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Der Tod der Ostmoderne oder Die BRDigung des DDR-Untergrunds: Zur Lyrik Bert

Papenfuß-Goreks
Author(s): Erik Grimm
Source: Zeitschrift für Germanistik , 1991, Neue Folge, Vol. 1, No. 1 (1991), pp. 9-20
Published by: Peter Lang AG

Stable URL: https://www.jstor.org/stable/23975826

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Erik Grimm

Der Tod der Ostmoderne oder Die BRDigung des DDR-Untergrunds:


Zur Lyrik Bert Papenfuß-Goreks

Die Literatur der ehemaligen DDR ist, was die Erfassung ihrer geschichtlichen Entwicklung und
ihrer Ausdrucksformen für die 80er Jahre betrifft, noch eine Landkarte mit weißen Flecken. Dies
liegt vor allem daran, daß sich die bisherige westliche Kenntnisnahme von DDR-Autoren nur an
dem offiziellen Kanon des SED-Regimes oder an den Dissidenten ausrichten konnte. Mittlerweile
liegen von genauen Kennern der verborgenen DDR-Literaturszene überblickshafte Darstellungen1
vor, die einer literargeschichtlichen Bestandsaufnahme der sogenannten Samizdat-Literatur, also
inoffiziell und illegal publizierten Schriften, den Weg bereiten. Ich möchte jedoch im folgenden
weniger auf die äußeren, historiographischen Aspekte eingehen, sondern mich vielmehr auf die
Analyse einiger ausgewählter Gedichte eines Autors, nämlich Bert Papenfuß-Goreks2, beschrän
ken. Nur in aller Kürze soll der Hintergrund des in der Literatur thematisierten sozialen Wandels
umrissen werden, da die Texte des in Berlin-Ost lebenden Lyrikers das Ende einer kollektiv erfah
renen, schriftstellerischen Praxis in der DDR reflektieren.
Schon in seinem lyrischen Tagebuch arianrhod von der Überdosis3 (der rote Ariadnefaden
der Überbau-Basis) schrieb Bert Papenfuß am 25./26.3.1988 „zögernd nur, arianrhod, habe ich
mich an unser manifest gehalten/welches, nicht wahr, unklar genug war, es war nicht meine idee/
unumstößlich klingt sie aus, die ära des aktiven Wortspiels" (S. 113). Unter dem Datum 7.2.1988
findet sich die Bemerkung „der Untergrund ging unter, anstatt zur genüge zugrunde zu gehen"
(S.101) Die wortspielerischen Aussagen liefern einen Hinweis darauf, wie zu Beginn des Jahres
1988 die Befindlichkeit der jungen Engagierten in Berlin-Ost zwischen Ohnmacht und Weiter
machen pendelte, wobei sich der Lyriker zynisch von der .jungen opposition" absetzt. Papenfuß'
„Opposition" ist die radikale Selbstverwirklichung im Schreiben über sich selbst, im Aussprechen
der eigenen Sexualität, im rücksichtslosen Sprechen ohne Umschreibung: „pop, wenn man's ent
heikelt" (S. 104). Die Wende zu einer neuen existenziellen Position findet zwischen sozialem und
„sexuellem Engagement" des Autors statt, motiviert von der radikalen Ich-Aussprache: „es fällt
mir schwer genug, meine texte als meine eignen auszugeben" (S. 104).
Die ehemalige Untergrund-Literatur der Autoren des Prenzlauer Bergs (Berlin-Ost), die sich
als eine Lese- und Schreibgemeinschaft durch selbstverlegte Zeitschriften und durch Lesungen in
Wohnungen etabliert hatte, sieht sich einem rapiden Wandel ausgesetzt, der die eigene Existenz
grundlage betrifft. Viele Autoren werden zunehmend in die westliche, deutschsprachige literari
sche Öffentlichkeit eingebunden und können nun Ganzschriften publizieren, wodurch sie höhere,
verkaufsorientierte Honorare erhalten. Es sind vor allem die wettbewerbsorientierten Distribu
tionsagenturen wie Zeitung, Rundfunk oder die großen Verlage, die die Grundlage für neue kul
turelle Kontexte stiften. Die literarischen Ausdrucksformen der Autoren erleben dadurch rigorose
Veränderungen, was deren Funktionen, Inhalte und Formen betrifft. Die inoffizielle DDR-Litera
tur der 80er Jahre wird deregionalisiert, historisiert und ästhetisiert, so daß sie sich anstatt einer
halböffentlichen, solidarischen Kommunikationsgemeinschaft der anonymen und absatzstrategisch
angezielten Käuferschicht des Westens ausgesetzt sieht.
Der westliche Buchmarkt ersetzt die heimliche Ostberliner Leserschaft und konfrontiert die
Autoren plötzlich mit postmodernen Bedingungen. Zwischen DDR-Autor und Adressat rückt die
Marketingabteilung der Verlage, so daß für den Schreibenden ein neues Publikum entsteht, das
sich an den internationalen Standards hinsichtlich Buchdesign, Papierqualität, Vorwortjargon oder
Werbemethoden ausrichtet Diese neue Leserschaft goutiert und sammelt die Zeugnisse des ver

