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Propaganda für einen "gesunden Volkskörper" im


Nationalsozialismus
Graf, Eva Theresa; Schiefeneder, Franziska

Erstveröffentlichung / Primary Publication


Sammelwerksbeitrag / collection article

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:


Graf, E. T., & Schiefeneder, F. (2020). Propaganda für einen "gesunden Volkskörper" im Nationalsozialismus. In D.
Reifegerste, & C. Sammer (Hrsg.), Gesundheitskommunikation und Geschichte: interdisziplinäre Perspektiven (S.
1-23). Stuttgart: Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft e.V. https://doi.org/10.21241/
ssoar.70274

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Propaganda für einen „gesunden Volkskörper“ im
Nationalsozialismus

Eva Theresa Graf, Franziska Schiefeneder


Universität Erfurt

Zusammenfassung

Nicht nur heute werden spezielle Kommunikationstechniken eingesetzt, um Menschen von etwas oder
jemandem zu überzeugen – auch die Nationalsozialisten versuchten bereits unter anderem mithilfe von
Propaganda an ihr Ziel zu gelangen. Dafür setzten sie vor allem diverse Formen der Täuschung und
Verschleierung ein. Die Vision des „gesunden Volkskörpers“ stand dabei im Fokus der Nationalsozialisten,
denn in der nationalsozialistischen Ideologie hatte insbesondere die körperliche Verfassung der Bevölkerung
einen hohen Stellenwert. Nach der NS-Ideologie bildete der „arische“ Körper das Ideal des „neuen Menschen“
ab. Somit entschieden die biologischen Eigenschaften eines Menschen sowie dessen „rassischer Wert“
darüber, ob der- oder diejenige in die „Volksgemeinschaft“ ein- oder davon ausgeschlossen wurde. Zur
Schaffung eines „gesunden Volkskörpers“ wurden „Erbkranke“ getötet und „Erbgesunde“ „gezüchtet“. Eine
„Ausmerzung“ von „Erbkranken“ erfolgte beispielsweise im Rahmen der Aktion T4, in der über 70.000 geistig
kranke und behinderte Menschen systematisch ermordet wurden. Im Gegensatz dazu wurde in den Heimen des
Lebensborn e. V. eine – in den Augen der Nationalsozialisten – „wertvolle Rasse“ „herangezüchtet“. Bei
diesem Verein handelte es sich jedoch keinesfalls um eine Wohltätigkeitsorganisation, denn die Lage von
(ledigen) Schwangeren wurde ausgenutzt und es wurden lediglich diejenigen Frauen geschützt, die einen
„rassisch wertvollen“ Nachwuchs gebären würden. Doch wie haben es die Nationalsozialisten geschafft dieses
„Ideal des Volkskörpers“ zu kommunizieren? Dies soll im Beitrag genauer beleuchtet werden.

Keywords: Aktion T4, Lebensborn e.V., „gesunder Volkskörper“, Propaganda, Nationalsozialismus

© Eva Theresa Graf, Franziska Schiefeneder (2020). Propaganda für einen „gesunden Volkskörper“ im Nationalsozialismus. 1-23.
DOI: https://doi.org/10.21241/ssoar.70274.
Propaganda für einen „gesunden Volkskörper“ im Nationalsozialismus 2

Summary

It is not a novelty that special communication techniques are used to convince people of something or
someone. The National Socialists already tried to reach their goal by means of propaganda, especially through
various forms of deception and concealment. In doing so, the vision of the "healthy Volkskörper" was the
National Socialists' focus, because the National Socialist ideology placed great emphasis on the physical
condition of the population. In accordance with the NS-ideology, the "Aryan" represented the ideal of the "new
human". Thus, the biological characteristics of a human being as well as his "racial value" decided whether he
or she was included in or excluded from the "Volksgemeinschaft". To achieve the goal of a "healthy
Volkskörper", "genetically ill" people were killed, and "genetically healthy" subjects were "bred". An
"eradication" of people with genetic disorders took place in the Action T4, in which over 70.000 mentally ill
and disabled people were systematically murdered. In contrast to this, a "valuable race" was "bred" in the
homes of the Lebensborn e. V. By no means, this association was a charity organization, because the situation
of (single) pregnant women was exploited and only those women were protected who would give birth to a
"racially valuable" offspring. But how did the Nazis communicate this "ideal Volkskörper"? This will be
examined in this article.

Keywords: Action T4, Lebensborn e.V., "Volkskörper", propaganda, National Socialism

© Eva Theresa Graf, Franziska Schiefeneder (2020). Propaganda für einen „gesunden Volkskörper“ im Nationalsozialismus. 1-23.
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1 Einleitung Die Neugestaltung des „Volkskörpers“ und die


Erschaffung eines vollkommenen „neuen Menschen“
Am 08. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in waren wesentliche Elemente der national-
Europa. Die traurige Bilanz: mindestens 55 Millionen sozialistischen (NS) Politik (Diehl, 2006). Nach der
Tote, die meisten von ihnen Zivilistinnen und NS-Ideologie bildete der „arische“ Körper das Ideal
Zivilisten (Wildt, 2012b), darunter auch 100.000 Opfer des „neuen Menschen“ (Wildt, 2012a). Das
der „Euthanasie“ – ermordet, weil sie nicht dem griechische Schönheitsideal der Antike aber auch
nationalsozialistischen Ideal vom „Volksgenossen“ andere mythische Vorbilder, wie Germanen, galten als
entsprachen (Jochheim, 2012). Rassenhygienische Prototypen des „Ariers“, welcher als großer, blonder
beziehungsweise eugenische Ansichten waren zu und blauäugiger junger Mann illustriert wurde (Diehl,
Beginn des 20. Jahrhunderts keinesfalls nur in 2006). Der vollkommene und krisenfeste „arische“
Deutschland, sondern international weit verbreitet Körper symbolisierte Schönheit, Gesundheit und
(Kühl, 2014). So wurden Sterilisationsgesetze, die Reinheit und stellte nach nationalsozialistischer
Zwangssterilisationen von als geistig behindert Vorstellung die Voraussetzung für einen gesunden
diagnostizierten Menschen legalisierten, unter Geist und starken Charakter dar (Diehl, 2006). Nach
anderem auch in den USA sowie in Skandinavien, der NS-Utopie sollten die einzelnen Körper, die die
verabschiedet (Kühl, 2014). Doch in keinem anderen rassenhygienischen Kriterien der Nationalsozialisten
Land fiel das eugenische Gedankengut auf solch erfüllten, zu einem einzigen „Volkskörper“
fruchtbaren Boden wie im Deutschen Reich. Unter homogenisiert werden (Diehl, 2006). Dies implizierte
Adolf Hitler wurden rassenhygienische Vorstellungen die Differenzierung zwischen „guten“ und
ein Teil der Staatsideologie und ihre Umsetzung wurde „schlechten“ Körpern. Der „Volkskörper“ sollte von
mit fanatischem Eifer verfolgt (Kühl, 2014). „rassisch Minderwertigen“ ebenso gereinigt werden
wie von „Erbkranken“ (Diehl, 2006).
Die Vision von der Schaffung eines „gesunden
Volkskörpers“ stand besonders im Fokus der Nationalsozialistische Instanzen versuchten viel, um
nationalsozialistischen Rassenhygiene (Wunder, Legitimität für die Umsetzung dieses biopolitischen
2008), denn in der nationalsozialistischen Ideologie Einheitlichkeitsphantasmas zu produzieren. Ihre
hatte insbesondere die körperliche Verfassung der Propaganda nutzte emotionalisierende Appelle und
Bevölkerung einen hohen Stellenwert. Die vorurteilsbeladene Stereotype, die einerseits auf
biologischen Eigenschaften sowie die „rassische“ Marginalisierung und Exklusion abzielte, andererseits
Qualität des individuellen Körpers entschieden über integrative Vorstellungen des Kollektiven (wie die
den Ein- oder Ausschluss von Einzelnen in die neu zu Volksgemeinschaft) präsentierten (Witamwas, 2016).
gründende „Volksgemeinschaft“. Im Rahmen dieser Indem die Abneigung gegen Andersartige und
Entwicklungen wurde die Eugenik beziehungsweise Verlustängste (zum Beispiel der Wohlstandsverlust)
Rassenhygiene zur Leitwissenschaft der geschürt wurden, versuchte das NS-Regime die
nationalsozialistischen Gesundheitspolitik (Weingart rassenhygienischen Maßnahmen und den
et al., 2006). bevorstehenden Krieg zu legitimieren (Witamwas,
2016).
Hierbei werden Maßnahmen der „positiven“ und
„negativen Eugenik“ unterschieden: Die positive Vor diesem Hintergrund der Spannung zwischen Ein-
Eugenik umfasste bevölkerungspolitische und und Ausschluss befasst sich der vorliegende Beitrag
sozialstaatliche Maßnahmen, die der Erhöhrung der mit der Fragestellung, welches Volksideal dem
Geburtenraten „Erbgesunder“ und „Tüchtiger“ diente, Nationalsozialismus zugrunde lag und wie dieses Ideal
beispielsweise der Förderung kinderreicher „arischer“ sowie Maßnahmen zu dessen Umsetzung
Familien (Klee, 2014). Im Gegensatz dazu galten kommuniziert wurden. Dies wird beispielhaft anhand
Maßnahmen zur Verhinderung der Vermehrung von historischer Dokumente aufgezeigt. Im nachfolgenden
Menschen, deren Erbanlagen als schlecht eingestuft Kapitel wird dafür zunächst eine kurze Einführung in
wurden, als negative Eugenik (Klee, 2014). die historischen Grundlagen der Rassenhygiene in
Zwangssterilisationen von als „erbkrank“ definierten Deutschland vorgenommen. Das dritte Kapitel umfasst
Menschen zählten hierzu ebenso, wie die mit der Darstellung der Aktion T4 sowie der
systematische Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens Schilderung der Tätigkeiten des Lebensborn e. V.
in der „Euthanasie-Aktion“ (Meyer, 1989). jeweils ein Beispiel der „negativen“ sowie „positiven

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Eugenik“. Im vierten Kapitel wird auf die Ziele, In der Schrift „Die Freigabe der Vernichtung
Botschaftsstrategien und -kanäle sowie Zielgruppen lebensunwerten Lebens“ schätzten Karl Binding und
der nationalsozialistischen Propaganda eingegangen Alfred Hoche (1920) Menschen mit einer
und anhand einiger Beispiele illustriert. Hirnschädigung, einer seelischen Erkrankung oder
geistigen Behinderung als „lebensunwert“ ein. So
2 Historische Grundlagen schreiben die Autoren: „ [...] wir werden vielleicht
eines Tages zu der Auffassung heranreifen, dass die
Die Wurzeln der Rassenhygiene sind im Sozial- Beseitigung der geistig völlig Toten kein Verbrechen,
darwinismus zu finden, der als fester Bestandteil der keine unmoralische Handlung, keine gefühlsmäßige
NS-Ideologie angesehen werden kann und Rohheit, sondern einen erlaubten nützlichen Akt
ideengeschichtlich bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht darstellt“ (Binding & Hoche, 1920, S. 57). Die
(Baader, 1988; Heiler, 2009). In der Autoren setzten psychisch kranke und behinderte
naturgeschichtlichen Abhandlung „On the Origin of Menschen mit Tieren gleich: „Die geistig Toten flehen
Species“ kam Darwin zur Schlussfolgerung, dass auf einem intellektuellem Niveau, das wir erst ganz
besser an die Umwelt angepasste Individuen eine unten in der Tierreihe wiederfinden und auch die
höhere Überlebenschance hätten. Diese Ideen und Gefühlsregungen erheben sich nicht über die Linie
Ansätze wurden 1864 von dem Briten Herbert Spencer elementarster, an das animalische Leben gebundene
in „Survival of the fittest“ auf den Menschen Vorgänge.“ (Binding & Hoche, 1920, S. 57 – 58). Der
übertragen. Als „the fittest“ bezeichnete Spencer Psychiater Hoche prägte Ausdrücke wie
diejenigen, die sowohl dem Markt als auch dem „Ballastexistenzen, Menschenhülsen, geistig Tote,
sozialen Leben am besten angepasst waren Defektmenschen“ (Klee, 2014, S. 26) für diese
(Becquemont, 2011; Weikart, 1993). Menschengruppen.

