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Regensburg, 19.06.2022

Gesellschaftliche Veränderungen im 19. Jahrhundert,

sowie zeitgenössische Inklusions- und Exklusionsprozesse

Kurs: 33141, Geschichte Europas im 19. Jahrhundert

Kursleiter: Prof. Dr. Rainer Liedtke

Matrikelnummer: 06947243214

Adresse: Keilberger Hauptstraße 81b

E-Mail: Thomas.Karrer@stud.uni-regensburg.de
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Eingeleitet durch mehr als nur ein Jahrzehnt des revolutionären Widerstandes in vielen Teilen
Europas, war das 19. Jahrhundert so früh und so stark von einem Hang zum Wandels geprägt, wie
kaum ein anderes zuvor.1 Zu den wichtigesten Veränderungen zählen der gesellschaftliche Wandel,
sowie die Inklusions- und Exklusionsprozesse, die mit ihm eintrafen. Im Folgenden wird die
Bedeutung dieses Prozesses argumentativ unterstrichen, indem zuerst ein Fokus auf den Wechsel
von der Stände- zur Klassengesellschaft und anschließend auf die Verbürgerlichung der sozialen
Schichten gelegt wird.
Der gesellschaftliche Wandlungsprozess des 19. Jahrhunderts, der besonders die verschiedenen
Bevölkerungsschichten betraf, wirkt auf den ersten Blick wie ein simpler Begriffswechsel von
Ständen zu Klassen, doch bei genauerer Analyse, verbirgt sich dahinter eher ein Wechsel von
rechtlicher- hin zu ökonomischer Ungleichheit, der primär mit Exklusion zu tun hat. Tatsächlich
durch den Staat in die Wege geleitet, um den Rechtsstatus der Bauern anzugleichen, stellt der
Vorgang der Bauernbefreiung eine ideale Allegorie für diesen Vorgang dar.2 Die Aufhebung der
Leibeigenschaft traf bei vielen Gutsbesitzern sogar auf Zustimmung, wenngleich sie damit ihren
ehemaligen Untergebenen lediglich die Möglichkeit gaben „sich eine andere Arbeit zu suchen,
auszuwandern zu verhungern“, oder sich erneut in ihre Dienste zu stellen, kurz und knapp also
Freiheit auf dem Papier ohne Realitätsbezug.3 Dies war selbstverständlich nicht der einzige von
diesem Prozess betroffene Stand, besonders das aufsteigende Bürgertum, das enorm durch den
Urbanisierungsprozess Mittel- und Westeuropas profitierte, war ein zentraler Schauplatz der
ökonomischen Ungleichheit.4 Hierbei kam es tatsächlich zu einem Begriffswandel, neben den
wohlhabenderen Bürgern, war auch die Bourgeoisie nicht mehr für ihr Recht zur Selbstbestimmung
außerhalb des Standes des Adels und des Klerus bekannt, sondern man sah sie eher als
uneingeschränkt kapitalistische Opportunisten.5 Der Begriff der Exklusion kann hierbei vor allem
im Zusammenhang mit dem kapitalistischen Marktsystem aufgeführt werden, da dies nicht nur die
einfacheren Bürger, sondern auch „Wirtschaftsbürger“ dazu bringt, sich mit dem Begriff des
Wettbewerbs abzufinden, oder vom Kapitalismus auf der Strecke gelassen zu werden.6 So mag dies
wohl auch der Grund sein, weshalb weder Bauern, noch der arme Teil der Bevölkerung zu der
Klasse der Bürger gezählt wurden, obgleich sie oft offizielle Staatsbürger waren, wurde hier eine
klare, wenn auch imaginäre Grenze gezogen.7 Der Ausdruck Wettbewerb könnte also als eine