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meintlichen oder tatsächlichen Anti-Sozialismus, so daß der interne desideologisierte Charakter
der Ostmoderne erlischt. An dessen Stelle rückt nun der moralisch-politische Index „subversiv",
als kennzeichne man damit die ästhetische Gelungenheit der Werke.4
Eine adäquate Beurteilung der literarischen Texte der Schriftsteller des Prenzlauer Bergs
dürfte erst durch die strukturelle Betrachtung von Einzelwerken, unter besonderer Berücksichti
gung der DDR-spezifischen ästhetischen Möglichkeiten, zu gewinnen sein. Diese Blickrichtung ist
allerdings zum gewissen Teil literarhistorisch motiviert, indem nun die Literaten selbst ihre
Schreibweisen der 80er Jahre modifizieren; waren es zunächst die Ausreisen von Kollegen, die der
Solidarität der Gruppe zusetzten, so führte schließlich die Transformation der Kommunikations
verhältnisse seit der Vereinigung beider deutschen Staaten zu einer Haltung des Selbstzweifels.
„Was bleibt", um mit Christa Wolf zu sprechen, ist eine mittlerweile individualisierte Lite
ratur, die zwar noch mit einer topographischen DDR-Aura versehen wird, indes schon in Autoren,
Genres, Regionen zerlegt ist und mit den marktorientierten Qualitätsurteilen wie neuartig/ tradi
tionell oder subversiv/realsozialistisch einer wählerischen, anspruchsvollen Feuilletonkritik be
messen wird.
In den letzten Jahren fanden die jungen DDR-Autoren Zugang zu etablierten westlichen
Literaturzeitschriften mit deren jeweils spezifischen regionalen, stilistischen Ausrichtungen und
recht unterschiedlichen Auswahlkriterien. Ein Beispiel für diese Art der kulturellen Einbindung ist
das Sommerheft 1990 der österreichischen Literaturzeitschrift manuskripte, in dem nun Sascha
Anderson, Bert Papenfuß-Gorek und Heinz Czechowski veröffentlichten. Die Teilnahme an die
sem Forum für debütierende, noch wenig oder nur regional bekannte Autoren ist bemerkenswert,
da es seit seiner Entstehung die Entwicklung sprachbewußter, avantgardistischer Texte in Öster
reich entscheidend förderte. Die Grazer Autorengruppe hatte in den 60er Jahren unter verstockten
kulturellen Bedingungen anti-traditionelle, sprachbezogene ästhetische Positionen etabliert. Wie
die jungen Schriftsteller in der ostdeutschen Hauptstadt versuchten sie, etwa in Form neodadaisti
scher Aufführungen5, ein innovationsfreudiges Umfeld in der Steiermark zu schaffen. Ein ähnli
cher Hintergrund für eine kreative Literatur existiert(e), neben anderen Orten, im Gebiet des
Prenzlauer Bergs6, wo vergleichbare Tendenzen zur Verschmelzung von Poesie/Musik/Bildender
Kunst/ Performance im Verlauf der 80er Jahre entstanden, so daß man fast von einer Wahlver
wandtschaft sprechen könnte. Während die Grazer Schriftsteller gegen die konservative Mentali
tät, Kulturpolitik und Literaturtradition in Österreich vorgingen, wendeten sich die DDR-Künstler
gegen die Literaturformen und die kulturelle Praxis in einem ungleich rigideren Umfeld. Im Hin
blick auf den Einbezug multimedialer Aktionsformen in der „Szene" des Prenzlauer Bergs (aber
auch in Dresden etc.) ergeben sich Parallelen zu den Auftritten Joseph Beuys, bezüglich der lyri
schen Formen eine Nähe zur fulminanten Sprachartistik des Nürnberger Lyrikers Gerhard Falkner.
Bert Papenfuß-Gorek dürfte unter der jungen Generation von DDR-Autoren der inzwischen
wohl bekannteste sein. Die Folge lyrischer Texte namens tiske7 läßt sich als ein Abschied und ein
Neubeginn im literarischen Schaffen des Ostberliner Autors verstehen. Der Titel ist über das Ein
leitungsgedicht, gleichsam ein parodiertes Propemptikon, aufzuschließen. Man kann ihm die An
weisung entnehmen, daß die Schrift „sterbend rückwärts" und „tot von vorn" zu lesen sei. Sonach
entspräche der Titel tiske dem englischen Begriff „e-k-s-i-t" (exit), also Ausgang, Abgang oder
Ausreise.
In diesem Geleit- oder Begleit-Wort eines Arrangements von Einzelgedichten ist kaum ver
hohlen von dem Ende einer Autorengruppe die Rede, die sich subkutan im Verlaufe eines Jahr
zehnts in der DDR entwickelt hatte. Es sind Schriftsteller, die in den 50er Jahren geboren wurden
und die, ihrem Selbstverständnis nach, abseits der etablierten Staatskultur unorthodoxe Formen
des Schreibens und Lebens entwickelten. Ihr Anliegen war nicht so sehr das subversive, opposi
tionelle Agieren gegen die offizielle Literatur oder die politische Praxis des Regimes, sondern eher

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der Versuch, entweder trotzig oder nahezu unbekümmert zu einer individuellen Ausdrucksweise
zu finden. Es verwundert daher nicht, daß mancher Autor in dieser Phase des Vortastens im Me
dium Sprache die Kommunikativität bis an die Grenze des Verständlichen strapazierte. Der Ein
fluß linguistischer Sprachanalytik und die Adaption von Sondersprachen ging bei Papenfuß so
weit, daß ein individuelles Schreibsystem entstand, welches sich für den außenstehenden Leser
wie eine mittelalterliche Arkanwissenschaft ausnimmt. Es ist offensichtlich, daß sich Papenfuß
ebenso wie andere Autoren seiner Generation mit ihrer Sprachauffassung implizit dem „Erbe" der
humanistischen, realistischen Schreibweisen der älteren Generation verweigerten. Unter den arg
wöhnischen Augen des SED-Regimes wuchs eine Autorengeneration heran, die, zwangsweise
isoliert von äußeren Einflüssen, für sich selbst eine Ost-Moderne schuf. Die Klandestinität der
Kesselreiniger, so der Titel eines Prosatexts von Gert Neumann, läßt sich als eine symptomatische
Charakterisierung des Gruppengeistes der „Prenzlauer Berg-Connection" (Adolf Endler) betrach
ten.

Auch die Gedichtfolge tiske, eine Veröffentlichung in einem anderen kommunikativen Be


zugsfeld, weist .^clandestine" Züge auf. Neben den Anspielungen für Insider läßt sich aber ein
spezifischer Umgang mit Sprache aufzeigen, der im folgenden anhand einer strukturorientierten
Betrachtung erhellt werden soll, um einen Grundzug der experimentellen DDR-Lyrik zu zeigen.
Ähnliche Sprachspiele finden sich bei anderen Poeten dieser Generation.
Schon zu Beginn der Folge, in dem kurzen Gedicht zum gleifi, nimmt der Ostberliner Lyri
ker Bezug auf die Entwicklung der Schreibformen des Prenzlauer Bergs und umschreibt das Per
mutationsprinzip der sprachbewußten Lyrik, sowie den stilistischen Einbezug des Sexuell-Vulgä
ren. Er übersetzt diese Gedanken in das Bild einer Bewegung, die vor und zurück, kurz und quer
verläuft: „wir schreiben/im beginnen orginär, im fortlaufen orginell/über'n berg ordinär, zugrunde
gar nicht mehr/überlebend kurz & quer, sterbend rückwärts; tot von vorn:" (S. 92) Die Metaphorik
von Auf- und Abstieg spielt mit den konkreten und übertragenen Bedeutungen der Ortsangaben;
die Aussage „über den Prenzlauer Berg schreiben (oder gehen)" löst sich in eine zweideutige
Bildlichkeit auf, die durch syntaktische Arrangements rhythmisiert wird. Indem Papenfuß einen
saloppen, umgangssprachlichen Ton mit dem Wortspiel der phonetisch ähnlich lautenden Silben
„origi-" (als „orgi-") und „ordi-" vereint, kreiert er eine Gedichtsprache, die aus egozentrischen
Wortneuprägungen und Alltagsphrasen besteht.
Die Abfolge der lyrischen Texte in den manuskripten endet mit einem offensichtlichen Ver
weis auf Enzensbergers Scherenschleifer und Poeten9: „dichter zerfallen/in orgeldreher & kritzel
buben/galeerenschleifer & scherenflicker/ es gibt hervorragende hofbarden/ & in der gösse auch
idioten" (S. 98). Diese Strophen thematisieren die Kluft zwischen Staatsdichter und Widerstands
dichter. Zwischen den existenziellen Polen des Angewiesenseins und des Ausgewiesenseins ent
faltet sich das Problem des Lebensunterhalts und des Engagements, denn „auf der anderen seite"
(im Westen) wird das verstockte Gefühl eines kritischen DDR-Autors, zumindest aus der Sicht
Bert Papenfuß-Goreks, schnell zu einer euphorischen oder gemilderten Haltung. Wer in der
Demokratischen Republik keine Sinekure genoß, fand oftmals in der Bundesrepublik ein förder
ffeudiges Verlagshaus: ,jähre wechseln fronten & pfründe/derjenige im widerstand/ist nicht
notwendigerweise immer/so penetrant draußen vor der tür" (S. 98).
Bert Papenfuß' Gedichte zentrieren sich nicht auf evokative, ausgesuchte Bilder und Meta
phern oder auf assoziationsreiche Vokabeln der Sinneswahrnehmung und Naturerfahrung. Viel
mehr wird eine subjektive Gedichtsprache geschaffen, in der Wortfelder gleichsam „umgepflügt",
d.h. neu kombiniert und optisch arrangiert werden. Um bewußt einen eigenen Tonfall zu schaffen,
zerbricht Papenfuß Syntax, Orthographie und das traditionelle lyrische Formeninventar. Er schafft
zwischen den kleinsten sprachlichen Einheiten, also Phonemen oder Morphemen, Bezüge, die
dann nach Zeilen angeordnet werden. Durch einfachen Buchstabenaustausch, durch Zusam

