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1 des Bundes-

Ls seinem Un- Die Stunde der


höchste Zeit
isentation des Exekutive? — Zulässigkeit und
orgen werden
n zu stören Grenzen der Pandemiebekämpfung
Tor allem von
a und Ganzen durch Rechtsverordnung und
ht der Pande-
ität verleihen Allgemeinverfügung
tlich) illegale
ie Legitimität
qua Verfas- Levin Schaible
ngesichts der
mie zu starr,
os nach einer
L, die die Dis-
ass die lange
g noch nicht A. Einführung
Für die Covid-19-Pandemie wurde und wird oft behauptet, sie sei die „Stunde der
Exekutive". Um diese Behauptung auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, ist das
Thema dieses Beitrags das Handeln der Exekutive durch Rechtsverordnungen und
Allgemeinverfügungen in der Corona-Krise. Dabei soll zunächst untersucht wer-
den, ob sich Deutschland in einem die „Ausnahmezustand" befindet. Anschlie-
ßend wird auf das Infektionsschutzgesetz als zentrale Ermächtigungsgrundlage
eingegangen. Nach einem Vergleich mit Frankreich wird am Ende die Frage ge-
klärt, ob das Diktum von der Corona-Krise als der „Stunde der Exekutive" tatsäch-
lich zutrifft oder ob es die Lage nur scheinbar erfasst.

B. Krise und Verfassung


I. Die Stunde der Exekutive
Krisenzeiten gelten häufig als „Stunde der Exekutive" und werden als solche auch
benannt.1 Der von 1953 bis 1961 amtierende Bundesinnenminister Gerhard
, S. 27, der die
zelnen, kombi-
einen die Men- 1 So auch in den Nachrichten oft reproduziert: Tagesschau, Dürfen die das?, 12.10.2020,
. 28) erkennt — wwvv.tagesschau.de/inland/corona-massnahmen-125.html (zuletzt abgerufen am
9.4.2021); IDW, Die Corona-Krise als Stunde der Exekutive, 15.4.2020,

23
Levin Schaible

Schröder (CDU) erklärte in seinem bekannten Diktum, was genauer darunter zu


verstehen ist:2

„Die Ausnahmesituation ist die Stunde der Exekutive, weil in diesem Au-
genblick gehandelt werden muß und in diesem Augenblick nicht mehr die
Möglichkeit besteht, etwa — wie dieser Wunsch vorgetragen worden ist—
das ganze Verordnungswerk, das unter Umständen binnen weniger Stun-
den erlassen werden muß, erst komplizierten Beratungen in wenn auch
noch so verkleinerten Ausschüssen zu unterbreiten. "3

Als „politische Vokabel"4 wird dieses Verständnis zugleich als eine Zeit des Re-
gierens mit intransparent beschlossenen Rechtsverordnungen und Maßnahmen
und einer damit einhergehenden „Entparlamentarisierung" und „Entnormativie-
rung" kritisiert.5

II. Der Ausnahmezustand


Damit die „Stunde der Exekutive" schlagen kann, muss eine Form des Ausnahme-
zustands vorliegen. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze, Wesen und Begriff
des Ausnahmezustands näher zu beschreiben. Ein wichtiger Denker des Ausnah-
mezustandes ist der wegen seines Engagements im Nationalsozialismus umstrit-
tene Staatsrechtler Carl Schmitt.6 Bei ihm spielt der Ausnahmezustand im Zusam-
menhang mit dem Begriff der Souveränität eine große Rolle, wie er in seiner sehr
bekannt gewordenen „Definition der Souveränität" zum Ausdruck brachte: „Sou-
verän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet."7 Für ihn stellen sich Aus-
nahmezustand und Normallage als äußerste Gegensätze dar:8 Der Ausnahmezu-
stand ist diejenige Situation, in der eine politische Gewalt Ordnung schafft und

nachrichten.idw-online.de/2020/04/15/die-corona-krise-als-stunde-der-exekutive/ (zu-
letzt abgerufen am 9.4.2021); Der Tagesspiegel, Wie die Corona-Krise die Herrschenden
stärkt, 30.03.2020, www.tagesspiegel.de/politik/die-stunde-der-exekutive-wie-die-
coronakrise-die-herrschenden-staerkt/25697164.html (zuletzt abgerufen am 9.4.2021).
2 KAS, Gerhard Schröder, o.D., www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/personen/bio-
gramm-detail/-/content/gerhard-schroeder-v1 (zuletzt abgerufen am 9.4.2021).
3 Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, 124. Sitzung, 28.9.1960, S. 7177.
4 Barczak, RuP 2020, S. 458 (460).
5 Barczak, RuP 2020, S. 458 (460 ff.); auch durch die nach Barczak verfassungsrechtlich
eher bedenkliche Ministerpräsidentenkonferenz: Barczak, RuP 2020, S. 458.
6 Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 2011, S. 59 ff.
7 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 13; Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 2011,
S. 26.
8 Volkmann, Der Ausnahmezustand, Verfassungsblog. de, 20.3.2020, verfassungsblog.de/
der-ausnahmezustand/ (zuletzt abgerufen am 23.1.2022).

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Die Stunde der Exekutive?

r darunter zu sich so als Souverän zu erkennen gibt.9 Solange keine Ordnung geschaffen ist,
können keine Rechtsnormen gelten, denn „[e]s gibt keine Norm, die auf ein Chaos
anwendbar wäre. Die Ordnung muss hergestellt sein, damit die Rechtsordnung ei-
esem Au- nen Sinn hat."1° Die politische Entscheidung über den Ausnahmezustand hat eine
mehr die ordnungs- und d.h. rechtsstiftende Funktion; die Verbindlichkeit einer rechtlichen
den ist — Norm wird aus der Autorität des Souveräns hergeleitet.11 So lässt sich sagen: „In
ger Stun- seiner absoluten Gestalt ist der Ausnahmefall dann eingetreten, wenn erst die Si-
nn auch tuation geschaffen werden muss, in der Rechtssätze gelten können."12
Während bei Schmitt die Ausnahme „das nicht Subsumierbare"13 und damit recht-
lich nicht fassbare ist, ist der Normalzustand der Zustand des Rechts, in dem auf
Zeit des Re-
alle laufenden Angelegenheiten mit den vorhandenen Mitteln und innerhalb der
Maßnahmen
rechtlichen Grenzen reagiert wird.14 Die Normallage muss aber erst „dezisionis-
Inormativie-
tisch" herbeigeführt werden: „Es muss eine normale Situation geschaffen werden,
und souverän ist derjenige, der definitiv darüber entscheidet, ob dieser normale
Zustand wirklich herrscht."15
Wichtig zu verstehen ist, dass Schmitts Definition vom Ausnahmezustand zu-
; Ausnahme- nächst nicht auf „irgendeine Notverordnung oder jede [n] Belagerungszustand"16
und Begriff anwendbar ist, sondern nach seinem Verständnis vom Ausnahmezustand „viel-
des Ausnah- mehr eine prinzipiell unbegrenzte Befugnis, das heißt die Suspendierung der ge-
mus umstrit- samten bestehenden Ordnung"17 gehört. Mehring ordnet Schmitts Definition als
d im Zusam- politisch und nicht juristisch-institutionell, verfassungsrechtlich ein.18
a seiner sehr Eine weitere Definition des Ausnahmezustands stammt von Gerhard Schröder
achte: „Sou- (CDU):
en sich Aus- „Mit Ausnahmezustand ist eine Lage bezeichnet, in der so schwere Gefahren für
,usnahmezu- den Bestand eines Staates, seiner Sicherheit und (Rechts-)Ordnung bestehen, daß
schafft und deren Bewältigung mit den im Normalfall zu Gebote stehenden Mitteln als nicht
mehr möglich erscheint."19

