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Visuelle Schärfe

Standortbestimmung – einzeln konstruiert. Dieser Prozess


ist aufwendig und in seinem genau-
Was ist visuelle Schärfe? en Ablauf unter den Wissenscha�lern
noch umstri�en.
Die Helligkeit eines Lichtreizes Ohne die Registrierung der Ob-
können wir in cd/m2 messen, seine Far- jektgrenzen könnte keine visuelle
bigkeit über die Wellenlängenstruktur Wahrnehmung entstehen. daß das
bestimmen, aber Schärfe ist eine rein stimmt, ist praktisch bereits mit dem
wahrgenommene Eigenscha� einer folgenden Versuch simuliert worden.
visuellen Szene, die wir nicht direkt Stellen Sie sich zum Beispiel ein rotes
bestimmen können. Sie liegt nur im Quadrat vor in dessen Mi�e sich ein
Auge des Betrachters. Allgemein be- kleineres, grünes Quadrat befindet.
zeichnen wir einen visuellen Eindruck Wenn Sie die Grenze zwischen beiden
als scharf, wenn die Objekte klar von- Flächen künstlich auf ihrer Retina sta-
einander abgegrenzt sind. Damit ist bilisieren, verlieren Sie zunächst die
Wahrnehmung des grünen Quadrats
und es bleibt nur die rote Fläche des
Visuelle Schärfe ist ein Abfallprodukt jenes Hintergrunds übrig. Nach ungefähr
Prozesses, in dem das visuelle System die einer Sekunde ohne jede Bewegung
Objektwahrnehmung realisiert. relativ zur Retina löst sich dann auch
dieser Eindruck auf und sie sehen
nichts mehr. Das ist der Fall, weil uns
visuelle Schärfe im Gegensatz zur ge- die Photorezeptoren nur Potential-
schmeckten oder gerochenen Schärfe unterschiede, nicht aber absolute Po-
jenes Empfindungsmaß, anhand dem tentialniveaus melden, was ebenfalls
wir die Klarheit oder Deutlichkeit der der Effizienzsteigerung dient. Damit
Objektkanten bemessen. Diese Kan- uns die Wahrnehmung nicht verlo-
ten und Grenzflächen zu erfassen ist ren geht, wenn der Blick längere Zeit
von hohem Interesse für das visuelle auf einem Punkt verweilt, führen die
System, denn wie der erste Band die- Augen mehrmals pro Sekunde unbe-
ser Reihe gezeigt hat organisiert es wußte und in der Richtung zufällige
an ihnen die Objektwahrnehmung: Bewegungen aus, sogenannte Mikro-
Die Gegenstände einer Szene werden sakkaden.
nicht vollständig erfasst, sondern an- Die Antwort darauf, warum unser
hand der wahrgenommenen Kanten visuelles System die Objekte anhand

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Standortbestimmung – Was ist visuelle Schärfe?

und die Grenzflächen dann isolieren.


Das ist eine ziemlich ambitionierte
Aufgabe und unser visuelles System
bewältigt sie in mehreren Stufen. Zur
präzisen Abtastung benutzt es eine
große Anzahl Photorezeptoren. Ihr
Abstand zueinander bestimmt neben
ein paar anderen Faktoren, die wir

Abb. 6-1: Konzept Auflösung

Abb. 6-2: Konzept Kantenschärfe

der Grenzflächen zwischen Bereichen


unterschiedlicher Farbe und Hellig-
keit strukturiert und unterscheidet,
ist einfach: Wirtscha�lichkeit, Effekti-
vität und geringer Energieverbrauch.
Diese Zusammenhänge beschreibt
der Abschni� „Zweiter Schri� – Be-
ginn der Informationsverarbeitung“
(S. 20 ff) ausführlich.
Um möglichst viele Kanten mög-
lichst genau erfassen zu können,
müssen Auge und Gehirn das Blick- Abb. 6-3: Die Kombination von Auflösung und Kanten-
feld so detailliert wie möglich rastern schärfe bestimmt über unseren visuellen Schärfeeindruck

