Akkusativ aufgefasst, stehen, so BRACKERT/FUCHS-JOLIE,
gein hôher minne und an vriundes arm gleichgeordnet und parallel bezogen auf
volwahsen: Zu übersetzen wäre etwa mit einem Richtungsakkusativ im Sinne von:
„hingewachsen an den Arm des Geliebten/Ehemannes“. 267 BRACKERT/FUCHS-JOLIE finden
es jedoch sinnvoller, einen (apokopierten) Dativ anzunehmen und die Stelle als
Ergänzung zu gein hôher minne zu lesen: „zu Hoher Minne im Arm eines
Geliebten/Ehemannes herangewachsen“. 268

B39: Uneindeutige Syntax (4)


Sît in den wîten wait niht mohte gekêren
daz flühtege wilt, wan her für den talfin, daz wil sîn arbeit gemêren.
künftec trûren brâhtez im ze teile. (‚Titurel’ 140, 1-3)

Da das flüchtige Wild sich nicht mehr in den weiten Wald wenden konnte, sondern nur hierher vor den
Dauphin, wird es dessen Mühsal erst recht vermehren: es brachte ihm in Zukunft großes Leid.
(BRACKERT/FUCHS-JOLIE, S. 139)

Laut BRACKERT/FUCHS-JOLIE liegt das Übersetzungsproblem darin, dass der Satz


syntaktisch brüchig ist, da er – obwohl kein wirklicher Anakoluth – sowohl
grammatisch als auch inhaltlich anders fortgeführt wird als einleitend erwartet. 269 Wie
der problematische Relativanschluss daz wil aufzufassen ist, ist uneindeutig, da sich, so

264
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu V. 167, 1-4, S. 424-426.
265
Ebd.
266
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu V. 13, 1f., S. 192f.
267
Ebd.
268
Ebd.
269
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu V.140, 1-3, S. 394f.

53
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, 270 die Frage stellt, ob daz als Relativpronomen zu daz flühtege
wilt fungiert oder auf den Vorgang im Ganzen bezogen ist (entsprechend auch brâhtez
140,3). Unklar bleibt auch, ob wil futurisch gemeint ist (vgl. V. 139,3) oder
möglicherweise auch einen voluntativen Sinn hat. 271

B40: Undeutige Syntax (5)


daz seil was wol zwelf klâfter lanc, die von vier varwe bortesîden wâren,
gel, grüene, rôt, brûn diu vierde,
imer swâ diu spanne erwant an ein ander geworht mit gezierde (‚Titurel’ 144, 2-4)

Das Seil war gut zwölf Klafter lang. Es bestand aus vierfarbiger Seide: gelb, grün, rot und die vierte
braun, und immer, wo eine Spanne zu Ende war, war sie an eine andere kunstvoll angefügt.
(BRACKERT/FUCHS-JOLIE, S. 141)

BRACKERT/FUCHS-JOLIE besprechen das syntaktische Problem dieser Stelle ausführlich,


was sich mit den folgenden Punkten sinngemäß wiedergeben lässt: 272
i) Doppeldeutigkeit: Zum prägnant gebrauchten Prädikat wâren gehört ein adverbialer
Ausdruck von bortesiden (mit davon abhängigem Genitivus qualitatis vier varwe), der
sowohl als Singular („aus vierfarbiger Bortenseide“, d.h. das Brackenseil war aus
vierfarbigem Seidenband) oder als Plural („aus vierfarbigen Seiden“, d.h. es bestand aus
mehreren farbigen Seidenbändern) zu verstehen ist.
ii) Unklarheit: Ob sich die nachgestellten Attribute in den Versen 3 und 4 auf vier varwe
oder auf bortesiden beziehen, bleibt unklar, wie sich der vierte Vers der Strophe zum
Vorhergehenden verhält.
iii) Unklarheit: Ferner besteht Unklarheit darüber, ob es sich bei dem Seil um „ein
vierfarbiges Geflecht aus spannenlangen Teilstücken handelt oder um einfarbige
Teilstücke mit wechselnder Farbfolge.

B41: Undeutige Syntax (6)

Dar nach sol min dienst imer stasteclichen ringen.


du biutest riehen solt. wie gelebe ih die zit, daz ez min hant dar zuo müeze bringen,
daz ih die hulde din behalte?
daz wirt verswochet nähen unt verre. geliicke unt din minne min walte! (‚Titurel’, 174, 1-4)

Die Verse bieten laut BRACKERT/FUCHS-JOLIE mehrere syntaktische und inhaltliche


Möglichkeiten, die sämtlich problematisch sind. 273 Zweideutigkeit besteht vor allem
bei dem Verb geleben, das sich entweder auf eine Zeitspanne („wie werde ich die Zeit

270
Ebd.
271
Ebd.
272
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu V.140, 1-3, S. 399f.
273
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu V. 174, 1-4, S. 436-439.

54
hinbringen, bis […]“) oder auf den Zeitpunkt des Erreichens eines Zieles („wie werde
ich je die Zeit erleben, in der […]“) beziehen kann. Obwohl die Wörterbücher die
transitive Verwendung von geleben nur im Sinne von „erleben“ nachweisen erscheint
dennoch die erste Variante näherliegend, geleben als „in einem Zeitraum leben“ 274 zu
verstehen.

B42: Uneindeutige Syntax (7)


die sluogen gewaltelîchen
die von Burguonden lant (‚Nibelungenklage’ V. 462f.)

Hier liegt ein Problemfall vor, in dem grammatisch nicht zu entscheiden ist, welches die
das Subjekt und welches das Objekt ist. 275 LIENERT spricht in diesem Zusammenhang
von zwei Übersetzungsmöglichkeiten: a) „Die schlugen voller Gewalt auf die
Burgunden ein“ oder b) „Die wurden von den Burgunden voller Gewalt geschlagen“. 276
Während CLASSENS Übersetzung 277 („Sie wurden so fürchterlich/von den Burgunden so
niedergehauen“) der zweiten Deutungsmöglichkeit entspricht, versucht LIENERTS
Übersetzung 278 einen Ausweg aus dieser sprachlichen Verwirrung zu suchen, indem sie
beide die zu übersetzen versucht („Die wurden von denen aus dem Land der
Burgunden/mit gewaltigen Hieben bedacht“).

274
Ebd.
275
LIENERT, Stellenkommentar zu V. 462f., S. 376.
276
Ebd.
277
Diu Klage. mittelhochdeutsch-neuhochdeutsch. Einleitung, Übersetzung, Kommentar und Anmerkungen v.
Albrecht CLASSEN. S. 22.
278
Die Nibelungenklage. Übersetzt v. Elisabeth LIENERT. S. 73.

