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Mathematik f. Naturwissenschaftler I, WS 21/22, Prof. E.

Gutheil Beiblatt 1

Stetigkeit einer Funktion


1 Grundbegriffe
Eine Funktion f (x) heißt stetig in einem Punkt x = x0 des Definitionsbereiches, wenn sie in
diesem Punkt keinen Sprung hat. Diese Festlegung ist für mathematische Zwecke nicht geeig-
net, da sie keine Quantifizierung erlaubt. Daher benutzt man in der Mathematik die schärfere

Definition: y = f (x) ist an der Stelle x = x0 ∈ D dann und nur dann stetig, wenn es zu
jeder noch so kleinen Größe  > 0 eine (genügend kleine) Größe δ > 0 gibt, sodass gilt:

|x − x0 | < δ =⇒ |f (x) − f (x0 )| < .

δ hängt dabei im Allgemeinen von  und x0 ab.

Eine Funktion heißt im Intervall [a, b] stetig, wenn sie in allen x0 in diesem Intervall stetig ist.

Definition: Hängt δ nur von , nicht aber von x0 ab, so spricht man auch von gleichmäßiger
Stetigkeit der Funktion. Stetigkeit in x0 wird auch als punktweise Stetigkeit bezeichnet. Eine
Funktion f (x) heißt stetig, wenn sie für alle x ∈ D stetig ist.

Satz: Summe, Differenz und Produkt von stetigen Funktionen sind wieder stetige Funktio-
nen. Dies gilt auch für Quotienten, solange der Nenner nicht den Wert Null annimmt.

Satz: Sind x = f (z) und z = g(x) stetig, dann ist auch die Funktion F (x) = f (g(x)) stetig.

Satz: Eine stetige Funktion ist auf einem abgeschlossenen Intervall [a, b] ∈ D gleichmässig
stetig.

2 Beispiele
2.1 Wie kann Stetigkeit in x0 gezeigt werden?
Stetigkeit wird durch das Angeben eines passenden, im Allgemeinen von x0 und  abhängen-
den δ gezeigt. Mit diesem δ muss dann gezeigt werden, dass der Abstand |f (x) − f (x0 )| < 
ist. Der schwierige Teil ist, ein passendes δ zu finden. Dazu wird |f (x) − f (x0 )| so lange
umgeformt und abgeschätzt, bis es mithilfe von δ ausgedrückt werden kann.

Beispiel 1: Es soll die Funktion betrachtet werden, die festgelegt ist durch f (x) = −2 für
x < 0, f (x) = 0 für x = 0 und f (x) = 2 für x > 0. Diese Funktion ist an der Stelle
x = 0 unstetig, da für alle Nachbarpunkte von x0 = 0, d.h. für beliebig kleine δ, immer
|f (x) − f (x0 )| = 2 gilt. Das steht im Widerspruch zu der Anforderung, dass für genügend
kleine δ auch  beliebig klein wird. Die Funktion ist also im Punkt x0 = 0 unstetig.

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Abbildung 1: Links: Abbildung zu Beispiel 1, rechts: Abbildung zu Beispiel 2

Beispiel 2: Es soll die Funktion f (x) = x2 im Punkt x0 = 0 betrachtet werden. Zu jedem


 > 0 gibt es ein δ > 0 (nämlich δ = 1/2 ), sodass gilt

|f (x) − f (x0 )| = |x2 | <  wenn |x| < δ;

d.h. für genügend klein gewählte δ wird  beliebig klein. Die Funktion ist also stetig im Punkt
x0 = 0.

Beispiel 3: Sei f (x) = 3x + 2. Es wird im Folgenden gezeigt, dass f stetig ist, also Stetigkeit
in jedem Punkt x0 ∈ D = R.
Per Definition gilt

|x − x0 | < δ.

Um δ passend zu finden, wird |f (x) − f (x0 )| umgeformt:

|f (x) − f (x0 )| = |3x + 2 − (3x0 + 2)| = |3x − 3x0 | = |3(x − x0 )| = 3|x − x0 | < 3δ.

Im letzten Schritt wurde ausgenutzt, dass |x − x0 | < δ ist. Nun muss δ so gewählt werden,
dass

3δ < 

ist bzw.

δ < /3.

Beispielsweise ist nun δ = /6 definitiv kleiner als /3. Mit diesem δ gilt also

|f (x) − f (x0 )| = 3|x − x0 | < 3δ = 3/6 = /2 < 

und damit ist gezeigt, dass f eine stetige Funktion ist auf D.

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2.2 Wie wird Unstetigkeit in x0 gezeigt?


Stetigkeit wird zeigt, indem ein passendes δ in Abhängigkeit von  angegeben wird. Wenn
die Funktion f jedoch unstetig ist, gibt es kein passendes δ, was durch ein Gegenbeispiel
gezeigt wird. Um herauszufinden, was genau ein Gegenbeispiel ist, wird des -δ-Kriteriums
für Unstetigkeit herangezogen. Dies Bedingung für Unstetigkeit ist die Negation des -δ-
Kriteriums für Stetigkeit:

Satz: Punktweise Unstetigkeit: Eine Funktion f : D → R mit D ⊆ R ist genau dann unstetig
an der Stelle x0 ∈ R, wenn es ein  > 0 gibt, sodass für alle δ > 0 ein x ∈ D mit |x − x0 | < δ
und |f (x) − f (x0 )| ≥  existiert.

Es wird also ein  gewählt, das kleiner als die Sprunghöhe ist, und dann wird für jedes
δ ein x im Interval (x0 − δ, x0 + δ) angegeben, für das f (x) − f (x0 ) >  ist. Oder anders
gesagt: Es wird ein hinreichend kleines  gewählt und gezeigt, dass egal wie klein δ ist, der
Funktionswert immer außerhalb des Intervalls (f (x0 ) − , f (x0 ) + ) liegt. Das x für einen
solchen Funktionswert muss angegeben werden!

Beispiel: Es wird die Funktion f (x)


x − 1 für x ≤ 1
f (x) =
x für x > 1

an der Stelle x0 = 1 betrachtet: Sie springt bei x0 von 0 auf 1. Es muss ein  gewählt werden,
das kleiner als dieser Sprung ist, beispielsweise  = 1/2. Jetzt gilt es, ein x in Abhängigkeit
von δ zu finden, das

|x − x0 | = |x − 1| < δ

erfüllt:

|f (x) − f (x0 )| = |x − 0| = x ≥  = 1/2.

Dabei muss x > 1 sein, da der Sprung beim Übergang von x = 0 zu x > 0 passiert, also zum
Beispiel x = 1 + δ/2:

|x − x0 | = |x − 1| = |1 + δ/2 − 1| = |δ/2| < δ.

Einsetzen ergibt

|f (x) − f (x0 )| = x = 1 + δ/2 ≥  = 1/2.

Damit ist gezeigt, dass mit diesem x der Abstand der Funktionswerte größer oder gleich 1/2
ist, egal wie klein δ gewählt wird. Also ist f (x) unstetig in x0 = 1.

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