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Friedrich-Schiller-Universität Jena

Biologisch-Pharmazeutische Fakultät
Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Medizin und Technik „Ernst-Haeckel-Haus“
Berggasse 7
07745 Jena
Seminar: Geschichte der Naturwissenschaften III (Neuzeit)
Dozent: Akademischer Rat Dr. Thomas Bach

Seminararbeit zum Thema:

D'Alembert -
Einleitung zur Enzyklopädie

vorgelegt von:
Philipp Scholze
Schulstraße 15
07749 Jena
real_phil@web.de
Geschichte der Naturwissenschaften 5. Semester (Ergänzungsfach)
Matrikelnummer: 108878

1
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung............................................................................................................................ 2

2. Biographie von D'Alembert................................................................................................ 3

3. Das Projekt der Enzyklopädie............................................................................................. 5

4. D' Alemberts Einleitung zur Enzyklopädie......................................................................... 6

5. Zusammenfassung.............................................................................................................12

6. Literaturverzeichnis.......................................................................................................... 14

7. Eidesstattliche Erklärung.................................................................................................. 15

1
1. Einleitung

Jean LeRond D'Alembert, welcher sich zuvor als Mathematiker und Physiker hervorgetan
hatte, verfasste seinen Discours Préliminaire im Jahre 1751. Diese einleitende Abhandlung
fungiert als Prolegomenon zu der von Denis Diderot verantworteten Enzyklopädie
(Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des artes et des métiers, par une
Société des Gens de lettres1), welche als kollaboratives Projekt im Zeitalter der französischen
Aufklärung des 18. Jahrhunderts das menschliche Wissen aller Zweige der Künste und
Wissenschaften zu versammeln trachtete. In seiner Einleitung entfaltet D'Alembert die
philosophischen Grundlinien des enzyklopädischen Unternehmens, wobei er im Hinblick auf
die Wissensorganisation stark auf Francis Bacon rekurriert Darüberhinaus werden weitere
wichtige Traditionslinien aufklärerischen Denkens seit der Renaissance aufgezeigt und die
Struktur der Artikel in der Enzyklopädie erläutert.

Diese Seminararbeit gliedert sich in folgende Teile: Im zweiten Abschnitt soll die
Biographie D'Alemberts skizziert werden. Hierbei sollen neben dem Wirken für die
Enzyklopädie auch seine physikalischen Leistungen herausgestellt werden. Der dritte
Abschnitt widmet sich der Entstehungsgeschichte der Enzyklopädie. Im vierten Abschnitt soll
schließlich D'Alemberts Einleitung zur Enzyklopädie verhandelt werden. Dies soll, als würde
man sich an den Verzweigungen des Stammbaum des Wissens entlang vom Allgemeinen zum
Besonderen hangeln, in drei Schritten geschehen: Zunächst sollen überblicksmäßig Struktur
und Inhalt der gesamten einleitenden Abhandlung2 ausgewiesen werden. In einem zweiten
Schritt sollen sodann die Kernthesen des im Seminar diskutierten ersten Teils 3 formuliert
werden, um drittens noch einmal detaillierter der Argumentation und damit der
D'Alembertschen Konzeption menschlichen Wissens nachzuspüren. In der Zusammenfassung
sollen die Resultate dieser Arbeit fixiert werden.

1 Übersetzt: Enzyklopädie oder durchdachtes Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und


Handwerke, von einer Gesellschaft von Schriftstellern.
2 Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie, durchgesehen und mit einer Einleitung
hrsg. von Gunther Mensching, Hamburg, [1751] 1997, S. 7-111.
3 Ebd., S. 7-53.
2
2. Biographie von D'Alembert4

Jean Le Rond d'Alembert kam am 17. November 1717 in Paris zur Welt. Aufgrund seiner
unehelichen Geburt wurde er von seiner Mutter, der Salondame Madame de Tencin, auf den
Stufen der Pariser Kirche St. Jean Le Rond ausgesetzt. Daher rührt sein Vorname. Sein Vater,
der Artillerieoffizier Destouches, konnte ihn dort wieder ausfindig machen und übergab ihn
der Obhut einer Pflegemutter, der Glaserwitwe Madame Rousseau.

