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2.

Zahlensysteme

1. Die natürlichen und die ganzen Zahlen; Gruppen, Ringe, Körper

2. Die rationalen Zahlen

3. Dezimaldarstellung rationaler und reeller Zahlen

4. Die komplexen Zahlen


2.1 Die natürlichen und die ganzen Zahlen,
Gruppen, Ringe, Körper

• Die Frage, was natürliche Zahlen sind, ist noch gar nicht so alt, im Vergleich
dazu, dass mit ihnen schon seit Tausenden von Jahren gezählt und gerechnet
wird. Vielen Mathematikern war diese Frage auch egal.

• Der Mathematiker Leopold Kronecker soll im 19. Jahrhundert gesagt haben:


Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk!

• 1889 formulierte Giuseppe Peano (1858-1932) seine Peano-Axiome genannten


Grundsätze, die die natürlichen Zahlen eindeutig beschreiben.
Def. (Die Peano-Axiome der Natürlichen Zahlen, 1889) Eine Menge N
heißt Menge der natürlichen Zahlen, falls gilt:

1. Es gibt eine Abbildung f : N → N. Jedem Element der Menge n ∈ N wird genau


ein Element f (n) ∈ N dieser Menge zugeordnet. f (n) heißt Nachfolger von n.

2. ∃1 ∈ N : 1 6∈ f (N). Es gibt ein Element von N, genannt ”1”, welches kein


Nachfolger irgendeines Elementes von N ist.

3. f ist injektiv: Für n, m ∈ N mit n 6= m, ist f (n) 6= f (m). (Verschiedene Zahlen


haben verschiedene Nachfolger)

4. Besitzt M ⊆ N folgende Eigenschaften:


(a) 1 ∈ M , und
(b) n ∈ M ⇒ f (n) ∈ M (mit n ∈ M ist auch dessen Nachfolger in M ).
so gilt M = N.
Mit diesen Peano-Axiomen kann man die natürlichen Zahlen wie folgt definieren:

• 1 ist definiert dadurch, dass es nach Axiom 2 existiert.


• 2 = f (1) ist der eindeutig definierte Nachfolger von 1 (siehe Axiom 1). Wir müssen nun zeigen,
dass 2 nicht die gleiche Zahl ist wie 1. Wir nehmen an, dass 2 gleich 1 ist. Dann wäre aber 1
der Nachfolger von 1. Das steht aber im Widerspruch zum Axiom 2 (1 ∈ / f (N)). Also ist 2 eine
neue Zahl!
• 3 = f (2) ist der eindeutig definierte Nachfolger von 2 (siehe Axiom 1). Dass 3 6= 1 ist, folgt
mit dem gleichen Argument wie oben. Wir wollen nun sicher stellen, dass 3 6= 2. Wenn wir
annhehmen, dass 3 = 2 ist, so hätten die Zahlen 1 und 2 den selben Nachfolger. Das steht im
Widerspruch zum Axiom 3. Damit ist 3 etwas anderes als 1 und 2. Also haben wir wieder eine
neue Zahl!
• Mit den selben Argumenten kann man zeigen, dass jeder Nachfolger f (n) einer bereits definierten
Zahl n, eine neue Zahl darstellt.
• Eine Frage bleibt noch offen: Gibt es noch weitere natürliche Zahlen, die ausserhalb der obigen
Konstruktion existieren? Axiom 4 stellt sicher, dass das nicht der Fall ist! Es gilt also

N = {1, f (1), f (f (1)), f (f (f (1))), ...} = {1, 2, 3, 4, . . .}


Notation: Für Summationen gibt es die Kurzschreibweise

n
ak := am +am+1 + ... +an (für n ≥ m).
X

k=m

Analog für Produkte

n
ak := am ·am+1 · ... ·an (für n ≥ m).
Y

k=m

Beispiel:
n
k 2 = 12 + 22 + ... + n2
X

k=1
(Beweis-)Prinzip der Vollständigen Induktion (Folgt aus dem Axiom 4):

Gegeben ist eine Aussage A(n), die von einem Parameter n ∈ N abhängt. Zum
Beispiel:  
n n(n+1)
A(n) :=  k = .
 X 

k=1 2
Zu zeigen ist, dass diese Aussage für alle n ∈ N wahr ist.
Vorgehensweise: Wir setzen M als die Menge aller Zahlen n, für die A(n) wahr
ist. Wir zeigen, dass M = N ist.
Das 4. Peano-Axiom besagt, dass wir dazu zeigen müssen:

(a) 1 ∈ M , also: A(1) ist wahr.

(b) Wenn n ∈ M , dann ist auch f (n) = n+1 ∈ M , also: Unter der Voraussetzung,
dass A(n) wahr ist, ist auch A(n+1) wahr.
Formelmäßig lautet das Prinzip der Vollständigen Induktion:
 
 
 

∧ n ∈ N : A(n) ⇒ A(n+1)) ∀ n ∈ N{z : A(n)}


 




A(1)
| {z }
(∀
| {z



}
=⇒ |
Ind.-anfang Induktionsschritt zu beweisende Aussage
 

Induktionsanfang: Zeige, dass A(1) wahr ist.

Induktionsschritt: Zeige, dass unter der Voraussetzung A(n) auch A(n+1) gilt.

Innerhalb des Induktionsschritts wird A(n) als Induktionsvoraussetzung bezeichnet.


Beispiel. Beweise, dass für alle n ∈ N gilt:

n n(n+1)
k= .
X

k=1 2

–> Siehe Tafelanschrieb (oder Skript)


Rechenoperationen auf N

Mittels der Peano-Axiome können auf N Rechenoperationen definiert werden.

Addition Wir bedienen uns wieder des Prinzips der Vollständigen Induktion:

• Für m ∈ N beliebig, definiere zunächst m+n nur für den Fall n = 1

m+1 := f (m).

• Falls die Addition von m + n bereits definiert ist, so sei die Addition von m + (n + 1) (also
m + f (n)) definiert als
m + f (n) := f (m+n)

Beispiel:

4+3 = 4+f (2) = f (4 + 2) = f (4 + f (1)) = f (f (4 + 1)) = f (f (f (4))) = f (f (5)) = f (6) = 7

Bemerkung: Diese Rechenvorschrift ergibt genau die übliche Addition der natürlichen Zahlen.
Multiplikation Das Produkt zweier natürlichen Zahlen ist definiert als

• Für m ∈ N beliebig, definiere zunächst m·n nur für den Fall n = 1

m·1 := m.

