Sie sind auf Seite 1von 22

Göttingen

Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Göttingen
(Begriffsklärung) aufgeführt.
Wappen Deutschlandkarte

GöttingenDeutschlandkarte, Position der Stadt Göttingen hervorgehoben


Koordinaten: 51° 32′ N, 9° 56′ O | | OSM
Basisdaten
Bundesland: Niedersachsen
Landkreis: Göttingen
Höhe: 150 m ü. NHN
Fläche: 117,02 km2
Einwohner: 118.946 (31. Dez. 2022)[1]
Bevölkerungsdichte: 1016 Einwohner je km2
Postleitzahlen: 37001–37099
Vorwahlen: 0551, 05502 (Knutbühren)
Kfz-Kennzeichen: GÖ
Gemeindeschlüssel: 03 1 59 016
Stadtgliederung: 18 Stadtbezirke
und 9 Ortschaften
Adresse der
Stadtverwaltung: Hiroshimaplatz 1–4
37083 Göttingen
Website: goettingen.de
Oberbürgermeisterin: Petra Broistedt (SPD)
Lage der Stadt Göttingen im Landkreis Göttingen
Karte
Über dieses Bild

Marktplatz mit Altem Rathaus und Fußgängerzone

Luftbild von Göttingen (2006 von Nordwesten fotografiert)

Die Leine an der Groner Landstraße (2013)


Göttingen ( anhören?/i, niederdeutsch Chöttingen) ist eine Universitätsstadt in
Südniedersachsen. Mit einem Anteil von rund 20 Prozent Studenten an der Bevölkerung
ist das städtische Leben stark vom Bildungs- und Forschungsbetrieb der Georg-
August-Universität, der ältesten und (nach der Leibniz-Universität Hannover)
zweitgrößten[2] Universität Niedersachsens, und zweier weiterer Hochschulen
geprägt.

Das erstmals 953 als Gutingi urkundlich erwähnte Dorf am Fluss Leine entstand im
Umfeld der heutigen St.-Albani-Kirche. Der später gegründete Marktflecken Gotingen
erlangte um 1230 die Stadtrechte, während das ursprüngliche Dorf Gutingi für lange
Zeit außen vor blieb und ein Schattendasein fristete. Göttingen wurde 1964 zur
Großstadt und ist eines der neun Oberzentren von Niedersachsen. Die Kreisstadt und
größte Stadt des Landkreises Göttingen wurde 1964 als bis dahin kreisfreie Stadt
durch das vom Niedersächsischen Landtag verabschiedete Göttingen-Gesetz in den
gleichnamigen Landkreis integriert, ist jedoch weiterhin den kreisfreien Städten
gleichgestellt.

Göttingen liegt im Süden der Europäischen Metropolregion (EMR) Hannover-


Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg.

Nach Angaben der Stadt lag die Einwohnerzahl im Jahr 2020 bei 131.436, davon hatten
118.480 ihre Hauptwohnung in Göttingen.[3]
Inhaltsverzeichnis
1 Geographie
1.1 Lage
1.2 Naturschutzgebiete
1.3 Klima
1.4 Stadtgliederung
1.5 Nachbargemeinden
2 Geschichte
2.1 Ur- und Frühgeschichte
2.2 Dorf Gutingi
2.3 Pfalz Grona
2.4 Stadtgründung
2.5 Ausbau und Erweiterung
2.6 Wachstum und Selbständigkeit
2.7 Reformation und Dreißigjähriger Krieg
2.8 Wiederaufstieg als Universitätsstadt
2.9 Von Napoleon bis 1866
2.10 1866 bis 1919
2.11 Nationalsozialismus, Kriegs- und Nachkriegszeit
2.12 Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland
2.13 Eingemeindungen
2.14 Einwohnerentwicklung
3 Religion
3.1 Konfessionsstatistik
3.2 Geschichte
4 Politik
4.1 Politik- und Verwaltungsgeschichte
4.2 Rat
4.3 Weitere Wahlen
4.4 Oberbürgermeister
4.5 Abgeordnete
4.6 Ortsräte
4.7 Wappen
4.8 Flagge
4.9 Wahlspruch
4.10 Städtepartnerschaften
5 Bildung und Forschung
5.1 Bibliotheken und wissenschaftliche Serviceeinrichtungen
5.2 Sonstige wissenschaftliche Einrichtungen
5.3 Schulen
6 Kultur und Sehenswürdigkeiten
6.1 Theater
6.2 Musik
6.3 Literatur
6.4 Kunst
6.5 Museen und Archive
6.6 Botanische Gärten der Universität
6.7 Denkmäler
6.8 Bauwerke
6.9 Glockenspiel
6.10 Regelmäßige Veranstaltungen
6.11 Studentenverbindungen und Logen
6.12 Nachtleben
7 Wirtschaft und Infrastruktur
7.1 Verkehr
7.2 Ansässige Unternehmen
7.3 Energieversorgung
7.4 Trinkwasserversorgung
7.5 Abwasserentsorgung
7.6 Gesundheitswesen
7.7 Behörden und öffentliche Einrichtungen
8 Medien
8.1 Printmedien
8.2 Hörfunk
8.3 Fernsehen
8.4 Online-Medien
8.5 Filmstadt Göttingen
9 Sport
9.1 Alpinsport
9.2 Fußball
9.2.1 Fußballturniere
9.3 Basketball
9.4 Standard-Formationstanzen
9.5 American Football
9.6 Kanupolo
9.7 Hockey
9.8 Inline-Skater Hockey
9.9 Tischfußball
9.10 Göttinger Fallschirmsportclub
9.11 Inklusion
10 Persönlichkeiten
11 Sonstiges
12 Literatur
13 Weblinks
14 Anmerkungen
Geographie
Lage
Göttingen liegt am Leinegraben an der Grenze der Leine-Ilme-Senke zum Göttinger
Wald und wird in Süd-Nord-Richtung von der Leine durchflossen, der nördliche
Stadtteil Weende von der Weende, mehrere nordöstliche Stadtgebiete von der Lutter
und mehrere westliche Stadtbereiche von der Grone. Wenige Kilometer weiter nördlich
schließt sich der Nörtener Wald an. Am südlichen Stadtrand von Göttingen liegt der
vom Wasser der Leine gespeiste Göttinger Kiessee, drei Kilometer südlich davon der
Rosdorfer Baggersee.

Das zu Göttingen gehörende Gebiet liegt auf 138 bis 427 m ü. NN westlich der Berge
Kleperberg (332 m) und Hainberg (315 m), wobei die Mackenröder Spitze (427 m) an
der Ostgrenze des Göttinger Walds der höchste Berg Göttingens ist. Im Stadtgebiet
sowie westlich der Leine liegen mit gleichnamigen Stadtvierteln der Hagenberg (auch
Kleiner Hagen genannt; 174 m) und ungefähr 2 km südlich davon die sanfte Erhöhung
des Egelsbergs. An der westlichen Stadtgrenze erheben sich Knutberg (363 m) und
Kuhberg (288 m).

Das direkt westlich des Göttinger Walds befindliche Göttingen liegt zwischen
Solling (etwa 34 km nordwestlich), Harz (etwa 60 km nordöstlich), Kaufunger Wald
(etwa 27 km süd-südwestlich), Dransfelder Stadtwald (13 km südwestlich) und
Bramwald (19 km westlich); die Entfernungen beziehen sich per Luftlinie gemessen
auf die Strecke Göttingen-Innenstadt bis zu den Zentren und Hochlagen der
jeweiligen Mittelgebirge.

Naturschutzgebiete
Im Gebiet der Stadt Göttingen sind zur Erhaltung wertvoller und gefährdeter
Lebensräume zwei Naturschutzgebiete ausgewiesen: Das Naturschutzgebiet Stadtwald
Göttingen und Kerstlingeröder Feld wurde im Mai 2007 ausgewiesen und umfasst eine
Fläche von 1193 Hektar,[4] das Naturschutzgebiet Bratental in den Gemarkungen
Nikolausberg und Roringen besteht seit September 1982 und umfasst 115 Hektar in
drei räumlich voneinander getrennten Flächen.[5]
Klima

Klimadiagramm von Göttingen, 1981 bis 2010[6]


Die Stadt Göttingen liegt innerhalb der gemäßigten Breiten im Übergangsbereich
zwischen ozeanisch und kontinental geprägten Gebieten. Die Jahresmitteltemperatur
beträgt 9,2 °C, die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge liegt bei 644
mm. Die wärmsten Monate sind Juli mit durchschnittlich 17,8 °C und August mit 17,6
°C und die kältesten Januar mit 0,9 °C und Februar mit 1,8 °C im Mittel. Der meiste
Niederschlag fällt im Mai bis Juli mit durchschnittlich 65–66 mm, der geringste im
Februar mit durchschnittlich 39 mm. Im Juli ist mit 6,6 Stunden täglich der meiste
Sonnenschein zu erwarten. Ende Februar 2021 wurde laut DWD die höchste
Temperaturdifferenz seit 1880 (in Jena) binnen einer Woche verzeichnet. Innerhalb
einer Woche stieg die Temperatur in Göttingen ausgehend von der Tiefsttemperatur
des 14. Februar von −23,8 °C um 41,9 °C auf die Höchsttemperatur des 21. Februar
18,1 °C.[7][8]

Stadtgliederung

Die Göttinger Stadtbezirke


Das Stadtgebiet Göttingens ist in 18 Stadtbezirke und Stadtteile eingeteilt. Einige
Stadtteile sind allein oder mit benachbarten Stadtteilen zusammen Ortschaften im
Sinne des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG). Sie haben einen
vom Volk gewählten Ortsrat, der je nach Einwohnerzahl der Ortschaft zwischen 9 und
13 Mitglieder hat; deren Vorsitzender ist ein Ortsbürgermeister. Die Ortsräte sind
zu wichtigen, die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten zu hören. Die endgültige
Entscheidung über eine Maßnahme obliegt jedoch dem Rat der Stadt Göttingen.

Siehe auch: Göttinger Stadtbezirke und Ortschaften


Nachbargemeinden
Folgende Gemeinden grenzen an die Stadt Göttingen. Sie werden im Uhrzeigersinn
beginnend im Norden genannt und gehören alle zum Landkreis Göttingen: Flecken
Bovenden, Waake und Landolfshausen (beide Samtgemeinde Radolfshausen), Gleichen,
Friedland, Rosdorf, Stadt Dransfeld (Samtgemeinde Dransfeld) und Flecken Adelebsen.

Lage ausgewählter zentraler Orte in der weiteren Umgebung Göttingens


DEU Höxter COA.svg
Höxter
67 km Wappen Hildesheim.svg
Hildesheim
79 km DEU Osterode am Harz COA.svg
Osterode am Harz
42 km
DEU Paderborn COA.svg
Paderborn
112 km Kompassrose, die auf Nachbargemeinden zeigt Wappen der Stadt
Nordhausen.svg
Nordhausen
86 km
Coat of arms of Kassel.svg
Kassel
49 km Wappen Bad Hersfeld.svg
Bad Hersfeld
99 km DEU Erfurt COA.svg
Erfurt
154 km
* Entfernungen sind gerundete Straßenkilometer bis zum Ortszentrum.

