andere barbarische Herrscher in römischen Diensten vor ihm,
unterhielt Childerich zugleich auch gute Beziehungen zu der
gallorömischen Gesellschaft sowohl im Königreich von Soissons als auch offensichtlich in jenen Gebieten, die zu seinem unmit- telbaren Herrschaftsbereich gehörten. Obwohl er ein Heide war, der allerdings stärker in der römischen als in der germanischen Tradition verhaftet war, galt er als Beschützer der Romanitas und damit auch der orthodoxen christlichen Kirche. Durch sein häufiges Zusammenwirken mit Aegidius und Syagrius sowie durch seine freundschaftlichen Beziehungen zu gallorömischen Bischöfen baute er seine Position nicht nur innerhalb seiner fränkischen Kriegergefolgschaft, sondern auch im Rahmen der bestehenden römischen Machtstrukturen aus. Insgesamt schuf er damit die Grundlage für den Aufstieg seines Sohnes Chlodwig, der 482 seine Nachfolge antrat.
Chlodwig
Nach dem Tod Childerichs ging die Führung der salischen
Franken auf seinen Sohn Chlodwig über, der die Politik seines Vaters fortsetzte. Ein Brief, den der gallorömische Bischof Remi- gius von Reims unmittelbar nach Childerichs Tod schrieb, zeigt, daß der junge Franke von der gallorömischen Führungsschicht als Administrator der Belgica Secunda anerkannt wurde und daß man von ihm erwartete, daß er die christliche römische Gemeinde unterstützen werde, obwohl er ein Heide war: »Ein großes Gerücht hat uns erreicht, daß Ihr die Verwaltung der Belgica Secunda übernommen habt. Es ist nicht verwunderlich, daß Ihr genauso begonnen habt, wie es Eure Vorväter immer getan haben… Eure Gunsterweise müssen rein und ehrlich sein. Ihr müßt Eure Bischöfe ehren und immer auf ihren Rat hören. Solange Ihr in Übereinstimmung mit ihnen steht, wird Eure Provinz gedeihen.«4 114 Diese Empfehlung an einen heidnischen Fürsten, sein Amt ge- recht auszuüben und den Rat der Bischöfe zu suchen, entsprach keineswegs einer neuen Lage der Dinge, sondern beschrieb lediglich die Tradition der reichsgermanischen Herrscher, die im Dienst der inzwischen christianisierten Romanitas standen. Chlodwig tat offensichtlich einige Jahre lang, was von ihm erwar- tet wurde, aber die Neigung militärischer Führer, ihre Herrschaft auszudehnen, und der Tod des mächtigen Westgotenkönigs Eu- rich, der im Westen ein Machtvakuum hinterließ, lenkten seine Aufmerksamkeit auf das Königreich des Syagrius, das wahrschein- lich die Provinz Lyon und Teile der Belgica Secunda einschloß. 486 begann Chlodwig mit Hilfe anderer fränkischer Fürsten einen Krieg gegen Syagrius, der in einer einzigen Schlacht in der Nähe von Soissons entschieden wurde. Syagrius wurde besiegt, und obwohl er entkam und zu dem Westgotenkönig Alarich II. floh, wurde er an Chlodwig ausgeliefert, der ihn heimlich ermorden ließ. Die Annexion des Königreichs von Soissons durch Chlodwig war in mancher Hinsicht ein Staatsstreich: Ein romanisierter Barbarenkönig trat an die Stelle eines römischen rex. Chlodwig übernahm unverändert das, was von den bucellarii des Syagrius übriggeblieben war, die römische Provinzverwaltung, das Perso- nal der Provinzregierung sowie das Fiskalland, das vorher Aegidi- us und Syagrius beherrscht hatten. Wie Gregor von Tours, unsere wichtigste Quelle, über zwei Generationen später schrieb, wurde seine Stellung auch vom gallorömischen Adel wenigstens formal anerkannt. Aber Chlodwigs Sieg hatte noch weiterreichende Wirkungen. Schon zuvor hatten sich einige fränkische Gruppen im Königreich von Soissons niedergelassen, vielleicht waren sie nach Childerichs Verbannung dort geblieben. Eventuell wurde der Feldzug Chlodwigs