:ekutive/ (zu- 9 Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 2011, S. 26 f.; Volkmann, Der Ausnahmezustand,
Herrschenden Verfassungsblog.de, 20.3.2020, verfassungsblog.de/der-ausnahmezustand/ (zuletzt ab-
:utive-wie-die- gerufen am 23.1.2022).
un 9.4.2021). 10 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 19; Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 2011,
/personen/bio- S. 26 f.
,021). 11 Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 2011, S. 27.
12 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 19.
13 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 19.
sungsrechtlich 14 Volkmann, Der Ausnahmezustand, Verfassungsblog.de. 20.3.2020, verfassungsblog.de/
58. der-ausnahmezustand/ (zuletzt abgerufen am 23.1.2022).
15 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 19.
führung, 2011, 16 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 13.
17 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 18.
3sungsblog.de/ 18 Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, 2011, S. 27.
19 Klein, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 2014, § 280 Rn. 1.

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Levin Schaible

Der Politikwissenschaftler Matthias Lemke verkürzt diese Definition auf eine


„kriseninduzierte Expansion der Exekutivkompetenzen unter Inkaufnahme von
Noi nisusp endier ungen".2°
Diese Dichotomie zwischen Ausnahme- und Normalzustand wird teilweise in-
frage gestellt, da das Recht der Ausnahme schon Teil des Rechts der Normallage
sei, indem die Mittel, auf die innerhalb der Grenzen der Rechtsordnung zurückge-
griffen werden können, auf alle möglichen Situationen erstreckt worden sind.21
Das frühere Ausnahmerecht, so die Argumentation, wurde immer mehr in das
Recht der Normallage hineingeholt, sodass eine Trennung nicht mehr sinnvoll er-
schiene."
Der Gedanke des Ausnahmezustands stellt für bestehende Rechtsordnungen je-
denfalls eine Gefahr dar, weil dadurch geltendes Recht unter einen Krisenvorbe-
halt gestellt wird.23 Dies wird an dem Begriff des Ausnahmezustands bei Carl Sch-
mitt besonders deutlich: „Im Ausnahmefall suspendiert der Staat das Recht, kraft
eines Selbsterhaltungsrechtes, wie man sagt. "24

III. Die Notstandsverfassung des Grundgesetzes


Auf die Konzentration von Befugnissen bei der Exekutive eines Staates, sei es
auch zur Krisenbewältigung, wird in liberalen Demokratien stets mit Skepsis und
Misstrauen geblickt, da die in einem gewaltenteiligen und demokratischen Rechts-
staat Gestalt gewordene Überzeugung besteht, dass staatlich konzentrierte Macht
zu Missbrauch verleiten und es dadurch zu unverhältnismäßigen Freiheitsein-
schränkungen kommen kann.25 Jedoch soll der Staat für Frieden sorgen und eine
freiheitliche Ordnung aufrechterhalten bzw. wiederherstellen:26
„Die Sicherheit des Staates als verfaßter Friedens- und Ordnungsmacht und die
von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungs-
werte, die [.. I unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigent-
liche und letzte Rechtfertigung herleitet [...]."27

20 Lemke, Demokratie im Ausnahmezustand, 2017, S. 14.


21 Volkmann, Der Ausnahmezustand, Verfassungsblog.de, 20.3.2020, verfassungsblog.de/
der-ausnahmezustand/ (zuletzt abgerufen am 26.3.2020).
22 Volkmann, Der Ausnahmezustand, Verfassungsblog.de, 20.3.2020, verfassungsblog.de/
der-ausnahmezustand/ (zuletzt abgerufen am 26.3.2020).
23 Barczak, RuP 2020, S. 458 (460).
24 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 18 f.
25 Klein, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 2014, § 280 Rn. 2.
26 Shirvani, JZ 2021, S. 109; Klein, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 2014, § 280 Rn. 2.
27 BVerfGE 49, 24 (115 f.).

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Die Stunde der Exekutive?

on auf eine Aufgrund dieses Dilemmas und den Erfahrungen mit dem Art. 48 WRV,
fnahme von wurde auf eine Kodifikation des Ausnahmezustands im Grundgesetz zu-
nächst verzichtet. 28
eilweise in-
Am 24. Juni 1968 wurden aber schließlich unter massiven Studentenprotesten29
Normallage
zurückge- die sog. „Notstandsgesetze"3° verabschiedet. Sie regeln detailliert das Vorgehen
beim inneren Notstand (Art. 35 Abs. 2, Abs. 3, Art. 91 GG) und äußeren Notstand
,rden sind.21
(Art. 80a, 115a ff. GG), wie z.B. im Katastrophen- und Verteidigungsfall. 31 Letz-
mehr in das
sinnvoll er- terer wird gem. Art. 115a Abs. 1 GG vom Bundestag mit Zustimmung des Bun-
desrates festgestellt.

dnungen j e- Ein speziell in der Corona -Pandemie in Betracht kommender Katastrophennot-


stand, wie er fiir regionale Katastrophenfälle in Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG und far
:risenvorbe-
ei Carl Sch- überregionale in Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG normiert ist, hätte auf der Rechtsfolgen-
Recht, kraft seite folgende Auswirkungen:32
Nach Art. 35 Abs. 2 GG kann ein Land zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder
bei einem besonders schweren Unglücksfall Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte
und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie der Bundespolizei33 („Bundes-
grenzschutz") und der Streitkräfte anfordern. Die landesfi-emden Kräfte unterlie-
rates, sei es gen hierbei den Gesetzen und Weisungen des anfordernden Landes.' Vorausset-
Skepsis und zung wäre, dass Corona substantiiert unter den Begriffen „Naturkatastrophe" oder
hen Rechts- „besonders schwerer Unglücksfall" subsumiert werden kann.
ierte Macht Wenn durch die Naturkatastrophe oder den Unglücksfall mehr als das Gebiet eines
mreiheitsein Bundeslandes gefährdet ist, kann die Bundesregierung nach Art. 35 Abs. 3 S. 1
en und eine GG den Landesregierungen die Weisung erteilen, die Polizeikräfte ihrer Länder
anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie zur Unterstützung der Polizei-
kräfte den Einsatz der Bundespolizei und der Streitkräfte anordnen, die hierbei
cht und die unter ihrer Kontrolle stehen.35
,
erfassungs-
L die eigent- Ob der Ausnahmezustand damit Teil des Grundgesetzes geworden ist, hängt von
der Definition ab. Einen Ausnahmezustand, der wesentliche Elemente der Verfas-
sung (zeitweise) durch eine generelle Grundrechtssuspension, ein gesetzesvertre-
tendes Notverordnungsrecht oder andere Instrumente außer Kraft setzen würde,

28 März, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 2014, § 281 Rn. 1.


sungsblog.de/ 29 Schrenk, Deutschland und der Ausnahmezustand, bpb.de, 30.7.2017, www.bpb.de
/dialog/netzdebatte/246570/deutschland-und-der-ausnahmezustand (zuletzt abgerufen
sungsblog.de/ am 31.3.21).
30 BGB1. 1968, I Nr. 41, S. 709 ff, 24.06.1968.
31 Vgl. Klein, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 2014, § 280 Rn. 7 f.
32 Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 35 Rn. 18.
33 Dederer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 35 Rn. 147.
§280 Rn. 2. 34 Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 35 Rn. 25.
35 Dederer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 35 Rn. 158 ff.