Geschichte
Die Geschichte Göttingens:[9][10]
Ur- und Frühgeschichte
Das Stadtgebiet Göttingens ist seit der frühen Jungsteinzeit besiedelt, wie
zahlreiche Fundstellen der bandkeramischen Kultur zeigen. Eine dieser Fundstellen
wurde beim Bau des heutigen Einkaufszentrums Kauf Park im Stadtteil Grone in den
1990er Jahren von der Stadtarchäologie großflächig ausgegraben.[11] Darüber hinaus
finden sich Besiedlungsspuren der Bronze- und Eisenzeit.[12]

Dorf Gutingi
Göttingen geht auf ein Dorf zurück, das sich archäologisch bis ins 7. Jahrhundert
nachweisen lässt. Dieses Dorf wurde 953 unter dem Namen Gutingi erstmals in einer
Urkunde König Ottos I. erwähnt – mit der Beurkundung schenkte der spätere Kaiser
dem Kloster St. Moritz in Magdeburg Besitz im damaligen Gutingi[13] – und lag am
Ostrand des Leinetalgrabens im Umkreis der heutigen St.-Albani-Kirche auf einem
Hügel. Diese Kirche wurde spätestens zu Beginn des 11. Jahrhunderts dem Heiligen
Albanus geweiht und ist damit die älteste Kirche Göttingens, wobei das heutige
Gebäude ein Nachfolgebau aus dem 14. und 15. Jahrhundert ist. Neuere archäologische
Funde im Bereich des alten Dorfes weisen auf ein ausgebildetes Handwerk hin und
lassen auf weitreichende Handelsbeziehungen schließen. Durch das Dorf floss ein
kleiner Bach, die Gote, von der das Dorf seinen Namen bezog („-ing“ = „Bewohner
bei“).

Pfalz Grona

Gedenkstein an der Stelle der früheren Pfalz Grona bei Göttingen

Evangelische Friedenskirche, erbaut in den 1950er Jahren am Rande des Geländes der
ehemaligen Pfalz Grona (Informationstafeln dazu am Kirchturm und in einem
Gedenkraum im Erdgeschoss)
Während – abgesehen von den archäologischen Funden – über das Schicksal des Dorfes
Gutingi im frühen Mittelalter nicht viel bekannt ist, tritt mit der Pfalz Grona
(dt. Grone) zwei Kilometer nordwestlich des Dorfes ein Ort deutlicher in der
Geschichte hervor. Als neu erbaute Burg 915 urkundlich erwähnt, wurde sie später
zur Pfalz ausgebaut. Diese über dem gegenüberliegenden Ufer der Leine auf dem
südlichen Sporn des Hagenbergs gelegene Pfalz gilt mit ihren insgesamt 18 bezeugten
Königs- und Kaiseraufenthalten zwischen 941 und 1025 als spezifisch ottonische
Pfalz mittleren Ranges. Insbesondere für Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin
Kunigunde war Grone ein beliebter Aufenthaltsort. Hierher zog sich Heinrich II.
schwer erkrankt im Sommer 1024 zurück, wo er am 13. Juli 1024 verstarb.

Die Burg verlor später ihre Funktion als Pfalz und wurde im 13. Jahrhundert zur
Burg der Herren von Grone umgebaut. Zwischen 1323 und 1329 wurde sie von den
Bürgern der Stadt Göttingen zerstört. Die Reste wurden 1387 von Otto der Quade
wegen seiner Fehde mit der Stadt Göttingen abgetragen.

Stadtgründung

Kruzifix aus dem 12. Jahrhundert, das beim Jacobifriedhof gefunden wurde
An der zur Furt über die Leine führenden Straße, westlich des Dorfes Gutingi,
entstand im Laufe der Zeit ein Wik (= eine kaufmännische Siedlung), das den
Ortsnamen als „gotingi“ weiterführte und später 1230 als „Gotingen“ das Stadtrecht
erhielt.

Das nunmehr so genannte Alte Dorf, das der Stadt anfangs den Namen gab, war nicht
die eigentliche Keimzelle der neuen Stadt; es lag vielmehr außerhalb der ersten
Stadtmauer und ist noch im Stadtgrundriss als gesonderter Bereich um die
Albanikirche und die heutige Lange-Geismar-Straße erkennbar. Unter welchen
Umständen die Stadt Göttingen entstand, ist historisch nicht exakt zu bestimmen.
Man geht davon aus, dass Heinrich der Löwe die Stadtgründung zwischen 1150 und
1180/1200 initiierte. In der Zeit zwischen 1201 und 1208 wird Pfalzgraf Heinrich,
der Bruder Ottos IV., als Stadtherr angegeben. In dieser Zeit wurden bereits von
Göttingen aus welfische Besitz- und Herrschaftsrechte wahrgenommen. Zu dieser Zeit
wurden erstmals Göttinger Bürger (burgenses) erwähnt, was darauf schließen lässt,
dass Göttingen bereits auf spezifisch städtische Weise organisiert war. Die Welfen
verwalteten ihren Besitz um Göttingen von einem Hofe aus, der nördlich des alten
Dorfes, am heutigen Ritterplan, lag und in späterer Zeit zu einer Burg, dem
„Ballerhus“ (balrus) ausgebaut wurde. Die Ackerflur, die zu diesem Wirtschaftshof
gehörte, wird als „Bünde“ (gebundenes Land) bezeichnet und so noch in
spätmittelalterlichen Urkunden erwähnt. Die Hofleute besaßen ihren Wohnsitz neben
dem Herrensitz. In enger Verbindung zum Hof und zur späteren Burg befand sich zudem
die Jacobikirche, welche eine Stiftung Heinrichs des Löwen war, und ein südlich
angrenzender Hof, der 1303 von Herzog Albrecht an das Kloster Walkenried verkauft
wurde. Es liegt nahe, dass durch die Einbeziehung der Jacobikirche und des
angrenzenden Hofes der gesamte Burgkomplex im Süden bis an die heutige Speckstraße
sowie bis in die Nähe der Weender Straße gereicht haben mag.

Göttingen war jedoch keine Reichsstadt, sondern den welfischen Herzögen von
Braunschweig-Lüneburg unterworfen. Die landesherrlichen Statthalter hatten ihre
Residenz in der Burg, die in der nordöstlichen Ecke der ältesten, vor 1250
errichteten Stadtbefestigung lag und an die noch der Name Burgstraße erinnert.
Gleichwohl mussten die Herzöge der Stadt gewisse Freiheiten zubilligen und
Kompromisse schließen. Göttingen wurde in der Frühzeit seiner Geschichte als Stadt
in Konflikte der Welfen mit ihren Widersachern im südlichen Niedersachsen
hineingezogen. Die Auseinandersetzungen in den ersten Jahrzehnten des 13.
Jahrhunderts waren den politischen Interessen der Göttinger Bürger förderlich, und
diese konnten die politisch-militärische Situation geschickt ausnutzen und sich
umwerben lassen. In einer Urkunde aus dem Jahre 1232 bestätigte Herzog Otto das
Kind den Göttingern die Rechte, die sie zur Zeit seiner Onkel – also Otto IV. und
Pfalzgraf Heinrich – besessen hätten. Dabei wird es sich um solche Privilegien
gehandelt haben, die den Handel erleichterten, am Ort wohnende Kaufleute schützten
und Befugnisse der Göttinger Selbstverwaltung absteckten. Er stellte in Aussicht,
dass die Stadt nicht in fremde Hände gelangen solle. Es ist davon auszugehen, dass
spätestens zu dieser Zeit ein von den Bürgern gestellter Stadtrat und damit ein
praktikables Instrument der Selbstverwaltung existierte. Namen von Ratsherren
werden erstmals in einer Urkunde aus dem Jahre 1247 genannt.

Ausbau und Erweiterung

Städtisches Museum im Hardenberger Hof am Ritterplan


Der von der alten Stadtbefestigung zunächst geschützte Bereich umfasste den Markt,
das heutige alte Rathaus, die beiden Hauptkirchen St. Johannis und St. Jacobi, die
kleinere St.-Nikolai-Kirche, sowie die wichtigsten Verkehrswege Weender, Groner und
Rote Straße. Außerhalb dieser Befestigung, vor dem inneren Geismarer Tor, lag noch
das alte Dorf, das danach Geismarer altes Dorf genannt wurde, mit der Kirche St.
Albani. Das Dorf gehörte im Hochmittelalter nur zu Teilen zum welfischen
Herrschaftsbereich und konnte deswegen nicht an den städtischen Privilegien und am
Schutz durch die Stadtmauer teilhaben.

Geschützt wurde die Stadt zunächst durch Wälle, spätestens Ende des 13.
Jahrhunderts durch Mauern auf den Wällen. Von dieser alten Stadtbefestigung ist nur
in der Turmstraße der Mauerturm sowie ein Teil der Mauer erhalten. Das damals
befestigte Areal umfasste maximal 600 mal 600 m, etwa 25 ha, und war damit zwar
kleiner als Hannover, jedoch größer als die benachbarten welfischen Städte
Northeim, Duderstadt und Münden. Die Genehmigung zur Errichtung des Walls wurde
1362 von Herzog Ernst von Braunschweig-Göttingen erteilt, der Bau zog sich
schließlich über 200 Jahre hin.[14] Nimmt man die von den Landesfürsten angeordnete
Anlage von Außenwerken und die notwendigen Instandsetzungsarbeiten und späteren
Verbesserungen hinzu, summiert sich die Bauzeit auf insgesamt 400 Jahre. Gewaltige
Geldsummen und Anstrengungen waren nötig, um den Wall in einem solchen Zustand zu
errichten, wie er auf alten Stichen und Plänen zu sehen ist. Zunächst bildete er
einen einfachen Graben mit niedrigem Aufwurf, welcher durch Zäune und Knicks,
später mittels Planken und einer niedrigen gemauerten Brustwehr verstärkt wurde. In
ihrem Endzustand besaß der Wall eine starke Stützmauer und Brustwehr, einen
breiten, aus einer Kette von Teichen zusammengesetzten Festungsgraben, mindestens
30 am Außenrand der Wälle errichtete Türme sowie eine Reihe von Schanzen und
Außenbastionen. Vier Haupttore entstanden im Kontext zu den jeweiligen Toren der
alten Stadtmauer und wurden als äußere Tore bezeichnet.

Der südlich der Mauern fließende Bach Gote wurde um diese Zeit durch einen Kanal
mit der Leine verbunden. Der danach Leinekanal genannte Wasserlauf der Leine führte
wesentlich mehr Wasser in und durch die Stadt hindurch.

Im Zuge der welfischen Erbteilungen erhielt 1286 Herzog Albrecht der Feiste die
Herrschaft über Südniedersachsen. Er wählte Göttingen zu seinem Herrschaftssitz und
zog in die in der nördlichen Altstadt befindliche Burg, das Ballerhus (auch
Bahlrhus) ein. Von diesem wurde außerhalb der Mauern im Westen auf der
gegenüberliegenden Seite des Leinekanals eine Neustadt, ein beidseitig bebauter
Straßenzug von nur etwa 80 m Länge, noch vor 1300 angelegt. Albrecht beabsichtigte
mit der Neugründung ein Gegengewicht zur wirtschaftlich und politisch schnell
wachsenden Stadt zu schaffen, um von diesem Stützpunkt aus seine Macht neu zu
festigen. Der Herzog konnte das aufstrebende Göttingen jedoch nicht daran hindern,
sich nach Westen weiter auszudehnen, da es dem Göttinger Rat gelang, der Neustadt
alle Entwicklungsmöglichkeiten zu verbauen. Nachdem sich das Projekt schlecht
entwickelte, kaufte der Rat der Stadt Göttingen diese unangenehme
Konkurrenzgründung im Jahre 1319 für nur 300 Mark auf. Im Süden an die Neustadt
wurde zunächst als Pfarrkirche der Neustadt die St.-Marien-Kirche errichtet, die im
Jahre 1318 mitsamt den angrenzenden Höfen dem Deutschen Ritterorden übertragen
wurde.

