Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Philosophische Fakultät
Institut für Altertumswissenschaften
Lehrstuhl für Klassische Philologie / Latinistik
Fürstengraben 25
07743 Jena
vorgelegt von:
Philipp Scholze
Nettelbeckufer 16
99089 Erfurt
philipp.scholze@uni-jena.de
Lehramt Jenaer Modell Gymnasium (Philosophie/Physik);
Master of Science Geschichte der Naturwissenschaften
Matrikelnummer: 108878
1
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.........................................................................................................................................3
2. Gang der Handlung in Buch 3 der Aeneis........................................................................................4
5. Analysierender Kommentar..............................................................................................................5
6. Interpretation....................................................................................................................................7
7. Zusammenfassung..........................................................................................................................15
8. Literaturverzeichnis........................................................................................................................16
9. Eidesstattliche Erklärung................................................................................................................18
2
1. Einleitung
Diese Seminararbeit hat folgenden Aufbau: Im zweiten Kapitel wird eine Zusammenfassung der
Handlung in Buch 3 der Aeneis gegeben, um die zu analysierende Penaten-Szene besser in den
Kontext des Werkes einordnen zu können. Das dritte Kapitel liefert eine metrische Analyse des
Textabschnittes Verg. Aen. 3,147-191. Im vierten Kapitel wird ein Übersetzungsvorschlag für die
betreffenden Verse angeboten, um sodann im fünften Kapitel mittels eines analysierenden Kom-
mentars grammatikalische Besonderheiten, Tropen, Deutungsmuster und Hintergrundwissen an-
hand der Sekundärliteratur auszuweisen. Im sechsten Kapitel wird eine zusammenhängende Inter-
pretation der Textstelle anhand der Fragestellung gegeben. Schließlich sollen im siebten Kapitel die
Ergebnisse synthetisiert und fixiert werden.
3
2. Gang der Handlung in Buch 3 der Aeneis1
Aeneas setzt seine Rede aus Buch 2 fort. Nachdem die Trojaner Asien verlassen hatten, landeten sie
in Thrakien. Aeneas' Versuch eine neue Stadt zu gründen wurde durch den Geist des Polydorus, des
jüngsten Sohnes des Priamus, der in einem grausamen Gewaltakt durch den thrakischen König
ermordet worden war, vereitelt. Die Trojaner segelten sodann nach Delos weiter, wo die Stimme des
Apollon sie anwies, ihre alte Mutter zu suchen. Anchises verstand hierunter Kreta, als sie aber dort
sich ansiedelten, brach eine furchtbare Pest aus. Stattdessen wurde Aeneas in einer nächtlichen
Vision durch die Penaten kundgetan, dass sie Italien als Ziel ihrer Reise wählen sollen. Durch einen
Sturm wurden sie auf die Insel der Harpien, ekelerregender Mischwesen aus Frau und Vogel,
verschlagen. Celaeno, eine der Harpien, warnte die Trojaner, dass sie nicht eher eine Stadt gründen
würden, eher der Hunger sie dazu treiben würde, ihre Tische zu essen (Tischprodigium). (1-269)
Die Trojaner fuhren entlang der griechischen Westküste und erreichten nach kurzem Zwischenhalt
in Actium die Stadt Bruthrotum, wo sie auf den trojanischen Seher Helenus und Andromache, die
Witwe Hectors, trafen, welche eine kleinformatige Nachbildung Trojas erbaut hatten. In einer
Prophezeiung weist Helenus den Aeneas dazu an, die Westseite Italiens anzusteuern und Sizilien zu
umschiffen, um den Ungeheuern Scylla und Charybdis aus dem Wege zu gehen. (270-569)
Als die Trojaner in der Nähe des gerade eruptierenden Vulkanes Ätna anlandeten, konnten sie durch
die Hilfe des Griechen Achaemenides, der von Odysseus zurückgelassen worden war, knapp einem
Angriff der Zyklopen entgehen. Die Reise um Sizilien herum endete mit dem Tod des Anchises in
Drepanum. Sodann wurden sie durch einen Sturm an die Küsten Karthagos verschlagen. (570-718)
Aeneas und die Penaten (aus einem Manuskript des 4. Jahrhunderts, Künstler unbekannt)2
Daktylischer Hexameter
Hebungen: ā, ē, ī, ō, ū
Elisionen: (..)
