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KAPITEL

Algebraische Grundstrukturen �

Eine wichtige Eigenschaft der reellen Zahlen R besteht darin, dass man in ihnen »wie gewohnt«
rechnen kann. Was das bedeutet, wird im Folgenden erörtert. Da reelle Zahlen aber bei weitem
nicht die einzigen Objekte sind, mit denen man rechnen kann, lohnt es sich, zunächst ein wenig
Begri�sbildung zu unternehmen.

2a Mengen mit einer Verknüpfung

2.1 Definition Verknüpfungen und Magmen


Es sei M eine Menge. Eine Abbildung

v : M⇥ M ! M, ( a, b) 7! v( a, b) =: a ? b ,

heißt eine (innere, zweistellige) Verknüpfung auf M. Das Paar ( M, ?) aus einer Menge und einer
darauf erklärten Verknüpfung wird Magma genannt. Die Verknüpfung (oder das Magma) heißt
1) assoziativ, wenn
8 a, b, c 2 M : ( a ? b) ? c = a ? (b ? c) ,
2) kommutativ, wenn
8 a, b 2 M : a ? b = b ? a .

Für konkrete Verknüpfungen schreibt man anstelle von a ? b oft a + b, a · b, a b oder einfach
ab. Wenn aus dem Kontext heraus klar ist, mit welcher Verknüpfung eine Menge ausgerüstet
werden soll, schreibt man (die Notation missbrauchend1 ) einfach M anstelle von ( M, ?).
Dass die in Definition 2.1 benannten Rechenregeln keine Selbstverständlichkeiten sind, zeigt
das folgende Beispiel.
1 D. h.
eigentlich müsste man als Abkürzung für ( M, ?) eine neue Bezeichnung wählen, z. B. M := ( M, ?). Aber
es gibt nur endlich viele Buchstaben und Schriftarten, also lässt man das und denkt lieber mit.

17
18 2a. Mengen mit einer Verknüpfung

2.2 Beispiel Potenzieren


Auf den natürlichen Zahlen N wird durch

n ^ m := nm

eine Verknüpfung erklärt.2 Das Magma (N, ^) ist nicht assoziativ, da z. B.

2 ^ (1 ^ 2) = 2 ^ 1 = 2 6 = 4 = 2 ^ 2 = (2 ^ 1) ^ 2 .

Das Magma ist auch nicht kommutativ, da z. B.

2 ^ 1 = 2 6= 1 = 1 ^ 2 . ⇧

In Magmen macht das Rechnen keinen besonderen Spaß, da einfach nicht genug Struktur
zur Verfügung steht.

2.3 Definition Monoide und (Halb-) Gruppen


Es sei ( G, ?) ein Magma. Wenn ? assoziativ ist, heißt ( G, ?) eine Halbgruppe. Wenn es außerdem
ein Element e 2 G mit
8g 2 G : g ? e = g = e ? g ,
gibt, dann heißt ( G, ?) ein Monoid, und e heißt das neutrale Element in G. Falls zudem

8 g 2 G : 9 g̃ 2 G : g ? g̃ = e

gilt, heißt G eine Gruppe, und g̃ heißt das zu g inverse Element. Wenn ? zusätzlich kommutativ
ist, nennt man ( G, ?) eine abelsche Gruppe. Entsprechend heißt ein assoziatives, kommutatives
Magma eine abelsche Halbgruppe.

Das zu g inverse Element wird für ? = + bzw. für ? = · meist mit g bzw. mit g 1 be-
zeichnet. Die inversen Elemente sind ebenfalls eindeutig und invertieren praktischerweise auch
dann, wenn sie von links kommen.

2.4 Bemerkung Eindeutigkeit von neutralem Element, Inverse


In einem Monoid G = ( G, ·) gibt es nur ein neutrales Element e. Wenn G eine Gruppe ist, gilt
zudem
8g 2 G : g 1 · g = e ,

8 g, h 2 G : ( g · h) 1 = h 1 · g 1 .

Beispiele für (Halb-) Gruppen und Monoide sind die elementaren Zahlbereiche.