Am Rande der Altstadt wurden zudem im späten 13. Jahrhundert zwei Klöster
gegründet. Im östlichen Teil der Altstadt, auf dem Gelände des heutigen
Wilhelmsplatzes, wurde zunächst ein Franziskanerkloster errichtet. (→ eigener
Artikel: Franziskanerkloster Göttingen) Nach Angaben des späteren Stadtchronisten
Franciscus Lubecus sollen sich die Brüder des 1210 gegründeten Franziskanerordens
seit 1268 dort angesiedelt haben, möglicherweise aber auch bereits 1246. 1306 wurde
wahrscheinlich die Kirche des Barfüßerklosters („Barfüßerkirche“) geweiht, von der
ein 1424 entstandenes Altarretabel erhalten ist. Der Konvent gehörte zunächst zur
Kölnischen Franziskanerprovinz (Colonia); 1462 wurde er von der Ordensleitung
gezwungen, die Ordensregeln der Observanz anzunehmen, und der Sächsischen
Franziskanerprovinz (Saxonia) zugewiesen.[15] Das Kloster bestand bis 1533, nachdem
es dort ab 1529 zu einem teilweise gewalttätigen Konflikt zwischen dem Stadtrat,
der Bevölkerung und den Franziskanern gekommen war. Der frühere Provinzial der
Saxonia, Andreas Grone (Fricke), wurde vom Rat 1531 wegen „aufwiegelnder Reden“ aus
der Stadt vertrieben. Am 23. Juli 1533 verließen alle Ordensbrüder auf Druck des
Rates hin in einer feierlichen Prozession die Stadt. Ihre Bibliothek mit rund 450
bis 500 Bänden wurde 1545 aufgelöst.[16] Da die Franziskaner als Ausdruck ihrer
Armut und Demut keine Schuhe trugen, wurde ihr Orden im Volksmund Barfüßer genannt;
daher erhielt die zum Kloster führende Straße ihren heutigen Namen Barfüßerstraße.
Ausgrabungen am Wilhelmsplatz förderten im Jahr 2015 zahlreiche Skelette zutage,
bei denen es sich um bestattete Franziskanerbrüder handelte.[17] Im Dreißigjährigen
Krieg versuchten die Franziskaner ab 1628, geschützt von der katholisch-
kaiserlichen Besatzung, ihr Kloster in Göttingen zu reaktivieren und gerieten dabei
in Konkurrenz zu den Minoriten; mit Hilfe von Kaiser Ferdinand II. und Nuntius
Aloisius Carafa konnten sich die Franziskaner durchsetzen. Bereits im Februar 1632
mussten sie jedoch aus Göttingen fliehen und das Kloster aufgeben, nachdem die
Stadt von protestantischen Truppen zurückerobert worden war.[18]
Im Jahre 1294 gestattete Albrecht der Feiste den Dominikanern im Papendiek, am
Leinekanal gegenüber der Neustadt, ein Kloster zu gründen, als dessen Klosterkirche
die 1331 geweihte Paulinerkirche diente.

Juden wurden im späten 13. Jahrhundert in der Stadt angesiedelt. Unter dem Datum
des 1. März 1289 erteilten die Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg dem Göttinger
Rat die Erlaubnis, den Juden Moses in der Stadt aufzunehmen. Die Juden wohnten
hauptsächlich in der Nähe der St.-Jacobi-Kirche in der heutigen Jüdenstraße. In
Göttingen war die Geschichte der Juden schon im Mittelalter von großem Leid
geprägt. Nachdem im Jahre 1369/1370 Herzog Otto III. der Stadt das Recht der
Gerichtsbarkeit über die Juden abgetreten hat, kam es hier immer wieder zu blutigen
Pogromen und Vertreibungen. Von 1460 bis 1599 wohnten über 100 Jahre überhaupt
keine Juden in Göttingen.

Das 14. und das 15. Jahrhundert bildeten für Göttingen eine Blütezeit
wirtschaftlicher Machtentfaltung, von der die Werke der Baukunst Zeugnis ablegen.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts begann der Neubau der St.-Johannis-Kirche
als gotische Hallenkirche. Ab 1330 ersetzte ein gotischer Bau die kleinere St.-
Nikolai-Kirche. Nach dem Abschluss der Arbeiten an der St.-Johannis-Kirche wurde in
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit dem Neubau der St.-Jacobi-Kirche
begonnen. In den Jahren nach 1366 entstanden wesentliche Teile des (jetzigen alten)
Rathauses. Die heutige Gestalt des Gebäudes erhielt es in Grundzügen erst um die
Mitte des 15. Jahrhunderts.

In den Jahren um 1360 wurde zudem der Befestigungsring um die Stadt neu abgesteckt
und umfasste nunmehr die Neustadt und das Alte Dorf. Im Zuge dieser Baumaßnahmen
wurden die vier Stadttore weiter nach außen verlegt und das Gebiet der Stadt wuchs
auf ein Areal von etwa 75 ha. Ab 1380 entstand im Umland die weiträumige Göttinger
Landwehr mit zunächst zwei unregelmäßigen Ringen um die Stadt.

Wachstum und Selbständigkeit


Nach dem Tode Albrecht des Feisten 1318 kam Göttingen über Otto den Milden († 1344)
an Herzog Ernst I. († 1367). Das von ihm regierte Fürstentum Göttingen bildete ein
Teilfürstentum im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. Das Fürstentum Göttingen war das
wirtschaftlich ärmste der welfischen Fürstentümer. Unter Ernsts Nachfolger, Otto I.
(† 1394), gelang es Göttingen, seinen Status als autonome Stadt weiter zu
befestigen. Otto I., der Quade (der Bösewicht) genannt, wird als markanter
Vertreter des damaligen Rittertums beschrieben, dessen Hass den Städten galt, deren
aufblühende Macht ihm ein Dorn im Auge war. Dementsprechend stand seine Herrschaft
ununterbrochen im Zeichen von Fehden und außenpolitischen Konflikten. Obwohl die
Stadt Göttingen anfangs heftig von ihm bedrängt wurde, gelang es ihm letztlich
nicht, die Landesherrschaft weiter auszubauen, wovon die Selbständigkeit Göttingens
profitierte. Das vor den Toren der Stadt gelegene herzogliche Landgericht am
Leineberg geriet unter Göttinger Einfluss und wurde 1375 von Otto an die Stadt
verpfändet. Es gelang der Stadt, neben der Erlangung der gerichtsherrschaftlichen
Rechte, grundherrschaftliche Rechte von Otto zu erwerben. Im April 1387 erreichten
die Auseinandersetzungen zwischen der Stadt und Otto ihren Höhepunkt: Die Göttinger
erstürmten die herzogliche Burg innerhalb der Stadtmauern, im Gegenzug verwüstete
Otto Dörfer und Ländereien in der Umgebung. Die Bürger konnten jedoch im Juli in
einer offenen Feldschlacht unter dem Stadthauptmann Moritz von Uslar zwischen
Rosdorf und Grone einen Sieg über die fürstliche Streitmacht erringen. Otto musste
danach im August 1387 die Freiheit der Göttinger Güter in der Umgebung anerkennen.
Insofern markiert das Jahr 1387 einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der
Stadt. Nach Ottos Tod konnte Göttingen unter dessen Nachfolger Otto Cocles (der
Einäugige) seine Autonomie weiter ausbauen, nicht zuletzt, weil mit Otto Cocles das
Haus Braunschweig-Göttingen ausstarb und die offene Erbfrage sowie seine vorzeitige
Abdankung 1435 zu einer weiteren Destabilisierung der landesherrschaftlichen Macht
führten.
Das Verhältnis zur welfischen Landesherrschaft war in der Folgezeit bis zum Ende
des 15. Jahrhunderts durch eine ständige und erfolgreiche Zurückdrängung des
landesherrlichen Einflusses auf die Stadt gekennzeichnet. Auch wenn Göttingen
offiziell keine Freie Reichsstadt war, sondern stets den Braunschweiger Herzögen
untertan blieb, so konnte es sich doch eine bedeutende Selbständigkeit erkämpfen
und wurde teilweise in Urkunden unter den Reichsstädten geführt und zu besonders
wichtigen Reichstagen geladen.

Nach diversen weiteren dynastischen Teilungen und Herrschaftswechseln, die mit dem
Tode Otto Cocles’ (1463) einsetzten, erhielt Erich die Herrschaft über das
zusammengelegte Fürstentum Calenberg-Göttingen. Die Stadt verweigerte zunächst dem
neuen Herrscher die Huldigung, woraufhin Erich 1504 bei König Maximilian eine
Reichsacht gegen Göttingen erwirkte. Die andauernden Spannungen führten zu einer
wirtschaftlichen Schwächung der Stadt, so dass die Stadt letztendlich 1512 die
Huldigung leistete. Schon bald darauf zeichnete sich das Verhältnis zwischen Erich
und der Stadt durch eine eigenartige Friedfertigkeit aus, die darauf zurückgeführt
wird, dass Erich finanziell auf die Stadt angewiesen war.

Grundlage für den politischen und allgemeinen Aufschwung Göttingens im


Spätmittelalter war die wachsende wirtschaftliche Bedeutung der Stadt. Diese
beruhte vor allem auf der verkehrsgünstigen Lage im Leinetal an einem alten und
wichtigen Nord-Süd-Handelsweg. Dieser begünstigte den heimischen Wirtschaftszweig,
die Wollweberei in Göttingen. Neben den Leinenwebern, die zwar zum inneren Kreis
der Göttinger Gilden gehörten, allerdings im sozialen Ansehen am unteren Ende
rangierten, siedelten sich in der Neustadt die Wollenweber an. Die dort
verarbeitete Wolle kam hauptsächlich aus der Umgebung der Stadt; teilweise standen
hier bis zu 3000 Schafe und 1500 Lämmer. Die Wolltücher wurden erfolgreich bis nach
Holland und über Lübeck exportiert. Ab 1475 wurde mit der Anwerbung neuer
Fachkräfte die heimische Tuchproduktion ausgebaut. Diese so genannten neuen
Wollenweber brachten neue, bisher nicht angewandte Techniken mit nach Göttingen und
festigten die Stellung der Stadt als exportorientierte Tuchmacherstadt für drei
Generationen. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als mit den billigen englischen
Tüchern kaum noch konkurriert werden konnte, kam es zum Niedergang des Göttinger
Tuchmachergewerbes.

Von der guten Verkehrslage zwischen den bedeutenden Handelsstädten Lübeck und
Frankfurt am Main profitierten die Göttinger Kaufleute. Der Göttinger Markt
erreichte überregionale Bedeutung. Viermal im Jahr kamen zum Jahrmarkt fremde
Händler in großer Zahl nach Göttingen. Die Kaufleute, die den Fernhandel als
Zulieferer für den Göttinger Markt und als Transithändler im überregionalen
Geschäft betrieben, besaßen in Göttingen die großen Vermögen.

Göttingen trat der Hanse bei. Die erste Ladung der Stadt zum Hansetag wird auf 1351
datiert.[19] Das Verhältnis zur Hanse blieb jedoch weitgehend distanziert. Als
Binnenstadt nutzte Göttingen zwar gerne das funktionierende Wirtschaftsnetz der
Hanse, wollte sich aber nicht in die Politik des Gesamtverbandes verwickeln lassen.
Zahlendes Mitglied wurde Göttingen erst 1426, und 1572 folgte bereits der
endgültige Austritt aus der Hanse.

Reformation und Dreißigjähriger Krieg

Ansicht der Stadt von Westen (Holzschnitt aus dem Jahr 1585)
Das 16. Jahrhundert begann in Göttingen mit wirtschaftlichen Problemen, die
schließlich zu Spannungen führten. Zum offenen Konflikt zwischen Handwerksgilden
und Rat, der im Wesentlichen von der Schicht der Kaufleute gestellt wurde, kam es
1514, als der Rat zur Haushaltssanierung neue Steuern erlassen wollte. Am 6. März
1514 stürmten die Gilden das Rathaus, setzten den Rat kurzerhand gefangen und
jagten ihn anschließend aus der Verantwortung. Der Rat konnte zwar mit Hilfe von
Herzog Erich I. seine alte Stellung wieder zurückgewinnen, der Konflikt schwelte
jedoch weiter und bildete damit den Nährboden für die Einführung der Reformation in
Göttingen.