Daktylus: —◡◡ (eine lange Silben und zwei kurze Silben: Longum, Breve, Breve)
Zäsuren: || Zäsur nach der ersten Silbe des 3. Fußes, d.h. nach dem 5. Halbfuß bzw. nach
der 3. Hebung (Betonung): caesura semiquinaria/Penthemimeres
|| Zäsur nach der ersten Silbe des 4. Fußes, d.h. nach dem 7. Halbfuß bzw. nach
der 4. Hebung (Betonung): caesura semiseptenaria/Hephthemimeres
|| Zäsur nach der ersten Silbe des 2. Fußes, d.h. nach dem 3. Halbfuß bzw. nach
der 2. Hebung (Betonung): caesura semiternaria/Trithemimeres
6
4. Übersetzung des Textabschnittes Verg. Aen. 3,147-191
147 Es war Nacht und der Schlaf umfing die Lebewesen auf Erden.
148 Heilige Abbilder der Götter, und zwar die Phrygischen Penaten,
149 die ich mit mir aus Troja und mitten aus den Feuern der Stadt
150 mitgenommen hatte, schienen mit den Händen zu greifen mit viel Licht vor den Augen des
offensichtlich im Schlafe Liegenden zu stehen, da wo sich der Vollmond durch die eingefügten
152 Fenster ergoss;
153 sodann schienen sie folgendermaßen zu sprechen und durch diese gesagten Dinge (mir) die
Sorgen zu nehmen:
154 'Was Apoll dir sagen wollte, wenn du nach Ortygia verschlagen worden wärest, singt er hier
155 und er sendet uns, siehe, hinüber an deine Türschwellen.
156 Uns, die wir dir und deinen Waffen aus dem brennenden Dardanien gefolgt sind,
157 uns, die wir unmittelbar hinter dir in Schiffen die aufbrausende Meeresfläche durchmessen
158 haben, wir werden auch die zukünftigen Nachkommen zu den Sternen emporheben und der
159 Stadt die Herrschaft geben.
160 Schaffe du den Großen große Mauern herbei und lasse nicht die langwierige Mühsal der
Flucht zurück.
162 Die Sitze sind zu ändern. (Das Orakel von Delos) hat dir diese Küsten nicht empfohlen und
163 Apollon hat (dir) nicht befohlen, sich auf Kreta niederzulassen.
163 Es ist der Ort, den die Griechen im Beinamen Hesperien nennen,
164 ein altes Land, mächtig an Waffen und an Fruchtbarkeit des Ackerbodens;
165 die Oenotrischen Männer bebauten es; jetzt sagt man, dass die Nachkommen
166 das Volk nach dem Namen des Fürsten Italien geheißen haben.
167 Dieser Sitz ist uns zu eigen, von hier stammten Dardanus
168 und Vater Iasius, von welchem Ahnherren unser Geschlecht abstammt.
169 Stehe auf, wohlan, und berichte heiter dem hochbetagten Vater diese Dinge,
7
170 die gesagt wurden und nicht zu bezweifeln sind: Er soll Corythus in den
171 Ausonischen Landen suchen; Juppiter verweigert dir die Dictaeischen Felder.'
172 Ich raffte durch solche Visionen und durch die Stimme der Götter verzückt
173 (und jenes war kein Traum(bild), sondern schien ich von Angesicht zu Angesicht die (ihre)
174 Antlitze und die (ihre) verdeckten Haare und die (ihre) unerschrockenen Münder zu erkennen;
176 den (meinen) Leib von den Polstern und hielt die gebeugten Hände mit der Stimme
177 zum Himmel und goss die makellosen Opfergaben auf die Brandstätten.
179 benachrichtigte Anchises und tat (ihm) die Sache ordnungsgemäß kund.
181 die Täuschung durch den neuerlichen Irrtum über die alten Orte.