gegen Syagrius auch von seinem Wunsch geleitet, die Herrschaft über diese Franken wiederherzustellen. Sein Sieg beschleunigte die Migration fränkischer Gruppen von Norden nach Süden, so daß das Kernland des Syagriusreiches 115 rasch zum fränkischen Machtzentrum wurde. Dies zeigt sich am deutlichsten in der Verfügung, die Chlodwig über seine Bestat- tung traf. Während sein Vater das Gebiet von Tournai zu seinem Machtzentrum erhoben hatte, wo er auch beigesetzt worden war, wurde Chlodwig im Jahre 5 in Paris beerdigt. Wollte der ehrgeizige Barbarenkönig Chlodwig im frühen 6. Jahrhundert seine Macht festigen, so mußte er sich mit anderen Kräften im Westen auseinandersetzen, und zwar zunächst mit den anderen keltischen, germanischen und fränkischen Völkern beiderseits des Rheins einschließlich der Armoricaner, Thüringer, Alemannen und Burgunder, später mit dem römischen Imperi- um, das nun auf den Osten geschrumpft war, den Westgoten von Toulouse und Spanien und den Ostgoten von Italien. Die Chronologie der Regierungszeit Chlodwigs ist hoffnungs- los unklar; sogar die Identität der verschiedenen Völker, die er besiegt und in sein Königreich aufgenommen haben soll, ist zweifelhaft. Anscheinend erkämpfte er zuerst gegen die Kelten der Region Armorica eine Pattsituation, wobei er bestenfalls eine sehr begrenzte Anerkennung der fränkischen Vorherrschaft in dieser Landschaft erzielte. Nach Gregor unterwarf er um 49 die Thüringer, vermutlich nicht die auf der rechten Rheinseite angesiedelten, sondern eine kleine Gruppe, die wie die Franken über den Niederrhein abgewandert war. Aller Wahrscheinlichkeit nach war die Unterwerfung eine viel langwierigere Angelegen- heit, als Gregor glauben machen wollte; die Kampfhandlungen dauerten mindestens bis 502, wenn nicht noch länger. Chlodwigs dritter und wichtigster Sieg über Barbaren war der über die Ale- mannen. Den entscheidenden Sieg errang er bei Tolbiacum, dem heutigen Zülpich südwestlich von Köln, wahrscheinlich um 497. Eine ansehnliche Zahl der Alemannen flüchtete jedoch in das Gebiet von Rätien südlich des Bodensees und des Oberrheins, wo der Ostgote Theoderich sie unter seinen Schutz nahm. Nach der Niederwerfung der Thüringer und der Alemannen wurde Chlodwig um das Jahr 500 in einen ergebnislosen Kampf gegen 116 die Burgunder verwickelt, der durch Vermittlung Theoderichs endete. Wie schon sein Vater vor ihm festigte Chlodwig die Beziehungen zu den gotischen Königreichen durch Heiraten. Vielleicht nahm er sogar die Religion der Goten an. Trotz der anderslautenden Darstellung des Gregor von Tours, der seinen Bericht zwei Ge- nerationen nach dem Tod Chlodwigs niederschrieb und von ihm ein Bild schuf, das mit den bruchstückhaften Kenntnissen, die wir über den historischen Chlodwig besitzen, kaum in Einklang zu bringen ist, vermuten der britische Historiker Ian Wood und sein deutscher Kollege Friedrich Prinz, daß Chlodwig mit dem Gedanken gespielt habe, zum Arianismus bzw. Quasiarianismus seiner gotischen und burgundischen Nachbarn überzutreten, und vielleicht sogar konvertierte.5 Angesichts der Stellung, die der fränkische Herrscher in der lockeren ostgotischen Konföde- ration einnahm, erscheint diese Vermutung durchaus plausibel. Während seiner gesamten Regierungszeit bewahrte Chlodwig eine respektvolle, wenn auch nicht immer bequeme Haltung gegenüber dem großen ostgotischen König Theoderich, nach welchem er sogar seinen ältesten Sohn benannte, und der zwar Gegner Chlodwigs wie die Alemannen beschützte, aber auch eine vorübergehende Waffenruhe zwischen Chlodwig und dem Westgotenkönig Alarich