Die Reformation, die infolge von Martin Luthers Thesenanschlag 1517 und dem
Reichstag zu Worms im Jahre 1521 nach und nach weite Teile Deutschlands und
insbesondere die großen Städte ergriffen hatte, schien jedoch zunächst an Göttingen
vorbeizugehen. Selbst als der Bauernkrieg 1524/25 durch Deutschland tobte, blieb es
in Göttingen ruhig. Erst 1529, also zwölf Jahre nach Luthers Thesenanschlag, kam in
Göttingen die Reformation auf. Anlass dazu war zunächst eine Szene ganz
mittelalterlicher Prägung: eine Bartholomäus-Prozession. Derartige Prozessionen
waren in den großen Städten Deutschlands in diesen Zeiten selten geworden. Das alte
Kirchenwesen war in Göttingen bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch unbestritten. Der
Umbruch wurde von den neuen Wollenwebern eingeleitet, jenem Personenkreis also, der
erst ab 1475 in Göttingen angesiedelt war, und insofern dem neuen Gedankengut
offener gegenüberstand als die Alteingesessenen, also gewissermaßen das progressive
Element in der Stadt bildete. Diese neuen Wollenweber hatten eine
Gegendemonstration zu der Bartholomäus-Prozession formiert und die Prozession auf
der Groner Straße mit Luthers Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ empfangen
sowie den Zug mit weiteren christlichen Psalmen und Spottliedern begleitet. Über
den religiösen Aspekt hinaus stellten damit die neuen Wollenweber zugleich das in
der Stadt bestehende Herrschaftssystem in Frage.

Nunmehr drängten sich die Ereignisse, der vorherigen Verspätung folgte eine
überraschende Beschleunigung des Umbruchs: Mit dem ehemaligen Rostocker Dominikaner
Friedrich Hüventhal war jetzt ein evangelischer Prediger in der Stadt. Dieser
gewann zunehmend an Einfluss, hielt eine öffentliche Predigt auf dem Marktplatz und
konnte schließlich nach kontroversen Verhandlungen mit dem Rat gegen den Willen der
Paulinermönche in der Paulinerkirche am 24. Oktober 1529 den ersten regulären
evangelischen Gottesdienst in Göttingen feiern. Dieser Ort musste gewählt werden,
da der Rat der Stadt Göttingen anfangs noch keine Verfügungsgewalt über die
Pfarrkirchen in der Stadt hatte. Diese unterstanden der Verfügungsgewalt des
Herzogs Erich I. Dieser hing noch dem alten Glauben an und wollte evangelische
Predigten in den ihm unterstellten Pfarrkirchen nicht zulassen. Erich I. war
bereits 1525 dem Dessauer Bund, einem antiprotestantischen Bündnis norddeutscher
Staaten, beigetreten, und sah durch die Einführung der Reformation in der größten
Stadt in seinem Fürstentum Calenberg-Göttingen das Verhältnis zwischen der Stadt
und ihrem Landesherrn empfindlich gestört. Nachdem die Göttinger mit einem
abschließenden Rezeß am 18. November 1529 die Kirchenreform und politische
Neuerungen zusammenfassten, reagierte Erich prompt und schroff. Er wandte sich an
die Stadt in der harten Form eines Fehdebriefes. Hüventhal, der in der
reformatorischen Bewegung der Stadt nicht mehr unumstritten war, musste daraufhin
die Stadt verlassen. Dies bedeutete jedoch nicht das Ende der Reformation in
Göttingen, die Göttinger holten den gemäßigteren Prediger Heinrich Winkel aus
Braunschweig in die Stadt. Um diese Zeit wurde Johann Bruns einer der bestimmenden
Köpfe der Göttinger Kirchenpolitik. Schon vorher hatte er als Pfarrer von Grone als
einer der ersten in der Region lutherisch gepredigt; später wurde er Syndicus der
Stadt. Nachdem der Rat der Stadt die Pfarrkirchen, in denen nicht lutherisch
gepredigt werden durfte, hatte schließen lassen, wurde am Palmsonntag des Jahres
1530 die neu ausgearbeitete Kirchordnung Göttingens verlesen, die der Göttinger
Reformation den Abschluss gab. Die Kirchenordnung wurde Martin Luther zur Korrektur
und Absegnung vorgelegt und erschien 1531 in einer Wittenberger Druckerei mit einem
zustimmenden Vorwort des Reformators.

Erich I. mit seiner zweiten Frau Elisabeth um 1530


Nach dem Abschluss der Reformation durch die neue Kirchenordnung spitzte sich die
Situation nochmals zu. Herzog Erich I. erlangte auf dem Landtag zu Moringen die
Unterstützung der Stände für die Forderung an die Stadt, zur alten Kirche
zurückzukehren. Göttingen seinerseits tat einen Schritt in die Reichspolitik hinein
und entschloss sich am 31. Mai 1531, dem Schmalkaldischen Bund beizutreten, einem
Zusammenschluss der protestantischen Reichsstände zur Verteidigung ihres Glaubens.

Im April 1533 gelang es der Stadt, sich mit dem Herzog ins Benehmen zu setzen und
in einem Vertrag die Kontroverse auszuräumen. Daran nicht unbeteiligt war Erichs
Frau Elisabeth von Brandenburg, die selbst 1538 öffentlich zum evangelischen
Glauben übertrat. Nach Erichs Tod im Jahre 1540 übernahm sie die vormundschaftliche
Regierung für ihren Sohn Erich II. und begann von ihrer Leibzucht Münden aus, im
Fürstentum Calenberg-Göttingen die Reformation durchzusetzen. Elisabeth machte den
Pfarrer Anton Corvinus aus dem hessischen Witzenhausen zum Superintendenten für das
Fürstentum und ließ von diesem die Calenberger Kirchenordnung ausarbeiten, die 1542
in Druck ging.

Nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg 1548 mussten diese
das Augsburger Interim hinnehmen. Wie in vielen Teilen des Reiches fiel dies den
Göttingern schwer und sie weigerten sich, dieses durchzusetzen. Herzog Erich II.
kehrte nach längerer Abwesenheit wieder in sein Fürstentum zurück, trat 1549 zum
katholischen Glauben über und begann – sehr zum Leidwesen seiner Mutter – das
Interim durchzusetzen. In Göttingen führte dies dazu, dass die Stadt ihren
Superintendenten Mörlin, der sich zu harsch gegen das Interim und gegen den Herzog
gewandt hatte, entlassen musste. In dieser Entlassung kann ein erster Schritt zur
Beseitigung der städtischen Autonomie im Kirchenwesen und in anderen Bereichen der
Selbstverwaltung im späten 16. und im 17. Jahrhundert gesehen werden.

Nachdem im Augsburger Reichs- und Religionsfrieden 1555 den Reichsständen das Recht
zugesprochen wurde, das Bekenntnis ihrer Untertanen zu bestimmen, versprach Erich
II., obwohl er dem katholischen Glauben treu blieb, das Fürstentum bei der
Kirchenordnung von 1542 und bei der evangelischen Lehre zu belassen. Der Rat der
Stadt Göttingen unterzeichnete 1580 die lutherische Konkordienformel von 1577.[20]

Nach dem Tode Erichs II. 1584, der keinen männlichen Nachfolger hinterließ, fiel
das Fürstentum an Herzog Julius von Wolfenbüttel, wodurch das Fürstentum Calenberg-
Göttingen wieder an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel gelangte. Göttingen,
das schon 1582 durch den Verlust der umgebenden Leinedörfer an die Herzöge an
Einfluss verloren hat, musste neben dem wirtschaftlichen Niedergang, der nunmehr
einsetzte, 1597, 1611 und zuletzt 1626 mehrere Pestausbrüche verkraften.

Göttingen im Jahre 1641


Im Jahre 1623 wurde Göttingen erstmals in den 1618 ausgebrochenen Dreißigjährigen
Krieg einbezogen. Göttingen war von den kämpfenden Heeren umgeben und musste auf
Drängen des Landesherren Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
vorübergehend eine Garnison aufnehmen. Dessen Bruder Christian, genannt der tolle
Halberstädter, hatte den niedersächsischen Reichskreis, zu dem Göttingen gehörte,
mit in den Krieg gezogen. 1625 begann Göttingen mit Genehmigung des Landesherrn,
die Befestigungsanlagen auszubauen. Diese sollte die Stadt brauchen, denn schon im
Herbst 1625 belagerte der kaiserliche Feldherr Albrecht von Wallenstein die Stadt
und stellte Proviant- und Quartierwünsche. Wallenstein zog weiter und gab sich
damit zufrieden, die gesamte Göttinger Kuhherde von etwa 1000 Stück Vieh als Beute
davon zu führen. Göttingen strengte seine Verteidigungsvorbereitungen an, doch
schon kurz darauf stand Tilly, der Feldherr der katholischen Liga, im Sommer 1626
vor der Stadt, nachdem er kurz zuvor im benachbarten Münden ein Blutbad angerichtet
hatte. Tilly ließ Göttingen angeblich fünf Wochen lang beschießen und die Leine
durch Harzer Bergleute umleiten, so dass die Stadt Tilly am 3. August 1626 die Tore
öffnen musste. Tilly nahm Residenz in der Weender Straße 32, dem Kommandantenhaus.
Nach dem Siege Tillys in der Schlacht bei Lutter am Barenberge über die dänischen
Truppen konnte dieser seine Position in Niedersachsen sichern und Göttingen blieb
von kaiserlich-katholischen Truppen besetzt. Göttingen litt sehr unter der
Besatzung und den für die Stadt unerträglichen Kontributionslasten, woraufhin ein
großer Teil der Bevölkerung die Stadt verließ und bis zu 400 Häuser leer standen.
Erst sechs Jahre später änderten sich die Machtverhältnisse, und nach dem Sieg der
Schweden über Tilly in der Schlacht bei Breitenfeld 1631 wurde Göttingen von
schwedischen und weimarischen Truppen unter Wilhelm von Weimar für die evangelische
Seite zurückerobert. Göttingen wurde im Herbst des Jahres 1632 zwar nochmals von
Pappenheimer Truppen bedroht, anschließend war die Stadt aber fest in der Hand
protestantischer Truppen. Dies bedeutete für die Stadt jedoch zunächst keine
Besserung der Verhältnisse, die Besatzung lastete weiterhin schwer auf der
Zivilbevölkerung.

1634 erlosch mit dem Tode Friedrich Ulrichs das Mittlere Haus Braunschweig.
Göttingen fiel nach der abermaligen welfischen Erbteilung an Georg von Braunschweig
und Lüneburg-Calenberg, der Hannover zu seiner Residenz wählte. Nach dessen Tod
1641 musste Göttingen unter Herzog Christian Ludwig die letzte große Belagerung
durch Piccolomini ertragen. Anschließend war der Krieg für Göttingen zwar zu Ende,
die Stadt hatte aber noch lange Jahre die Last der Garnison und der Kriegskosten zu
tragen.

Wiederaufstieg als Universitätsstadt

Ansicht der Stadt von Südosten. Das Schriftband des 1735 entstandenen Kupferstichs
betont die neue Bedeutung der Stadt durch die Universitätsgründung.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg setzte sich der wirtschaftliche Niedergang der Stadt
weiter fort. Der Export von Tuchen und Leinwand war fast völlig zusammengebrochen.
Die Einwohnerzahl, die im Jahre 1400 noch 6000 Personen betrug, sank um 1680 auf
unter 3000. Dem wirtschaftlichen Niedergang folgte der politische. Die
Vorherrschaft der Gilden in Rat und Bürgerschaft wurde abgelöst durch die
Herrschaft des Landesherrn. Herzog Ernst August erreichte es 1690, dass durch den
so genannten Stadtrezess der Rat faktisch in ein fürstliches Verwaltungsorgan
umgestaltet wurde. Außenpolitisch änderte sich die Situation. Das Fürstentum
Braunschweig-Calenberg, zu dem Göttingen seit 1634 gehörte, wurde unter Herzog
Ernst August im Jahre 1692 von Kaiser Leopold I. zum Kurfürstentum ernannt. Die
nunmehr Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover) waren ab 1714 zugleich
in Personalunion König von Großbritannien. Ernst Augusts Sohn, Kurfürst Georg
Ludwig von Hannover, sollte als Georg I. den britischen Thron besteigen.