Bei der Rezeption Darwins im deutschsprachigen Die „Euthanasie“ im Kontext der


Kontext ist die Rolle des Biologen Ernst Haeckel nationalsozialistischen Erbgesundheits- und
kaum zu überschätzen (Weikart, 1993). Er machte Rassenpolitik kann nicht als Einzelphänomen
Darwin nicht nur im deutschsprachigen Kontext betrachtet werden, sondern muss als Peak einer Phase
bekannt, sondern folgte auch Spencer in der der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ angesehen
Übertragung naturgeschichtlicher Überlegungen auf werden, die 1934 mit der Sterilisierung von psychisch
die Sozial- bzw. Kulturgeschichte der Menschen. So kranken und geistig behinderten Menschen begonnen
transferierte er Darwins Selektionstheorie von einer hatte (Peter & Neugebauer, 2002). Somit bezeichnete
individuellen auf eine kollektivistische Ebene in der Zeit des Nationalsozialismus Euthanasie
(„Rassen“) (Weingart et al., 2012a). letztlich die systematische Ermordung psychisch
kranker und behinderter Menschen (Bryant, 2005).
„Euthanasie“
Eugenik und Rassenhygiene
Der Ausdruck „Euthanasie“ (griech. euthanasia =
leichter Tod, zu: eu = gut, wohl u. thánatos = Tod) Der Begriff Eugenik wurde 1883 wesentlich von dem
stand ursprünglich für „guten, leichten Tod“, meinte französischen Forscher Francis Galton geprägt (Klee,
damit jedoch anfangs keine aktive Verkürzung des 2014). Francis Galton verstand unter Eugenik dasselbe
Lebens durch Beihilfe zum Suizid oder Tötung auf wie Alfred Ploetz unter Rassenhygiene (Kühl, 2014).
Verlangen (Beddies, 2008). Gegen Ende des 19. Die beiden Definitionen wurden im Rahmen der
Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde internationalen Eugenik-Bewegung weitestgehend
der Ausdruck unter der Entwicklung der synonym verwendet (Kühl, 2014). Der Arzt Alfred
Rassenhygiene als Deckmantel für die Tötung Ploetz gründete 1905 die Deutsche Gesellschaft für
„lebensunwerten Lebens“ verwendet (Bryant, 2005). Rassenhygiene, um die Gesellschaft zu optimieren und
So kritisierte Alfred Jost 1895, dass der Staat dem die „rassisch wertvolle“ Bevölkerung zu erhalten
Menschen ein individuelles Recht auf den Tod (Baader, 1988). Die Rassenhygiene knüpfte an
verwehrt. Jost ging es dabei um eine Legitimierung sozialdarwinistische Vorstellungen an und ging dabei
des Suizids im Falle von Krankheiten, die unheilbar davon aus, dass bestimmte Eigenschaften vererbt
waren, aber auch um den „Lebenswert“ von würden, welche die „Qualität“ eines als „Rasse"
„Geisteskranken“ (Jost, 1895). bestimmten sozialen Kollektivs determinieren würden
(Schoppmann, 1997).

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Aufgrund einer schwierigen wirtschaftlichen 2017). Gemäß dem Gesetz wurden Ehen zwischen
Situation herrschte in Deutschland nach dem Ersten deutschen Staatsangehörigen unter bestimmten
Weltkrieg ein Aufschwung für die eugenische Voraussetzungen verboten (RGB I, 1935b). Bevor eine
Bewegung (Hohendorf et al., 2002; Weingart et al., Ehe geschlossen werden durfte, waren die Partner und
2006). Rassenhygienisches Denken sickerte in Partnerinnen verpflichtet, eine Bestätigung beim
politische Kontexte ein (Weindling, 1987). Dabei Gesundheitsamt einzuholen, die ansteckende
spielten vor allem ökonomische Argumente eine Krankheiten, eine Entmündigung, eine geistige
wesentliche Rolle (Baader, 1988). Mit der Erkrankung oder eine Erkrankung, welche unter das
Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses fiel
Rassenhygiene zur Staatsräson erhoben (Siemen, (RGB I, 1935b, S. 1246, §1, Abs. 1), ausschließen
1991). Gesetzliche Regelungen legalisierten und musste. Wurde gegen das Gesetz verstoßen, so war die
institutionalisierten Sterilisationen wider Willen Ehe auch ex post als nichtig anzusehen. Beide
(„Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ gesetzlichen Regelungen führten zur Schaffung einer
von 1933/1934) oder stellten Staatsbürgerschaft und legalen Basis für Maßnahmen negativer Eugenik
Eheschließung mit den "Nürnberger Rassegesetzen" (Schmuhl, 2009). Doch die systematische und
von 1935 unter rassenhygienischen Vorbehalt (Klee, entgrenzte Ermordung von „Erbkranken" (Aktion T4)
2014). fand niemals auf gesetzlichem Boden statt (Meyer,
1989).
Sanktionierung durch NS-Gesetze
„Euthanasie“-Morde
Mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses“ wurde die Zwangssterilisierung Zur Durchführung von Krankenmorden ermächtigte
„Erbkranker“ und alkoholabhängiger Hitler nach Beginn des Zweiten Weltkriegs persönlich
Menschen legalisiert (Christians, 2017). Als und außerhalb der Gesetzesform. Nicht nur gegen den
„erbkrank“ gemäß dem Gesetz, wurden Menschen mit äußeren Feind sollte nun Krieg geführt werden,
„1. angeborenem Schwachsinn, sondern auch gegen den im Inneren des Volkskörpers
2. Schizophrenie, imaginierten (Bruns, 2014). In der ersten Phase der
3. zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein, „Euthanasie“-Morde (1938 – 1941) wurden Kinder
4. erblicher Fallsucht, und Jugendliche mit größtenteils schweren
5. erblichem Veitstanz (Huntingtonsche Chorea), Behinderungen durch die Verabreichung von
6. erblicher Blindheit, Medikamenten oder durch systematische
7. erblicher Taubheit, Unterernährung in sogenannten Kinderfachabteilungen
8. schwerer erblicher körperlicher Mißbildung. getötet. Die Tötungen wurden dann – ohne
Ferner kann unfruchtbar gemacht werden, wer an Vorhandensein einer formal gesetzlichen Grundlage –
schwerem Alkoholismus leidet.“ (RGB I, 1933, S. auf Erwachsene ausgeweitet (1939 – 1941) und
529, §1, Abs. 2 und 3). Ärzte waren von nun an zunächst zentral gesteuert und verwaltet (vgl. Kapitel
verpflichtet, die Menschen, die nach diesen Kriterien 3), nach Protesten jedoch nur formal eingestellt
als „erbkrank“ eingestuft wurden, zu melden (Frei, (Schmuhl, 1987).
2009; Meyer, 1989).
3 Die Erschaffung eines „gesunden Volkskörpers“
Ein Jahr nach der Einführung des Gesetzes erfolgte
eine Erweiterung auf Abtreibungen (RGB I, 1935a, S. „Wir gehen nicht von dem einen Menschen aus, wir
1037, Art.12). Fortan gab es keine strafrechtliche vertreten nicht die Anschauung, man muss die
Verfolgung mehr, wenn Abtreibungen aus Hungrigen speisen, die Durstigen tränken und die
rassenhygienischen Gründen durchgeführt wurden Nackten bekleiden [...]. Unsere Motive sind ganz
(Christians, 2017). Dabei mussten Schwangere, die als anderer Art. Sie lassen sich am lapidarsten in einem
„erbkrank“ angesehen wurden, eine Abtreibung in Satz zusammenfassen: Wir müssen ein gesundes Volk
Kombination mit einer Zwangssterilisation vornehmen besitzen, um uns in der Welt durchsetzen zu können.“
lassen (Christians, 2017). (zitiert nach Clay & Leapman, 1997, S. 99). In seiner
Eine weitere gesetzliche Entgrenzung der „Säuberung Volkswohlfahrtsrede aus dem Jahr 1938 brachte es der
des Volkskörpers“ bot das „Gesetz zum Schutze der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda,
Erbgesundheit des deutschen Volkes“, das am 16. Joseph Goebbels, auf den Punkt: Das Ziel der
September 1935 veröffentlicht wurde (Christians, Nationalsozialisten war es, ein körperlich gesundes