2.5 Beispiel Zahlbereiche


1) Die natürlichen Zahlen: (N, +) ist eine abelsche Halbgruppe, und (N, ·) ist ein abelsches
Monoid.
2) Die ganzen Zahlen: (Z, +) ist eine abelsche Gruppe, (Z, ·) ein abelsches Monoid.
2 Vielleicht haben Sie bemerkt, dass das Symbol ^ inzwischen bereits in zwei verschiedenen Rollen auftritt, näm-

lich als Konjunktion von Aussagen und als Verknüpfung in N. Solche Mehrdeutigkeiten lassen sich nicht ganz ver-
meiden. Hier besteht allerdings keine Verwechslungsgefahr, da natürliche Zahlen keine Aussagen sind.
Kapitel 2. Algebraische Grundstrukturen 19

3) Die rationalen Zahlen: (Q, +) ist eine abelsche Gruppe, (Q, ·) jedoch nur ein abelsches Mo-
noid. Dies liegt daran, dass es kein q 2 Q mit 0 · q = 1 gibt. Die durch Entfernen der 0
entstehende Menge Q r {0} ist mit der üblichen Multiplikation eine abelsche Gruppe.
4) Reelle Zahlen: (R, +) und (R r {0}, ·) sind abelsche Gruppen. ⇧
Bemerkung Konstruktion der natürlichen Zahlen
Wir nehmen die natürlichen Zahlen (und weitgehend auch die anderen Zahlbereiche) als gege-
ben hin. Eine Idee für die Konstruktion der natürlichen Zahlen ist ihre rekursive Herstellung
ausgehend von der leeren Menge. Man definiert 0 := ∆ und bastelt zu jeder bereits gescha�e-
nen natürlichen Zahl n 2 N0 einen Nachfolger n(n) := n [ {n}. Dabei ist n 2 / n und daher
n(n) 6= n. Der Anfang sieht damit so aus:

0 := ∆ ,
1 : = n (0) = {0} = { ∆ } ,
2 := n(1) = {0, 1} = {∆, {∆}} ,
3 := n(2) = {0, 1, 2} = {∆, {∆}, {∆, {∆}}} .

Die Addition zweier natürlichen Zahlen lässt sich dann ebenfalls rekursiv erklären. Für jedes
n 2 N0 setzt man n + 0 := n, und wenn für ein m 2 N0 die Summe n + m bereits erklärt ist,
geht es mit n + n(m) := n(n + m) weiter. Ist dies gescha�t, entsteht hieraus (auch rekursiv) die
Multiplikation durch n · 0 := 0 und n · n(m) := n · m + n. Es ist allerdings durchaus aufwen-
dig, hiervon ausgehend die liebgewonnenen Rechengesetze für die Magmen (N, +) und (N, ·)
abzuleiten. Wer mag, kann die Details z. B. in [21] nachlesen. Die Konstruktion von Z und Q ist
hiernach deutlich einfacher. ⇧
Außer den elementaren Zahlbereichen sind auch sogenannte Restklassen ein wichtiges Bei-
spiel. Es entsteht eine Arithmetik mit nur endlich vielen Elementen.

2.6 Beispiel Rechnen mit Restklassen


Für n 2 N wird mit nZ := {n · j ; j 2 Z } durch

(k, l ) 2 = :, k=l :, n | (k l) , (k l ) 2 nZ
n n

eine Äquivalenzrelation = auf Z definiert, d. h. durch


n
n o
[k ]n := l 2 Z ; k = l = {l 2 Z ; k l 2 nZ } = k + nZ
n

wird Z vollständig in paarweise disjunkte Äquivalenzklassen zerlegt. Genauer gilt


n]1
Z= [ k ] n = [0] n ] . . . ] [ n 1] n .
k =0

Die Menge dieser Restklassen (für festes n 2 N) wird mit

Z n := Z/nZ := {[k ]n ; k 2 Z } = {[0]n , . . . , [n 1] n }

bezeichnet. Auf Z n werden durch

[k ]n [l ]n := [k + l ]n , [k ]n [l ]n := [k · l ]n
20 2a. Mengen mit einer Verknüpfung

zwei Verknüpfungen definiert, die in den Übungen näher untersucht werden. Wenn keine Miss-
verständnisse zu befürchten sind, ist es üblich, die Notation durch ausschließliche Verwendung
der Repräsentanten 0, . . . , n 1 zu vereinfachen und k anstelle von [k ]n zu schreiben. Dann ist

Z n = {0, . . . , n 1} ,

aber es ist z. B. mit n 2 Z n natürlich immer noch die ganze Klasse

[0] n = { l 2 Z ; (0 l ) 2 nZ } = nZ

gemeint. Werden etwas lax auch andere Repräsentanten aus Z zugelassen, gelten in Z n schein-
bar unsinnige Gleichungen wie n = 0. In Z12 gilt z. B. 12 = 0 und 15 = 3, und aus 12k = 12l
folgt nicht k = l. Hier ist also etwas Vorsicht geboten und es muss mitgedacht werden. ⇧

2.7 Übung Addition von Restklassen


Für n 2 N sei Z n = Z/nZ wie in Beispiel 2.6.

1) Zeige, dass die Addition


[k ]n [l ]n := [k + l ]n
in Z n »wohldefiniert« ist, d. h. nicht von der Auswahl der Repräsentanten k und l ab-
hängt.