• Falls die Multiplikation von m·n bereits definiert ist, so sei die Multiplikation von m · (n + 1)
(also m · f (n)) definiert als
m · f (n) := m·n + m.

Bemerkungen:

• Die Wohlgestelltheit dieser Operation kann wieder mit dem Prinzip der Vollständigen Induktion
begründet werden.
• Diese Rechenvorschrift ergibt auch wieder die übliche Multiplikation der natürlichen Zahlen.
Irreflexive Ordnungsrelation auf N

Die Relation < auf N ist definiert durch

x < y := (∃m ∈ N : y = x + m)

Diese Relation ist nicht reflexiv und damit keine Ordnungsrelation im Sinne unserer
Definition. Da die Eigenschaften der Antisymmetrie und der Transitivität erfüllt sind,
nennen wir diese Relation irreflexive Ordnungsrelation auf N.

–> siehe Tafelanschrieb


Eigenschaften von Operationen (Verknüpfungen)

Def. Sei M 6= ∅ eine Menge und ∗ : M × M −→ M eine Abbildung, die wir auch
Operation oder Verknüpfung auf M nennen. Die Operation ’∗’ heißt

• kommutativ, falls ∀ a, b ∈ M : a ∗ b = b ∗ a

• assoziativ, falls ∀ a, b, c ∈ M : (a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c)

Bemerkung: Ist eine Operation assoziativ, so können wir die Klammern auch weg-
lassen:
a ∗ b ∗ c := (a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c).

Satz: Addition und Multiplikation auf N sind kommutativ und assoziativ.


Def. (neutrales Element, inverses Element) Sei M eine nichtleere Menge und
∗ : M ×M → M eine Verknüpfung auf M.

(a) Ein Element e ∈ M heißt neutrales Element von M bezüglich ’∗’ (kurz: neutrales
Element in (M, ∗)), wenn

∀ x ∈ M : e ∗ x = x ∗ e = x.

(b) Sei e neutrales Element von (M, ∗) und sei x ∈ M .


y ∈ M heißt inverses Element von x in (M, ∗), wenn

x ∗ y = y ∗ x = e.

Schreibweise: Ein Inverses zu x wird mit x−1 oder mit −x bezeichnet.


Beispiele.

• (N, +) hat kein neutrales Element. (N, ·) hat ein neutrales Element 1.

• In (N, ·) hat lediglich das Element 1 ein Inverses.


Natürliche Zahlen mit Null: N0 := N ∪ {0}

Um in (N, +) ein neutrales Element einzuführen betrachten wir das Element 0 mit
der Eigenschaft dass f (0) = 1.

Wir erweitern die auf N definierten Verknüpfungen ’+’ und ’·’ auf N0 := N ∪ {0}
durch Setzung von

n + 0 := 0 + n := n, n · 0 := 0 · n := 0, ∀n ∈ N0.

Die Abbildungen +, · : N0 × N0 −→ N0 sind dann ebenfalls kommutativ und asso-


ziativ.
Es gilt dann:

• (N0, +) hat als neutrales Element 0. 0 hat in (N0, +) ein inverses Element 0; die
übrigen Elemente von N0 haben kein Inverses in (N0, +)!

• (N0, ·) hat als neutrales Element 1. In (N0, ·) hat wieder das Element 1 ein
Inverses.

Vollständige Ordnungsrelation auf N0

Die Relation ≤ auf N0 ist definiert durch

x ≤ y := (∃m ∈ N0 : y = x + m)

Diese Relation ist eine vollständige (totale) Ordnungsrelation auf N0.


Bemerkung: Um inverse Elemente zu bekommen, werden wir zu N0 weitere Zahlen
hinzunehmen müssen:

• die negativen ganzen Zahlen, um Inverse bzgl. ’+’ zu bekommen,

• Brüche (rationale Zahlen), um Inverse bzgl. ’·’ zu bekommen.

Frage: Sind neutrale und inverse Elemente immer eindeutig bestimmt? Dazu
der folgende
Satz. Sei M eine nichtleere Menge und ∗ : M ×M → M eine Verknüpfung.

(a) Dann gibt es in M höchstens ein neutrales Element bzgl. ’∗’.

(b) Wenn ’∗’ assoziativ ist und ein neutrales Element hat, dann hat jedes x ∈ M
höchstens ein inverses Element.

–> siehe Tafelanschrieb


Def. (Gruppe) Sei M eine Menge und ∗ : M ×M → M eine Verknüpfung auf
M . (M, ∗) heißt Gruppe, wenn folgende Eigenschaften gelten:

(i) (M, ∗) ist assoziativ

(ii) (M, ∗) hat ein neutrales Element

(iii) jedes Element in (M, ∗) hat ein Inverses.

Falls (M, ∗) zusätzlich kommutativ ist, heißt (M, ∗) kommutative oder Abelsche
Gruppe

Bemerkung. Nach obigem Satz wissen wir, dass in Gruppen neutrale und inverse
Elemente immer eindeutig sind.
Beispiel: Endliche Gruppen können mit Hilfe von Verknüpfungstabellen darge-
stellt werden.
Sei G = {e, b, c} und sei ∗ : G × G → G die Verknüpfung gegeben durch die
Tabelle:
∗ e b c
e e b c
b b c e
c c e b
(G, ∗) ist eine kommutative Gruppe. e ist das neutrale Element (s. 1. Zeile u. 1.
Spalte) und b−1 = c und c−1 = b ist.
Bemerkung
• Für eine kommutative Gruppe ist die Verknüpfungstabelle symmetrisch bezüglich
der Diagonalen von links oben nach rechts unten.

• In der Verknüpfungstabelle kommt in jeder Zeile und in jeder Spalte jedes Element
von G genau einmal vor. –> Siehe Übungen
Die ganzen Zahlen

Erinnerung: (N0, +) und (N0, ·) sind keine Gruppen (fehlende Inverse!)

