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News zum Russland-Ukraine-Krieg:


Das geschah in der Nacht zu
Dienstag (21. März)
DER SPIEGEL

10–12 minutes

Russischer Angriffskrieg Kiew will Raketen auf


der Krim zerstört haben, Moskau spricht von
Attacke auf Zivilisten

In der Nacht hat es ukrainische Angriffe auf der Krim gegeben –


die Angaben zu den Zielen sind sehr unterschiedlich. Und:
Kanzler Scholz nennt Details zu seinen Telefonaten mit
Kremlchef Putin. Die jüngsten Entwicklungen.

21.03.2023, 05.09 Uhr


Satellitenaufnahme von russischem Militärgerät in Dschankoj
auf der Krim-Halbinsel (2022)

Foto: MAXAR TECHNOLOGIES HANDOUT / EPA

Was in den vergangenen Stunden geschah

Im Norden der von Russland annektierten Schwarzmeer-


Halbinsel Krim hat die Flugabwehr nach Behördenangaben
ukrainische Drohnen abgeschossen. Krim-Verwaltungschef
Sergej Aksjonow teilte am Montag mit, dass in dem Ort
Dschankoj ein Mensch verletzt worden sei. Durch abgestürzte
Trümmerteile seien Häuser und ein Lebensmittelgeschäft
beschädigt worden.

Der Verwaltungschef von Dschankoj, Igor Iwin, teilte mit, dass


ein Brand in dem Laden ausgebrochen sei. Es seien auch
Elektroleitungen beschädigt worden. Das genaue Ausmaß der
Schäden war zunächst unklar.

Kiew stellt die Aktion komplett anders dar. So teilte der


Militärgeheimdienst des Verteidigungsministeriums mit, dass der
Angriff einem Raketentransport auf Bahngleisen gegolten habe.
Es seien Raketen zerstört worden. Damit werde der Prozess der
»Entmilitarisierung Russlands« fortgesetzt und die Krim auf die
Befreiung von der russischen Besatzung vorbereitet.
Sowjetische Flagge vor Brücke auf der Krim

Foto: STRINGER / EPA


Von russischer Seite gab es dafür, dass Raketen zerstört
worden sein sollen, keine Bestätigung. Russland transportiert
etwa Raketen für die Schwarzmeerflotte über den Landweg in
die Militärhäfen. Außerdem werden über die strategisch wichtige
Eisenbahnstrecke die russischen Truppen in den besetzten
Gebieten Cherson und Saporischschja mit Nachschub versorgt.

In Dschankoj hatte es schon im August vergangenen Jahres


eine schwere Explosion in einem Munitionsdepot gegeben.
Tausende Menschen mussten damals in Sicherheit gebracht
werden, es gab Verletzte. Der Zugverkehr musste mitten in der
Tourismussaison zeitweise eingestellt werden.

Über Dschankoj gehen die Bahnverbindungen von Moskau über


die neue Krimbrücke in die Hauptstadt Simferopol auf der
Halbinsel. Die ukrainische Regierung vermutet, dass die Stadt
und die umliegenden Gebiete der größte russische
Militärstützpunkt auf der Krim sind.

Die jüngsten Zwischenfälle werfen bei russischen Beobachtern


immer wieder Fragen auf, wie gut die militärisch hochgerüstete
Halbinsel, die sich Moskau 2014 einverleibte, tatsächlich
geschützt ist. Auch andere russische Regionen im Grenzgebiet
zur Ukraine klagen seit Monaten über Angriffe von ukrainischer
Seite. In den Gebieten Brjansk, Kursk und Belgorod gab es Tote,
Verletzte und schwere Zerstörungen. Der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj hatte angekündigt, die Krim wie alle
anderen besetzten Gebiete der Ukraine befreien zu wollen.
Waffenlieferungen an die Ukraine

Die EU will der Ukraine in den kommenden zwölf Monaten eine


Million neue Artilleriegeschosse für den Kampf gegen Russland
liefern. Die Außen- und Verteidigungsminister der
Mitgliedstaaten billigten entsprechende Pläne am Montag in
Brüssel, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Abend
nach gemeinsamen Beratungen erklärte. Sie sollen Engpässe
der ukrainischen Streitkräfte verhindern und sie in die Lage
versetzen, neue Offensiven gegen die Angreifer aus Russland
starten zu können.

Um die Kosten für die neue Munition möglichst gerecht zu


verteilen, werden den Planungen zufolge zwei Milliarden Euro
an EU-Mitteln mobilisiert. Das Geld soll aus der sogenannten
Europäischen Friedensfazilität (EFF) kommen. Dabei handelt es
sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits
Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der
ukrainischen Streitkräfte fördert.

Nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll die


zusätzliche Munition über bestehende nationale
Rahmenverträge, aber auch über ein neues europäisches
Beschaffungsprojekt der Europäischen Verteidigungsagentur
(EDA) gekauft werden. »Wir bündeln damit Europas
Marktmacht«, sagte der SPD-Politiker. »Das hat es in der Form
noch nicht gegeben.«

Wie die EDA mitteilte, sollen über ein Schnellverfahren zwei


Jahre lang Artilleriegeschosse im Kaliber 155 mm gekauft
werden. Ein auf sieben Jahre angelegtes Projekt wird zudem
auch die gemeinsame Beschaffung von anderen Munitionstypen
ermöglichen. Neben Pistorius unterzeichneten am Montag noch
Vertreter aus 16 weiteren EU-Staaten sowie aus Norwegen eine
entsprechende Vereinbarung. Weitere Staaten wollen sich nach
EU-Angaben anschließen.