Das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, das sich zu einer territorialen Macht in


der Mitte Deutschlands zu entwickeln begann, verfügte bis dahin über keine eigene
Universität. Es wurde daher beschlossen, eine Universität neu zu gründen, die der
Ausbildung der im Land benötigten Theologen, Juristen und Ärzte dienen sollte. Die
kurhannoversche Landesregierung entschied, diese in Göttingen anzulegen. Für
Göttingen sprach, dass sich in der Stadt bereits seit einiger Zeit ein Gymnasium,
das Pädagogium, befand, das als Keimzelle der neuen Universität fungieren konnte.
Während der Regierungszeit Georgs II. August von Großbritannien, der der
Universität ihren Namen gab, konnte 1734 der Lehrbetrieb der Georg-August-
Universität eröffnet werden. Im Jahre 1737 folgte die feierliche Einweihung. Der
schnelle Erfolg, den die Neugründung hatte, ist nicht zuletzt auf das Engagement
des ersten Kurators der Universität, Gerlach Adolph von Münchhausen,
zurückzuführen. Die Universität brachte neuen Aufschwung in die Stadt und
beförderte das Bevölkerungswachstum. Durch intensive Bautätigkeit veränderte sich
rasch das Gesicht der Stadt. Ein repräsentatives Beispiel für das Selbstbewusstsein
Göttinger Neubürger verkörpert noch das barocke Grätzelhaus in der Goetheallee.
Neue Wohnungen, Gaststätten und Speiselokale sowie Herbergen wurden eröffnet (siehe
Londonschänke). Um das kulturelle Angebot der Professoren und Studenten zu
verbessern, wurde ein Universitätsreitstall errichtet. Göttingen erhielt in der
Folgezeit in ganz Europa und in Übersee einen Ruf als Ort der Wissenschaft, viele
berühmte Gelehrte kamen in die Stadt und wirkten dort. Das hohe Ansehen der
Universität beruhte nicht zuletzt auf der klugen Anschaffungspolitik der neu
gegründeten Universitätsbibliothek. Zudem wurde 1751 die Königliche Societät der
Wissenschaften in Göttingen, die spätere Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
gegründet, die die Göttingischen Anzeigen von Gelehrten Sachen herausgab, eine
schnell international bekannt gewordene Zeitschrift für Informationen über
wissenschaftliche Neuerungen.

Der Siebenjährige Krieg bedeutete für Göttingen zwischen 1757 und 1762 neue
Besatzungen. Die französische Armee quartierte sich ein, die Universität erhielt
jedoch ihren Lehrbetrieb aufrecht. Nach dem Krieg wurden in Göttingen die
Stadtwälle geschleift, aus dem Stadtwall wurde eine Promenade. Die insofern
entmilitarisierte Universitätsstadt konnte sich wieder voll dem Universitätsbetrieb
widmen und trat in ihre Blütezeit ein.

Von Napoleon bis 1866

Der nach Jérôme Bonaparte benannte Jérôme-Pavillon auf der Göttinger Schillerwiese,
in dem er sich des Öfteren in weiblicher Begleitung aufgehalten haben soll
In den von Napoléon Bonaparte geführten Kriegen wurde das Kurfürstentum Hannover
1803 kampflos von französischen Truppen besetzt. Göttingen selbst blieb von
Besatzungen und anderen Belastungen verschont. Dies mag mit dem hohen Ansehen der
Universität zu tun haben. Kurzfristig wurde Hannover 1805 Preußen zugesprochen.
Göttingen wurde daraufhin von preußischen Truppen besetzt. Nach dem Frieden von
Tilsit im Jahre 1807 verschwand das Kurfürstentum Hannover von der Landkarte.
Göttingen wurde Teil des Königreichs Westphalen mit der Residenzstadt Kassel unter
Napoléons Bruder Jérôme Bonaparte. Im Königreich Westphalen war Göttingen
Hauptstadt des Leine-Departements, das sich zeitweise bis nach Rinteln erstreckte.
Göttingen wurde dadurch Sitz mehrerer Behörden und Gerichte mit Zentralfunktion,
die Präfektur hatte ihren Sitz im Michaelishaus. Die Fremdherrschaft wurde mit der
Zeit nicht als bedrückend angesehen. Die Studentenzahlen stabilisierten sich nach
einem anfänglichen Rückgang, und Göttingen passte sich der französischen Herrschaft
an, die bis 1813 dauerte. Nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft in
Deutschland wurde das Kurfürstentum Hannover zum Königreich erhoben. Göttingen
gehörte ab 1823 zur Landdrostei Hildesheim, der neu gebildeten Zwischenbehörde.

Göttingen um 1810
Im Jahr 1807 wurde Carl Friedrich Gauß Leiter der Sternwarte der Universität; er
zählt zu den weltweit angesehensten Mathematikern und Physikern.

Carl Friedrich Gauß


Das letzte bekannte Beispiel der Hinrichtungsmethode des Zerstoßens der Glieder mit
eisernen Keulen im Hannöverschen datiert vom 10. Oktober 1828. Als Vergeltung für
den aus Habsucht begangenen Mord an Vater und Schwester wurde Andreas Christoph
Beinhorn aus Grone auf einer Kuhhaut zum Richtplatz geschleift und dort, auf dem
Leineberg in Göttingen, öffentlich von unten auf gerädert – wie es in einem
zeitgenössischen Flugblatt heißt – „mit Keulen zerschlagen und nachher sein Körper
auf das Rad geflochten“ (wenn auch nur für einen Tag).[21]

Unter Führung des Johann Ernst Arminius von Rauschenplat wurde im Zuge der
Göttinger Revolution im Januar 1831 das Rathaus gestürmt.
Die in Deutschland aufkommende Nationalbewegung ging einher mit Forderungen nach
politischer Liberalisierung und Demokratisierung. Als im Jahre 1830 die Pariser
Julirevolution auf Deutschland übergriff, erlebte Göttingen im Januar 1831 die so
genannte Göttinger Revolution. Während das Land Hannover weitgehend ruhig blieb,
kam es in Göttingen durch eine Verkettung verschiedener Ursachen zu einem
gewaltsamen Ausbruch, in deren Folge unter der Führung des Johann Ernst Arminius
von Rauschenplat ein Revolutionsrat gebildet und am 8. Januar 1831 der Magistrat
der Stadt Göttingen aufgelöst wurde. Vom König wurde eine freie Verfassung für das
Königreich Hannover verlangt und der Sturz der Regierung. Die Regierung zeigte sich
unnachgiebig und sandte Truppen in größerem Ausmaß auf die Stadt zu. Am 16. Januar
mussten die Aufrührer kapitulieren. Die Truppen zogen in die Stadt ein und
quartierten sich dort ein. Die Anführer des Aufstandes wurden, soweit sie nicht ins
Ausland geflohen waren, zu drakonischen Strafen verurteilt. Erst gegen Anfang März
1831 kehrte in Göttingen wieder Ruhe ein. Die Universität, die von der Regierung am
18. Januar geschlossen worden war, konnte Mitte April wiedereröffnet werden. Als
Folge des Aufstandes nahm die Regierung tiefgreifende Veränderungen an der
Stadtverfassung vor und ersetzte die alte Stadtverfassung von 1690 durch eine neue.
Die jahrhundertealte politische Rolle der Gilden endete, und an ihre Stelle traten
Repräsentanten einer bürgerlichen Honoratiorenschicht.

Zum 100-jährigen Bestehen der Universität wurde in Göttingen 1837 eine neue
Universitätsaula errichtet.
1837 – 100 Jahre nach Eröffnung der Universität – konnte als Repräsentations- und
Verwaltungsgebäude der Universität die Aula eingeweiht werden. Auf dem Platz davor,
dem heutigen Wilhelmsplatz, wurde dem damaligen Landesherrn und Stifter, Wilhelm
IV., ein Denkmal errichtet. Unter dessen Nachfolger König Ernst August I., mit dem
die 123-jährige Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover beendet wurde,
kam es noch im gleichen Jahr zum Konflikt. Bei seinem Amtsantritt hob dieser die
freiheitliche Verfassung, die sein Vorgänger 1833 erlassen hatte, wieder auf,
woraufhin sieben Göttinger Professoren Protest einlegten. Am 12. Dezember 1837
entließ Ernst August I. die Professoren und verwies drei von ihnen des Landes.
Dieses Ereignis hatte eine enorme Wirkung – nicht nur im Königreich Hannover,
sondern in ganz Deutschland. Die Göttinger Sieben, wie sie von nun an genannt
wurden, galten bald als Märtyrer eines politisch aufmerksamer werdenden Bürgertums.
Durch die Protestaktion wurde die Opposition im Königreich aufgerüttelt. Der
Widerstand des Bürgertums hatte teilweise Erfolg: mit dem Landesverfassungsgesetz
vom 6. August 1840 erhielt Hannover wieder eine konstitutionelle Verfassung, in der
jedoch die Rechte der Stände zugunsten des Monarchen stark beschnitten waren. In
Göttingen kehrte zwar bald wieder Ruhe ein, die Universität, die ohnehin schon seit
den 1820er Jahren an zurückgehenden Studentenzahlen zu leiden hatte, verlor jedoch
zusehends an Ansehen.

Nach den Verfassungskämpfen gab es jedoch wenig Entspannung bei den politischen
Freiheiten. Versammlungen mussten genehmigt werden, Leihbibliotheken wurden
kontrolliert, und die drei ausgewiesenen Professoren durften bis 1848 nicht zurück
nach Göttingen kommen. Die Universitätsangehörigen waren der Ansicht, dass das
strenge Polizeiregiment, das in Göttingen herrschte, für die Universität
verderblich sei.

Blick auf Göttingen aus der Vogelschau nach Nordwesten (Lithographie von Friedrich
Besemann um 1850)
Die Deutsche Revolution 1848/1849, bei der es in vielen Teilen Deutschlands zu
Tumulten und Aufständen kam, blieb in Göttingen ohne größeres Blutvergießen. Es kam
nur in der Nacht vom 11. zum 12. März 1848 zu einer kleineren Auseinandersetzung
zwischen der Polizei und einigen Korpsstudenten. In deren Folge verließen die
Studenten aus Protest geschlossen die Stadt. Da sich das Semester ohnehin dem Ende
neigte, war dieser Auszug wenig überzeugend. In Göttingen wurden als revolutionäre
Institutionen eine Bürgerversammlung und eine Bürgerwehr gegründet. Erstere löste
sich jedoch schon zum Jahresende auf, da sie mit und an ihrer Politisierung
gescheitert war.

Die Zeit nach den Märzunruhen war für Göttingen eine eher ruhige Zeit. Die
politischen Bewegungen verhielten sich ruhiger als vorher und die 1850er Jahre
werden als Zeit behäbiger Behaglichkeit beschrieben. Ein Datum von überragender
Bedeutung für die Stadtentwicklung war der 31. Juli 1854. An diesem Tage wurde die
Eisenbahnstrecke von Alfeld nach Göttingen eröffnet und der Göttinger Bahnhof mit
einem prächtigen Fest eingeweiht. Nunmehr machte Göttingen einen großen Schritt in
die Moderne, die Einwohnerzahlen stiegen an, Wirtschaftsbetriebe siedelten sich in
Göttingen an und außerhalb des mittelalterlichen Walles entstanden neue
Wohnviertel.

