Sie sind auf Seite 1von 4

120 Politische Dichtung

Hg. v. Joseph A. Kruse u. a. Stuttgart 1999, dium, durch das Literatur mittels ihrer
S. 57⫺70. ⫺ Franz Josef Worstbrock, Helmut Schreibverfahren eine Form prägt, die in
Koopmann (Hg.): Formen und Formgeschichte der literarischen Kommunikation als politi-
des Streitens. Tübingen 1986. sche wiedererkannt werden kann (D Wir-
Sigurd Paul Scheichl kung).
WortG: Politisch, dem lat. politicus nachge-
bildet, ist dt. erst für die 2. Hälfte des
16. Jhs. belegt, bei Fischart bereits nahe
Politische Dichtung dem heutigen Gebrauch (DWb 13, 1980).
Aus einem öffentlichen Engagement entste- Die Wortverbindung mit Dichtung (auch:
hende literarische Werke und Genres. Literatur, Poesie, Lied) ist dagegen deutlich
jünger. Spätestens mit dem Jungen Deutsch-
Expl: (1) In einem naiv-klassifikatorischen land (D Vormärz) hat sich die Kombination
Sinne bezeichnet Politische Dichtung jede Politische Dichtung endgültig durchgesetzt
Literatur, die sich ihrem Stoff nach auf poli- (z. B. Hoffmann v. Fallersleben: ,Politische
tische Sachverhalte ⫺ z. B. Kolonialismus, Gedichte aus der deutschen Vorzeit‘, 1843).
Patriotismus, soziale Spannungen ⫺ be- Obwohl es in den vergangenen Jahrzehnten
zieht. vor allem im Westen Deutschlands konkur-
(2) Aus der Sicht der Politik handelt es rierende Bezeichnungen für die Verbindung
sich bei der Politischen Dichtung um ein von Literatur und Politik gegeben hat ⫺
Mittel der Progaganda: Die Literatur offe- z. B. DEngagierte Literatur, operative (Hahn)
riert dem politischen System nach der Leit- oder oppositionelle Literatur (Ogan) ⫺, hält
unterscheidung ,affirmativ vs. kritisch‘ ei- sich die Wortkombination Politische Dich-
nen in der Arena realer Auseinandersetzun- tung bzw. Literatur als allgemeinste Be-
gen verwertbaren Textfundus, bis hin zu ex- zeichnung für eine politisch intendierte bzw.
plizit agitatorischen Werken und Genres politisch gelesene Literatur.
(D Agitprop).
(3) Im allgemeinen Verständnis gilt eine BegrG: In einem unterscheidenden Sinn
politische Funktion von Dichtung als ge- von Politischer Dichtung zu sprechen, wird
nuine Möglichkeit literarischer Produktion erst sinnvoll, seitdem Literatur und Kunst
und ist darin vergleichbar mit anderen, z. B. als in der Regel frei von heteronomen
das Bildende oder das Ästhetische heraus- Zwecken betrachtet werden, d. h. seit dem
stellenden literarischen D Funktionen; sie ist letzten Drittel des 18. Jhs. (D Autonomie).
ein Modus der Aufmerksamkeits-Generie- Ältere Literatur kann deshalb nur im Rück-
rung im literarischen Diskurs. Ein Maxi- blick und nur klassifikatorisch im Sinne
mum ist dort erreicht, wo die Politische von (1) und (2) als Politische Dichtung be-
Dichtung ⫺ wie in der D DDR-Literatur ⫺ zeichnet werden (vgl. U. Müller). Program-
zu einer von staatlichen Agenturen vorge- matisch wird der Terminus seit Mitte des
tragenen, normativen Vorgabe für die ge- 19. Jhs. eingesetzt.
samte Institution Literatur avanciert. In dessen 2. Hälfte bildet sich auch in
(4) ,Politische Dichtung‘ fungiert im bür- Deutschland ein politisch-ästhetischer Dis-
gerlichen Sozialsystem der Literatur als ne- kurs, der es ermöglicht, Sachverhalte der
gative Identitätsformel. Literarische ,Kunst‘ Literatur ⫺ einen Stil, ein Sujet ⫺ als reak-
kann es nur dort geben, wo die Differenz tionär, fortschrittlich, revolutionär etc. zu be-
zum Politischen, ja zu jedem unmittelbaren zeichnen (vgl. Haskell). Einen Höhepunkt
Gesellschaftsbezug, Grundlage ist. Litera- erreicht diese Durchdringung von ästheti-
tur, sofern sie Kunst sein soll, erscheint so schem und politischem Vokabular bei den
als Reich der Freiheit, aus dem alle Zumu- historischen D Avantgarden. Die Vermen-
tungen und Interessen des Politischen aus- gung von Politik und Kunst erreicht den
geschlossen sind. Status eines Gemeinplatzes.
(5) Aus der Sicht einer Poetik der Politi- Eine weitere Eigentümlichkeit ist die
schen Dichtung sind Stoffe nur das Me- zweifache Wertigkeit des Begriffs. Nicht

