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Wirtschaft

15. Oktober 2013 17:43 Tod von Haribo-Chef Hans Riegel

Der alte Mann und der Bär


Von Stefan Weber

Mit dem "Goldbären"-Geheimrezept machte Hans Riegel aus der


Bonbonkocherei seines Vaters den größten Fruchtgummi-Konzern Europas.
Für neue Produkte ließ er sich von Micky-Maus-Heften und der Playstation
inspirieren. Um alles hat Riegel sich bis zu seinem Tod persönlich gekümmert
- nur nicht um einen Nachfolger.

Montagmorgens, so erzählen seine Mitarbeiter, sei Hans Riegel immer besonders


aufgeräumt ins Büro gekommen. Dann habe er nur so gesprüht vor Tatendrang.
Samstags und sonntags hatte der Chef stets viel Zeit, um über neue Produkte
nachzudenken. Über Fruchtgummigestalten oder Schaumzuckerfiguren zum
Beispiel. Um zu wissen, was bei Kindern angesagt ist, griff Riegel gern zu Micky
Maus-Heften, spielte Playstation oder zappte im Kinderkanal. "Da kommen mir die
besten Ideen", bekannte er.

Hans Riegel, 90, der am Dienstag an einem Herzversagen verstorbene Chef des
Bonner Süßwarenherstellers Haribo, hielt sich für unabkömmlich in der Firma. Kaum
ein wichtiger Brief, der nicht über seinen Schreibtisch ging. Keine größere
Entscheidung, zu der er nicht persönlich gefragt werden wollte. Einen Nachfolger
aufbauen? Die Verantwortung in jüngere Hände geben? Bei diesen Fragen ist der
kinderlose Riegel stets einsilbig geworden.

Erfolgsgeschichte einer Bonbonkocherei


"Ich kann einfach nicht aufhören, weil mein Leben dann keinen Sinn mehr hätte." So
ehrlich hat er es einmal in seinem rheinischen Dialekt formuliert. Warum auch
loslassen, hatte er sich gefragt. Wo er doch fast bis zuletzt immer so fit gewesen
war. Sogar seinen Hubschrauber, mit dem er zwischen dem Firmensitz und der
Privatwohnung in Österreich pendelte, steuerte er bis hoch in den Achtzigern selbst.
Vor allem aber: Es läuft doch gut bei Haribo, betonte er stets. Warum also
etwas ändern?

Haribo
Firmenpatriarch Hans Riegel verstorben
Der Chef des Gummibärchen-Herstellers Haribo
ist tot. Der Firmenpatriarch und Sohn des
Konzerngründers starb im Alter von 90 Jahren.
Tatsächlich ist Haribo (die Kurzform von Hans Riegel Bonn) eine der großen
wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten aus dem Nachkriegsdeutschland. Gegründet von
Hans Riegels Vater Hans als kleine Bonbonkocherei in einem Bonner Hinterhof, ist
das Unternehmen heute Europas größter Hersteller von Fruchtgummi und Lakritz.

Mit einem Umsatz von mehr als 1,8 Milliarden Euro, über 6000 Mitarbeitern weltweit
und einem Bekanntheitsgrad, von dem Konzerne wie Nestlé oder Unilever nur
träumen. "Haribo macht Kinder froh" - mit diesem Spruch hatte Hans Riegel senior
schon in den dreißiger Jahren geworben. Sein Sohn reanimierte den Slogan 1962
und ergänzte ihn: . . .und Erwachsene ebenso". Soviel Kontinuität beim Marketing
ist selten.

Wunderwaffe "Goldbären"-Rezept
Hans Riegel junior musste früh Verantwortung übernehmen. Als er 1946 aus der
Kriegsgefangenschaft zurückkam, war sein Vater gestorben. Zusammen mit dem
vier Jahre jüngeren Bruder Paul übernahm er die kleine darbende Süßwarenfirma.
Aber sie besaßen eine Wunderwaffe: das Rezept für den "Goldbären". Ein Tier aus
Fruchtgummi, dem schon Schauspieler Heinz Rühmann und Schriftsteller Erich
Kästner verfallen gewesen sein sollen. Konrad Adenauer soll es in seiner Schublade
versteckt gehalten haben, und Keith Haring machte den Goldbären später sogar
zur Kunst.

Rund um ihren Produkt-Star formten die Riegel-Brüder ein riesiges Sortiment. Zum
Beispiel die berühmte Lakritzschnecke, die Haribo-Mitarbeiter lange Zeit mit der
Hand aufrollten. Bis der Tüftler Paul eine Maschine erfand, die diese Arbeit erledigte.
Die Familienfirma eilte von Erfolg zu Erfolg. Und das stets ohne Bankschulden. Die
Aufgaben war dabei klar geteilt: Paul war für die Produktion zuständig, Hans
kümmerte sich ums Marketing.

Und um alles andere - nur nicht um den Aufbau eines Nachfolgers. Zwar erklärte er
seinen Neffen und Patensohn 2004 zum Erben. Aber dann hielt er ihn solange hin,
dass dieser absprang. Auch als Paul 2009 starb, war das für den Herrn der
Gummibären kein Grund, seine Nachfolge zu regeln. Sein hälftiger Anteil an der
Firma geht in eine Privatstiftung. Die andere Hälfte gehört den vier Kindern
des Bruders.

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der-baer-1.1795659
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Quelle: SZ vom 16.10.2013/sks
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