2) Erstelle Verknüpfungstabellen für die Magmen (Z3 , ) und (Z4 , ). Um welche alge-
braischen Strukturen aus Definition 2.3 handelt es sich?

Nicht invertierbare Elemente zu entfernen, wie bei Q r {0} in Beispiel 2.5, hat System.

2.8 Definition Einheitengruppe


Für ein Monoid ( M, ?) mit neutralem Element e 2 M ist

M⇥ := { g 2 M ; 9 g̃ 2 M : g ? g̃ = e}

mit der Verknüpfung ? eine Gruppe. Sie wird als die Einheitengruppe von M bezeichnet.

Mit Abbildungen kann man teils sogar dann rechnen, wenn auf dem Definitions- und dem
Zielbereich keine Operationen definiert sind.

2.9 Beispiel Abbildungen


Es sei M eine Menge. Dann wird die Menge M M aller Abbildungen von M nach M durch die
Verkettung als Verknüpfung zu einem Monoid. Das neutrale Element ist Id M . Seine Einheiten-
gruppe
⇣ ⌘⇥ n o
Perm M := M M = f 2 M M ; f ist bijektiv
ist mit der gleichen Verknüpfung eine (i. A. nicht abelsche) Gruppe. Sie heißt die Permutations-
gruppe (oder symmetrische Gruppe) von M. ⇧
Die ganzen Zahlen sind eine Teilmenge der rationalen Zahlen, Z ✓ Q, und beide Mengen
bilden mit der üblichen Addition eine Gruppe. Dies ist ein Beispiel für eine Unterstruktur.
Kapitel 2. Algebraische Grundstrukturen 21

2.10 Definition Untergruppen


Es sei G = ( G, ·) eine Gruppe, und es sei U ✓ G eine Teilmenge. Wenn U mit der Einschrän-
kung von · auf U eine Gruppe bildet, heißt U eine Untergruppe von G, in Zeichen U  G.

In einer Gruppe G gibt es stets die »trivialen« Untergruppen {e} ✓ G und G ✓ G. Oft gibt
es aber auch interessantere Beispiele. Für n 2 N0 ist etwa

nZ := {n · k ; k 2 Z } ✓ Z

eine Untergruppe von (Z, +). Nebenbei ist nZ auch eine Unterhalbgruppe des Monoids (Z, ·),
/ nZ, sodass nZ kein Untermonoid ist.3 Angenehmerweise müssen Sie
aber für n 6= 1 ist 1 2
nicht jedes Mal alle Gruppeneigenschaften nachrechnen, wenn Sie sich vergewissern wollen, ob
Sie es mit einer Untergruppe zu tun haben.

2.11 Satz Untergruppenkriterium


Es sei G = ( G, ·) eine Gruppe. Eine Teilmenge U ✓ G ist genau dann eine Untergruppe von
G, wenn U 6= ∆ gilt und
8u, v 2 U : u · v 1 2 U .

Beweis. Die »Hinrichtung« ()) ist klar. Bei der »Rückrichtung« (() bleibt zunächst die Ver-
knüpfung · assoziativ. Wegen U 6= ∆ gibt es ein u 2 U, sodass4 e = u · u 1 2 U. Also ist U ein
Monoid, und sein neutrales Element stimmt mit dem in G überein. Weil G eine Gruppe ist, gibt
es zu v 2 U ✓ G ein v 1 2 G mit v · v 1 = e. Wegen e 2 U folgt v 1 = e · v 1 2 U. Folglich ist
U mit · eine Gruppe. \

Es gibt verschiedene Methoden, aus bestehenden Gruppen neue herzustellen. Wenn bei-
spielsweise ( G, ·) und ( H, ?) Gruppen sind, dann wird G ⇥ H mit der Verküpfung

(G ⇥ H ) ⇥ (G ⇥ H ) ! (G ⇥ H ) , ( g1 , h 1 ) , ( g2 , h 2 ) 7 ! ( g1 · g2 , h 1 ? h 2 )

zu einer Gruppe, dem direkten Produkt, das man meist5 mit G H bezeichnet. Eine weitere Kon-
struktion beruht auf der Identifizierung von Elementen mithilfe einer geeigneten Äquivalenz-
relation.

2b Mengen mit zwei Verknüpfungen: Ringe und Körper


Mithilfe von Gruppen lässt sich ausdrücken, was unter einer Struktur zu verstehen ist, in der
man (mehr oder weniger) vernünftig rechnen kann.
3 Die (langweilige) Halbgruppe 0Z = {0} ist zwar mit · ein Monoid, aber das neutrale Element ist dann nicht

mehr 1. Das wird bei einem Untermonoid nicht toleriert.