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menstellung von Wort-Rümpfen mit gleicher Phonemprägnanz, durch die Einführung von Lexe
men aus Sondersprachen werden Klanggebilde erzeugt, die erst durch die Kenntnis ihrer gramma
tischen Erzeugungsregeln und des Lexeminventars wieder kommunikativ funktionieren. Papen
fuß-Goreks „Wort-Kombinate", wenn man sie ironisch so bezeichnen darf, vereinen fremdsprach
liche Elemente mit Jugend-, Sonder- und Umgangssprachen.
An das Geleitgedicht schließt süßer odin (S. 92) an, ein Gedicht, das den altertümlichen
Ausdruck „süßer odem" mit dem Verweis auf die klassische Form der Ode und den nordischen
Gott Odin verbindet. Das hymnische Formenrepertoire wird durch die Widmung in memoriam
samuel beckett mit dem modernen Lebensgefühl der Absurdität konfronüert. Inhaltlich setzt sich
das Gedicht mit der Diskrepanz zwischen Liebesgenuß und den Möglichkeiten, darüber offen und
freizügig zu sprechen, auseinander. Die lyrische Entfaltung dieses Verhältnisses vollzieht sich
durch den Dialog mit einer angesprochenen Figur. In einer Annominatio wie salbad & labsal
klingt Papenfuß' Kritik an den frömmelnden, scheinheiligen Reden und dem geschmackvoll ge
pflegten Stil dieser Person an. Weitere hinweisende Angaben, die in dem kurzen lyrischen Text
hervortreten, z.B. auf revolutionäre Ansichten, auf Liebeserfülltheit, auf Isolation und gesell
schaftliche Anfeindungen lassen vermuten, daß das Gedicht auf den Dichter Hölderlin und dessen
„Irrsaal" (Hölderlin, S. 35) anspielt. Zudem weist der skandinavische Mythos um Odin, dessen
Selbstopferung mit Christi Tod vergleichbar ist, mehrere Motive auf, die an die religiösen Gedan
ken Hölderlins und dessen Schicksal erinnern, nicht zuletzt deswegen, weil Odin als der Gott der
Dichtung und der Liebesabenteuer fungiert und somit als ein mythischer Vorläufer des schwäbi
schen Dichters gelten kann.10 Offensichtlich verweisen die letzten Zeilen „doch dann/befällt der
himmel sein haupt" in Papenfuß' Poem (S. 92) auf Hölderlins Menons Klagen an Diotima, worin
es heißt: „Ach! und nichtig und leer, wie Gefängnißwände, der Himmel/Eine beugende Last über
dem Haupte mir hängt"11. Die Phonemverbindung „od-" („odin", in anderen Gedichten „öde,
alleröd", S. 92, 93, 98) könnte an die Wortkomplexe „Heiliger Othem", „Aber das Haus ist öde
mir nun" der gleichen Elegie Hölderlins anschließen, aber auch an dessen Eigennamen (S. 76 f.)
Die Zeile „So ist der Mensch" aus Brod und Wein (S. 92) ließe sich als Paraphrase auf
Papenfuß' „schwerlich/ändert sich der mensch" beziehen, in der eine fatalistische Haltung charak
terisiert wird. Weitere Parallelen sind in Hölderlins Ode Stimme des Volks (S. 49) zu finden. Die
Zeilen „Und Heldenstädte sinken" - man vergleiche bei Papenfuß: „befestigte Städte niederrissest"
- sowie in der zweiten Fassung von Hölderlins Versöhnender der du nimmergeglaubt (S. 133-135)
- bei Papenfuß: „der du hangest/im antlitz des windes" - gebrauchen analoge Formen der hymni
schen Rede. Das Verhältnis von Heilsbringer und Stadtzerfall deutet auf den Zusammenhang von
Ohnmacht- und Hoffnungsgefühl. Der messianische Held bekommt jedoch noch andere Züge ver
liehen, die sein Charisma der Reinheit zu beeinträchtigen scheinen. Das Hölderlinsche Gedicht
schließt mit dem Halbsatz „aber das nächste gewann er zuletzt, die liebste" (S. 135), was durchaus
dem Tenor von Papenfuß' Gedicht entspricht. Sexualität ist die Kehrseite des heldischen Verzich
tens, und sie kommt in den Zeilen „in's flüstern/abgebogenen liebesgenusses" und „mitte hucke
voll liebe" sehr bestimmt zum Ausdruck. Ein offenkundiger Bezug auf den „Klassiker" ist
schließlich im Kontext der unterschwelligen Christus-Thematik die Formulierung „Es hänget aber
an Einem/die Liebe" (S. 155) aus Der Einzige, Erste Fassung (S. 153-156), und die Zeile „Nem
lich rein/zu seyn, ist Geschik, ein leben, das ein Herz hau/ vor solchem Angesicht" (S. 182) aus
Palmas, Bruchstücke der späteren Fassung (S. 179-183). Mehrere Zeilen aus Papenfuß-Goreks
Poem süßer odin benutzen ganz ähnliche Ausdrücke („hangest", „antlitz", ,/einen herzens") und
belegen damit die insgeheime Affinität.
Der Ostberliner Lyriker paraphrasiert Hölderlins Gedichtsprache durch das Aufgreifen eini
ger Schlüsselwörter und erweitert die Glaubens- und Liebes-Motive um den nordischen Mythos
von Odin. Hierdurch wird die klassische Verhüllung des Sexus mit den Ausdrucksmitteln der

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hymnischen Lyrik parodiert, aber zugleich mit der dazu gegenläufigen Offenheit des damaligen
politisch-radikalen Denkens konfrontiert Das märtyrerhafte Bild Hölderlins als Revolutionär steht
nach Papenfuß-Goreks Auffassung in scharfem Kontrast zu dessen Ausdrucksvermögen für das
Sexuelle, wie es sich in folgenden Gedichtzeilen des schwäbischen Dichters bekundet:

Unschikliches liebt ein Gott nicht, / Ihn zu fassen, ist fast unsere Freude zu klein. / Schweigen müssen
wir oft; es fehlen heilige Nahmen. / Herzenschlagen und doch bleibet die Rede zurück? (Heimkunft,
S. 99)