Um Gruppenstrukturen zu erhalten, müssen wir die Zahlenmenge N0 erweitern:

Sei −n das additiv-Inverse (d.h. das Inverse bzgl. ’+’) von n ∈ N, d.h.

−1, −2, −3, ...

Wir erhalten die Menge Z der ganzen Zahlen

Z := N0 ∪ N− := {0, 1, 2, 3, 4, ...} ∪ {−1, −2, −3, ...}.

Die Addition und die Multiplikation, die wir auf N0 kennen, lässt sich auf Z erweitern,
so dass die erweiterten Verknüpfungen +, · : Z×Z → Z ebenfalls assoziativ und
kommutativ sind.
Schreibweise: Anstelle von m + (−n) schreiben wir auch kurz m − n.
(Z, +) ist eine Abelsche Gruppe, da jedes Element n in (Z, +) ein Inverses −n
hat.

(Z, +, ≤) ist eine total geordnete Abelsche Gruppe.


Auf der Menge Z definieren wir die Relation ≤ mittels:

m ≤ n =: (∃k ∈ N0 : n = m + k).

Die Relation ≤ ist eine vollständige (totale) Ordnungsrelation auf Z.

Die Relation < auf der Menge Z wird entsprechend definiert durch

m < n =: (∃k ∈ N : n = m + k).

Die Relation < wird auch irreflexive Ordnungsrelation auf Z genannt.


Lösen von Gleichungen in Z

Die Existenz von additiv-inversen Elementen hat zur Folge, dass wir in Z (anders
als in N) Gleichungen der Art

a+x=b (a, b gegeben)

immer lösen können. Wir addieren dazu auf beiden Seiten der Gleichung das Additiv-
Inverse von a und erhalten

(−a) + a + x = (−a) + b

also
x = b + (−a) = b − a.
Def. (Primzahl) Eine Zahl n ∈ N heißt Primzahl, wenn n genau zwei Teiler in N
hat (nämlich n und 1).
Äquivalent: Wenn aus n = k1k2 mit k1, k2 ∈ N folgt: k1 = 1 oder k2 = 1.

Bemerkung: 1 ist keine Primzahl.

Satz (Fundametalsatz der Arithmetik) Jede Zahl n ∈ N \ {1} lässt sich als
Produkt n = p1 · ... · pm von m ∈ N Primzahlen schreiben, und diese Darstellung ist
– bis auf Reihenfolge der Faktoren – eindeutig.

Satz. Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Der Beweis erfolgt als Widerspruchsbeweis: Die Annahme, dass es nur endlich
viele Primzahlen p1 < ... < pn gibt, führt auf einen Widerspruch!
–> Siehe Tafelanschrieb
(Z, ·) ist zwar keine Gruppe (fehlende Inverse!), jedoch hat Z, +, · Eigenschaften,
die mit dem Begriff ’Ring’ belegt sind:

Def. (Ring) Sei M eine Menge und seien +, · : M×M → M zwei Verknüpfungen.
(M, +, ·) heißt Ring, falls folgende Eigenschaften erfüllt sind:

(i) (M, +) ist eine Abelsche Gruppe

(ii) (M, ·) ist assoziativ

(iii) es gelten folgende Distributivgesetze:

∀ a, b, c ∈ M : a · (b + c) = a · b + a · c, (a + b) · c = a · c + b · c

Der Ring heißt kommutativ, falls ’·’ kommutativ ist.


Hat der Ring ein neutrales Element bzgl. ’·’, so heißt er Ring mit Eins(element).
Beispiele.

1. (Z, +, ·) ist ein kommutativer Ring mit Einselement.

2. Auf M := {0} definieren wir 0+0 := 0 und 0·0 := 0. Dann ist (M, +, ·) ein
kommutativer Ring mit Einselement.

3. Die Menge aller Polynome mit Koeffizienten in Z ist bezüglich der üblichen
Addition und Multiplikation von Funktionen ein kommutativer Ring mit Eins.

Schreibweise: Selbst wenn wir andere Ringe als Z betrachten, so wird doch oft das
additiv-neutrale Element mit dem Symbol ’0’ und das multiplikativ-neutrale Element
mit dem Symbol ’1’ bezeichnet.

Beachte: In Ringen haben die Elemente also i.a. keine multiplikativ-Inversen.


Def. (Körper) Ein Ring (M, +, ·), bei dem (M \ {0}, ·) eine Abelsche Gruppe ist,
heißt Körper.

(M, +, ·) ist also genau dann ein Körper, wenn (M, +) und (M \{0}, ·) Abelsche
Gruppen sind und zwischen ’+’ und ’·’ Distributivgesetze gelten.

Bemerkung. (Z, +, ·) ist kein Körper.


2. Die rationalen Zahlen

• Die Menge der rationalen Zahlen ist die Menge aller Brüche und wird mit Q
bezeichnet.

• Konstruiere diese Menge unter Verwendung der ganzen Zahlen.

• Ein erster Versuch könnte sein: Fasse die Menge der Brüche als Menge von Paaren
von ganzen Zahlen auf, also
p ??? ???
:= (p, q), wobei p ∈ Z, q ∈ N; Q := {(p, q) | p ∈ Z, q ∈ N}
q

(Man könnte genau so gut auch q ∈ Z\{0} statt q ∈ N nehmen.)

3
• Problem: Z.B. gilt (3, 4) 6= (6, 8), d.h. wir bekämen für unsere Brüche 4 6= 68 !
• Wir müssen dafür sorgen, dass alle Paare, deren zugehöriger Bruch den gleichen
Wert ergibt, miteinander identifiziert werden.

• Die grundlegende Idee: Wir fassen alle Zahlenpaare, die den gleichen Bruch
repräsentieren sollen, zu einer Klasse zusammen, indem wir auf der Menge der
Paare Z×N eine Äquivalenzrelation definieren!

• Paare sollen genau dann in Relation stehen, wenn sie den gleichen Bruch reprä-
sentieren.

• Die Menge der zugehörigen Klassen definieren wir dann Q.

• Formuliere die Eigenschaft, dass zwei Brüche gleich sind, wie folgt:

p r
= ⇐⇒ (p · s = r · q)
q s
Wir definieren dementsprechend eine Relation ∼ auf der Menge der Paare Z × N:
Für alle (p, q), (r, s) ∈ Z×N sei

(p, q) ∼ (r, s) := (p · s = r · q)

• Die Relation ∼ ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Paare Z × N.

