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Kapitel 3

Algebraische Strukturen

Zunächst führen wir einige grundlegende algebraische Strukturen ein, auf denen auch
das Studium der Linearen Algebra aufbaut. Diese Strukturen haben unterschiedliche Be-
deutungen für diverse Anwendungen, und ihre weiteren Eigenschaften werden wir in den
folgenden Semestern genauer untersuchen.

3.1 Gruppen

Lernziele. Gruppenaxiome und ihre Bedeutung, Untergruppen, Nebenklassen, Beispiele


von Gruppen.

Bereits in den Grundlagen der Algebra haben wir Axiome kennengelernt, etwa bei der
Definition von Abbildungen, von Äquivalenzrelationen, von Partitionen, etc. Beim axio-
matischen Zugang fragt man sich: Was ist der allgemeinste Rahmen für meine Schlüsse
und Rechnungen? Kann ich aus einer Rechnung in einer konkreten Situation zu einer
allgemeinen Vermutung gelangen und diese dann durch Übertragung der Schlüsse auch
beweisen? Kann ich Analogien zwischen Situationen sehen, wo ein Außenstehender keine
Gemeinsamkeiten ahnt? Der erste Begriff, den wir kennenlernen wollen, ist der der Gruppe,
welcher sich im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat. Zunächst werden wir ihn
nur zur Definition von Zahlbereichen heranziehen, später werden wir sehen, dass er auch
außerhalb der Zahlbereiche eine grundlegende Rolle spielt.

Definition 3.1. Es sei G eine nicht-leere Menge und · : G × G → G eine Abbildung (auch
genannt Verknüpfung auf G). Man nennt (G, ·) eine Gruppe, falls · die folgenden drei
Axiome erfüllt:
(G1) (Assoziativgesetz)
g1 · (g2 · g3 ) = (g1 · g2 ) · g3 für alle g1 , g2 , g3 ∈ G .

1
2 KAPITEL 3. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN

(G2) (Einselement oder neutrales Element) Es existiert ein eindeutiges Element 1 ∈ G mit

1·g = g·1 = g für alle g ∈ G .

(G3) (Inverses Element) Zu jedem g ∈ G existiert ein g −1 ∈ G mit

g · g −1 = g −1 · g = 1 .

Oft schreibt man g h statt g · h.


Falls auch (G4) gilt, heißt G abelsche Gruppe1 oder kommutative Gruppe:

(G4) (Kommutativgesetz)
gh = hg für alle g, h ∈ G .

Bei kommutativen Gruppen wird manchmal + statt · als Verknüpfungssymbol gewählt.


(Im Unterschied zu · lässt man + nicht weg.)
Ist die Verknüpfung · aus dem Zusammenhang klar, spricht man auch von der Gruppe G
und meint (G, ·).

Übung: Man zeige, dass beim Axiom (G2) eine schwächere Formulierung ausreicht: Die
Existenz impliziert hier bereits die Eindeutigkeit. Man zeige auch beim Axiom (G3), dass
das Inverse g −1 eines jeden Elementes g ∈ G eindeutig bestimmt ist.
Übung: Es sei (G, ·) eine Gruppe. Für a, b ∈ G drücke man (ab)−1 durch a−1 und b−1 aus.

Vielleicht ist es hilfreich, die drei Gruppenaxiome in Beziehung zu den drei Axiomen der
Äquivalenzrelation (siehe Definition 2.33) zu sehen: Assoziativität entspricht Transitivität,
Existenz des Einselementes der Reflexivität und Existenz des Inversen der Symmetrie.
Diese Zusammenhänge sind nicht zufällig, wir werden sie später besser verstehen.

Bemerkung 3.2. Es gibt diverse Abschwächungen des Gruppenbegriffs: (G, ·) heißt

a) Halbgruppe, falls (G1) erfüllt ist,

b) Monoid oder Halbgruppe mit Eins, falls (G1) und (G2) erfüllt sind.