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Levin Schaible

kennt das Grundgesetz gerade nicht.' Eine Notstandsverfassung, welche die Be-
fugnisse der Exekutive ausweitet und gleichzeitig die Geltung des Grundgesetzes
auch im Krisenfall sicherstellt, findet sich, wie man beispielhaft am Katastrophen-
notstand sehen kann, hingegen schon.'

IV. Der Gesundheitsnotstand im Infektionsschutzgesetz


Kurz vor Ostern 2020 hielt Bundespräsident Steinmeier eine Fernsehansprache, in
der er sich an die Bürger Deutschlands wendete. Bemerkenswert waren dabei fol-
gende Sätze:

„Nein, diese Pandemie ist kein Krieg. Nationen stehen nicht gegen Natio-
nen, Soldaten nicht gegen Soldaten. Sondern sie ist eine Prüfung unserer
Menschlichkeit.'

Als Staatsoberhaupt wollte er also die Corona-Pandemie nicht in die Kategorie des
Krieges — als äußersten Notstand, den das Grundgesetz kennt, — einordnen. An-
gela Merkel bezeichnete im November 2020 Corona hingegen als eine „Naturka-
tastrophe"", womit man einen Rückgriff auf den im Grundgesetz angelegten Ka-
tastrophennotstand gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG kommunikativ vorbereiten
könnte. Bislang geschah dies allerdings nicht. Stattdessen wurde bisher nur Amts-
hilfe gem. Art. 35 Abs. 1 GG geleistet.'
Die wichtigsten Regelungen zum Umgang mit der Corona-Pandemie finden sich
im Infektionsschutzgesetz. Es ist eine einfachgesetzliche Grundlage und wurde
bisher mehrfach überarbeitet, um es an die Erfordernisse der Zeit anzupassen. 41
Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG kann der Bundestag unter bestimmten Voraussetzun-
gen eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite" feststellen, welche der

36 März, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 2014, § 281 Rn. 3; Lemke, Notstandsgesetze
wegen Corona? — Eine Einordnung, Hypothese, 13.3.2020, emergency.hypotheses.org/
6529_(zuletzt abgerufen am 9.4.2021); Schrenk, Deutschland und der Ausnahmezustand,
bpb.de, 30.7.2017, www.bpb.de/dialog/netzdebatte/246570/deutschland-und-der-aus-
nahmezustand (zuletzt abgerufen am 31.3.21).
37 März, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 2014, § 281 Rn. 3; Klein, in: Isensee/Kirch-
hof, HStR, Bd. XII, 2014, § 280 Rn. 8.
38 Der Bundespräsident, Fernsehansprache zur aktuellen Lage in der Corona-Pandemie,
11.4.2020, www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Stein-
meier/Reden/2020/04/200411-TV-Ansprache-Corona-Ostern.html (zuletzt abgerufen
am 31.3.2021).
39 Tagesschau, „So etwas wie eine Naturkatastrophe", 2.11.2020, www.tagesschau.de/
inland/coronavirus-regeln-lockdown-103.html (zuletzt abgerufen am 1.4.2021).
40 Kersten, ZRP 2020, S. 65.
41 Shirvani, JZ 2021, S. 109.

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Die Stunde der Exekutive?

;lche die Be- Exekutive weitreichendere Befugnisse verleiht.' Eine solche Lage liegt nach § 5
-undges etze s Abs. 1 S. 6 IfSG vor, wenn eine „ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit
.atastrophen- in der gesamten Bundesrepublik Deutschland" besteht. Mit deren Feststellung im
Rahmen der Corona-Krise durch den Bundestag am 25.03.2020 wurde die Exe-
kutive in vielerlei Hinsicht, wie im Folgenden noch genauer dargestellt, zur Er-
greifung von Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus ermächtigt, so-
etz dass — unter dem gedanklichen Rückgriff auf die Definition Lemkes — von der
insprache, in Feststellung eines Gesundheitsnotstands gesprochen werden kann.' Von einem
en dabei fol- die Rechtsordnung suspendieren, dezisionistischen Ausnahmezustand im Sinne
Schmitts ist man hingegen weit entfernt. Die „epidemische Lage von nationaler
Tragweite" wurde durch den Deutschen Bundestag zuletzt nicht verlängert und
?n Natio- endete mit Ablauf des 25.11.21.45
; unserer Neben der Feststellung des Gesundheitsnotstands auf Grundlage des Infektions-
schutzgesetzes, wurde im Zuge der Corona-Pandemie auch auf landesrechtlich
verfasste Notstände zurückgegriffen. So wurde beispielsweise nach bayerischem
:ategorie des Landesrecht der Katastrophenfall festgestellt. 46 Grundlage hierfür war das Baye-
[ordnen. An- rischen Katastrophenschutzgesetz (Art. 4 Abs. 1 S. 1 BayKSG) mit dem im Falle
ie „Naturka- einer Katastrophe, wie sie für die Ausbreitung des Coronavirus angenommen
gelegten Ka- wurde, die mitwirkenden Behörden, Dienststellen und Organisationen besser ko-
vorbereiten ordiniert werden können (vgl. Art. 7 BayKSG).
er nur Amts-

finden sich
2 und wurde
nzupassen.41
oraussetzun-
, welche der

etandsgesetze
Lypothes es . org/
nahmezustand, 42 Siehe dazu vor allem §§ 5 Abs. 2,28 IfSG, § 32 i.V.m. Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG sowie die
d-und-der-aus- Ausführungen später zum IfSG.
43 Deutscher Bundestag, Ja zu Gesetzen zum Bevölkerungs- und Sozialschutz und zu
Is ens ee/Kirch- Krankenhäusern, 25.3.2020, www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw13-de-
corona-infektionsschutz-688952 (zuletzt abgerufen am 1.4.2021).
ona-Pandemie, 44 Shirvani, JZ 2021, S.109; Rixen, RuP 2020, S. 109 (113); Sangs, NVwZ 2020, S. 1780.
:-Walter-Stein- 45 Bundesministerium far Gesundheit, Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes
.tzt abgerufen und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage
von nationaler Tragweite, www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/gesetze
.tagesschau.de/ -und-verordnungen/guv-20-1p/ifsg-aend.html (zuletzt abgerufen am 19.1.2021).
.2021). 46 Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Bayernweiter Ka-
tastrophenfall ab 11. November 2021, www.stmi.bayern.de/med/aktuell/archiv/2021/
211110-feststellung-des-katastrophenfalls/ (zuletzt abgerufen am 18.1.2021).