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und starkes Volk zu erschaffen – nicht durch „Euthanasie-Aktion“ unter dem Namen Aktion T4
Wohlfahrt gegenüber den Bedürftigen, sondern durch bekannt ist (Hohendorf et al., 2002). Von der Berliner
„Selektion“, um im angenommenen globalen Tiergartenstraße aus wurden vier große Abteilungen
Wettkampf der „Völker" die Oberhand zu erlangen. geleitet, die zur Täuschung der Bevölkerung folgende
Die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ Namen erhielten (Meyer, 1989): Die Reichs-
gründete vorrangig auf Exklusion – also der Frage, arbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten (RAG),
wer nicht dazu gehören durfte (Wildt, 2017). Hierbei die für die Meldebögen, ärztliche Gutachten und die
bildete das Volk, welches im organisch-biologischen Koordination der Krankenmorde zuständig war. Eine
Sinne als „Volkskörper“ begriffen wurde, das zentrale weitere Abteilung war die Gemeinnützige
Element der „Volksgemeinschaft“ (Wildt, 2017). Krankentransportgesellschaft (Gekrat), welche die
Nach der Vorstellung der Nationalsozialisten war die Verlegung der Patienten und Patientinnen in die
„Volksgemeinschaft“ zu homogenisieren und Zwischen- und Tötungsanstalten organisierte. Die
qualitativ zu verbessern – durch die Heranzüchtung Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege war für die
von „lebenswertem“ und die Exklusion (Vernichtung) Verwaltung des Personalwesens, die Beschaffung von
von „lebensunwertem Leben“ (Wildt, 2017). Gas und Medikamenten und die Vereinnahmung von
Sämtliche Maßnahmen (u. a. wirtschaftlich, Wertsachen der Opfer beauftragt. Die Zentral-
medizinisch, sozialfürsorglich) wurden hierbei verrechnungsstelle Heil- und Pflegeanstalten
bezüglich ihres kollektiven Nutzens für die kümmerte sich hingegen um die finanzielle
„Volkgemeinschaft“ bewertet (Weinert, 2017). Abrechnung von Pflege- und Transportkosten
Anhand von Beispielen wird in den nachfolgenden (Kepplinger, 2013; Klee, 2014).
Unterkapiteln darauf eingegangen, wie die
Maßnahmen zur Erschaffung dieses nach den Die Leitung dieser Organisationen übernahm das
Nationalsozialisten „erstrebenswerten Volkskörpers“ Hauptamt II der Kanzlei des Führers (Meyer, 1989).
umgesetzt wurden. Bereits durch diese Art der Koordination und
Organisation wird deutlich, wie gründlich die Aktion
Die Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens: Aktion T4 T4 durchdacht und geplant wurde und wie strategisch
verdeckt und vorgetäuscht wurde (Details zur
Eine Maßnahme der „negativen Eugenik“ stellte die strategischen Kommunikation vgl. Kapitel 4).
Tötung der – in den Augen der Nationalsozialisten –
„lebensunwerten Subjekte“ im Rahmen der Aktion T4 Erfassung und „Selektion“
dar. Der Ausdruck steht für die systematische
Ermordung von über 70.000 Menschen aus Die Erfassung erfolgte durch Meldebögen, die
psychiatrischen Heil- und Pflegeanstalten zwischen flächendeckend an alle Heil- und Pflegeanstalten
1939 und 1941 (Kaminsky, 2014; Meyer, 1989; Steger versandt wurden (Steger et al., 2010). Es wurden
et al., 2011). Die Bezeichnung Aktion T4 wurde erst in Menschen erfasst, die sich über fünf Jahre in der
der Nachkriegszeit verwendet, früher waren Begriffe Anstalt befanden – und deshalb als unheilbar
wie „Euthanasie-Aktion“, „Aktion Gnadentod“, eingestuft wurden – „Erbkranke“ mit Schizophrenie,
„Aktion Columbushaus“ oder „Reichsausschuss- „Schwachsinn“, Epilepsie, Enzephalitis, senilen
aktion“ gängig (Bruns, 2014; Kaminsky, 2014; Rotzoll Erkrankungen, Chorea Huntington und anderen
et al., 2010). Die Grundlage für die „Euthanasie- neurologischen Krankheiten und Patienten und
Aktion“ waren rassenhygienische Überzeugungen von Patientinnen, die keine oder „nur“ eine mechanische
nationalsozialistischen Führungspersonen, jedoch Beschäftigung ausführen konnten. Auch kriminelle
waren auch ärztliche oder juristische Eliten Erkrankte und nicht deutsche Patientinnen und
maßgeblich beteiligt (Hohendorf et al., 2002; Patienten wurden unter Angabe der „Rasse“ und
Kaminsky, 2014). Im Gegensatz zu den Staatsangehörigkeit gemeldet (Hohendorf et al., 2002;
Zwangssterilisierungen, gab es für diese Maßnahmen Klee, 2014, S. 92; Meyer, 1989).
der Massentötung keine gesetzliche Grundlage oder
ministerielle Anordnung (Meyer, 1989). Nachdem die Meldebögen von den jeweiligen
Anstalten ausgefüllt und anschließend an das
Die systematische Tötung wurde von der Reichsinnenministerium geschickt worden waren,
Zentraldienststelle in der Tiergartenstraße 4 (siehe erhielten drei ärztliche Gutachter jeweils Kopien der
auch https://www.t4-denkmal.de/Die-Aktion-T4) in Meldebögen. Diese beurteilten dann die Patientinnen
Berlin koordiniert und organisiert, weshalb die und Patienten nach bestimmten Kriterien. Falls das

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Urteil nicht eindeutig war, entschied das abschließende Tobie Schramm, ein Fahrer der Gekrat-Busse,
Urteil eines Obergutachters oder einer Obergutachterin beschrieb den Transportvorgang folgendermaßen:
über das Schicksal der Patientinnen und Patienten „Jedem Omnibus wurden zwei Pflegekräfte
(Hohendorf et al., 2002; Kepplinger, 2013). beigegeben [...]. Gewalttätige Kranke konnten durch
eine an den Sitzen angebrachte Vorrichtung
Die Gutachterinnen und Gutachter trugen die angeschnallt werden. Die Pfleger hatten auch zumeist
Bewertungen jeweils auf den Meldebögen ein: Handschellen bei sich, um besonders renitente
entweder wurde ein blaues Minus vergeben, wenn der Patienten anschließen zu können. Die Kraftfahrer
Patient oder die Patientin weiterleben durfte, ein rotes waren durch Kabinenverschläge von dem
Plus hingegen, wenn eine Tötung erfolgen sollte. Bei Wageninneren getrennt.“ (Amtsgericht Münsingen,
Unentschlossenheit wurde ein Fragezeichen 1948, Akte Schramm). Die sechs Haupt-
eingetragen (Lilienthal, 2008b). Im Anschluss daran, Tötungsanstalten, zu denen die Opfer gebracht
wurde das Urteil der zwei Gutachterinnen und wurden, waren Grafeneck, Brandenburg an der Havel,
Gutachter an einen Obergutachter oder eine Ober- Hartheim bei Linz, Pirna/Sonnenstein, Bernburg an der
gutachterin übermittelt, welche letztendlich über das Saale und Hadamar in Hessen – und somit damals über
Schicksal der Opfer entschieden (Kepplinger, 2013). das komplette Großdeutsche Reich verteilt (Hohendorf
Zu betonen ist hier, dass das abschließende Urteil von et al., 2002). Jeder Tötungsanstalt wurden jeweils
den Obergutachtern und Obergutachterinnen gefällt verschiedene Zwischenanstalten, die gewöhnliche
wurde, zumeist ohne die Patientinnen und Patienten Heil- und Pflegeanstalten waren, zugewiesen, in denen
jemals gesehen zu haben (Klee, 2014). Oftmals hing Patientinnen und Patienten vorübergehend bis zum
die Entscheidung zudem davon ab, ob die Patientinnen Weitertransport untergebracht wurden. Dieser
und Patienten regelmäßig Besuch bekamen, denn Vorgang diente der Verschleierung von
wenn dies nicht der Fall war, war eine Verschleierung Transportwegen und sollte die Tötungen der Opfer
der Vorgänge leichter möglich (Kepplinger, 2013). noch effizienter gestalten (Lilienthal, 2008b).
Falls die Meldebögen durch die Pflege- und
Heilanstalten nicht oder nicht schnell genug ausgefüllt Die Tötungsprozesse verliefen grundsätzlich nach
und weitergeleitet wurden, beauftragte die Zentrale der einem einheitlichen Schema: Nachdem die Opfer die
T4-Aktion eigene Kommissionen, die zu den Anstalten Busse verlassen hatten, wurden sie über eine Schleuse
geschickt wurden, um die Patienten und Patientinnen in das Gebäude geleitet (Lilienthal, 2008b). Im
zu erfassen (Jenner, 2003/2004). Anschluss daran mussten sich die Patientinnen und
Patienten für eine angebliche Aufnahmeuntersuchung
Transport und Ankunft ausziehen (Hohendorf et al., 2002). Zunächst erfolgte
eine kurze ärztliche Untersuchung, die der
Nachdem eine finale Entscheidung durch einen Identitätsprüfung und der Festlegung einer plausiblen
Obergutachter oder eine Obergutachterin gefällt Todesursache für die spätere Ausstellung der
wurde, erhielt die Gekrat alle mit einem roten Plus Sterbeurkunde diente (Hohendorf et al., 2002). Hierbei
bewerteten Fälle und erstellte Transportlisten (Bryant, wurde darauf geachtet, dass die Todesursache nicht im
2005). Die bestimmten Patienten und Patientinnen Gegensatz zu den Befunden in den Krankenakten der
wurden dann mit Sammeltransporten, den Gekrat- Opfer stand, denn zu Beginn der Aktion kam es vor,
Bussen, zu Zwischenanstalten oder direkt zu den dass beispielsweise ein Blinddarmdurchbruch als
Tötungsanstalten gebracht (Hohendorf et al., 2002; Todesursache angegeben wurde, obwohl der
Kepplinger, 2013). Es muss erwähnt werden, dass von Blinddarm schon vor Jahren entfernt worden war
Pflegerinnen und Pflegern teilweise eine höhere (Lilienthal, 2008b). Zudem wurden Fotos zur
Anzahl an Patientinnen und Patienten getötet wurde Dokumentation angefertigt und Patientinnen und
als es die Zentrale anordnete, was vermutlich am Patienten mit Goldzähnen mit einem Kreuz auf dem
Pflegeaufwand lag, der durch die jeweiligen Opfer vor Rücken gekennzeichnet, um sie nach der Tötung
ihrer Tötung entstand (Peter & Neugebauer, 2002). identifizieren zu können (Klee, 2014; Lilienthal,
Zudem versuchten die Heil- und Pflegeanstalten 2008b). Unabhängig davon wurde den Opfern bei der
während der Aktion T4, arbeitsfähige und Untersuchung eine Aktennummer auf aufgestempelt
zahlungskräftige Patientinnen und Patienten (Klee, 2014). Die Vorgänge verdeutlichen damit
zurückzustellen und von den Transportlisten zu mehrfach eine enthumanisierte und dehumanisierende
streichen, um diese aus ökonomischen Gründen in den Praxis, die Pflegebedürftigen den Status der
Heil- und Pflegeanstalten zu behalten (Klee, 2014). Subjekthaftigkeit verneinten (Welch, 2004).