Die Radikalität der poetischen Behandlung von Liebe, und zwar tatsächlich als Begegnung zweier
Körper, tritt auch in anderen Texten Papenfuß' hervor. Ihnen unterliegt ebenso ein anti-morali
scher Impetus, der von der Klassizität des „geistigen Erbes" seinen Ausgang nimmt, um einen
Kontext von Schreiben, Sexualität und Alltagsleben dagegenzusetzen.
In dem Gedicht ouroboroid nach hermann von pückler-muskau (S.96) ist der Lebenszusam
menhang von Liebe, Kunst und Broterwerb als optischer Kreis von Einzelworten gestaltet, der
nach zwei Seiten lesbar ist. Das alchemistische und romantische Symbol des „ouroboros", der sich
in den Schwanz beißenden Schlange, wird im Titel genannt und gleichzeitig im Druck sichtbar
gemacht. Papenfuß knüpft damit an Vorläufer wie etwa Christian Morgenstern an, der in ver
gleichbarer Weise räumliche Bewegungsformen durch das Schriftbild visualisierte. Die erste Zeile
in Papenfuß' Gedicht verweist auf Goethes Liebeslied eines Wilden, das dieselbe symmetrische
Wortfolge aufweist: „Schlange, warte, warte, Schlange".12 Der Titel legt ein vergleichbares Ge
dicht von Pückler-Muskau nahe, doch tatsächlich war der Adlige zu sehr Reiseschriftsteller, um
sich der Lyrik zu widmen.13 Eher wäre an die gärtnerische Tätigkeit und den zwischen Lieb
schaften und Geldnot zerrissenen Lebenslauf zu erinnern. Zwei Details sind erwähnenswert; ein
mal spricht der völlig unökonomisch denkende Fürst von dem „cercle vicieux" seines Lebens14,
eine existenzielle Reflexion, die auch das Papenfußsche Gedicht ausspricht. Interessanterweise
taucht aber auch die Schlangenform bei Fürst Pückler auf: vor dem Fenster seiner geliebten Lucie
auf dem Landgut Branitz läßt er ein großes „S" (für den Kosenamen Schnucke) aus blühenden
Rosen anpflanzen.15
Das Schlangensymbol in Kreisform steht bei den Alchimisten für Ewigkeit und geschlecht
liche Vereinigung und wird in dem Widmungsgedicht für karen ironisch verwendet: „kunst be
friedigt zuweilen selber, Wissenschaft beruhigt, ehrgeiz erfreut, aber liebe - liebe gibt nur den
qualvollen genuß eines, hungers der kunst". Anstelle eines harmonischen Kreislaufs besteht eine
optische Lücke bei den zwei Gliedern „Liebe" („liebe - liebe"); zudem ist das Äquivalenzverhält
nis, welches in der Flexionsform „ist" ausgedrückt wird, bei ,Jcunst ißt kunst" zugunsten eines
Verhältnisses der Integration oder der Vernichtung, nämlich als ein Prozeß des Selbstverzehrens,
aufgehoben. In der vertikalen Leserichtung bleibt das Gleichgewichtsverhältnis jedoch wirksam,
wie die folgende Zeile zeigt: „für karen/ißt (hier: ist) - "oder „für karen/ißt kunst kunst liebe
liebe". Zum Vergleich kann man arianrhod von der Überdosis , das an anderer Stelle veröffent
lichte lyrische Tagebuch Papenfuß' anführen, worin es heißt:

liebe ist kein wort, sondern die interpunktion/aller Sätze, die wir machen, aller hürden, die wir steh
len/es ist keine liebe in uns, sie entsteht zwischen und/ & steht zwischen uns als argument, das versagt.
(S. 106)

Die körperliche Begegnung mit dem anderen Geschlecht, in der „grabfeste der Otterkönigin", ist
das Thema des Gedichts zur wesiandacht (S. 97). Die unterschwellige Beziehung vom Mythos,
Eros und von der christlichen Religion findet in solchen Formulierungen ihren komprimierten
Ausdruck; sie entspricht übrigens in mancher Hinsicht einzelnen Aspekten im Frühwerk Joseph
Beuys. In Prägungen wie „dreifeite" und „triskel" (Drei, Muskel) verbindet sich die religiöse
„Dreifaltigkeit" mit sexuellen Konnotationen: „der düsternis titten/ säugten mich kühl & früh/ als

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ich dreifeite/ entfaltete sich die triskel" (S. 97). Auch kunsthistorische Assoziationen stellen sich
ein. Zum Beispiel wird in der Strophe „meine ffaunatur frühstückte / rekelte sich überaus/& emp
fing das Schwert/ das mich bleiben ließ" (S. 97) auf Manets berühmtes skandalumwittertes Ge
mälde Dejeuner sur l'herbe angespielt und mit dem Wort- und Sinnspiel Frau Natur und Flora
(vgl. „frauna", Fauna, Flora) verknüpft. Eine derartige Behandlung der Liebesthematik ist der bis
weilen vulgären Alltags-Lyrik Brinkmanns oder Wondratscheks vergleichbar, und sie dürfte ge
genüber der strengen Sexualmoral in der DDR eine bewußte Enttabuisierung darstellen.
Neben dem lyrischen Motiv der Liebe im Konflikt mit herrschenden Vorstellungen tritt in
der Gedichtreihe ein anderer Gegenstand hervor, den man als eine Auseinandersetzung mit dem
geltenden (ost-)deutschen Kulturverständnis und dessen Mythenbildung charakterisieren könnte.
In drei Texten ist von Geistestradition, Germanentum die Rede, ein anderer Text befaßt sich mit
dem österreichischen Nationaldenken.

Das Gedicht anschauung und verstand (S. 97) steht durch seinen veralbernden Ton in star
kem Kontrast zur ersten Zeile in Kursivdruck, die als Titel fungiert und die erkenntniskritisch
idealistische deutsche Philosophietradition wachruft. Papenfuß stellt dieser Sphäre der „Dichter
und Denker" die ebenso klischeehafte Sphäre des Germanenkults und der Technik entgegen. Der
teutonische Stammtisch-Nationalismus („das echt eichene erbbier") und möglicherweise die tech
nische Entwicklung der Rakete in Peenemünde an der Ostsee („thorketil sans phrase") sind Be
standteil der Vorstellungswelt, die das Gedicht durch eine gegen die Alltagssprache gerichtete
Wortspieltechnik evoziert. Verschiedene Formulierungen zeigen dies: ein torkelndes Projektil
überdeckt sich in einem Bedeutungsaspekt mit Thors schwingendem Hammer, so daß „thorketil"
entsteht. Die Bewegung des Torkeins überträgt Papenfuß in das Schriftbild des Gedichts. Die
Zeilen „das weidenband/ ums bein wand" setzen diese Bildlichkeit verstärkend fort. Diese zitier
ten Gedichtvokabeln aus einem altertümlichen Handwerksbereich bauen einen Sinnzusammen
hang mit der Reihe „geisterhand, heidenhand, brautlauf" und dem nordischen Gott „Thor" auf. D
archaisierende Stabreim auf „e" in „echt", „Eiche", „Erb-Bier" im Verein mit dem Assoziation
reichtum dieser Wörter gemahnt an das alte Germanentum, welches von Lohenstein, Klopstock
Kleist, Wagner bis Hitler eine Wechsel- und widerspruchsvolle Wertschätzung als Nationalmyth
fand.
Die aus der politischen Geschichte Deutschlands vielfach vorgeprägten Wörter stehen in
einem inhaltlichen Gegensatz zu „wahlverwandt", „immanuel kant", „wandeln" und dem Ge
dichttitel anschauung und verstand, worin Goethe, Schiller und Kant ganz unmittelbar als Reprä
sentanten der deutschen Geistesgeschichte vor das Auge treten. Deren „Wahlverwandtschaft", d.h.
ihre intellektuelle oder psychische Nähe zueinander, steht in einem krassen Gegensatz zu dem
ausgesprochenen Individualismus des lyrischen Ich, das sich anscheinend als ausgegrenzter
„abhub aller klassen" begreift. Es ist gerade diese Außenseiterposition, aus der heraus die Begriffe
des gesellschaftlichen Selbstverständnisses ironisch umspielt und sprachkritisch unterwandert
werden - wie die Formulierung „sans phrase" erkennen läßt, die die französischen Einflüsse in
Preußen und die gebräuchlichen inhaltsleeren Redeformeln der höheren Stände des vergangenen
Jahrhunderts assoziieren läßt. Das Gedicht erzeugt durch seine anspielungsreiche Wortwahl und
seine eigentümlichen Wortklitterungen eine ironische Brechung des Themas „Geistesgeschichte".
Des Deutschen Nationalbewußtsein wird in wenigen Worten ironisch charakterisiert. Die kollek
tive Identität erscheint als Produkt einer Tradition, die zwischen der als „Erbe" verstandenen Gei
stesgeschichte und einem mit Biermief vermengten Nationalgeist des Alltagslebens gespalten ist.
Indem der Ostberliner Lyriker durch den Titel an die Gedankenlyrik der deutschen Klassiker erin
nert, diese Form des Gedichts jedoch mittels simpler Reimstrophen im Stile Morgensterns negiert,
erreicht er eine satirische Wirkung. Es ist die krasse Kontrastik, die die humoristischen Mittel der
Travestie übersteigt und einen zynischen Unterton entstehen läßt. Papenfuß-Gorek stellt in an