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Visuelle Schärfe

weiter unten kennenlernen werden, Das Auflösungsvermö-


über das Auflösungsvermögen des
Sehapparats. gen des visuellen
Um die Objektkanten in dem so
produzierten Bild zuverlässig isolie- Systems
ren zu können, verfügt das visuelle
System über die bemerkenswerte Fä- Auflösung meint das Maß, mit dem
higkeit, die aus der Belichtung der das visuelle System eine Szene rastert.
Photorezeptoren resultierenden Ner- Sie entspricht der Packungsdichte der
venimpulse (quasi seine visuellen Photorezeptoren, die in der Sehgrube
Daten) wie ein Computer verarbei- (Fovea centralis) am größten ist (siehe
ten zu können. Dazu dient ihm ein „Die Anordnung der Photorezepto-
bestimmter Typ Ganglienzellen, die ren auf der Netzhaut“). Man kann sa-
physiologisch in Zentrum und Peri- gen, daß das Auflösungsvermögen in
pherie gegliedert sind. Beide sind so der Fovea so hoch ist, damit wir mög-
verschaltet, daß sie sich wechselsei- lichst viele Kanten möglichst präzise
tig hemmen. Dieser Zellau�au wird erfassen können.
Center/Surround Organisation (siehe Unser Schärfeeindruck einer natür-
Abb. 1-6 auf S. 19) genannt und dient lichen Szene oder einer Photographie
dazu, Unregelmäßigkeiten, eben Ob- ist umso größer je mehr Einzelheiten
jektgrenzen, herauszufiltern. Je härter wir wahrnehmen. Darüber, wie viele
die Kontur ist, je unmi�elbarer ihr Details wir auffassen, bestimmt das
Übergang, umso größer ist das Ausga- Auflösungsvermögen unseres visu-
bepotential so einer Center/Surround ellen Systems. Dies können wir auf
Zelle und unser daraus entstehender verschiedene Wahrnehmungsleistun-
Schärfeeindruck der Kante. gen beziehen: Wir können bestim-
Mit dem Auflösungsvermögen men, wie groß der Abstand zwischen
und der Kantenschärfe haben wir zwei Objekten mindestens sein muss,
nun also die beiden Konzepte heraus- damit sie als getrennt aufgefasst wer-
gearbeitet, die ursächlich für unseren den. Das wird Auflösungs-Sehschär-
Schärfeeindruck verantwortlich sind. fe genannt. Wir können bestimmen,
Sie wollen wir im Folgenden genau wie groß ein Objekt mindestens sein
beleuchten. muss, damit es noch erkannt wird.
Das wird Erkennungs-Sehschärfe
genannt. Wir können die kleinste Ob-

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jektgröße bestimmen, die gerade noch


wahrnehmbar ist. Das wird Minima-
lerkennbare-Sehschärfe genannt.
Und wir können den geringsten wahr-
nehmbaren Versatz zwischen zwei
Linien bestimmen. Das wird dann
Hyper-Sehschärfe oder Vernier-Seh-
schärfe genannt. Für unserer photo-
graphisch orientierte Betrachtung ist
die Auflösungs-Sehschärfe relevant.
Sie hängt von mehreren Faktoren ab,
die sich zu einem Maß ergänzen das
eine Abbildung nicht zu überschrei-
ten braucht, um einen scharfen Ein-
druck zu machen. Sie werden wir in
den folgenden Abschni�en genau un-
ter die Lupe nehmen.

Die Beugung als physikali-


sche Einschränkung
Lichtwellen verlaufen normaler- Abb. 6-4: Beugung von Lichtstrahlen an einer
weise geradlinig durch den Raum. großen Öffnung bzw. einer kleinen Öffnung
Treffen sie auf ein Hindernis oder
passieren ein solches sehr nah („nah“ die Lichtwellen dann nicht mehr alle
meint im Bereich weniger Wellenlän- dieselbe Entfernung zurück, sondern
gen), so werden sie aus dieser gera- verlassen zum Teil ihre ursprüngli-
den Richtung abgelenkt. Diesen Vor- che Schwingungsrichtung. Das führt
gang nennen wir Beugung. Er ist ein dazu, daß sie sich an einer Stelle über-
unvermeidbarer physikalischer Effekt lagern und ergänzen bzw. an einer an-
und unabhängig von der Qualität der deren ganz oder teilweise auslöschen.
Optik. Je kleiner die Öffnung, umso Diese Überlagerung (Interferenz)
größer ist die Beeinträchtigung der produziert ein Beugungsmuster, das
Abbildung durch die Beugung. die höchste Intensität dort aufweist,
Aufgrund dieser Zerstreuung in wo sich die Wellen addieren und die
unterschiedliche Richtungen legen geringste, wo sie sich auslöschen.