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Tötung, Bestattung und Verschleierung werden mussten, damit keine Nachfragen hinsichtlich
der Bestattung oder Leichenschau aufkamen
Die Patientinnen und Patienten wurden bereits meist (Lilienthal, 2010; Meyer, 1989).
am Ankunftstag in den Vergasungsanstalten getötet,
die in den erwähnten Pflegeeinrichtungen errichtet Um die Tötung der Menschen zu verheimlichen und so
worden waren (Lilienthal, 2010). Nach einer ersten wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen,
Untersuchung wurden die Patienten und Patientinnen unterschrieben die leitenden Ärzte und Ärztinnen mit
in Vergasungsräume geführt, die als Duschräume Decknamen. Und auch die Todesursachen, -orte und
getarnt waren (Meyer, 1989). Die Krankenpfleger und -zeiten waren gefälscht (Meyer, 1989). Todesorte
Krankenpflegerinnen waren dabei angewiesen den wurden vor allem dann verändert, wenn Angehörige in
Patientinnen und Patienten vorzuspielen, dass sie zum der Nähe der Tötungsanstalt wohnten oder
Duschen gebracht werden würden (Klee, 2014). Ein Geschwister in Heil- und Pflegeanstalten
Arzt oder eine Ärztin regelte anschließend die Zufuhr untergebracht waren (Lilienthal, 2008b). Das offizielle
von Kohlenmonoxid durch die getarnten Wasser- Todesdatum lag meist zwei bis vier Wochen nach dem
leitungsrohre, indem ein Handrad aufgedreht wurde wirklichen Sterbezeitpunkt, was vermutlich
(Klee, 2014). Die Gaszufuhr wurde erst wieder verschiedene Gründe hatte: einerseits sollte verhindert
gestoppt, wenn der Arzt oder die Ärztin keine werden, dass zu viele Sterbezeitpunkte auf denselben
Bewegung mehr erkennen konnte (Klee, 2014). Bevor Tag fielen, andererseits wollte man aus dem Tod der
dann die „Entsorgung der Leichname" – meist durch Patienten und Patientinnen noch Profit schlagen. Denn
Verbrennen in den nebenan errichteten Krematorien – Angehörigen erhielten eine Rechnung für den
erfolgte, entnahmen die sogenannten Brenner den Aufenthalt und die Pflege der Patienten und
gekennzeichneten Leichen Zahngold oder das Gehirn Patientinnen für den Zeitraum zwischen dem wahren
(Lilienthal, 2008b; Rotzoll & Hohendorf, 2012). und fiktiven Sterbetag (Lilienthal, 2008b, 2010). Das
Während das entnommene Gold eingeschmolzen Grauen nahm also auch nach dem Tod der Opfer kein
wurde und der ökonomischen Bereicherung diente, Ende.
wurden die Gehirne für Forschungszwecke verwendet
(Peter & Neugebauer, 2002; Rotzoll & Hohendorf, Proteste und das Ende der Aktion T4
2012). Bei der Einäscherung der Leichen fielen
Knochenreste durch den Rost des Ofens, die nach der Trotz Vertuschungs- und Tarnversuchen (vgl. Kapitel
Verbrennung der Toten zu Pulver zermahlen und 4) drangen Informationen über die Krankenmorde an
anschließend an die Angehörigen der Verstorbenen die Öffentlichkeit. Vor allem von kirchlicher Seite
geschickt wurden (Klee, 2014). waren Proteste zu verzeichnen, so beispielsweise vom
Münsteraner Bischof Clemens August von Galen, der
Da die Öfen durchgehend in Betrieb waren, konnten am 3. August 1941 in der Kirche St. Lamberti in
die Überreste nicht mehr nach Opfern unterschiedenen Münster Folgendes predigte: „Wenn einmal
werden, sondern es wurden pauschal drei Kilogramm zugegeben wird, daß Menschen das Recht haben,
Knochenpulver pro Opfer berechnet (Klee, 2014). Die unproduktive Mitmenschen zu töten – und wenn es
anschließende standesamtliche Abwicklung des Todes jetzt auch zunächst nur arme wehrlose Geisteskranke
erfolgte durch nationalsozialistische trifft – dann ist grundsätzlich der Mord an allen
Sonderstandesämter, die dafür in den Tötungsanstalten unproduktiven Menschen, also an allen unheilbar
eingerichtet worden waren (Meyer, 1989). Angehörige Kranken, den Invaliden der Arbeit und des Krieges,
erhielten fiktive Sterbeurkunden und „Trostbriefe“, die dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und
das Gefühl einer Erlösung der Patienten und altersschwach und damit unproduktiv werden,
Patientinnen von ihrem Leid vermittelten (Lilienthal, freigegeben.“ (zitiert nach Klee, 2014, S. 256).
2010). Für das Verfassen dieser Briefe und die damit
intendierte Verschleierung der Morde (vgl. Kapitel 4) Infolge des Öffentlichwerdens der Aktion T4 wurde
wurden Trostbriefschreiberinnen eingestellt, die die diese am 24. August 1941 wahrscheinlich durch eine
Briefe nach einem vorgefertigten Schema verfassten telefonische Anweisung an die Heil- und
(Klee, 2014). Jedes Exemplar wurde jedoch extra Pflegeanstalten offiziell eingestellt (Kepplinger, 2013;
verfasst, damit keinesfalls ein Eindruck eines Meyer, 1989). Historikerinnen und Historiker sind sich
vorgefertigten Schemas oder einer Kopie entstand uneinig, was genau Hitler dazu bewog, die
(Klee, 2014). Oftmals erhielten die Angehörigen die Beendigung der Massenvergasungen zu befehlen
Nachricht, dass die Verstorbenen bereits eingeäschert (Bryant, 2005). Die zunehmenden Unruhen in der

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Bevölkerung und der steigende Druck durch die „Euthanasie-Aktion“ hat gezeigt, dass jeder einzelne
Kirche trugen vermutlich maßgeblich dazu bei Schritt systematisch überlegt und vorbereitet und somit
(Friedlander, 2002; Kepplinger, 2013; Klee, 2014; auch die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Meyer, 1989). Auch ein Stimmungstief in der dazu strategisch geplant wurde. Dazu gehörte eine
Bevölkerung, das neben den Krankenmorden, auch intensive Propagandaarbeit, welche Kranke
durch den Luftkrieg gegen Deutschland und den ins enthumanisierte, deren Entfernung aus dem
Stocken geratenen Krieg gegen die Sowjetunion „Volkskörper“ zu rechtfertigen suchte und dazu
entstand, führte wahrscheinlich zur Rücknahme der zumindest eine stillschweigende Zustimmung
Aktion (Hohendorf et al., 2002; Kepplinger, 2013). herstellen sollte (Welch, 2004).
Ein weiterer Beweggrund, der zu Hitlers Entscheidung
führte, könnte folgender sein: Mit der Ermordung von Die Züchtung „lebenswerten“ Lebens
70.000 Patientinnen und Patienten war das Tötungsziel
bereits erreicht oder sogar übertroffen worden (Bryant, „Heilig soll uns sein jede Mutter deutschen Blutes“
2005, S. 49). Auch wenn der August 1941 offiziell als (zitiert nach Lenhart, 2013, S. 11). Unter diesem
das Ende der systematischen Ermordung „Erbkranker“ Leitspruch wurde der Verein Lebensborn gegründet.
gilt, ging die Vernichtung in den Tötungsanstalten Neben der Auszeichnung gebärfreudiger Frauen mit
weiter (Hohendorf et al., 2002; Jenner, 2003/2004). dem Mutterkreuz und der finanziellen Unterstützung
Abteilungen der Aktion T4 arbeiteten nach dem kinderreicher Familien, war der Lebensborn e. V. eine
offiziellen Stopp weiter (Klee, 2014). Im Sommer weitere Maßnahme zur Förderung des „arischen“
mussten Teile der bürokratischen Abwicklung der Geburtenwachstums (Seidler, 1990). Die Tätigkeiten
„Euthanasie-Aktion“ aus Kriegsgründen ausgelagert des Lebensborn e. V. zählen überwiegend zur
werden (Klee, 2014). Die Morde wurden nun nicht „positiven Eugenik“, wobei der Lebensborn indirekt
mehr zentral von der Tiergartenstraße 4 aus geplant, auch an der Kinder-„Euthanasie“ beteiligt war, da
sondern dezentral organisiert, wodurch die Phase auch Kinder mit Behinderungen aus Lebensbornheimen
als „wilde Euthanasie“ bezeichnet wird (Bryant, 2005, teilweise direkt in Tötungsanstalten gebracht wurden
S. 51; Kepplinger, 2013; Peter & Neugebauer, 2002). (Lilienthal, 1989).

Die Zielgruppe der Tötungen wurde unter anderem auf Gründung und Aufgaben
die Bewohner und Bewohnerinnen von Altersheimen,
Arbeitshäusern und Fürsorgeheimen wie die des Der Lebensborn e. V. wurde am 12. Dezember 1935,
Lebensborn e. V. erweitert (Hohendorf et al., 2002; auf Geheiß des Reichsführers der Schutzstaffel (SS)
Lilienthal, 1989, 2008b). Dabei wurden die Opfer Heinrich Himmler, von zehn namentlich nicht
durch Unterernährung, Vernachlässigung oder die bekannten SS-Führern in Berlin gegründet (Lilienthal,
Gabe von tödlichen Medikamenten wie Luminal, 2008a). Die Eintragung als Verein hatte juristische
Morphium und Skopolamin getötet (Kepplinger, Gründe und ermöglichte den Erwerb von Immobilien
2013). Ob es für diese Maßnahmen eine zentrale (Maiwald & Mischler, 1999). In der Vereinssatzung
Anweisung gab, ist bis heute nicht geklärt (Peter & wurden folgende Aufgaben des Lebensborn definiert:
Neugebauer, 2002). Es ist lediglich klar, dass die „1. Rassisch und erbbiologisch wertvolle, kinderreiche
Zentrale eine Verringerung der Patientenzahlen Familien zu unterstützen,
wünschte (Peter & Neugebauer, 2002). Darüber hinaus 2. Rassisch und erbbiologisch wertvolle werdende
wurden Beteiligte der Aktion T4 und deren Methoden Mütter unterzubringen und zu betreuen, bei denen
später unter anderem in der Aktion Reinhardt – einer nach sorgfältiger Prüfung der eigenen Familie und der
Maßnahme zur systematischen Ermordung von Juden Familie des Erzeugers durch das Rasse- und
und Roma des Generalgouvernements – eingesetzt Siedlungshauptamt-SS anzunehmen ist, daß gleich
(Berger, 2014; Daub, 1992; Peter & Neugebauer, wertvolle Kinder zur Welt kommen;
2002). Das Töten von Bedürftigen endete damit nicht 3. für diese Kinder zu sorgen;
mit dem Stopp der Aktion T4 – lediglich dessen 4. für die Mütter der Kinder zu sorgen.“ (Lilienthal,
Organisation änderte sich. 2008a, S. 43)
Anlass für die Gründung war der seit dem Ersten
Über 70.000 Menschen fielen der Tötung von für die Weltkrieg verzeichnete Geburtenrückgang und die
Nationalsozialisten „lebensunwertem Leben“ im damit einhergehende Befürchtung des Untergangs der
Rahmen der Aktion T4 zum Opfer (Kaminsky, 2014; „nordischen Rasse“ (Eckart, 2012; Seidler, 1990).
Meyer, 1989). Die Darstellung der Prozesse hinter der Heinrich Himmler sah sich als Reichsführer einer

