Sie sind auf Seite 1von 1

Die Wurzeln des Weihnachtsbaums - heidnisch oder christlich?

Um es vorweg zu nehmen: Eine eindeutige Antwort auf die Frage nach den Ursprüngen des
Christbaumes gibt es nicht, aber dafür lassen sich eine ganze Reihe interessanter Fährten, die sowohl
in heidnische als auch in christliche Richtungen führen, verfolgen. Die Wurzeln des Weihnachtsbaums
sind also weit verzweigt - wie sich das für einen vernünftigen Baum gehört - und letztendlich nicht
vollständig auszugraben, sodass es im folgenden auch nur darum gehen kann, einige Verästelungen
des Weihnachtsbaum-Brauchtums darzustellen, insbesondere dort, wo es interessante Blüten treibt.
Die folgende Version ist eine, die nach der Beschäftigung mit der Frage nach den Ursprüngen des
Weihnachtsbaums am plausibelsten erschien - wie gesagt: sie ist nur eine von vielen möglichen
Antworten und begreift sich keineswegs als die einzige richtige. Fangen wir mit der christlichen
Datierung des Weihnachtsfestes an, als dessen Symbol der Weihnachtsbaum mit im Zentrum steht.
Das Weihnachtsfest wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in Rom im 4. Jahrhundert nach der Geburt
Christi auf den 25. Dezember datiert: Um das Christentum erfolgreich zu verbreiten, bestand die
Notwendigkeit, festgelegte und einheitliche Termine für die religiösen Festtage zu finden. Da für die
Geburt Christi in der Bibel kein genaues Datum angegeben ist, musste also erst ein passender Termin
gefunden werden. Nun gab es im römischen Reich die weit verbreitete vorchristliche Mithrasreligion
in dessen Zentrum die Verehrung der "sol invictus", der unbesiegbaren Sonne, stand: Das Hauptfest
dieser "heidnischen" Religion wurde am 25. Dezember als dem Tag der Sonnenwende gefeiert, wobei
zu Ehren der neu aufsteigenden "Siegerin Sonne" große Feuer angezündet wurden. Die Kirchväter der
ersten Stunden ahnten wohl, dass die im Naturgeschehen verwurzelten Bräuche der vorchristlichen
Religionen nicht so einfach auszurotten gewesen wären und datierten strategisch geschickt das
zweitwichtigste Fest des Christentums auf den 25. Dezember, den vom Sonnenkult bestimmten Tag...

Da dem Fest der Erscheinung Christi auf Erden vom Neuen Testament her das Symbol des Lichts, das
in der Finsternis ausstrahlt, innewohnt, ließ sich Christus und der Sonnenkult über die beiden
gemeinsame Lichtsymbolik gut miteinander kombinieren. Aber nicht nur in der römischen, sondern
auch in anderen Kulturen im heutigen Europa wurde bereits vor der Christianisierung die
Sonnenwende als der kosmische Wendepunkt des Jahres gefeiert. Dabei erscheint es jedoch durchaus
nachvollziehbar, dass im entbehrungsreichen und kalten Winter die Wiederkehr der Sonne ein Anlass
zu Umzügen, Tanz und großer Freude war, weil sie für die Menschen eine tiefe existentielle
Bedeutung hatte: Von dem Licht und der Wärme der Sonne, das im Frühjahr erneut die Saat
aufkeimen ließ und neue Nahrung brachte, hing das eigene Überleben ab - eine Situation, die wir uns
heute in Zeiten des internationalen Nahrungs- und Rohstoffhandels erst wieder ins Gedächtnis rufen
müssen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich unser heutiges Wort "Weihnachten" vom
Mittelwinterfest und nicht vom Geburtsfest Christi herleitet. Verfolgt man die Wortgeschichte unserer
heutigen Bezeichnung "Weihnachten", so zeigt sich ein direkter Zusammenhang mit der
Wintersonnenwende: Etymologisch beruht die Form "Weihnachten" (mittelhochdeutsch: wihennahten)
auf einem alten mittelhochdeutschen Dativ Plural "zu wihen nahten", was soviel wie "in den heiligen
Nächten" bedeutet. Damit waren ursprünglich die schon in germanischer Zeit gefeierten
Mittwinternächte gemeint. Streng genommen verweist also die Bezeichnung "Weihnachtsbaum" auf
die heidnisch-germanische, die Bezeichnung "Christbaum" hingegen auf die christliche Tradition.
Eine Sitte der Mittwinterzeit war das Hineinholen eines sogenannten "Wintermaien" ins Haus: oftmals
waren dies Obstzweige, die zum Blühen gebracht wurden oder aber der "grüne Zweig", der seit jeher
Schutz und Fruchtbarkeit versprach. Da es aber nicht immer gelang, die Obstbaumzweige pünktlich zu
den Mittwinternächten zum Blühen zu bringen, setzte sich wahrscheinlich mit der Zeit der
immergrüne Zweig durch. Aus diesem wiederum entwickelte sich etwa im 16. Jahrhundert der
stehende, geschmückte Wintermai als ein Gemeinschaftsbrauch. Diese Form des Wintermaien war der
direkte Vorläufer des "Weihnachtsbaums", der sich dann bei den häuslichen Familienfesten
einbürgerte. Erst im 18. Jahrhundert wurde der ursprünglich vorchristliche Brauch christlich
umgedeutet, nachdem allerlei Versuche der Christlichen Kirche, das heidnische Brauchtum zu
verbieten, fehlgeschlagen waren: Dazu war der Glaube an die segenbringende Kraft des
Weihnachtsmaien bzw. des Weihnachtsbaumes zu tief im Volk verwurzelt.

Das könnte Ihnen auch gefallen