4 Machen Sie sich bei dieser Gelegenheit den Unterschied zwischen den Formulierungen »… , sodass …« und »…

so, dass …« klar. Hier folgt keine zusätzliche Bedingung, der u genügen soll, sondern eine automatische Konsequenz
aus seiner bloßen Existenz.
5 Wenn beide Gruppen abelsch sind, ist es üblich, ihre Verknüpfungen mit + zu notieren und anstelle des direkten

Produkts von der direkten Summe G H zu sprechen.


22 2b. Mengen mit zwei Verknüpfungen: Ringe und Körper

2.12 Definition Ringe


Es sei R eine Menge, und es seien + sowie · zwei Verknüpfungen auf R. Dann heißt R =
( R, +, ·) ein Ring, wenn gilt:
1) Das Magma ( R, +) ist eine abelsche Gruppe. Dabei wird das neutrale Element in ( R, +)
mit 0 bezeichnet.
2) Es gelten die Distributivgesetze

8 a, b, c 2 R : a · (b + c) = a · b + a · c ,
8 a, b, c 2 R : ( a + b) · c = a · c + b · c .

3) Das Magma ( R, ·) ist eine Halbgruppe.

2.13 Definition Besondere Ringe


Sei R = ( R, +, ·) ein Ring.

1) Wenn ( R, ·) kommutativ ist, heißt R ein kommutativer Ring.

2) Wenn ( R, ·) ein Monoid ist, wird sein neutrales Element mit 1 bezeichnet (und die Eins
des Rings genannt), und der Ring R heißt unitär. Außerdem heißt
n o
R ⇥ : = r 2 R ; 9r 1 2 R : r · r 1 = 1

(mit · als Verknüpfung) die Einheitengruppe des unitären Rings, und die Elemente von
R⇥ heißen Einheiten.

3) Wenn R ein kommutativer unitärer Ring (k. u. R.) mit der Eigenschaft

(2.1) 8 x, y 2 R r {0} : x · y 6= 0

ist, heißt R ein Integritätsring. Formel (2.1) bedeutet, dass R nullteilerfrei ist.

Das prominenteste Beispiel eines Integritätsrings ist Z mit den üblichen Verknüpfungen.
Seine Einheitengruppe ist Z ⇥ = {1, 1}. Zur Glückseligkeit wünscht man sich eigentlich, dass
jedes Element außer 0 (multiplikativ) invertierbar ist, d. h. dass die Gleichung

ax = b

für alle a und b nach x auflösbar ist; x = a 1 · b. Diesem Anspruch genügen sogenannte Körper,
die also viel freundlicher sind als bloße (unitäre) Ringe.

2.14 Definition Körper


Es seien K eine Menge und + sowie · zwei kommutativen Verknüpfungen auf K. Dann heißt
K = (K, +, ·) ein Körper 6 , wenn gilt:
1) Das Magma (K, +) ist eine (abelsche) Gruppe. Das neutrale Element in (K, +) wird mit
0 = 0K bezeichnet.
Kapitel 2. Algebraische Grundstrukturen 23

2) Es gilt das Distributivgesetz

8 a, b, c 2 K : a · (b + c) = a · b + a · c .

3) Das Magma (K, ·) ist ein Monoid, für dessen Einheitengruppe K ⇥ = K r {0K } gilt.
Insbesondere gilt für sein neutrales Element 1K 6= 0K .
Die Elemente eines Körpers heißen Skalare.

In einem Körper K gilt 0 · k = 0 für alle k 2 K, und für a, b 2 K ⇥ gilt a · b 6= 0. Um Klam-


mern zu sparen, wurde in den Distributivgesetzen bereits stillschweigend das Gebot »Punkt-
vor Strichrechnung« befolgt, d. h. es ist z. B. a · b + c = ( a · b) + c. Es ist üblich, den Punkt für
die Multiplikation wegzulassen, d. h. ab = a · b.
Aus dem Ring Z der ganzen Zahlen ergibt sich der Körper Q der rationalen Zahlen durch
eine Konstruktion, die auch in anderen Fällen (z. B. bei Polynomen) angewendet wird.