• Demnach wird durch diese Relation die Menge Z × N in Äquivalenzklassen ein-


geteilt.

• Diese Menge der Äquivalenzklassen bezeichnen wir mit Q:

Q := {[(p, q)]∼ | (p, q) ∈ Z×N}

Für die Elemente dieser Menge führen wir die Schreibweise als ’Bruch’ ein:
p
:= [(p, q)]∼
q
3 6
Die Gleichheit von Brüchen wie z.B. 4 und 8 haben wir somit erreicht, denn:

3 6
= ⇔ [(3, 4)]∼ = [(6, 8)]∼ ⇔ (3, 4) ∼ (6, 8) ⇔ 3 · 8 = 6 · 4.
4 8

Die Klasse von (3, 4) ist also

3
:= [(3, 4)]∼ = {(3, 4), (6, 8), (9, 12), ...}
4
Rechenoperationen auf Q

• Wir wollen eine Addition und eine Multiplikation erklären, und zwar so, dass wir
genau so rechnen können, wie wir es gewohnt sind.

• Wir definieren +, · : Q×Q → Q mittels

[(p, q)]∼+[(r, s)]∼ := [(ps+rq, qs)]∼ und [(p, q)]∼·[(r, s)]∼ := [(pr, qs)]∼,

• In unserer Bruch-Schreibweise heißt es dann:


p r ps + rq p r pr
+ := und · := .
q s qs q s qs

Die Operation auf Q sind unabhängig von der Wahl der Repräsentanten → Siehe
Tafelanschrieb
(Q, +, ·) ist ein Körper

0 0
• 1 = 2 = ... das additiv-neutrale Element

1 2
• 1 = 2 = ... ist das multiplikativ-neutrale Element

−p p
• q ist das additiv-inverse Element von q

q
• p ist das multiplikativ-inverse Element von pq .
Z ist Teilmenge von Q:

• Betrachte die Teilmenge von Q, die alle Brüche mit Nenner=1 enthält:

{[(p, 1)]∼ | p ∈ Z}

zusammen mit der auf Q definierten Addition und Multiplikation.

• Erhalte damit eine Menge, die, inklusive Additions- und Multiplikationsverknüp-


fung, genau die Eigenschaften von (Z, +, ·) hat.

• In diesem Sinne können wir Z als Teilmenge von Q betrachten.


(Q, +, ·, ≤) ist ein total geordneter Körper.

Auf der Menge Q definieren wir die Relation ≤ mittels:


 
p r 
≤  := (ps ≤ rq)


q s

wobei rechts die Ordnungsrelation ≤ auf Z gemeint ist.

Die Relation ≤ ist eine vollständige (totale) Ordnungsrelation auf Q.

Die Relation < auf der Menge Q wird entsprechend definiert durch
 
p r 
<  := (ps < rq),


q s

wobei rechts die Ordnungsrelation < auf Z gemeint ist.


Bemerkung: Die Tatsache, dass wir uns bei den Nennern auf positive ganze Zah-
len beschränkt haben, garantiert dass die obige Ordnungsrelation wohldefiniert ist,
genauer, dass sie nicht von der Wahl des Repräsentanten abhähngt. (Dies ist die
einzige Stelle, wo diese Einschränkung von Nutzen ist.)

→ Siehe Tafelanschrieb
Lösen von Gleichungen in Q

In Q (allgemein in beliebigen Körpern) können wir, insbesondere Dank der Existenz


von multiplikativ-inversen Elementen, Gleichungen der Art

a·x=b (a, b gegeben),

sofern a 6= 0, immer lösen: Multiplikation obiger Gleichung mit dem multiplikativ-


inversen a−1 von a liefert
a−1 · (a · x) = a−1 · b.
Assoziativität der Multiplikation ergibt dann:

(a−1 · a) · x = a−1 · b,

also
x = a−1 · b.
Dezimaldarstellung rationaler Zahlen

Mit der Schreibweise

x = ±a0, a1a2a3..., mit a0 ∈ N, a1, a2, a3, ... ∈ {0, 1, ..., 9}

ist, wie wir wissen, der Zahlenwert

−1 −2 −3 ∞
x = ±(a0 + 10 a1 + 10 a2 + 10 a3 + ...) = ± 10−iai
X

i=0

gemeint. Obige Darstellung von Zahlen wird Dezimaldarstellung genannt.


Auf analoge Weise kann man Zahlen auch bezüglich anderer Stellensysteme darstel-
len, z.B. bezüglich des Binärsystems. Man erhält die Binärdarstellung.
Es stellt sich nun die Frage, von welcher Form die Dezimaldarstellung rationaler
Zahlen ist.
Umrechnung eines Bruchs in die Dezimaldarstellung
Beispiele.

1. Situation einer abbrechenden Dezimaldarstellung:

221
= 2, 7625
80

2. Situation einer periodischen oder gemischt-periodischen Dezimaldarstellung:

8
= 0, 00808080808... =: 0, 008
990

–> Siehe Tafelanschrieb


Satz: Die Dezimaldarstellung einer rationalen Zahl ist entweder abbre-
chend oder periodisch.
Umrechnung einer Dezimalzahl in einen Bruch

1. Für abbrechende Dezimalzahlen ist dies sehr einfach: Z.B. ist

7 6 2 5 27 625
2, 7625 = 2 + + + + = .
10 100 1000 10 000 10 000

2. Für periodische Dezimalzahlen wie z.B. 0, 124 gilt:

1 2 4 4 28
0, 124 = + + + + ... =
10 100 1000 10 000 225

–> Siehe Tafelanschrieb

Satz: Jede periodische oder abbrechende Dezimalzahl lässt sich als


Bruch darstellen, ist also eine rationale Zahl.
Insgesamt haben wir damit gezeigt:

Die rationalen Zahlen sind genau die abbrechenden oder periodischen


Dezimalzahlen.

Eindeutigkeit der Dezimaldarstellung

Mit der Summenformel der geometrischen Reihe ist


9 9 9  1 1 9 1
 

0, 9 = + + ... = · 1+ + + ... = · 1 = 1,
10 100 10 10 100 10 1 − 10

also
0, 99999... = 1, 00000...!