Sein Vater ließ mittels seiner finanziellen Unterstützung D'Alembert eine vorzügliche
Ausbildung angedeihen. So ging er im jansenistischen Collège des Quatre Nations zur Schule.
In dieser theologischen Lehranstalt konnte er sich den Kanon der klassischen Fächer
aneignen. Hierbei zeigte sich aber auch bereits seine Vorliebe für die mathematischen und
physikalischen Disziplinen. Anschließend studierte D'Alembert Jura und auch Medizin. 1738
erlangte er den Titel eines Advokaten, verdingte sich aber nie in diesem Metier. Vielmehr
wandte er sich nun autodidaktisch seinem intrinsischen Interessenfeld, der Mathematik, zu.
Im folgenden publizierte er Arbeiten zur Analysis und zur Mechanik der Flüssigkeiten.
Schnell vermochte er es, sich hiermit in wissenschaftlichen Kreisen zu etablieren. So wurde er
1741 zum Adjoint der Pariser Akademie der Wissenschaften ernannt. Diese institutionelle
Tätigkeit – ab 1772 war er außerdem Ständiger Sekretär der Akademie – sicherte ihm über das
väterliche Erbe hinaus seine Existenz.

D'Alembert befand sich „unter den ersten, die die Newtonschen Theorien in Frankreich
annahmen und weiterführten.“5 D'Alemberts wichtigstes Werk auf dem Gebiet der Physik, der
Traité de dynamique, erschien im Jahre 1743. Darinnen entwickelte D'Alembert das Prinzip
der virtuellen Arbeit, mit welchem sich Problemstellungen der Dynamik, also der Physik
bewegter Körper, auf statische, d.h. unbewegte, Situationen abstrahieren lassen. Dieses
Prinzip wird darum ihm zu Ehren auch als D'Alembertsches Prinzip bezeichnet. 1746 gewann
er mit seiner meteorologischen Abhandlung über den Ursprung des Windes (Refléxions zur la
cause générale des vents) den Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften. Es folgten
Studien über die Saitenschwingungen (Recherches sur les cordes vibrantes,1747) sowie über
4 Die biographischen Daten in diesem Abschnitt sind entnommen aus:
Mensching, Günter: Biographische Skizze. In: Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie,
durchgesehen und mit einer Einleitung hrsgg. von Günter Mensching, Hamburg, [1751] 1997, S. VII – X;
Simonyi, Károly: Kulturgeschichte der Physik. Von den Anfängen bis heute, Frankfurt, 2004, S. 304; Klaus,
Georg: Über D'Alemberts Einleitende Abhandlung zur Enzyklopädie. In: Klaus, Georg:
Philosophiehistorische Abhandlungen. Kopernikus – D'Alembert – Condillac – Kant, Berlin, 1977, S. 46 ff.
5 Mason, Stephen F.: Geschichte der Naturwissenschaft, Bassum, 1997, S. 350.
3
das Vorrücken der Tag-und-Nacht-Gleiche (Recherches sur la précession des équinoxes,
1749). An die Beleuchtung akustischer Phänomene schlossen sich auch musiktheoretische und
musikästhetische Untersuchungen an (Élements de Musique théorique et pratique suivant les
principes de M. Rameau, 1752; De la liberté de la musique, 1760).

In der Geselligkeit der Pariser Salons machte D'Alembert Bekanntschaft mit den radikalen
Aufklärern und wandte sich vermehrt auch philosophischen Fragen zu. So veröffentlichte er
1759 seinen Essai sur les éléments de philosophie ou sur les principes des connaissances
humaines. Seine philosophischen Positionen stützen sich vor allem auf die Tradition der
empirischen Schule Englands, hierbei insbesondere auf Bacon und Locke.

Durch die Freundschaft mit Diderot wurde er zum Mitherausgeber der Enzyklopädie und
verfasste vor allem eine Vielzahl mathematischer Artikel. 1751 verfasste D' Alembert auch die
hier zu verhandelnde Einleitung zur Enzyklopädie (Discours préliminaire), welche ein
entschiedenes Plädoyer für die französische Aufklärung darstellt. 1757 trat er jedoch bereits
von der Redaktion der Enzyklopädie zurück, um sich vermehrt literarischen wie auch seinen
präferierten mathematisch-physikalischen Studien zuzuwenden. Seine Aufsätze zu Literatur
und Geschichte wurden von 1752 bis 1767 als Mélanges de littérature, d'histoire et de
philosophie herausgegeben.