2.15 Beispiel Konstruktion der rationalen Zahlen


Sei R ein sogenannter Integritätsring, z. B. R = Z. Auf der Menge

M := {( x, y) ; x 2 R, y 2 R r {0}}

wird durch

(2.2) ( x, y) ⇠ (u, v) :, x · v = u · y

eine Äquivalenzrelation definiert Auf der Menge

Q( R) := M/⇠ = {[( x, y)] ; ( x, y) 2 M }

der zugehörigen Äquivalenzklassen werden zudem durch die Formeln

(2.3) [( x, y)] + [(u, v)] := [( xv + uy, yv)] ,


(2.4) [( x, y)] · [(u, v)] := [( xu, yv)]

zwei (innere) Verknüpfungen Q( R) ⇥ Q( R) ! Q( R) definiert, mit denen (Q( R), +, ·) ein Kör-
per ist – der Quotientenkörper des Integritätsrings R. Als Schreibweise für seine Elemente ist
x
:= [( x, y)] = {(u, v) ; (u, v) ⇠ ( x, y)}
y

üblich. Für R := Z ergibt sich als Quotientenkörper Q = Q(Z ). ⇧


Als Übung betrachten wir dies für beispielhaft für den Integritätsring Z:

2.16 Übung Addition rationaler Zahlen


Seien M und ⇠ wie in Übung 1.21, und bezeichne

Q := M/⇠ = {[( x, y)] ; ( x, y) 2 M }

6 Englisch: field
24 2b. Mengen mit zwei Verknüpfungen: Ringe und Körper

die Menge der Äquivalenzklassen bezüglich ⇠. Untersuche, durch welchen der folgenden An-
sätze eine Verknüpfung auf den rationalen Zahlen Q definiert wird:

(i) [( x, y)] [(u, v)] := [( x + u, y + v)] ,


(ii) [( x, y)] ] [(u, v)] := [( xv + uy, yv)] .

Natürlich sind sie mit dem Körper Q der rationalen Zahlen bereits vertraut. Es gibt aber auch
Körper, die nur endlich viele Elemente haben.

2.17 Beispiel Endliche Körper


Wenn p 2 N prim ist, dann ist Z/pZ ein Körper mit p Elementen, den man mit

F p := Z p = Z/pZ

bezeichnet.7 Wenn n 2 N nicht prim ist, handelt es sich bei Z/nZ nicht um einen Körper,
sondern nur um einen unitären Ring. Das liegt daran, dass es Elemente a, b 2 Z n r {[0]n } mit
� a · b = [0]n gibt.8 Obacht: Es gibt zwar z. B. einen Körper F4 mit vier Elementen, aber dabei
handelt es sich nicht um Z4 .9 ⇧

In den folgenden beiden Beispielen kommt zu einer gegebenen inneren Verknüpfung noch
eine äußere Verknüpfung hinzu, bei der ein Körper auf eine andere Gruppe wirkt. Diese Idee
wird in Kapitel 4 verallgemeinert.

2.18 Beispiel Rechnen mit Tupeln


Sei R ein kommutativer unitärer Ring, z. B. ein Körper. Für eine natürliche Zahl n 2 N ist

Rn := R{1,...,n} = Map({1, . . . , n}, R)

die Menge aller n-Tupel mit Einträgen aus dem Ring R. Bei den Elementen aus Rn handelt es
sich also um geordnete Listen vorgegebener »Länge« n, und ein n-Tupel

x : {1, . . . , n} ! R , k 7! xk

kann wahlweise in einer Zeile oder in einer Spalte dargestellt werden,


0 1
x1
= ( x1 , . . . , xn ) = @ ... A .
B C
x = ( xk )nk=1
xn

Die Summe zweier Tupel x, y 2 Rn wird komponentenweise durch

x + y := ( xk + yk )nk=1
7 Der
Buchstabe F steht für »field«, die englische Bezeichnung eines Körpers.
8 Welche? Und warum ist das ein Problem?
9 Genauer gibt es zu m 2 N genau dann einen Körper mit m Elementen, wenn m eine Potenz pk einer Primzahl p

ist. Dieser Körper ist ggf. eindeutig bestimmt und heißt F m . Dabei ist F m = Z m genau dann, wenn m eine Primzahl
ist, also falls k = 1.
Kapitel 2. Algebraische Grundstrukturen 25