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Visuelle Schärfe

Abb. 6-5: Beugung von Licht an einem Spalt und das daraus resultierende Beugungsmuster

Würden wir die Stärke an jeder Po-


sition einer geraden Linie messen, so
ergäbe sich ein Band ähnlich dem, das
Abb. 6-5 zeigt.
Eine perfekt runde und daher ide-
ale Blende würde ein Beugungsmu-
ster produzieren, das nach seinem
Entdecker, dem britischen Astrono-
men Sir George Biddell Airy (1835-
1892), als Airy-Scheibchen (auch
Airy Disk) bezeichnet wird. Auf ei-
nen praktischeren Fall übertragen
können wir uns die Beugung wie bei
einem Wasserschlauch vorstellen. Ge-
nügend Druck vorausgesetzt verläßt
ihn das Wasser als nahezu runder
Strahl. Wenn wir die freie Öffnung
aber mit den Fingern ein wenig zu-
sammendrücken, wird der Strahl zu
einem mehr oder weniger breiten Fä-
cher auseinandergezogen.
Abb. 6-6: Rayleigh-Kriterium und Auflösung

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Die Beugung als physikalische Einschränkung

Da wir keine unendlich großen Maximum und Minimum der


Optiken konstruieren können, ist je- Lichtquellen müssen also durch eine
des optische Gerät, unser Auge einge- Entfernung getrennt sein, die propor-
schlossen, zwangsläufig im Hinblick tional zum Quotienten aus Lichtwel-
auf seine Öffnung begrenzt. Sei es lenlänge und Öffnungsdurchmesser
durch den Außendurchmesser oder ist. Damit ist klar, daß eine größere
die Größe einer eingebauten Blende. Öffnung auch feinere Details auflösen
An diesem Flaschenhals wird das kann. Diesen Zusammenhang drückt
Licht abgelenkt und so kann die Op- die Formel für eine runde Öffnung
tik eine entfernte punktförmige Licht- aus:
quelle selbst dann niemals in eben
einem solchen Punkt abbilden, wenn Formel 1
alle sonstigen Abbildungsfehler besei-
tigt wären. Sta� dessen fällt die Abbil-
dung abhängig von der Öffnungsgrö-
ße mehr oder weniger unscharf aus
und das Bild spiegelt in der Brennebe- α Grenz = Auflösungsvermögen in
ne das allgemeine sogenannte Fraun- Bogensekunden
hofersche Beugungsmuster wider. λ = Lichtwellenlänge
In vielen Fällen ist dieser Effekt so D = Öffnungsdurchmesser
gering, daß er vernachlässigt werden
kann, aber grundsätzlich verhindert Für das Auflösungsvermögen un-
er die Abbildung sehr feiner Details serer Augen gilt das Rayleigh-Kriteri-
und damit die Vergrößerung eines um ebenfalls als grundsätzliche Richt-
Bildes über ein gewisses Maß hinaus. marke und mit der eben eingeführten
Um das Auflösungsvermögen ei- Formel können wir das theoretisch
ner Optik zu beschreiben, benutzen maximal erreichbare Auflösungsver-
wir das nach seinem Entdecker John mögen berechnen. Dazu gehen wir
William Stru� (1842-1919), dem 3. von einem Pupillendurchmesser für
Lord Rayleigh, benannte Rayleigh- das vollständig helladaptierte Auge
Kriterium (KR). Es besagt, daß zwei von durchschni�lich D = 3 mm und
Lichtpunkte als aufgelöst gelten, der Wellenlänge = 550 nm aus, für die
wenn das Hauptmaximum des ersten der Rezeptorapparat des Auges am
das erste Minimum des zweiten nicht empfindlichsten ist:
unterschreitet.

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Visuelle Schärfe

men werden können. Dieses ist genau


dann der Fall, wenn die Maxima der
Beugungsscheibchen einen Abstand
haben, der dem Radius eines Scheib-
chens entspricht.