Unauthenticated
Download Date | 6/19/16 7:20 PM
Politische Dichtung 121

minder stark als die Forderung nach einer staatstragende oder affirmative Literatur
politischen Literatur ist von Anfang an (z. B. das D Vaterländische Schauspiel) als
auch deren Ablehnung. Die Kritik hat sich bloße D Ideologie ausgegrenzt wird.
lange aus der Vorstellung gespeist, wonach Francis Haskell: Die Kunst und die Sprache der
Politik ein machiavellistisches Geschäft sei Politik. In: F. H.: Wandel der Kunst in Stil und
und so aufgrund ihrer moralisch dubiosen Geschmack [1987]. Köln 1990, S. 122⫺138.
Qualität kein geeignetes Feld für die Litera-
SachG: Solange Literatur i. e. S. nicht von
tur sein könne. Als autoritativer Beleg gilt religiösen, moraldidaktischen, wissensver-
,Faust I‘, v. 2092⫺2096, wo das politische mittelnden, rechtlichen etc. Diskursen abge-
Gedicht als „garstig Lied“ bezeichnet wird. grenzt war, zählten politische Aussagen zu
Eine weiteres Motiv ist die Vorstellung, daß ihren selbstverständlichen Aufgaben. In
die Literatur eigentlich nach ,innen‘, auf Mittelalter und Früher Neuzeit können
das bildungsfähige Individuum hin wirke. D Sangspruch, D Traktat, D Predigt, D Pan-
Politische Wirkung kommt der Literatur egyriken, D Fabel2, Lieder etc. politische In-
danach erst dann zu, wenn sich die literari- halte verbreiten und politisch instrumentali-
sche Bildung einmal gesellschaftsweit reali- siert werden.
siert haben wird. Nicht zuletzt wird die Poli- Es entstehen Formen der Darstellung,
tische Dichtung seit den 1840er Jahren die eine rhetorisch besonders erfolgreiche
(D Realismus2) mit dem Negativbegriff ei- Ansprache des Publikums erlauben, von
ner bloßen ,Tendenzliteratur‘ abgewertet Lehrdichtung über D Flugblatt, Pamphlet
(Tendenz, D Parteilichkeit). Literatur, die (D Polemik), D Manifest bis hin zur öffentli-
sich offen zur Parteinahme bekennt, ver- chen Rede. Hinzu kommen Schreibverfah-
stößt gegen die normativ gesetzte autonome ren, die es ermöglichen, den Gegner in der
Kunst und wird als bloß rhetorische bzw. Auseinandersetzung auch und gerade mit
agitatorische Unternehmung ausgegrenzt. seinen Texten zu unterlaufen, wie D Kontra-
Über das 20. Jh. gesehen ist das Phänomen faktur, D Parodie, D Travestie oder D Sa-
einer Politischen Dichtung noch weiter ver- tire. Insofern hat sich ein Arsenal an Gat-
breitet als sein Begriff. So war in den sozia- tungen, rhetorischen Mitteln und Schreib-
listischen Staaten Literatur stets auch poli- weisen angesammelt, das als Traditionsbe-
tisch (D Sozialistischer Realismus), während stand der neueren politischen Literatur zur
die Literaturkritik der D Kritischen Theorie Verfügung steht.
eine politische Funktion von Literatur kon- Eine durchlaufende, auf gesellschaftliche
zipiert hatte, die dort ⫺ und nur dort ⫺ oder weltanschauliche Postulate hin deut-
sich realisieren sollte, wo Literatur auf ex- bare Geschichte der Politischen Dichtung
plizite Stellungnahme zu den politischen gibt es nicht. Konstatieren lassen sich nur
Verhältnissen verzichtet und allein kraft der historische Konjunkturen, in denen sie in
Autonomie des Ästhetischen Widerstand der jeweiligen literarischen Kommunikation
gegen eine deformierte Gesellschaft leistet. prominent ist. Literarische Epochen erwei-
Präzise Eingrenzungen ,Politischer Dich- sen sich so als historisch je spezifische Are-
tung‘ fallen der Literaturwissenschaft schwer. nen, in denen auch die Literatur in die poli-
Engere Konzepte von ,Politischer Dich- tische Auseinandersetzung einbezogen wird.
tung‘ stützen sich vor allem auf eine (1) ex- Ihre Lesbarkeit als Politische Dichtung
plizite oder explizierbare Intention oder hängt maßgeblich von der Rekonstruktion
Parteinahme des Autors, (2) eine spezifi- dieser agonalen Kontexte ab (D Jakobinis-
sche, auf öffentlichen Erfolg ausgerichtete mus, D Restauration, D Vormärz, D Natura-
Kommunikationspragmatik sowie (3) das lismus, D Neue Sachlichkeit etc.). Das gilt
Verhältnis zu bestehenden Formen politi- auch für Brecht und sein D Episches Thea-
scher Herrschaft: Den Titel Politische Dich- ter: Sein Gegenstand ist die politische Welt
tung verdient dann nur eine Literatur, die als marxistisch gedeutete ,antagonistische‘
kritisch, subversiv, oppositionell oder prin- Gesellschaft, seine Form ist ein Appell an
zipiell widerständig ist, während eine pan- den revolutionären Veränderungswillen des
egyrische (D Panegyrikus), patriotische, Publikums.