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Organisation, die wie keine andere vom Rassenwahn Verein überlassen mussten (Lilienthal, 2008a).
der Nationalsozialisten geprägt war, dazu auserkoren,
das deutsche Volk vor diesem Schicksal zu bewahren Aufnahmebedingungen und Auswahl
und zu seiner „Aufnordung“ beizutragen (Lilienthal,
2008a). Er machte Geschlechtskrankheiten, Homo- Da nach Himmlers Vorstellungen in den Lebensborn-
sexualität und insbesondere Abtreibungen für die heimen Deutschlands Zukunft heranwachsen sollte,
Kinderarmut verantwortlich (Thompson, 1971). Die wurde über die Heimaufnahme der Mütter nach
geschätzte Zahl von 600.000 – 800.000 Abtreibungen strengen rassischen und erbbiologischen Kriterien
pro Jahr führte Himmler vorranging auf die entschieden (Koop, 2007). Zu den Antragsformalitäten
Schwangerschaften lediger Frauen zurück, die sich zählten eine „Ahnentafel“, die idealerweise bis zum 1.
nun den christlichen Moralvorstellungen der Januar 1800 zurückreichte, ein
damaligen Zeit ausgesetzt sahen (Lilienthal, 2008a). „Erbgesundheitsbogen“, mit Angaben über mögliche
Beim Lebensborn handelte es sich jedoch keinesfalls „erbliche familiäre Belastungen“, sowie ein ärztlicher
um eine Wohltätigkeitsorganisation. Vielmehr wurde Untersuchungsbogen, der die gesundheitliche und
die missliche Lage von Schwangeren ausgenutzt „rassische“ Eignung nachwies (Maiwald & Mischler,
(Lilienthal, 2008a). Dies zeigte sich unter anderem 1999). Darüber hinaus ein Fragebogen, in dem
darin, dass dieser Schutz ausschließlich Frauen Angaben zur Person, wie zum Beispiel Beruf,
vorbehalten wurde, von denen „rassisch wertvoller“ Krankenversicherung und Parteizugehörigkeit
Nachwuchs zu erwarten war (Lilienthal, 2008a). In beantwortet werden mussten. Darin wurde auch
diesen Zusammenhang ist auch der „Zeugungsbefehl“ beispielsweise erfragt, ob die Frauen eine
Heinrich Himmlers vom 28. Oktober 1939 Eheschließung mit dem Kindsvater beabsichtigen und
einzuordnen, in dem er deutsche Frauen „guten welche Gründe gegebenenfalls dagegensprechen
Blutes“ dazu aufforderte, auch außerhalb der Ehe „[…] (Lilienthal, 2008a). Des Weiteren wurden ein
Mütter der Kinder ins Feld ziehender Soldaten zu handgeschriebener Lebenslauf, eine
werden.“ (Hein, 2015, S. 57 – 58). Ganzkörperfotografie der Bewerberin sowie die
eidesstattliche Versicherung, dass der von ihr besagte
Das Heim „Hochland“ war das erste Entbindungsheim Mann tatsächlich der Kindsvater sei, gefordert
des Lebensborn und eröffnete am 15. August 1936 in (Lilienthal, 2008a). Alle Unterlagen mussten sowohl
Steinhöring bei München (Seidler, 1990). Es bot Platz von der Mutter als auch vom Vater, der somit bekannt
für 50 Mütter und 109 Kinder (Lilienthal, 2008a). Die sein musste, bei der Verwaltungszentrale vorgelegt
Leitung übernahm der Allgemein- und ehemalige werden (Lilienthal, 2008a). Ausschlusskriterien waren
Familienarzt Himmlers, Gregor Ebner, der seit 1931 unter anderem eine Körpergröße unter 155cm, schwere
Mitglied der SS war und innerhalb kürzester Zeit zum körperliche sowie geistige Beeinträchtigungen,
ärztlichen Leiter des gesamten Lebensborn aufstieg Geschlechtskrankheiten und „ekelerregende“
(Lilienthal, 1988). Bis zum Kriegsende wurden, Hautekzeme (Lilienthal, 2008a).
verteilt über das ganze Reichsgebiet, acht weitere
Entbindungs- sowie vier Kinderheime vom Verein Die Auswahl nach gesundheitlichen und äußerlichen
Lebensborn in Betrieb genommen, oftmals in Voraussetzungen, sollte durch die Bewertung des
Gebäuden aus „arisiertem“ Besitz (Lilienthal, 2008a). Charakters vervollständigt werden, wozu das
Unter Ebners Aufsicht wurden die einzelnen Verhalten der Frauen während des Heimaufenthaltes
Lebensbornheime von SS-Ärzten geführt, die jedoch – genau beachtet wurde (Lilienthal, 1989). Aus diesem
wie Ebner selbst – meist über keine ausreichende Anlass wurden 1938 Fragebögen eingeführt, die von
Qualifikation im Bereich der Gynäkologie den Heimleitern und den Oberschwestern ausgefüllt
beziehungsweise Pädiatrie verfügten (Lilienthal, wurden und für den Reichsführer-SS bestimmt waren.
2008a). Die Finanzierung des Lebensborn erfolgte vor Anhand dieser sogenannten RF-Fragebögen (RF für
allem aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen (Lilienthal, Reichsführer) wurden die Fähigkeiten der jeweiligen
2008a). Bis Kriegsende stieg die Mitgliederzahl auf Frau als Mutter sowie ihre „rassische“ Tauglichkeit
etwa 17.000 Personen – für SS-Offiziere war die beurteilt (Lilienthal, 2008a). Sie wurden ohne
Mitgliedschaft verpflichtend (Clay & Leapman, 1997). Kenntnis der Mütter angefertigt und waren streng
Zudem wurden die Kosten für den Heimaufenthalt und geheim (Lilienthal, 1989). Neben der Gesinnung der
die Verpflegung den Kindsvätern in Rechnung gestellt Frauen und ihrem Benehmen wurde beispielsweise
und durch Leistungen der Krankenkassen gedeckt auch festgehalten, ob sich die Frauen noch weitere
(zum Beispiel Wochengeld), die die Mütter dem Kinder wünschten (Lilienthal, 2008a). Mit

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beiliegenden Informationen zum Kindsvater und zum Mütter für die nationalsozialistische Ideologie zu
Kind, gingen die ausgefüllten Fragebögen an die indoktrinieren (Clay & Leapman, 1997). Dreimal
Zentrale in München, wo „rassische Gesamtnoten“ für wöchentlich hielten die Heimleiter weltanschauliche
Mütter und Väter gebildet wurden (Lilienthal, 1989). Schulungen ab, in denen Propagandafilme gezeigt,
Himmler hatte hierfür ein eigenes Bewertungsschema Reden von Parteigrößen angehört und Parteilieder
entwickelt und ließ sich jeden Fragebogen zur gesungen wurden (Clay & Leapman, 1997).
Kontrolle vorlegen (Lilienthal, 2008a). Sein
Benotungssystem, das er im Laufe der Jahre immer Das gesunde, „rassisch wertvolle“ Kind wurde als
wieder modifizierte, umfasste die folgenden drei angebrachte Entlohnung für die aufgebrachten Mühen
Kategorien: „I = vollkommen der Auslese der SS des Vereins angesehen und in der sogenannten
entsprechend, II = guter Durchschnitt, III = der „Namensgebung“ erfolgte die feierliche Aufnahme
Auslese nicht mehr entsprechend“ (Lilienthal, 2008a, des Nachwuchses in die „SS-Sippengemeinschaft“
S. 97). (Lilienthal, 1988). Die Zeremonie, die die christliche
Taufe ersetzte, führte der Heimleiter durch (Lilienthal,
Leben im Heim und Zwangsgermanisierung 2008a). Hierbei berührte er den Säugling mit einem SS-
Dolch und sagte: „Ich nehme dich hiermit in den
Der Einzug in ein Lebensbornheim war für ledige Schutz unserer Sippengemeinschaft und gebe dir den
Frauen möglich, sobald die Schwangerschaft sichtbar Namen – –! Trage diesen Namen in Ehren!“
wurde (Seidler, 1990). Auf Wunsch der Eltern sorgte (Lilienthal, 2008a, S. 100). Außerdem wurde jedem
der Verein zudem für eine Geheimhaltung der Kind ein SS-Pate an die Seite gestellt, der sich in die
Entbindung (Maiwald & Mischler, 1999). Hierfür war Erziehung seines Patenkindes einbringen sollte
es jedoch nötig, geltende Vorschriften, wie zum (Lilienthal, 2008a).
Beispiel die polizeiliche Meldepflicht des aktuellen
Aufenthaltsortes und die Meldung der Geburt beim Für uneheliche Kinder übernahm der Verein
Standesamt, zu umgehen (Lilienthal, 2008a). So Lebensborn die Vormundschaft und sorgte unter
verfügten die Lebensbornheime über eigene anderem dafür, dass die Kindsväter ihrer
polizeiliche Meldestellen sowie eigene Standesämter Unterhaltspflicht nachkamen (Seidler, 1990). Bei
(Seidler, 1990). Zuweilen versorgte der Verein die Bedarf suchte der Verein eine geeignete Pflege- oder
Frauen sogar mit Deckadressen, so dass ihr Adoptivfamilie, die nach der Wunschvorstellung
tatsächlicher Aufenthaltsort nicht bekannt wurde Himmlers aus den Reihen der SS kommen sollte
(Maiwald & Mischler, 1999). Schon allein aufgrund (Seidler, 1990). Eine Adoption wurde jedoch aus
der Verschleierung außerehelicher Schwangerschaften, ideologischen Gründen als letztes Mittel angesehen,
wurde in den Heimen auf eine Gleichstellung lediger weshalb großen Wert darauf gelegt wurde, dass das
und verheirateter Frauen geachtet (Lilienthal, 2008a). Kind auf lange Sicht bei seiner Mutter aufwuchs
So wurden alle Mütter mit „Frau“ anstatt „Fräulein“ (Lilienthal, 2008a). So wurden bis Kriegsende nur
angesprochen, um ihren Personenstand nicht zu circa 100 durch den Lebensborn eingeleitete
offenbaren (Maiwald & Mischler, 1999). Adoptionen verzeichnet (Lilienthal, 2008a). Damit die
Frauen in der Lage waren den Lebensunterhalt für sich
Die Aufenthaltsdauer der Frauen in den Heimen war und ihr Kind zu verdienen, unterstützte sie der
sehr verschieden (Lilienthal, 2008a). Verheiratete Lebensborn bei der Arbeitsplatzsuche, was in der
Mütter verblieben oftmals nur für die Geburt und das damaligen Zeit für unverheiratete Mütter jedoch relativ
Wochenbett in den Einrichtungen, wohingegen ehelose schwierig war (Lilienthal, 2008a). Hierbei wurde
Mütter im Schnitt bis zu zwei Monate nach der Geburt darauf Rücksicht genommen, dass die neue
dort verweilten (Lilienthal, 2008a). Dies hing vor Arbeitsstelle nicht zu weit entfernt vom Aufenthaltsort
allem mit der, von der Vereinsführung des Kindes war, um regelmäßige Besuche zu
vorgeschriebenen, Stillpflicht zusammen, da man ermöglichen (Lilienthal, 2008a). Oftmals wurden die
davon ausging, dass die Stilldauer mit einer ehemaligen Heimbewohnerinnen auch vom
Verringerung der Säuglingssterblichkeit einhergehe Lebensborn selbst eingestellt, um damit den
(Clay & Leapman, 1997). Während ihrer Zeit in zunehmenden Bedarf an Arbeitskräften (wie
den Lebensbornheimen übernahmen die Frauen leichte Stenotypistinnen, Krankenpflegerinnen, Kinder-
Aufgaben im Haus und wurden in Haushaltsführung gärtnerinnen, etc.) zu decken (Lilienthal, 2008a). In
sowie Säuglingspflege unterrichtet (Lilienthal, 2008a). der Regel verbrachten die unehelichen Kinder die
Darüber hinaus wurde die Gelegenheit genutzt, die ersten eineinhalb Lebensjahre im Heim, bis sich ihre