Die Anordnung der


Photorezeptoren auf
der Netzhaut
Die Retina ist mit rund 110 Mil-
Theoretisch können wir bei Tages- lionen Stäbchenrezeptoren und gut
licht also zwei Punkte unterscheiden, 6 Millionen Zapfenrezeptoren be-
die gerade 0,6294 Bogenminuten aus- setzt, die nicht gleichmäßig über die
einander liegen. Anders ausgedrückt Netzhaut verteilt sind, sondern sich
müssen die beiden Punkte 1 mm von- in bestimmten Bereichen konzentrie-
einander entfernt sein, damit wir sie ren und in anderen spärlicher vertre-
aus 57 cm Entfernung als getrennt ten sind. Drei Begriffe, die in diesem
wahrnehmen. Zusammenhang wichtig sind, lau-
Je größer die Blendenzahl, desto ten Fovea centralis (auch Sehgrube),
größer das Beugungs- oder Airy- Blinder Fleck und Netzhautperiphe-
Scheibchen. Die Frage, die sich nun rie. Die Fovea centralis befindet sich
stellt, ist, ab wann die Beugung zum genau in der Blicklinie, so daß ein
begrenzenden Faktor für die De- Objekt welches wir direkt fixieren,
tailwiedergabe, also die Auflösung, exakt auf sie fällt. Der Blinde Fleck
wird. Dazu ist zunächst einmal zu ist jener Ort, an dem der Sehnerv die
betrachten, ab wann der Mensch die Netzhaut verlässt und die Netzhaut-
Beugungsscheibchen als getrennte peripherie bezeichnet die verblei-
Punkte wahrnimmt. Diese Untersu- bende Fläche der Retina.
chung wurde 1879 von Lord Rayleigh Aus der Abb. 6-7 können wir her-
durchgeführt und veröffentlicht. Sie auslesen, daß der Blinde Fleck als
zeigt, daß die Intensität des Bereiches einzige Stelle völlig frei von Photore-
zwischen zwei Airy-Scheibchen auf zeptoren beider Arten ist und sich die
81% der Maximalintensität abgefallen für das Nachtsehen verantwortlichen
sein muss, damit die Scheibchen mit Stäbchenzellen mit von innen nach
dem Auge als getrennt wahrgenom- außen abnehmender Anzahl über die

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Das Auflösungsvermögen des visuellen Systems
Die Anordnung der Photorezeptoren auf der Netzhaut

Netzhaut verteilen. Sie erreichen ihre


größte Dichte in einem Kreis von 20°
um die Fovea und sorgen so für eine
auch bei geringer Beleuchtungsstär-
ke ausreichende optische Auflösung.
Über die anschließende erste Häl�e
der Netzhaut bleibt die Anzahl der
Stäbchen dann relativ konstant hoch,
bevor sie zum Rand hin deutlich
abnimmt. Die für das farbige Tagse-
hen zuständigen Zapfenzellen kon-
zentrieren sich in auffälliger Weise
in der Fovea centralis und sind ab
einer Position von 10° in gleichblei-
bender Anzahl über die Netzhaut-
peripherie verteilt. Daraus können
wir einen wichtigen Zusammenhang
ableiten, denn wenn Sie einmal den
Blick heben und ein Objekt in Ihrer
Umgebung fixieren, stellen Sie si-
cher fest, daß Sie dies klar und deut-
lich und scharf wahrnehmen, diese Abb. 6-7: Verteilung der Photorezeptoren auf der Netzhaut (1)
Deutlichkeit und Schärfe aber zum
Rand des Gesichtsfeldes hin rapi- Betrachtung unseres visuellen Auflö-
de abnimmt. Diese Verteilung des sungsvermögens ganz auf die Zapfen
Schärfeeindrucks korrespondiert mit beschränken.
der Verteilung der Photorezeptoren, Der lichtempfindliche Durchmes-
wie wir sie gerade herausgearbeitet ser eines Zapfens beträgt rund 1,5 µm
haben und sagt uns unmissverständ- und der Abstand zwischen den Zen-
lich, daß die große Anzahl Zapfenre- tren zweier Zapfen liegt bei circa 2,5
zeptoren in der Fovea centralis, auf µm. Dieser außerordentlich geringe
die ein direkt fixiertes Objekt fällt, Abstand wird erreicht, weil die Fo-
für unseren schärfsten Seheindruck vea ausschließlich mit den besonders
verantwortlich sein muss. Aus die- schlanken M- und L-Zapfen bestückt
sem Grund wollen wir die folgende ist, die für den mi�elwelligen- bzw.