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schauung und verstand verschiedene tradierte Sprach- und Lebensformen gegeneinander, welche
gemeinhin als Elemente deutscher Identität gelten. Deren Uneinheitlichkeit oder Unvereinbarkeit
sucht er mittels Stilhöhenbruch und durch den Gebrauch zitathafter Wendungen zu umschreiben.
Ein anderes Gedicht trägt den Titel albanien an der elbe in Hyperbeln. Aus der Nominal
gruppe läßt sich eine Phonemgruppe rb/lb herausfiltem, die unterschiedlich mit den vorangehen
den oder nachfolgenden Vokalen e/a kombiniert werden; da die Wortbedeutungen kein gebräuch
liches Bezugsfeld bilden, entsteht der Eindruck, es handle sich womöglich um ein Unsinnsgedicht.
Liest man den lyrischen Text jedoch so, daß man, anstatt sogleich semantische Übersetzungsope
rationen durchzuführen, die phonetischen Strukturen aufeinander bezieht, so bildet sich ein
Klangmuster aus. Sodann kann man die Nominalgruppe des Titels als einen verkürzten Vergleich
verstehen: die DDR ist ebenso ein hermetisch umschlossener Staat wie Albanien. Man kann sie
„in Parabeln" beschreiben, mit denjenigen rhetorischen Figuren, die zugleich wie „Hyperbeln"
mathematische Begriffe darstellen. Wenn hier nur die kontextuelle Fügung der Wörter sinner
schwerend wirkt, so ergeben sich demgegenüber größere Verständnisprobleme, wenn Papenfuß in
einzelnen Zeilen auch die Sinnhaftigkeit eines Einzelwortes aufgibt. Dann nämlich finden sich die
sprachlichen Gestaltungsmittel der Alliteration oder der Assonanz, die mit einem sinnentstellen
den Buchstabenaustausch koalieren: „prall" wird zum Beispiel durch die Permutation von a/o zu
„*proll" (* nicht-existentes Lexem). Außerdem ersetzen reine Schriftzeichen wie gebräuchli
che Konjunktionen („und"), wodurch ein optischer Effekt entsteht, der die Materialität des Me
diums Schrift unterstreicht. Schließlich zeugt die durchgängige Kleinschreibung (oder Groß
schreibung) von einer Absage an die geltenden Sprachregelungen und die Hierarchie der Wort
arten, womit der Lyriker den gewohnheitsmäßigen Lesefluß unterbricht.
Wendungen wie „wenn die schnauze proll ist" oder „die jacke stockenprall" lassen sich auf
die umgangssprachlichen Idiome „die Schnauze voll haben", „die Jacke voll hauen" und „mit dem
Stock hauen" beziehen. Papenfuß-Gorek negiert damit die genrehaft vorgeprägten Wortfelder
einer „lyrischen Sprache", die dem common sense zufolge eher zu einem gehobenen Sül neigt. Er
zieht ein Vokabular aus Sondersprachen wie dem Rotwelsch oder der DDR-Jugendsprache vor.
Redensarten, Slogans und modische Wendungen werden zerlegt und collagiert, wobei sich durch
die Kombinationsfähigkeit der deutschen Wortbildung viele Neologismen ausschöpfen lassen. Die
Gedichte gewinnen ihre Eigenart durch die kreative Verarbeitung der sprachlichen Tiefenschicht,
der grammatischen Regeln. Die im Prager Strukturalismus gewonnenen Erkenntnisse von den
kleinsten Sprachelementen finden ihre poetische Anwendung.
In Papenfuß-Goreks Lyrik finden sich zahlreiche Tautologien, die einen besonderen Effekt
ausüben. Man könnte gleichsam von „semantischen Staus" sprechen, die entweder dem melodi
schen Klangzusammenspiel in einer Zeile dienen oder zeilenübergreifende Beziehungen stiften:
„koppheister einen hechter" ist gleichbedeutend mit „kopfvor einen Hechtsprung (ins Wasser)",
wobei „koppheister" auch die Konnotation von „blindlings" oder „sich blamierend" führt. Das
Gedicht weist keine harmonisierenden Reimformen auf, sondern benutzt phonetische Binnenbe
züge wie die erwähnte Assonanz und Alliteration. Es entstehen Phonemgerüste, in die jeweils
distinktive Elemente eingesetzt werden können: .Jkopp/propp"; „heister/hechter"; „kopphei
ster/peiker". Neben diese lautbezogenen Operationen treten semantische Verschiebungen. Dies
kann bis zur Verwendung von Lehnwörtern in verfremdeter Form führen, zum Beispiel, wenn der
englische Begriff „pisces" - was mit dem astrologischen Terminus „Fische" zu übersetzen ist -
und englisch „pike" (Hecht) mit dem deutschen Wort „pieken" zusammenfallen und dadurch die
Doppelbedeutung von „Köcher" (für Fische und Pfeile) mitschwingen lassen: „peiker in den
köchem vollauf'. Ausgesprochen kafkaesk nehmen sich die Formulierungen aus, in denen ein
Umstand bezeichnet, aber im selben Augenblick wieder zurückgenommen wird: „aber ich be
fürchte es haargenau" gibt konzise den paradoxen Zustand zwischen „etwas (nicht) haargenau