definiert. In Komponenten ausgeschrieben bedeutet dies


0 1 0 1 0 1
x1 y1 x1 + y1
B .. C B .. C B .. C
@ . A + @ . A := @ . A.
xn yn xn + yn
Das Magma ( Rn , +) ist eine abelsche Gruppe. Ebenfalls komponentenweise wird zudem durch
(2.5) 8r 2 R : 8 x 2 Rn : r · x := (rxk )nk=1
eine äußere Verknüpfung definiert, die ein Tupel x = ( xk )nk=1 mit einem Skalar r multipliziert.
Ausgeschrieben wird Formel (2.5) zu
0 1 0 1
x1 rx1
B .. C B .. C
r·@ . A = @ . A .
xn rxn
Welche Eigenschaften hat diese Multiplikation mit Skalaren? ⇧
Beispiel 2.18 lässt sich fortführen, indem nicht einem einzelnen Index k 2 {1, . . . , n} ein
Ring-Element xk zugeordnet wird, sondern von zwei Indizes k 2 {1, . . . n} und j 2 {1, . . . , m}
ausgegangen wird.
2.19 Beispiel Rechnen mit Matrizen
Sei R ein kommutativer unitärer Ring, z. B. ein Körper. Für n, m 2 N ist
Rn⇥m := R{1,...,n}⇥{1,...,m} = Map({1, . . . , n} ⇥ {1, . . . , m}, R)
die Menge der (n ⇥ m)-Matrizen mit Einträgen aus R. Eine Matrix A 2 Rn⇥m ist also eine
Abbildung
A : {1, . . . , n} ⇥ {1, . . . , m} ! R , (k, j) 7! akj
und lässt sich in einem rechteckigen Schema mit n Zeilen und m Spalten notieren,
2 3
a11 · · · a1m
6 .. .. .. 7 .
A = [ akj ]n,m
k =1,j=1 = 4 . . . 5
an1 · · · anm
Auf Rn⇥m wird durch
8 A, B 2 Rn⇥m : A + B := [ akj + bkj ]n,m
k =1,j=1

eine Verknüpfung + definiert, in Komponenten ausgeschrieben:


2 3 2 3 2 3
a11 · · · a1m b11 · · · b1m a11 + b11 · · · a1m + b1m
6 .. . .. . 7 6 .
.. 5 + 4 .. . .. . 7 6
.. 5 := 4 .. .. .. 7
(2.6) 4 . . . . 5.
an1 · · · anm bn1 · · · bnm an1 + bn1 · · · anm + bnm
Wie in Beispiel 2.18 wird auch für Matrizen eine Multiplikation mit Skalaren als äußere Ver-
knüpfung erklärt:
2 3
ra11 · · · ra1m
6 .. .. .. 7 .
(2.7) 8r 2 R : 8 A 2 Rn⇥m : r · A := [rakj ]n,m
k =1,j=1 = 4 . . . 5 ⇧
ran1 · · · ranm
26 2b. Mengen mit zwei Verknüpfungen: Ringe und Körper

Für Matrizen gibt es neben diesen Verknüpfungen noch eine weitere Operation:

2.20 Definition Transposition


⇥ ⇤m,n ⇥ ⇤n,m
Für eine Matrix A = a jk j,k=1 2 Rm⇥n heißt AT = akj k,j=1 2 Rn⇥m mit akj = a jk die
transponierte Matrix von A. Ausgeschrieben bedeutet dies
2 3 2 3
a11 · · · a1n a11 · · · a1m
A = 4 ... .. 7 , AT = 4 ... .. 7 .
6 6
. 5 . 5
am1 · · · amn an1 · · · anm

In Beispiel 2.18 und Beispiel 2.19 wirkt der Ring R durch eine äußere Verknüpfung auf Tupel
bzw. Matrizen. Für solche Wirkungen gibt es ein weiteres zentrales Beispiel – es ermöglicht,
Matrizen auf Tupel anzuwenden.

2.21 Definition Matrix-Tupel-Multiplikation


Sei R ein kommutativer unitärer Ring. Für eine Matrix A = [ akl ]m,n
k=1,l =1 2 R
m⇥n und ein Tupel

x = ( xl )nl=1 2 Rn bezeichnet
!m
n
(2.8) A · x := Â akl xl 2 Rm
l =1 k =1

ihr Produkt. Die Matrix A erzeugt durch diese Multiplikation eine Abbildung

µ A : Rn ! Rm , µ A ( x ) := A · x .

Sie erfreut sich der Eigenschaft

(2.9) 8r, s 2 R : 8 x, y 2 Rn : µ A (rx + sy) = rµ A ( x ) + sµ A (y) .

Ähnlich wie in Definition 2.21 können Matrizen auch auf andere Matrizen wirken, wenn die
»Abmessungen« zueinander passen.

2.22 Definition Matrix-Multiplikation


Sei R ein kommutativer unitärer Ring. Für zwei Matrizen A = [ akl ]m,n
k =1,l =1 2 R
m⇥n und B =
n,p
[blj ]l =1,j=1 2 Rn⇥ p heißt die Matrix
" #m,p
n
(2.10) A · B := Â akl blj 2 Rm⇥ p
l =1 k=1,j=1
Kapitel 2. Algebraische Grundstrukturen 27

ihr Produkt. Mit diesem Produkt ausgerüstet ist Rn⇥n ein Monoid mit neutralem Element
2 3
1 0 ··· 0
.7
60 . . . . . . .. 7
6
n,n 7.
I = In = [1k=l ]k=1,l =1 = 6
6 .. . . .. 7
4. . . 05
0 ··· 0 1

Seine Einheitengruppe wird mit GL(n, R) := ( Rn⇥n )⇥ bezeichnet und heißt allgemeine lineare
Gruppe10 .

