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T-Kurs, OS

Skript, 11.02. 2024, F. Brock


Nachtrag zum Lernbereich II
1. Zahlenfolgen
In den nachfolgenden Abschnitten wollen wir Grenzwerte und Stetigkeit von
Funktionen untersuchen. Dabei ist für das Verständnis der Begri der Zahlen-
folge grundlegend.

Eine Funktion f, deren Denitionsbereich N (oder einer Teilmenge von N) ist


und die eine Teilmenge von R (oder C) als Wertebereich besitzt, heiÿt Zah-
lenfolge.
Im Folgenden untersuchen wir einige elementare Eigenschaften von Zahlenfol-
ge. Wir beschränken uns dabei auf reelle Zahlenfolgen mit dem Denitions-
bereich N, f : N → R.
Schreibweise:
N 3 n 7−→ f (n) =: an ∈ R.
Wf = (an ).
Die Zahlen a1 , a2 , . . . , heiÿen die Glieder der Zahlenfolge.
Zur Darstellung von Zahlenfolgen lässt sich (wie allgemein bei Funktionen)
eine Gleichung aufstellen, eine Wertetabelle anlegen, ein Graph zeichnen oder
eine Wortvorschrift nutzen.

Beispiel: Mit einem vom Arzt verordneten Arzneimittel nimmt ein Patient
täglich 5 mg eines bestimmten Medikaments in Form einer Tablette ein. Im
Laufe eines Tages werden davon 40% vom Körper abgebaut und ausgeschieden.
Sind n der Tag und an die Menge des Medikaments in mg, (n ∈ N), so gilt
also:
a1 = 5; a2 = 8; a3 = 9, 8; a4 = 10, 88; . . ..
Oenbar wird das dem Glied an nachfolgende Glied an+1 nach der Formel
an+1 = an − 0, 4 · an + 5 berechnet, also:
an+1 = 0, 6 · an + 5, (n ∈ N).
Mit der letzten Gleichung und einer Angabe zu a1 ist eine rekursive Bil-
dungsvorschrift (bzw. eine Rekursionsgleichung) für diese Folge gegeben.
Eine solche Bildungsvorschrift gibt an, wie man ein beliebiges Glied an+1 der
Folge aus seinem Vorgänger an erhält. Rekursive Bildungsvorschriften können
sich auch auf zwei oder mehr Vorgänger beziehen. Die grasche Darstellung
der Zahlenfolge aus diesem Beispiel ergibt nachstehendes Bild, das zugleich
Folgendes deutlich macht:
Der Graph einer Folge besteht im Unterschied zu den bislang betrachteten
1
2

Funktionsbildern (mit der Menge R als Denitionsbereich) hier nur aus einzel-
nen (isolierten) Punkten.
Bei diesem Wachstumsvorgang stellt sich eine Sättigungsgrenze ein. Nach
etwa 10 Tagen sind jeweils unmittelbar nach der Einnahme praktisch konstant
12, 5 mg des Medikaments im Körper des Patienten enthalten.

Zahlenfolgen lassen sich auch durch eine explizite Bildungsvorschrift dar-


stellen. Hierbei ist die durch das allgemeine Glied an der Zahlenfolge (an )
gegebene Vorschrift allein von n abhängig.

Beispiel: an = n−1
n+1

1
a1 = 0;, a2 = 3
; a3 = 24 ; a4 = 35 ; . . ..
Sind alle Glieder einer Zahlenfolge untereinander gleich, so handelt es sich um
einekonstante Zahlenfolge.
Eine Zahlenfolge (an ) ist monoton wachsend (bzw. monoton fallend),
wenn ∀n ∈ N gilt:
an+1 ≥ an (bzw. an+1 ≤ an ).
Ist jedes Folgeglied tatsächlich gröÿer bzw. kleiner als seine Vorgänger (und
nicht gleich), so spricht man von strenger Monotonie.
Beispiele: (a) Die Zahlenfolge (an ) = n+3