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Visuelle Schärfe

Abb. 6-8: Die Buchstabengrößen verdeutlichen, wie sehr unser Auflösungsvermögen


vom Sehzentrum zur Peripherie hin nachläßt

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Das Auflösungsvermögen des visuellen Systems
Die Anordnung der Photorezeptoren auf der Netzhaut

langwelligen Teil des Spektrums quellen auf der Netzhaut mindestens


empfindlich sind. Der Grund dafür 4 µm auseinander liegen müssen,
liegt in den Problemen, die die chro- um aufgelöst zu werden. Auf dieser
matische Aberration mit sich bringt Strecke befinden sich aufgrund ihrer
(siehe „Helligkeit und Farbe – Unse- eingangs festgestellten Größe drei
re Vorliebe für die warmen Farben“). Zapfenrezeptoren und dies ist gera-
Die geringfügig breiteren K-Zapfen, de genug, um zwei Lichtquellen und
deren Sensibilität auf das kurzwelli-
ge Spektrum beschränkt ist, und na- Der Radiant (Einheitenzeichen rad) dient
türlich auch die Stäbchenzellen feh- zur Angabe der Größe eines ebenen Win-
len hier ganz. kels. Er ist eine abgeleitete Einheit im SI-
Das durch die Anordnung der
Photorezeptoren in der Fovea defi- Einheitensystem. Der ebene Winkel von 1
nierte Auflösungsvermögen errech- Radiant umschließt auf der Umfangslinie
nen wir wie folgt: Die Brennweite eines Kreises mit 1 Meter Radius einen
des Auges beträgt ziemlich genau 25
mm. Wir dividieren den Rezeptorab- Bogen der Länge 1 Meter. Der Vollwinkel
stand von 2,5 µm durch diese 25 mm umfasst 2π Radiant:
und erhalten den Wert von 100 Mi- 1 Vollwinkel = 2 π rad.
kroradiant (=0,0001 Radiant). Auf ei-
nen Radiant entfallen (180/pi)*3600 =
(Deutsche Wikipedia)
206264,81 Bogensekunden. Wir mul-
tiplizieren diesen Wert mit 0,0001 Ra- das dunkle Stück zwischen ihnen zu
diant und erhalten 20,626481 Bogen- erkennen. Eine größere Anzahl Zap-
sekunden = 0,3437746 Bogenminuten fen ist unnötig, da diese zwar mehr
= 0,0057295 Grad. Dieser Wert ist nur Einzelheiten des Beugungsmusters,
halb so groß, wie das durch das Ray- aber nicht der Lichtquellen auflö-
leigh-Kriterium vorgegebene theo- sen würden. Umgekehrt würde eine
retische Maximum und ein weiterer geringere Anzahl Zapfen nicht die
Vergleich zeigt, daß mehr tatsächlich im Netzhautbild enthaltenen De-
nicht geht. Denn wenn wir die theore- tails auflösen. Damit ist die Struktur
tisch maximal erreichbare Auflösung der Netzhaut nahezu perfekt an das
von αGrenz = 0,0105° zugrunde legen, theoretisch maximal erreichbare Auf-
bedeutet dies, daß die Beugungs- lösungsvermögen angepasst.
bilder zweier punktförmiger Licht-

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Visuelle Schärfe

Die neuronale Verschaltung rücksichtigung der Tatsache, daß viele


der Photorezeptoren Zapfenzellen der Sehgrube exklusiv
Neben ihrer Verteilung auf der mit einer Ganglienzelle verschaltet
Netzhaut unterscheiden sich die Pho- sind, noch größer.
torezeptoren auch in ihrer Verschal- Abb. 6-9 illustriert den praktischen
tung mit den nachfolgenden Neuro- Effekt der Konvergenz. Aus der Er-
nen und auch dies hat Einfluss auf die regung der zwei Stäbchenrezeptoren
Sehschärfe. Von vorn nach hinten wird und der Reizantwort der Ganglien-
die Signalmenge der rund 120 Millio- zelle, in der sie gemeinsam mit drei
nen Photorezeptoren stufenweise ver- anderen zusammenlaufen, kann das
ringert und auf die 1 Million Ganglien- visuelle System unmöglich auf das
zellen zusammengeführt, deren Ver- tatsächliche Vorhandensein von zwei
längerung als Sehnerv aus dem Auge getrennten Lichtreizen schließen. Die
hinaus führt. Dabei laufen aufgrund Zapfenrezeptoren der Fovea centralis
der größeren Menge durchschni�lich sind dagegen exklusiv mit jeweils ei-
120 Stäbchen, aber nur sechs Zapfen ner Ganglienzelle verbunden und des-
in je einer Ganglienzelle zusammen. halb wird die Reizantwort von zwei
Diese Diskrepanz wird unter der Be- separaten Rezeptoren auch als solche
wahrgenommen.