182 Dann erwähnte er: 'Sohn, durch die Verhängnisse Iliums hart geprüft,
184 Jetzt erinnere ich mich, dass Cassandra diese Verpflichtungen unserem Geschlecht verkündete,
185 und dass sie oft Hesperien, oft die italischen Herrschaftsgebiete nannte.
186 Wer aber hätte geglaubt, dass die zukünftigen Teucrer an die Küsten Hesperiens
187 kommen würden? Oder wen hätte damals die Seherin Cassandra beeindruckt?
188 Wir sollten dem Phoebus nachgeben und den Verbesserungen der Prophezeiung folgen.'
189 So sagte er es, und wir Jubelnden leisteten alle einstimmig dem Wahlspruch Folge.
190 Wir verließen diese Stätte auch in der Tat und setzten, nachdem einige zurückgelassen worden
191 waren, die Segel und durcheilten die Öde des Meeres im hohlen Balken.
8
5. Analysierender Kommentar
147. Nox erat: Stimmungsbild, atmosphärischer Beginn, laut Horsfall (2016) eine “temporal
ekphrasis”, vgl. Aen. 2,250. animalia somnus habebat: bildhafter Ausdruck für die nächtliche
Ruhe.
148. effigies sacrae diuum Phrygiique penates: Hendiadyoin, das -que kann in diesem Fall als
ein explikatives “und” im Sinne von “und zwar” aufgefasst werden und wird in der
Übersetzung durch eine weite Apposition wiedergegeben; in den meisten Kommentaren wird
darauf verwiesen, dass effigies Statuen der Penaten sind, die Aeneas aus Troia mitgenommen
hat. Insofern wird hier doch eine Erweiterung bzw. eine Verdoppelung beschrieben: Einerseits
führt Aeneas Statuen der Penaten als trojanische Hausgötter mit sich. Andererseits stehen ihm
nun wirklich personale Wesen – ähnlich wie auf dem eingefügten Bild – leibhaftig vor Augen,
die mit ihm sprechen. Phrygii als Synonym für trojanisch.
149-150. quos mecum a Troia...extuleram: Die Penaten sind nicht nur private Gottheiten des
Hausstandes und der Familie, sondern sind dem öffentlichen Kult zugänglich – im alten Troja
sowie als treue Begleiter auf der Reise (Horsfall (2016)). mediisque ex ignibus urbis: Vgl.
Aen. 7,296; 11,787.
150-3. uisi...: die Infinitive astare, adfari, demere vervollständigen visi (zu ergänzen sunt): “Sie
schienen zu stehen; ...zu sprechen...und zu nehmen.” Vgl. die Visionen Hectors in Aen. 2,271
und Creusas in Aen. 2,773. ante oculos: Robuste Leiblichkeit des Sehvorganges impliziert
Realität der Vision.
150-1. uisi: ergänze sunt, Subjekt hierzu ist penates (148). iacentis in somnis: Aeneas spricht von
sich selber aus einer objektiven Perspektive als “im Schlafe Liegender”. Laut
9
(Ladewig/Schaper 1891) bezieht sich dies auf die Zeit vor der Vision, daher handelt es sich
nicht um einen Traum, wie es auch nec sopor in Vers 172 nahelegt. Die gesamte Szene der
Begegnung mit den Penaten spielt sich in einem merkwürdigen Zwischenraum zwischen
Schlafen und Wachen ab. (Conington 1884) spricht von einer “mixture of dream and vision”
und gibt Lucr. 4,987 “cum membra iacebunt in somnis” als mögliche Inspiration an.
manifesti: Die penates werden als deutlich und klar, “mit den Händen zu greifen”,
beschrieben. Manifesti ist hier ein kraftvolles Wort, das nicht nur auf Sichtbarkeit, sondern
vielmehr auf Berührbarkeit bzw. Körperlichkeit verweist. Vgl. 4,358 manifesto in lumine vidi
(in Bezug auf Merkur). Ladewig/Schaper (1891) geben Hom., Od. γ 420: ἥ μοι ἐναργὴς
ἦλθε als unverkennbare Referenz an.