Beispiel 3.3. a) Für (N, +) gelten das Assoziativgesetz und das Kommutativgesetz;
es gibt aber kein neutrales Element und keine inversen Elemente. (N, +) ist eine
kommutative Halbgruppe.

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Niels Henrik Abel, 1802 – 1829
3.1. GRUPPEN 3

b) Für a ∈ Z sei Z≥a := {r ∈ Z | r ≥ a}. Dann sind für (Z≥0 , +) das Assoziativgesetz,
die Existenz des neutralen Elementes, nämlich 0, und das Kommutativgesetz erfüllt.
(Z≥0 , +) ist eine kommutative Halbgruppe mit Eins bzw. ein kommutatives Monoid.

c) Für Z≥−1 ist nicht einmal + als Verknüpfung definiert.

d) (Z, ·) ist eine kommutative Halbgruppe mit Eins, aber keine Gruppe, da das Axi-
om (G3) nicht erfüllt ist: Es gilt 0a = 0 für alle a ∈ Z.

e) Es sei Q× := Q\{0}. Dann ist (Q× , ·) eine abelsche Gruppe, ebenso für R× := R\{0}.

f) Da die Komposition von Abbildungen assoziativ ist (siehe Satz 2.23), ist (M M , ◦)
eine Halbgruppe mit 1 = idM für jede Menge M . Diese ist nicht kommutativ, sobald
M mehr als ein Element enthält. (M M , ◦) ist ein nicht-kommutatives Monoid.

g) Für eine Menge M sei SM := Sym(M ) := {f ∈ M M | f bijektiv}. Dann ist (SM , ◦)


eine Gruppe, genannt die symmetrische Gruppe auf M . (Die Elemente von SM
werden Permutationen von M genannt, siehe auch Satz 2.8.) Diese Gruppe ist nicht
abelsch, sobald M mehr als zwei Elemente enthält. Im Fall M = n für ein n ∈ N
schreibt man Sn statt Sn .

h) R2 ist eine abelsche Gruppe mit der komponentenweisen Addition +:

a+b = (a1 , a2 )+(b1 , b2 ) := (a1 +b1 , a2 +b2 ) für alle a = (a1 , a2 ), b = (b1 , b2 ) ∈ R2 .

Übung: Man verifiziere alle Gruppenaxiome im Teil h) des Beispiels.

Definition 3.4. Es sei (G, ·) eine Gruppe und H ⊆ G eine Teilmenge von G. Man nennt
(H, ·) eine Untergruppe von (G, ·), falls (H, ·) auch eine Gruppe ist (wobei die Ver-
knüpfung · : G × G → G eingeschränkt wird auf H × H → H). Dann schreibt man auch
(H, ·) ≤ (G, ·) oder einfach H ≤ G.

Beispiel 3.5. Wir geben Beispiele von Untergruppen.

a) Für jede Gruppe (G, ·) ist ({1}, ·) die triviale Untergruppe von (G, ·).

b) (3Z, +) ist eine Untergruppe von (Z, +).

c) Die Abbildung α : 3 → 3 : 1 7→ 2, 2 7→ 1, 3 7→ 3 erzeugt die Untergruppe {id3 , α}


der symmetrischen Gruppe S3 .
4 KAPITEL 3. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN

Bemerkung 3.6. Es sei (G, ·) eine Gruppe und H ⊆ G eine nicht-leere Teilmenge von G.
Genau dann ist (H, ·) eine Untergruppe von (G, ·), wenn gilt:

H · H := {h1 h2 | h1 , h2 ∈ H} ⊆ H

und
H −1 := {h−1 | h ∈ H} ⊆ H .
(Wie sehen diese Bedingungen bei abelschen Gruppen in additiver Schreibweise aus?)

Beweis. Übung.

Übung: Man zeige: Ist H eine Untergruppe von G, dann hat H dasselbe neutrale Element
wie G, d. h., es gilt 1H = 1G .