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Mütter selbst um sie kümmern konnten oder ihr systematisch alle Waisenkinder, die von
Einverständnis für die Vermittlung in eine volksdeutschen Eltern stammten, als „Findelkinder" in
Pflegefamilie gaben (Lilienthal, 2008a). polnische Waisenhäuser oder in polnische
Pflegefamilien gebracht hätten“ (Koop & Mühle,
Die Grausamkeit der nationalsozialistischen Rassen- 2007, S. 169). Diese Kinder müssten nun, nach einem
lehre, die „rassisch wertvolle“ Menschen glorifizierte „rassischen“ und psychologischen Ausleseverfahren,
und „Minderwertige“ gnadenlos „ausmerzte“, „dem Deutschtum wieder zugeführt werden“
offenbarte sich im Lebensborn in besonderer Weise (Lilienthal, 2008a, S. 208). Die rassische
bei der Geburt eines Kindes mit Behinderung Begutachtung erfolgte durch eine Außenstelle des
(Lilienthal, 2008a). Nach einer solchen Geburt wurden Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS (RuSHA) in
beide Elternteile und deren Familien wiederholt auf Litzmannstadt (Lilienthal, 2008a). Über verschiedene
Erbkrankheiten hin überprüft (Lilienthal, 2008a). Zwischenstationen gelangten die als
Aufgrund der Kriegswirren war jedoch eine genaue „eindeutschungsfähig“ erfassten Kinder letztlich in
erbgesundheitliche Untersuchung nicht möglich, so den Lebensborn, der als Abnahmestelle für die Zwei-
dass man sich vorerst mit dem Versprechen der Eltern bis Sechsjährigen fungierte und diese beizeiten in
auf weiteren Nachwuchs zu verzichten, zufriedengab deutsche Pflegefamilien vermitteln sollte (Lilienthal,
(Lilienthal, 1989). Den betroffenen Kindern blieb eine 2008a). Sieben- bis zwölfjährige Kinder wurden
Vormundschaft durch den Lebensborn verwehrt und hingegen in „Deutschen Heimschulen“ untergebracht
sie wurden aus den Heimen entlassen (Lilienthal, (Lilienthal, 2008a). Man war bestrebt die Kinder ihrer
1989). Litten die Kinder allerdings unter einer polnischen Nationalität zu berauben und sie zu „guten
schweren, vor allem geistigen Beeinträchtigung, wurde Deutschen“ zu erziehen (Lilienthal, 2008a). So
ihnen damit auch ihre Existenzberechtigung mussten die Kinder Deutsch lernen, durften nicht mehr
abgesprochen (Lilienthal, 1989). Als „lebensunwertes in ihrer Muttersprache kommunizieren und wurden
Leben“ diffamiert, wurden sie in speziellen gezwungen Nazilieder zu singen (Clay & Leapman,
Einrichtungen auch nach dem offiziellen Stopp des 1997). Zudem bekamen sie deutsche Namen und neue
Krankenmordprogramms 1941 getötet (Lilienthal, Geburtsurkunden (Lilienthal, 2008a). Bis 1945 war der
1989). Lebensborn an der Zwangsgermanisierung von
mindestens 350 Kindern aus Ost- und Südosteuropa
Mit der Besetzung weiter Teile Nord- und maßgeblich beteiligt (Lilienthal, 2008a).
Westeuropas durch die Wehrmacht, ging auch die
Expansion des Lebensborn einher (Lilienthal, 2008a). Sowohl der Verein Lebensborn als auch die Aktion T4
Da große Teile der norwegischen Bevölkerung dem als wurden genaustens geplant und vorbereitet. Dazu
ideal imaginierten Phänotyp entsprachen, stand gehörte auch eine intensive Propagandaarbeit (Welch,
Norwegen besonders im Fokus des SS-Vereins 2004). Doch wie funktionierte diese „Öffentlichkeits-
(Lilienthal, 2008a). Bis Kriegsende führte der arbeit" genau? Das wird im nächsten
Lebensborn dort neun Entbindungs- und Kinderheime, Kapitel beleuchtet.
in denen vor allem die unehelichen Kinder von
Norwegerinnen und deutschen Soldaten betreut 4 Nationalsozialistische Propaganda
wurden. Insgesamt kamen in diesen Heimen rund
6.000 Kinder zur Welt, von denen etwa 200 – 250 in Der Begriff „Propaganda“ (lat. ausbreiten, ausstreuen)
deutsche Heime gebracht und weiter in Pflegefamilien kann im Allgemeinen als ein „Versuch der gezielten
vermittelt wurden (Lilienthal, 2008a). Beeinflussung des Denkens, Handelns und Fühlens
von Menschen“ (Bundeszentrale für politische
Östlich der deutschen Grenzen von 1937 wurde der Bildung, 2012) definiert werden. Für die
„Rassenkampf“ früh mit radikaleren Mitteln geführt Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
(Lilienthal, 2008a). Hierzu gehörte auch die (NSDAP) stellte „Propaganda“ einen der zentralen
Verschleppung überwiegend polnischer Kinder, die Begriffe dar, den die NSDAP in Bezug auf sich selbst
auf Geheiß Himmlers auch in Lebensbornheime verwendete (Welch, 2004; Zimmermann, 2006). Der
aufgenommen wurden (Clay & Leapman, 1997). Die Propagandabegriff wurde zunehmend politisiert und
rechtliche Grundlage und Rechtfertigung für dieses stellte eine kommunikative Technik dar, die zuvor
Vorgehen lieferte Himmler selbst mit seiner festgelegte politische Ziele fokussierte und dafür
Anordnung Nr. 67/I vom 19. Februar 1942 (Lilienthal, bestimmte Strategien einsetzte – heute würde man sie
2008a). Darin behauptete er, „dass die Polen ehedem als eine Form der politischen Kommunikation

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einordnen (Bussemer, 2005). Das Wort wurde von dieser zu handeln (Bussemer, 2005). Versuchte
den Nationalsozialisten lediglich in Verbindung mit Meinungsvorgaben und -steuerungen durch die
dem eigenen Verhalten verwendet, wenn die Nationalsozialisten haben zu einer Verunsicherung des
Propaganda von Gegnern oder Feinden ausging, wurde Volkes geführt, eine Rechtfertigung von Apathie und
dies nicht als „Propaganda“, sondern als „Hetze“ Empathieverzicht geliefert und zudem unterstützt, um
betitelt (Zimmermann, 2006, S. 433). Propaganda kann durchgehend vorhandene Ängste und Schuldgefühle
zudem als Zwangskommunikation verstanden werden, zu „betäuben“ (Sösemann & Lange, 2011).
denn wenn bestimmte propagierte Handlungen nicht
ausgeführt werden, drohte eine Sanktionierung. Ein Durch den Einsatz von Propaganda sollte zudem
weiteres Merkmal ist, dass Propaganda versuchte das rassenhygienisches Gedankengut verbreitet und die
Mediensystem beispielsweise durch Zensur oder Akzeptanz der eingesetzten Maßnahmen gefördert
Gleichschaltung zu unterwerfen (Bussemer, 2005). werden (Breil, 2006). Außerdem wollten die
Nationalsozialisten die deutsche Gesellschaft restlos
Der Ausdruck Propaganda wurde außerdem von umstrukturieren, so dass die vorherrschenden Klassen-
Begriffen wie „Werbung“, „Überredung“ und und Religionsgemeinschaften durch ein neues
„Reklame“ abgegrenzt (Zimmermann, 2006, S. 433). nationales Bewusstsein ersetzt werden würden (Welch,
Welche Rolle Propaganda für den Aufstieg Hitlers und 2004). Um dies zu erreichen, wurden verschiedene
die Durchsetzung nationalsozialistischen Gedanken- Instrumente und Botschaftsstrategien verwendet,
gutes hatte, spiegelt folgendes Zitat wider: „Das Genie wobei sich die NS-Propaganda an den
des Nationalsozialismus war Propaganda. Ihr Leitvorstellungen orientierte, die Hitler schon in
verdankte er nicht nur seine bedeutendsten Triumphe, „Mein Kampf“ verfasst hatte (Welch, 2016). Diese
sie war auch sein einziger originärer Beitrag zu den sollen im Folgenden beispielhaft dargestellt werden,
Bedingungen seines Aufstiegs und stets mehr als um einen ersten Einblick in die „Propaganda-Arbeit”
bloßes Machtinstrument: Propaganda war ein Teil der NSDAP zu bekommen.
seines Wesens“ (Fest, 1997 zitiert nach Breil, 2006, S.
102). Unter dem Leiter des Reichsministeriums für Botschaftsstrategien
Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels,
rückten Propaganda- programme immer mehr in den Im Gegensatz zur heutigen Zeit, in der sich politische
Vordergrund, wobei das Propagandaministerium ab Parteien mehr oder weniger strikt an eigene
Beginn des Zweiten Weltkrieges die vollkommene strategische Kommunikationskonzepte halten, hatten
Kontrolle über alle Informationsmedien übernahm die Nationalsozialisten nie ein verbindliches
(Welch, 2016). Welche Ziele die nationalsozialistische Propagandakonzept. Jedoch fällt auf, dass auch damals
Propaganda verfolgte, auf welche Zielgruppen sie schon verschiedene Strategien in der NS-
abgestimmt war und welche Medien und Strategien Kommunikation Anwendung fanden, so benutzte
eingesetzt wurden, soll in den nächsten Kapiteln beispielsweise Goebbels verschiedene
thematisiert werden. Kommunikationsstrategien (Bussemer, 2005).

Ziele Die Propaganda der Nationalsozialisten war unter


anderem durch sehr viele Wiederholungen geprägt
Propaganda zielt darauf ab, bei den Adressaten eine (Bussemer, 2005; Klemperer & Fröhlich, 2018) und
spezifische Wahrnehmung von Ereignissen oder enthielt viele Visualisierungen (Diehl, 2006). Zudem
Meinungen hervorzurufen, so dass neue Informationen wurde die Vermittlung kollektiver Emotionalität als
entsprechend der propagierten Ideologie eingeordnet eine Strategie eingesetzt, um das Zugehörigkeitsgefühl
und bewertet werden (Bussemer, 2013). Dies kann zur „NS-Volksgemeinschaft“ zu stärken (Sösemann &
langfristig zu einer Manipulation der eigenen Lange, 2011). Auffällig sind außerdem Hitlers
Weltsicht zugunsten der propagierten Ideologie führen Inszenierungen: beispielsweise hat er der Presse im
(Bussemer, 2013). Im Nationalsozialismus wurde September 1935 verboten, über seine nicht-offiziellen
Propaganda unter anderem eingesetzt, um die Gegner Reisen und Reiserouten zu berichten, denn angeblich
zu diffamieren und politische beziehungsweise würde er durch „begeisterte Menschenmassen“ bei der
militärische Maßnahmen zu rechtfertigen. Propaganda Ausführung seiner Pflichten eingeschränkt werden
zielte dabei auf Persuasion ab – Menschen sollten in (Sösemann & Lange, 2011). Es lässt sich eine
ihrer Einstellung bekräftigt oder überzeugt werden, deutliche Symbolstrategie, aber auch eine bewusste
eine bestimmte Einstellung anzunehmen und nach Zielgruppenansprache erkennen (z. B. Verleihung des

© Eva Theresa Graf, Franziska Schiefeneder (2020). Propaganda für einen „gesunden Volkskörper“ im Nationalsozialismus. 1-23.
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Propaganda für einen „gesunden Volkskörper“ im Nationalsozialismus 14

Mutterkreuzes an Mütter), die zum Aufgabenkatalog gerechtfertigte Pflegegelder zu erhalten, die zur
der NS-Propagandisten gehörten (Bussemer, 2005). Finanzierung der Massenmorde beitrugen. So wurden
sämtliche Schreiben formularartig verfasst, die in ihren
Die Produktion und Verbreitung von Ideal- und Details regional und zeitlich variierten, jedoch
Feindbildern stellten eine weitere wesentliche grundsätzlich dieselbe Argumentation enthielten
Strategie der NS-Propaganda dar. Hierbei lag der (Lilienthal, 2008b). Diese Strategie zeichnete sich
Fokus auf der Vermittlung gegensätzlicher auch im Verein Lebensborn eindeutig ab, der über
Körperbilder (Diehl, 2006). Zur Ideologisierung der eigene Standesämter verfügte, welche dafür sorgen
Realität wurde immer wieder auf die Darstellung von sollten, dass niemand außerhalb der Heime von
Gegensätzen zurückgegriffen (Bussemer, 2005). Dies den Geburten erfuhr (Seidler, 1990). Auch versuchte
zeigt sich beispielsweise an Gegenüberstellungen von man außereheliche Schwangerschaften zu
„gut“ und „böse” oder von „Erbgesunden” und verschleiern, indem alle Mütter mit „Frau” an Stelle
„Erbkranken”. Der Blick der Betrachter und von „Fräulein” angesprochen wurden (Maiwald &
Betrachterinnen sollte für die Differenzierung Mischler, 1999).
zwischen „rassisch wertvollen” und „minderwertigen”
Körpern geschult werden, so dass die „rassische” Die gezielte Täuschung und Manipulation zog sich
Qualität des Körpers intuitiv erkannt wurde (Diehl, nicht nur durch die Organisation der Aktion T4 und
2006). Das ideale Körperbild wurde durch den großen, des Vereins Lebensborn, sondern wurde zum Beispiel
blonden, blauäugigen „Arier” visualisiert, der als auch auf Plakaten, Flugblättern und in den Printmedien
Vorlage für die Schaffung eines „neuen Menschen” eingesetzt. Hierbei wurden Sprache und Bild so
galt. Mit der Darstellung der körperlichen Versehrtheit manipuliert, dass neue Assoziationen zwischen
von sogenannten Minderwertigen oder „Erbkranken” positiven und negativen Überzeugungen zu
sollte hingegen ein negatives Körperbild transportiert bestimmten Themen hergestellt wurden. Dies kann
sowie die Fürsorge für die eigene körperliche entweder durch eine Verfälschung der Fakten oder
Gesundheit gestärkt werden (Diehl, 2006). Diese durch eine gezielte Manipulation von textlichen und
Ideologisierungen wurden oftmals mit spezifischen bildlichen Darstellungen geschehen. Es wird dabei
Handlungsaufforderungen verknüpft (Bussemer, versucht Botschaften und Handlungsanweisungen zu
2005). Charakteristisch ist hierbei eine hysterische und neutralisieren und resultierende Schlussfolgerungen als
anklagende Appellsprache, die Klemperer und offensichtlich anzusehen (Bussemer, 2005).
Fröhlich (2018, S. 33) auch als „herausschreiend” und Propaganda benötigt ein Medium, das die Verbreitung
„laut” betiteln. Diese Merkmale zeigen sich vor allem ihrer Botschaften ermöglicht (Bussemer, 2005) –
in Hitlers Reden, sind jedoch auch auf Plakaten und welche verschiedenen Kommunikationskanäle
Flugblättern klar erkennbar, denn im verwendet wurden, um die gesundheitsbezogene
Nationalsozialismus entsprach die geschriebene der Propaganda der Nationalsozialisten zu verbreiten, soll
gesprochenen Sprache (Klemperer & Fröhlich, 2018). nun thematisiert werden.