152. insertas...fenestras: Das helle Mondlicht dringt durch die offenen Fenster und illuminiert die
Statuen der Penaten. Conington (1884) erkennt hierin eine Imitation von Lucr. 2,114
“com solis lumina cumque inserti fundunt radii per opaca domorum”.
154. tibi delato Ortygiam...: tibi steht als vorgezogener Dativ zu dicturus...est; delato Ablativus
absolutus in temporaler-nachzeitiger Bedeutung; Ortygiam als lokativer Akkusativ der
Richtung ohne Präposition. Apollo: Apollos Wohlwollen den Trojaners gegenüber verhindert
ein weiteres Missverstehen der antiqua-mater-Prophezeiung (Horsfall (2016)).
dicturus...est: coniugatio periphrastica (Partizip Futur Aktiv plus esse). Im Sinne von
'prophezeien, vorhersagen'.
155. canit: vgl. 2,124. en: demonstrative Interjektion “siehe”; ultro: Adverb in lokativer
Bedeutung.
158. tollemus in astra: verweist auf den Ruhm der Nachkommen des Aeneas, vgl. Heldenschau in
der Katabasis in Buch 6 der Aeneas.
159. imperium...urbi: “der Stadt die Herrschaft übergeben”, mit urbi ist die Stadt, also Rom
gemeint. moenia: Vgl. Aen. 3,85. magnis: mögliche Bedeutungen wären hier die großen
10
bzw. mächtigen Götter, die großen Nachkommen bzw. das mächtige Los des Schicksals.
160. fugae...laborem: Die Flucht des Aeneas ist also kein Makel, sondern von den Göttern gewollt.
Vgl. Aen. 1,2 fato profugus. Im Gegensatz zu Odysseus ist Aeneas kein bloßer Irrfahrer,
sondern durch das fatum, d.h. durch göttliches Los, ins Exil getrieben. Labor bezeichnet
leitmotivisch die trojanischen sowie die künftigen römischen Errungenschaften. ne linque: ne
mit Imperativ linque (unzusammengesetzt) als archaische Form. Zusammen mit der
zweifachen Alliteration wird den Ausführungen der Penaten eine den Verheißungen
angemessene rhetorische Feierlichkeit verliehen.
161. mutandae: ergänze sunt, prädikatives Gerundivum mit passivischer Bedeutung drückt
Notwendigkeit (notio necessitatis) aus.
162. Cretae: lokative Bedeutung. Laut Ladewig/Schaper (1891) die einzige Lokativform eines
Inselnamens bei Vergil.
163-6. est locus...: Ekphrasis, d.h. beschreibende Passage, welche den Erzählfluss unterbricht; die
Wendung aus Aen. 1,530-3 wird an dieser Stelle wiederholt. Hesperiam: Hesperien, das
Abendland, wurde bereits von Creusa in Aen. 2,781 benannt. Grai: archaische Bezeichnung
für die Griechen.
165. Oenotri: Der Name ist vom griechischen Begriff für Weinbauern (gr. ὁ οἶνος = Wein)
abgeleitet. coluere: = coluerunt. fama: ergänze est, “Es geht das Gerücht, dass...” bzw. “man
sagt, dass...”, leitet eine indirekte Rede ein. minores...dixisse: Accusativus cum Infintivo.
166. ducis: bezieht sich auf Italus, den König der Oenotrier, nach welchem Italien jetzt (nunc)
benannt ist.
167-8. propriae: Dardanus...Iasius: Dardanus und Iasius waren Halbbrüder, Söhne der Electra
(vgl. Aen. 8.134-41, Servius ad 3,104, 167). Der Vater des Iasius war Corythus, der Vater
des Dardanus war Zeus. Iasius siedelte auf der Insel Samothraki. Dardanus reist von dort
weiter um Troja zu gründen (vgl. Aen. 7,205-11). (Vgl. Horsfall (2016) ad Aen. 3,165-9.)
genus a quo principe nostrum: ergänze ortum est. Ablativus originis.
170. Corythum: Corythus war ein italischer König und der Vater des Iasus. requirat: Konjuntiv
in iussiver Bedeutung.