Definition 3.7. Es sei H ≤ G eine Untergruppe von (G, ·). Dann definiert

g1 ∼H g2 :⇐⇒ g1−1 g2 ∈ H , g1 , g2 ∈ G ,

eine Äquivalenzrelation auf G, auch Kongruenzrelation genannt. Die Kongruenzklassen


heißen Nebenklassen, genauer Linksnebenklassen, oder Restklassen nach H, und
sie sind von der Form
gH := {gh | h ∈ H} .
(Da G nicht abelsch zu sein braucht, sind die Rechtsnebenklassen Hg = {hg | h ∈ H}
im Allgemeinen von den Linksnebenklassen gH verschieden.)

Beispiel 3.8. a) Die drei Restklassen von (Z, +) nach der Untergruppe (3Z, +) sind
die Mengen 3Z, 1 + 3Z = {1 + 3n | n ∈ Z} und 2 + 3Z = {2 + 3n | n ∈ Z}.

b) Die drei Linksnebenklassen der symmetrischen Gruppe (S3 , ◦) nach der Untergruppe
H = {id3 , α} aus Beispiel 3.5 c) sind H, βH, (β ◦ β)H, wobei die Permutation β
definiert sei durch β : 3 → 3 : 1 7→ 2, 2 7→ 3, 3 7→ 1.

c) Die Menge der Restklassen von (R, +) nach (Z, +) lässt sich als Kreis deuten.

Für uns haben Gruppen zweierlei Bedeutung: Sie treten auf in den nachfolgenden Defi-
nitionen von Ringen und Körpern, also Zahlbereichen im weitesten Sinne. Zweitens haben
Gruppen ein Eigenleben, welches fast alle Teile der Mathematik beeinflusst.
3.2. RINGE 5

3.2 Ringe

Lernziele. Ringaxiome, Rechnen in Ringen, Beispiele von Ringen, insbesondere Z/nZ,


Einheiten, Teilbarkeit, Nullteiler, Binomischer Lehrsatz.

Bei den natürlichen Zahlen hatten wir bereits zwei Verknüpfungen, Addition und Mul-
tiplikation. Aber erst (Z, +, ·) erfüllt die Axiome eines Rings, die man braucht, um eine
befriedigende Theorie aufzubauen. Ringe spielen sowohl in Algebra, Geometrie als auch
Analysis eine grundlegende Rolle. Zum Beispiel ist es die passende algebraische Struktur,
um Teilbarkeit zu studieren, wie etwa von den ganzen Zahlen bekannt.

Definition 3.9. Es sei R eine nicht-leere Menge mit zwei Verknüpfungen + (genannt
Addition) und · (genannt Multiplikation). (R, +, ·) heißt ein Ring, falls die folgenden drei
Axiome erfüllt sind:

(R1) (R, +) ist eine abelsche Gruppe. Das neutrale Element von (R, +) wird mit 0 be-
zeichnet.

(R2) (R, ·) ist eine Halbgruppe, d. h., es gilt das Assoziativgesetz

r1 · (r2 · r3 ) = (r1 · r2 ) · r3 für alle r1 , r2 , r3 ∈ R .

(R3) Es gelten die beiden Distributivgesetze:

r1 (r2 + r3 ) = r1 r2 + r1 r3 für alle r1 , r2 , r3 ∈ R

und
(r1 + r2 ) r3 = r1 r3 + r2 r3 für alle r1 , r2 , r3 ∈ R .

Falls zusätzlich die Multiplikation kommutativ ist, spricht man von einem kommutativen
Ring.
Ein Ring (R, +, ·), für den (R, ·) eine Halbgruppe mit Eins (also ein Monoid) ist mit2
neutralem Element 1 6= 0, heißt Ring mit Eins. Handelt es sich bei (R, ·) um ein kom-
mutatives Monoid, wird (R, +, ·) ein kommutativer Ring mit Eins genannt.