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wissen" und „etwas (nicht nur) vage ahnen, vermuten, befürchten" wieder, der das ganze Gedicht
bestimmt.
Die lyrische Technik verfährt gleichsam textkritisch, denn die „Kontamination" eines Regi
sters aus Redewendungen mit dem Register ihrer Verzerrungen und Sinnverkehrungen ruft
„Konjekturen" hervor, die sowohl für das Mitgeteilte wie für den Mitteilungsträger gelten. Das
Mitgeteilte ist die Befindlichkeit des lyrischen Subjekts in der DDR-Sprachgemeinschaft, der
Mitteilungsträger ist das Wortspielgeflecht, das das lesende Subjekt zu einer kommunikativen Ge
dichtsprache rekonstruieren und aktualisieren kann. Insofern ließe sich sagen, daß die lyrischen
Texte Papenfuß-Goreks den Umgang eines DDR-Bürgers mit Sprache reproduzieren, indem Ver
mutungen über die Semantik von Aussagen verlangt werden; jedoch liegt dies nicht an der Ge
schlossenheit der Texte, wie sie die Repetitionsmuster des offiziell geregelten, öffentlichen
Sprachgebrauchs hervorbringen, sondern umgekehrt an der Offenheit des betont individuell ge
haltenen poetischen Sprachgebrauchs. Der realsozialistische Alltag mit der Furcht vor Gewalt und
dem Elend von Femseheinheitsbrei, Staatsverehrung und biederer Wohnzimmergeselligkeit bei
Schnaps und Stulle ist im Gedicht nur erahnbar. Papenfuß thematisiert in den Wortfetzen die
Lücke zwischen flüchtiger Erregtheit und dem „Runterspülen" der Verärgerung, zwischen All
tagsverdruß und schweigender Übersättigung.
Weniger komplexe Sinnverschiebungen im Wortmaterial dieses Gedichts sind etwa solcher
Art, daß ein Ausdruck wie „steigt auf und dessen Synonym „empor" zu „empört sich" ver
schmilzt („gelächter steigt auf, empört sich"). In einer anderen Zeile, „warme semmein, beknackt
wie bemme/stulle, stulle & nochmal stulle", verbindet sich die abwertende Formulierung „be
knackt sein" mit den regionalen Ausdrücken „Bemme" (Scheibe Brot), „Stulle" und „Semmel", so
daß sie den neuen Sinn „Brötchen, belegt mit einer Knackwurst" erhält. Ähnliches findet sich in
den Wörtern „dattel" statt „Daten" (im Zusammenspiel mit dem nachfolgenden Ausdruck
„Bohne" für eine Information), „waffeln" statt (Waffen Schutz-)„Staffeln" oder in der Formulie
rung „was paßhoch fahneschwenkend" für „den Paß bzw. die Fahne schwenken". Es entsteht ein
Inventar neuer Wendungen, die den zynisch-ernsten Ton des frühen Enzensberger mit den hu
morvollen Lautspielen Emst Jandls verbinden. Sprache wird, bildlich gesprochen, so durch den
„Zungenfleischwolf' gedreht, daß die Ohnmacht des Staatsbürgers gegen die DDR-Schweigepoli
tik und zugleich der Anspruch auf eine Individuelle derb-sarkastische Außenseitersprache als die
mutmaßliche Haltung des lyrischen Ich spürbar werden. Damit aber negieren die Gedichte implizit
solche kritischen Posiüonen, die an dem optimistischen Glauben festhalten, die Verhältnisse in der
DDR durchschauen zu können. Es sei nur beiläufig erwähnt, daß diese skeptische Haltung den
Aussagen Baudrillards und Lyotards über „fatale Strategien" und die Simulationsphänomene der
Postmoderne ähnelt, jene aber die Bedingungen der Medien- und Informationsgesellschaft anzie
len. Eine gesuchte Affinität zeigt sich trotzdem in der Rezeption dieser Theoretiker durch die
Autoren der Berliner Ostmoderne, vor allem durch Rainer Schedlinski.
Das Gedicht ledriges kilogemetere (S. 96) baut ein Assoziationsfeld auf, das sich um Macht
ekel, Kunsthandwerk, amerikanischen Kommerz und nationale Gedenkstätten gruppiert. Der Titel
deutet auf das Gemeckere von Ziegen und das Ablaufen einer Langstrecke. In der Tat geht Papen
fuß in dieser sechsstrophigen Schimpftirade an die Grenze des Verständlichen. In konsonantenrei
chen fremdsprachlichen Klängen schiebt der Lyriker Kassiber hin und her, die kaum erkennbar
eine Veränderung in „drogheda" (Anagramm für „Gor(ek)", „Droge", „Ade"?) umschreiben. Die
„eidbrüche" einer zerfallenden Gruppe, die „unverständlich unterwandert" wurde, bilden den
Hintergrund dieser Klage.
Es geht jedoch, über die Beschäftigung mit dem Gruppengeist hinaus, um die nationale
Identität des Individuums. In der zweiten Strophe wird in der Wendung „totally brechted out"
sowohl auf Bertolt Brecht wie auf Johannes R. Becher16 als den nationalen Kulturstiftern der DDR

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Bezug genommen. Der Kontext der deutschen Identität ist durch assoziationsgeladene Wörter wie
„ledriges" oder „blondmähnen" geschaffen, da sie mittelbar auf Ariertum, Rocker oder Neonazis
verweisen; Kürzel wie jotkiz haben einen englischen Beiklang und sind daher mit „J-kids" (FDJ ?)
assoziierbar. Phonemkombinationen wie „jakroto kritj" klingen nach russischen Vokabeln, weisen
jedoch eine Struktur auf, die Kryptonyme bzw. quer zu lesende Akronyme (vgl. „akro") vermuten
lassen (vgl. die Symmetrie ,j-a-kro-to-kri-t-j" aus der sich ein „Jack wrote to crit.", ,jack wrote
OK.", oder mittels Umstellung ein ,ja .. tot" bilden lassen). Es entstehen phonetische Verbindun
gen mit anderen Zeilengliedem wie „bjokroi" (b-j-o-kro-i) oder anagrammatische Übereinstim
mungen mit dem Eigennamen Gorek. Ganze Wortketten lassen sich als individuelle Lautschrift le
sen: „hjeld dillakfish fjüll wleff/in turuf finsk" („he yelledd: do ya like fish, you'll (be) well-off in
turuf finsk"? oder „yield - delicate fish - fuel ~ well-off'?). Die mittlere Strophe ist am einfach
sten zu lesen, denn sie zeigt die Verbindung von Kunsthandwerk und Machtausdruck in Anspie
lung auf Adolf Loos' Losung „Ornament ist Verbrechen" und auf Papenfuß' gleichnamige Musik
band: „guns'n'roses, arts'n'crafts, ornament & erbrechen/und & und, alle jähre wechselt die beleg
schaft der reihe nach". Die Kunstausübenden sind lediglich wechselnde Garnituren für die inter
nationalen Auftraggeber, sei es KPD, die DM („KPDMLSD") und Flicks Aktienkonzern („ver
flickt nochmal") oder sie sind Teilnehmer im amerikanischen Wettbewerb der Sponsorenaus
schreibungen („heineken-budweiser..."). Das melodische Kürzel „idwiriworik" ist mit „ID - wire
- I (eye) ~ war" oder „ID - wire - I worry" und dem Berlinerischen „ik" für ich („- ik nicht du")
auflösbar.
Wie ein buntes Set von Lego-Bausteinen (lat „lego" zusammenlesen, auslesen, vorlesen)
bilden die Phonemkombinationen eine Vielzahl von semantischen Konfigurationen. Man ist ver
sucht, von einem Ostberliner Legoismus zu sprechen, da eine egozentrische Besinnung auf das
eigene Selbst sich mit einem sprachlichen Zusammensetzspiel vereint.
Aus geläufigen Worthülsen entsteht eine kreative Gedichtsprache, die offensichüich auf eine
kleine Kommunikationsgemeinschaft hin angelegt ist, jedoch genügend Elemente aufweist, um
auch dem Außenstehenden den Reiz des Umgangs mit Sprache zu entdecken.17 In wortschläge
experimentiert Bert Papenfuß mit Morphemaustausch. Die wortspielerische Zergliederung der
staatlichen Mediensprache vermischt sich mit zungenspielerischen Wortfindungen, so daß Zeilen
wie die folgende entstehen: „salvange schwangen ihre praxen, lurlten einen tuck" (S. 95) Erst
durch den Einbezug der Vokabeln Revanche, Salvage, Savage fächert sich diese Kassibeizeile in
konventionelle Satzmuster wie „savage(s) (Wilde) schwangen ihre Äxte", „Ärzte revanchierten
sich in ihren Praxen" oder „Bergung oder Rettung in den Praxen/Ärzten". Gemeint sind wohl me
dizinische Gutachten, die im Kontext mit dem Gedichtmotiv der Ermordung stehen. Die Halbzeile
„lurlten einen tuck" ließe sich auf die anglophonen Wendungen „to make a track" (einen Tausch
handel machen), „to Iure with tucks" (mit Leckereien ködern) oder auch auf deutsche Wendungen
wie „kurbelten ein Stück", „tucken" (Schleppnetz ziehen), „einlullender Druck", „lallten 'tuck'"
(nichts) beziehen. Das vorausgegangene Zeilenglied „mit eisgängigem wulst-bug" wäre als eine
Verstümmelung von „mit eingängigem Schwulst, Humburg" zu lesen.
Der kritische Impetus des Gedichts richtet sich gegen das „machtwort laut hermann kant"
und gegen die variantenreichen Formulierungen der offiziellen Verlautbarungen. Im lyrischen
„wir" drückt sich ein Gruppengeist aus, der Sprachversatzstücke kritisch befragen will:

fragwürde, trauer & hohnspott prallten ab/von den bollwerken des wort„reichtums", die uns galten/ es
mit suworow halten; keine frage beantworten./aber das irgendetwas mit dem tode nicht stimmt, stimmt.
(S. 95)

