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Mathematik für Naturwissenschaftler I, WS 21/22, Prof. E.

Gutheil Beiblatt 3

3 Folgen und Reihen

3.1 Folgen
3.1.1 Grundbegriffe
Definition: Ordnet man den natürlichen Zahlen nach irgendeiner Vorschrift der Reihe nach
reelle Zahlen zu, so entsteht eine reelle unendliche Zahlenfolge {an }, n = 1 . . . , N

n 1 2 3 4 ···
ai a1 a2 a3 a4 ···

Definition: Die reelle Zahlenfolge {an }, n = 1 . . . , N heißt

- beschränkt, wenn alle ai , i = 1, 2, . . . im Intervall [a, b] liegen;

- unbeschränkt, wenn dies nicht der Fall ist.

Definition: Eine obere Schranke a ∈ R ist eine Zahl, die größer oder gleich den Gliedern
der Folge ist, ai ≤ a ∀ai , i = 1, . . . N. Eine untere Schranke u ist eine Zahl, die kleiner oder
gleich den Gliedern der Folge ist, ai ≥ u ∀ai , i = 1, . . . N. Die obere/untere Schranke kann,
muss aber nicht Glied der Folge sein.

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Beispiel 1: Die Folge {an }, n ∈ N mit an = n
ist beschränkt im Intervall [0, 1]

1 1 1 1
an = , n = 1, 2, 3, . . . also sind die Folgenglieder: 1, , , , . . . ∈ (0, 1].
n 2 3 4
Beispiel 2: {an }, n ∈ N, mit an = n ist unbeschränkt, hat jedoch die untere Schranke 1.
Folgenglieder:
an = 1, 2, 3, . . .
Definition: Eine Folge {an }, n ∈ N heißt monoton abnehmend, wenn a1 ≥ a2 ≥ a3 ≥ · · · ,
allgemein an ≥ an+1 , für alle n ∈ N, streng monoton abnehmend, wenn an > an+1 , monoton
wachsend, wenn an ≤ an+1 und streng monoton wachsend, wenn an < an+1 für alle n ∈ N ist.

Definition: Eine Folgen, deren Vorzeichen von Glied zu Glied wechselt, heißt alternierend.
Beispielsweise ist {an }, n ∈ N mit an = (−1)n+1 n1 eine alternierende Folge. Folgenglieder:
1, − 21 , 31 , − 14 , 15 , − 16 , . . .

Definition: Eine Zahl h ∈ R heißt Häufungspunkt (HP), wenn in jeder noch so kleinen
-Umgebung von h (d.h. im Intervall [h − , h + ] unendlich viele Glieder der Folge liegen.
Der HP kann, muss aber nicht Glied der Folge sein.

Satz von Bolzano-Weierstraß: Jede beschränkte unendliche Zahlenfolge besitzt mindes-


tens einen HP.

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Definition: Besitzt eine beschränkte Folge {an }, n ∈ N genau einen HP, so heißt sie kon-
vergent. Der HP a heißt dann Grenzwert oder Limes der Folge:

lim an = a.
n→∞

Definition: Folgen, die gegen Null konvergieren, heißen Nullfolgen. Beispielsweise ist {an }, n ∈
N mit an = n1 eine Nullfolge.

Definition: Eine nicht-konvergente Folge heißt divergent und zwar bestimmt divergent,
wenn ihr Grenzwert entweder gegen ∞ oder gegen −∞ geht. Eine Folge ist unbestimmt
divergent, wenn sie weder konvergent noch bestimmt divergent ist.

Spezielle Folgen:

1. Arithmetische Folge: {an }, n ∈ N mit an+1 − an = d bzw. an+1 = an + d, d ∈ R,


d = const.
an+1
2. Geometrische Folge: {an }, n ∈ N mit an
= q oder an = a1 q n−1 , a1 6= 0, q ∈ R,
q = const.

3.1.2 Zusammengesetzte Folgen


Satz: Die Folgen {an }, {bn }, n ∈ N seien konvergent, dann sind zusammengesetzten Folgen
{an ± bn }, {an bn }, {an /bn }, bn 6= 0 ebenfalls konvergent.
Für die Grenzwerte der zusammengesetzten Folgen gilt:

(i) limn→∞ (an ± bn ) = limn→∞ an ± limn→∞ bn

(ii) limn→∞ (an bn ) = limn→∞ an limn→∞ bn


an limn→∞ an
(iii) limn→∞ bn
= limn→∞ bn
, bn 6= 0

3.2 Reihen
3.2.1 Allgemeines
Pn
Definition: Gegeben sei eine Folge {an }, n ∈ N.PDie Folge {Sn }∞n=1 mit Sn = i=1 ai nennt
man unendliche Reihe und bezeichnet sie mit ∞ a
i=1 i . S n wird n-te Teilsumme der Reihe
genannt.

Definition: Eine Reihe ∞


P
i=1 ai heißt konvergent zur Summe S, wenn limn→∞ Sn = S gilt.
Eine nicht-konvergente Reihe heißt divergent.

Definition: Eine Reihe heißt bestimmt divergent, wenn ihre Teilsummen entweder gegen ∞
oder gegen −∞ gehen. Eine Reihe heißt unbestimmt divergent, wenn sie nicht konvergent und
nicht bestimmt divergent ist. Eine Reihe heißt alternierend, wenn sich das Vorzeichen
P∞ von
Summand
P∞ zu Summand ändert. Eine Reihe heißt absolut konvergent, wenn mit n=1 an auch
n=1 |an | konvergent ist. Die Umkehrung gilt nicht! Absolute Konvergenz ist ein schärferes
Kriterium als bedingte Konvergenz.