55
3.3 Stilistische Problemfälle
»Ein Bild hielt uns gefangen. Und heraus
konnten wir nicht, denn es lag in unserer
Sprache.«
Wittgenstein

Dieses Teilkapitel entsteht vor dem Hintergrund, dass die bisherigen Arbeiten die
Übersetzungsprobleme, die wegen der stilistischen Eigenarten der mittelhochdeutschen
Texte entstehen, entweder (als Teilaspekt der hermeneutischen und/oder semantischen
Probleme) nur kurz erwähnen 279 oder sie gar nicht behandeln. Trotz der Tatsache, dass
das Verständnis der stilistischen Eigenarten Teil der Hermeneutik ist, muss ihnen,
soweit es das Übersetzen anbelangt, eine separate Untersuchung zugesprochen werden,
weil den Übersetzern stets das Dilemma vorkommt, ob und wie ästhetische Merkmale
eines Textes zu übersetzen sind. 280 Desweiteren dient eine Auseinandersetzung mit den
stilistischen Merkmalen der mittelhochdeutschen Texte einem besseren Verständnis des
Einflusses vom claritas- und obscuritas-Prinzip beim Übersetzen.

B43: Alliteration
merc diu wort, unt wis der werke ein wer:
des gib mir sicherheit alher (‚Parzival’ 268, 1f.)

Merke die Worte, sei selber Bürge für die Taten. Gelobe es mir bei deiner Ehre. (KNECHT, S. 272)

›Vernimm, versprich, verbürge es‹ –


so gib mir schon dein Ehrenwort! (KÜHN, S. 447, Bd. I)

Alliterationen gehören zu den kompexeren Übersetzungsproblemen, da es schwierig ist,


dieselben Wörter mit demselben semantischen Gehalt und denselben Buchstaben im
Anlaut auch in der Zielsprache zu finden. Während KNECHT keine Wiedergabe des Stils
anstrebt, stellt KÜHNS Übersetzung einen guten Versuch der Stilwiedergabe dar,
zumindest was die Wortwahl mit demselben Buchstaben im Anlaut anbelangt. Dies
jedoch macht seine Übersetzungen dem Sinn fremd, da im ersten Vers des
mittelhochdeutschen Texts keine Rede von „versprechen“ ist.

279
Siehe z.B. KNAPP, Die literarische Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen als
sprachphilosophisches und hermeneutisches Problem, S. 400f.
280
Ebd., S. 400f.: „Damit stoßen wir auf ein eminent wichtiges Problem, zu dessen Lösung
Sprachphilosophie wie Hermeneutik wenig beizutragen haben, ja das theoretisch-verallgemeinernd
überhaupt nicht lösbar erscheint […] der Stil einer Übersetzung (kann) mit dem Original niemals
identisch, jedoch dem originalen in der Übersetzersprache angemessen sein [kann] […] Stil transponieren
aber bedeutet, entweder einen dem Original entsprechenden Stil in der Muttersprache vorfinden, oder sich
ihn schaffen.“

56
B44: Annominatio
von Dürgen fürste Herman,
etslîch dîn ingesinde ich maz,
daz ûzgesinde hieze baz. (‚Parzival’ 297, 16f.)

Fürst Hermann von Thüringen:


in deinem Gesinde kenn ich manche,
die ‚Gesindel’ heißen müssten (KÜHN, Bd. I, S. 495)

Fürst Hermann von Thüringen, wenn ich dein Hausgesinde so betrachte, da gäbe es etliche, zu denen man
lieber sagen möchte: Raus, Gesindel! (KNECHT, S. 301)

Das Wortspiel lässt sich, so GARNERUS, in der gegenwärtigen Sprache kaum


wiedergeben, da ‚Ingesinde’ schon antiquiert ist. 281 KÜHNS Versuch einer dem
gegenwärtigen Deutsch eher entsprechenden Nachahmung ist ansprechend, jedoch ist
die Einschränkung von ingesinde auf ‚Gesinde’ nicht unproblematisch. 282

B45: Figura Etymologica: trœstenlîche trôst


si heten kumbers in erlôst,
wan der trœstenlîche trôst,
den Trevrizent dort vorne sprach,
als er am grâle geschriben sach. (‚Parzival’ 788, 13-16)

Der Ausdruck trœstenlîche trôst, nach SCHMITZ wörtlich ‚tröstliche Zuversicht’, ist eine
‚Figura etymologica’, die zur Verstärkung der Aussage dient. 283 trœstenlîche trôst steht
für Parzival, da er die Hoffnung Anfortas’ ist: Parzival soll ihm die entscheidende Frage
stellen und ihn somit von seinem Leid erlösen. Der Ausdruck zählt zu den vielen
Umschreibungen, die Wolfram gebraucht, wenn er Parzival nicht direkt nennen will
z.B. den man den rôten ritter hiez (202,21), den den dannoch grôziu tumpheit reget
(156,24), den Herzeloyde bar (333,29) usw.
Dieser Ausdruck ist verständlicherweise problematisch, da er schwer ins Deutsch der
Gegenwart übertragbar ist, wie an KNECHTS Übersetzung deutlich wird: „Sie hätten ihn
von seinem Leiden erlöst, wäre ihnen nicht Hilfe verheißen gewesen, ich meine die, von
der dort vorne Trevrizent erzählt hat, wie er es auf dem Gral geschrieben fand.“ 284
KNECHT muss nicht nur den Ausdruck umschreiben, sondern auch einen scheinbar vom
Erzähler stammenden Hinweis („ich meine“) hinzufügen, um die Verse wiederzugeben.
Der Sinn wird erfolgreich transponiert, doch geht in diesem Wortgewimmel die

281
GARNERUS, Gisela: Parzivals zweite Begegnung mit dem Artushof. Kommentar zum Buch VI/1 von Wolframs
Parzival (280, 1 – 312, 1). Herne 1999. S. 159f.
282
Ebd.
283
SCHMITZ, Der Schluss des ‚Parzivals’ Wolframs von Eschenbach, S. 39.
284
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 792.

57
Stilfigur verloren. Das genaue Gegenteil lässt sich bei KÜHNS 285 Übersetzung
beobachten:
Sie hätten ihn vom Leid erlöst,
doch war da hoffnungsvoll die Hoffnung,
die Trevrizent erwähnt hat […]:
Wie er die Schrift am Gral gesehen [...]

KÜHN versucht die Stilfigur wiederzugeben, was jedoch Einfluss auf die Sinnherstellung
im Rahmen des Übersetzungsvorgangs hat. Demgemäß ist festzuhalten, dass meistens
entweder die stilistische Eigenart oder der Sinn bewahrt werden.