Neben den Meriten, die sich D'Alembert als Wissenschaftler und Literat verdiente,
zeichnete er sich durch seine Bescheidenheit aus. So schlug er die hochdotierten Angebote
aus, Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften bzw. auch Lehrer des Sohnes der
Zarin Katharina II. zu werden. 1776 beging d'Alemberts Lebensgefährtin, Julie de Lepinasse,
Selbstmord. D'Alembert verbrachte seine letzten Lebensjahre in zunehmender Einsamkeit,
auch Krankheiten zehrten sehr an ihm. Am 29. Oktober 1783 starb D'Alembert an einem
Blasenleiden.

Abb.: Bildnis D'Alemberts6


6 URL: http://www.nndb.com/people/405/000087144/dalembert-1.jpg (letzter Aufruf: 26.11.2015).
4
3. Das Projekt der Enzyklopädie7

Im Jahre 1746 beauftragte der Verleger Le Breton den damals noch unbekannten Denis
Diderot mit der Übersetzung der Cyclopedia Ephraim Chambers. Diderot jedoch sah sich
jedoch motiviert dieses volkstümliche englische und nicht zureichend geordnete Werk nur als
Vorlage zu benutzen und das Projekt gänzlich umzugestalten. Die Organisation des
Wissensmaterials sollte anhand eines Verweissystems erfolgen, das auf den Stammbaum des
Wissens rekurrierte. „Das Schema, das den Verweisen zugrunde lag, war Francis Bacons
Werk De dignitate et augmentis scientiarum entnommen.“8 Um diese Mammutaufgabe
stemmen zu können, benötigte eine große Zahl auf den verschiedenen Spezialgebieten
hochqualifizierter Mitarbeiter. Der erste Schritt hierzu war der Einstieg D'Alemberts in die
Herausgeberschaft im Jahre 1747. Dieser vermochte seine Kontakte in der Französischen
Akademie der Wissenschaften auszuspielen und namhafte Autoren wie Voltaire, Rousseau,
Montesquieu, Helvetius, Holbach, Buffon und Turgot zu gewinnen.

Der Blick auf „l'histoire du livre“9, die Geschichte des Buches, verrät folgendes:
Das Werk war zunächst auf acht Bände angelegt. Die ersten beiden Bände erschienen in den
Jahren 1751 und 1752. Da die Artikel in aufklärerischem Geist oft auch religions- und
staatskritische Momente enthielten, kam es oft zu Konflikten mit der katholischen Kirche und
dem ancien régime, welche in Zensur und zeitweilige Publikationsvebote mündeten. So
wurde, nachdem 1757 der siebente Band erschienen war, „nach einem Attentat auf den König
[…] die Drucklegung der weiteren Bände sowie die Verbreitung des Werkes verboten.“ 10 In
solchen Zeiten musste die Drucklegung u.a. nach Neuchâtel verlegt werden und die
Distribution an die 4.250 Abonnenten geheim erfolgen. Andererseits verlegte man sich zur
Umschiffung der Zensur auf die Publikation von – bis 1772 elf – Bildbänden. Insgesamt
wurden inklusive fünf Ergänzungs- und zwei Registerbänden 35 Bände veröffentlicht.
7 Die historischen Daten in diesem Abschnitt sind entnommen aus: Mensching, Günther: Kurze
Geschichte der Enzyklopädie. In: Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie, durchgesehen und
mit einer Einleitung hrsgg. von Gunther Mensching, Hamburg, [1751] 1997, S. XI-XV; Darnton, Robert:
Eine kleine Geschichte der Encyclopédie und des enzyklopädischen Geistes. In: Selg, Anette; Wieland,
Rainer (Hrsg.): Die Welt der Encyclopédie. Frankfurt, 2001; Simonyi, Károly: Kulturgeschichte der Physik.
Von den Anfängen bis heute, Frankfurt, 2004, S. 313.
8 Mensching, Günther: Kurze Geschichte der Enzyklopädie. In: Alembert, Jean Lerond d': Einleitung
zur Enzyklopädie, durchgesehen und mit einer Einleitung hrsgg. von Gunther Mensching, Hamburg, [1751]
1997, S. XI.
9 Darnton, Robert: The Business of Enlightenment. A Publishing History of the Encyclopédie.
Cambridge, Massachusetts, 1979, S. 1.
10 Simonyi, Károly: Kulturgeschichte der Physik. Von den Anfängen bis heute, Frankfurt, 2004, S.
313.
5
4. D' Alemberts Einleitung zur Enzyklopädie