Die letzte öffentliche Hinrichtung unter der Gerichtslinde auf dem Leineberg fand
am 20. Januar 1859 statt. Friederike Lotze hieß die zum Tode verurteilte
Delinquentin. Sie hatte den Bäckermeister Sievert zu Münden, der ihr die Ehe
versprochen hatte und dessen Dienstmagd sie war, am 13. März 1858 vergiftet. Sie
wurde mit dem Schwert enthauptet.[22]

Das Verhältnis der Stadt zu ihrem Monarchen, seit 1851 Georg V., war weiterhin
angespannt. Königsbesuche in der Stadt waren selten und wenn, dann galten sie der
Universität, auf die er stolz war. Georg misstraute dem Göttinger Bürgertum, das er
als Opposition kritisch beobachtete. Zwar wurde in Göttingen keine Revolution gegen
den wenig überzeugenden Monarchen geplant, aber als am 22. Juni 1866 preußische
Truppen in Göttingen einrückten, und wenig später nach der Schlacht bei Langensalza
Hannover an Preußen fiel, gab es in Göttingen keine wesentliche Opposition gegen
das Preußischwerden.

1866 bis 1919


Unter preußischer Herrschaft passten sich die Göttinger rasch den neuen
Verhältnissen an. Insbesondere entwickelte sich in Göttingen eine Begeisterung für
Otto von Bismarck, der von 1832 bis 1833 an der Georgia Augusta immatrikuliert war.
Im Göttinger Stadtgebiet wurde neben einem Bismarckturm auf dem Kleperberg, wie es
ihn in vielen Städten Deutschlands gab, ein Bismarckstein am Klausberg errichtet.
In der Stadt erinnern zwei Göttinger Gedenktafeln, eine davon an seiner letzten
Studentenwohnung in Göttingen, dem Bismarckhäuschen, an den bekanntesten Göttinger
Studenten des 19. Jahrhunderts. In der Stadt Göttingen erzielte die Preußen-
freundliche Nationalliberale Partei starken Zulauf, während die
hannoveranerfreundliche Welfen-Partei eher im Göttinger Landkreis Erfolge erzielte.

Die Industrialisierung setzte in Göttingen spät ein. Erst ab der Jahrhundertwende


kann man von einem Vordringen der industriellen Produktionsweise in Göttingen
sprechen. Bedingt durch die Nähe zur Universität, die inzwischen zu einer weltweit
geachteten Hochburg der Naturwissenschaften aufgestiegen war, entwickelte sich in
Göttingen die feinmechanische, optische und elektrotechnische Industrie, die jetzt
die Textilwirtschaft als wichtigsten Göttinger Wirtschaftszweig ablöste.

Die Stadtbevölkerung Göttingen begann seit den 1870er Jahren stark zu wachsen. 1875
zählte Göttingen 17.000 Einwohner, 1900 waren es bereits 30.000. Der Großteil der
Bevölkerung lebte damals noch in der Altstadt; lediglich die Angehörigen der
Mittel- und Oberklasse, insbesondere die Professoren, setzten sich östlich der
Stadt auf den Anhöhen des Hainbergs nieder. Erst um 1895 herum begann die
Bevölkerung in den Gebieten außerhalb der Altstadt stärker anzuwachsen. In der Zeit
des Kaiserreiches wurde unter den Göttinger Bürgermeistern Merkel und Calsow damit
begonnen, die unterentwickelten öffentlichen Versorgungseinrichtungen auszubauen
und die Stadt zu modernisieren.

Nach fast dreißigjähriger Diskussion entschloss sich die Stadt im April 1914, eine
Straßenbahn einzurichten. Am 29. Juni begannen die Bauarbeiten. Schienen waren
bereits geliefert, aber nicht eingebaut. Bei Kriegsausbruch am 1. August wurden die
Arbeiten eingestellt und nie wiederaufgenommen.[23]

In Göttingen wurde der Erste Weltkrieg überwiegend enthusiastisch begrüßt. Viele


Professoren ließen sich von der nationalen Hysterie mitreißen. Schon bald trat hier
Ernüchterung auf. Die Gewerbebetriebe mussten sich auf die Kriegsökonomie
einstellen, und die Lebensmittelversorgung wurde zum Problem. Der Krieg kam
Göttingen insofern nahe, als schon ab August 1914 im Ebertal unterhalb des
Lohberges ein Kriegsgefangenenlager eingerichtet wurde, in dem zeitweise bis zu
10.000 Kriegsgefangene untergebracht waren. Als 1918 der Niederlage im Ersten
Weltkrieg die Novemberrevolution folgte, wurde in Göttingen ein Soldaten- und
Volksrat gewählt und eine Resolution verabschiedet. Am 10. November wurde durch den
Arbeiter Willi Kretschmer auf dem Rathaus die rote Fahne gehisst. Faktisch änderte
sich in Göttingen jedoch trotz der Tumulte nicht allzu viel; die Stadtverwaltung
unter Bürgermeister Georg Calsow konnte nahezu ungestört weiterarbeiten.

Notgeld der Handelskammer Göttingen in den 1920er Jahren


Im 20. Jahrhundert war es von Beginn an – bis zur nationalsozialistischen Epoche –
zu einer enormen Blüte der Fächer Mathematik und Physik an der Universität
gekommen. Mathematiker wie Felix Klein, David Hilbert, Hermann Minkowski, Emmy
Noether, Hermann Weyl, Richard Courant und andere, sowie Physiker wie Max Born und
James Franck[24] setzten Maßstäbe, genossen weltweites Ansehen und verbreiteten den
Glanz der Stadt. Dass das jetzt vorbei sein sollte, wurde von den Nazis bewusst in
Kauf genommen.

Nationalsozialismus, Kriegs- und Nachkriegszeit

Nahe der Stelle, an der bis 1938 die Göttinger Synagoge stand, befindet sich seit
1973 das von Corrado Cagli entworfene „Mahnmal Synagoge“ (Platz der Synagoge)

„Mahnmal Synagoge“, Blick von unten in die zentrale Skulptur

Flugblatt der Deutschen Studentenschaft, das 1933 zur Bücherverbrennung verbreitet


wurde
Die innere Instabilität der Weimarer Republik schlug sich auch in Göttingen nieder.
Während des Kapp-Putsches im Frühjahr 1920 wurde in Göttingen der Generalstreik
beschlossen. Das Militär demonstrierte daraufhin seine Macht und marschierte am 15.
März in der Innenstadt auf und sperrte die Straßen ab. In den folgenden unruhigen
Jahren der Weimarer Republik konnte die NSDAP hier schnell Fuß fassen. Bereits im
Frühjahr 1922 wurde die NSDAP-Ortsgruppe Göttingen gebildet, und schon in der
ersten Hälfte der 1920er Jahre galt Göttingen als Hochburg der Nationalsozialisten,
die hier überdurchschnittlich hohe Wahlerfolge verbuchten. Die NSDAP und allen
voran die SA zeigten regelmäßig bei Massenaufmärschen Präsenz auf der Straße, wobei
Zusammenstöße mit den politischen Gegnern bewusst provoziert wurden. Bereits im
März 1930 kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen SA und dem
kommunistischen Rotfrontkämpferbund. Schlägereien zwischen Kommunisten und
Nationalsozialisten blieben in der Folge in Göttingen an der Tagesordnung.

Infolge der Weltwirtschaftskrise ab 1929 mussten große Betriebe schließen, die


Arbeitslosigkeit stieg an und in Göttingen steigerte sich die Not. Die NSDAP
erhielt dadurch weiteren Zulauf. Am 21. Juli 1932 bildete ein Auftritt Hitlers den
Höhepunkt des Göttinger Reichstagswahlkampfs. Rund 20.000 bis 30.000 Zuhörer fanden
sich trotz strömenden Regens zu der Veranstaltung im Kaiser-Wilhelm-Park ein. Bei
der anschließenden Wahl am 31. Juli wählten 51 % der Göttinger (in ganz Deutschland
waren es nur 37 %), also die absolute Mehrheit, die Nationalsozialisten.

Im Gegensatz zur Stadt Göttingen hatten es die Nationalsozialisten in den


umliegenden Gemeinden, die ab 1963 als Stadtteile eingegliedert werden sollten,
wesentlich schwerer, Fuß zu fassen. Insbesondere in der damals selbständigen
Gemeinde Grone blieben selbst bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 die
Sozialdemokraten stärkste Kraft. Grone war eine von vier Gemeinden im damaligen
Wahlkreis Braunschweig-Südhannover, in dem die NSDAP bei dieser Wahl nicht stärkste
Kraft wurde.

Trotzdem gelang es den Nationalsozialisten, nachdem sie durch das


Ermächtigungsgesetz den Parlamentarismus der Weimarer Republik beendet hatten, im
April 1933 durch ein einziges Regierungsdekret, das Gesetz zur Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums, alle gegnerisch eingestellten und „nicht-arischen“ Beamten
zu entlassen bzw. in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen, wodurch allein die
Universität schlagartig fast ein Fünftel ihrer Professoren verlor.[25]

Zwar gingen die Wahlerfolge der NSDAP in Göttingen kurz vor der Machtergreifung
noch leicht zurück, Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurde in
Göttingen am nächsten Tag jedoch mit einem großen Fackelzug gefeiert, an dem mehr
als 2000 uniformierte Angehörige von SA, SS und Hitlerjugend teilnahmen. Die
Machtübernahme in Göttingen verlief ohne Zwischenfälle. Nach der
Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar ging die Polizei gezielt gegen die
Kommunisten vor, und bereits am 5. März konnte die SA auf dem Rathaus ungehindert
die Hakenkreuzflagge hissen. Die SA schlug am 28. März 1933 die Schaufenster
jüdischer Geschäfte ein und griff jüdische Mitbürger tätlich an. Nicht weit von
Göttingen, im Arbeitshaus Moringen im Landkreis Northeim, wurde schon 1933 das KZ
Moringen eingerichtet, das ab 1940 als Jugendkonzentrationslager diente.

Personen jüdischer „Abstammung“[26] wurden systematisch aus Verwaltung, Wirtschaft


und Wissenschaft herausgedrängt. Für die Universität, insbesondere im Bereich der
Mathematik und Physik, führte dies zu einem Aderlass, von dem sich die
Naturwissenschaften in Göttingen und in ganz Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg
nur langsam erholen sollten.

Zugleich kam es langfristig zu einer nicht sofort sichtbaren Verarmung des


Geisteslebens in der Stadt. Im Gefolge der Bücherverbrennung, bei der die deutschen
Studenten in vielen Universitätsstädten Bücher als „undeutsch“ bezeichneter Autoren
öffentlich verbrannten, wurde das schon bald spürbar. Die Bücherverbrennung am 10.
Mai 1933[27] wurde vom Rektor der Georg-August-Universität, Friedrich Neumann
eröffnet. Nach einer „Feuerrede“ des Germanisten Gerhard Fricke[28] zogen die
studentischen Gruppen um den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund in
einem Fackelzug vom Weender Tor zum Adolf-Hitler-Platz, dem heutigen Theaterplatz.
Dort hielt der Führer der Studentenschaft, Heinz Wolff, vor dem Scheiterhaufen mit
einem „Lenin“-Schild auf der Spitze, eine kurze Rede über den „undeutschen Geist“.
Nach dem Singen des Lieds „Flamme empor“ und des Horst-Wessel-Lieds löste sich die
Menge auf.

Im Zuge der Gleichschaltung der Studentenverbindungen mit dem Ziel der Überführung
dieser in die nationalsozialistischen Kameradschaften (der Feickert-Plan) kam es zu
Auseinandersetzungen, die von der Stadt unter dem nationalsozialistischen
Bürgermeister Albert Gnade noch geschürt wurden und 1934 in den Göttinger Krawallen
einen Höhepunkt fanden. Dennoch setzte sich die Staatsmacht durch, und alle
Verbindungen wurden, beschleunigt durch die reichsweite Wirkung des Heidelberger
Spargelessens im Mai 1935, bis Mitte 1936 entweder aufgelöst oder in
Kameradschaften übergeleitet. Am 12. Mai 1936 ordnete Rudolf Heß im Sinne einer
Unvereinbarkeit an, dass kein Parteigenosse oder Mitglied einer NS-Organisation
gleichzeitig Mitglied einer Studentenverbindung sein dürfe.