Eine Strategie, die sich sowohl stringent durch die Instrumente und Kommunikationskanäle
Aktion T4 und als auch durch den Verein Lebensborn
zog, war die Täuschung. Die Täuschung ist in der Vor allem Printmedien wie Tages- und
strategischen Kommunikation sehr beliebt und findet Wochenzeitungen oder Plakate nahmen eine zentrale
zum Beispiel alltäglich in der Werbung Anwendung Rolle in der NS-Zeit ein (Zimmermann, 2006). Einem
(Thummes, 2013). Das Ziel der Täuschung besteht Klavier gleich sollte nach Joseph Göbbels, Propaganda
darin, die Adressaten bewusst in die Irre zu führen, ein Instrument der Regierung sein (Kübler, 2009). Es
indem Informationen manipuliert oder unvollständig wird deutlich, welche Rolle den Medien im
dargelegt werden (Thummes, 2013). Zu den Nationalsozialismus zukam. Sie dienten weder der
Unterformen der Täuschung zählen beispielsweise die eigenen Meinungsbildung noch der Information des
Lüge und die Geheimhaltung beziehungsweise Volkes, sondern waren ein Propagandainstrument des
Verschleierung (Thummes, 2013). Im Rahmen der Regimes und wurden durchgehend durch dieses
Aktion T4 wurde ein großer bürokratischer Aufwand überwacht (Kübler, 2009). Denn das
betrieben, um die Ermordung von über 70.000 Propagandaministerium übernahm seit Beginn des
Menschen systematisch zu verschleiern. Zudem Zweiten Weltkrieges die vollkommene Kontrolle über
wurden diese Täuschungs- und alle Informationsmedien (Welch, 2016). Zensur und
Verschleierungsstrategie eingesetzt, um nicht Kontrolle waren somit ein fester Bestandteil der

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nationalsozialistischen Medienlandschaft. Die Dokumentarfilmen „Die Sünden der Väter“ (1935),


Zentraldienststelle bestimmte beispielsweise, was die „Was du ererbet...“ (1936) oder „Opfer der
Presse publizieren durfte (Klemperer & Fröhlich, Vergangenheit“(1937), die zunächst nur innerhalb der
2018). Dadurch, dass nur bestimmte (wenige) Partei als eine Art Schulungsmaterial eingesetzt
Personen darüber entschieden, was gesagt und wurden (Kaminsky, 2014). „Ich klage an“ (1941)
geschrieben werden durfte, kann die damalige Sprache stellte dann den ersten Spielfilm dar, der als
als „arm” und eintönig betitelt werden. Denn aufgrund Propagandainstrument gegen sogenannte
fehlender unabhängiger Alternativen in der „Ballastexistenzen“ in Kinos aufgeführt wurde
Medienlandschaft mussten sich alle an denselben (Kaminsky, 2014). Auch feierliche Zeremonien wie
„Vorbildern” orientieren (Klemperer & Fröhlich, Märsche oder Paraden und Festlichkeiten in Schulen
2018). oder am Arbeitsplatz wurden abgehalten, um die NS-
Propaganda in den Alltag der Bevölkerung zu
Zu bereits bekannten Medien, kamen neue Kanäle wie integrieren (Zimmermann, 2006). Dabei wurde
Radio und Film hinzu, vor allem der Hörfunk gewann „rassisches“ und „völkisches“ Gedankengut mit
innerhalb weniger Jahre immens an Bedeutung traditionellen, und lokalen Elementen kombiniert
(Hickethier, 2009). Joseph Goebbels schätzte den (Zimmermann, 2006). In diesem Kontext spielten auch
Rundfunk. So pries er ihn in einer Rede am 25. März Propagandalieder eine bedeutende Rolle (Kater, 1979;
1933 als „eine außerordentlich ernste Angelegenheit Zimmermann, 2006).
[...]. Ich halte den Rundfunk für das allermodernste
und für das allerwichtigste Massenbeein- Zudem waren Gesundheitsausstellungen immer noch
flussungsinstrument, das es überhaupt gibt“ ein vorherrschendes Medium in dieser Zeit, die eine
(Goebbels, 1933, 00:28 – 00:50). zweifache Funktion erfüllten – einerseits sollte die
individuelle Gesundheit verbessert werden,
Im Laufe der Zeit wurde der Rundfunk weiter andererseits rückte eine Verbesserung der Gesundheit
ausgebaut und dessen Reichweite besonders durch den des „Volkskörpers“ immer mehr in den Vordergrund.
Volksempfänger, ein durch die Nationalsozialisten In NS-Ausstellungen standen dabei die
entwickeltes Radiogerät, immens erhöht (Adena et al., Vererbungslehre, Rassenhygiene und dabei vor allem
2015; Hickethier, 2009). Der Volksempfänger stellte die deutsche „Rasse“ im Fokus (Weinert, 2017).
ein erschwingliches Radiogerät dar, das für die Flankierend wurden finanzielle Anreize für die
„Volksgemeinschaft“ entwickelt wurde (Welch, „rassisch wertvolle“ Bevölkerung, wie beispielsweise
2004). Dabei wurde das Gerät als ein Symbol für die Kindergeld und ein Ehestandsdarlehen für Ehepaare
Errungenschaften des Volkes inszeniert (Welch, angeboten, die einer „wertvollen Rasse“ angehörten
2004). Eine der beliebtesten Radiosendungen der NS- (Frei, 2009). Die pronatalistische Politik des
Zeit, war das Format „Wunschkonzert“, in dem unter nationalsozialistischen Regimes nutze auch
anderem Schlager, volkstümliche Musik und symbolische Gratifikationen, wie das Mutterkreuz –
Humoristisches gesendet wurde (Koch, 2003). Auch ein Orden, der kinderreichen, deutschen Müttern
wenn der Inhalt dieser Sendung auf den ersten Blick verliehen wurde (Weyrather, 1993).
harmlos erscheint, sollte er doch zur Beeinflussung der
Hörer und Hörerinnen eingesetzt werden (Koch, Zielgruppen
2003). Einerseits sollten die Heimatliebe und die
Gemeinschaft gestärkt werden, andererseits wurde eine Über die Printmedien, den Rundfunk oder Kinofilme
kurze gedankliche Flucht aus dem Kriegsalltag wurde die breite Masse angesprochen. Darüber hinaus
ermöglicht (Koch, 2003). gab es jedoch auch spezifische Zielgruppen, wie
beispielsweise die Jugend und (werdende) Mütter, die
Neben dem Radio und verschiedenen Printmedien, galt aufgrund ihrer elementaren Rolle im National-
auch der Film als ein zentrales nationalsozialistisches sozialismus direkt adressiert wurden.
Propagandamittel, wobei jedes Medium auf seine
eigene Art überzeugen konnte (Kübler, 2009). Vor Eine Zielgruppe für die nationalsozialistische
allem Ende der 1930er Jahre stieg die Nachfrage nach Propaganda stellte die Jugend dar (Welch, 2004). Die
Filmen in der Bevölkerung (Zimmermann, 2006). In Intention der Nationalsozialisten war es, Jugendliche
Propaganda- wie Unterhaltungsfilmen wurde in jeder einzelnen Entwicklungsstufe zu beeinflussen
„Erbkranke“ enthumanisierendes Gedankengut (Welch, 2004). Dies setzte die NSDAP mithilfe von
vermittelt, so beispielsweise in den Kultur- und Organisationen wie dem „Bund Deutscher Mädel“

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oder der „Hitlerjugend“ um (Breil, 2006; Kater, 1979). grundlage für die Einmischung in das Leben der
Dort wurde ihnen unter anderem die Zugehörigkeit zu Menschen diente (Weinert, 2017). Solche
einer vermeintlich „rassisch wertvollen Volks- Botschaftsinhalte wurden beispielsweise anhand von
gemeinschaft“ vermittelt (Welch, 2004). Außerdem Visualisierung, durch statistische Schaubilder oder
wurde auch der Schulunterricht dafür genutzt, um auch Metaphern kommuniziert. Nachfolgend wird dies
nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten anhand einiger Beispiele illustriert.Mit Plakaten wurde
(Kater, 1979). Schaubilder und Schulbücher wurden für das Monatsheft „Neues Volk“ geworben (Abb. 1),
gezielt entworfen, um rassenhygienische das besonders unter den NSDAP-Parteimitgliedern
Vorstellungen auch den Jüngsten in der Gesellschaft beliebt war (Eckart, 2012). Das hier abgebildete Plakat
näherzubringen. Unter anderem wurde ideologisches zielte darauf ab, in der Bevölkerung für die Akzeptanz
und rassenhygienisches Gedankengut im Rahmen von von Eugenik und „Euthanasie“ zu werben (Husemann,
Lesebüchern, Rechenaufgaben und im 2015).
Biologieunterricht verbreitet (Flessau, 1984).
Abbildung 1. Propagandaplakat für das Monatsheft
Eine weitere Zielgruppe stellten Frauen, insbesondere Neues Volk, herausgegeben vom Rassenpolitischen
(werdende) Mütter, dar. Das Frauenbild war im Amt der NSDAP (1938)
Nationalsozialismus klar mit der Mutterrolle assoziiert.
Frauen sollten durch das Gebären möglichst vieler
Kinder zum Fortbestand der „arischen Rasse”
beitragen (Kipp, 2000). Finanzielle Anreize, wie
beispielsweise Steuererleichterungen und die
Verleihung des Mutterkreuzes sollten dabei die
Gebärfreudigkeit steigern (Kipp, 2000). Die zentrale
Aufgabe der Mütter bestand darin, die Kinder im
Sinne des Nationalsozialismus zu versorgen und zu
erziehen (Kipp, 2000). Mütterschulungen und Mütter-
Ratgeber sollten Frauen in Pflegetechniken, Ernährung
und Erziehung unterweisen (Brockhaus, 2006).
Gleichzeitig wurde darin jedoch auch die NS-Ideologie
vermittelt. So wurde darin unter anderem propagiert,
dass der Verzicht auf Ehe und Fortpflanzung
verpflichtend sei, wenn man sich der eigenen
„Erbgesundheit” nicht ganz sicher war (Brockhaus,
2006).

