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Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) 1

Fehlermöglichkeits- und Einflußanalyse (FMEA)


Beschreibung
Die FMEA ist eine Methode, mit der potentielle Fehler eines Produktes bzw. Prozeß-
schrittes und deren Auswirkungen frühzeitig und präventiv bereits in der Planungs-
und Entwicklungsphase ermittelt werden. Mit der FMEA ist es ferner möglich, das in
einem Unternehmen vorliegende Erfahrungswissen über Fehlerzusammenhänge und
Qualitätseinflüsse auf systematische Weise zu sammeln. Die Sammlung und Bereit-
stellung dieses Erfahrungswissens ist zum einen im planerischen Bereich zur Wie-
derverwertung früherer Lösungen, zum anderen insbesondere für den ausführenden
Bereich sehr wertvoll. Gerade die Suche nach Ursachen für mangelnde Qualität und
die Umsetzung von Abhilfemaßnahmen in der Fertigung beruhen entscheidend auf
Erfahrungswissen, für das die FMEA eine strukturierte Basis liefern kann.

Die Methode wird mit Hilfe eines Formblatts durchgeführt, in dem potentielle Fehler
mit ihren Folgen und Ursachen, ihrer Risiko - Prioritätszahl (RPZ), den vorgesehenen
Prüfmaßnahmen (Istzustand) und den empfohlenen und letztlich getroffenen Abhil-
femaßnahmen zusammengestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist eine Risi-
kobewertung mithilfe von Risiko - Prioritätszahlen, welche die Wahrscheinlichkeit des
Auftretens eines Fehlers, der Folgen und der Entdeckbarkeit abschätzen.

Je nach Zielrichtung und Schwerpunkt werden verschiedene Arten von FMEAn un-
terschieden. Im Einzelnen sind dies

ƒ System-FMEA, die sich im Wesentlichen auf ein Produktkonzept bezieht und


leicht übergeordneten Charakter besitzt,
ƒ die Konstruktions-FMEA, deren Aufgabe es ist, die potentiellen Fehler eines
Entwurfes aufzudecken, zu bewerten und gegebenenfalls Abstellmaßnahmen
vorzuschlagen,
ƒ die Prozess-FMEA, die nach der Erstellung der Fertigungsunterlagen durchge-
führt wird, um in ihnen Schwachstellen aufzudecken, zu bewerten und gege-
benenfalls Abstellmaßnahmen vorzuschlagen.

Die System-FMEA findet auf einer höheren Abstraktionsebene als die Konstruktions-
und Prozess-FMEA statt. Die möglichen Fehler werden aus der top-down Sicht des
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Produktes betrachtet und ihre möglichen Auswirkungen auf den Kunden werden be-
wertet. Somit verbindet die System-FMEA Produkt und Prozesse.

Die Grenzen zwischen den drei Arten der FMEA sind fließend. Der Ablauf, wie er in
der folgenden Abb. 1dargestellt ist, ist bei allen FMEA Arten gleich.

Abb. 1: Ablaufplan für die FMEA

Neben diesem Ablaufplan ist zur erfolgreichen Durchführung einer FMEA das ent-
sprechende Formblatt zu verwenden. Dieses enthält Daten zur Fehleranalyse (poten-
tielle Fehler, deren potentielle Folgen und Ursachen), zur Fehlerbewertung (derzeiti-
ger Zustand: Verhütungs- und Prüfmaßnahmen) und zur Konzeptoptimierung (emp-
fohlene Abstellmaßnahmen, Verantwortlichkeiten, Termine, getroffene Maßnahmen
und Beurteilungen). Zur genauen Kenntnisnahme der Arten, Prozeduren und Ergeb-
nisse der FMEA wird auf die weiterführende Literatur verwiesen, in der mitunter aus-
führliche und lehrreiche Beispiele zu finden sind.
Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) 3

Ziele:
ƒ Identifizierung kritischer Komponenten und Schwachstellen,
ƒ Frühzeitiges Erkennen und Lokalisieren von möglichen Fehlern,
ƒ Abschätzung, Quantifizierung und Reduzierung von Risiken,
ƒ Austausch und Weitergabe von Wissen und Erfahrungen,
ƒ Reduzierung des Fehlleistungsaufwandes (Verringerung der Anzahl von Än-
derungen nach Serienanlauf ⇒ Kostensenkung).