Wenn wir wollen, dass die Dezimaldarstellung einer Zahl eindeutig ist, so müssen wir alle ’Perioden-
Neun’ verbieten. Mathematisch präzise: Für beliebig großes n ∈ N muss es einen Index i ≥ n geben,
so dass in der Dezimalentwicklung ai 6= 9 ist.
3. Die reellen Zahlen

Können wir die Gleichung

x·x=a (a ∈ Q gegeben)

für x ∈ Q immer lösen? Wir wollen uns zunächst mal auf den Fall a ≥ 0 beschränken.

Satz. Es gibt kein x ∈ Q, so dass x · x = 2 ist.

Beweis –> Siehe Tafelanschrieb


Ein Problem aus der Antike

Problem: Die Länge der Diagonale eines Quadrates, dessen Kantenlänge 1 ist, ist
keine rationale Zahl.

Mit dem Satz von Pythagoras folgt, dass die Diagonale d dieses Quadrates folgende
Gleichung erfüllt:
d2 = 1 + 1 = 2.
Aus dem obigen Satz folgt dann, dass d ∈
/ Q.

(Die Dezimaldarstellung von d ist also weder periodisch noch abbrechend.)


Konstruktion der reellen Zahlen

• Die Menge Q weist offensichtlich ’Lücken’ auf, wenn wir sie uns als Zahlenstrahl
vorstellen.

• Wir ’vervollständigen’ daher Q zu einer Menge, die anschaulich gesprochen alle


Punkte des Zahlenstrahls umfasst (insbesondere also Q als Teilmenge enthält)
indem wir alle nichtabbrechenden Dezimaldarstellungen dazunehmen.

• Der Diagonale d des Einheitsquadrates entspricht dann die Zahl 2

2 = 1, 41421356237...

• Wir nennen diese neue Menge Menge der reellen Zahlen R.

• Die Elemente aus R\Q heißen irrationale Zahlen.


Folgerung aus der Dezimaldarstellung

• Jede reelle Zahl lässt sich beliebig genau durch eine rationale Zahl approximieren.

• Als rationale Approximation q ∈ Q an eine Zahl x ∈ R kann man z.B. die


abgeschnittene Dezimalentwicklung von x nehmen.

• Beispiel: x = 2 = 1, 41421356237... kann durch q := 1, 414213 mit einem
Fehler |x − q| ≤ 10−6 von höchstens 10−6 approximiert werden.

• Man sagt dazu auch: Die rationalen Zahlen liegen dicht in R.

• Zur (näherungsweisen, beliebig genauen) Berechnung von Wurzeln gibt es das


Heron-Verfahren (Siehe Mathematik für Ingenieure 2).
Mächtigkeit von Q und von R.

• Die Menge Q ist abzählbar (Erstes Cantor’sches Diagonalargument).

• Die Menge R ist ist überabzählbar (Zweites Cantor’sches Diagonalargument).


(R, +, ·, ≤) ist ein total geordneter Körper.

• Man kann reelle Zahlen addieren und multiplizieren. Die Addition und Multipli-
kation eingeschränkt auf Q, ergeben die bekannte Addition und Multiplikation
in Q.

• Man kann zeigen, dass R bezüglich dieser Verknüpfungen ein Körper ist.

• Man kann auf der Menge der rationalen Zalhlen eine (totale) Ordnungrelation
definieren, die für Elemente aus Q mit der Ordnung auf Q übereinstimmt.

• R ist also, so wie Q, ein vollständig angeordneter Körper, d.h. ein Körper mit
einer vollständigen Ordnungsrelation.
Eigenschaften für Zahlen in R (also insbesondere in Q):

(1) x < y ⇒ x+z < y+z


(2) x < y ∧ z > 0 ⇒ xz < yz
(3) x < y ∧ z < 0 ⇒ xz > yz
(4) xy > 0 ⇔ (x > 0 ∧ y > 0) ∨ (x < 0 ∧ y < 0)
(5) x > 0 ∧ y > 0 ⇒ x+y > 0
(6) x > 0 ⇔ −x < 0
(7) x < y ∧ xy > 0 ⇒ y −1 < x−1
(8) x 6= 0 ⇒ x2 = x · x > 0
(9) x > 0 ⇔ x−1 > 0

• Diese Eigenschaften ergeben sich aus den Körpereigenschaften von Q bzw. R, sowie aus der
Definition der irreflexiven Ordnungsrelation <.
• Die Aussagen (1)-(6) gelten auch, wenn man die Relationen ’<’, ’>’ durch ’≤’, ’≥’ ersetzt.
Elementare reellwertige Funktionen

• Affin-lineare Funktionen haben die Form

f : R → R, x 7→ mx + b, m, b ∈ R.

• Polynome haben die Form

f : R → R, x 7→ anxn + . . . + a1x + a0, n ∈ N0, ai ∈ R

• Die Potenzfunktionen werden für a ∈ R rekursiv definiert durch

f : N0 → R, n + 1 7→ an+1 = a · an, mit a0 := 1

• Die n-te Wurzel ist definiert für a ∈ R+


0 als

n
f : N → R, n 7→ a

wobei a definiert als die Lösung von xn = a (im Falle von ungeradem n kann
n

hier auch negatives a zugelassen werden).

Für rationale Exponenten definieren wir dann für a ≥ 0

m √
n
a :=
n am

Die Potenzfunktion für irrationale Exponenten definiert man über xy :=


exp(y ln x), siehe Vorlesung Mathematik für Ingenieure 2.

Es gelten die Potenzrechenregeln

(ab)c = acbc, abac = ab+c, (ab)c = abc

bc (bc )
und wir vereinbaren, dass a := a heißen soll.
• Der Absolutbetrag oder kurz Betrag definiert man wie folgt


 x, falls x ≥ 0
f : R → R, x 7→ |x| := 

−x, falls x < 0

• Die Signum-Funktion (Vorzeichen-Funktion) ist definiert durch









1, falls x > 0
f : R → R, x 7→ sgn(x) :=  falls x = 0

0,
−1, falls x < 0



Es gilt für alle x ∈ R


x = sign(x) |x|.
Wiederholung: Vergleich von R und Q.