ist streng monoton fallend.
3n+1
Beweis: Es gilt ∀n ∈ N:
n+4 n+3
an+1 − an = −
3n + 4 3n + 1
(n + 4)(3n + 1) − (n + 3)(3n + 4)
=
(3n + 1)(3n + 4)
3n + 13n + 4 − (3n2 + 13n + 12)
2
=
(3n + 1)(3n + 4)
−8
= < 0.
(3n + 1)(3n + 4)
(b) Die Zahlenfolge (an ) = (n2 − 25n) ist nicht monoton (Warum ?)
Eine Zahlenfolge (an ) heiÿt nach oben beschränkt (bzw. nach unten be-
schränkt), wenn es eine Zahl C ∈ R gibt, so daÿ ∀n ∈ N gilt:
an ≤ C , an ≥ C ).
(bzw.
Man nennt die Zahl C dann eine obere Schranke (bzw. untere Schranke).
3

Eine Zahlenfolge (an ) heiÿt beschränkt, wenn sie eine obere und eine untere
Schranke besitzt.
M.a.W., (an ) ist beschränkt, wenn ∀n ∈ N gilt:
|an | ≤ C .
Ist (an ) eine Zahlenfolge, so heiÿt
sn := a1 + . . . + an =: nk=1 ak
P

die n-te Partialsumme von (an ). Die Folge (sn ) heiÿt dann Partialsum-
menfolge von (an ).
Pn
Die Sprechweise für k=1 ak ist:
 Summe aller ak von k = 1 bis n .

Beispiel: (an ) = (−1)n · n2 . ⇒




s1 = −2, s2 = −1, s3 = − 53 , . . .,
sn = nk=1 (−1)k · k2 , (n ∈ N).
P

Beispiele:
(a) (an ) heiÿt arithmetische Zahlenfolge, wenn die Dierenz zweier aufein-
anderfolgender Glieder konstant ist, d.h., es gilt ∀n ∈ N:
an+1 − an = d für ein d ∈ R.
Oenbar gilt dann
an = a1 + (n − 1)d ∀n ∈ N.
Pn
Man kann zeigen, dass die zugehörige Partialsummenfolge (sn ) = ( k=1 ak )
die explizite Bildungsvorschrift
sn = n · a1 + n(n−1)
2
· d, (n ∈ N),
besitzt.

(b) (an ) heiÿt geometrische Zahlenfolge, wenn der Quotient zweier aufein-
anderfolgender Glieder konstant ist, d.h. es gilt a1 6= 0 und ∀n ∈ N:
an+1
an
= q für ein q ∈ R \ {0}.
Oenbar gilt dann:
an = a1 · q n−1 ∀n ∈ N.
Pn
Man kann zeigen, daÿ die zugehörige Partialsummenfolge (sn ) = ( k=1 ak ) die
explizite Bildungsvorschrift

na1 für q=1
sn = n −1 , (n ∈ N),
a1 · qq−1 für q 6= 1

besitzt.

Übungsaufgaben 1:
1. Finden Sie obere und untere Schranken - falls diese existieren.
(a) (an ) = n102 . 


(b) (an ) = (−1)


n
.
2n
(c) (an ) = 1 + n5 .

4

2. Finden Sie explizite Bildungsvorschriften für


(a) die arithmetische Zahlenfolge (an ) mit a1 = 4, d = 3 und die zugehörige
Partialsummenfolge;
(b) die Partialsummenfolge der geometrischen Folge (an ) mit a1 = 4, q = 3.
Beispiel: Nachstehende Figuren sind grasche Darstellungen  der
 Anfangsglie-
2n+3
 n−1
 (−1)n
der der Folgen (an ) = , (bn ) = bzw. (cn ) = .
n n n

Die Glieder dieser drei Zahlenfolgen kommen für wachsendes n oenbar jeweils
einer bestimmten Zahl, einem Grenzwert immer näher - und zwar (an ) der
Zahl 2, (bn ) der Zahl 1 und (cn ) der Zahl 0 (wovon man sich durch Berechnen
weiterer Folgenglieder überzeugen kann).
Die exakte Denition ist wie folgt:

Eine Zahl a ∈ R heiÿt Grenzwert der Zahlenfolge (an ), wenn es zu jedem


ε > 0 eine Zahl n0 ∈ N gibt, so daÿ ∀n ∈ N mit n ≥ n0 gilt:
|an − a| < ε.
Wir sagen auch: Die Zahlenfolge (an ) konvergiert gegen a (oder einfach: die
Zahlenfolge konvergiert).