B46: Hyperbel: bi sunnen noch bi manen


Kiot üz Katelangen erwarp Schoysiänen.
schœner maget wart nie gesehen bi sunnen noch bi manen. (‚Titurel’ 14, 1f.)

Das Problem liegt in der Zweideutigkeit der Hyperbel bi sunnen noch bi manen, wie
BRACKERT/FUCHS-JOLIE in ihrem Kommentar zu diesen Versen erklären. 286 Die erste
Deutungsmöglichkeit ist, dass die Hyperbel als metonymischer Ausdruck für zeitliche
Totalität verstanden wird und mit „noch nie“ übersetzt wird. 287 Gegen eine solche
Deutung erhebt sich der Einwand, dass der Gebrauch dieser Phrase als konkretisierbare
Beschreibung des Sehens und Erblickens in dieser Zusammenstellung nicht belegt
ist. 288 Die zweite Deutungsmöglichkeit besteht darin, die Phrase in ihrer wörtlichen
Konkretisierung („weder bei Tag noch bei Nacht“) zu verstehen.289 BRACKERT/FUCHS-
JOLIE berücksichtigen in diesem Zusammenhang die logische Seite dieses Ausdrucks und
postulieren, dass die Vorstellung, bei Mondlicht oder nachts nach außergewöhnlicher
Schönheit zu suchen, die bei Sonnenlicht nicht gesehen worden ist, ungewöhnlich
wirkt. 290
Besonders erkenntnisbringend für die Arbeit ist die abschließende Bemerkung von
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, welche besagt, dass diese Textstelle durch die Beschreibung
größter Allgemeinheit auf eine intime bzw. erotische Begenung anspielt, zumal es zum
Wolfram’schen Sprachgebrauch gehört, anhand von Konkretisierungen metaphorisch-
formelhaft gebrauchter Bildvorstellungen zu operieren. 291 Durch diese Konstatierung

285
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. II. S. 345.
286
BRACKERT/FUCHS-JOLIE , Stellenkommetar zu V. 14, 1f., S. 193f.
287
Ebd.
288
Ebd.
289
Ebd.
290
Ebd.
291
Ebd.

58
wird erneut sichtbar, dass das obscuritas-Prinzip Wolframs eine Herausforderung für
die heutigen Übersetzer darstellt.

B47: Hysteron Proteron: dô ersiufte si: des gie ir nôt.


›vrouwe, durch got saget mir,
habet ir sît iht vernomen
war iuwer sun sî komen
weder er sî lebende oder tôt?‹
dô ersiufte si: des gie ir nôt. (‚Gregorius’ V. 3880-3884)

Der letzte Vers trägt laut FRITSCH-RÖSSLER die rhetorische Figur ‚Hysteron Proteron’, da
die Reihenfolge von Ursache und Wirkung (erst Not, dann Seufzen) umgekehrt ist. 292
FRITSCH-RÖSSLER verdeutlicht weiterhin, dass im vorliegenden Fall die Beibehaltung der
ursprünglichen (umgekehrten) Reihung zu einem Missverständnis führt, weil des sich in
diesem Fall auf ersiufte beziehen würde (sie seufzte, darüber geriet sie in Pein/wurde sie
traurig). 293 Aus diesem Grund wird in ihrer Übersetzung die rhetorische Figur
umgestellt: „Darüber wurde sie sehr traurig: sie seufzte“. 294 MERTENS’ Übersetzung („Da
seufzte sie aus schwerem Herzen“) 295 findet zwar eine vernünftige Lösung zur
sinngemäßen Wiedergabe, kann jedoch dem Stil nicht gerecht werden, was sich
nachteilig auf die Hinführung zum Original auswirkt. 296

B48: Metonymie: von unsers herrn munde


vervluochet was diu stunde
von unsers herren munde
dâ ich inne wart geborn (‚Gregorius’ V. 2563-2565)

Die angeführte Textstelle ist ein deutliches Indiz für das andersartige Sprachdenken
Mittelalters und ein Fall, bei dem die modernen Übersetzungen fast nichts machen
können. Im Mittelhochdeutschen wird, so FRITSCH-RÖSSLER, das Organ, das eine
Handlung durchführt, häufig metonymisch benannt. 297 Dies wird jedoch im
Neuhochdeutschen oftmals nicht mitübersetzt: sîn ouge ersach (‚er sah’), sîn hant

292
FRITSCH-RÖSSLER, Stellenkommentar zu V. 3884, S. 305.
293
Ebd.
294
Hartmann von Aue. Gregorius. Übersetzt v. Waltraud FRITSCH-RÖSSLER. S. 229.
295
Hartmann von Aue. Gregorius. Übersetzt v. Volker MERTENS. S. 221.
296
Als ein weiteres Beispiel für ‚Hysteron Proteron’ nennt FRITSCH-RÖSSLER folgende Stelle aus ‚Parzival’: si wolt
ir schal verkrenken/ir bûliute unde ir enken/die hiez si vaste gâhen,/vogele würgn und vâhen (119, 1-4). Die
rhetorische Figur liegt im letzten Vers (vogele würgn und vâhen). Dies wird jedoch von YEANDLE negiert, der
behauptet, dass hier kein Hysteron Proteron vorliegt, wenn man vâhen als „catch and kill“ interpretiert. Siehe
YEANDLE, David N., Commentary on the Soltane and Jeschute Episodes in Book III of Wolfram von Eschenbach's
Parzival (116, 5 – 138, 8). Heidelberg 1984. S. 68.
297
FRITSCH-RÖSSLER, Stellenkommentar zu V. 2563-2565, S. 290.

59
ersluoc (‚er erschlug’), sîn munt sprach (‚er sagte’). 298 So übersetzt beispielsweise
MERTENS den metonymischen Ausdruck nicht: („Gott selbst hat/die Stunden verflucht/in
der ich geboren wurde“). 299 Ähnlich lautet die Übersetzung FRITSCH-RÖSSLERS (Verflucht
war die Stunde/durch unseren Herrgott selber/in der ich geboren wurde). 300 Damit geht
in der Übersetzung ertwas verloren, was man als „handfeste“ und „körpernahe“
Ausdruckweise des Mittelhochdeutschen bezeichnen könnte. 301

B49: Phraseologismus (1): nû zuo des der neve sî


Er sprach: ‚sun, sô will ich dich
mîner zühte lâzen frî
nû zuo des der neve sî (‚Helmbrecht’ V. 424-426)