Zu Anfang stellt sich D'Alembert den Kritikern des Projektes der Enzyklopädie entgegen, um
sich sodann den inhaltlichen Bestimmungen zuzuwenden. Die Einleitung der Enzyklopädie
lässt sich in drei Teile gliedern: Im ersten Teil behandelt D'Alembert die Herkunft der Ideen
und die Genese der verschiedenen Wissenschaften und Künste, welche die Grundlage der
Enzyklopädie bilden.11 D'Alembert begreift dieses Vorgehen als Reflexion auf eine
philosophische Geschichte des Geistes.

Im zweiten Teil schildert er die Geschichte des intellektuellen Fortschritts, d.h. eine
Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte aufklärerischen Denkens, seit der Renaissance.12
Er illustriert – als Gewährsmänner aufklärerischen Denkens gewissermaßen – die Bedeutung
des Werkes für das Projekt der Enzyklopädie einschlägiger Denker: Bacon, Descartes,
Newton und Locke. D'Alembert betont, dass die Rezeption dieser Philosophen13 zu Lebzeiten
stets schleppend verlief und die Entfaltung derer Ideen stets Zeit brauchte. Desweiteren nennt
D'Alembert Denker/Wissenschaftler wie Galilei, Harvey, Huygens, Pascal, Boyle, Vesalius,
den kontrovers rezipierten Leibniz sowie den Komponisten Rameau als einflussreiche
Bezugspunkte. Außerdem wendet er sich gegen Voltaire und dessen Invektiven gegen das
Projekt der Enzyklopädie. Desweiteren wird das Problem der Sprachen diskutiert: Einerseits
plädiert D'Alembert für die Benützung der Volks- bzw. Nationalsprache(n), um eine möglich
große Zahl von Menschen jeden Standes erreichen zu können, andererseits hält er als
Arbeitssprache für Gelehrte aller Länder (von Russland bis Italien) untereinander das
Lateinische weiterhin für sinnvoll.

Der dritte Teil stellt schließlich eine überarbeitete Version des Diderotsches Prospectus zur
Enzyklopädie dar.14 Hier wird einerseits die Provenienz der Diderot-D'Alembertschen
Projektes von Chambers Enzyklopädie aufgezeigt und die alphabetische Anordnung des
gesamten menschlichen Wissens in diesem Wörterbuch begründet, andererseits wird
11 Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie, durchgesehen und mit einer Einleitung
hrsgg. von Gunther Mensching, Hamburg, [1751] 1997, S. 7-53.
12 Ebd.. S. 53-94.
13 Philosophen meint im damaligen breiteren Sinne Naturforscher, Wissenschaftler sowie Denker,
Philosophen im heutigen Sinne.
14 Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie, durchgesehen und mit einer Einleitung
hrsgg. von Gunther Mensching, Hamburg, [1751] 1997, S. 94-111.
6
wichtigen organisatorisch-institutionellen Unterstützern Dank abgestattet. Auch die
Zuständigkeit D'Alemberts für mathematisch-naturwissenschaftliche Artikel sowie Diderots
für Fragen der Künste wird diskutiert.