• Sowohl R als auch Q sind Körper und sind vollständig angeordnet, und auch
obige Rechenregeln gelten in beiden Mengen.

• Doch wodurch unterscheiden sich R und Q?

• Wir
√ haben gesehen: Q hat gewisse ’Lücken’; wir wissen, dass Q ( R, denn
2 ∈ R\Q.

• Diesen wesentlichen Unterschied, der anschaulich mit ’Lückenlosigkeit’ beschrie-


ben werden kann, wird auch als (topologische) Vollständigkeit von R bezeichnet.

• Dieser Unterschied zwischen R und Q wird in der Vorlesung Mathematik für In-
genieure 2, im Kapitel Konvergenz von Folgen, noch einmal thematisiert werden.
4. Die komplexen Zahlen

• Die reellen Zahlen ermöglichten uns das Finden von Lösungen der Gleichung

x2 = a,

für a ≥ 0.

• Falls jedoch a < 0, so exisitiert keine Lösung x ∈ R!


• Allgemein: Die quadratische Gleichung

x2 + px + q = 0, p, q ∈ R,

besitzt die Lösungen v


p p2
u
u

=− ± − q,
u
x1,2 u
t
2 4
falls
p2
− q ≥ 0.
4

p2
• Falls 4 − q < 0 finden wir keine reelle Lösung.

• Um auch in diesem Fall Lösungen zu fingen, müssen wir unseren Zahlenbereich


weiter vergrößern. Dies führt auf die Menge der komplexen Zahlen.
Formale Definition der Menge C der komplexen Zahlen

/ R gibt, mit i2 = −1.


Wir nehmen an, dass es ein Element i ∈

Wir betrachten die Menge

C := {a + bi | a, b ∈ R}

zusammen mit der Addition und der Multiplikation, so wie sie bei den reellen Zahlen
gelten und unter Berücksichtigung der Beziehung i2 = −1.

Also z.B. rechnet man

(2 + 3i) · (7 + 4i) = 2 · 7 + 2 · 4i + 3i · 7 + 3i · 4i = 14 + 8i + 21i + 12 i2 = 2 + 29i.

Diese ’Definition’ von C ist etwas unbefriedigend, da nicht erklärt wird, was ’i’ ist
und warum i2 = −1 gilt.
Mathematisch präzise Definition/Konstruktion von C
Wir definieren C als die Menge aller Paare von reellen Zahlen:

C := R × R.

Auf C definieren wir Rechenoperationen ’+’ und ’·’ folgendermaßen:

• Die Addition + : C×C → C definieren wir komponentenweise

(a1, b1) + (a2, b2) := (a1 +a2, b1 +b2)

• Die Multiplikation · : C×C → C wird wie folgt definiert:

(a1, b1) · (a2, b2) := (a1a2 −b1b2, a1b2 +a2b1)

(C, +, ·) ist ein (nichtgeordneter) Körper.


R ist eine Teilmenge von C

• Wenn wir nur komplexe Zahlen aus R×{0}, deren zweite Komponente Null ist,
betrachten, finden wir

(a1, 0) + (a2, 0) = (a1 +a2, 0) und (a1, 0) · (a2, 0) = (a1a2, 0)

• Die auf C definierten Rechenoperationen ’+’, ’·’ führen also aus der Menge
R×{0} ⊂ C nicht heraus, und liefern die selben Ergebnisse wie die uns wohlbe-
kannten Operationen in R.

• Wir können somit die reellen Zahlen als Teilmenge von C identifizieren:

R kann identifiziert werden mit R × {0} = {(a, 0) | a ∈ R} ⊂ C,

d.h. wir können (a, 0) ∈ C mit a ∈ R ’identifizieren’.


Die imaginäre Einheit i

• Die Zahl (0, 1) ∈ C bezeichnen wir mit i, der sogenannten imaginären Einheit.
Es gilt:
i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −(1, 0) = −1.

• Die Zahl (1, 0) bezeichnen wir gemäß obiger Identifizierung mit 1.

• Wir können nun jede komplexe Zahl schreiben als

(a, b) = (a, 0) + (0, b) = (a, 0) + (b, 0) · (0, 1) = a + b · i = a + bi

Diese Darstellungsform komplexer Zahlen heisst Komponenten- oder algebraische


Form.
Für die Adition und Multiplikation der komplexen Zahlen ergibt sich dann:

(a1 + b1i) + (a2 + b2i) = (a1, b1) + (a2, b2) := (a1+a2, b1+b2) = (a1+a2) + (b1+b2)i

und

(a1+b1i)·(a2+b2i) = (a1, b1)·(a2, b2) := (a1a2−b1b2, a1b2+a2b1) = (a1a2−b1b2)+(a1b2+a2b1)i

wie eingangs behauptet.


Die komplexe Zahlenebene (Gaußsche Zahlenebene)

• Die komplexen Zahlen kann man sich in einem x, y-Koordinatensystem veran-


schaulichen, dieses heißt komplexe Zahlenebene oder auch Gaußsche Zahle-
nebene.

• Auf der x-Achse wird der Realteil abgetragen und sie wird als reelle Achse
bezeichnet.

• Auf der y-Achse wird der Imaginärteil abgetragen und sie heißt dementsprechend
imaginäre Achse.

• Damit kann man eine komplexe Zahl z = a + bi als Vektor in der euklidischen
Ebene R2 auffassen. Die Addition der komplexen Zahlen entspricht offenbar der
Vektoraddition in R2.
Def. (Real-, Imaginärteil, Konjugierte einer komplexen Zahl)

• Sei z = a + bi, mit a, b ∈ R, eine komplexe Zahl. Dann heißt a der Realteil von
z und b der Imaginärteil von z:

a = Re(z), b = Im(z)

Jede komplexe Zahl lässt sich also schreiben als

z = Re(z) + i Im(z).

• z := a − bi heißt die zu z = a + bi konjugierte komplexe Zahl.