Die Qualität der


Augenoptik
Damit überhaupt ein scharfes Bild
auf der Netzhaut entstehen kann, müs-
sen die lichtbrechenden Einheiten des
Auges perfekt zusammenspielen. Dies
sind Hornhaut und Linse. Ihre Auf-
Abb. 6-9: Neuronale Verschaltung u. Sehschärfe. gabe ist es, die aus unterschiedlichen
In diesem Fall wirkt sich die große Konvergenz Winkeln eintreffenden Lichtstrahlen
der Stäbchen negativ aus, denn die Reizreakti- zu bündeln und so zu brechen, daß
on der einen Stäbchenganglienzelle gibt keinen sie sich nicht einfach geradeaus weiter
Hinweis auf die erregenden zwei Lichtpunkte. fortsetzen, sondern in der Fovea cen-
Die exklusive Verschaltung der Zapfen ist hier tralis zusammentreffen. Die in Dioptri-
im Vorteil und erhöht deren Fähigkeit zur räum- en (dpt, der Kehrwert der Brennweite
lichen Auflösung. dpt=1/f) angegebene Brechkra� beträgt

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Das Auflösungsvermögen des visuellen Systems
Neuronale Verschaltung, Qualität der Augenoptik

für die Hornhaut etwa 43 dpt und für muss die Linse ihre Form an die jewei-
die Linse ungefähr 19 dpt. Daraus er- lige Entfernung anpassen. Dieser Vor-
gibt sich für das normalsichtige Auge gang wird Akkomodation genannt.
eine Gesamtbrechkra� von 65 Dioptri- Zwischen dem 40. und dem 50. Le-
en. Wird diese Brechkra� krankheits- bensjahr verliert die Linse bei vielen
bedingt unter- oder überschri�en, ist Menschen langsam an der dazu not-
das Netzhautbild nicht scharf definiert wendigen Elastizität und dieser nor-
und mit dieser Unschärfe sinkt das male Alterungsprozess wird Alters-
Auflösungsvermögen des visuellen sichtigkeit oder Presbyopie genannt.
Systems. Die häufigsten Augenkrank- Muss sich die Linse sehr stark auf kur-
heiten, die dies nach sich ziehen, sind ze Entfernungen einstellen, weil wir
im Folgenden kurz skizziert. z.B. viel Lesen, so kann es passieren,
Weist die Linse eine zu geringe daß sich die Sehschärfe den Tag über
Brechkra� auf oder ist der Augapfel verringert, weil sich die Akkomodati-
zu kurz, so entsteht das scharfe Bild on aufgrund der mangelnden Elastizi-
im Auge erst hinter der Netzhaut. Dies tät erst über Nacht wieder vollständig
wird als Weitsichtigkeit oder Hypero- löst. In diesem Fall wird die Sehschärfe
pie bezeichnet. Das jugendliche Auge für Entferntes am Morgen, nach dem
kann dies sehr lange Zeit durch eine Aufwachen, besser sein als am Abend.
verstärkte Naheinstellung (Akkomo- Natürlich kann auch der umgekehrte
dation) ausgleichen. Um aber den Fall vorkommen, in dem sich die Seh-
durch diese Überanstrengung hervor- schärfe für Nahes durch die Alterssich-
gerufenen Augen- und Kopfschmerzen tigkeit über den Tag verschlechtert. In
vorzubeugen, wird die Weitsichtigkeit beiden Fällen leistet eine Lese- bzw.
durch eine Brille oder Kontaktlinsen Weitsehbrille gute Dienste.
korrigiert. Stabsichtigkeit bzw. Astigmatis-
Ist der Augapfel umgekehrt zu lang mus ist eine Augenkrankheit, die durch
oder die Brechkra� der Linse zu hoch, eine unregelmäßige Hornhautkrüm-
so spricht man von Kurzsichtigkeit mung zustande kommt. Diese kann
oder Myopie und das scharfe Bild ent- wiederum angeboren sein oder durch
steht im Auge vor der Netzhaut. Auch Narben nach Hornhautverletzungen
diese Fehlsichtigkeit wird mit einer entstehen. In jedem Fall führt sie dazu,
Sehhilfe korrigiert. daß die ins Auge fallenden Lichtstrah-
Damit wir entfernte und nahe Ge- len nicht in einem Punkt auf der Netz-
genstände scharf auffassen können, haut gebündelt werden können. Aus