11
171. Ausonias: griechisch-antike Bezeichnung (gr. Αὐσονίᾱ) für das untere Italien, benannt nach
Auson (gr. Αὐσον), Sohn des Odysseus und der Kalypso oder der Kirke, dem ersten König
des italischen Volkes der Ausoner bzw. Aurunci.4
173-5. nec sopor illud erat...corpore sudor: Parenthese, die in einer Zwischenpause reflektierend
Aenas' Außen- und Selbstwahrnehmung zum Ausdruck bringt, bevor er zu handeln beginnt.
174. uelatasque comas: Auf alten republikanischen Münzen tragen die Penaten Kopfbedeckungen.
175. tum gelidus toto manabat corpore sudor: Der eiskalte Schweiß kam über Aeneas, nachdem
er die Vision einigermaßen realisiert und rekapituliert hatte. An dieser Stelle werden innere
Gefühlswelt des Aeneas und äußere köperliche Reaktionsweise, Emotion und Leiblichkeit,
geschickt miteinander verknüpft. (Conington 1884) verweist auf folgenden
Referenzzusammenhang: “Macrob. Sat. 6. 1 instances the line as an imitation of Ennius (A. 16,
fr. 6), 'Tunc timido manat ex omni corpore sudor,' which seems also to have been copied by
Lucr. 6. 944.”
176-7. supinas...manus: Opferungsgebet mit den Handflächen gen Himmel geöffnet war im
griechischen wie im römischen religiösen Kult üblich. munera: unvermischte Gaben, in
diesem Fall wohl Wein, die auf den Herd gegeben werden.
179. Anchisen facio certum: Die unmittelbare Diskussion von Träumen und Visionen mit anderen
ist ein reguläres Element in epischen und dramatischen Darstellungen (Horsfall (2016)). Das
geläufigere certiorem ist für die daktylische Versform unpraktikabel.
180. agnouit: Die Trojaner sind prolem ambiguam, da sie einerseits auf der väterlichen Linie als
Nachkommen des Italers Dardanus, andererseits auf der mütterlichen Linie als Nachkommen
des Kretaers Teucer angesehen werden können. Somit sind Dardanus und Teucer die gemini
parentes. (Zu Teucer vgl. Servius ad 3,108.)
181. seque novo veterum deceptum errore locorum: Antithese zwischen novo und veterum, die
Orte bzw. Länder und die Legenden über diese sind alt und bekannt, wiederum hat Anchises
jedoch eine neue Fehldeutung vorgelegt.
182. nate, Iliacis exercite fatis: Vokativ, “geprüft durch Iliums Schicksal, d.h. der du durch das
Schicksal Iliums es gelernt hast, das Leiden zu ertragen.” (Ladewig/Schaper (1891))
190. paucisque relictis: Dies könnte laut auf den Ursprung der Stadt Pergamum verweisen, welche
zu Vergils Lebzeiten noch exisierte. (Vgl. Conington 1884). In einer alternativen Lesart
könnten hiermit jene aus den Reihen der Trojaner gemeint sein, die ebendort gestorben sind.
191. caua trabe: Metonymie für nave, vgl. Homer. currimus aequor: Accusativus spatii
(Akkusativ der Raumerstreckung).
13
6. Interpretation
Das dritte Buch der Aeneis Vergils wurde bisweilen ein eher mittelmäßiger künstlerischer Wert
beigemessen und als bloße Aneinanderreihung von Irrfahrten apostrophiert. 5 Der Dichter Publius
Vergilius Maro (70 v. Chr – 19 v. Chr.) lässt seinen Helden Aeneas die Rede aus Buch 2 über
Abenteuer nach der Flucht aus dem brennenden Troja fortsetzen. Buch 3 widmet sich nach dem
Prinzip von Versuch und Irrtum vornehmlich der Enthüllung des Fatums und ist somit zutiefst
politisch und mythisch durchwirkt. Augenscheinlich ist Buch 3 sehr reich an Manifestationen des
göttlichen Willens, welcher durch Zeichen und Prophezeiungen mitgeteilt wird. 6 Das Fatum, die
Zielvorgabe, wird leitmotivisch dem Aeneas in allmählichem, stufenweisem Fortschreiten enthüllt,
was die Substanz der Erzählung ausmacht. Die Häufung von Prodigien in diesem Buche gibt davon
Zeugnis: Blut-Prodigium am Grab des Polydorus (3,26-46), Tisch-Prodigium durch Celaeno (3,247-
257), Sau-Prodigium durch Helenus (3,389-392), Pferde-Prodigium (3,506-547).