Unauthenticated
Download Date | 6/19/16 7:20 PM
122 Politische Dichtung

Politische Dichtung ist dort, wo in der tung. 8 Bde. Leipzig 1930⫺1934. ⫺ Jan-Pieter
literarischen Kommunikation die Verbin- Barbian: Literaturpolitik im ,Dritten Reich‘.
dung von Politik und Literatur (als Kunst) München 1995. ⫺ Bertolt Brecht: Über Politik
für grundsätzlich problematisch, jedoch auf dem Theater. Frankfurt 1971. ⫺ Hildegard
Brenner: Die Kunstpolitik des Nationalsozialis-
nicht für unmöglich gehalten wird, ein An- mus. Reinbek 1963. ⫺ Klaus Briegleb: 1968. Lite-
stoß zu Kreativität und Innovation. Politi- ratur in der antiautoritären Bewegung. Frankfurt
scher Gehalt bei durchgehaltenem Sonder- 1993. ⫺ Friedrich Eberle, Theo Stammen (Hg.):
status als Kunst verlangt einfallsreiche lite- Die Französische Revolution in Deutschland.
rarische Schreibweisen, eine anspruchsvolle Stuttgart 1989. ⫺ Hans Magnus Enzensberger:
Literaturkritik, eine für diese komplexe Einzelheiten II. Poesie und Politik. Frankfurt
Problemlage sensible Literaturwissenschaft 1962. ⫺ H. M. E.: Gemeinplätze, die Neueste Li-
sowie einen interessierten Leser. teratur betreffend. In: Kursbuch 15 (1968),
S. 187⫺197. ⫺ Walter Fähnders, Martin Rector
ForschG: Ein beträchtlicher Teil der For- (Hg.): Literatur im Klassenkampf. München
schung hat aus emphatischer Nähe zum Ge- 1971. ⫺ Charles I. Glicksberg: The literature of
genstand sich gleichfalls in die jeweiligen commitment. Lewisburg 1976. ⫺ Rainald Goetz
u. a.: Schlagabtausch. In: Texte zur Kunst 2 (Ok-
Arenen der Auseinandersetzung hineinzie-
tober 1992), S. 57⫺75. ⫺ Hans Günther: Die
hen lassen. Aber auch neutralere Forschun- Verstaatlichung der Literatur. Stuttgart 1984. ⫺
gen sind den Eigentümlichkeiten des Ge- Ulla Hahn: Literatur in der Aktion. Wiesbaden
genstands erlegen. In sozialwissenschaft- 1978. ⫺ Martin Huber: Politisierung der Litera-
licher Manier ist die Politische Dichtung tur ⫺ Ästhetisierung der Politik. Frankfurt u. a.
meist in rein thematischen Lektüren analy- 1992. ⫺ Inge Jens: Dichter zwischen rechts und
siert und so auch nur nach den jeweiligen links. München 1971. ⫺ Erich Kleinschmidt: An-
Haltungen, Positionen, Tendenzen oder spruch und Krise einer ,politischen‘ Literaturäs-
Programmen aufgeschlüsselt worden. Ge- thetik in der ,Moderne‘. In: Carl-Einstein-Kollo-
quium 1994. Hg. v. Klaus H. Kiefer. Frankfurt
genwärtig brechen sowohl die systemtheo- u. a. 1994, S. 15⫺27. ⫺ Norbert Kron u. a.: Das
retische als auch die rhetorikgestützte de- Medium schlägt zurück. Bausteine einer neuen