Schreibweise: limn→∞ an = a, oder:


an −→ a für n → ∞.
Eine konvergente Zahlenfolge mit dem Grenzwert 0 heiÿt auch Nullfolge .
Beispiel: Sei k ∈ N. Dann ist die Zahlenfolge (an ) = 1

ist eine Nullfolge.
nk
Beweis: Sei ε > 0 beliebig gegeben. Wir wählen n0 ∈ N mit n0 > 1ε . Dann gilt
∀n ∈ N mit n ≥ n0 :
1 1
|an − 0| = k
≤ < ε.
n (n0 )k
Eine Zahlenfolge die nicht konvergiert, heiÿt divergent.
Man hebt noch einen speziellen Typ der Divergenz hervor:
Eine Zahlenfolge (an ) heiÿt bestimmt divergent nach +∞ (bzw. nach
−∞), wenn es zu jeder Zahl C > 0 ein n0 ∈ N gibt, so daÿ
an > C (bzw. an < −C ) ∀n ≥ n0 ist.
Schreibweise: limn→∞ an = +∞ bzw. limn→∞ an = −∞.
Die Werte +∞ bzw. −∞ werden auch uneigentliche Grenzwerte genannt.

Beispiel: Sei k ∈ N. Dann divergiert die Zahlenfolge (an ) = (nk ) bestimmt


5

nach +∞.
Beweis: Sei C>0 beliebig gegeben. Wir wählen n0 ∈ N mit (n0 )k > C . Dann
gilt∀n ≥ n0 :
an = nk ≥ (n0 )k > C .
Die folgenden wichtigen Eigenschaften geben wir ohne Beweis:

Eindeutigkeit des Grenzwertes:


Eine Zahlenfolge kann nur höchstens einen Grenzwert haben.

Satz von der monotonen Folge: Eine beschränkte und monotone Zahlen-
folge hat stets einen Grenzwert.

Rechenregeln für Grenzwerte von Zahlenfolgen: Es seien (an ) und (bn )


Zahlenfolgen mit Grenzwerten a bzw. b und α, β ∈ R. Dann gilt:

αan + βbn −→ αa + βb,


an · bn −→ a · b,
an a
−→ falls b 6= 0, für n → ∞.
bn b
Beispiel: Die Zahlenfolge (an ) = 3n+1 n+3

ist monoton fallend und beschränkt:
Es gilt |an | ≤ 1. Folglich ist (an ) konvergent.

Übungsaufgaben 1, Fortsetzung:
3. Bestimmen Sie den Grenzwert der Zahlenfolge
4n2 + 5n + 7
 
(an ) = .
5n2 − n + 3
4. Es sei (an ) = (a1 · qn−1 ) mit a1 , q 6= 0.
(a) Zeigen Sie, dass die Folge (an ) für |q| > 1 divergiert. Entscheiden Sie, für
welche a1 und q die Zahlenfolge bestimmt nach +∞ divergiert.
(b) Zeigen Sie, dass die Folge (an ) für |q| < 1 eine Nullfolge ist.
(c) Bestimmen Sie den Grenzwert der Partialsummenfolge von (an ) für |q| < 1.
2. Grenzwerte von Funktionen
Beispiel:
Die Funktion f (x) = x+1
x−2
mit Df = R \ {2} hat an der Stelle x0 = 2 eine De-
nitionslücke , d.h., in der Umgebung von x0 = 2 ist f deniert, an der Stelle
x0 = 2 selbst jedoch nicht: Wählt man für x-Werte, die sich der Denitions-
lücke x0 = 2 immer mehr von links nähern (1, 9; 1, 99; 1, 999; . . .), so werden
die zugehörigen Funktionswerte f (x) immer kleiner (−29; −299; −2999; . . .)
und streben für x gegen 2 oensichtlich gegen −∞. Nähert man sich der De-
nitionslücke von rechts (2, 1; 2, 01; 2, 001; . . .), so wachsen die zugehörigen
Funktionswerte f (x) immer mehr (31; 301; 3001; . . .) und streben für x gegen
2 gegen +∞. Andererseits, wenn x beliebig groÿe oder beliebig kleine Werte
annimmt, also gegen +∞ bzw. −∞ geht, so scheinen sich die Funktionswerte
6

f (x) immer mehr dem Wert 1 zu nähern.