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Levin Schaible

C. Das Infektionsschutzgesetz
I. Gesetzeszweck und Einordnung
Das Infektionsschutzgesetz ist 2001 in Kraft getreten' und regelt die Meldepflich-
tigkeit, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten (vgl. § 1 Abs.
1 IfSG).48 Die darin geregelten Befugnisse der Exekutive, insbesondere auch jene
der §§ 28 und 32 IfSG, galten also schon vor der Corona-Pandemie. Die Eigen-
verantwortung des Einzelnen soll dabei verdeutlicht und gefördert werden (§ 111
S. 2 a.E.).49
Im Rahmen der Covid-19-Pandemie sollen Infektionen auf Grundlage dieses Ge-
setzes durch Beschränkungen des sozialen Zusammenlebens eingedämmt wer-
den." Die Normen werden dem Gefahrabwehrrecht zugeordnet.51

II. Das Infektionsschutzgesetz und seine Kritiker


Die Kritik am Infektionsschutzgesetz dreht sich häufig um den Parlamentsvorbe-
halt bzw. die Wesentlichkeitstheorie und den Bestimmtheitsgrundsatz.52 Einige
Staatsrechtler sahen diese durch die Verordnungsgesetzgebung verletzt.
Wird die Exekutive gem. Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG zum Erlass von Rechtsverord-
nungen ermächtigt, wie es mit dem Infektionsschutzgesetz der Fall ist, muss das
Parlamentsgesetz gem. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG selbst vorherbestimmen in welchem
Umfang dies hinsichtlich Inhalt, Zweck und Ausmaß möglich sein soll („Selbst-
ents chei dungs formel") .53
Nach dem Bestimmtheitsgebot gem. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG muss das ermächti-
gende Gesetz bestimmen, welches gesetzgeberisch vorgezeichnete Programm ver-
ordnungsrechtlich umgesetzt oder erreicht werden soll („Programmformel") und
der Normadressat der Rechtsverordnung muss aus dem ermächtigenden Gesetz
bereits erkennen können, inwiefern von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird
welchen Inhalt die auf Grundlage der Ermächtigung ergehende Rechtsverordnung
haben wird („Vorhersehbarkeitsformel").54

47 BGB1. 2000, I Nr. 33, S. 1045 ff., 25.07.2000.


48 Rixen, NJW 2020, S. 1097 (1097 f.).
49 Siehe auch Katzenmeier, MedR 2020, S. 461 (464).
50 Rixen, NJW 2020, S. 1097.
51 Rixen, NJW 2020, S. 1097; Kießling, Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Be-
stimmtheitsgebot, Verfassungsblog.de, 4.11.2020, verfassungsblog.de/was-verlangen-
parlamentsvorbehalt-und-bestimmtheitsgebot/ (zuletzt abgerufen am 2.4.2021).
52 Vgl. den Beitrag von Bäcker, in diesem Band, S. 15 ff.
53 Pautsch/Haug, NJ 2020, S. 281 (282 f.).
54 Pautsch/Haug, NJ 2020, S. 281 (282 f.).

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Die Stunde der Exekutive?

Nach der Wesentlichkeitstheorie bzw. dem Parlamentsvorbehalt, die aus dem


Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG und dem Demokratieprinzip gem. Art.
20 Abs. 2 S. 1 GG folgen und über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch auf Landesebene
gelten, muss der parlamentarische Gesetzgeber alle Entscheidungen über wesent-
Meldepflich- liche Fragen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, selbst treffen
vgl. § 1 Abs. und darf sie nicht der Verwaltung überlassen.55
2re auch jene
;. Die Eigen- Das Bundesministerium für Gesundheit erhält im Falle einer epidemischen Not-
erden (§ 111 lage bestimmte Rechtsverordnungsbefugnisse, die in § 5 Abs. 2 IfSG aufgeführt
sind.56 Darunter fällt beispielsweise die Kompetenz, Maßnahmen ohne Zustim-
mung des Bundesrates zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln und
;e dieses Ge-
vergleichbaren Produkten zu treffen.
dämmt wer-
Bezüglich der Feststellung der epidemischen Notlage gem. § 5 Abs. 1 IfSG wird
bemängelt, dass es noch an materiellen Voraussetzungen fehle, die an seine Fest-
stellung geknüpft seien, sodass Defizite in der Vorhersehbarkeit und damit Be-
stimmtheit bestünden.57
mentsvorbe- Die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG erlaubt den zuständigen Behörden, die
atz." Einige „notwendigen Schutzmaßnahmen" zu treffen, wenn Fälle von Kranken, Krank-
:zt. heitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern vorliegen. 58 Un-
echtsverord- ter „notwendigen Schutzmaßnahmen" werden insbesondere — nicht ausschließ-
st, muss das lich — die in § 28a Abs. 1 IfSG und §§ 29-31 IfSG genannten Maßnahmen ver-
in welchem
standen.59 Auf die §§ 29-31 IfSG gestützte mögliche Schutzmaßnahmen sind z.B.
oll („Selbst-
die Beobachtung, Quarantäne (Absonderung) und das berufliche Tätigkeitsver-
bot.60
as ermächti-
Kießling61 meint, § 28a IfSG sei ein Versuch gewesen, dem Bestimmtheitsgebot
)gramm ver-
gerecht zu werden und so den § 28 IfSG verfassungskonform zu machen, was aber
örmel") und
nicht gelungen sei. Die in § 28a Abs. 2 IfSG dargestellten Maßnahmen seien im-
aden Gesetz
mer noch vage formuliert, weitere einschränkende Voraussetzungen fehlten und
,emacht wird
der Paragraf sorge nicht für mehr Klarheit und Freiheit, sondern legitimiere wei-
sverordnung

55 Barczak, RuP 2020, S. 458 (462); Katzenmeier, MedR 2020, S. 461 (462).
56 Barczak, RuP 2020, S. 458 (458 f.); Katzenmeier, MedR 2020, S. 461.
57 Kießling, Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot, Verfassungs-
blog. de, 4.11.2020, verfassungsblog.de/was-verlangen-parlamentsvorbehalt-und-
bestimmtheitsgebot/ (zuletzt abgerufen am 6.4.2021).
ehalt und Be- 58 Katzenmeier, MedR 2020, S. 461 (462); Klafki, NVwZ 2020, S. 1718.
vas-verlangen- 59 Rixen, NJW 2020, S. 1097.
2021). 60 Rixen, NJW 2020, S. 1097.
61 Kießling, Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot, Verfassungs-
biog. de, 4.11.2020, verfas sungsblog. de/was -verlangen-p arlamentsvorb ehalt-und-
bestimmtheitsgeb ot/ (zuletzt abgerufen am 6.4.2021).