Einsatzgebiete
ƒ Planungs- / Entwicklungsphase
ƒ präventive Qualitätssicherung

Durchführung
Innerhalb eines Teams werden anhand eines Formblattes (zentrales Arbeitspapier)
mögliche potentielle Fehler festgelegt, ihre Folgen untersucht sowie die Ursachen
festgestellt und bewertet. Anschließend werden die Fehlerursachen hinsichtlich der
Auftretenswahrscheinlichkeit A, der Bedeutung für den Kunden B und der Entdek-
kungswahrscheinlichkeit E bewertet, wobei für jedes Kriterium ein Wert zwischen 1
und 10 einzutragen ist (s.a. Tab. 1).

Aus der Multiplikation dieser drei Größen wird die Risikoprioritätszahl RPZ errechnet:

RPZ = A ⋅ B ⋅ E

In der Praxis hat es sich bewährt, die Risikoprioritätszahl RPZ wie folgt als Orientie-
rung zu nutzen:

RPZ < 100: in Ordnung, wenn Team auch die Einzelwertung durch die Risi-
kozahl akzeptiert

100 < RPZ < 200: Entscheidung im Ermessen des Teams, wird mit Begründung im
Formblatt notiert

RPZ > 200: Maßnahmen erforderlich


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Auftretungswahrscheinlichkeit Bedeutung Entdeckungswahrscheinlichkeit


A B E

Bedeutung äußerst gering,


äußerst gering, sehr unwahr-
1 keinerlei optische Beeinträchti- Fehler wird mit Sicherheit ent-
scheinlich, tritt so gut wie nie
gung, nur vom Fachpersonal deckt
auf
erkennbar

2 Fehler wird mit sehr hoher


Bedeutung sehr gering, gerin-
sehr gering, Fehler tritt sehr Wahrscheinlichkeit entdeckt,
bis selten auf, bewährte Konstruk- ge Funktionsbeeinträchtigun-
durch mehrere voneinander
gen, Kunde wird den Fehler
3 tion kaum bemerken
unabhängige Nachweisverfah-
ren bestätigt

vorzugsweise optische oder


geringe funktionelle Beein-
4 trächtigungen, Kunde fühlt sich Fehler wird überwiegend ent-
gelegentlich auftretende Feh-
bis lerursache, im Reifegrad fort- gestört, sofortiger Werkstatt- deckt, regelmäßige Stichpro-
aufenthalt nicht zwingend er- benprüfung, geringer Stichpro-
6 geschrittene Konstruktion fordert, Funktionseinschrän- benumfang
kungen von wichtigen Bedien-
und Komfortsystemen

Fehler wird kaum entdeckt,


Funktionsfähigkeit stark einge-
unregelmäßige Stichproben-
7 Fehlerursache tritt wiederholt schränkt, sofortiger Werkstatt-
prüfung, geringer Sichtproben-
aufenthalt zwingend erforder-
bis und regelmäßig auf, problema- lich, Funktionseinschränkung umfang, Zuverlässigkeit der
tisch, unausgereifte Konstruk- Konstruktionsauslegung kann
8 tion wichtiger Teilsystem, Kunde ist
wahrscheinlich nicht nachge-
sehr verärgert, evt. Sicher-
wiesen werden, Nachweisver-
heitsmängel
fahren sind unsicher