Beispiele: Botschaftsinhalte

Die Vermittlung der von den Nationalsozialisten


gewünschten „neuen Volksgemeinschaft“ und die
Schaffung eines Zugehörigkeitsgefühls zu dieser
Einheit waren zentrale Aspekte der NS-Propaganda
(Welch, 2004). Gleichzeitig machten die Quelle: © Deutsches Historisches Museum, Berlin
Nationalsozialisten auch deutlich, wer in dieser „neuen 2020, Inv.-Nr.: 1988/1284
Volksgemeinschaft” unerwünscht war, darunter
„Erbkranke” und sogenannte „Asoziale" (Wildt, Das Plakat zeigt einen sitzenden, mutmaßlich
2012a). Zudem stand in der nationalsozialistischen körperlich behinderten Mann und einen hinter ihm
Idee der Gemeinnutz im Vordergrund, wohingegen der stehenden Pfleger. Daneben prangt die Aussage
individuelle Nutzen untergeordnet wurde (Welch, „60.000 RM kostet dieser Erbkranke die
2004). Die „Volksgemeinschaft“ kann dabei als Volksgemeinschaft auf Lebenszeit“, wobei die
Abgrenzung von gesellschaftlicher Zugehörigkeit und vermeintlichen Kosten durch eine große Darstellung
Ausgrenzung angesehen werden, wobei die Idee der der Zahl besonders hervorgehoben werden. In roter
„Volksgemeinschaft“ eine utopische Zielsetzung auffallender Schrift steht darunter der Hinweis
darstellte, die jedoch gleichzeitig als Legitimations-

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„Volksgenosse, das ist auch Dein Geld“, mit dem eine Sogenannte „Asoziale" und „Erbkranke“ werden
direkte, vertrauliche Ansprache des Betrachters bzw. hingegen mit dem ungenießbaren Bodensatz im
der Betrachterin erfolgt. Die abschließende Milchtopf gleichgestellt und bilden somit im
Aufforderung „Lesen Sie neues Volk“ macht deutlich, übertragenen Sinne auch den „gesellschaftlichen
dass es sich um ein Werbeplakat handelt. Der Bodensatz“ (Jochheim, 2012). Sie haben zusammen
körperbehinderte Mensch trägt schwarze Kleidung. einen Anteil von 23,6 Prozent an der Bevölkerung und
Die Wörter „kostet“ und „Erbkranke“ sind ebenfalls werden als „Minderwertige“ betitelt, wobei die
in schwarzer Schrift verfasst. Im Kontrast dazu, wird „Asozialen“ hierbei noch über den „Erbkranken“
der Pfleger in einem weißen Hemd dargestellt. Da der stehen. Dazwischen befindet sich mit einem Anteil von
Titel der Zeitschrift „Neues Volk“ ebenfalls in weiß 56,4 Prozent die durchschnittliche Bevölkerung, die
abgedruckt ist, könnte man dies so deuten, dass dieser mit der Magermilch verglichen wird, was zweifelsfrei
Mann, das Ideal der „neuen Volksgemeinschaft“ einer Abwertung eines Großteils der Bevölkerung
verkörpern sollte. Die Überlegenheit der gesunden, entspricht (Jochheim, 2012).
„arischen Rasse” über „Erbkranke” wird zudem durch
die sitzende Position des behinderten Mannes Abbildung 2. Schaubild aus einem Schulbuch
verdeutlicht.

Auf dem Plakat wird bildlich einerseits die Fürsorge


für behinderte Menschen inszeniert, zugleich jedoch
textlich infrage gestellt. Die Betreuungsbedürftigkeit
behinderter und unheilbar kranker Menschen – die als
„Ballastexistenzen“, „Menschenhüllen“, „geistig
Tote“, „Defektmenschen“ oder „unnütze Esser“
diffamiert wurden (Hohendorf et al., 2002; Klee, 2014,
S. 26) – führe zu einer finanziellen Belastung, weshalb
deren „Ausmerzung“ eine Ersparnis für alle gesunden
Volksgenossen und -genossinnen sei (Hoffmann, Quelle: Eigene Darstellung nach Burgstaller, 1941, S.
2008). 32; Original in Sütterlinschrift

Die Jugend sowie deren Erziehung und Ausbildung In der Darstellung ist die unterste Schicht klar von den
standen besonders im Interesse der Nationalsozialisten, anderen beiden Schichten abgegrenzt (vor allem von
da die junge Generation das Fundament für die den „Erbkranken“), was die Ausgrenzung der
„Volksgemeinschaft“ der Zukunft bilden sollte (Wildt, „Asozialen“ und „Erbkranken“ aus der Gesellschaft
2012a). Damit stellte die Jugend eine besonders symbolisiert. Im Hinblick auf die „Asozialen“ wurde
relevante Zielgruppe der NS-Propaganda dar. Die beispielsweise argumentiert, dass diese sich auch gar
Indoktrination der nationalsozialistischen Ideologie nicht in die deutsche „Volksgemeinschaft“ eingliedern
erfolgte deshalb von klein auf und wurde auch in den wollten (Hoffmann, 2008). Zudem wird suggeriert,
Schulunterricht aufgenommen. So fanden Schaubilder dass „Asoziale“ und „Erbkranke“ zusammen, nahezu
im Unterricht Verwendung, die das deutsche Volk mit ein Viertel der Bevölkerung bildeten und damit sogar
dem Inhalt eines Milchtopfes verglichen (Abb. 2). den Anteil der „Führerschicht“ übertrafen. Somit liegt
Hierbei werden die verschiedenen Schichten, die sich die Schlussfolgerung nahe, dass durch ein
bei der Milchherstellung ergeben (Rahmschicht, Herausfiltern des verunreinigten Bodensatzes
Magermilch und Bodensatz), mit verschiedenen Teilen eingeschritten werden müsse. Im Nationalsozialismus
der Bevölkerung gleichgesetzt. Es wurden somit wurde den Schülerinnen und Schülern also vermittelt,
sowohl Metaphern als auch Visualisierungen zur dass die Gesellschaft nach einer durch „rassische“
strategischen (Gesundheits-)Kommunikation ein- Kriterien zu interpretierenden (natürlichen) Hierarchie
gesetzt. Die oberste Schicht ist die sogenannte aufgebaut ist.
Führerschicht, die 20 Prozent der Bevölkerung
ausmacht und als „besonders wertvoll“ bezeichnet Ein weiteres Ziel der Nationalsozialisten stellte die
wird. Diese Schicht, zu der offensichtlich Adolf Hitler Propaganda für die „erbgesunde“ und „rassisch
und überzeugte Nationalsozialisten und -sozialistinnen wertvolle“ Ehe und Familie dar, die sich an junge
zählten, wird mit der kostbaren, reichhaltigen Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter richtete. Die
Rahmschicht der Milch verglichen (Jochheim, 2012). „arische“ Familie wurde als „Keimzelle der

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Volksgemeinschaft“ angesehen und stand daher sogenanntes arisches Aussehen auf. Darüber hinaus
ausdrücklich unter dem Schutz des NS-Regimes tragen alle Familienmitglieder helle, zum Teil sogar
(Wildt, 2012a, S. 58), was sich beispielhaft an der weiße, Kleidung, was als ein Symbol für Reinheit gilt.
Tätigkeit des Lebensborn zeigt (vgl. Kapitel 3). Die Der Vater ist hochgewachsen und legt, als
Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) war eine Familienoberhaupt, schützend die Hand auf die
Organisation der NSDAP und als solche für Schulter seines ältesten Sohnes, wohingegen seine
Gesundheitsfürsorge, Vorsorgeuntersuchungen und die Frau ihrer Mutterrolle gerecht wird, und das jüngste
medizinische Betreuung zuständig (Eckart, 2012). Kind auf dem Arm trägt. Die geballte Faust des
Darüber hinaus war die NSV jedoch auch stark in die ältesten Sohnes demonstriert Tatkraft und
NS-Propaganda eingebunden (Vorländer, 1986). Eine Kampfeswille. Die Perspektive von unten drückt die
wichtige Aufgabe der NSV stellte zum Beispiel auch Überlegenheit der sogenannten arischen Rasse aus.
die „erbhygienische“ Schulung Erwachsener dar. Mit Insgesamt erweckt das Plakat den Anschein einer
Werbeplakaten wurde zum Lesen der bevölkerungs- sorglosen, harmonischen und kräftigen Familie.
politischen Aufklärungsschriften der NSV aufgefordert
(Abb. 3). Die Darstellung der Familie wird von dem kurzen,
einfachen Appell „Gesunde Eltern – gesunde Kinder!“
Abbildung 3. Plakat der NS-Volkswohlfahrt, 1936 umrahmt. Durch die Verwendung einer Anapher und
der roten Schriftfarbe wird der Slogan besonders
einprägsam. Das Plakat wirbt folglich einerseits für
Kinderreichtum, Familienzusammenhalt und damit für
die „Zukunft der Volksgemeinschaft“. Andererseits
wird auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht,
dass „erbkranke“ Menschen dieser „neuen
Volksgemeinschaft“ nicht angehören sollten. Nur
„erbgesunde“ Paare sollten sich möglichst zahlreich
vermehren, „erbkranker“ Nachwuchs war hingegen
unerwünscht.

5 Fazit

In der NS-Zeit lag der Fokus klar auf der Schaffung


eines „gesunden Volkskörpers“, dem nur gesunde,
starke und „rassisch wertvolle“ Menschen angehören
sollten (Eckart, 2012). Diejenigen, die diesem Ideal
nicht entsprachen, wurden gnadenlos aussortiert
(Eckart, 2012). Welche grausamen Methoden hierbei
ergriffen wurden, wurde anhand der Aktion T4
aufgezeigt. Der Verein Lebensborn e. V. sollte durch
die Förderung des „arischen“ Geburtenwachstums zur
Vision des „gesunden Volkskörpers“ beitragen
(Seidler, 1990). Die Interessen einzelner Individuen
wurden dem Ziel von einem gesunden und starken
eigenen Volk klar untergeordnet (Hohendorf, 2014).

Quelle: Sammlung Deutsches-Hygiene Museum Mittels Propaganda versuchten die Nationalsozialisten


Dresden, Inventar-Nummer 2004/0960.4. die Bevölkerung von der nationalsozialistischen
Utopie und den Maßnahmen zur Schaffung des
Abgebildet ist eine deutsche Idealfamilie, wie sie die „gesunden Volkskörpers“ zu überzeugen (Breil, 2006;
nationalsozialistische Ideologie propagierte: junge Bussemer, 2005). Hierbei nutzten die Propagandisten
gesunde Eltern und vier gesunde, kräftige Kinder. Alle und Propagandistinnen verschiedene Botschafts-
lachen strahlend, wirken sehr glücklich, haben gesunde strategien, wie beispielsweise die gezielte Täuschung
rote Bäckchen und weisen mit ihrer vermutlich (Bussemer, 2005), die Gegenüberstellung von Feind-
blonden Haarfarbe sowie der hellen Haut ein und Idealbildern, Visualisierungen (Diehl, 2006) und

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eine emotionalisierte Sprache (häufig in Appellform) sogenannte „Minderwertige" im Nationalsozialismus.


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