31
Levin Schaible

tere intensive Einschränkungen. Klafki meint hingegen, mit der Aufnahme der Re-
gelbeispielen in § 28a IfSG zur Konkretisierung der Generalklausel des § 28 IfSG
würde diese nun „verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen" genügen.62
Die Landesregierungen wurden bereits vor der Pandemie gem. § 32 S. 1 IfSG dazu
ermächtigt Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen nach den §§ 28-31
IfSG zu erlassen oder gem. § 32 S. 2 IfSG die Verordnungsermächtigung an die
zuständigen Stellen zu übertragen.63 Pautsch und Haug' kritisieren, dass die Ge-
neralklausel des § 32 IfSG intensive Grundrechtseingriffe durch die Corona-Ver-
ordnungen der Länder für zahlreiche Lebensbereiche ermögliche. So sei das „ge-
setzgeberisch vorgezeichnete Programm" nicht hinreichend erkennbar und Maß-
nahmen nicht vorhersehbar genug. Auch sie kritisieren damit die Unbestimmtheit
der Ermächtigung. Bezogen auf § 28 IfSG meint Rixen65 dagegen, dass solche Ge-
neralklauseln im Infektionsschutzgesetz zulässig seien, um auf unterschiedliche
und nicht immer vorhersehbare Gefahrenlagen situationsadäquat reagieren zu kön-
nen. Er merkt jedoch auch an, dass sie desto präziser werden sollten, je länger die
Krise andauere.
Im Laufe der Corona-Krise haben sowohl die Bundesregierung als auch die Lan-
desregierungen von dem Recht, Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen
zu erlassen, reichlich Gebrauch gemacht.66

Rückermächtigung der Landesparlamente durch Art. 80


Abs. 4 GG
Landesparlamente können durch Art. 80 Abs. 4 GG nach eigenem Ermessen Lan-
desgesetze verabschieden, wenn Landesregierungen durch Bundesgesetz zum Er-
lass von Rechtsverordnungen ermächtigt sind.67 Dadurch sollen die Landesparla-
mente politisch aufgewertet und deren Handlungsmöglichkeiten gestärkt wer-
den.68 Der Art. 80 Abs. 4 GG i.V.m. § 32 IfSG wäre mithin eine konkrete
Möglichkeit der Landesparlamente Einfluss auf die Corona-Politik zu nehmen.
Ein Gesetz, das derartige Einflussmöglichkeiten vorsieht, wurde beispielsweise in

62 Klafki, NVwZ 2020, S. 1718 (1719); vgl. auch Brocker, NVwZ 2020, S. 1485 (1487).
63 Kraus/Horn, in: Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, 2020, § 32 IfSG
Rn. 378c.
64 Pautsch/Haug, NJ 2020, S. 281 (282 f.).
65 Rixen, NJW 2020, S. 1097 (1099); siehe zur Generalklausel des § 28 S. 1 IfSG auch VG
München, M 26 S 20.1252 Rn. 26.
66 LexCorona, Rechtsakte der Bundesländer, o.D., lexcorona.de/doku.php?id=
rechtsakte_der_laender (zuletzt abgerufen am 5.4.21).
67 Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 80 Rn. 196.
68 Uhle, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 80 Rn. 45.

32
Die Stunde der Exekutive?

ahme der Re- Baden-Württemberg verabschiedet (s.u.) und stieß auch in vielen anderen Bundes-
les § 28 IfSG ländern auf Interesse.69
nügen.62
Kaffir° bezweifelt allerdings, dass verordnungsvertretende Landesgesetze gem.
. 1 IfSG dazu Art. 80 Abs. 4 GG der richtige Weg sind. Denn einerseits werde dadurch zwar die
len §§ 28-31 Diskussion über die richtigen Maßnahmen wieder zurück in die Parlamente verla-
tigung an die gert, andererseits stünde der Rechtsweg über die Oberverwaltungsgerichte gem.
dass die Ge- § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwG0 nicht mehr offen, auf dem man nur gegen Rechtsverord-
Corona-Ver- nungen und nicht gegen Landesgesetze vorgehen kann. Zudem sei das Infektions-
) sei das „ge- geschehen dynamisch und erfordere beständig neue Anpassungen, wofiir das eher
ar und Maß- langwierige Gesetzgebungsverfahren ungeeignet sei. Auch der Transparenz der
bestimmtheit Maßnahmen würde es nicht helfen, da neben Verordnungen nun auch Landesge-
ss solche Ge- setze im Blick zu behalten wären. Zuletzt würden Änderungen des IfSG auf Bun-
erschiedliche desebene zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Gültigkeit von verordnungsver-
;ieren zu kön- tretenden Landesgesetzen führen.
je länger die
Vielversprechender sei die Einführung von Zustimmungs-, Veto- und Aufhe-
bungsvorbehalten, die ebenfalls auf Grundlage des Art. 80 Abs. 4 GG zur effekti-
Rich die Lan- yen und effizienten Einflussnahme der Landesparlamente auf die Corona-Politik
tverfiigungen eingeführt werden könnten und auf Bundesebene anerkannt seien. Ein Gesetz, das
einen Kenntnisgabe- und Zustimmungsvorbehalt fir Corona-Verordnungen ent-
hält, wurde bereits in Baden-Württemberg verabschiedet.71 Doch auch in vielen
anderen Bundesländern wurde über Vorlagen fir eine höhere Parlamentsbeteili-
Art. 80 gung durch Vorbehaltsmechanismen diskutiert.
Wie zu sehen ist, stellt das Infektionsschutzgesetz eine breite Ermächtigungs-
messen Lan- grundlage in Bezug auf die Pandemiebekämpfung dar und gibt der Exekutive gro-
setz zum Er- ßen Spielraum im Erlass und der Umsetzung von Maßnahmen, welche fir notwen-
Landesparla- dig gehalten werden. Auf der anderen Seite ist das Infektionsschutzgesetz scharfer
;estärkt wer- Kritik bezüglich Wesentlichkeitstheorie bzw. Parlamentsvorbehalt und Be-
me konkrete stimmtheitsgrundsatz ausgesetzt, weshalb es unter anderem ständig angepasst
zu nehmen. wird, und die Landesparlamente haben über Art. 80 Abs. 4 GG großes Mitbestim-
.pielsweise in mungspotenzial, das allerdings in den letzten zwei Jahren weitgehend ungenutzt
geblieben ist.

1485 (1487).
), § 32 IfSG

IfSG auch VG

e/doku.php?id=
69 Klafki, NVwZ 2020, S. 1718.
70 Klafki, NVwZ 2020, S. 1718 (1719-1721).
71 Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2020, Nr. 27, S. 649 f.

33
Levin Schaible

D. Blick nach Frankreich


I. Das semipräsidentielle Regierungssystem
Zwischen dem deutschen und französischen Staatsaufbau bestehen einige Unter-
schiede.
Während das Grundgesetz in Deutschland ein parlamentarisches Regierungssys-
tern vorsieht, in dem die Regierung vom Parlament gewählt und vom Bundeskanz-
ler eingesetzt wird und dem Parlament gegenüber verantwortlich ist, sieht die fran-
zösische Verfassung ein semipräsidentielles Regierungssystem vor, in dem der
Präsident direkt vom Volk gewählt wird und weitreichende Kompetenzen hat. 72
Er hat wie die Regierung bedeutende exekutive Funktionen, weshalb man von ei-
ner ,janusköpfigen Struktur"' oder auch „doppelköpfigen Exekutive"74 spricht.
Ein Charakteristikum der deutschen Staatsorganisation ist zudem der föderale
Aufbau als Bundesstaat.75 Frankreich ist dagegen ein Einheitsstaat, mit starken
zentralstaatlichen Elementen.76
Der Präsident nimmt in der französischen Verfassung eine zentrale Stellung ein.77
Er ist zwar vom Volk direkt legitimiert, aber nicht dem Parlament gegenüber ver-
antwortlich.78 Er ist — wie der deutsche Bundespräsident79 — der oberste Repräsen-
tant des Staates und verkörpert die Einheit der Nation." Ihm obliegen die politi-
schen Leitentscheidungen.81 Er hat einerseits sog. „pouvoirs parta0s" (dt.: geteilte
Befugnisse), die er gem. Art. 19 Verfassung von Frankreich (CF) vom Regierungs-
chef oder zuständigen Minister gegenzeichnen lassen muss, und andererseits sog.