Als Neuerung gegenüber den griechischen Vorbildern nimmt insbesondere Apoll in diesem Buch
eine zentralere Stellung ein. Die Göttin Juno hingegen, deren Zorn sonst maßgeblich für den
Fortgang der Handlung der Aeneas ist, nimmt eine eher randständige Rolle ein. So schickt auch in
der von uns untersuchten Szene Apoll die Penaten zu Aeneas, um seine göttlichen Weisungen
kundzutun.7 Eine Verquickung von Mythos und Politik könnte derart erklärt werden, dass Kaiser
Augustus eine besondere Vorliebe für Apoll als Hausgott des Geschlechtes der Julier pflegte.
“Was in Buch 3 der Aeneis präfiguriert sein könnte, ist ein bestimmtes Lebensgefühl der Römer in
der Zeit nach Actium. Wie die Trojaner sich während ihrer Reise ins Unsgewisse allmählich von der
Erinnerung an ihre zerstörte Stadt lösen und auf einen neuen Anfang unter der Führung des Aeneas
hoffen können, so richteten Vergils Zeitgenossen ihren Blick von den Bürgerkriegen, die hinter
ihnen lagen, auf die Restauration des Staates unter Augustus (Quint 1993, 55). Auch im
Irrfahrtenbuch des Vergilschen Epos wird also thematisiert, daß die Aeneaden noch zurück auf
Troja, aber auch nach vorne in die Zukunft sehen.” 8
- Sehnsucht nach Stabilität---”Ganz allein durch Aufklärung der Vergangenheit läßt sich die
Gegenwart begreifen.” (Goethe, Annalen.)----zyklisches Geschichtsverständnis?
Penaten
andre Schriftsteller wissen aber, daß es sich um Figürchen aus Marmor, Holz und Terracotta
handelte. Es besteht allerdings bei den antiken Autoren in diesem Punkte keine Einmütigkeit;
manche machen sie zu großen Göttern, die Apoll und Neptun darstellen sollen, andre wollen sie mit
den Großen Göttern von Samothrake gleichsetzen, den Gegenständen eines Mysterienkultes. Diese
Penaten spielen in der Aeneis eine große Rolle : sie sind die Hüter und das Symbol des trojanischen
Volkes, sozusagen ein Stück phrygischer Erde, ein Stück Heimat. […] Die Penaten sind das Herz,
die tiefreichenden Wurzeln . Sie sind auch die Quelle der Macht; dauerhaft und unsterblich halten
sie bei allem Wechsel, bei allen Irrfahrten stand. Während eines Aufenthalts der Trojaner in Kreta
erscheinen sie dem Aeneas im Traume, um ihn wissen zu lassen, daß der wirkliche Ort, der von
seiner Schicksalsbestimmung für die Gründung ausersehen ist, weiter westlich liege, in
"Hesperien .. . Und dann fügen sie noch etwas sehr Wichtiges hinzu : dieses Land, « Uralt,
waffengewaltig, mit fruchtbarer Scholle " ( 3 , 164l, sei die ursprüngliche Heimat der Penaten und
die Fahrt dorthin auf den Schiffen des Aeneas sei nur eine Heimkehr. 10
Pietas
Aeneas übt sich in pietas zu den Göttern, seinem Vater Anchises und seinem Vaterland. Anchises
geriert sich als dux der Troianer und wird als Deuter von Prophezeiungen eingespannt. Peu á peu
vermag es Aeneas sich zu emanzipieren und Anchises nimmt eine eher beratende Funktion ein.