1 Vgl. Planert, Ute: Auftakt zum 19. Jahrhundert: Die Neuordnung der Welt im Zeitalter Napoleons, in: Aschmann,
Birgit (Hg.): Durchbruch der Moderne? Neue Perspektiven auf das 19. Jahrhundert, Frankfurt/ New York 2019, S. 29.
2 Vgl. Steinmetz, Willibald: Europa im 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 2019, S. 97.
3 Ebd. S. 101.
4 Ebd. S. 132.
5 Ebd. S. 130.
6 Ebd. S. 143.
7 Ebd. S. 129.
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kulturelle Norm, ein Produkt der industriellen Gesellschaft, gesehen werden, zu diesen zählt unter
anderem auch der Begriff der Verbürgerlichung. Prozesse wie diese, laufen stets gleichzeitig ab, so
hielt zwar die moderne Klassengesellschaft die niederen Bevölkerungsschichten zurück, dennoch
strebten diese das Ideal der Selbstständigkeit und des Aufstiegs an, für einige war dies quasi „eine
individuelle Alternative zum Klassenkampf“ - Verbürgerlichung als Prozess der Inklusion. 8 Davon
war jedoch nicht nur die Unterschicht betroffen, z.B. war das Leiten eines Unternehmens eher eine
Sache der wohlhabenderen Bürger, die aber mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, aufgrund der
Annäherung der Adeligen an genau diese Klasse, nun auch kein Tabu mehr für die Aristokratie
darstellte, die „Standesschranken [...] waren [...] fast überall gefallen.“ 9 Zwar leiteten sie diese
Unternehmen nicht unbedingt persönlich, doch war es genug Annäherung um sagen zu können, dass
sich der Adel bemühte, die Vorteile der neuen Klassengesellschaft zu nutzen, man kann hier deshalb
von einem inklusiven Prozess sprechen.10 Im großen und ganzen ging das so weit, dass der
Adelsbegriff immer weiter zu verschwimmen schien, selbst der Erwartungshorizont an die
männlichen Aristokraten vereinfachte sich, das auffälligste Merkmal war wohl noch ihr Titel und ihr
Grundbesitz.11 Dennoch entstand generell kein großer Konflikt durch die Nähe des Adels zum
Bürgertum, im Gegenteil, es führte zum Teil sogar zum langsamen Abklingen dessen elitärer
Ansichten, ein Effekt der Inklusion in den Bereich des Bürgertums, der erneut auf die Normen der
industriellen Gesellschaft zurückgeführt werden kann.12
Zusammenfassend verbirgt sich hinter dem gesellschaftlichen Wandel des 19. Jahrhunderts ein in
einander übergreifender Prozess aus inklusiven und exklusiven Vorgängen. Dieser wurde primär
durch die Entstehung der Klassengesellschaft und der fortschreitenden Industrialisierung der Städte
eingeleitet, da dies den Weg zum kapitalistischen Marktsystem darstellte. Daraus folgend bezogen
sich die Probleme der Gesellschaft nun mehr weniger auf die durch die Stände hervorgerufenen
Limitierungen, als auf die ökonomische Ausgrenzung durch das neue System. Dies gab auf der
einen Seite zwar den niederen Schichten die Möglichkeit als freie Bürger aufzusteigen, offenbarte
jedoch neue, fast unmöglich zu überwindende Schranken. Das galt nicht für die Angehörigen der
Klasse des Adels, die ihre Chance leichter ergreifen konnten und sich sowohl die Vorteile der
reichen Unternehmer als auch ihres alten Adelsstandes herausgriffen. Sie verstanden es, das neue
System am geschicktesten zu nutzen, wenngleich sie auch manche Normen der Bürger übernahmen
und so langsam in diese Gruppe der Gesellschaft hineinwuchsen.

8 Vgl. Steinmetz, Willibald, 2019, S. 142.


9 Ebd. S. 116.
10 Ebd. S. 117.
11 Ebd. S. 118.
12 Ebd. S. 141.
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Literaturverzeichnis

Planert, Ute: Auftakt zum 19. Jahrhundert: Die Neuordnung der Welt im Zeitalter Napoleons, in:
Aschmann, Birgit (Hg.): Durchbruch der Moderne? Neue Perspektiven auf das 19. Jahrhundert,
Frankfurt/ New York 2019.

Steinmetz, Willibald: Europa im 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 2019.

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