In dem im Seminar verhandelten ersten Abschnitt des Buches vermittelt D'Alembert eine
allgemeine Einführung zum Ursprung menschlichen Wissens, welches in der Enzyklopädie
gesammelt und organisiert werden soll. Er nimmt dabei die Existenz unserer Sinne als
unbestreitbar an und führt aus, dass die Sinne Grundlage allen Wissens sind. Er verknüpft
diese Idee mit einem Denkzusammenhang, der auf die Notwendigkeit menschlicher
Kommunikation reflektiert. Er argumentiert, dass die Kommunikation für die Menschen nötig
wurde um sich im Sinne der Selbsterhaltung vor dem Bösen und Schadhaften zu schützen und
um untereinander vom Wissen der je Einzelnen zu profitieren. Dieser Verständigungsprozess
führte zu einem Austausch von Ideen, welcher die Fähigkeiten der Individuen zur
Akkumulation menschlichen Wissens steigerte. Darüberhinaus unterscheidet er verschiedene
Typen von Wissen. Als wichtigste Typen beschreibt er hierbei unmittelbares und reflexives
Wissen. Unmittelbares Wissen wird durch die menschlichen Sinne erlangt, wohingegen
reflexives Wissen von unmittelbarem Wissen abgeleitet wird. Hierauf entwickelt ein
Ordnungsgefüge der Wissenschaften und Künste, in welchem den drei Haupttypen des
Denkens jeweils Sektionen menschlichen Wissens beigestellt werden. So korrespondiert das
Gedächtnis (mémoire) mit der Geschichte, der Vernunft (raison) wird die Philosophie
zugeordnet und zur Einbildungskraft (imagination) gehören alle Formen der Kunst. Aus
diesen 3 Abteilungen entspringen mehrere Subdivisionen wie z.B. die Naturgeschiche,
Physik, Poesie, Musik u.v.a. Diese Einteilung manifestiert sich im Stammbaum der
Wissenschaften15.