Der in obigem Beispiel erstgenannte Vorgang der Annäherung an die Stelle


x0 = 2 führt zu folgender Begrisfestlegung:

Es sei f eine in einer Umgebung der Stelle x0 (evtl. mit Ausnahme von x0
selbst) denierte Funktion. Die Zahl g heiÿt Grenzwert der Funktion f an
der Stelle x0 , wenn für alle Zahlenfolgen (xn ) ⊂ Df \ {x0 } mit dem Grenz-
wert x0 , die Folge der zugehörigen Funktionswerte (f (xn )) gegen den Wert g
konvergiert.
Schreibweise: limx→x0 f (x) = g .
Hat die Funktion f an der Stelle x0 den Grenzwert g , so bedeutet das anschau-
lich, dass der Graph von f sowohl von links als auch von rechts in den Punkt
(x0 , g) einmündet, ganz unabhängig davon, ob f an der Stelle x0 deniert
ist oder nicht. Der Wert g kann hierbei auch der uneigentliche Grenzwert +∞
oder −∞ sein.

Beispiele:
(a) f (x) = |x| ⇒ limx→0 f (x) = 0.
Beweis: Sei (xn ) eine beliebige Nullfolge. Dann ist auch (|xn |) eine Nullfolge,
und die Behauptung folgt.

(b) Sei f abschnittsweise deniert,

x2

für x≤0
f (x) =
1+x für x>0
Dann hat f x0 = 0 keinen Grenzwert.
an der Stelle
Beweis: Sei zunächst (xn ) eine Nullfolge negativer Zahlen. Dann gilt:
limn→∞ f (xn ) = limn→∞ x2n = 0.
Nun sei (xn ) eine Nullfolge positiver Zahlen. Dann folgt
limn→∞ f (xn ) = limn→∞ (1 + xn ) = 1.
Daraus folgt die Behauptung.

Nähert man sich einer Stelle x0 von links (bzw. rechts) und konvergieren dabei
die zugehörigen Funktionswertfolgen jeweils gegen einen bestimmten Grenz-
wert, so sagt man: Die Funktion f hat in x0 einen linksseitigen (bzw. rechts-
seitigen) Grenzwert.
Schreibweise:
lim f (x) = f (x0 −) bzw. lim f (x) = f (x0 +).
x→x0 , x<x0 x→x0 , x>x0

Bemerkungen:
(a) Wenn eine Funktion f an einer Stelle x0 einen linksseitigen und einen
rechtsseitigen Grenzwert hat und beide sind gleich einer Zahl g, dann konver-
giert f an der Stelle x0 gegen den Grenzwert g.
(b) Sind sie nicht gleich bzw. existiert nur höchstens einer (oder keiner) der
7

einseitigen Grenzwerte, so hat f an der Stelle x0 keinen Grenzwert.

Eindeutigkeit des Grenzwertes: Existiert der Grenzwert einer Funktion,


so ist er auch eindeutig bestimmt.

Rechenregeln für Grenzwerte von Funktionen: Es seien α, β ∈ R. Be-


sitzen die Funktionen f und g an der Stelle x0 einen Grenzwert, so gilt:

lim (αf (x) + βg(x)) = α lim f (x) + β lim g(x),


x→x0 x→x0 x→x0

lim f (x) · g(x) = lim f (x) · lim g(x),


x→x0 x→x0 x→x0

f (x) limx→x0 f (x)


lim = , falls lim g(x) 6= 0.
x→x0 g(x) limx→x0 g(x) x→x0

Viele Funktionen haben als Denitionsbereich die Menge R bzw. halboene


Intervalle (−∞, a] oder [a, +∞). Ihre Denitionsbereiche sind also nach oben
bzw. nach unten nicht beschränkt. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich die
Zahlen f (x) verhalten, wenn x unbeschränkt wächst oder fällt, wenn also x
gegen +∞ (x → +∞) bzw. x gegen −∞ (x → −∞) strebt. Dies führt zu
folgender Erweiterung der Grenzwertdenition für Funktionen.