Problematisch ist der letzte Vers, der im Kontext eines Vater-Sohn-Gesprächs entsteht.
Hier liegt das Problem der Unverständlichkeit vor. Nach TSCHIRCH 302 ist der Vers eine
undeutlich gewordene Lossagungsformel zwischen Verwandten (neve), die nichts mehr
miteinander zu tun haben wollen. TSCHIRCH 303 übersetzt demnach „Nun will ich nichts
mehr mit dir zu tun haben“. BRACKERT/FREY/SEITZ 304 übersetzen den Vers dagegen „Mag
das Unheil seinen Lauf nehmen!“. SOWINSKI 305 bemerkt: „Die Übersetzungen suchen
kontextgemäß zu übertragen. TSCHIRCH und BRACKERT/FREY/SEITZ, die gegensätzlich
übersetzen, bieten zusätzliche Erklärung für diese Stelle, ohne dass dadurch eine
eindeutige Übersetzung möglich wird.“

B50: Phraseologismus (2): diu wurz was bî dem blanken brûn


er vant die rehten hirzwurz,
diu im half daz er genas
sô daz im arges niht enwas:
diu wurz was bî dem blanken brûn. (‚Parzival’ 643, 28-30 bis 644, 1)

Er fand die rechte Hirschwurz selber, die ihm half, dass er genas und nichts Schlimmes mehr hatte: das
Kraut wuchs rotbräunlich in weißem Feld. (KNECHT, S. 648)

Er fand das rechte Hirschwurz-Kraut,


das ihm half, gesund zu werden,
völlig frei von den Beschwerden;
das Kraut war dunkel auf hellem Grund. (KÜHN, Bd. II, S. 109)

298
Ebd.
299
Hartmann von Aue. Gregorius. Übersetzt v. Volker MERTENS, S. 148.
300
Hartmann von Aue. Gregorius. Übersetzt v. Waltraud FRITSCH-RÖSSLER, S. 148.
301
FRITSCH-RÖSSLER, Stellenkommentar zu V. 2563-2565, S. 290.
302
TSCHIRCH, Erläuterung zu V. 426, S. 182.
303
Wernher der Gärtner. Helmbrecht. Hg., übersetzt und erläutert v. Fritz TSCHIRCH. S. 83.
304
Wernher der Gärtner. Helmbrecht. Hg., übersetzt und mit einem Anhang versehen v. Helmut BRACKERT,
Winfried FREY, Dieter SEITZ. S. 27.
305
SOWINSKI, Probleme des Übersetzens aus älteren deutschen Texten, S. 61.

60
In ihrem Kommentar zum letzten Vers bezeichnet NELLMANN den Phraseologismus als
eine in der mittelhochdeutschen Literatur überaus verbreitete Umschreibung für die
weibliche Scham. 306 Zu einem Übersetzungsproblem wird diese Stelle dadurch, dass
eine texttreue Übersetzung, wie KNECHT und KÜHN sie vornehmen, kaum verständlich
macht, was eigentlich mit dem Satz gemeint ist. Der Leser weiß nicht, ob sich die
Redewendung auf das Kraut bezieht oder auf die Genitalien der Frau (Bêne), die sich
um Gawein kümmert. Dieses Beispiel veranschaulicht erneut das Problem, dass die
stilistische Komponente mittelhochdeutscher Texte schwer zu übersetzen ist.

B51: Phraseologismus (3) (Zwillingsformel): bleich und rôt


diu Sîvrídes varwe wart dô bleich vnd rôt (‚Nibelungenlied’ 155,4)

Die Auswahl dieses Beispiels geschieht unter Berücksichtigung vom HOFMEISTERS


Programm zur textfunktionalen und übersetzungspraktischen Erschließung historischer
Phraseologismen, welches er in seinem gleichnamigen Aufsatz 307 am Beispiel von
einigen Phraseologismen aus dem ‚Nibelungenlied’ präsentiert. Das Problem,
infolgedessen HOFMEISTER dieses Programm schaffen muss, liegt in der „beobachtbaren
‚Freizügigkeit’ bzw. ‚Beliebigkeit’ im Umgang mit historischen Phraseologismen selbst
auf höchstem sprach- und literaturkundlichen Niveau “ 308 :

Solche ›Sprachformeln‹ werden nämlich bislang meist nur ansatzweise und selektiv als solche
erkannt und folglich nicht als jene textkonstituierenden Bausteine wiedergegeben, die sie aber
seit jeher in mündlicher wie schriftlicher Sprache sind. 309

HOFMEISTER begreift bleich und rôt als einen markanten Phraseologismus aufgrund der
Zwillingsformel und der Rekurrenz 310 derselben. Er schlägt demgemäß eine neue
Übersetzung vor, da die bisherigen Übersetungen nicht ‚phraseologisch einsichtig’
sind 311 .
Der Phraseologismus kommt im Nibelungenlied häufig vor, aber seine idiomatische
Bedeutung ist laut HOFMEISTER am Besten anhand der Strophe 1663,2 zu erschließen. In
dieser wird die Frau des Markgrafen, nachdem sie die Gäste sittsam geküsst hat,

306
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 644, 1, S. 739.
307
HOFMEISTER, Wernfried: Mich nimt des michel wunder. Neue Technik(en) zur textfunktionalen und
übersetzungspraktischen Erschließung historischer Phraseologismen, veranschaulicht am ‘Nibelungenlied’ und
Neidharts Sommerlied 21. In: Mittelhochdeutsch. Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Literatur. Hg. v. Ralf
Plate/Martin Schubert. Berlin/Boston 2011. S. 393-417.
308
Ebd.
309
Ebd.
310
Diese Formel war in der mittelhochdeutschen Literatur durchaus gängig. Siehe z.B. ‚Iwein’ (V. 2204) u.a. Vgl.
Ebd. S. 411.
311
Ebd.

61
emotional so stark berührt, dass sie bleich unde rot wird (gemischet wart ir varwe bleich
unde rot). HOFMEISTER besagt in diesem Zusammenhang ferner:

Ob Verlegenheit, freudige Erregung oder – wie bei Siegfried zu vermuten – kurze Irritation: Die
idiomatische Bedeutung meint offenbar einen auffallenden Kontrast zwischen sowohl heller (!)
als auch blutrot gefärbter Haut; dieses Farbenspiel signalisiert bis heute eine stark aufwallende
Emotion.

Eine phraseologisch einsichtige Übersetzung lautet daher „Siegfrieds Gesichtfarbe


zeigte sich nun blass und rot zugleich“. HOFMEISTER zeigt sich einverstanden mit
BRACKERTS Übersetzung „Siegfried wurde bleich, aber gleich darauf schoß ihm Blut ins
Gesicht“, will sie jedoch phraseologisch sinnvoll im Sinne von „Siegfried schoss
daraufhin das Blut ins Gesicht“ kürzen.