Das sagt Kiew

Der ukrainische Präsident hat die neue militärische Hilfe der EU


und der USA als eine Stärkung der Verteidigungskraft seines
Landes gelobt. »Vorgesehen sind rasche Lieferungen und auch
die Produktion von Munition«, sagte Selenskyj in seiner am
Montagabend in Kiew verbreiteten täglichen Videobotschaft.
»Das ist ein strategischer Schritt«, sagte er mit Blick auf die
neuen Artilleriegeschosse der EU.

Wolodymyr Selenskyj

Foto: --- / dpa


Die USA wiederum hätten ein neues Verteidigungspaket für 350
Millionen US-Dollar (326 Millionen Euro) zum Kauf neuer Waffen
und Munition geschnürt. »Das stärkt die Überzeugung, dass wir
geeint sind, dass die Bewegung hin zum Sieg über den
Terrorstaat nicht zu stoppen ist«, sagte Selenskyj. Die EU-
Mitglieder hätten gezeigt, dass sie wirklich daran interessiert
seien, dass Europa stark und frei sei. Selenskyj hatte sich zuvor
bei einzelnen Regierungschefs persönlich in Telefonaten für die
Unterstützung bedankt.

Die Ukraine klagt seit Langem über einen Mangel an Munition.


Kiews Verteidigungsminister Olexij Resnikow hatte Anfang März
gesagt, sein Land benötige dringend eine Million
Artilleriegeschosse. Den Finanzbedarf bezifferte er auf vier
Milliarden Euro. Als wichtigster Verbündeter der Ukraine gelten
die USA. Seit Kriegsbeginn summieren sich ihre Militärhilfen auf
weit mehr als 30 Milliarden Dollar.

Internationale Reaktionen

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Einblicke in seine Telefonate mit


dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegeben. Diese
Gespräche seien bis zu eineinhalb Stunden lang, berichtete der
SPD-Politiker am Montagabend beim Ständehaus-Treff der
»Rheinischen Post« in Düsseldorf. Das letzte sei im
vergangenen Dezember gewesen. Manchmal verzichte Putin auf
die deutsche Übersetzung, weil er schon verstanden habe, und
manchmal spreche der Kremlchef auch Deutsch – »wenn's
passt«, sagte Scholz.
Wladimir Putin und Olaf Scholz (am 15. Februar 2022)

Foto: Pressebüro russischer Präsident / dpa


Seine Gespräche mit Putin seien stets eingebettet in Gespräche
mit Deutschlands Verbündeten, und dabei kristallisiere sich
heraus, wann ein Austausch anstehe. »Es ist nicht so, dass ich
SMS schicke und frage: Wollen wir wieder?« Es gebe eine für
diese Zwecke geeignete Telefonschalte, sagte der Kanzler noch
über die Besonderheiten dieser Gespräche. Trotz der
unterschiedlichen Meinungen seien die Telefonate stets höflich.
Er sei mit Putin per Sie, sagte Scholz.

Scholz erklärte außerdem, er sehe keine Möglichkeit eines


Friedens zwischen Russland und der Ukraine ohne einen
Rückzug russischer Truppen. »Es kann nicht auf einen
Diktatfrieden Russlands gegenüber der Ukraine herauslaufen«,
so Scholz. »Wir müssen uns auf die Möglichkeit einstellen, dass
es länger dauern kann«, sagte er auf die Frage nach der Dauer
des Kriegs: »Das kann schon länger aus dem Lot bleiben.«
Putin dürfe den Krieg nicht gewinnen, bekräftigte Scholz.
Grenzen dürften nicht mit Gewalt verschoben werden.

Putin besucht Mariupol und Krim-Halbinsel: Der Kremlchef auf


Propagandatour

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DER SPIEGEL 19.03.2023

Die US-Regierung hat sich kritisch über Putins Besuch in der


von russischen Truppen besetzten ukrainischen Hafenstadt
Mariupol geäußert. Mariupol sei weit von der Front entfernt,
sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen
Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag. »Ich hoffe, er konnte
sich ein Bild von den Schäden und der Zerstörung machen, die
seine Truppen in dieser Stadt angerichtet haben.« Die russische
Seite habe mitgeteilt, dass Putin sich dort über den
Wiederaufbau informiert habe. Besser wäre es, die Stadt
müsste nicht wieder aufgebaut werden, so Kirby.

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die


Ukraine hatte Putin am Wochenende die besetzten Gebiete des
Nachbarlandes besucht. Dabei stattete er dem Kreml zufolge
der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer einen
»Arbeitsbesuch« ab. Das Staatsfernsehen zeigte Putin am
Steuer eines Autos beim Fahren durch die nächtliche Stadt. Zu
sehen waren am Rande auch Zerstörungen an Gebäuden.

Russland hatte den Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24.


Februar 2022 begonnen. Mariupol wurde von russischen
Truppen belagert und geriet am 20. Mai unter vollständige
Kontrolle des russischen Militärs. Die Stadt wurde während der
Kämpfe weitgehend zerstört.

Was heute passiert

• Chinas Staatschef Xi Jinping setzt seinen Besuch in Moskau


fort. Bei dem Treffen mit Präsident Putin geht es auch um den
russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Offiziell heißt es aus
dem Kreml dazu: »Bei den Verhandlungen werden aktuelle
Fragen der weiteren Entwicklung der Beziehungen zu einer
allumfassenden Partnerschaft und strategischen Kooperation
zwischen Russland und China besprochen.«

• Japans Ministerpräsident Fumio Kishida besucht


Medienberichten zufolge die Ukraine. Dort werde er Selenskyj
treffen, berichtete der japanische Sender NHK World unter
Berufung auf Vertreter der Regierung und Regierungspartei.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung haben wir


die sowjetische Flagge in einer Bildunterschrift irrtümlich als
russische Flagge bezeichnet. Wir haben den Fehler korrigiert.

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