72 Vilain/Wendel, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-


recht, 2015, § 4 Rn. 14.
73 Vilain/Wendel, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-
recht, 2015, § 4 Rn. 14.
74 Vogel, Charakteristika des politischen Systems, 10.3.2005, www.bpb.de/izpb/9130/
charakteristika-des-politischen-systems?p=all (zuletzt abgerufen am 8.4.2021).
75 Gaillet, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht,
2015, § 2 Rn. 54.
76 Gaillet, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht,
2015, § 2 Rn. 54.
77 Vogel, Charakteristika des politischen Systems, 10.3.2005, www.bpb.de/izpb/9130/
charakteristika-des-politischen-systems?P=all (zuletzt abgerufen am 8.4.2021).
78 Vogel, Charakteristika des politischen Systems, 10.3.2005, www.bpb.de/izpb/9130/
charakteristika-des-politischen-systems?p=all (zuletzt abgerufen am 8.4.2021).
79 Herzog, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 54 Rn. 7.
80 Vogel, Charakteristika des politischen Systems, 10.3.2005, www.bpb.de/izpb/9130/
charakteristika-des-politischen-systems?p=all (zuletzt abgerufen am 8.4.2021).
81 Vilain/Wendel, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-
recht, 2015, § 4 Rn. 115.

34
Die Stunde der Exekutive?

„pouvoirs propres" (dt.: eigene Befugnisse), wie z.B. die Auflösung der National-
versammlung oder Ernennung und Entlassung des Premierministers.' Darüber
hinaus erlangt er bestimmte Sondervollmachten im Falle eines Notstands.'
einige Unter- Auch der Bundespräsident ernennt und entlässt den Bundeskanzler und kann den
Bundestag unter hohen Hürden auflösen, allerdings verfügt er über keine politi-
sche Entscheidungsgewalt." Er wird nicht direkt vom Volk, sondern von dem ei-
gierungssys-
gens dazu geschaffenen Organ der Bundesversammlung gewählt."
Bundeskanz-
deht die fran- Die Aufgabe und Stellung der Regierung wird in Art. 20 CF zusammengefasst:
, in dem der „Die Regierung bestimmt und leitet die Politik der Nation. Sie verfügt über die
tenzen hat.72 Verwaltung und die Streitkräfte. Sie ist gegenüber dem Parlament [...] verantwort-
man von ei- lich." Sie ist nur dem Parlament gegenüber verantwortlich, aber vom Vertrauen
7e"74 spricht. des Staatspräsidenten und des Parlaments abhängig, wobei ihre Zusammensetzung
der föderale erheblich vom Staatspräsidenten mitbestimmt wird." Der Premierminister, wel-
, mit starken cher der Regierung vorsteht, fungiert als Bindeglied zwischen Parlamentsmehrheit
und Präsident.87
tellung ein.77 In Deutschland ist die Regierung nur vom Vertrauen des Parlaments abhängig und
genüber ver- der Bundeskanzler dient als politischer Führer der Parlamentsmehrheit.88
te Repräsen-
zn die politi-
' (dt.: geteilte II. „L'&at d'urgence sanitaire" — der Gesundheitsnotstand in
Regierungs- Frankreich
m-erseits sog. Am 16.3.2020 wandte sich Macron in einer Fernsehansprache an die französische
Öffentlichkeit und sagte: „Nous sommes en guerre, en guerre sanitaire" (wörtlich
auf dt.: „Wir sind im Krieg, im Gesundheitskrieg").89 Er deutete damit bereits die
Erklärung eines Gesundheitsnotstands („1'&at d'urgence sanitaire") an, dessen
s Verfassungs- Ausrufung in der Corona-Pandemie durch das Notstandsgesetz n°2020-290 vom
s Verfassungs-
23.3.2020 auch möglich wurde.

).de/izpb/9130/ 82 Vilain/Wendel, in: Marsch/VilainfWendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-


2021). recht, 2015, § 4 Rn. 115.
riassungsrecht, a 83 Vogel, Charakteristika des politischen Systems, 10.3.2005, www.bpb.de/izpb/9130/
charakteristika-des-politischen-systems?p=all (zuletzt abgerufen am 7.4.2021).
rfassungsrecht, 84 Vilain/Wendel, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-
recht, 2015, § 4 Rn. 116.
).de/izpb/9130/ 85 Herzog, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 54 Rn. 10, 27.
2021). 86 Vilain/Wendel, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-
Lde/izpb/9130/ recht, 2015, § 4 Rn. 143.
2021). 87 Vogel, Charakteristika des politischen Systems, 10.3.2005, www.bpb.de/izpb/9130/
charakteristika-des-politischen-systems?p=a11. (zuletzt abgerufen am 8.4.2021).
.de/izpb/9130/ 88 Vilain/Wendel, in: MarschNilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-
2021). recht, 2015, § 4 Rn. 142.
; Verfassungs- 89 tlysde, Adresse aux Francais, 16.3.2020, www.elysee.fr/emmanuel-macron/2020/03
/16/adresse-aux-francais-covid19 (zuletzt abgerufen am 8.4.2021).

35
Levin Schaible

Welche Voraussetzungen und Folgen die Erklärung eines Gesundheitsnotstands


hat, wird näher im „Code de la santd publique" (kurz: CSP) ausgeführt: Demnach
kann ein Gesundheitsnotstand gem. Art. L3131-12 CSP im Falle einer „catastro-
phe sanitaire" (dt.: Gesundheitskatastrophe) für das gesamte Staatsgebiet oder nur
Teile davon ausgerufen werden und wird gem. Art. L3131-13 S. 1 CSP vom Mi-
nisterrat per Dekret beschlossen.
Der Ministerrat ist ein eigenes Regierungsorgan und besteht aus dem Staatspräsi-
denten, der gem. Art. 9 CF den Vorsitz innehat, dem Regierungschef und den Mi-
nistern.9° Die Möglichkeit, den Ministerrat zu derartigen gesetzesvertretenden
Verordnungen Mr einen begrenzten Zeitraum zu ermächtigen, ist in Art. 38 CF
angelegt. 91
Nach Art. L3131-14 S. 1 CSP hat der Gesundheitsnotstand zunächst eine Dauer
von einem Monat, kann aber durch ein entsprechendes Gesetz verlängert werden,
das den weiteren Geltungszeitraum angeben muss. Gemäß S. 2 kann der Minister-
rat den Gesundheitsnotstand nach Anhörung des Wissenschaftskomitees per Dek-
ret auch wieder aufheben. Nach S. 3 verlieren die ergriffenen Maßnahmen Aufhe-
bung des Gesundheitsnotstands ihre Gültigkeit.
Art. L3131-15 CSP ermächtigt den Premierminister — wohlgemerkt nicht den
Staatspräsidenten — umfangreich zum Erlass von Dekreten zur Aufrechterhaltung
der öffentlichen Gesundheit, welche zum Teil tief in die Freiheitsrechte der Bürger
eingreifen können. Allerdings betont Abs. III mit Nachdruck, dass die ergriffenen
Maßnahmen stets verhältnismäßig sein müssen.
Aktuell wurde der Gesundheitsnotstand im Zuge der Corona-Krise für das ganze
Staatsgebiet zuerst per Dekret n°2020-1257 am 17.10.2020 erklärt und durch das
Gesetz n°2021-160 bis zum 01.06.2021 verlängert.