konstruktive Literaturwissenschaft mit die- Theorie politischer Literatur. In: Konzepte 9
sen andauernden Schwächen der For- (1993), S. 1, 7⫺20. ⫺ Wolfgang Kuttenkeuler
schung. So kann die D Systemtheorie als (Hg.): Poesie und Politik. Stuttgart u. a. 1973. ⫺
weltanschaulich neutral gedachte Theorie Georg Lukács: Essays über Realismus. Berlin
einmal die Ansteckung durch das Phäno- 1948. ⫺ Manuskripte. Zs. für Literatur 32 (De-
men vermeiden; zum anderen kann sie die zember 1992). ⫺ Werner Mittenzwei: Marxismus
und Realismus. Die Brecht-Lukács-Debatte. In:
Antinomie von Politik und Literatur als Das Argument 10 (1968), S. 12⫺42. ⫺ Deryk J.
Kunst in ihren eigenen Grundbegriffen re- Mossop: Pure poetry. Studies in French poetic
formulieren. Langfristiges Ziel ist eine theory and practice 1746 to 1945. Oxford 1971.
Funktionsgeschichte Politischer Dichtung. ⫺ Ulrich Müller: Untersuchungen zur politischen
Vor allem aus der D Dekonstruktion heraus Lyrik des deutschen Mittelalters. Göppingen
wird die Kritik an bloß thematischen Lek- 1974. ⫺ Bernd Ogan (Hg.): Formen oppositionel-
türen formuliert. Statt weiter eine außerlite- ler Literatur in Deutschland. Stuttgart 1975. ⫺
Helmut Peitsch: ,Engagement/Tendenz/Partei-
rarische Realität direkt mit Texten zu ver- lichkeit‘. In: Ästhetische Grundbegriffe. Hg. v.
rechnen, fragt sie nach den rhetorischen Karlheinz Barck. Bd. 2. Stuttgart, Weimar 2001,
Strategien, die ein Text gebraucht, um sol- S. 178⫺222. ⫺ Robert E. Prutz: Die politische
che Effekte erzielen zu können, die dann in Poesie der Deutschen. Leipzig 1845. ⫺ Hans-J.
der literarischen Kommunikation als politi- Schmitt (Hg.): Die Expressionismusdebatte.
sche Literatur virulent werden. Frankfurt 1973. ⫺ Stephen Spender: Writers and
politics. In: Partisan Review 34 (1967), S. 359⫺
Lit: Theodor W. Adorno: Rede über Lyrik und 381. ⫺ Ingo Stöckmann: Die Politik der Litera-
Gesellschaft. In: T. W. A.: Noten zur Literatur I. tur. In: Beobachtungen der Literatur. Hg. v. Ger-
Frankfurt 1958, S. 73⫺104. ⫺ T. W. A.: Engage- hard Plumpe und Niels Werber. Opladen 1995,
ment. In: T. W. A.: Noten zur Literatur III. S. 101⫺134. ⫺ Leo Trotzkij: Literatur und Revo-
Frankfurt 1965, S. 109⫺135. ⫺ Robert F. Ar- lution [1924]. Berlin 1968. ⫺ Hansjörg Viesel
nold, Ernst Volkmann (Hg.): Politische Dich- (Hg.): Literaten an der Wand. Frankfurt 1980.

Unauthenticated
Download Date | 6/19/16 7:20 PM
Pop-Literatur 123

⫺ Nikolaus Wegmann: Engagierte Literatur? In: slams‘ (D Stegreifdichtung) reicht. Span-