- laut Heinze Buch 3 eines der chronologisch letzten von Vergil geschriebenen Büchern des Aeneis
Imperator Aeneas
Niemand befehlen, der auch gelernt hat zu gehorchen.
- Fügung, Unterordnung gegenüber Gebot eines Oberen/Autorität
7. Zusammenfassung
8. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Mynors, R.A.B: P. Vergili Maronis Opera. Oxford, 1969.
Sekundärliteratur
(Albrecht 2007): Albrecht, Michael von: Vergil. Bucolica. Georgica. Aeneis. Eine Einführung. 2.
Auflage. Heidelberg, 2007.
(Cairns 1989): Cairns, Francis: Virgil's Augustan Epic. Cambridge, 1989.
(Coningtopn 1884):Conington, John: P. Vergili Maronis Opera. With a Commentary by John
Conington, M.A. Vol. II. Fourth Edition. London, 1884.
(Grimal 2000): Grimal, Pierre: Vergil. Biographie. Aus dem Französischen übersetzt von Eva Beate
Fuhrmann. Düsseldorf, 2000.
(Haecker 1958): Haecker, Theodor: Vergil. Vater des Abendlandes. Hamburg, 1958.
(Harrison 1990): Harrison, S.J. (Hrsg.): Oxford Readings in Vergil's Aeneid. Oxford, 1990.
(Heinze 1982): Heinze, Richard: Vergils epische Technik. Stuttgart, 1982. (Leipzig, 1915.)
(Heyworth/Morwood 2017): Heyworth, S.J.; Morwood, J.H.W.: A Commentary on Vergil, Aneid 3.
Oxford, 2017.
(Holzberg 2006): Holzberg, Niklas: Vergil. Der Dichter und sein Werk. München, 2006.
(Horsfall 1979): Horsfall, Nicholas: Some Problems in the Aeneas Legend. In: The Classical
Quarterly, Vol. 29, No. 2 (1979), S. 372-390.
(Horsfall 1989): Horsfall, Nicholas: Aeneas the Colonist. In: Vergilius. Vol. 35 (1989), S. 8-27.
(Horsfall 1995): Horsfall, Nicholas: A Companion to the Study of Vergil. Leiden, 1995.
(Horsfall 2006): Horsfall, Nicholas: Vergil, Aeneid 3. A Commentary. Leiden, 2006.
(Horsfall 2016): Horsfall, Nicholas: The Epic Distilled. Studies in the Composition of the Aeneid.
Oxford, 2016.
(Klausen 1839): Klausen, Rudolf Heinrich: Aeneas und die Penaten. Die italischen Volksreligionen
unter dem Einfluß der griechischen. Hamburg und Gotha, 1839.
(Ladewig/Schaper 1891): Ladewig, Th.; Schaper, C.: Vergils Gedichte erklärt von Th. Ladewig und
C. Schaper. Zweites Bändchen: Aeneide Buch I-VI. Elfte Auflage. Bearbeitet von Paul
16
Deuticke. Berlin, 1891.
(Ott 1983): Ott, Wilhelm: Metrische Analysen zu Vergil Aeneis Buch III. Tübingen, 1983.
(Quint 1993): Quint, David: Epic and Empire. Politics and Generic Form from Vergil to Milton.
Princeton, 1993.
(Schauer 2007): Schauer, Markus: Aeneas dux in Vergils Aeneis. Eine literarische Fiktion in
augusteischer Zeit. München, 2007.
(Stahl 1998): Stahl, Hans-Peter (Hrsg.): Vergil's Aeneid. Augustan Epic and Political Context.
London, 1998.
(Suerbaum 2011): Suerbaum, Werner: Vergils Aeneis. Stuttgart, 2011.
Latinistische Fachliteratur
(Zgoll 2020): Zgoll, Christian: Römische Prosodie und Metrik. Ein Studienbuch mit Audiodateien.
2. Auflage. Darmstadt, 2020.
17
9. Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Verwendung der
angegebenen Hilfsmittel und Literatur angefertigt habe.
______________________ _______________________
(Ort, Datum) (Unterschrift)
18