9 Entdecken der Fehlerursache


Sehr häufiges Auftreten der Sicherheitsrisiko, Nichterfül- ist unwahrscheinlich, sporadi-
bis Fehlerursache, unbrauchbare, lung gesetzlicher Vorschriften, sche Sichtprobenprüfung, Feh-
10 ungeeignete Konstruktion Gefahr für Leib und Seele ler erreicht mit Sicherheit den
Kunden

Tab. 1: Orientierungshilfe zur Bewertung der RPZ-Größen


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Tab. 2: Potentielle Fehlerursache(n):

Typische Fehler Typische Fehlerfolgen Typische Fehlerursachen


Ermüdung Geräusche Falsches Material benutzt
Gebrochen Unregelmäßige Funktion Vor Montage bereits korrodiert
Deformiert Keine Funktion Montagefehler
Verschlissen (frühzeitig) Unstabil Falsches Drehmoment
Korrodiert Zeitweilig unterbrochen Unzureichende Schmierung
Klemmt Fahrzeug außer Kontrolle Falsche Warmbehandlung
Gefressen (unsicher) Materialverunreinigung
Verbeult Rauhe Fahreigenschaft Werkzeugmarkierungen
Lose Übermäßiger Kraftaufwand Verformungsrisse
Undicht erforderlich Oberflächenbehandlung
Verbrannt Geruch Falsche Materialdicke
Eingefallen Funktion beeinträchtigt Schlechte Schweißung
Leistungsabfall Luftzug Dimension entspricht nicht der
Abgezogen Schlechtes Aussehen Zeichnung
Kurzschluß Überdehnt
Hoher Widerstand Überbeansprucht
Unterbrechung (elektrisch) Unzureichende Wartung
Farbunterschied Beschädigung in der Produktion
Durchhängen Fehlt
Fluchtungsfehler Fluchtungsfehler
Schmutz-/Wassereintritt Exzentrisch / Unwucht
Vibration Falsche Materialstruktur
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Tab 3: Checkliste zur Durchführung

Planung und Vorbereitung

Definition der Zielfunktion und Festlegung der Aufgabenstellung für die


entsprechende FMEA durch die Geschäftsführung.

Bildung des FMEA - Teams aus Fachleuten unterschiedlicher Abteilun-


gen
(z.B. Entwicklung/Konstruktion, Fertigung, Montage, Kundendienst
oder Qualitätswesen). Die Anzahl der Mitglieder sollte ungerade sein
und zwischen fünf und neun liegen. Festlegung des Moderators durch
die Geschäftsführung.

Planung des zeitlichen Ablaufs der FMEA anhand der Aufgabenstel-


lung der Geschäftsführung, Bereitstellung des erforderlichen Zeitfonds
für die Mitglieder des FMEA - Teams.

Zusammenstellung der erforderlichen Arbeitsunterlagen für das FMEA


- Team wie: FMEA - Formulare, Stammdaten und System-Merkmale,
Funktionsbeschreibungen sowie Forderungen und Wünsche des Kun-
den und der Fertigung

Analyse potentieller Fehler

Vollständige Festlegung aller zu betrachtenden Komponenten, Prozes-


se oder Systemteile und strukturierte Darstellung

Analyse aller geforderten Funktionen und Merkmale.

Auflistung aller möglichen Fehler, bei der die Funktion bzw. ein Merk-
mal nicht erfüllt wird.

Einschätzung aller möglichen Fehlerauswirkungen.

Aufzählung aller Ursachen, die zum betrachteten Fehler führen kön-


nen.

Zusammenstellung bereits getroffener oder geforderter Maßnahmen


zur Fehlervermeidung bzw. -entdeckung.
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Risikobewertung

Auf der Grundlage vorher festgelegter Bewertungskriterien werden die

− Bedeutung (B) des Fehlers


− Wahrscheinlichkeit (A) für das Auftreten eines potentiellen Fehlers
− Wahrscheinlichkeit (E) für die Entdeckung eines Fehlers vor Aus-
lieferung an den Kunden
eingeschätzt.