Def. (Betrag und Argument einer komplexen Zahl)
Der Betrag einer komplexen Zahl z = a + bi wird definiert als
√ r
|z| := a + b = Re(z)2 + Im(z)2
2 2

Das Argument ϕ = arg(z) einer komplexen Zahl z 6= 0 ist der Winkel aus dem Intervall
[0, 2π), zwischen der positiven horizontalen Achse und dem Ursprungsvektor von 0
nach z. Das Argument einer Zahl z = a + bi wird aus folgenden Beziehungen
berechnet:
a b
cos ϕ = , sin ϕ = .
|z| |z|
(Im Skript sind alle Werte aus R für das Argument zugelassen. Der Wert des Ar-
guments aus dem Intervall [0, 2π) wird als Hauptwert des Arguments bezeichnet.)

√ √ √ √
2 2 2 2 7π
Beispiele: | 2 −i 2 | = 1, arg( 2 −i 2 ) = 4 −→ Siehe Tafelanschrieb
Trigonometrische Darstellung einer komplexen Zahl.

Offenbar kann man durch Angabe von Betrag und Argument einer komplexen Zahl
diese eindeutig beschreiben. Daher können wir den Betrag und das Argument einer
komplexen Zahl als neue Koordinaten betrachten; diese werden Polarkoordinaten
genannt.

Seien nun |z| und arg(z) der komplexen Zahl z = a + bi gegeben. Dann hat z
folgende trigonometrische Darstellung in den Polarkoordinaten:
 
 a b 
z = a + bi = |z|  + i = |z| ( cos(arg(z)) + i sin(arg(z)) )

|z| |z|

bzw.
z = r (cos ϕ + i sin ϕ), wobei r = |z|, ϕ = arg(z).
Beispiele:

√ √
2 2
Die trigonometrische Darstellung der komplexen Zahl 2 −i 2 ist

7π 7π
z = cos( ) + i sin( ).
4 4

Die komplexe Zahl mit Betrag |z| = 1 und Argument arg(z) = π/4 ist
√ √
2 2
z = cos(π/4) + i sin(π/4) = +i
2 2
Die komplexe Zahl mit Argument arg(z) = 2π/3 und Betrag |z| = 12 ist

1 1√ √
z = 12 cos(2π/3) + 12 sin(2π/3)i = 12 · (− + 3i) = −6 + 6 3i
2 2
Bemerkung

• Aus der Darstellung in Polarkoordinaten:

z = |z| (| cos(arg(z)) +{z i sin(arg(z)) )} = |z| z0


z0

ist ersichtlich, dass die komplexe Zahl z geschrieben werden kann als Produkt
ihres Betrages |z| ∈ R+ 0 und einer Zahl z0 ∈ C, die auf dem Einheitskreis liegt:

|z0| = 1, arg(z0) = arg(z).

• Ist α ∈ R und z = a+ib ∈ C, a, b ∈ R, so ist αz = α(a+ib) = αa+iαb, d.h. bei


Multiplikation einer komplexen Zahl mit einem reellen Faktor werden Real- und
Imaginärteil um diesen Faktor vergrößert; geometrisch wird der ’Vektor’ z also
um den Faktor α gestreckt.
Rechenregeln. Sei z = a + bi mit a, b ∈ R. Es ist
r √
|z| = |a − bi| = a2 + (−b)2 = a2 + b2 = |z|

sowie
arg(z) = 2π − arg(z).
Es ist

zz = (a + bi) · (a − bi) = a2 + abi − abi − i2b2 = a2 + b2 = |z|2.

Es ist
z 2 = (a + bi)2 = a2 + 2abi + b2i2 = a2 −b2 + 2abi,
also
Re(z 2) = a2 − b2, Im(z 2) = 2ab
Berechnung von Inversen:

Es gilt (für z 6= 0)

1 1 a − bi a − bi a −b
= = = 2 2
= 2 2
+ 2 2
i
z a + bi (a + bi)(a − bi) a + b a +b a +b

oder kurz
1 z
= .
z |z|2
1
Damit ist z die Inverse von z bezüglich der Multiplication der komplexen Zahlen,
denn
1 z zz
z· = z · 2 = 2 = 1.
z |z| |z|
Lösen von Gleichungen mittels Ansatz z = a + bi, a, b ∈ R

Beispiel. Bestimme alle z ∈ C mit

a.) |1 − z|2 = (1 − |z|)2

b.) z 2 = z + 2z

–> Siehe Tafelanschrieb


Geometrische Deutung von Addition und Multiplikation.

• Addition komplexer Zahlen entspricht der Addition von Vektoren in R2:

z1 + z2 = (a1 + a2) + (b1 + b2)i

• Multiplikation komplexer Zahlen: betrachte beide Zahlen in Polarkoordinaten:


z1 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1), z2 = r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2) (r1, r2 > 0).

⇒ z1z2 = r1 r2 [cos ϕ1 cos ϕ2 − sin ϕ1 sin ϕ2


+i cos ϕ1 sin ϕ2 + i sin ϕ1 cos ϕ2]

Mittels der Additionstheoreme für trigonometrische Funktionen folgt

z1z2 = r1 r2 [cos(ϕ1 +ϕ2) + i sin(ϕ1 +ϕ2)]


Aus der trigonometrischen Darstellung von z1z2, können wir ablesen:

|z1z2| = r1 r2, arg(z1z2) = ϕ1 +ϕ2 (mod 2π)

Fazit:
Beim Multiplizieren komplexer Zahlen multiplizieren sich die Beträge
und addieren sich die Argumente.
Folgerung: Die de Moivresche Formel

Beim Erheben einer Komplexen Zahl z = r (cos(ϕ) + i sin(ϕ)) in die n-te Potenz
(n ∈ Z) wird der Betrag mit n potenziert und das Argument mit n multipliziert:

z n = rn (cos(nϕ) + i sin(nϕ))


Beispiel: z = 1+i hat r = 2 und ϕ = π4 .
√ 4
Also (1+i) hat Betrag ( 2) = 4 und Argument 4 · π4 = π.
4

Damit ist (1+i)4 = −4.

(Alternativ kann man (1+i)4 mit der Binomischen Formel ausrechnen.)


Die n-ten Wurzeln aus einer komplexen Zahl.

Gegeben sei eine Zahl z ∈ C und ein n ∈ N. Gesucht sind Zahlen w ∈ C so dass

wn = z.