III. Der Gesundheitsnotstand im Vergleich


Während in Deutschland zu Beginn der Pandemie eine „epidemische Lage von
nationaler Tragweite" durch den Bundestag festgestellt wurde, wurde in Frank-
reich der „I' dtat d'urgence sanitaire" per Ministerialdekret erklärt, der von der Na-
tionalversammlung verlängert werden kann. In beiden Ländern wurde also ein un-
terschiedlich ausgestalteter Gesundheitsnotstand ausgerufen, der einige drastische
Eindämmungsmaßnahmen und Eingriffe in die Freiheit der Bürger ermöglichte.
Während in Deutschland aber in jedem Fall der Bundestag über das Vorliegen
eines Gesundheitsnotstands bestimmt, ist das Parlament in Frankreich in dieser

90 Vilain/Wendel, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungs-


recht, 2015, § 4 Rn. 171 f.
91 Weber/Deshayes, IWRZ 2021, S. 10.

36
Die Stunde der Exekutive?

eitsnotstands Hinsicht nur eingeschränkt souverän, da das erstmalige Vorliegen vom Ministeri-
Demnach alrat und damit einem exekutiven Organ erklärt werden kann.
ier „catastro-
Vergleicht man den § 5 IfSG mit Art. L3131-15 CSP, so fällt auf, dass in Frank-
biet oder nur
reich in erster Linie der Premierminister zum Erlass von gesetzesvertretenden Ver-
,SP vom Mi-
1
ordnungen ermächtigt wird, die auch Quarantäne-Anordnungen (Art. L3131-15
CSP Abs. I. Nr. 3° CSP) und Einschränkungen der „libertd entreprendre" (dt.: Un-
i Staatspräsi- ternehmensfreiheit; Art. L3131-15 CSP Abs. I. Nr. 10° CSP) umfassen können,
'und den Mi- während in Deutschland auf Bundesebene das Bundesministerium für Gesund-
Nertretenden heit — nicht der Bundeskanzler — eingeschränkt Kompetenzen erhält, um z.B. die
Art. 38 CF Versorgung mit Arzneimitteln (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG) sicherzustellen. Quarantä-
neanordnungen (§ 30 IfSG) oder berufliche Tätigkeitsverbote (§ 31 IfSG) werden
von den zuständigen Behörden und der Landesregierung erlassen (§ 32 S. 1 IfSG).
t eine Dauer
Hieran wird die föderale Struktur Deutschlands im Gegensatz zum französischen
gert werden,
Einheitsstaat besonders deutlich. In beiden Ländern bestimmt aber in großen Tei-
ler Minister-
len die Exekutive, welche Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19-Virus er-
ees per Dek-
griffen werden.
amen Aufhe-

kt nicht den
chterhaltung
Le der Bürger E. Die Corona-Krise als „Stunde der Exekutive"?
e ergriffenen
Die Frage, ob nun von der Covid-19-Pandemie als einer „Stunde der Exekutive"
gesprochen werden kann, verdient fur Deutschland und Frankreich eine genauere
ür das ganze Untersuchung.
'id durch das

I. Deutschland
Erstens: Parlamente eignen sich aufgrund ihrer „deliberativen Anlage"92 und eher
langwierigen Gesetzgebungsverfahren nicht als maßgebende Staatsorgane in Kri-
le Lage von sen, die ein schnelles und entschlossenes Handeln erfordern.
de in Frank- Dem ist entgegenzuhalten, dass Gesetzgebungsprozesse erheblich beschleunigt
von der Na- werden können93 und Parlamente sich in der Vergangenheit auch dazu fähig er-
also ein un- Li wiesen haben.94
drastische
ermöglichte. Ob dies der Verfassungswirklichkeit entspricht, ist wieder eine andere Frage.
is Vorliegen Denn zwar haben Länder wie Baden-Württemberg ihre Einflussmöglichkeiten
[eh in dieser über Art. 80 Abs. 4 GG erweitert, andererseits ist es weiterhin die Exekutive, die
die Corona-Maßnahmen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes beschließt.

; Verfassungs- 92 Barczak, RuP 2020, S. 458 (459).


93 Siehe sog. „Eilgesetzgebung": Barczak, RuP 2020, S. 458 (463).
94 Barczak, RuP 2020, S.458 (463); Klafki, NVwZ 2020, S. 1718 (1721).

37
Levin Schaible

Zweitens: Das Grundgesetz kennt mit seinen Regelungen zum inneren und äuße-
ren Notstand die Notwendigkeit eines schlagkräftigen exekutiven Handelns in Kri-
senzeiten. Auch hier wird die Exekutive ermächtigt, auf schwierige Situationen
adäquat reagieren zu können. Das Infektionsschutzgesetz, auf dessen Basis der
Gesundheitsnotstand festgestellt werden kann, folgt der gleichen Logik und er-
mächtigt die Exekutive, auch durch generalklauselartige Formulierungen wie in
§ 28 und § 32 IfSG.
Das Grundgesetz steht unter keinem Krisenvorbehalt.95 Die Notstandsverfassung
des Grundgesetzes gibt der Exekutive nur eingeschränkt Sondervollmachten,
spielt aber in der Corona-Pandemie ohnehin keine Rolle. Wichtig ist vielmehr,
dass auch in Krisenzeiten Rechtsstaats- und Demokratieprinzip und damit der Par-
lamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz gelten.96 Das Infektionsschutzge-
setz, das auch generalklauselartige Ermächtigungen der Exekutivorgane von Bund
und Ländern enthält, wird nicht umsonst zum Teil heftig von der Staatsrechtslehre
in Bezug auf die Wesentlichkeitstheorie bzw. den Parlamentsvorbehalt und den
Bestimmtheitsgrundsatz kritisiert.
Drittens: Durch die Feststellung der „epidemischen Lage von nationaler Trag-
weite" gab der Bundestag im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes in nicht uner-
heblichen Maße Entscheidungsgewalt ab, um der Exekutive für den Zeitraum der
Pandemie Raum zur Bekämpfung des Coronavirus zu schaffen. Er schien damit
dem Diktum der Krise als der „Stunde der Exekutive" zu folgen. Dieser Zustand
wurde far einen langen Zeitraum in der Corona-Pandemie aufrechterhalten und
lief erst am 25.11.21 aus.
Gemessen an Schmitts berühmten Worten „Souverän ist, wer über den Ausnah-
mezustand entscheidet."97 und der Annahme, beim Gesundheitsnotstand handele
es sich um einen „echten" Ausnahmezustand, ist das deutsche Volk, vertreten
durch den Bundestag, der Souverän, da das Parlament den Gesundheitsnotstand
gem. § 5 Abs. 1 IfSG feststellt und wieder aufhebt und nicht die Exekutive.