Es sei f deniert auf [a, +∞) oder auf (−∞, a].


g heiÿt Grenzwert
Eine Zahl
von f für unbeschränkt wachsendes oder fallendes x (x → +∞ bzw. x → −∞),
wenn für jede Folge (xn ) mit dem Grenzwert +∞ bzw. −∞ die Folge der
zugehörigen Funktionswerte (f (xn )) gegen den Wert g konvergiert.
Schreibweise: limx→+∞ f (x) = g bzw. limx→−∞ f (x) = g .
Bemerkung: Die obigen Rechenregeln gelten mit geeigneten Modizierungen
auch für uneigentliche Grenzwerte. Hierzu sind jedoch einige Präzisierungen
notwendig:

1. Ausdrücke der Form


∞ 0
+∞ + (−∞), 0 · ∞, und
∞ 0
sind nicht deniert.
(Ein Zugang erönet sich erst später, im Abschnitt zur Dierentialrechnung
Regel von Bernoulli/ de l' Hospital).
mithilfe der

2. Das erweiterte System der reellen Zahlen besteht aus R und den zwei
Symbolen +∞ und −∞. (Wenn es jedoch erforderlich ist, zwischen R und den
Symbolen +∞ und −∞ explizit zu unterscheiden, so nennen wir die reellen
Zahlen endlich.)
Wir behalten die ursprüngliche Ordnung inR bei und denieren
−∞ < x < +∞ für alle Zahlen x ∈ R.
Es ist klar, daÿ +∞ bzw. −∞ obere bzw. untere Schranken für jede Teilmenge
des erweiterten Systems der reellen Zahlen sind. Die folgenden Konventionen
sind dann sinnvoll:
8

(a) Für alle x ∈ R sind


x x
x + ∞ = +∞, x − ∞ = −∞, = = 0.
+∞ −∞
(b) Ist x ∈ (0, +∞], so gilt:
x · (+∞) = +∞ und x · (−∞) = −∞.
(c) Ist x ∈ [−∞, 0), so gilt:
x · (+∞) = (−∞) und x · (−∞) = +∞.
Beispiele:
(a) Es sind oenbar
1 1
limx→0,x>0 = +∞ und limx→0,x<0 = −∞.
x x
(b) Man untersuche
x2 − 1
f (x) = für x → ±∞.
x2 + 1
Lösung: Es gilt

1 − x−2
lim f (x) = lim = 1,
x→+∞ x→+∞ 1 + x−2

1 − x−2
lim f (x) = lim = 1.
x→−∞ x→−∞ 1 + x−2

Für x → ±∞ nähert sich der Graph immer mehr der Geraden y = 1. Eine sol-
che Gerade, an die sich der Graph einer Funktion f immer mehr anschmiegt,
wird Asymptote des Graphen von f genannt. Dabei kann dieses Anschmiegen
sowohl für beliebig groÿ werdende Argumente als auch durch Annäherung an
eine bestimmte Stelle, einen bestimmten x-Wert erfolgen. In obigem Beispiel
ist die Gerade mit der Gleichung y=1 eine waagerechte Asymptote.
(c) Man bestimme die einseitigen Grenzwerte der Funktion f (x) = x3 +1
x+2
im
Punkt x0 = −2.
Lösung: Es gilt

1
lim f (x) = lim (x3 + 1) · lim
x→−2,x>−2 x→−2,x>−2 x→−2,x>−2 x + 2

= (−7) · (+∞) = −∞, und


1
lim f (x) = lim (x3 + 1) · lim
x→−2,x<−2 x→−2,x<−2 x→−2,x<−2 x + 2

= (−7) · (−∞) = +∞.