Solche Zahlen w heißen n-te Wurzeln von z. Mit der Moivreschen Formel erhalten
wir

|w|n (cos(n · arg(w)) + i sin(n · arg(w))) = |z| (cos(arg(z)) + i sin(arg(z)))

Dies impliziert r
n n
|w| = |z| =⇒ |w| = |z|

und
n · arg(w) = arg(z) + 2kπ,
wobei k so gewählt wird, dass

arg(z) + 2kπ
arg(w) = ∈ [0, 2π).
n

Dies gilt für k = 0, 1, . . . , n−1.

Wir erhalten also n Lösungen w0, ..., wn−1 gegeben durch

    
 arg(z) 2kπ   arg(z) 2kπ 
r
n
wk = |z| cos  +  + i sin  +  , k = 0, . . . , n−1.

  
n n n n
Bemerkungen
• Die n-ten Wurzeln einer komplexen Zahl liegen also immer um den Nullpunkt
verteilt auf den Ecken eines regelmäßigen n-Ecks. Im Fall n = 2 erhalten wir zwei
’gegenüberliegende’ Lösungen, d.h. w1 = −w0.

• Im Fall z = 1 spricht man von den n-ten Einheitswurzeln. Da |1| = 1 und arg(1) = 0
gilt für die n-ten Einheitswurzeln wk , k = 0, ..., n−1 :
2πk
|wk | = 1, arg(wk ) = ,
n
also
2kπ  2kπ 
   

wk = cos 
  + i sin 
 , k = 0, ..., n−1.
n n

• Mit der Schreibweise n
z kann, je nach Autor, die Menge aller n-ten Wurzeln von z oder dieje-
nige Wurzel mit dem kleinsten Argument gemeint sein, oder man vermeidet diese Schreibweise
grundsätzlich.
Beispiel.

a.) Finde alle komplexen zweiten Wurzeln aus z = −1.

b.) Finde alle komplexen vierten Wurzeln von z = −2.

–> Siehe Tafelanschrieb

Bemerkung. Im Prinzip kann man das Lösen von Gleichungen der Art

wn = z

auch mittels Ansatz w = a + bi angehen, jedoch ist das dann entstehende Glei-
chungssystem für die Unbekannten a und b nur in seltenen Fällen leicht zu lösen
(siehe Übung).
Das Lösen quadratischer Gleichungen in C.

Gegeben sind p, q ∈ C. Gesucht werden alle z ∈ C mit

z 2 + pz + q = 0.

Die Gleichung kann äquivalent umgeformt werden als:

2

p 
2 p
z +  = − q.
2 4

Im Allgemeinen gilt dann


p
z1,2 = − ± w
2
p2
wobei ±w die beiden komplexen Wurzeln aus der komplexen Zahl 4 − q sind.
Im Spezialfall p, q ∈ R, erhalten wir

p2
 s
p2
− p2 ± −q , falls −q ≥0




v4 4


z1,2 =  u 2
p2
− p2 ± it p4 − q , falls −q <0
u

4


Polynome über C und über R; Polynomgleichungen.

Satz (Fundamentalsatz/Hauptsatz der Algebra). Jedes Polynom

P (z) = a0 + a1z + ... + anz n

mit Koeffizienten in C (also insbesondere auch in R), n ∈ N, an 6= 0, hat eine


Darstellung (Linearfaktorzerlegung):

n
P (z) = an (z − zj ), mit z1, ..., zn ∈ C.
Y

j=1

Die zj sind offensichtlich die Nullstellen von P (nicht notwendigerweise verschieden).

Folgesatz: Jedes Polynom vom Grad ≥ 1 mit Koeffizienten in C (insbesondere: mit


Koeffizienten in R) hat mindestens eine Nullstelle in C.
Anders ausgedrückt: Jede Polynomgleichung

a0 + a1z + ... + anz n = 0

mit n ≥ 1, an 6= 0 hat mindestens eine Lösung in C.

Bemerkung In R gilt ein analoger Satz nicht: Es gibt Polynome mit Koeffizienten
in R, die keine Nullstelle in R haben, z.B.

P (x) = 1 + x2 > 0, ∀ x ∈ R.

P hat komplexe Nullstellen ±i.


Dreiecksungleichung in C (insbesondere auch in R).

Seien z1, z2 ∈ C. Dann gilt:

|z1 +z2| ≤ |z1|+|z2|.


Beweis: Wir verwenden folgende Aussagen

1. z + z̄ = (a+bi) + (a−bi) = 2a = 2 Re(z)

2. z1 +z2 = a1 +ib1 +a2 +ib2 = (a1 +a2)+i(b1 +b2) = a1 −ib1 +a2 −ib2
= z̄1 + z̄2

3. z1z2 = (a1 +b1i)(a2 +b2i) = a1a2 −b1b2 + i(a1b2 +a2b1)


= a1a2 −b1b2 − i(a1b2 +a2b1) = (a1 −b1i)(a2 −b2i) = z̄1z̄2.

Damit erhalten wir:


|z1 +z2|2 = (z1 +z2)(z1 +z2) = (z1 +z2)(z̄1 + z̄2)
= z1z̄1 +z1z̄2 + z̄1z2 +z2z̄2 = |z1|2 + z1z̄2 + z1z̄2 + |z2|2
= |z1|2 + 2 Re(z1z̄2) + |z2|2
≤ |z1|2 + 2|z1z̄2| + |z2|2 = |z1|2 + 2|z1| |z̄2| + |z2|2 = (|z1|+|z2|)2

Mit Wurzelziehen folgt die Behauptung.


Abschließende Bemerkung
Im zweiten Semester werden wir die komplexe Exponentialfunktion und die komple-
xen trigonometrischen Funktionen:

exp : C → C, cos : C → C, sin : C → C

mit Hilfe von Potenzreihen definieren. Wir werden zeigen, dass die Eulersche Formel

exp(ix) = cos x + i sin x, ∀x ∈ C

gilt. Dies ermöglicht folgende Darstellung komplexer Zahlen:

z = r(cos ϕ + i sin ϕ) = r exp(iϕ) = r eiϕ.

Die Multiplikation und das Potenzieren komplexer Zahlen ergeben dann:

z1z2 = r1r2ei(ϕ1+ϕ2), z n = rneinϕ.

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