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Pierre Fauchard

Pierre Fauchard (* 2. Januar 1678 in Saint-Denis-de-Gastines; †


21. März 1761 in Paris) war ein bedeutender französischer
Zahnarzt.[1] Er schuf 1728 die Zahnheilkunde als Sonderfach,[2]
gilt als erste Person, welche die Zahnheilkunde auf eine
wissenschaftliche Basis stellte, und als der erste Zahnarzt im
modernen Sinne.[3] Er begann zu einem Zeitpunkt (im Zeitalter der
Aufklärung) zu praktizieren, als Zähne noch überwiegend von
Barbieren gezogen wurden.

Fauchards zweibändiges Lehrbuch Le chirurgien dentiste aus dem


Jahre 1728 ist nicht nur ein Schlüsselwerk der Zahnheilkunde und
gilt als erste vollständige Abhandlung über diesen Teilbereich der
Medizin. Fauchard führte damit auch die Bezeichnung dentiste in
den Sprachgebrauch ein, welche unter anderem im Französischen
und im Englischen zur Bezeichnung von Zahnärzten wurde.

Inhaltsverzeichnis Pierre Fauchard, Porträt des Malers


J. Le. Bel.
Leben
Veröffentlichungen
Ehrungen
Schriften
Weblinks
Siehe auch
Literatur
Einzelnachweise

Leben
Pierre Fauchard war der Sohn von Gilles Fauchard († 1710), einem Weber, und Mathurine Germain (†
1681). Im Jahre 1693 trat er im Alter von 15 Jahren in die königliche französische Marine ein. Dort prägte
ihn Alexandre Poteleret, ein Stabsarzt, Chirurgien Major des Vaisseaux du Roi, der seinerseits viel Zeit mit
dem Studium der Erkrankungen der Zähne und des Mundes verbracht hatte. Zahnerkrankungen waren für
Seeleute eine besonders häufige Erkrankung, da Skorbuterkrankungen Folgewirkungen für Gaumen und
Zahnbestand hatten.[4]

Im Jahre 1699 heiratete Fauchard die Witwe des Chirurgen Jan David die Marie Anne Le Febvre (* 9. Mai
1662 – † 20. März 1729) in der Kathedrale Notre-Dame de Paris, sie hatten eine Tochter. Seine
Zahnarztpraxis in Paris gründete Fauchard im Jahre 1719.[5] Einer seiner größten Konkurrenten war der
Barbier Jean Thomas, der sogenannte Le Grand Thomas, der auf
der Pont Neuf mit großem schauspielerischen Talent auch Zähne
zog.[6] Colin Jones weist in seiner „Geschichte des Lächelns“
darauf hin, dass beide Personen sich in ihrer Ausbildung vermutlich
nicht wesentlich unterschieden. Während Le Grand Thomas noch
in der Tradition des mittelalterlichen und früh-neuzeitlichen
Barbiers stand, gehörte Fauchard zu den Chirurgen, die sich von
Allgemeinärzten abzugrenzen suchten und Wert auf eine
wissenschaftliche Fundierung ihrer Arbeit legten.[7] Eine
Approbation als Chirurg ist für Fauchard allerdings nicht
nachgewiesen.[8] Fauchard stand Barbieren besonders ablehnend
gegenüber: Nach seiner Ansicht führte ihr Verhalten dazu, dass alle,
die in der Zahnheilkunde tätig waren, von der Öffentlichkeit als
Von Fauchard erfundene
ignorant, betrügerisch und bar jeglichen Wissens über die
Instrumente.
Zahnheilkunde wahrgenommen wurden.[9] Um sich besser von
diesen aus seiner Ansicht nach unmoralischen und skrupellosen
Zahnreißern (Dentateurs) abzugrenzen, kreierte er sogar ein neues Wort: Während er die Barbiere als
charlatans (deutsch: Scharlatane) bezeichnete, nannte er erfahrene und sorgfältig vorgehende
Zahnheilkundler Chirurgiens-dentists (dt. Zahnchirurgen), abgeleitet von lat. dens „Zahn“.[10] Die
Bezeichnung Dentist ist im deutschen Sprachgebrauch mittlerweile ungebräuchlich: Es war eine in
Deutschland bis 1952 neben den Zahnärzten existierende Berufsbezeichnung für Zahnheilkundige ohne
akademische Ausbildung. Dagegen ist „dentiste“ im Französischen beziehungsweise „dentist“ im
Englischen die für den Zahnarzt mit akademischer Ausbildung übliche Bezeichnung.

Fauchard grenzte sich nicht nur durch seine Berufsbezeichnung von den Barbieren ab: Während le Grand
Thomas auf der Pont Neuf öffentlich und zur Volksbelustigung Zähne zog, pflegte Fauchard Umgang mit
den herausragenden Ärzten. Die französischen Mediziner François Gigot de la Peyronie und Denis Dodart
konsultierten ihn genauso wie Mitglieder der Pariser medizinischen Fakultät. Dodart, einem der beratenden
Ärzte von König Ludwig XIV., war sogar Fauchards zweibändiges Lehrbuch gewidmet. Nach dem Tod
seiner ersten Ehefrau heiratete Fauchard im Jahre 1729 Elisabeth Guillemette Chemin (1712–1739), die
Tochter eines berühmten Schauspielers der Comédie-Française, in der Kirche Saint-Sulpice in Paris. 1734
war Fauchard bereits in der Lage, einen Landsitz in der Nähe von Orsay, süd-südwestlich von Paris, zu
erwerben. Der Landsitz, der einst dem französischen König Franz I. und seiner Geliebten als Liebesnest
diente, kostete den Pariser Zahnarzt fast 100.000 Livres.[11] 1740 nannte ihn Edmond Barbier, der Chronist
des Pariser Lebens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als die erste Adresse in Paris für alle, die an
Zahnkrankheiten litten, und hielt auch fest, dass Fauchard zahlreiche Freunde in Adelskreisen hatte.