15 Vgl. Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie, durchgesehen und mit einer Einleitung
hrsgg. von Gunther Mensching, Hamburg, [1751] 1997, S. 112 f.
7
Abb.: Systême figuré des connoissances humaines (figürlich dargestelltes System der
Kenntnisse des Menschen)16
16 URL: http://artflx.uchicago.edu/images/encyclopedie/web_images/systeme2.jpg (letzter Aufruf:
26.11.2015).
8
Zu Beginn der Einleitung bezeichnet D'Alembert die der Öffentlichkeit vorgelegte
Enzyklopädie als „das Werk einer Gemeinschaft von Schriftstellern“ 17. Dabei obliegt den
Herausgebern, also Diderot und D'Alembert die Aufgabe der Ordnung des Materials.
D'Alembert weist das doppelte Ziel bzw. die zwei Funktionen des Werkes folgendermaßen
aus: „als Enzyklopädie soll es, soweit dies möglich ist, Aufbau und Zusammenhang der
menschlichen Kenntnisse aufzeigen; als Methodisches Sachwörterbuch der Wissenschaften,
Künste und Gewerbe soll es von Wissenschaft und Künsten – freien wie mechanischen – die
allgemeinen Prinzipien enthalten“ 18. Es gilt nun diese beiden Gesichtspunkte genauer zu
untersuchen, wobei auch die Wechselwirkung zwischen Wissenschaften und Künsten
behandelt werden soll.
Zunächst jedoch gilt es, die Genese und den Zusammenhang der menschlichen
Kenntnisse einer Prüfung zu unterziehen. D'Alembert unterteilt alle menschlichen
Wissensinhalte „in unmittelbar erfaßte und in verstandesmäßig erworbene“ 19. Die
Sinnesempfindungen erlauben uns die Erkenntnis unserer Existenz und der Existenz der
Außenwelt. Die Existenz unseres Körper hängt im Sinne der Selbsterhaltung von der
Fernhaltung von Gefahren ab. Genuss und Leid, Glück und Lust sind hiermit
zusammenhängende Kategorien. Der Schutz des Körpers vor Schmerz und Leid und die
Bedürfnisbefriedigung stellen Grundnotwendigkeiten menschlichen Lebens dar. In
Zusammenarbeit mit anderen kann das einzelne Individuum diese in besserer Weise
organisieren. „Die gegenseitige Verständigung ist Grundbedingung und Stütze einer solchen
Vereinigung und verlangt gebieterisch die Erfindung von Zeichen. Hier liegt also der
Ursprung der Gesellschaftsbildung und gleichzeitig auch die Geburtsstunde der Sprachen.“ 20
In dieser Kommunikationssphäre ist es den Menschen nun möglich, sich in Fragen der Moral,
der Tugend, des Rechts und der Religion auszutauschen. Aber auch hinsichtlich der
Naturforschung lassen sich nun im gegenseitigen Verkehr das selbsterworbene Wissen
mitteilen und die Forschungen anderer rezipieren. Auf diese Weise erklärt D'Alembert die
Genese des Ackerbaus, der Medizin und aller lebensnotwendigen Handwerke. 21
Aus der Reflexion der beobachteten vielgestaltigen Phänomene in diesen Bereichen
17 Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie, durchgesehen und mit einer Einleitung hrsgg.
von Günter Mensching, Hamburg, [1751] 1997, S. 7.
18 Ebd., S. 8.
19 Ebd., S. 8 f.
20 Ebd., S. 12.
21 Vgl. ebd., S. 15.
9
konnten sich die Physik und die Naturwissenschaften entwickeln. So wurden u.a. die
Dichtigkeit der Körper und der Körper als Teil des Raumes behandelt. Daran anschließend
führt D'Alembert einige fundamentale Wissenschaften und deren Problembereiche auf: Die
Geometrie widmet sich Problemen der Form, die Arithmetik den Zahlen und deren
Verhältnissen, die Algebra den Beziehungen der Zahlen in Gleichungen und die Mechanik der
gegenseitigen Beeinflussung der Körper.22 Die Astronomie vermag es, Beobachtung mit
mathematischer Berechnung zu vereinen, die allgemeine Experimentalphysik ist hingegen
„eigentlich nur eine methodische Ansammlung von Versuchen und Beobachtungen“. 23 Daher
gelte es hier sich vor willkürlichen Hypothesen zu hüten und Bescheidenheit walten zu lassen.
Desweiteren beschreibt D'Alembert die Grundlinien der Theologie, Logik, Grammatik,
Rhetorik und Politik. 24 Für das Studium das Studium der Geschichte macht er die
Chronologie (hinsichtlich der Zeit) und die Geographie (hinsichtlich des Raums) als
elementare Hilfswissenschaften aus.25
Die Künste leiten sich nach D'Alembert aus dem Moment der Mimesis, der
„Nachahmung der Natur“26 ab. Zuvörderst zeichnen sich Malerei, Plastik und Architektur
durch ihren nachschaffenden Charakter aus, welcher sowohl Funktionalität und Symmetrie als
auch Schmuck und Zierde im Sinne der Schönheit umfasst. Dichtkunst und Musik bedienen
eher die Vorstellungskraft als den unmittelbaren Sinneseindruck, aber auch in diesen
Kunstgattungen firmieren Harmonie und Ordnungsmuster als oberstes Ziel. In diesem
Zusammenhang wird konstatiert: „Theorie und Praxis stellen den wesentlichsten Unterschied
zwischen Wissenschaft und Kunst dar.“27 Dennoch ist erscheint die genaue Zuordnung
bestimmter Kenntnisse oft schwierig. In der Unterscheidung zwischen den mechanischen und
freien Künsten insistiert auf die Relevanz des Handwerks im Vergleich zum Geist. Zunächst
seien Erfindungen wie der Kompass, Uhren oder Spindel pragmatische, über langen Zeiten
hinweg kollektiv entwickelter Lösungen zur Behebung menschlicher Not, die der
physikalischen Durchdringung solcher Phänomene in nichts nachstünden. 28
Zur Prüfung des Grades der wissenschaftlichen Validität von Disziplinen bzw.
Kenntnissen führt D'Alembert als Kriterien „Evidenz, Gewißheit, Wahrscheinlichkeit, Gefühl
und Geschmack“29 an. Evidenz wird hierbei mathematisch-metaphysischen Theorien,
22 Vgl. ebd., S. 18 f.
23 Vgl. ebd., S. 20ff.
24 Vgl. ebd. S. 24-30.
25 Vgl. ebd. S. 31 f.
26 Ebd., S. 33.
27 Ebd., S. 35.
28 Vgl. ebd., S. 37 f.
29 Ebd., S. 39.
10
Gewissheit hingegen physikalischen Theorien zugeordnet. Die Wahrscheinlichkeit spielt für
historische, auf Vergangenes wie Zukünftiges gerichtete Wissenschaften eine Rolle. Gefühl
und Geschmack beziehen sich vielmehr auf die schönen Künste.