B52: Pleonasmus: von slôzlîchen banden


Du maht mich wol enstricken von slôzlîchen banden (‚Titurel’ 106, 1)
Du kannst mich wohl losbinden von fest umschließenden Fesseln. (BRACKERT/FUCHS-JOLIE, S. 121)

Diese Stelle, obwohl ohne Weiteres verständlich und demnach möglicherweise


übersetzbar, bereitet insofern Probleme, als die stilistische Komponente schwer zu
bewahren ist. Der Zweck der Pleonasmus ist, wie BRACKERT/FUCHS-JOLIE dies verstehen,
die Stärke zu bezeichnen, durch die sich Schionatulander gefesselt fühlt. 312 Interessant
ist daher der Versuch von BRACKERT/FUCHS-JOLIE, den stilistischen Effekt des Textes
(Komponente der „Stärke“) durch den Einsatz des Wortes „fest“ wiedergeben zu
wollen.

B53: Wortspiele (1): vilân und vîl an


swâ man se wolt an rîten,
daz was zer blôzen sîten:
[nantes iemen vilân,
der het ir unreht getân:]
wan si hete wênc an ir (‚Parzival’ 257, 21-25)

Wo immer man attackieren wollte, so hätte man sie allemal an der bloßen Flanke zu fassen gekriegt.
Wenn jemand sie freilich vilân geschimpft hätte*, das wäre ganz unpassend gewesen; sie hatte ja eher
wenig an als viel. (KNECHT, S. 261).

Auf jeder ihrer Angriffsseiten:


bloße Franke, ungedeckt ...
Der fügte ihr ein Unrecht zu,
wer sagt, sie trug viel Filigran –
sie hatte beinahe nichts an ... (KÜHN, Bd. I, S. 429)

312
BRACKERT/FUCHS-JOLIE, Stellenkommentar zu 106, 1, S. 349f.

62
Diese Verse dienen der Darstellung der ärmlichen Lage Jeschutes. Sie zieht mit Orilus
einher und ist aufgrund seiner Strafmaßnahmen sehr ärmlich gekleidet. Ihr Gewand ist
in einem solch schlechten Zustand, dass sie fast nackt ist. Das Wortspiel liegt in
Rahmen dessen in den Worten vilân und vîl an. Nach HARTMANN gehört diese Stelle zu
der Fülle von Wolfram’schen Witz-Typen, denen allen gemeinsam ist, dass sie häufig
deutlich über die Funktion eines comic relief hinausgehen. 313 KNECHT erklärt das
französische Wort und die damit einhergehende Armut (und Zustand des Mangels an
Kleid) folgendermaßen:

Das frz. Schimpfwort vilân, mit dem hier Wolfram kalauert und das sich in den romanischen
Sprachen und im Englischen bis heute erhalten hat, ist ein Abkömmling des lat. villanus, das
denjenigen bezeichnet, der zur »villa«, dem Domänengut eines Adeligen, »gehört«, einen
hörigen Bauern also, in verschiedene Varianten des Bösen gewendet, denn einen gemeinen,
ordinären Kerl, Schuft, Lümmel, auch Deppen, einen »Proleten« eben oder, wie man ziemlich
genau übersetzend, aber leider nur bairisch schimpfen könnte, einen »gescherten Bauern«, dem
alles das‚ wodurch adelige, bessere Leute sich auszeichnen – und dazu gehört auch vornehme
314
Kleidung – , abgeht.

DALLAPIAZZA geht in seiner Erklärung zu diesem Wort soweit zu sagen, dass vilân
eigentlich gar kein wirklicher Mensch ist. 315 KÜHNS Übersetzung gibt wiederum den
Eindruck, dass er das Wortspiel beibehalten will indem er das Wort ‚Filigran’ einfügt,
welches im Text eigentlich gar nicht erhalten gibt. Das Verb ‚tragen’, das KÜHN
gebraucht, ist im Text ebenfalls nicht vorhanden. KÜHNS Gebrauch von ‚Filigran’ mag
zwei Ziele haben: a) die semantische und stilistische Eigenart beizubehalten, indem
versucht wird, den Widerspruch im Original durch die Gegenüberstellung der
Ausdrücke ‚Filigran tragen’ und ‚wenig anhaben’ wiederzugeben; und b) den Klang des
Originals beizubehalten (,Filigran’↔,wenig an’). Da KNECHTS Übersetzung in Prosaform
ist, beabsichtigt er keine reimtreue Wiedergabe. Er versucht nicht, ein gegenwärtiges
deutsches Wort für vilan zu suchen. Es gelingt KNECHT aber zumindest eine Nuance
wiederzugeben, da er im Zusammenhang mit vilân anstelle von „nennen“ „schimpfen“
gebraucht. Diese Übersetzung passt, weil im mittelalterlichen Kontext vilân eher ein
Schimpfwort war. 316 KNECHT übersetzt jedoch den Vers 23 anders als erwartet – er lässt
die Tatsache außer Acht, dass Jeschute Unrecht getan wird. DALLAPIAZZA schließt diesen
Aspekt in seinem Übersetzungsvorschlag ein („Nannte sie jemand vilân, der täte ihr

313
HARTMANN, Heiko: Darstellungsmittel und Darstellungsformen in den erzählenden Werken. In: Wolfram von
Eschenbach. Ein Handbuch. Bd. I. Hg. v. Joachim Heinzle. Berlin/New York 2011. S. 206-208.
314
KNECHT, Stellenkommentar zu V. 257, 23-25, S. 835.
315
DALLAPIAZZA, Wolfram von Eschenbach. Parzival, S. 142.
316
KNECHT, Anmerkung zu V. 257, 23f., S. 835.

63
wirklich unrecht, denn sie hatte sehr wenig an“), übersieht jedoch den sehr wichtigen
Aspekt des Schimpfens. 317
Dieses Beispiel erhellt, dass von einem Text, der in sich semantische, stilistische und
kulturelle Spezifika verbirgt, lediglich ein Aspekt wiedergegeben werden kann. Das
Kulturelle wird fast unübersetzbar – solange in der zu übersetzenden Sprache eine
Entsprechung gefunden werden muss – da es im Gegenwartsdeutsch kein solches Wort
gibt, welches die kulturgeschichtlichen Nuancen von vîlan trägt – KÜHN versucht zwar
das Stilistische wiederzugeben, jedoch büßt seine Übersetzung dafür an semantischen
Spezifika ein.