Der Name „suworow" verbindet sieht mit „Sacharow" oder ist möglicherweise als
„Such-Wort-row" (Reihe) entzifferbar. Der Name macht sich so eine Spannweite von Bedeutun
gen zunutze, angefangen von „what's the row?" (Was ist denn los?) und engl, „row" für „Krawall,

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randalieren, rudern" bis hin zu „Kahn fahren". Letztere Sinnebene schwingt noch in dem Bild
„vorbei driftete eine prunkjurte mit eisgängigem wulstbug" mit. Prunk und Punk bilden ein
Gegensatzpaar, das nicht nur semantisch, sondern ins erster Linie phonetisch unterschieden wird.
Mehr auf das österreichische Umfeld der manuskripte ist schließlich „imagining the 'salzfust
arms'" bezogen (S. 94). Die englischen Begriffe „fustian" (hohles Pathos, Schwulst), „fusty"
(muffig, verstaubt) oder „frustration" klingen durch. Das anglophone Vokabular als Bestandteil
eines modischen, internationalisierten Jargons beziehungsweise der Jugendsprache kollidieren mit
obsoleten deutschen Wortfügungen („-umwrungen", „höchstselbst") und Wörtern höherer Stillage
(„behütete", „beschirmte"). Wie auch in anderen Texten verwendet Papenfuß prähistorische Epo
chen als Fixpunkte für die ironische Darstellung regionaler Kulturen, die nicht als Umschreibung
einer mythischen Heimat, wie sie bei Gottfried Benn oder Amo Holz eingesetzt wurde, angesehen
werden kann.

Papenfuß streift in mehreren Wörtern („ur-", „keltenspieß", „kessel-" etc. ) die archaische
Zeit. Er evoziert das keltische Siedlungswesen der Hallstattzeit, das sich mit Bronze und Eisen
eine hochstehende Kulturgrundlage schuf. Später wurde diese Alpenlandschaft von der landes
fürstlichen Salzkammer verwaltet, worauf sich das Gedicht direkt bezieht. Die barocke, erz
bischöfliche Tradition, das österreichische Dienerwesen, das Problem des Antisemitismus und die
kulinarische Küchensprache werden behandelt und „über die gesalzene schere gekämmt" („mit
einem Salzkörnchen Wahrheit" oder „gesalzen gesagt", „über einen Kamm geschoren"). Das Ge
dicht höhlt die stereotypen Anpreisungen der Landesgeschichte und des Essens, wie sie die Tou
rismusbranche verwendet, durch einfache Übersetzungen (,,'hallstatt caviar' /sprich; Irischen
fischeiern auf toast mit sauerkrautsalat") oder witzige Klischeefiguren („der lederbehoste ge
währsmann", „von norman dem blitzmähnigen blondreporter") aus.
Der Germania-Kult bezüglich einzelner Landschaften spielt ebenso in „exoterische zengola
dengo sapiens sapiens" (S. 93) eine Rolle. Schon im Titel kommt der thematische Hintergrund des
Naturgeschichtlichen und das Spiel mit esoterischen Lexemen, die „im duden gut aufgehoben
sind" zum Ausdruck. Wie ein Gebet hebt die monolithische Strophe in Anspielung auf das Johan
nes-Evangelium an („und das wort") und endet in diesem biblischen Ton („schloß das wort"),
gleichwohl um ein lakonisches Post-Scriptum ergänzt: „& die linkselbischen jungpaläolithiker/des
spätglazials spielten weiter". In der Tat geht es um die Beschäftigung mit Sprache, und zwar in
Auseinandersetzung mit der Geschichte der Prenzlauer Lego-Lyrik, die mittlerweile vom Westen
entdeckt („unter mitnähme der stein-/ & knochenartefakte"), imitiert („ die linkselbischen jung
paläolithiker/des spätglazials spielten weiter", Herv. E.G.) und gönnerhaft („die heranfliegenden
raben von gönnersdorf") aufgekauft wird. Die Dokumentaristen aus dem Westen, nämlich „die
armstaiken schnurkeramiker" (vgl. Wörter wie engl, „arms", dt. „ur-", „Ami", „Kerker", „Ameri
kaner") und „die wendegeister aus den bimsaschen des alleröds" (BRD, ARD, Wende, „sasch-" +
,,-nde-" für Sascha Anderson?) werden nichts als „eine urnenfelderkultur" hervorbringen. In dem
Gedicht dichter zerfallen ist noch einmal die Rede von dieser Öde. Sie meint die Krise im Selbst
verständnis der Prenzlauer Autoren („gähnender kunst beidseitiger kluft") angesichts eines ver
einten „allumarmten" Deutschlands, in der Widerstand und Anpassung neu definiert werden müs
sen.

Auch dieses Gedicht benutzt übrigens die einzelstehende Endzeile, um eine lako
mulierte Einsicht festzuhalten. Wie in den albanien-, westandacht- oder dichter zerf
ten wird dabei ein inhaltlicher Spannungsbogen von Gegensätzen zum offenen Absch
und zusätzlich durch den fehlenden Schlußpunkt angezeigt. Die darin formulierte Poin
sätzlich sarkastischer oder humoristischer Art, wie es etwa die Zeilen „aber ich befü
genau", „was blieb mir übrig" demonstrieren. Lakonik war und ist offensichtlich die A
die Erfahrung der Ohnmacht im Honecker-Regime und auf die Auflösung der subk

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ren(not)gemeinschaft des Prenzlauer Bergs, wie sie in tiske geschildert werden: Exit oder der Tod
der Ostmoderne. Bleibt nur zu wünschen übrig, daß die poetische Verfahrensweise des Legoismus
ihre Fortsetzung mit anderen Mitteln findet.