Nach der Bestandsaufnahme der Zweige des Wissens soll das Labyrinth der
Wissenschaften und Künste nun in einem Stammbaum einer wohldefinierten
enzyklopädischen Gesamtübersicht unterworfen werden. Die Entstehung der mannigfaltigen
Wissenszweige ist nach D'Alembert auf die Geschichte gesellschaftlicher Arbeitsteilung zum
Zwecke menschlicher Bedürfnisbefriedigung zurückzuführen. In der enzyklopädischen
Ordnung soll nun jedoch der Philosoph über der Wissensarchitektur thronen. D'Alembert
bedient sich an dieser Stelle einer sehr anschaulichen kartographischen Metapher:
„Man könnte an eine Art Weltkarte denken, auf der die wichtigsten Länder, ihre Lage und
und ihre Abhängigkeit voneinander sowie die Verbindung zwischen ihnen in Luftlinie ver-
zeichnet sind; diese Verbindung wird immer wieder durch unzählige Hindernisse unterbro-
chen, die nur den Bewohnern oder Reisenden des in Frage kommenden Landes bekannt sind
und nur auf bestimmten Spezialkarten verzeichnet werden können. Solche Spezialkarten
stellen nun die verschiedenen Artikel der Enzyklopädie dar, und der Stammbaum oder die
Gesamtübersicht wäre dann die Weltkarte.“ 30

Da die Natur stets aus Einzeldingen besteht und die Erstellung solcher Karten von Standpunkt
und Perspektive des Betrachters abhängt, kann die Bildung eines Ordnungssystems nicht frei
von Willkür geschehen. In Anlehnung an den an dieser Stelle nicht explizit genannten Bacon
erfolgt die Einteilung der großen Wissensgebiete subjekt-zentriert mittels der drei
wesentlichen kognitiven Fähigkeiten des Menschen: „die Geschichte auf der Grundlage des
Gedächtnisses, die Philosophie als Ergebnis der Vernunftarbeit und die schönen Künste als
Gebilde der Vorstellungskraft.“31 Nun erläutert D'Alembert die Zuweisung der verschiedenen
Subdisziplinen auf die verschiedenen Zweige des Stammbaums des Wissens. 32 Im Bezug auf
seine Spezialdisziplin Mathematik bemerkt er, dass diese der Vernunft wie auch der
Einbildungskraft bedürfe und damit den schönen Künsten ebenbürtig sei; Archimedes gebühre
also der Platz neben Homer.33 Die Naturwissenschaft wird als Wissenschaft der Körper
definiert, welche die u.a. die allgemeine und die spezielle Physik im engeren Sinne umfassen.
Im Hinblick auf Landwirtschaft, Anatomie und Medizin verweist D'Alembert auf deren

30 Ebd., S. 42.
31 Ebd., S. 44.
32 Vgl. ebd., S. 112f.
33 Vgl. ebd., S. 46.
11
Ursprung in der menschlichen Selbsterhaltung.34
Als Vorteil präsentiert D'Alembert die Möglichkeit der Transformation des
Stammbaums des Wissens in ein soziologisches Tableau: Gelehrte (Gedächtnis), Philosophen
(Vernunft) und Künstler (Einbildungskraft) ließen sich den drei Fähigkeiten bzw. Reichen des
Wissens zuordnen. Hierbei wird auf die Feindseligkeit dieser Gruppen untereinander
verwiesen.35 Normativ plädiert D'Alembert ob der Interdependenzgeflechte auf gegenseitige
Achtung und verbesserte Zusammenarbeit.