B54: Wortspiele (1): Doppelte Bedeutung von ouge


umbe den wurf der sorgen
wart getoppelt, do er den grâl vant,
mit sînen ougen, âne hant
und âne würfels ecke. (‚Parzival’ 248, 10-13)

Die Schwierigkeit beim Übersetzen dieser Stelle liegt in der doppelten Bedeutung von
ouge, da der sich Ausdruck sowohl auf menschliche Augen als auch auf Augen des
Würfels beziehen kann. NELLMANN bezeichnet das Wortspiel als einen „etwas
gezwungenen Scherz“, 318 da ihres Erachtens der Ausdruck ‚Augen des Würfels’
unpassend ist. 319 Problematischer wird das Wortspiel dadurch, dass es in Verbindung
mit einer schwer durchsichtigen Metapher steht, welche am Anfang der Passage liegt
(umbe den wurf der sorgen wart getoppelt):

Die Bildlichkeit ist unklar. Im Rahmen der von ihm geschätzten Würfelspielmetaphorik spricht
Wolfram von wurf spiln (Parz. 112,9), schanze toppeln (Willeh. 415, 16f.) wie von umbe den
wurf spiln (Willeh. 26,3) bzw. umbe den wurf strîten (Willeh. 425,16). Vielleicht ist gemeint:
»Als er den Gral sah, begann das Unglückspiel« (= begann Parzivals Unglück). 320

Das Problem, dieses Stilmittel zu übertragen, wird an den grundsätzlichen


Unterschieden der Übersetzungen ersichtlich. KNECHTS Übersetzung wird genauso
undurchsichtig wie der Text selbst, indem er die letzten zwei Verse mit „Zwei Augen
hatte er, auf keinem Würfel und von keiner Hand geworfen“ übersetzt. 321 KÜHNS
Übersetzung („Es war ein Würfelspiel um Leid,/als er den Gral gesehen hatte –/mit

317
Ebd.
318
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 248, 12, S. 589.
319
Bei der obigen Bemerkung, dass NELLMANN ‚Augen des Würfels’ nicht passend findet, handelt es sich um eine
Interpretation ihres Stellenkommentars, in welchem sie nach den Worten ‚Augen des Würfels’ in Klammern ein
Ausrufezeichen setzt.
320
NELLMANN, Stellenkommentar zu V. 248, 10f., S. 589.
321
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 252.

64
eigenen Augen, nicht mit denen/auf dem Würfel in der Hand“) 322 macht wiederum
zumindest einen Aspekt des Wortspiels klar, indem auf „die Augen des Würfels“
verwiesen wird. Diese Stelle beweist erneut, wie schwer es ist, mittelhochdeutsche
Texte zu übersetzen, zumal sie im Kontext des obscuritas-Prinzips entstehen.

B55: Wortspiel (2): Doppelte Bedeutung von zuht


swenne ich gedanke an mich nim
daz ich ûz freuden bin erborn,
wirt freude noch an mir erkorn,
dâ gît ein fruht die andern fruht
diz sult ir füegen, habt ir zuht. (‚Parzival’ 659, 28 bis 660, 2)

Im letzten Textbeispiel dieser Arbeit handelt es sich um ein Rätsel, das Arnive Gawein
erzählt. EDWARDS sieht im letzen Wort dieser Passage (zuht) ein Wortspiel, welches
sowohl Wohlgezogenheit als auch Zuht im heutigen Sinne implizieren kann. 323 KNECHT
übersetzt die Verse mit „So bringt, was selber Frucht ist, wieder Frucht. Und Ihr müsst
dazu helfen, wenn ihr Edelmann sein wollt“ 324 und versteht demnach zuht als die
Qualität, ein Edelmann zu sein. KÜHN übersetzt „so bringt die Frucht die Frucht
hervor!/Seid so freundlich, macht es wahr!“ 325 und versteht zuht im Sinne von
„freundlich sein“. Bei keiner Übersetzung kommt die zweite Bedeutung zur Sprache,
was als Indiz dafür gilt, wie schwer es ist, stilistische Mittel zu übersetzen.

322
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S. 413.
323
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Translated by Cyril EDWARDS. S. 210. EDWARDS besagt an dieser Stelle:
“There is a pun here on zuht, which means both ‘courtesy’ and ‘cultivation’ or ‘breeeding’. The idea of fallen fruit
continues the image.” In seiner Übersetzung gibt EDWARDS jedoch zuht mit ‘breeding’ wieder.
324
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 664.
325
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. II. S. 135.

65
4 Schlussfolgerung und Ausblick
Klassifizierung der Problemfälle
In Hinblick auf die für diese Arbeit maßgebenden Aspkete „Verstehen und Übersetzen“
lassen sich die semantischen, syntaktischen und stilistischen Problemfälle, die auf der
Ebene des Textes entstehen, in zwei Gruppen gliedern:
a) Problemfälle, die nicht gedeutet werden können.
b) Fälle, die gedeutet werden können, doch schwer übertragbar sind.
Aus einer quantitativen Analyse der in der vorliegenden Arbeit angeführten Beispiele
ergibt sich, dass zur ersten Gruppe vor allem autorspezifische Problemfälle gehören, da
die Werke im Rahmen eines literarischen Programms entstehen. Gemeint sind damit das
Wolfram’sche obscuritas-Prinzip und die dadurch entstandenen Eigenarten, die zum
Übersetzungsproblem werden. Beispiele für solche Eigenarten sind der okkasionelle
Sprachgebrauch, einige – und nicht alle – Neologismen mitsamt der Hapax Legomena,
die undeutige Syntax (Ellipsen, Apokoinou) usw.
Probleme, die verstehbar, doch schwer zu übersetzen sind, sind vor allem
sprachspezifisch. Mit ‚sprachspezifisch’ sind Fälle gemeint, welche dem
Mittelhochdeutschen eigen sind und sich durch ihre Andersartigkeit als schwer
übersetzbar kennzeichnen. Ein sprachspezifischer Problemfall ist beispielweise der
Ausdruck sin munt sprach (‚Metonymie’), wofür es im gegenwärtigen Deutsch keine
Entsprechung gibt. Entweder übersetzt man – sinngemäß richtig – mit „er sprach“, büßt
dafür die mittelhochdeutsche Eigenart ein, oder man übersetzt es im Sinne von „sein
Mund sprach“, 326 was dem gegenwärtigen Sprachverständnis fremd wirkt.