2
Im Prinzip könnte man bei (kommutativen) Ringen mit Eins noch auf den Zusatz 1 6= 0 verzichten.
Im Falle 1 = 0 gibt es jedoch keine weiteren Elemente in dem Ring.
6 KAPITEL 3. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN

Bemerkung 3.10. Es sei R ein Ring.

a) Für alle a ∈ R gilt: 0a = 0 = a0.

b) Für alle a, b ∈ R gilt: (−a) b = −ab = a (−b).

Beweis. a) Es gilt 0a = (0 + 0)a = 0a + 0a. Durch Subtraktion von 0a auf beiden Seiten
der Gleichungskette (man beachte, dass das Ringaxiom (R1) benutzt wird) erhält man also
0a = 0. Die Identität a0 = 0 folgt analog.
b) Übung.

Beispiel 3.11. a) (Z, +, ·), (Q, +, ·) und (R, +, ·) sind kommutative Ringe mit Eins.

b) (Z≥0 , +, ·) ist kein Ring, da (Z≥0 , +) keine Gruppe ist. Da (Z≥0 , +) aber eine kom-
mutative Halbgruppe ist, wird (Z≥0 , +, ·) auch Halbring genannt.

c) Es sei n ∈ N. Wir erinnern an die Äquivalenzrelation ≡n aus Beispiel 2.35 b): Genau
dann sind a, b ∈ Z in der gleichen Äquivalenzklasse bezüglich ≡n , auch geschrieben
a ≡ b (mod n), wenn a − b durch n teilbar ist. Die Menge der Äquivalenzklassen
bezeichnen wir mit Z/nZ := Z/ ≡n , also (vergleiche auch Beispiel 2.40 b))

Z/nZ = {0 + nZ, 1 + nZ, . . . , (n − 1) + nZ} .

Die Verknüpfungen + und · des Rings (Z, +, ·) induzieren Verknüpfungen auf Z/nZ,
die wir der Einfachheit halber wieder mit + und · bezeichnen:

+ : (Z/nZ) × (Z/nZ) → Z/nZ : (a + nZ, b + nZ) 7→ a + b + nZ ,


· : (Z/nZ) × (Z/nZ) → Z/nZ : (a + nZ, b + nZ) 7→ a · b + nZ .

Dann ist (Z/nZ, +, ·) ein kommutativer Ring (mit Eins, falls n > 1). Als wichtige
Übung ist zunächst die Wohldefiniertheit der Verknüpfungen + und · zu zeigen, d. h.
die Unabhängigkeit des Wertes a+b+nZ bzw. a·b+nZ von den Wahlen der Vertreter
a und b der Klassen a + nZ und b + nZ. Man beachte: Der Rest nach Division durch
n liefert einen Standardvertreter.

d) Es sei M eine nicht-leere Menge. Wir definieren auf RM = {f | f : M → R} die


werteweise Addition + und Multiplikation ·, d. h., für alle f1 , f2 ∈ RM sind f1 + f2
und f1 · f2 definiert durch

(f1 + f2 )(m) := f1 (m) + f2 (m) , (f1 · f2 )(m) := f1 (m) · f2 (m) , m∈M.

Dann ist (RM , +, ·) ein Ring. Ist er kommutativ? Hat er ein Einselement?
3.2. RINGE 7

Übung: Sei (M, +) eine abelsche Gruppe und R := M M . Definieren + und · durch

(f1 + f2 )(m) := f1 (m) + f2 (m) , (f1 · f2 )(m) := (f1 ◦ f2 )(m) , m∈M.

Dann gelten fast alle Ringgesetze für (R, +, ·) bis auf eines der beiden Distributivgesetze.
Übung: Man definiere den Begriff des Teilrings eines Ringes und zeige, dass (Z, +, ·) keinen
echten Teilring mit Eins enthält.

Ist (R, +, ·) ein Ring mit Eins, so ist (R, +) eine Gruppe, so dass es zu jedem Element
r ∈ R ein additiv (also bezüglich +) Inverses −r ∈ R gibt. Zu einem Element r ∈ R kann
es ein multiplikativ (also bezüglich ·) Inverses r−1 ∈ R geben oder auch nicht.