Fauchard starb 1763 im Alter von 83 Jahren als ein ausgesprochen wohlhabender Mann.[12]

Veröffentlichungen
Fauchards zweibändiges Lehrbuch Le chirurgien dentiste von 1728 ist die erste wissenschaftlich
vollständige Bearbeitung der Zahnheilkunde überhaupt. Darin beschreibt Fauchard auch Versuche, mit
Metalloxiden gefärbtes Email auf Gold- oder Kupferplatten zur Anfertigung von Zahnprothesen
aufzubrennen.[13] In der zweiten französischen Auflage von 1746 befindet sich sogar eine
Erstbeschreibung der Parodontitis marginalis (Alveolarpyorrhoe[14]). Eine dritte Auflage erschien in
Frankreich im Jahre 1786.[15] Fauchard entfernte Karies mit Feilen und seltener mit einem Fiedelbohrer.
Die Kavitäten füllte er mit Blei und Zinn, die mit speziellen Instrumenten verdichtet wurden.[16]
Fauchards Selbstverständnis drückt sich auch in dem Porträt aus,
das er in sein Lehrbuch aufnehmen ließ. Seine rechte Hand ruht auf
zwei Bänden, die vermutlich sein eigenes Werk sind.[17] Mit der
linken weist er auf eine Sammlung von Büchern, die – so
argumentiert Colin Jones in seiner Geschichte des Lächelns – dem
Leser des Lehrbuches wohl suggerieren sollen, dass sich all das
bereits vorhandene Wissen in Fauchards Lehrbuch wiederfindet.

Die erste deutsche Übersetzung von Fauchards Lehrbuch erschien


1733 in Berlin.

Ehrungen
Nach Pierre Fauchard ist die Pierre Fauchard Academy benannt,
die die Pierre Fauchard Hall of Fame of Dentistry (Ruhmeshalle)
unterhält.

Schriften Pierre Fauchard

Le Chirurgien dentiste, ou Traité des dents. 2 Bände


(Paris 1728)
Deutsche Übersetzung: Des Herrn Pierre Fauchard frantzösischer Zahn-Artzt oder
Tractat von den Zähnen. 2 Teile, Berlin 1733; Nachdruck Heidelberg 1984.

Weblinks
Biographische Daten (https://www.biusante.parisdescartes.fr/sfhad/pierre-fauchard-nouveau
x-elements-biographiques/) (französisch)
Jean Claude de Vaux, Who is Pierre Fauchard? (http://www.fauchard.org/publications/47-wh
o-is-pierre-fauchard), Pierre Fauchard Academy. Abgerufen am 16. Juni 2016.

Siehe auch
Pierre Fauchard in: Geschichte der Zahnmedizin

Literatur
Colin Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Oxford University Press,
Oxford 2014, ISBN 978-0-19-871581-8.
Dominik Groß: Fauchard, Pierre. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil,
Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York
2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 392 f. Eingeschränkte Vorschau (https://books.google.com/bo
oks?id=WPIvd95J0DcC&pg=PA392) in Google Books.

Einzelnachweise
1. Pierre Fauchard - L'homme de science. Biographie in französischer Sprache (http://www.ge
nealogie-dyonisienne.fr/index.php/pierre-fauchard)
2. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur
Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg
1960, S. 28.
3. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival. Ebook-Position 1559 und Ebook-Position 1582.
4. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival, Ebook-Position 1566.
5. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival, Ebook-Position 1572.
6. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival, Ebook-Position 1581.
7. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival, Ebook-Position 1582.
8. Dominik Groß: Fauchard, Pierre. 2005, S. 392.
9. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival, Ebook-Position 1649.
10. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival, Ebook-Position 1661.
11. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: A tale of two dentists.,
Ebook-Position 1701.
12. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: A tale of two dentists.,
Ebook-Position 1708.
13. Alfred Renk: Werkstoffkunde, zahnärztliche. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage,
Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter,
Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1472–1473.
14. Vgl. auch Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle
zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer,
Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 28.
15. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: A tale of two dentists.,
Ebook-Position 1691.
16. Pierre Fauchard Academy: An International Honor Dental Organization. Biographie in
englischer Sprache (https://web.archive.org/web/20120918033042/http://www.fauchard.org/
history/articles/various/who-is-fauchard.html) (Memento des Originals (https://redirecter.toolf
orge.org/?url=http%3A%2F%2Fwww.fauchard.org%2Fhistory%2Farticles%2Fvarious%2Fw
ho-is-fauchard.html) vom 18. September 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde
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17. Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris. Kapitel: The Pont-Neuf tooth-
pulling Carnival, Ebook-Position 1677.

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Diese Seite wurde zuletzt am 24. Februar 2023 um 19:58 Uhr bearbeitet.

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