Systemtheorie der Literatur. Hg. v. Jürgen Fohr- nungserzeugende narrative Verfahren sind
mann und Harro Müller. München 1996, dagegen, im Unterschied zum ,Neuen Er-
S. 345⫺365. ⫺ Hans-Georg Werner: Geschichte zählen‘ und zur D Trivialliteratur, für Pop-
des politischen Gedichts in Deutschland von
1815 bis 1840. Berlin/DDR 1972. ⫺ Jürgen Wert-
Literatur eher untypisch. Obwohl ihre
heimer (Hg.): Von Poesie und Politik. Tübingen Autoren die beschriebenen Medien- und
1994. ⫺ Benno v. Wiese: Politische Dichtung Werbestrategien oft auch selbst bedienen,
Deutschlands. Berlin 1931. zielt Pop-Literatur nicht notwendig auf ein
Nikolaus Wegmann ganz breites Massenpublikum, eher auf eine
ausdifferenzierte Szene zwischen je aktuel-
len Modewellen des Entertainments und eli-
tären Zirkeln postmoderner Kunst (D Post-
Polyptoton D Wortspiel moderne). Verbreitete Publikationsformen
sind neben dem Buch auch D Videoclips,
Polysemie D Ambiguität CDs, Webseiten und Lese-Performances.
WortG/BegrG: Pop, Abkürzung von engl.
Polysyndeton D Periode popular ,beliebt‘, ,bekannt‘, ,volkstümlich‘
(aus lat. popularis, frz. populaire ,zum Volk
gehörig‘), konnotiert (über engl. to pop
Pop-Literatur ,knallen‘) alles, was ,knallt‘ (insbesondere
Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll; vgl. Chap-
Postmoderne Textsorte, die medial gepräg- man, 334 f.). Seit den 1960er Jahren ge-
ten Erwartungen der jugendlichen Massen- bräuchlich in Zusammensetzungen wie Pop-
kultur zu entsprechen sucht. musik (elektronisch verstärkte, medial mas-
Expl: Mit der Vokabel Pop-Literatur faßt senhaft rezipierte Musik) und Pop-Art
man literarische Formen zusammen, die sich (Kunst von Warhol, Lichtenstein u. a.), die
im Gegensatz zur Tradition an der Ästhetik populäre Ästhetik von Waren (D Warencha-
der kommerziellen Jugendkultur, Medien- rakter), von D Comics etc. beerbt (S. Sontag
und Warenwelt (Popul‰rkultur) orientiert hat 1964 solche Aneignungs-Strategien als
und archivierend, kritisch, ironisch und/ ,Camp‘ beschrieben).
oder affirmativ auf diese bezogen bleibt. Sie Fiedler macht 1968 den Ausdruck Pop-
adaptiert deren Vokabular (Markennamen, Literatur in Amerika und gleichzeitig in
Musiktitel) und thematisches Repertoire Deutschland bekannt (deutsche Debatte
(Fernsehserien, Popmusik, Prominente) und dokumentiert in Wittstock, 11⫺77). Er
repräsentiert, in Absetzung von der vergan- faßt darunter Autoren wie Vian, Mailer,
genheits- und problemorientierten D Nach- Vonnegut und Burroughs, die die „Über-
kriegsliteratur, inhaltlich die Alltags-, brückung der Kluft zwischen Elite- und
Jugend- und Gegenwartskultur seit den spä- Massenkultur“ leisten (Fiedler, 21). Der
ten 1960er, besonders aber seit den 1990er Begriff wird ferner für die amerikanischen
Jahren. Im Gegensatz zu einer an erschwe- ,Beat-Poets‘ (Ginsberg, Kerouac, Brauti-
renden D Avantgarde-Verfahren orientierten gan u. a.), D Underground-Literatur und in
E-Literatur strebt sie programmatisch einen Deutschland für daran orientierte 68er-
leicht konsumierbaren, eingängigen ,Sound‘ Autoren wie R. D. Brinkmann, H. Fichte,
an (Leitkunst: Popmusik), dessen Realisie- J. Fauser u. a. verwendet.
rung von bewußt kunstloser Prosa (Para- Um 1980 kommt es innerhalb der Pop-
taxe oder prädikatlos elliptische Reihungen, kultur zu einer Ausdifferenzierung, durch
sozial codierte Schlagwörter und Namen) die ,Pop‘ (jetzt im Gegensatz zu den Au-
über feuilletonistische Verfahren bis hin zu thentizitätsgesten von ,Rock‘, ,Punk‘ u. a.)
(an der Technik des Disc-Jockeys geschul- eine Konnotation gepflegter Künstlichkeit
ter) D Montage-Technik und den sponta- annimmt, die auch in Deutschland szene-
nen öffentlichen Kontesten der ,Poetry bildend wirkt (Bands wie ,Foyer des Arts‘

Unauthenticated
Download Date | 6/19/16 7:20 PM

Das könnte Ihnen auch gefallen