Im letzten Abschnitt erläutert D'Alembert, „in welcher Weise wir in unserem


Wörterbuch die enzyklopädische Ordnung mit der alphabetischen in Einklang zu bringen
versuchten.“36 Zur Orientierung wurden hierzu „eine Übersichtstabelle am Beginn des
Werkes, Angabe der Wissenschaft, auf die sich die jeweiligen Artikel beziehen, und die
Behandlung des Artikels selbst“37 eingearbeitet. So ist auch fast jeder einzelne Artikel mit der
zugehörigen Wissenschaft in Klammern versehen. Die Enzyklopädie soll sich an die
allgemeine Leserschaft wie auch an Gelehrte wenden. Das enzyklopädische und alphabetische
Ordnungssystem dient nur als Mittel zum Zweck zur Organisation des umfangreichen
Wissensmaterials, darüber darf das Studium des Materials selbst nicht vernachlässigt
werden.38

5. Zusammenfassung

D'Alemberts Einleitung zur Enzylopädie aus dem Jahre 1751 steht in ihrem Geist eines
selbstbewussten Bürgertums als Plädoyer für die Aufklärung, wendet sich jedoch, um wie das
Projekt der Enyclopédie überhaupt die Zensur möglichst zu umschiffen, nicht in aller Schärfe
gegen das ancien régime. Es wird ein kosmopolitisches, klassenübergreifendes Ansinnen zur
Sammlung und Ordnung allen menschlichen Wissens artikuliert. Dabei sollen Geistes- und
Naturwissenschaften sowie Handwerk und Künste inkludiert werden. Im Rekurs auf die
Selbsterhaltung des menschlichen Körpers als Movens entwickelt eine Anthropologie des
34 Vgl. ebd., S. 48.
35 Vgl. ebd., S. 49.
36 Vgl. ebd., S. 50.
37 Ebd., S. 50.
38 Vgl., ebd., S. 50.
12
menschlichen Wissens, für welche er Medizin (innere Selbsterhaltung) und Landwirtschaft
(äußere Selbsterhaltung) als grundlegende Wurzeln ausmacht. Im Verlaufe seiner
Argumentation stützt er sich sehr stark auf Francis Bacon, Isaac Newton und John Locke als
Gewährsmänner des Empirismus englischer Provenienz, welche aber auch mit dem
Rationalismus Descartes' zusammengeführt werden. Von Bacon wird auch der Baum des
Wissens als Ordnungsschema für die Artikel der Enzyklopädie übernommen. Dabei werden
den geistigen Qualitäten Zweige der Wissenschaften zugeordnet, die sich dann in weitere
Subdisziplinen aufspalten. Dem Gedächtnis wird die Geschichte, der Vernunft die Philosophie
und der Einbildungskraft die Kunst zugerechnet. Auch wenn D'Alembert alsbald die
Redaktion der Enzyklopädie Diderot allein überließ, um sich wieder seinen physikalisch-
mathematischen Studien zuzuwenden, gilt es ihn als Wissenschaftsorganisator wie auch
Denker der theoretischen Grundlagen des enzyklopädischen Projektes zu würdigen.

13
6. Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Alembert, Jean Lerond d': Einleitung zur Enzyklopädie, durchgesehen und mit einer
Einleitung hrsgg. von Günther Mensching, Hamburg, [1751] 1997.

Sekundärliteratur

Cassirer, Ernst: Die Philosophie der Aufklärung, Hamburg, [1932] 2007.

Darnton, Robert: The Business of Enlightenment. A Publishing History of the Encyclopédie.


Cambridge, Massachusetts, 1979.

Klaus, Georg: Über D'Alemberts Einleitende Abhandlung zur Enzyklopädie. In: Klaus, Georg:
Philosophiehistorische Abhandlungen. Kopernikus – D'Alembert – Condillac – Kant,
Berlin, 1977, S. 35-79.

Mason, Stephen F.: Geschichte der Naturwissenschaft, Bassum, 1997.

Selg, Anette; Wieland, Rainer (Hrsg.): Die Welt der Encyclopédie. Frankfurt, 2001.

Simonyi, Károly: Kulturgeschichte der Physik. Von den Anfängen bis heute, Frankfurt, 2004.

Webseiten

http://dalembert.obspm.fr

(Seite zur kritischen Gesamtausgabe der Werke D'Alemberts, letzter Aufruf: 29.05.2013).

http://rde.revues.org/index271.html

(Recherches sur Diderot et sur l'Encyclopédie, Numero 38 – La formation de D'Alembert,

letzter Aufruf: 29.05.2013)

14
7. Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Verwendung der
angegebenen Hilfsmittel und Literatur angefertigt habe.

______________________ _______________________
(Ort, Datum) (Unterschrift)

15

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