Anmerkungen

1 Ich verweise nur auf die wichtigsten Artikel: Luise von Flotow: Samizdat in East Berlin. In: Cross Cur
rents. A Yearbook of Central European Culture 9/1990, S. 197-218. Eine feinfühlige Nachzeichnung der
literaturgeschichtlichen Entwicklung der Ostberliner Autorengruppe findet sich in den Aufsätzen Michael
Thulins: Der Überbau ist entmachtet, der Untergrund ist tot In: Kontext Beiträge aus Politik, Gesell
schaft Kultur 1 (März/April 1990), S. 34-43. Vgl. auch Wolfgang Emmerich: Gleichzeitigkeit. Vor
moderne, Moderne und Postmoderne in der Literatur der DDR. In: Bestandsaufnahme Gegen
wartsliteratur, Bundesrepublik, Deutsche Demokratische Republik, Österreich, Schweiz, hrsg. v. Heinz
Ludwig Arnold, München 1988, S. 193-212; Gerhard Wolf: Wortlaut Wortbruch, Worüust. Zu einem
Aspekt neuer Lyrik in der DDR. In: Bestandsaufnahme, S. 226-257; Die andere Sprache. Neue DDR
Literatur der 80er Jahre, hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold u. Gerhard Wolf, München 1990; Mikado oder
Der Kaiser ist nackt Selbstverlegte Literatur in der DDR, hrsg. v. Uwe Kolbe, Lothar Trolle u. Bernd
Wagner, Darmstadt 1988; Schöne Aussichten. Neue Prosa aus der DDR, hrsg. v. Christian Döring u. Hajo
S te inert Frankfurt a.M. 1990. Diese Auswahlliteratur wäre um weitere Anthologien und Aufsätze in den
selbstverlegten Zeitschriften „schaden", „Verwendung", „ariadne-fabrik" etc. zu ergänzen.
2 Papenfuß-Gorek wurde 1956 in der Reuterstadt Stavenhagen geboren. Ausgebildet als Elektronikfach
arbeiter und auf diesem Gebiet als Bühnenbeleuchter in Schwerin und Ost-Berlin tätig, ist er seit 1980
freier Schriftsteller mit zahlreichen Veröffentlichungen in den selbstverlegten Literaturzeitschriften der
DDR sowie in westdeutschen Anthologien.
3 Bert Papenfuß-Gorek: arianrhod von der Überdosis. In: Schöne Aussichten. Neue Prosa aus der DDR,
hrsg. v. Christian Döring u. Hajo Steinen, Frankfurt a.M. 1990, S. 101-115.
4 Aus der Sicht Tilo Köhlers ist die Lyrik Papenfuß-Goreks „subversiv", indem sie sich „grammatische
Ungehörigkeiten" leiste. Die im „sprachlichen Überbau", nämlich der Verwaltungssprache, Versehrte Be
grifflichkeit werde im lyrischen Sprachexperiment „wiederbelebt". In: Dreizehntanz. Gedichte von Bert
Papenfuß-Gorek. In: Sonntag 50 (1989), S. 5.
5 Die Mitglieder des Forum Stadtpark organisierten seit den 60er Jahren sog. „Dunkelkammerlesungen"
mit avantgardistischer Literatur, in denen Autoren wie Gunter Falk oder Wolfgang Bauer .für Über
raschungen" sorgten (Forum Stadtpark. 1960-1985, hrsg. v. Max Droschl, Graz 1985, S. 63).
6 Im künstlerischen Bereich der Performance traten in der Samariterkirche (Berlin-Friedrichshain) die
,Autoperforations"artisten von Dresden auf, es fanden auch Lesungen statt. Seit 1980 konnte durch
Georg Girardet in der westdeutschen Vertretung avantgardistische westliche Kunst gezeigt werden. (Vgl.
David Galloway: Report front East Berlin. East Side/West Side. In: Art in Amerika, Juli 1989, S. 45-61.)
7 B. Papenfuß-Gorek: tiske. In: manuskripte 108 (Juni 1990), S. 92-99.
8 Das Einleitungsgedicht läßt sich als formale Auseinandersetzung mit klassischen Vorbildern sehen, z.B.
mit Goethes „Pooemion" (1816). (Vgl. Werke, Bd. 1, Gedichte und Epen 1, hrsg. v. Erich Trunz, Mün
chen 1981, S. 357.)
9 Vgl. Hans Magnus Enzensberger: Scherenschleifer und Poeten. In: Mein Gedicht ist mein Messer, hrsg.
v. Hans Bender, München 1964, S. 144-148.
10 Vgl. Emest Tonnelat: Teutonic Mythology. Germany and Scandinavie. In: New Larousse. Encyclopédie
of Mythologie, hrsg. v. Felix Guirand u.a., London 1968, S. 245-281. Im Artikel „Woden-Odin" (S.
252-258) finden sich ausführliche Angaben zum Mythos.
11 ZiL n. Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke, Bd. 2, Gediohte nach 1800, hrsg. v. Friedrich Beissner,
Stuttgart 1951. („Menons Klagen an Diotima", S. 77.)
12 Johann Wolfgang Goethe: Weimarer Ausgabe, Bd. 4, Gedichte T. 4, 1891, S. 320. Das Gedicht
„Liebeslied eines Wilden. Brasilianisch" stammt aus dem Nachlaß Goethes. In: Jubiläumsausgabe, Bd. 3,
Gedichte T. 3, hrsg. v. Eduard von der Mellen, Stuttgart (1902-1912), S. 379. Auf S. 381 f. wird an
gegeben, daß Montaignes „Essais I" die Quelle darstellte.

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13 Vgl. die informative „Einführung" Jost Hermands zu Hermann Fürst von Pückler-Muskau (Briefe eines
Verstorbenen, New York 1968, S. 3-81).
14 Vgl. Fürst Hermann von Pückler-Muskau: Briefwechsel, 9 Bde., hrsg. v. Ludmilla Assing, Bern 1971.
Der Fürst schreibt an die Reichsgräfin Lucie von Pappenheim am 4.6.1871: ,4er Körper wirkt auf die
Seele, und die Seele auf den Körper" (Bd. 4, S. 259); vgl. den Brief v. 1.6.1848: „Einen wirklichen Fort
schritt der Menschheit kann ich mir nur auf diesem Wege denken. Bis dahin laufen wir immer nur im
Kreise, im cercle vicieux herum!" (Bd. 9, S. 265). Die Kreisform hatte für ihn eine symbolische Be
deutung, die eng mit den ständigen Verschuldungen und seinen zahlreichen Liebschaften zu tun hatte.
Das vitalitätsgläubige Verhältnis zur Liebe kommt in mehreren Briefen zum Ausdruck (vgl. Bd. 9, S.
180). Das Schlangenmotiv taucht eher beiläufig in einem an Bettina adressierten Schreiben v. 9.1.1834
auf. Das Reptil steht für weiblichen „esprit" (vgl. Bd. 1, S. 176).
16 Johannes R. Bechers Gedicht „An Deutschland" aus der expressionistischen Zeit lautet an einer Stelle:
„Brecht auf !!! (-wenn Brüder-)". Zit. n. J.R. Becher: Gedichte, Weimar 1971, S. 39f. (In der Original
ausgabe: An Europa. Neue Gedichte, Leipzig 1916, S. 26.) Bei Becher heißt es auch „die Rinnsalbrüste
euerer Frauen schlagen/ An Horizonte zinnerne Wand..." (S. 40), was bei Papenfuß als „wie sie die titten
durchdröhnen & scheppern in den heldenbrüsten" wiederkehrt (S. 96).
17 Schon in den 60er Jahren machte Peter Rühmkorf auf die Kassibersprache einzelner DDR-LyTiker auf
merksam. Vgl. dazu: Reiner Kunze: Partituren. Gedichte aus fünfzehn Jahren. Verlagsgutachten. In:
Strömungslehre I, Poesie, Reinbek 1978, S. 78ff., worin Rühmkorf bemerkt: „Die Anmahnung gemein
samer Erinnerungen, persönliche Erkennungssignale und Zitatanspielungen erwecken den Eindruck eines
beinah familiären Codes, der ohne Zugang zu den intim biographischen Anspielungsinhalten nicht mehr
lesbar ist" (S. 79).

Ich danke Clara Schiefer, Université de Paris VÜI (St. Denis), Luise von Flotow, University of Ann Arbor
(USA), und Michael Thulin, Berlin-Ost, für ihre freundliche Unterstützung.

Anschrift des Verfassers: Dr. Erik Grimm, German Department Queen's University Kingston,
Ontario Κ 7 L / 3 Ν 6, Canada

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