2.23 Bemerkung Tupel als Matrizen


⇥ ⇤n,1
Es ist üblich,11 ein Tupel a = ( ak )nk=1 2 Rn mit der einspaltigen Matrix a := a jk j,k=1 2 Rn⇥1
mit akj = ak zu identifizieren, sodass
2 3
a1
6 .. 7
a=4.5.
an
Wenn keine Missverständnisse zu befürchten
⇥ sind,
⇤ wird der Unterstrich etwas lax einfach weg-
T
gelassen. Damit bezeichnet dann a = a1 , . . . , an 2 R 1 ⇥ n die zu a = ( a1 , . . . , an ) 2 Rn gehörige
einzeilige Matrix. ⇧
2.24 Beispiel Permutationsmatrizen
Für eine Permutation s 2 Perm(n), d. h. eine bijektive Abbildung s : {1, . . . , n} ! {1, . . . , n},
bezeichnet ⇥ ⇤n,n
P := 1s( j)=k j,k=1 2 Rn⇥n

die zugehörige Permutationsmatrix. Für ein Tupel x = ( x1 , . . . , xn ) 2 Rn gilt


!n
n ⇣ ⌘
Px = Â 1s( j)=k xk = x s (1) , . . . , x s ( n ) .
k =1 j =1

Für eine Matrix A = [ akl ]n,m


k,l =1 2 R
n⇥m ist

" #n,m
n h in,m
PA = Â 1s( j)=k akl = as( j) l
j,l =1
k =1 j,l =1

diejenige Matrix, in deren j-ten Zeile gerade die s( j)-te Zeile von A steht. Insbesondere gilt für
⇥ ⇤n,n
die Transponierte PT = 1s(k)= j j,k=1 damit
h in,n ⇥ ⇤n,n
PPT = 1s( j)=s(l ) = 1 j=l j,l =1 = In .
j,l =1

Also ist P invertierbar, P 2 GL(n, R), mit P 1 = PT . ⇧


10 Englisch: general linear group
11 Üblich, aber nicht unumstritten! Manche identifizieren Tupel lieber mit einzeiligen Matrizen.
28 2c. Reelle und komplexe Zahlen

2c Reelle und komplexe Zahlen

Im Körper R = (R, +, ·) der reellen Zahlen gibt es zusätzlich zu den beiden Verknüpfungen
noch eine Ordnungsrelation. Das ist an sich noch nichts besonderen – jede Menge lässt sich
ordnen. Aber die Ordnung in den reellen Zahlen ist außerdem mit den Verknüpfungen verträg-
lich. Dies macht die reellen Zahlen zu einem angeordneten Körper:

2.25 Definition Angeordneter Körper


Sei K = (K, +, ·) ein Körper, und sei < eine Ordnungsrelation auf K, die im folgenden Sinn
mit den Rechenoperationen verträglich ist:

1) Verträglichkeit mit der Addition:

8 a, b, c 2 K : a < b ) a + c < b + c .

2) Verträglichkeit mit der Multiplikation:

8 a, b 2 K : 8c 2 {t 2 R ; t > 0} : a < b ) ac < bc .

Ein Körper K = (K, +, ·, <) mit einer solchen Ordnung heißt ein angeordneter Körper.

Bereits mit diesen wenigen Zutaten lassen sich weitere Eigenschaften der Ordnungsstruktur
ableiten.

2.26 Übung Eigenschaften angeordneter Körper


Es sei K ein angeordneter Körper. Dann gilt für alle a, b 2 K
1) a < b ) b < a,
2) 0 < a < b ) 1/b < 1/a (Kehrwert),
3) a > 0 ) a2 > 0,
4) a < 0 ) a > 0 ) a2 = ( a)2 > 0.
Also gilt a2 > 0 für alle a 2 K ⇥ .

Insbesondere gilt damit für das neutrale Element 1 der Multiplikation

1 = 12 > 0

und für sein additiv inverses 1 < 0.

2.27 Axiom Reelle Zahlen


Es gibt einen angeordneten Körper R = (R, +, ·, <) mit der folgenden Schnitteigenschaft:
Wenn R = A [ B gilt mit A, B 6= ∆ und

8 a 2 A : 8b 2 B : a < b ,

dann enthält A ein größtes oder B ein kleinstes Element.


Kapitel 2. Algebraische Grundstrukturen 29

Zwei angeordnete Körper mit dieser Schnitteigenschaft sind zueinander »isomorph«; sie
stimmen bis auf die Bezeichnung ihrer Elemente überein. Man kann ausgehend von den ratio-
nalen Zahlen ein Modell der reellen Zahlen konstruieren – hier soll das Postulat ihrer Existenz
jedoch genügen.
Neben den reellen Zahlen sind die komplexen Zahlen als Körper von besonderer Bedeutung.
Hier wird die Gruppe (R2 , +) durch geschickte Einführung einer weiteren inneren Verknüp-
fung zu einem Körper gemacht.