Antwort auf die Ausgangsfrage


Die Antwort auf die Frage, wie man beim Übersetzen semantische, syntaktische und
stilistische Eigenarten eines Textes bewahren kann, wird davon bestimmt, welche
Funktion den Übersetzungen von den Übersetzern zugemessen wird. Dem
Einführungkapitel ist zu entnehmen, dass das ‚Dem Text dienen’ zum definierenden
Konzept für neuere (philologische) Übersetzungen wird. 327 Dieses Konzept wird

326
Noch ein Beispiel wäre dîn hant uns bede überstreit (‚Parzival’ 689, 29), wo Gawein (zu Parzival) seine
Niederlage eingesteht. KNECHT übersetzt „deine Hand hat uns beide besiegt“, was seltsam klingt. KÜHN übersetzt
hingegen sinngemäß den Vers mit „Du hast uns beide überwunden“. Siehe: Wolfram von Eschenbach. Parzival.
Übersetzt v. Peter KNECHT. S. 693; und Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. Dieter KÜHN. Bd. I. S.
183.
327
Im Laufe der Zeit haben die Übersetzungen einen Funktionswandel erlebt. Während, zum Beispiel, zu
SPECHTLERS Zeiten sowohl das richtige Übersetzungen als auch Schaffung eines für sich stehenden Textes von einer
Übersetzung beansprucht wurde, bleibt in neuerer Zeit, um ein Beispiel zu nennen, bei BRACKERT/FUCHS-JOLIE
„ein für sich stehender Text“ kein Ziel mehr. Siehe SPECHTLER, Das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen als

66
wiederum stark davon beeinflusst, ob der mittelhochdeutsche Text gedeutet werden
kann oder nicht.
Im Fall, dass der Text sich nicht deuten lässt, ist das Textdienen im Sinne einer
Wiedergabe aller drei Eigenarten nicht möglich, weil der Fokus auf die Sinnerfassung
rückt
Auch im Fall, dass der Text sich deuten lässt, kann das Textdienen umöglich werden.
Bei den bisherigen mediävistischen Übersetzungen konnte der Fokus jedoch nur einem
von den drei genannten Aspekten gewidmet werden: i) Entweder versucht man, der
Semantik (z.B. MERTENS Übersetzung von ‚Iwein’) oder ii) der Syntax bzw.
Konstruktion zu dienen (FRITSCH-RÖSSLERS Übersetzung von ‚Gregorius’).
Der Fall, dass alle drei Aspekte bei einer Übersetzung erfolgreich wiedergegeben
werden, ist schwer nachzuweisen. Will man den Stil wiedergeben (siehe z.B. die
Alliterationswiedergabe bei KÜHN), büßt man an Sinn ein. Doch verdient hier das
Programm phraseologisch einsichtiger Übersetzungen (HOFMEISTER) eine Erwähnung, da
es das Verständnis des mittelhochdeutschen Textes verbessert und somit zum Original
führt.
Bemühungen um die Wiedergabe der Konstruktion stoßen auf dasselbe Problem.
KNECHT übersetzt, zum Beispiel, den Vers daz was ein vischære/und aller güete lære
(‚Parzival’ 142, 17f.) als „Es war ein Fischer und kein gutes Haar an ihm“ und bemüht
sich um eine konstruktionsgerechte Übersetzung, indem er die Konstruktion des
Originals (Verbindung zweier Satzteile durhc ein Verb) nachahmt. Aufgrund des
falschen Gebrauchs der Wendung „kein gutes Haar an jemandem/etwas lassen“ ist diese
Übersetzung jedoch als verfehlt zu betrachten. KNECHTS Übersetzung bleibt somit in
einen Raum stecken, den PRETZEL als ‚Mischsprache’ bezeichnet. 328 Wie eine solche
‚Mischsprache’ zu vermeiden ist, demonstriert PRETZEL an folgendem Beispiel:

Ein einziges Beispiel für den weiten Abstand zwischen dem Mittelhochdeutschen und
neuhochdeutschen Sprachstil sei besonders angeführt, weil sich an ihm zeigt, dass wörtliche
Übersetzungen wenn nicht gerade denn Sinn fälschen, so doch in einer ganz unrealen
‚Mischsprache’ steckenbleiben. Im ‚Heiligen Georg’ Reinbots von Durne findet sich (4273/74)
der Satz: und wizzet daz diu heidenschaft ze himel hât kleine kraft. Dies ist weder ausgefallener
noch gar geblümter Stil, sondern ganz übliches gutes Mittelhochdeutsch. Man kann aber den
Satz unmöglich wörtlich ins Neuhochdeutsche übertragen. kleine hat, wie wênec und lützel, hier
geradezu die Bedeutung von ‚keine’. Und kraft wird oft nur paraphrasierend gebraucht; durch
liebe kraft heißt nicht anderes als ‚aus Liebe’; heidenschaft ist nicht bloßes Abstraktum, sondern
vorwiegend Kollektiv; ze ist Richtungspräposition; außer himel muss also jedes Wort geopfert
werden, und das von dem mittelhochdeutschen Dichter wirklich Gemeinte und Gesagte kann in
gutem, klaren Neuhochdeutsch (nicht einer Mischsprache) mit höchster Sinntreue nur durch den

Problem der Mediävistik, S. 137. Wolfram von Eschenbach. Titurel. Übersetzt v. BRACKERT, Helmut/FUCHS-JOLIE,
Stephan. S. 59.
328
PRETZEL, Mittelhochdeutsche Bedeutungskunde, XIV.

67
Satz wiedergegeben werden: ‚kein Heide kommt in den Himmel’. Das ist keine Umdichtung
329
oder Neudichtung, sondern eine richtige, eben sinntreue ‚Übersetzung’.

Eine sinntreue Übersetzung kann also völlig andere Wörter und Konstruktionen
gebrauchen als die des gegebenen mittelhochdeutschen Textes. Selbst bei KNECHTS
Übersetzung sind gute Beispiele für eine sinntreue Übersetzung vorhanden. So übersetzt
er, zum Beispiel, den Begriff einvalt (hie hânt zwei herzen einvalt/mit hazze erzeiget ir
gewalt Parzival’ 689, 27f.) nicht mit einem einzigen Wort, sondern mit einer Phrase
(„Hier haben zwei Herzen, die doch anders als einig gar nicht zu denken sind […]“).330
Der Begriff wird in diesem Fall genau wiedergegeben, wofür jedoch eine
beschreibende Übersetzung anstelle von einer Wort-für-Wort Übersetzung, wie sie
KÜHNS Beispiel der Fall ist („hier haben sich zwei lautre Herzen“) 331 , gebraucht wird.
Eine beschreibende Übersetzung ist deshalb notwendig, weil der im
mittelhochdeutschen Text kodierte kulturelle Gehalt nicht mit einem Wort
wiedergegeben werden kann. Ein solches Beispiel liegt in der Phrase der tumpheit
genoz (‚Parzival’ 142, 13) vor. Der Begriff tumpheit steht nicht für bloße ‚Dummheit’
im modernen Sinne, sondern zudem auch für die graduelle Entwicklung der
Parzivalfigur. KNECHT übersetzt daher die Phrase als „der kindlichen Dummheit
Spielgenosse“, was jedenfalls treffender als KÜHNS Präzisierung („Einfaltspinsel“) ist.
Eine ‚beschreibende’ Übersetzung führt in solchen Fällen dazu, dass der übersetzte Text
– in Hinblick auf Stil und Syntax bzw. Konstruktion – sich vom Originaltext entfernt.
Hinsicht des Befundes, dass nur ein Aspekt bewahrt werden kann, erscheint es sinnvoll,
dass beim Übersetzen die Schwerpunkte deutlicher gesetzt werden d.h. die Übersetzung
entweder am Sinn oder an der Syntax bzw. dem Stil orientiert wird.