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Visuelle Schärfe

diesem Grund wird ein Punkt nicht als ße ihrer Öffnung zwischen 2 mm und
Punkt, sondern als verschwommene 8 mm regulieren und die einfallende
Linie (Stab) wahrgenommen. Abhilfe Lichtmenge damit um den Faktor 16
scha� eine Brille mit Zylindergläsern reduzieren oder erhöhen (zum Ver-
oder formstabile Kontaktlinsen. gleich: Die Umfeldleuchtdichten kön-
Die Trübung der Augenlinse (Ka- nen sich bei Tag – maximal 105 Cande-
tarakt oder Grauer Star) ist zu 90% la/m2 – und bei Nacht – minimal 10-5
eine Alterserscheinung, kann aber Candela/m2 – etwa um den Faktor 1010
auch nach Augenverletzungen, Strah- unterscheiden). Erst nach der Sofort-
leneinwirkung, als Medikamenten- einstellung durch die Pupille gewöh-
nebenwirkung, bei Diabetes mellitus nen sich die Sinneszellen der Netzhaut
oder angeboren nach einer vorgeburt- an die veränderte Leuchtdichte. Ne-
lichen Infektion (z.B. Röteln) au�reten. ben der Regulierung der Lichtmenge
Symptome sind langsam zunehmende weist die Irisblende noch eine weitere
Sehstörungen und starke Blendungs- Analogie zur Kamerablende auf. Ihre
erscheinungen. Außerdem geben die Verengung vergrößert beim Nahsehen
Betroffenen im fortgeschri�enen Sta- die Schärfentiefe. Damit ergeben sich
dium an, wie durch ein Milchglas zu erheblich schärfere Netzhautbilder
sehen. Häufigste Therapie ist die Ope- und dies ist beim Tagsehen beson-
ration in örtlicher Betäubung. ders wichtig. Die Öffnungsgröße ist
der springende Punkt, denn von ihr
Die Helligkeit hängt, wie im Abschni� zur Beugung
Die Helligkeit beeinflusst das Auf- angesprochen, das theoretisch maxi-
lösungsvermögen des visuellen Sy- mal erreichbare Auflösungsvermögen
stems gleich in mehrfacher Hinsicht. ab. Nun gilt aber in der Praxis nicht
Zunächst betri� sie die Pupillengrö- der aus diesem Abschni� abzuleiten-
ße. Dies ist die freie Öffnung des un- de Zusammenhang „größere Pupille
mi�elbar vor der Augenlinse befindli- gleich größeres Auflösungsvermögen“,
chen Iris-Muskels. Da die ganz hinten denn der mit zunehmender Helligkeit
im Auge gelegene Netzhaut, auf der abnehmende Pupillendurchmesser
sich das gesehene Bild abbildet, nur reduziert die dem Auge innewohnen-
langsam an Änderungen der Leucht- den optischen Abbildungsfehler. Ganz
dichte anpaßt, kommt der Pupille die so, wie das Abblenden des Objektivs
Schutzfunktion einer schnell schlie- in der Photographie. Aus dieser dop-
ßenden Blende zu. Sie kann die Grö- pelten Wirkung müssen wir eine Art