2.28 Beispiel Komplexe Zahlen


Die Gruppe R2 = (R2 , +) der reellen Paare können Sie zusätzlich noch mit einer (inneren)
Multiplikation ✓ ◆ ✓ ◆ ✓ ◆
2 2 2 a c ac bd
· : R ⇥R ! R , · :=
b d ad + bc
ausrüsten. Hiermit ist C := (R2 , +, ·) ein Körper; vgl. Übung 2.30. Das neutrale Element der
Multiplikation ist gegeben durch ✓ ◆
1
1C := ,
0
Ein weiteres wichtiges Element der komplexen Zahlen C ist die imaginäre Einheit
✓ ◆
0
i := ,
1

für die i2 = 1C gilt. Wenn Sie für a, b 2 R


✓ ◆
a
a + bi :=
b

schreiben, erhalten Sie die übliche Darstellung komplexer Zahlen mit Real- und Imaginärteil

Re( a + ib) := a 2 R , Im( a + ib) := b 2 R .

Zu z = ( x, y) = x + iy 2 C heißt z := ( x, y) = x iy die zu z komplex konjugierte Zahl. Das


multiplikativ Inverse einer komplexen Zahl a + bi 6= 0 wird gegeben durch
1 1 a ib
= ( a + ib) = . ⇧
a + ib a2 + b2
2.29 Bemerkung Komplexe Unordnung
Man kann die komplexen Zahlen nicht zu einem angeordneten Körper machen, da i2 = 1 mit
Übung 2.26 unvereinbar ist. Man kann die komplexen Zahlen zwar durchaus anordnen. Aber
nicht so, dass die Ordnung mit den Rechenoperationen verträglich wäre. ⇧

2.30 Übung Komplexe Zahlen


Wie in Beispiel 2.28 sei C := (R2 , +.·) mit den durch
✓ ◆ ✓ ◆ ✓ ◆ ✓ ◆ ✓ ◆ ✓ ◆
x u x+u x u xu yv
+ := , · :=
y v y+v y v xv + yu
definierten Verknüpfungen.
30 2c. Reelle und komplexe Zahlen

a) Mit diesen Verknüpfungen ist C ein Körper.

b) Für das Element i := (0, 1) gilt i2 = 1C .

c) Die komplexe Konjugation ist ein sowohl ein Endomorphismus der Gruppe (C, +), d. h.

8z, w 2 C : z + w = z + w ,

als auch des Monoids (C, ·), d. h. 1 = 1 und

8z, w 2 C : z · w = z · w .

Insgesamt ist : C ! C ein Körperendomorphismus.

2.31 Bemerkung Polarkoordinaten


Jede komplexe Zahl lässt sich in Polarkoordinaten schreiben,

z = r (cos j + i sin j)

mit 0  r 2 R und j 2 R. Dabei ist


p q
r= z·z = (Re z)2 + (Im z)2

der Betrag der komplexen Zahl z, und jedes j 2 R mit z = |z|(cos j + i sin j) heißt ein Argu-
ment von z. Eine komplexe Zahl z 6= 0 besitzt genau ein Argument j mit p  j  p, den
sogenannten Hauptwert Arg(z) des Arguments. Mit der komplexen Exponentialfunktion und
den komplexen trigonometrischen Funktionen12 gilt die Eulersche Identität

8z 2 C : eiz = cos z + i sin z ,


und die Polardarstellung erhält die Form

z = |z|ei Arg(z) = reij .

Für das Produkt zweier komplexer Zahlen in Polardarstellung gilt

reij · seiy = rsei( j+y) . ⇧


Für eine reelle Zahl t 2 R ist

eit = cos t + i sin t , cos t = Re eit , sin t = Im eit ,

und für a, b 2 R lassen sich hiermit die folgenden Additionstheoreme nachrechnen:

(2.11) cos(a + b) = cos a cos b sin a sin b ,


(2.12) sin(a + b) = sin a cos b + cos a sin b .

12 Diese Funktionen werden in der Analysis mithilfe von Potenzreihen definiert:



zk 1 ⇣ iz iz
⌘ •
z2k 1 ⇣ iz iz
⌘ •
z2k+1
ez : = Â , cos z := e +e = Â( 1) k , sin z := e e = Â( 1) k .
k =0
k! 2 k =0
(2k)! 2i k =0
(2k + 1)!

Für reelle Argumente entsprechen sie den reellen Funktionen, die in der Schule behandelt werden (sollten).

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