II. vermittelte. Schließlich entschloß sich Chlodwig jedoch, den Entschei- dungskampf mit den Goten vor allem südlich der Loire zu wagen. Sicherlich hing diese Entscheidung mit seinem vieldiskutierten, aber gänzlich im dunkeln liegenden Übertritt zum Christentum zusammen, der in Reims am Weihnachtsfest des Jahres 496, 498 oder auch erst 506 erfolgte. Welchem Glauben Chlodwig dabei den Rücken kehrte, ist nicht gesichert. Nach Gregor von Tours war es ein Polytheismus, zu dem insbesondere die römischen Götter Saturn, Jupiter, Mars und Merkur gehörten. Diese Behaup- tung muß nicht unbedingt ein Fall von interpretatio Romana sein. Wie wir gesehen haben, huldigten die barbarischen Heerführer 117 in römischen Diensten bereits seit langer Zeit der römischen Staatsreligion. Eine andere oder auch zusätzliche Möglichkeit besteht darin, daß Chlodwig einem synkretistischen fränkischen Polytheismus abschwor; dazu gehörte ein Meeresgott, der teils ein Meeresungeheuer, teils Mensch und teils Stier war und eine besondere Familiengottheit der Merowinger gewesen zu sein scheint, wie die Nachfolger Chlodwigs nach dem legendären Urahn der Sippe Merowech benannt wurden. Schließlich oder vielleicht zusätzlich kann sich Chlodwig, wenn die Thesen von Wood und Prinz zutreffen, von einem politisch motivierten Arianismus abgewandt haben. Ebenfalls problematisch bleibt, zu welcher Religion er übertrat. Angesichts der synkretistischen Natur der spätantiken Religion ist die Annahme keineswegs zwingend, daß der Übertritt zum Christentum eine Konversion zu einem radikalen Monotheismus darstellte; Chlodwig kann Christus auch durchaus als einen zu- sätzlichen mächtigen, siegverleihenden Verbündeten angesehen haben, den man für sich gewinnen mußte. Die Bedeutung seiner Konversion, wie sie von Gregor beschrieben wurde, widerspricht dem sicherlich nicht. Nach Gregor war es Chlodwigs orthodoxe burgundische Ehefrau Chrodechild, die ihn als erste drängte, ihre Religion anzunehmen. Der entscheidende Anstoß kam jedoch wie zwei Jahrhunderte zuvor für den ehrgeizigen heidnischen Im- perator Konstantin den Großen in der Schlacht. Als Chlodwig bei Tolbiacum von den Alemannen bedrängt wurde, gelobte er, sich im Falle des Sieges taufen zu lassen. Die Parallele zu Konstantin, auf die Gregor ausdrücklich verweist, war unmißverständlich. Um welche Art von Konversion es sich auch handelte, eine persönliche Angelegenheit war sie jedenfalls nicht. Die Religion des Frankenkönigs war ein wesentlicher Bestandteil der Identität und des militärischen Erfolges eines ganzen Volkes, das von ihm sein Selbstverständnis und seinen Zusammenhalt bezog. Die Konversion des Königs bedeutete notwendigerweise auch die Konversion seiner Gefolgschaft. Daher ist es kein Wunder, daß 118 Gregor berichtet, Chlodwig habe vor seiner Taufe sein »Volk« – vermutlich seine wichtigsten Gefolgsleute – befragt. Und es verwundert auch nicht, daß nicht er allein getauft wurde, sondern gleichzeitig »mehr als 3000 aus seinem Heer« die Taufe emp- fingen. Wenn auch viele Franken ihrem König zum Taufbecken folgten, war die Konversion zweifellos eine militärische Angele- genheit, die Anerkennung eines neuen und mächtigen, den Sieg verleihenden Gottes durch den Befehlshaber und sein Heer. Die Konversion Chlodwigs zum orthodoxen Christentum hatte äußerst weitreichende Auswirkungen nach innen wie nach außen. Die siegreichen Franken waren wie andere germa- nische Völker auch primär ein Heer, das zwar das Monopol der militärischen Machtausübung besaß, aber insgesamt nur eine Minderheit unter der Gesamtbevölkerung bildete