Während der Novemberpogrome vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Göttinger
Synagoge in der Maschstraße, die schon bei den Übergriffen im März 1933 erstmals
verwüstet worden war, von (systematisch auswärtigen) SA- und SS-Angehörigen und
Pöbel verbrannt. Von den vor 1933 fast 500 jüdischen Einwohnern lebten 1938 noch an
die 220 in der Stadt. Diese wurden fast ausnahmslos Opfer der Angriffe von SA und
SS. Am 30. September 1938 wurde den jüdischen Ärzten die Approbation entzogen. 1940
erhielten die Göttinger Heil- und Pflegeanstalten die Meldebögen, nach denen im
Rahmen der Aktion T4 1941 die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ durchgeführt
wurde.[29] Im Dezember 1941 beschwerte sich die NSDAP-Kreisleitung Göttingen, dass
die bevorstehende Deportation der Göttinger Juden in der Bevölkerung bereits
bekannt geworden sei und sie mit Anträgen auf Wohnungszuweisung überhäuft werde.
Widerstand gegen die Aktionen regte sich aber nicht. Die letzten 140 Mitglieder der
jüdischen Gemeinde in Göttingen wurden 1942 in die Vernichtungslager deportiert.

Bei Luftangriffen auf Göttingen im Zweiten Weltkrieg entstanden im Vergleich zu


vielen anderen Städten nur geringe Schäden. Ab dem 7. Juli 1944 erlitt die Stadt
zwar acht Luftangriffe, diese aber galten vorwiegend den Bahnanlagen. Zerstört
wurden: die Anatomie (heute Busbahnhof), das Empfangsgebäude des Bahnhofs, der
Güterbahnhof, das Gaswerk, die Eisenbahnbrücke über die Leine und die Brauerei. Die
historische Altstadt blieb weitgehend unzerstört. Sprengbomben vernichteten hier
die Hälfte der Unteren Maschstraße, ebenso die Lutherschule, die Junkernschänke,
den Rheinischen Hof und mehrere Wohnhäuser in der Jüden- und Angerstraße. Schwer
beschädigt wurde die Paulinerkirche, die Universitätsbibliothek, die sich damals in
der Prinzenstraße befand, und das Zoologische Institut (neben der Anatomie), ebenso
das Auditoriengebäude am Weender Tor, wobei eine Tankstelle (Iduna-Zentrum) und
weitere Gebäude (heutiges Gericht) verschwanden. Weiter wurden die Johanniskirche
und das Rathaus beschädigt. Außerhalb der nicht niedergebrannten Altstadt wurden in
Grone und Treuenhagen sowie in der Kasseler Landstraße, Arndtstraße, Emilienstraße
und Weender Landstraße Wohnhäuser vernichtet. Insgesamt waren 107 Tote zu beklagen;
zudem wurden 235 Wohnungen restlos zerstört, viele Häuser und öffentliche Gebäude
beschädigt. Die nicht weit entfernten Städte Kassel, Hannover und Braunschweig
wurden unter massiven alliierten Bombenangriffen weitgehend zerstört, Kassel
brannte mehrmals nachts sichtbar (unter Verdunkelung) aus.

Auf dem Schützenplatz befand sich ein Ostarbeiterlager[30] und auf der Eiswiese am
Sandweg bestand ein Westarbeiterlager, die 1942 von der hannoverschen Abteilung
Rüstungsbau des Ministeriums Albert Speer geplant und dann sofort von der
Küchenvereinigung e. V. übernommen wurden.[31][32]

Göttingen wurde mit Bombenflüchtlingen überfüllt. Unter anderem wegen der gut
ausgestatteten Krankenhäuser war es im Laufe des Krieges zur Lazarettstadt
geworden, in der sich bei Kriegsende 3000 bis 4000 verwundete Soldaten befanden.
Mit Rücksicht darauf hatte man das Glück, dass das von General Otto Hitzfeld zur
Offenen Stadt erklärte Göttingen vor den anrückenden amerikanischen Truppen von
allen Kampfeinheiten verlassen wurde und so ohne größere Kampfhandlungen am 8.
April 1945 befreit werden konnte. Durch Artilleriebeschuss[33] wurden an diesem
Tage noch mehrere Häuser in Geismar und der Wilhelm-Weber-Straße sowie die St.-
Paulus-Kirche beschädigt. Insgesamt wurde Göttingen im Zweiten Weltkrieg nur zu 2,1
% zerstört.

Nach dem Krieg wurde die Stadt der britischen Besatzungszone zugeschlagen, die
amerikanischen Einheiten durch britische abgelöst. Göttingen lag nunmehr in einem
Zonendreieck: Das benachbarte Thüringen gehörte zur sowjetischen Besatzungszone,
Kassel im Süden zur amerikanischen. Durch diese Lage und da Göttingen weitgehend
intakt den Krieg überstanden hatte, wurde es Anlaufstelle für viele
Interzonenwanderer und Flüchtlinge. Die Göttinger Universität nahm als erste in
Deutschland (kurz vor Heidelberg) zum Wintersemester 1945/46 den Lehrbetrieb wieder
auf.

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland


Aufgrund der Kriegs- und Nachkriegswirren nahm die Bevölkerung der Stadt
schlagartig zu. Nicht wenige kamen über das nahe Grenzdurchgangslager Friedland.
Während 1939 in Göttingen noch knapp 50.000 Einwohner gelebt hatten, waren es 1949
unter Wohnungsbeschlagnahmen zur Einquartierung von Vertriebenen 80.000. Göttingen
gehörte in dieser Zeit zu den am dichtesten besiedelten Städten Deutschlands.
Während des Industrialisierungsprozesses im 19. Jahrhundert war die Stadt nicht
schon wie andere Städte durch Eingemeindungen ausgeweitet worden. In den ersten
Nachkriegsjahren wurde vorrangig die Weststadt bebaut.
Die Altstadt (Johanniskirche, Hotel zur Sonne und Rückseite des Rathauses) im Jahre
1953

In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen noch folgende wichtige Informationen:


1949 bis 1957?
Hilf der Wikipedia, indem du sie recherchierst und einfügst.
Am 12. April 1957 kam es erneut zu einer Göttinger Erklärung: 18 deutsche Atom- und
Kernphysiker, darunter Nobelpreisträger wie Max Born, Otto Hahn, Werner Heisenberg
und Max von Laue warnten unter der Federführung von Carl Friedrich von Weizsäcker
vor der Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen, wie sie damals vom
Kanzler der jungen Bundesrepublik, Konrad Adenauer, ins Gespräch gebracht worden
war. Die Initiative der Göttinger Achtzehn, die sich selbst in der Nachfolge der
oben erwähnten Göttinger Sieben sahen, war von Erfolg gekrönt, denn Adenauers
Vorstellungen waren von diesem Zeitpunkt an hinfällig.

Eingemeindungen und Industrialisierung wurden durch das Göttingen-Gesetz vom 1.


Juli 1964 nachgeholt. Einerseits wurden die Gemeinden Geismar, Grone, Nikolausberg
und Weende mit Wirkung vom 4. Juli 1964 in die Stadt eingegliedert, andererseits
wurde die Stadt Göttingen in den Landkreis Göttingen eingegliedert.[34] Dennoch
erhielt Göttingen eine Sonderstellung im Kreis, da für die Stadt weiterhin die
Vorschriften für kreisfreie Städte anwendbar sind, soweit nicht landesrechtlich
etwas anderes bestimmt ist. Göttingens Stadtgebiet wurde durch die Eingliederungen
auf 7371 Hektar mehr als verdoppelt; die Einwohnerzahl erhöhte sich um 31 % von
83.000 auf 109.000. Parallel dazu entstanden in den eingemeindeten Außenbezirken
große Neubaugebiete und neue Stadtteile.

Das Neue Rathaus wurde 1978 bezogen


Die Weichen für eine Entwicklung zu einer modernen Großstadt waren gestellt.
Größere Planungsvorhaben in den 1970er Jahren wollten das Gepräge der alten
Universitätsstadt erhalten, Göttingen sollte nach dem Raumordnungsplan als
Oberzentrum für den gesamten südniedersächsischen Raum fungieren. Im Zuge dieses
Vorhabens wurden große Teile der im Krieg unzerstörten und gut erhaltenen Altstadt
im Rahmen von „Flächensanierungen“ vollständig abgerissen und durch Neubauten,
Parkhäuser oder Brachflächen ersetzt.[35] Einschneidender Schritt hierbei war der
1968 erfolgte Abriss des 1735 errichteten universitären Reitstalls in der Weender
Straße, der von heftigen Bürger- und Studentenprotesten begleitet wurde. Zwischen
1966 und 1975 wurden die innerstädtischen Straßen weitgehend zu Fußgängerzonen
ausgebaut. Die Verwaltung bezog 1978 ihr Neues Rathaus, für das ursprünglich der
Reitstall weichen musste, das aber an ganz anderer Stelle südöstlich der Altstadt
gebaut wurde. Anstelle des Rathauses wurde im Reitstallviertel ein Kaufhaus (heute
'Carre') gebaut. Daneben wurde das Jugendstil-Bad von 1906 im Jahre 1968 durch das
neue Stadtbad ersetzt. Dieses wurde nach längerem Leerstand 2004 abgerissen.[36]

Der Neubau der Staats- und Universitätsbibliothek am Campus wurde 1993 eröffnet.
Wie die Stadt modernisierte sich auch die wachsende Universität. Die
Studentenzahlen stiegen von 4680 im Wintersemester 1945/46 auf 30.000 Anfang der
1990er Jahre; anschließend waren sie wieder rückläufig. Ab 1964 entstand der
heutige Campus und das geisteswissenschaftliche Zentrum (GWZ) auf dem Gebiet des
ehemaligen Universitätssportzentrums nördlich der Altstadt. Zwischen Weende und
Nikolausberg wurde die Nord-Uni aufgebaut, in der sich ein Großteil der
naturwissenschaftlichen Einrichtungen befindet. Ab 1973 wurde mit dem Bau eines
neuen Universitätsklinikums begonnen. 1993 wurde der architektonisch anspruchsvolle
Neubau der Staats- und Universitätsbibliothek auf dem Campus eröffnet.

Mit der Grenzöffnung 1989 und dem Beitritt der ostdeutschen Bundesländer 1990
verlor Göttingen seine Randlage und liegt seither verkehrsgünstig mitten in
Deutschland. Der Wandel war jedoch damit verbunden, dass die Bundeswehr 1993 ihren
Standort in Göttingen aufgab und so nicht nur die Geschichte der Stadt als
Garnisonsstadt ein Ende fand (siehe 2. Kurhessisches Infanterie-Regiment Nr. 82),
sondern ein bedeutender Wirtschaftsfaktor verschwand.

Die im Jahre 1968 in Göttingen aufgetretenen Studentenunruhen gingen hier nicht so


schnell zu Ende wie anderswo. Noch Anfang der 1990er Jahre geriet Göttingen wegen
der „Scherbendemos“ der Autonomen Antifa sowie der spektakulären
Bündnisdemonstrationen gegen Rechtsextremismus unter Beteiligung des linksradikalen
Schwarzen Blockes, dessen Teilnehmer vermummt an der Spitze der bis ins bürgerliche
Spektrum reichenden Demonstrationen auftraten, in die Schlagzeilen. Seit 1990 fast
durchgängig gibt es aus dieser linksradikalen Bewegung zahlreiche Aktionen, die ein
bundesweites Medienecho auf sich ziehen.