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Das Auflösungsvermögen des visuellen Systems
Die Helligkeit

fenrezeptoren sehen. Die für das Farb-


sehen und die höchste Auflösung ver-
antwortlichen Zapfen sind beim me-
sopischen Sehen in der Dämmerung
und beim photopischen Sehen am Tag
aktiv, also bei Leuchtdichten zwischen
0,01 cd/m2 und 100 000 000 cd/m².
Darunter arbeiten die viel geringer
auflösenden Stäbchen. Im Hinblick auf
Abb. 6-10: Sehschärfe und Helligkeit die Auflösung ist der weite Bereich der
Grau markiert ist der Streubereich für Beob- Zapfen-Adaptationsstufe nur bis zu 10
achter im Alter zwischen 25 und 50 Jahren 000 cd/m2 optimal, so daß das Auflö-
sungsvermögen oberhalb dieses Werts
„Mischkalkulation“ aufmachen und blendungsbedingt wieder abfällt.
einen Kompromiss zwischen den Beu- Zwischen diesen beiden Punkten,
gungsfehlern bei kleinen Öffnungen im Bereich mi�lerer Helligkeit, ver-
und den Aberrationsfehlern bei großen hält sich das Auflösungsvermögen
Öffnungen eingehen. Für den großen nahezu linear zur Lichtintensität,
Durchschni� normalsichtiger Augen d.h. die Sehschärfe fällt proportional
kommt dabei heraus, daß eine mi�le- mit der Helligkeit ab, wie Abb. 6-10
re Pupillengröße von 3 mm bis 5 mm zeigt. Für dies Verhalten gibt es zwei
Durchmesser (entsprechen 7 mm² bis unterschiedliche Erklärungsansätze.
20 mm² Pupillenfläche) die geringsten Der Erste ist, daß innerhalb der Re-
Nachteile für das Auflösungsvermö- zeptorpopulation unterschiedliche
gen mit sich bringt. Diese Werte wer- Empfindlichkeiten vorkommen, die
den altersabhängig bei Leuchtdichten zufällig über die Retina verteilt sind.
zwischen 150 und 300 cd/m2 erreicht, Bei geringen Umgebungshelligkeiten
was ungefähr jener Helligkeit ent- sollen nur die dafür empfindlichen
spricht, die wir zum bequemen Lesen Rezeptoren aktiv sein, während hö-
bzw. zur Erledigung präziser Arbeiten here Helligkeitswerte alle Sehzellen
in geschlossenen Räumen benötigen. ansprechen und so für die beobachte-
Die Umgebungshelligkeit entschei- te hohe Auflösung sorgen. Der zwei-
det auch über den Adaptationszu- te Ansatz geht davon aus, daß die
stand des visuellen Systems. Ob wir Wahrscheinlichkeit ein Lichtquant
also mit den Stäbchen- oder den Zap- einzufangen bei geringer Helligkeit

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Visuelle Schärfe

in der Netzhautperipherie aufgrund im vergleichsweise kleinen Punkt des


größerer Fläche und größerer räum- schärfsten Sehens sitzenden Rezepto-
licher Summation am höchsten ist. ren mehr Lich�eilchen ein und sorgen
Da die Photorezeptoren in diesem mit ihrer hohen Dichte auch für hohes
Bereich aber spärlich vertreten sind, Auflösungsvermögen.
ist die Auflösung gering. Mit zuneh-
mender Helligkeit fangen auch die Der Kontrast
Der Kontrast spielt eine große
Rolle für die Fähigkeit des visuellen
Systems feine Details voneinander zu
unterscheiden, denn dies ist nur mög-
lich, wenn der Helligkeitsunterschied
zwischen ihnen ein gewisses Mindest-
maß erreicht. Sein maximales Auflö-
sungsvermögen schöp� das visuelle
System folgerichtig nur aus, wenn die
Vorlage den höchstmöglichen Kon-
trast zwischen Schwarz und Weiß
aufweist, weil seine Kontrastemp-
Abb. 6-11: Sinusgittermuster findlichkeit im farbenblinden Wo-Ka-
nal am größten ist (siehe „Entstehung
des wahrgenommenen Bildes – Kate-
gorisierung der Informationen“). Da
wir im Alltag häufig Objekte wahr-
nehmen, die A) einen weit geringeren
Kontrast zu ihrem Hintergrund auf-
weisen der B) zudem auch noch stark
schwankt, interessiert uns natürlich,
wie sich das Auflösungsvermögen
verändert, wenn der Kontrast von
diesem Maximalwert aus reduziert
wird. Um dies herauszufinden, nutzt
man Gi�ermuster aus abwechselnd
schwarzen und weißen Linien mit un-
Abb. 6-12: Sinusförmige Helligkeitsverläufe terschiedlicher Anzahl Linienpaaren

Auszug aus dem Buchtitel Visuelle Wahrnehmung


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