und keinerlei Erfahrung in der Zivilverwaltung und auf anderen Gebieten besaß, wie sie zum Erhalt einer Gesellschaft unabdingbar sind. Nun trennte dieses Heer kein kultisches Hindernis mehr von den einheimischen Bewohnern Galliens, den Bauern, Handwerkern und, was besonders wichtig ist, dem gallorömischen Adel und seinen Führungsschichten, den Bischöfen, für die die Religion ein ebenso wichtiges Element ihrer Identität darstellte wie für die Franken. Die Christianisierung ermöglichte nicht nur eine enge Zusammenarbeit zwischen Gallorömern und Franken, wie sie in den gotischen und burgundischen Königreichen schon lange die Regel gewesen war, sondern auch eine wirkliche Verschmelzung der beiden Völker, ein Prozeß, der im 6. Jahrhundert auf allen Ebenen in vollem Gange war. Nach außen war die Konversion gleichbedeutend mit einer Ablehnung der religiösen Traditionen der Nachbarn der Franken, nämlich der Goten und des arianischen Teils der Burgunder, und für beide Königreiche stellte sie eine unmittelbare Bedrohung dar. Gregor behauptete, daß der orthodoxe Konvertit Chlodwig es unerträglich fand, »daß diese Arianer noch einen Teil Galliens besitzen«, aber das war kaum der Grund.6 Vielmehr eröffnete die 119 Zugehörigkeit zur Orthodoxie diesem auf Expansion bedachten Herrscher die Aussicht darauf, die gallorömische Aristokratie der Nachbarkönigreiche zur Zusammenarbeit gewinnen zu können. Somit bedrohte die Konversion des Königs die innere Stabilität seiner beiden Nachbarn, und ungeachtet der unsicheren Chronologie muß sie als Teil der fränkischen Herausforderung der gotischen Vorherrschaft und der burgundischen Präsenz im Westen betrachtet werden. Die relative Schwäche des westgotischen Königreiches von Toulouse nach dem Tod Eurichs ermutigte Chlodwig zweifellos zur Expansion nach Süden. Hinzu kam, daß Chlodwig nun als Nachfolger des Syagrius mit den Westgoten eine ungesicherte Grenze teilte, die er mit seinen Franken im Jahre 498 bereits in einem Zug nach Bordeaux überschritten hatte. Danach beschäf- tigten ihn seine Kämpfe gegen die Alemannen und Burgunder, aber um 507 hatte er die Hände frei, um sich erneut gegen das westgotische Königreich südlich der Loire wenden zu können. Der Feldzug war gut vorbereitet; es nahmen daran einige Burgun- der teil sowie Truppen, die von seinem rheinischen Verwandten Chloderich, dem Sohn des Königs Sigibert von Köln, angeführt wurden. Chlodwig hatte einen Vertrag mit Kaiser Anastasius geschlossen; die Expedition war mit byzantinischen Flottenbe- wegungen vor der italischen Küste abgestimmt worden, die den Ostgoten Theoderich erfolgreich daran hinderten, den Westgoten zu Hilfe zu eilen. Bei Vouillé nordwestlich von Poitiers wurden die Goten vollständig besiegt. Alarich II. fiel, und im Jahr darauf wurden die gotische Hauptstadt Toulouse eingenommen und die gotische Präsenz nördlich der Pyrenäen auf einen schmalen Küstenstreifen bei Narbonne im äußersten Osten reduziert. Auf seiner triumphalen Heimreise wurde Chlodwig in Tours von Abgesandten des Kaisers Anastasius aufgesucht, der ihn in einer offiziellen Urkunde zum Ehrenkonsul erhob. Chlodwig nutzte diese Ehrung, die offensichtlich die kaiserliche Aner- kennung seines Königtums oder zumindest die symbolische 120 Adoption in die kaiserliche Familie einschloß, um seine Macht über die neugewonnenen Gallorömer zu festigen. Er erschien in der Basilika Sankt Martin von Tours, bekleidet mit einem Pur- purumhang und einem Chlamys oder Militärgewand, und setzte sich ein Diadem aufs Haupt. Keines dieser Symbole gehörte zur konsularischen Tradition, aber