Das entschlossene Vorgehen weiter Teile der Göttinger Bevölkerung gegen


rechtsradikale Demonstrationen, häufig in Form von Bündnissen, an denen sich
kirchliche Gruppen sowie Gewerkschaften und autonome Gruppen aus dem linksradikalen
Spektrum Göttingens beteiligen, hat mit dazu beigetragen, dass der
Rechtsextremismus hier wenig bis gar keinen Boden gewinnen konnte. Trotzdem finden
regelmäßig NPD-Demonstrationen, Naziaufmärsche und -kundgebungen mit Teilnehmern
aus ganz Deutschland statt, die regelmäßig viele Gegendemonstranten dazu bringen,
sich aktiv gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Während derartiger Ereignisse
müssen die Rechtsextremen und die Gegendemonstranten von einem hohen
Polizeiaufgebot getrennt werden.

Bei der Explosion eines 65 Jahre alten Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg auf
dem Göttinger Schützenplatz starben am 1. Juni 2010 drei Mitarbeiter des
Kampfmittelbeseitigungsdienstes, zwei wurden schwer und vier leicht verletzt; alle
waren mit den Vorarbeiten zur Bombenentschärfung beschäftigt.[37]

Eingemeindungen
Folgende Gemeinden wurden nach Göttingen eingegliedert:

1. April 1963: Herberhausen


4. Juli 1964: Geismar, Grone, Nikolausberg und Weende
1. Januar 1973:[38] Deppoldshausen, Elliehausen, Esebeck, Groß Ellershausen,
Hetjershausen, Holtensen, Knutbühren und Roringen
Einwohnerentwicklung
→ Hauptartikel: Einwohnerentwicklung von Göttingen
Einwohnerentwicklung
(1/2) ▶

von 1393 bis 2018


Die Einwohnerentwicklung weist seit dem Mittelalter ein Wachstum auf, das sich mit
Beginn der frühen Neuzeit stark beschleunigt hat. 1986 wurde mit offiziell 133.796
hauptwohnlich gemeldeten Einwohnern ein vorläufiger Höchststand erreicht, der
jedoch nach der Volkszählung 1987 um 20.000 Personen nach unten korrigiert werden
musste, auf 114.698, da die zu hohe Zahl auf einer fehlerhaften Fortschreibung
beruhte. In den folgenden Jahren stieg die offizielle Einwohnerzahl
zwischenzeitlich auf 128.419 (1997), sank danach leicht ab und pendelte sich ab
2004 bei ca. 122.000 Einwohnern ein. Bis 2013 blieb diese Zahl etwa konstant, als
die Zensusdaten zugrunde gelegt wurden und Göttingens offizielle Zahl der
hauptwohnlich gemeldeten Personen ein weiteres Mal um etwa 5000 Personen auf
116.420 im Juni 2013 nach unten korrigiert wurde. Sehr viele Studenten hatten sich
in der Zwischenzeit beim Fortzug nicht abgemeldet und waren noch als hauptwohnlich
gemeldet registriert, was in zu hohen Einwohnerzahlen resultierte. Auf der anderen
Seite sind nur etwa die Hälfte der Studenten in Göttingen hauptwohnlich gemeldet.
Ende 2019 waren 134.632 Personen mit Haupt- (121.150) oder Nebenwohnsitz (13.482)
in Göttingen gemeldet.[39] Das statistische Landesamt ermittelte zum selben
Stichtag 118.911 Einwohner.
Studentenzahlen der Uni Göttingen: Sommersemester 2004: 23.446, Wintersemester
2004/05: 24.398, Sommersemester 2005: 23.649, Wintersemester 2005/06: 24.400.[40]
2014 lag diese Zahl bei 27.456, von denen 18.391 in Göttingen haupt- oder
nebenwohnlich gemeldet waren.[41] Daneben gibt es noch weitere Hochschulen wie die
Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst oder die Private Fachhochschule
Göttingen (beide zusammen mit 1802 am Standort Göttingen eingeschriebenen
Studenten), was einen Studentenanteil von etwa 22 % ergibt (2014).

Religion
Konfessionsstatistik
Laut der Volkszählung 2011 waren 43,4 % der Einwohner evangelisch, 15,6 % römisch-
katholisch und 41,0 % waren konfessionslos, gehörten einer anderen
Glaubensgemeinschaft an oder machten keine Angabe.[42] Die Zahl der Katholiken und
vor allem die der Protestanten ist seitdem beträchtlich gesunken. Jahresende 2021
waren von den 118.510 Einwohnern (nur Hauptwohnung) 33,4 % (39.601) evangelisch und
13,3 % (15.712) katholisch. 53,3 % waren konfessionslos, gehörten einer anderen
Glaubensgemeinschaft an oder machten keine Angabe.[43]

Geschichte
Das Gebiet der Stadt Göttingen gehörte anfangs zum Erzbistum Mainz beziehungsweise
zu dessen Archidiakonat Nörten. Nach der Reformation war Göttingen über viele
Jahrhunderte eine fast ausschließlich lutherische Stadt. 1530 erhielt die Stadt
eine neue Kirchenordnung mit einem Stadtsuperintendenten, welcher dem
Landessuperintendenten in Grubenhagen unterstand. Alle Kirchengemeinden der Stadt
bildeten einen Gesamtverband. Im späteren Königreich Hannover wurde Göttingen Sitz
eines Sprengels, zu dem mehrere Kirchenkreise, darunter der Kirchenkreis Göttingen
gehört. Alle lutherischen Kirchengemeinden der Stadt Göttingen gehören zum
Kirchenkreis Göttingen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers.

Ab 1713 wurden in Göttingen reformierte Hausgottesdienste gehalten, 1736 gab es


französisch-reformierte Gottesdienste. Dies alles führte 1748 zur Gründung einer
reformierten Gemeinde, die 1752 in die Konföderation reformierter Kirchen in
Niedersachsen aufgenommen wurde. 1928 war die reformierte Gemeinde Göttingens
Gründungsmitglied des Bundes Evangelisch-reformierter Kirchen Deutschlands, in dem
sie über 50 Jahre den Vorsitzenden stellte; 2013 verließ sie diesen Bund
selbständiger Gemeinden und schloss sich der Evangelisch-reformierten Kirche an.

Katholische Michaeliskirche
Ab 1746 wurden für die Studenten in Göttingen wieder katholische Gottesdienste
erlaubt, ein Jahr später für alle Einwohner der Stadt. Erst 1787 konnte die erste
katholische Kirche (St. Michael) nach der Reformation gebaut werden. 1825 entstand
eine selbständige Pfarrgemeinde, die zum Bistum Hildesheim gehörte. 1929 wurde eine
zweite katholische Kirche, die Pauluskirche, geweiht. Später wurde Göttingen Sitz
eines Dekanats des Bistums Hildesheim, zu dem alle römisch-katholischen
Pfarrgemeinden der Stadt gehören.

Neben den beiden großen Kirchen gibt es Gemeinden, die zu Freikirchen gehören,
darunter eine Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten, gegründet 1894), eine
Mennoniten-Gemeinde (gegründet 1946), die Evangelische Freikirche Ecclesia, eine
Adventgemeinde, eine Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
(SELK) und eine Freie evangelische Gemeinde (FeG).

In Göttingen gibt es eine seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare jüdische Gemeinde.
Die alte Synagoge von 1869[44] wurde in der Reichspogromnacht 1938 niedergebrannt.
Auf dem jüdischen Friedhof neben dem Stadtfriedhof sind über 400 Grabsteine
erhalten. Mittlerweile gibt es wieder ein reges jüdisches Gemeindeleben. Zum
Jahresbeginn 2004 wurde in der Angerstraße ein neues Gemeindezentrum eingeweiht. Am
6. Februar 2004 wurde der erste Erev-Sabbat-Gottesdienst im neuen Gotteshaus
gefeiert. Das neue Synagogengebäude war aus Bodenfelde nach Göttingen transloziert
worden.[45]

Salimya-Moschee am Königsstieg
Ebenso gibt es mehrere muslimische Gemeinden, unter anderem einige in Grone, in der
Nordstadt und eine in der Südstadt. Im Königsstieg stellte 2006 die türkische
DITIB-Gemeinde die Salimya-Moschee fertig.[46] Die Al-Taqwa-Moschee liegt in der
Güterbahnhofstraße.[47]

Seit Mitte der 1980er Jahre haben Jesiden in Göttingen Fuß gefasst, 2015 wurden 160
Familien in Südniedersachsen geschätzt.[48]

Darüber hinaus sind Gemeinden der Zeugen Jehovas, der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage, der Neuapostolischen Kirche, der Russisch-Orthodoxen
Kirche und anderer Orthodoxer in Göttingen vertreten.

Politik
Politik- und Verwaltungsgeschichte
An der Spitze der Stadt stand schon seit dem 12. Jahrhundert der Rat mit 24
Ratsherren. Ab 1319 unterstand die Neustadt dem Rat. Die Wahl des Rates erfolgte am
Montag nach dem Michaelistag. Ab 1611 wurden die 24 Ratsherren von der gesamten
Bürgerschaft gewählt. Der Rat wählte aus seiner Mitte den Bürgermeister. Ab 1669
gab es nur noch 16 Ratsherren, später nur noch 12. Ab 1690 wurde das Stadtregiment
völlig neu geordnet. Danach gab es den Rat, der aus dem Gerichtsschulze, zwei
Bürgermeistern, dem Syndikus, dem Stadtsekretär und acht Ratsherren, die von der
Regierung zu wählen waren, bestand. Während der Zugehörigkeit der Stadt zum
Königreich Westphalen leitete ein Maire die Stadtverwaltung. Ihm stand ein
Munizipalrat zur Seite. 1831 wurde ein neues Verfassungs- und Verwaltungsreglement
erlassen. Danach gab es einen Bürgermeister beziehungsweise ab 1844 einen
Oberbürgermeister. Mit der neuen Städteordnung von 1852 gab es wieder einen
Bürgermeister, der ab 1885 erneut den Titel Oberbürgermeister trug. Während des
Dritten Reichs wurde das Stadtoberhaupt von der NSDAP eingesetzt.

1946 führte die Militärregierung der Britischen Besatzungszone die


Kommunalverfassung nach britischem Vorbild ein. Danach gab es einen vom Volk
gewählten Rat. Dieser wählte aus seiner Mitte den Oberbürgermeister als
Vorsitzenden und Repräsentanten der Stadt, welcher ehrenamtlich tätig war. Daneben
gab es ab 1946 einen ebenfalls vom Rat gewählten hauptamtlichen Oberstadtdirektor
als Leiter der Stadtverwaltung. Im Jahre 2000 wurde in Göttingen die Doppelspitze
aufgegeben. Seither gibt es nur noch den hauptamtlichen Oberbürgermeister, der
Leiter der Stadtverwaltung und Repräsentant der Stadt ist. Er wird seit 1999 direkt
von den Bürgern für acht (zuvor fünf) Jahre gewählt.[49] Aus der ersten Wahl im
Jahr 1999 ging Jürgen Danielowski (CDU) als Sieger hervor. Er trat das Amt am 1.
Januar 2000 an und übergab es am 1. November 2006 an seinen Nachfolger, Wolfgang
Meyer (SPD). Ihm folgten im Juni 2014 Rolf-Georg Köhler (SPD) und im November 2021
Petra Broistedt (SPD) nach.

In der konstituierenden Ratssitzung am 12. November 2021 wurde Julian Schlumberger


(Bündnis 90/Die Grünen) zum neuen Ratsvorsitzenden gewählt. In der vorausgegangenen
Wahlperiode waren Sylvia Binkenstein (SPD) von 2016 bis 2018, gefolgt von Christian
Henze (SPD) bis 2020 und Karola Margraf (SPD) bis 2021 die Ratsvorsitzenden.

Das könnte Ihnen auch gefallen