(d) Man berechne den Grenzwert der Funktion f (x) = 3x+5
(x−1)2
im Punkt x0 = 1.
Lösung: Es gilt

1
lim f (x) = lim (3x + 5) · lim
x→1 x→1 x→1 (x − 1)2
= 8 · (+∞) = +∞.
9

Übungsaufgaben 2:
Untersuchen Sie die folgenden Funktionen auf einseitige Grenzwerte und Grenz-
werte in x0 .

x für x < 0
(a) f1 (x) = 2 , Df1 = R, x0 = 0;
x für x ≥ 0
x
(b) f2 (x) = , Df2 = R \ {1}, x0 = 1;
x−1
2x
(c) f3 (x) = , Df3 = R \ {−1}, x0 = +∞;
x+1
1
(d)∗ f4 (x) = sin , Df4 = R \ {0}, x0 = 0.
x
Hinweis für (d)∗ : Wir setzen hier elementare Kenntnisse über die Sinusfunk-
tion voraus. Untersuchen 
Sie das 
Verhalten von f4 längs der Nullfolgen
1 0 2

(xn ) = nπ
bzw. (xn ) = π(4n+1)
.

3. Stetigkeit von Funktionen


Vorstellungen vom Begri stetige Funktion sind gemeinhin darauf gerichtet,
daÿ der Graph einer solchen Funktion keine Sprünge macht, daÿ er keine
Lücken aufweist, dass er sich gewissermaÿen in einem Zuge (ohne den Stift
abzusetzen) zeichnen läÿt. Diese anschaulichen Vorstellungen allein reichen
aber für die Arbeit mit dem fundamentalen Begri der Stetigkeit in der Ma-
thematik nicht aus. Es ist eine exakte Denition erforderlich.

Die Funktion f heiÿt an der Stelle x0 ∈ Df stetig, wenn der Grenzwert


von f an der Stelle x0 existiert und mit dem Funktionswert an der Stelle x0
übereinstimmt.
f heiÿt stetig, wenn sie an jeder Stelle ihres Denitionsbereiches stetig ist.
Oenbar ist f in x0 ∈ Df stetig ⇐⇒ limx→x0 f (x) = f (x0 ).
Ist f an einer Stelle x0 ∈ Df nicht stetig, so heiÿt f an der Stelle x0 unste-
tig.
Es werden verschiedene Typen von Unstetigkeitsstellen unterschieden. Dazu
werden die einseitigen Grenzwerte betrachtet:

Wie bereits gesagt, ist f genau dann an der Stelle x0 ∈ Df stetig, falls die
einseitigen Grenzwerte existieren und gleich dem Funktionswert an der Stelle
sind, d.h.:
f (x0 −) = f (x0 +) = f (x0 ).
Ist also f in x0 unstetig, so sind die folgenden Fälle möglich:

(i) Die einseitigen Grenzwerte existieren und sind gleich und endlich, und es
gilt
10

f (x0 −) = f (x0 +) 6= f (x0 ).


Die Unstetigkeitsstelle heiÿt hebbar, d.h. die Funktion

f (x) für x 6= x0
g(x) :=
f (x0 −) für x = x0
ist an der Stelle x0 stetig.
Beispiel:
x2

für x 6= 2
f (x) = .
3 für x=2

(ii) Falls beide Grenzwerte existieren, endlich , aber ungleich sind, spricht man
von einer Sprungstelle.
Beispiel: Vorzeichenfunktion,

 −1 für x<0
f (x) = sgn (x) = 0 für x=0 .
1 x>0

für

(iii) Einen Pol (oder Polstelle) nennt man eine Unstetigkeit, an der die ein-
seitigen Grenzwerte existieren, jedoch wenigstens einer von ihnen nur im un-
eigentlichen Sinne, d.h., sie nehmen die Werte +∞ oder −∞ an. Dieser Typ
von Unstetigkeit tritt insbesondere bei rationalen Funktionen die wir noch ge-
sondert behandeln werden.
1
Beispiel: f (x) = .
x
11