II. Frankreich
Für Frankreich ergibt sich ein anderes Bild. Der Ministerrat kann dort den Premi-
erminister auf Grundlage des „Code de la sante publique" per Dekret zum Erlass
von gesetzesvertretenden Verordnungen ermächtigen, sobald eine Gesund-
heitskrise wie die Covid-19-Pandemie vorliegt. Er erhält damit weitreichende Be-
fugnisse zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

95 Barczak, RuP 2020, S. 458 (464).


96 Barczak, RuP 2020, S. 458 (462).
97 Schmitt, Politische Theologie, 2021, S. 13.

38
Die Stunde der Exekutive?

-en und äuße- Trotz allem ist Frankreich ein Rechtsstaat und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
ndelns in Kri- (vgl. Art. L3131-15 Abs. 3 CSP) muss selbstverständlich beachtet werden. Auch
,e Situationen hier sind also dem Handeln der Exekutive Grenzen gesetzt.
3en Basis der
Als weiterer Punkt lässt sich anführen, dass in Frankreich nicht nur das Parlament,
.,ogik und er-
sondern auch der Ministerrat per Dekret den Gesundheitsnotstand erklären kann,
ungen wie in
wenn eine Gesundheitskrise vorliegt. Die Entscheidungsgewalt über den „Ausnah-
mezustand" in diesem Sinne liegt also bei der Regierung.
Ldsverfassung Allerdings kann dieser Ausnahmezustand vorerst nur für einen Monat per Dekret
-vollmachten,
erklärt werden. Danach ist wieder das Parlament gefragt. Darüber hinaus hat das
ist vielmehr,
Parlament jederzeit die Möglichkeit der Regierung das Vertrauen zu entziehen.
lamit der Par-
ionsschutzge-
me von Bund III. Stellungnahme
itsrechtslehre
‚halt und den In Deutschland hat das Parlament eine herausgehobene Stellung. Die Frage, ob
hier die „Stunde der Exekutive" schlägt, lässt sich deshalb nur differenziert beant-
worten. Denn einerseits erhielt die Exekutive beachtliche Möglichkeiten, mit
ionaler Trag- Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen zu regieren und weitreichende
in nicht uner- Maßnahmen zu erlassen. Andererseits entscheidet einzig und allein der Bundestag
Zeitraum der darüber, inwieweit und wann es die Exekutive auf Grundlage des IfSG ermächti-
schien damit gen möchte. Außerdem haben vor allem die Parlamente in den Bundesländern ihre
ieser Zustand Einflussmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Die Stunde der Exekutive schlägt
terhalten und also nur teilweise.
In einer Gesamtschau lässt sich für Frankreich sagen, dass auf dieses Land der
den Ausnah- Begriff „Stunde der Exekutive" viel eher zutrifft. In einem Staat mit einem semi-
nand handele präsidentiellen Regierungssystem ist die Macht allerdings schon im Normalzu-
)1k, vertreten stand bei der Exekutive stärker konzentriert als in einem parlamentarischen Re-
heitsnotstand gierungssystem. In der Krise gilt dies umso mehr.
kutive.

rt den Premi- F. Fazit


Dt zum Erlass
me Gesund- Im Grundgesetz ist der „Ausnahmezustand" im engen Sinne zwar nicht angelegt,
eichende Be- dafür aber eine Notstandsverfassung, die im Rahmen der Covid-19-Pandemie bis
jetzt allerdings keine Rolle spielte und auf deren Grundlage sich ohnehin nur ein-
geschränkt sinnvolle Eindämmungs-Maßnahmen treffen ließen. Stattdessen wurde
eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite" auf Grundlage des Infektions-
schutzgesetzes ausgerufen, die von einigen auch als Gesundheitsnotstand bezeich-

39
Levin Schaible

net wird. Die epidemische Notlage galt bis November 2021 und ermächtigte be-
stimmte Exekutivorgane zum Erlass von Rechtsverordnungen und Allgemeinver-
fügungen zur Eindämmung des Covid-19-Virus. Durch eine erneute Änderung des
IfSG wurden auch danach den Landesregierungen bestimmte Befugnisse zur Pan-
demiebekämpfung erhalten. Auch in Frankreich wurde der Gesundheitsnotstand
ausgerufen, welcher den Premierminister zum Erlass von gesetzesvertretenden
Verordnungen ermächtigt. Dabei ist zu bedenken, dass Frankreichs Modell dem
eines semipräsidentiellen Regierungssystems entspricht, während das Grundge-
setz für Deutschland ein parlamentarisches Regierungssystem vorsieht. Die Frage,
ob in der Corona-Krise die „Stunde der Exekutive" schlägt, kann far Frankreich
bejaht werden, während sich in Deutschland ein differenzierteres Bild ergibt. Ein
Rückblick nach Ende der Krise wird zeigen, ob die in Deutschland erlassenen
Rechtsverordnungen auf der einfachgesetzlichen Grundlage des Infektionsschutz-
gesetzes tatsächlich dem Parlamentsvorbehalt und den Anforderungen des Be-
stimmtheitsgrundsatzes entsprachen oder ob hier normativer Nachbesserungsbe-
darf besteht.

Ausgewählte Literatur
Barczak, Tristan, Die „Stunde der Exekutive", RuP 2020, S. 458 ff.
Brocker, Lars, Exekutive versus parlamentarische Normsetzung in der Corona-
Pandemie, NVwZ 2020, S. 1485 ff.
Katzenmeier, Christian, Grundrechte in Zeiten von Corona, MedR 2020,
S. 461 ff.
Kersten, Jens, Covid-19 — Kein Ausnahmezustand!, ZRP 2020, S. 65 ff.
Kießling, Andrea, Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot?,
Verfassungsblog.de, 04.11.2020, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/
was-verlangen-parlamentsvorbehalt-und-bestimmtheitsgebot/.
Klafki, Anika, Mehr Parlament wagen? — Die Entdeckung des Art. 80 IV GG in
der Corona-Pandemie, NVwZ 2020, S. 1718 ff.
Klein, Eckart, Innerer Staatsnotstand, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.),
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band XII:
Normativität und Schutz der Verfassung, 3. Auflage, Heidelberg 2014.
Lemke, Matthias, Demokratie im Ausnahmezustand — Wie Regierungen ihre
Macht ausweiten, Frankfurt am Main 2017.

40
Die Stunde der Exekutive?

rmächtigte be- Pautsch, Arne/Haug, Volker, Parlamentsvorbehalt und Corona-Verordnun-


Allgemeinver- gen — ein Widerspruch, NJ 2020, S. 281 ff.
Änderung des
gnisse zur Pan- Rixen, Stephan, Grenzenloser Infektionsschutz in der Corona-Krise?, RuP 2020,
dheitsnotstand S. 109 ff.
esvertretenden Sangs, Andrj, Das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemi-
is Modell dem schen Lage von nationaler Tragweite und Gesetzgebung während der Pande-
das Grundge- mie, NVwZ 2020, S. 1780 ff.
eht. Die Frage,
fiir Frankreich Shirvani, Foroud, Gesundheitsnotstand und Kompetenzordnung, JZ 2021,
3ild ergibt. Ein S. 109 ff.
md erlassenen Volkmann, Uwe, Der Ausnahmezustand, Verfassungsblog.de, 20.03.2020, abruf-
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blick, IWRZ 2021, S. 10 ff.

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igen ihre

41

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