Bildung der Risikoprioritätszahl aus dem Produkt der drei Einzelfakto-


ren
(RPZ = A x B x E).

Einschätzung des Handlungsbedarfs für Verbesserungen anhand der


Risikoprioritätszahlen und der Einzelfaktoren.

Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung

Herausarbeitung der prinzipiellen Ansatzpunkte für Verbesserungs-


maßnahmen.

Kreative Ideenfindung im FMEA - Team mit Hilfe von Problemlösungs-


techniken.

Bewertung und Auswahl von Verbesserungsmaßnahmen

Analyse der Einzelbewertungen A, B, E.

Analyse der Risikoprioritätszahlen sowie deren Neubewertung nach


gedachter Einführung der Verbesserungsmaßnahmen.

Beurteilung von Kosten und Terminen der möglichen Maßnahmen.

Auswahl geeigneter Verbesserungsmaßnahmen.


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Voraussetzung:
ƒ Vorbereitend auf die FMEA ist eine Systemanalyse bzw. Funktionsanalyse zu
empfehlen!

Vorteile
ƒ präventive Qualitätssicherung
ƒ fördert Zusammenarbeit verschiedener Unternehmensbereiche zu einem frü-
hen Zeitpunkt
ƒ liefert auswertbaren Erkenntniszuwachs hinsichtlich qualitätssichernder Maß-
nahmen

Nachteile
ƒ relativ hoher Zeitaufwand

Softwareunterstützung

ƒ http://www.apis.de

Literatur

VDI-Richtlinie 2247, Qualitätsmanagement in der Produktentwicklung, VDI-Verlag,


Düsseldorf, 1994

Pfeifer, T., „Qualitätsmanagement: Strategien - Methoden - Techniken, Hanser 1993

Tietjen, T., Müller, D. H.: FMEA-Praxis, Hanser Fachbuchverlag, 2003.

Pahl,G., Beitz,W., Konstruktionslehre, Springer-Verlag, Berlin, 1993


Fehlermöglichkeits-
Formular zur FMEAund Einflussanalyse (FMEA) 9

T e il-B e n e n n u n g T e il-N u m m e r
F e h le r-M ö g lic h k e its - u n d -E in flu s s -A n a ly s e
K o n s tru k tio n s -F M E A P ro z e ß -F M E A S y s te m -F M E A M o d e ll / S y s te m / F e rtig u n g D a tu m

K o n s tru k tio n s - M ö g lic h e F e h le r- D e rz e itig e r Z u s ta n d E m p fo h le n e V e ra n tw o rt- V e rb e s s e rte r Z u s ta n d


k o m p o n e n te A b s te llm a ß - lic h k e it

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A rt A u s w irk u n g U rs a c h e

W a h rs c h e in lic h k e it d e s A u ftre te n s d e s F e h le rs B e d e u tu n g d e s F e h le rs W a h rs c h e in lic h k e it d e r E n td e c k u n g d e s F e h le rs


(F e h le r k a n n v o rk o m m e n ) (A u s w irk u n g e n a u f d e n K u n d e n ) (v o r A u s lie fe ru n g a n d e n K u n d e n )
u n w a h rs c h e in lic h = 1 k a u m w a h rn e h m b a re A u s w irk u n g e n = 1 hoch = 1
s e h r g e rin g = 2 - 3 u n b e d e u te n d e r F e h le r, g e rin g e B e lä s tig u n g d e s K u n d e n = 2 - 3 m ä ß ig = 2 - 3
g e rin g = 4 - 6 m ä ß ig s c h w e re r F e h le r = 4 - 6 g e rin g = 4 - 6
m ä ß ig = 7 - 8 s c h w e re r F e h le r, V e rä rg e ru n g d e s K u n d e n = 7 - 8 s e h r g e rin g = 7 - 8
hoch = 9 - 10 ä u ß e rs t s c h w e rw ie g e n d e r F e h le r = 9 - 10 u n w a h rs c h e in lic h = 9 - 10

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