Im Hinblick auf die These, dass zum Erlernen des Mittelhochdeutschen die Syntax
genauso wichtig ist wie der Sinn, plädiert die Arbeit dafür, dass beim Übersetzen,
soweit der Sinn nicht gestört wird, der Syntax gefolgt wird. Denn letztlich sind es die
Studierenden, die durch zweisprachige Ausgaben ihren Weg zum Mittelhochdeutschen
finden.

329
PRETZEL, Mittelhochdeutsche Bedeutungskunde, XIV.
330
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt von Peter KNECHT. S. 693.
331
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt von Peter KÜHN. Bd. II. S. 183.

68
Ausblick
Die Übersetzungen mittelhochdeutscher Texte können anhand zweier Gesichtspunkte
analysiert werden: i) Blick auf den Text und ii) Blick auf den Übersetzer. Die
vorliegende Arbeit fokussierte sich primär nur auf die mittelhochdeutschen Texte, um
ihre Eigenarten, die das Übersetzen erschweren, zu erhellen. Es bedarf in diesem
Bereich Arbeiten, welche die vom Übersetzer stammenden Probleme z.B.
Übersetzungsfehler thematisieren. In diesem Zusammenhang wären kontrastive Studien
zu Übersetzungsfehlern ertragreich, da sie ein besseres Textverständnis gewährleisten
würden. Ein gutes Beispiel dafür wäre CLASSENS fehlerhafte Übersetzung von sculdehaft
(‚Nibelungenklage’ V. 1922) mit „hochverdient“ 332 (und deren Verbesserung durch
LIENERT). Für das Textverständnis ist wichtig zu wissen, dass auch wenn man frei von
schande ist (wie im folgenden Vers steht), wird man von Schuld nicht frei: An dieses
Wissen gelangt man jedoch durch CLASSENS Übersetzung nicht.
Ein weiteres beachtenswertes Problem, das im Rahmen der Arbeit nicht ausführlich
besprochen wurde, ist der Gebrauch von Archaismen beim Übersetzen. Zur Illustration
dieses Problems bietet sich folgendes Beispiel an:
der gâhte von in balde
und stuont die naht ze walde.
von überkrüphe daz geschach (‚Parzival’ 281, 27-29)

Die Falkner des Hauses Karidoel sind auf Beizjagd. Sie verlieren ihren besten Falken,
weil er gekröpft ist. KÜHN 333 und KNECHT 334 übersetzen überkrüphe als “überkröpft”.
Das Universalwörterbuch (Duden) führt aber das Wort “überkröpfen” nicht an. Der
Terminus „Überkröpfen“, ist lediglich in Wörterüchern aus dem 19. Jahrhundert
(Wörterbuch von Wilhelm und Jakob GRIMM 335 ; Wörterbuch von Joachim Heinrich
CAMPE 336 ) enthalten. Das passende gegenwärtige Wort für überkrüphe ist „kröpfen“. 337
Neben diesen gibt es zahlreiche weitere Belege für den Gebrauch von Archaismen in

332
Diu Klage. Übersetzt v. Albrecht CLASSEN. S. 89.
333
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. KÜHN. S. 469. Bd. I.
334
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. KNECHT. S. 285.
335
http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GU01076 [17.06.2012]
336
CAMPE, Joachim Heinrich: Wörterbuch der deutschen Sprache. Bd. V. Reprograf. Nachdr. der Ausg.
Braunschweig 1811. Hildesheim 1970. S. 27.
337
Siehe Duden Deutschen Univesalwörterbuch, S. 1023: <sw.V.; hat> [mhd. Krüpfen = den Kropf füllen] 1.
(Jägersprache) (von Raubvögeln) Nahrung in den Kropf aufnehmen; fressen. 2. (landschaftlich) durch zwangsweise
Fütterung mästen: Gänse k. 3. a) (Architektur, Bauwes.) (von Gesims, Gebälk o. Ä.) um einen Vorsprung der Mauer
(z. B. einen Pfeiler, eine Säule) herumführen; b) (Handw.) (von Holzleisten o. Ä.) an Ecken von Möbeln o. Ä.
durch schrägen Zuschnitt genau aneinanderfügen, auf Gehrung (a) zusammenfügen: c) (Technik) (von Stäben,
Wellen, Rohren o. Ä.) an mindestens zwei Stellen so biegen, dass die nicht gebogenen Teile danach parallel
verlaufen: Profilstäbe k.; ein gekröpfter Schraubenschlüssel.

69
den Übersetzungen mittelhochdeutscher Literatur z.B. „bekerzt“ 338 für gekerzet
(‚Parzival’, 807, 10), „approchieren“ 339 für heistieren (‚Parzival’ 778, 26) usw.
Es bedarf einer Arbeit, die solche Übersetzungsfehler behandelt und einen möglichen
Ausweg aus einem solchen Sprachgebrauch sucht. Denn der Gebrauch von Archaismen
führt nicht nur, wie PRETZEL bemerkt, zur „Archaisierung der modernen Sprache“, 340
sondern verfehlt auch, so WEDDIGE, die Historizität mittelalterlicher Texte. 341
Besonders lohnend wären korpuslinguistische Studien mittelhochdeutscher
Übersetzungen, in denen mehrere Übersetzungen eines mittelhochdeutschen Textes
verglichen werden. Auf diese Weise könnte untersucht werden, wie die jeweiligen
Übersetzungen mit den Eigenarten des mittelhochdeutschen Textes umgehen. Das Ziel,
den mittelhochdeutschen Text besser zu verstehen, wäre mittels kontrastiver Analysen
mehrerer Übersetzungen am ehesten erreicht.

338
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. KÜHN. Bd I. S. 375.
339
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Übersetzt v. KÜHN. Bd. II. S. 329.
340
PRETZEL, Die Übersetzungen von Wolframs Parzival, S. 49.
341
WEDDIGE. Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. 2. überarbeitete Aufl. Berlin 1998. S. 139. Laut WEDDIGE wäre
dem Original wohl am ehesten eine hochsprachliche Fassung angemessen, die auch jenem „gebildeten und
interessierten Laien“ verständlich bliebe, an den sich die Vorreden mediävistischer Übertragungen und Anthologien
„ja so gerne“ wenden.

70
Literatur

Textausgaben und Übersetzungen


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