Definition 3.12. Es sei (R, +, ·) ein Ring mit Eins. Dann heißt

R× := {r ∈ R | ∃ s ∈ R mit r · s = s · r = 1}

die Einheitengruppe von R, und die Elemente von R× werden Einheiten genannt.

Übung: Man verifiziere, dass (R× , ·) eine Gruppe ist.


Beispiel: Es gilt Z× = {1, −1} und Q× = Q \ {0} und (Z/4Z)× = {1 + 4Z, 3 + 4Z}.

Definition 3.13. Es sei (R, +, ·) ein kommutativer Ring.

a) Ein Element r ∈ R heißt Teiler eines Elementes t ∈ R, wenn es ein s ∈ R gibt mit
r · s = t. In diesem Fall schreiben wir r | t.

b) Ein Element r ∈ R heißt Nullteiler, wenn es ein 0 6= s ∈ R gibt mit r · s = 0. Der


Ring R heißt nullteilerfrei, wenn 0 der einzige Nullteiler ist.

Beispiel: Der Ring Z hat keine von 0 verschiedenen Nullteiler.


Im Ring Z/6Z sind 2 + 6Z und 3 + 6Z Nullteiler.

Bemerkung 3.14. Die kommutativen Ringe (Z/nZ, +, ·) haben die Eigenschaft, dass sie
aus Summen von Einsen bestehen. Ist R ein Ring und definiert man für a ∈ N das Element
aR := 1+. . .+1 als die Summe von a Einsen, so erhält man direkt aus dem Distributivgesetz,
dass aR · bR = (ab)R ist. Es gibt also nur eine mögliche Multiplikationstabelle auf diesem
Teilring von R, der aus allen Summen von Einsen besteht.
8 KAPITEL 3. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN

Satz 3.15. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins.

(a) Für jedes a ∈ R ist die Multiplikation mit a

ma : R → R, b 7→ ma (b) = ab

eine Abbildung.

(b) Ein Element a ∈ R ist kein Nullteiler, genau dann wenn ma injektiv ist.

(c) Ein Element a ∈ R ist genau dann eine Einheit, wenn ma surjektiv ist. Dann ist ma
sogar bijektiv mit Umkehrabbildung ma−1 . Insbesondere sind Einheiten keine Nulltei-
ler.

(d) Ist R ein endlicher nullteilerfreier Ring, dann ist R× = R \ {0}.

Beweis. Teil (a) ist klar.


Für (b) zeigen wir ⇐ durch Kontraposition. Ist a ein Nullteiler, so gibt es 0 6= b ∈ R mit
ab = ma (b) = 0 = ma (0), also ist ma nicht injektiv.
Für die umgekehrte Richtung sei a kein Nullteiler und b, c ∈ R mit ma (b) = ma (c). Dann
ist
0 = ma (b) − ma (c) = ab − ac = a(b − c).

Da a kein Nullteiler ist, folgt daraus b − c = 0, also b = c.


Zu Teil (c): Ist a ∈ R eine Einheit, so gibt es b ∈ R mit ab = 1. Für beliebiges c ∈ R ist
dann
c = 1 · c = abc = a(bc) = ma (bc)

im Bild von ma , also ist ma surjektiv.


Umgekehrt, folgt aus der Surjektivität von ma , dass es ein b ∈ R gibt mit ma (b) = 1. Also
ist ab = ba = 1 und a ∈ R× . In dem Fall ist dann mb ◦ ma = ma ◦ mb = m1 die Identität.
Teil (d) folgt aus der Tatsache dass injektive Abbildungen einer endlichen Menge in sich
automatisch bijektiv sind.