(iv) Schlieÿlich gibt es noch die Möglichkeit, daÿ wenigstens einer der einsei-
tigen Grenzwerte weder eigentlich noch uneigentlich existiert.
Beispiel:
1
 
sin x
für x 6= 0
f (x) = .
0 für x=0

Eine Funktion f hat Denitionslücken, wenn einzelne Punkte aus ihrem De-
nitionsbereich ausgeschlossen sind.
Die Denitionslücken sind die Stellen, an denen man durch Null teilen müsste
oder Ähnliches, beispielsweise bei gebrochenrationalen Funktionen. Die De-
nitionslücken einer Funktion lassen sich - ebenso wie Unstetigkeitsstellen -
klassizieren.
Lässt sich f auf die Denitionslücke x0 so fortsetzen, daÿ die neue Funktion
stetig wird, so spricht von einer stetig hebbaren Denitionslücke.
2
x −1
Beispiel: f (x) = , Df = R \ {1}.
x−1
Weil f (x) = x + 1 für x 6= 1 ist, haben wir f (1−) = f (1+) = 2. Folglich hat f
in x0 = 1 eine stetig hebbare Denitionslücke, und die fortgesetzte Funktion

f (x) für x 6= 1
g(x) = =x+1
2 für x = 1

ist stetig auf R.


12

Wenn eine Denitionslücke nicht stetig hebbar ist, zum Beispiel weil die Funk-
tion dort gegen unendlich strebt oder sehr schnell oszilliert, wird die Lücke
auch als Singularität bezeichnet, wobei der Sprachgebrauch in diesen Fällen
nicht immer einheitlich ist. Oft werden Denitionslücke und Singularität als
Synonyme verwendet.

Eigenschaften stetiger Funktionen:


1. Es seien α, β ∈ R und f, g Funktionen mit gemeinsamem Denitionsbereich
x0 sind.
die stetig in Dann sind auch die Funktionen
αf + βg und f · g
f
stetig in x0 . Ist g(x0 ) 6= 0, stetig in x0 .
so ist auch
g
2. Es seien f, g Funktionen mit Wg ⊂ Df . g sei stetig in x0 und f sei stetig in
g(x0 ). Dann ist die Verkettung von f und g , f ◦ g , stetig in x0 .
Zwischenwertsatz: Ist f eine in einem abgeschlossenen Intervall [a, b] ste-
tige Funktion, und ist c irgendein Wert zwischen f (a) und f (b), so gibt es
wenigstens eine Stelle x0 ∈ [a, b] mit f (x0 ) = c.

Ein bekannter Spezialfall ist der folgende:


Ist f eine in einem abgeschlossenen Intervall [a, b] stetige Funktion, und gilt
f (a) · f (b) < 0, so hat f wenigstens eine Nullstelle auf (a, b).
Beispiel:
Wir betrachten f (x) = 13 x3 + 12 x2 − 2x − 2 auf dem Intervall [−3, 3]. Es gilt
f (−3) = −0, 5 und f (3) = 5, 5. Folglich nimmt f jeden Wert zwischen −0, 5
und 5, 5 wenigstens einmal an. U.a. besitzt f wenigstens eine Nullstelle.

Satz vom Maximum und Minimum: Sei f eine auf einem beschränkten
abgeschlossenen Intervall stetige Funktion. Dann nimmt f dort sein Maximum
und sein Minimum an.

Übungsaufgaben 3:
13

Untersuchen Sie die folgenden Funktionen auf ihren Denitionsbereich, Stetig-


keit, Unstetigkeiten und Denitionslücken.

(a) f1 (x) = 13x5 − x2 + 2022;


x5 + 3x2 − 6x + 5
(b) f2 (x) = ;
(x + 1)(x − 2)

(c) f3 (x) = x2 + 3x + 7;
x2 + 5x + 6
(d) f4 (x) = ;
x+2
 x
e für x < 0
(e) f5 (x) = .
x + 2 für x ≥ 0

Ist eine Funktion auf einem Intervall streng monoton und stetig, so existiert
die Umkehrfunktion und ist ebenfalls stetig:

Satz: Es seien a, b ∈ R, a < b, und f : [a, b] → R


stetig und streng mo-
−1
noton wachsend (bzw. fallend). Dann existiert die Umkehrfunktion f auf
dem abgeschlossenen Intervall mit den Endpunkten f (a) und f (b) und ist dort
ebenfalls stetig und streng monoton wachsend (bzw. monoton fallend).

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