vielleicht wollte er sein Königtum durch die Verbindung mit der römisch-kaiserlichen Tradition aufwerten. Mit einer berühmt gewordenen, wenn auch zweideu- tigen Formulierung behauptet Gregor, daß er »von diesem Tage an… Konsul oder Augustus genannt« wurde.7 Welche Bedeutung dieses Ritual auch besaß, Chlodwig wandte sich bald der praktischen Durchsetzung seiner Ansprüche zu und ging daran, seine Position innerhalb der Franken abzusichern. Vom erfolgreichsten Anführer dieses multizentralen Verbandes war er zu einer Machtfülle aufgestiegen, wie sie kein Barbar nördlich der Alpen vor ihm besaß. Nun verdrängte er andere fränkische Fürsten, die zum großen Teil aus seiner eigenen Sippe stammten, um seine Macht über die Franken ebenso wie zuvor jene über die Gallorömer zu festigen. Dabei verfuhr er ebenso brutal wie wirkungsvoll. Unter anderem liquidierte er die ge- samte Familie des Königs Sigibert, der die am Rhein bei Köln siedelnden Franken regierte; er ließ den rivalisierenden salischen Anführer Chararich und dessen Sohn hinrichten und veranlaß- te die Ermordung des Ragnachar, eines fränkischen Königs in Cambrai. Zur Zeit Gregors waren die skrupellosen und klugen Manöver König Chlodwigs schon zur Legende verklärt worden, und zweifellos zählten ihm gewidmete, mündlich tradierte Ge- dichte oder Gesänge zu den Quellen Gregors. Doch selbst diese legendären, von einem gallorömischen Bischof überlieferten Darstellungen vermitteln noch einen Eindruck von der Persön- lichkeit und dem politischen Scharfsinn Chlodwigs. Er achtete sorgfältig darauf, jeweils nicht nur den Besitz seines Opfers an sich zu ziehen, sondern auch dessen leudes, das engste Gefolge. Gegen Ende seines Lebens, so berichtet Gregor, klagte er gerne: 121 »Weh mir, daß ich nun wie ein Fremdling unter Fremden stehe, und keine Verwandten mehr habe, die mir, wenn das Unglück über mich kommen sollte, Hilfe gewähren könnten!«8 Wie Gregor versichert, entsprang diese Klage jedoch nicht der Trauer um die toten Verwandten, sondern der Hoffnung, noch einen lebenden zu finden, den er ermorden könnte.
Die Herrschaft über das Frankenreich:
die Übernahme der römischen Verwaltungsstrukturen
Nach den meisten Beschreibungen beruhte die Herrschaft
Chlodwigs über seine umfangreichen Eroberungen auf Angst und persönlichem Charisma. Gregors Schilderungen der Mor- de Chlodwigs an seinen Verwandten und der brutalen Rache an einem fränkischen Krieger, der es gewagt hatte, um seinen Anteil an der bei Soissons gemachten Beute zu streiten, verstär- ken das Bild vom barbarischen Eroberer, der schnell zur Lüge und noch schneller zur Streitaxt griff. Möglicherweise besaß er solche Charaktereigenschaften, aber deshalb waren sie nicht typisch barbarisch; sie zierten auch so manchen spätrömischen Kaiser. Jedenfalls hätten sie allein nicht genügt, um soviel Land zu erobern, und erst recht nicht zur Schaffung eines Königreichs, das nach seinem Tode zwar geschwächt und geteilt wurde, aber doch als ansehnliches Erbe an seine Nachfolger überging. Die außerordentliche Heterogenität der von ihm eroberten Länder und Völker umfaßte vielfältige politische, soziale und religiöse Ordnungssysteme, die zu einem zusammenhängenden und stabilen Herrschaftsbereich verbunden werden mußten. Anders als die Reiche Attilas, Theoderichs und der meisten barbarischen Eroberer blieb das Königreich Chlodwigs und seiner Familie aber über Jahrhunderte bestehen. Daß Attila keine Dynastie gründete, überrascht kaum. Auf- stieg und Fall solcher charismatischen Herrscher waren in der 122
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