Satz 3.16 (Binomischer Lehrsatz). Es sei (R, +, ·) ein kommutativer Ring mit Eins. Für
alle a, b ∈ R und n ∈ N gilt:
n  
n
X n
(a + b) = ak bn−k .
k=0
k
3.2. RINGE 9

Beweis. Die Korrektheit der Behauptung kann kombinatorisch verstanden werden, indem
man den Prozess des Ausmultiplizierens der linken Seite

(a + b) · (a + b) · . . . · (a + b)
| {z }
n Faktoren

untersucht. Wiederholte Anwendung des Distributivgesetzes und der Annahme, dass R


kommutativ ist, liefert eine Summe vonTermen von der Form ak bn−k . Beim Zusammen-
fassen der Terme tritt ak bn−k genau nk -mal auf, da dies die Anzahl der Möglichkeiten
ist, beim Ausmultiplizieren in k Klammern den Summanden a und in den anderen n − k
Klammern den Summanden b gewählt zu haben. Ein formaler Beweis der Behauptung kann
durch vollständige Induktion über n geführt werden unter Benutzung von Lemma ?? ??.
Details: Übung.
10 KAPITEL 3. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN

3.3 Körper

Lernziele. Körperaxiome, Rechnen in Körpern, Beispiele von Körpern: Q, R, C, F2 , F3 ,


F5 .

Wie das Beispiel der ganzen Zahlen zeigt, kann man in einem kommutativen Ring mit
Eins im Allgemeinen nicht durch Zahlen ungleich 0 dividieren. Wenn dies doch der Fall ist,
spricht man von einem Körper.

Definition 3.17. Ein kommutativer Ring (K, +, ·) mit Eins wird Körper genannt, falls
K\{0} mit der Multiplikation, also (K\{0}, ·), eine abelsche Gruppe ist, d. h. K × = K\{0}.

Bemerkung 3.18. Geht man in Definition 3.17 von einem nicht-kommutativen Ring mit
Eins aus, so erhält man entsprechend die algebraische Struktur eines Schiefkörpers.

Bemerkung 3.19. Es sei K ein Körper. Statt a · b−1 (oder b−1 · a) schreibt man auch a
b
für alle a ∈ K, b ∈ K × . Für alle a, c ∈ K, b, d ∈ K × gilt:
a c ad + cb a c ac
+ = und · = .
b d bd b d bd

Beweis. Es gilt
a
c bda bdc
bd · + = + = da + bc .
b d b d
Teilt man die Gleichheit zwischen dem ersten und letzten Ausdruck durch bd, so folgt die
erste Behauptung nach Kürzen. Die zweite lassen wir als Übung.

Beispiel 3.20. a) (R, +, ·), kurz R, ist ein Körper: der reelle Zahlkörper.

b) (Q, +, ·) mit na o
Q := a, b ∈ Z, b 6= 0 ⊆ R
b
ist ein Körper (Teilkörper von R): der rationale Zahlkörper Q. Man überzeugt
sich leicht, dass Q keinen echten Teilkörper mehr enthält, wohl aber viele Teilringe.
3.3. KÖRPER 11

c) (Z, +, ·) ist kein Körper, sondern nur ein kommutativer Ring mit 1.

d) In Beispiel 3.11 c) wurde die Ringstruktur auf F2 := Z/2Z = {0 + 2Z, 1 + 2Z}


eingeführt. Tatsächlich ist (F2 , +, ·) ein3 Körper. Zur Verifikation und Illustration
seien hier die Tabellen für die Addition + und die Multiplikation · angegeben, wobei
wir die Restklassen durch die Vertreter 0 und 1 ansprechen:

+ 0 1 · 0 1
0 0 1 0 0 0
1 1 0 1 0 1

e) F3 := Z/3Z ist ein Körper mit den Verknüpfungen + und · zusammengefasst durch:

+ 0 1 2 · 0 1 2
0 0 1 2 0 0 0 0
1 1 2 0 1 0 1 2
2 2 0 1 2 0 2 1

f) F5 := Z/5Z ist ein Körper mit den Verknüpfungen + und · zusammengefasst durch:

+ 0 1 2 3 4 · 0 1 2 3 4
0 0 1 2 3 4 0 0 0 0 0 0
1 1 2 3 4 0 1 0 1 2 3 4
2 2 3 4 0 1 2 0 2 4 1 3
3 3 4 0 1 2 3 0 3 1 4 2
4 4 0 1 2 3 4 0 4 3 2 1

g) Auf R × R definieren wir eine Addition und Multiplikation durch

(a, b) + (c, d) := (a + c, b + d) und (a, b) · (c, d) := (ac − db, ad + bc)

für alle a, b, c, d ∈ R. Dann ist C = (R×R, +, ·) ein Körper der Körper der komple-
xen Zahlen. Das Einselement ist (1, 0) und das Inverse ergibt sich aus der Rechnung
(a, b) · (a, −b) = (a2 + b2 , 0).

Es stellen sich die Fragen: Erhält man weitere endliche Körper auf diese Weise? Was
sind die Bedingungen, die n erfüllen muss, damit (Z/nZ, +, ·) ein Körper ist? Erhält man
alle endlichen Körper auf diese Weise? Ein wenig später werden wir verstehen, wie man
alle endlichen Körper überblicken und konstruieren kann.
Es schließt sich dann eine typische Aufgabenstellung der Algebra an: Klassifiziere die
endlichen Körper! Dabei wird vereinbart, dass zwei endliche Körper zur gleichen Klasse
3
Die englische Übersetzung von Körper ist field.
12 KAPITEL 3. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN

gehören, wenn sie auseinander hervorgehen lediglich durch Umbenennen ihrer Elemente,
so dass in beiden Körpern die gleichen Rechenregeln gelten (wenn man berücksichtigt,
welches Element des einen Körpers zu welchem Element des anderen Körpers korrespon-
diert). Zum Beispiel kann man als Ziel formulieren, aus jeder solchen Klasse von endlichen
Körpern einen Standardvertreter anzugeben. Das Ergebnis dieser Klassifikationsaufgabe
ist schon sehr lange bekannt, und wir werden es bald studieren. (Für endliche Gruppen ist
die entsprechende Klassifikationsaufgabe z. B. sehr viel schwieriger zu lösen.)

Bemerkung 3.21. Aus Satz 3.15 erhalten wir direkt dass endliche nullteilerfreie Ringe
Körper sind.

Satz 3.22. Sei p eine Primzahl. Dann ist Fp := (Z/pZ, +, ·) ein Körper, der Körper mit
p Elementen.

Beweis. Wir müssen nur zeigen, dass Fp nullteilerfrei ist. Die folgt direkt aus der definie-
renden Eigenschaft einer Primzahl:
Sind a, b ∈ Z beide nicht durch p teilbar, so ist auch ihr Produkt ab nicht durch p teilbar.
Für Fp heißt dies: Ist a + pZ 6= 0 und b + pZ 6= 0, so ist auch (a + pZ)(b + pZ) = ab + pZ 6=
0.
Übung: Für a, b ∈ Fp gilt (a + b)p = ap + bp .

Bemerkung 3.23. Sei K ein Körper und a, b ∈ K mit ab = b. Dann gilt entweder b = 0
oder a = 1.

Mithilfe dieser Bemerkung kann man leicht den eindeutig bestimmten Körper mit 4
Elementen konstruieren. Sei K = {0, 1, a, b} ein Körper mit 4 Elementen. Dann gilt für die
Multiplikation:
· 0 1 a b + 0 1 a b
0 0 0 0 0 0 0 1 a b
1 0 1 a b und 1 1 0 b a
a 0 a b 1 a a b 0 1
b 0 b 1 a b b a 1 0
da ma bijektiv ist und ab 6= b gilt. Also muss a2 = b sein und es gilt a3 = 1. Somit
ist (a − 1)(a2 + a + 1) = 0 also (da a 6= 1) gilt a + b + 1 = 0. Daraus erhält man die
Additionstabelle.

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