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P
Beispiel: Die Reihe n
ist divergent:
n=1

1
= 1 + 12 + 13 + 14 + 15 + 16 + 71 + 18 + 19 + 1 1 1 1 1 1 1
P
n 10
+ 11
+ 12
+ 13
+ 14
+ 15
+ 16
+ ...
n=1

Achtung: in diesem Beispiel konvergiert die Folge, während die Reihe divergiert!

3.2.2 Konvergenzkriterien
Auswahl dreier oft verwendeten Kriterien:
Leibniz-Kriterium (für alternierende Reihen)
Die alternierende Reihe

X
u1 − u2 + u3 − u4 ± · · · = (−1)n+1 un , n ∈ N
n=1

ist konvergent, wenn ihre Glieder |un | eine monoton fallende Nullfolge bilden.

|un | ≥ |un+1 | und lim |un | = 0.


n→∞

Bemerkung: Es reicht, wenn die Folge ab einem bestimmen Glied n ≥ n0 monoton fallend
ist.

d’Alembert - Quotientenkriterium
Gegeben sei die Reihe ∞
P
n=1 un , n ∈ N, un ∈ R ∀n.


un+1
– Gilt limn→∞ un < 1, so ist die Reihe absolut konvergent (hinreichendes Kriterium,
die Umkehrung ist nicht erlaubt).


un+1
– Gilt limn→∞ un > 1, so ist die Reihe divergent.


– Für limn→∞ uun+1 = 1 ist keine Aussage möglich. Dieser Fall muss separat explizit

n
untersucht werden.

Wurzelkriterium von Cauchy


Gegeben sei die Reihe ∞
P
n=1 un , n ∈ N, un ∈ R ∀n.

Dann gilt 
p < 1 absolut konvergent

n
lim |un | > 1 divergent
n→∞ 
= 1 keine Aussage möglich

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Majorantenkriterium

Sei ∞
P P
n=1 an eine Reihe. Gibt es eine konvergente Reihe bn mit |an | ≤ bn , so ist die Reihe
n=1

P ∞
P ∞
P
an absolut konvergent. Man sagt, dass die Reihe an von bn majorisiert wird.
n=1 n=1 n=1

Minorantenkriterium

P ∞
P
Sei an eine Reihe mit an ≥ 0 für alle n ∈ N. Existiert eine divergente Reihe bn , n ∈ N
n=1 n=1

P
mit an ≥ bn ≥ 0 für alle n ∈ N, so folgt aus der Divergenz von bn die Divergenz von
n=1

P ∞
P ∞
P
an . Man sagt, dass die Reihe an von bn minorisiert wird.
n=1 n=1 n=1

Bemerkung: Häufig treten bei der Untersuchung von Reihen auf Konvergenz Grenzwerte auf,
die nicht einfach zu bestimmen sind:
n
(i) lim 1 + n1 = e (Eulersche Zahl)
n→∞

(ii) lim n
n=1
n→∞

3.2.3 Rechenregeln für konvergente Reihen


Rechnungen für endliche Summen sind nicht auf unendliche Summen übertragbar!
Für konvergente Reihen gelten jedoch

1. ∞ ∞
X X
c un = c un , c = const.
n=1 n=1

2. ∞ ∞ ∞
X X X
(un ± vn ) = un ± vn
n=1 n=1 n=1

3. Absolut konvergente Reihen können gliedweise multipliziert werden:



X ∞
X ∞ X
X ∞
un · um = un um
n=1 m=1 n=1 m=1

3.3 Potenzreihen

X
P (x) = an x n = a0 + a1 x + a2 x 2 + a3 x 3 + · · ·
n=0

an ∈ R, n ∈ N0 sind fest vorgegebene Koeffizienten, x ∈ R sei eine beliebige reelle Zahl.

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Für jede Potenzreihe P (x) gibt es ein positives r ∈ R, sodass die Reihe für |x| < r kon-
vergiert und für |x| > r divergiert. Für |x| = r ist keine Aussage möglich, dieser Fall muss
explizit separat untersucht werden. r heißt Konvergenzradius der Reihe.

Bestimmung des Konvergenzradius r


• Cauchysches Wurzelkriterium:
p
n
p
n
p
lim |un | = lim |an xn | = |x| lim n |an | < 1 → Konvergenz
n→∞ n→∞ n→∞

1
⇒ |x| < p =r
limn→∞ n
|an |
Für |x| < r folgt Konvergenz, für |x| > r Divergenz und für |x| = r ist keine Aussage
möglich.

• Quotientenkriterium

Aus lim uun+1 <1 folgt Konvergenz. Damit ist

n→∞ n

an+1 xn+1

an+1 1
lim = |x| lim
⇒ |x| <
an+1 = r

n→∞ an x n n→∞ an lim an
n→∞

Für |x| < r folgt Konvergenz, für |x| > r Divergenz und für |x| = r ist keine Aussage
möglich.

Darstellung einer Zahl als Reihe



1 1 1 1 1
P
Es ist 1 + 1!
+ 2!
+ 3!
+ 4!
+ ··· = n!
=e
n=0

1 n

Bemerkung: e ist auch Grenzwert der Folge {bn }, n ∈ N mit bn = 1 + n
.

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