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Winfried Görke

Datum und Kalender


Von der Antike bis zur Gegenwart

13
Sachverzeichnis

A G
Abkürzungen, 4 Gleichzeitigkeit, 111
Ära
byzantinische, 80 H
christliche, 34, 69 Hedschra, 35, 46, 48
Diokletian, 4 Helligkeit, 12, 128
Nabonassar, 32 Himmelsäquator, 1, 12, 13, 15, 34
seleukidische, 67 Himmelsstamm, 51
varronische, 68
Welt-, 80, 121 I
Indiktion, 34, 70, 80, 90, 110
C Inexperiode, 132
Codex, 29
Computus, 17, 80, 85, 86, 99, 111 J
Jahr
D bürgerliches, 25, 35
Datum, 35, 49, 85, 149 gregorianisches, 5
Datumsdifferenz, 7, 75, 104, 113 ISO-, 21
Datumsgrenze, 8–10 julianisches, 5, 16, 21, 33, 81
Doppelepakten, 75, 100, 101, 120 rituelles, 25
siderisches, 62
Jahreslänge
E siderische, 14
Ekliptik, 12, 34, 50, 56, 62, 127, 130 tropische, 14, 37
Ellipse, 14, 62, 128
Epakten, 48, 75, 80, 88, 90, 94, 110 K
Änderung, 75, 104 Kalender, 81
des Beda, 92 ägyptischer, 32
des Lilius, 94, 103 alexandrinischer, 33, 80
gregorianische, 103 armenischer, 33
zukünftige, 114 astronomischer, 47
Epoche, 81 Azteken-, 26, 31
christliche, 69 Bahai-, 39
Erdzweig, 51 bürgerlicher, 3, 4, 33, 48
Exeligmos, 132 chinesischer, 50
immerwährender, 99
F indischer, 61
Finsternis iranischer, 35
Halbschatten-, 128, 138 islamischer, 45
Kanon, 143 ISO-Wochen-, 23
Periode, 130 jüdischer, 16, 70, 71, 79, 120
totale, 128 julianischer, 4, 34, 69, 87
Frühlingspunkt, 5, 12, 23, 34, 62, 83, 103 Revolutions-, 34, 40, 145
Frühlingsvollmond, 6, 48, 73, 90, 113, 118 römischer, 34, 67, 89

W. Görke, Datum und Kalender, 163


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
164 Sachverzeichnis

Kalenderreform, 97, 119 P


Kalenderrunde, 26, 28 Passah, 73, 120
Kalenderstein, 19, 26, 29, 91, 106 Polarstern, 11, 13
Kettenbruch, 45, 132 Präzession, 12, 32, 36, 50, 51, 63, 83
Konjunktion, 127
S
L Sarosfamilie, 132
Lunation, 49, 127, 133, 136 Saroszyklus, 130
Lunisolarkalender Satelliten, 11
chinesischer, 53 Schaltjahr
gregorianischer, 4 Anzahl, 38
zyklischer, 67 Berechnung, 57
Doppel-, 23
M iranisches, 37
Monat ISO-, 23
synodischer, 15, 127 Mond-, 77
Mondalter, 46, 75, 88, 91, 96, 107, 114 Sonnen-, 75
Mondbewegung Schaltmonat, 45, 48, 56, 62, 67, 71, 88, 99
Ungleichheit der, 50 Schaltregel
Mondfinsternis, 128 gregorianische, 37, 103
totale, 137 julianische, 69, 86
Mondjahr, 45 neue, 149
Mondkalender, 45, 67 Schaltsekunde, 147
gregorianischer, 73, 75, 77, 104 Schalttag, 5, 16, 22, 33, 45, 69, 83, 97, 104,
indischer, 61 113, 149
julianischer, 73, 74 Schattenplaneten, 62
Mondknoten, 129 Sekunde, 4, 147
Mondmonat, 53, 62 Sonnenfinsternis, 128
drakonitischer, 14 totale, 133
synodischer, 15 Sonnenjahr
Mondsprung, 56, 73, 85, 88, 92, 94, 101, astronomisches, 5
115 gregorianisches, 23, 97
Mondumlauf, 6, 16, 40, 53, 72, 77, 99, 107, Halbmonate, 51
127 julianisches, 86
Korrektur, 96
N tropisches, 5
Neujahr Sonnenkalender
chinesisches, 55 arithmetischer, 34
indisches, 62 astronomischer, 34
iranisches, 36, 40 gregorianischer, 5, 6, 21
jüdisches, 72 Sonntagsbuchstabe, 21, 22, 85, 116
Neujahrstag, 22, 30, 37, 63, 73, 78 Sothisperiode, 130
Neulicht, 46, 48, 75, 92, 97 Sternbilder, 12
Neumond, 92, 97 Sternzeichen, 12, 62, 65

O T
Opposition, 128 Tag
Osterdatum, 6, 111 dezimaler, 148
Osterfestberechnung, 6, 17, 85, 112 julianischer, 21, 79, 81
Ostergrenze, 74, 85, 91, 97, 104, 113 Tag- und Nachtgleiche, 13
Ostertabelle, 91 Tagesbuchstabe, 21, 93, 104, 116
Osterzyklus, 120 Tierkreis, 13, 83
Sachverzeichnis 165

U Z
Umlaufzeit Zahlen
der Sonne, des Mondes, 15 chinesische, 55
mittlere, 87 Goldene, 72, 86, 91, 96, 104, 119
Satelliten-, 11 Zählung
siderische, 62 kurze, 29
lange, 24, 29
V Zeitgleichung, 50
Vorhersage Zeitmessung, 3, 16, 50, 85, 147
Finsternis-, 129, 142 Zyklus
19-Jahre-, 56, 62, 67, 72, 77, 88, 113
W Finsternis-, 136
Wandeljahr, 16, 25, 32, 33, 81, 130 Sonnen-, 5, 22, 23, 80, 85, 92, 110
Weltzeit, 38, 46, 147 Zykluslänge, 138
Woche, 5, 70
gregorianische, 23
Wochentag, 5, 21, 33, 46, 72, 80, 90, 111,
119, 150
Winfried Görke
Institut für Technische Informatik
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
76128 Karlsruhe
Deutschland
goerke@ira.uka.de

ISBN 978-3-642-13147-9â•…â•…â•…â•… e-ISBN 978-3-642-13148-6


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6
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Für Susanne und Johannes mit Christine
sowie Sophia Luise und Benjamin Liam Görke
Vorwort

Kalenderfragen beschäftigen den einen oder anderen bereits in jungen Jahren, denn
sie versuchen Regelmäßigkeiten zu ergründen, die zu einem Verständnis des Jah-
resablaufs führen. Das gelingt leicht bei der Bestimmung des Wochentags relativ
zur Gegenwart oder der nicht beweglichen Feste wie Weihnachten, misslingt aber
gründlich bei den beweglichen Festen von Aschermittwoch bis Pfingsten. Ferner
ergibt eine Beschäftigung mit den historischen Bezügen zur modernen Informatik
rasch Hinweise auf den Computus, die mittelalterliche Wurzel des Begriffs Com-
puter, der gedankenlos ins Deutsche Eingang gefunden hat, ohne dass sich heutige
Benutzer dessen Herkunft bewusst machen. Der Beginn des Ruhestands bot mir die
äußerst interessante Gelegenheit zu einem vertieften Eindringen in die Beiträge zur
Geschichte der Informatik, die im Rahmen einer Vorlesung an der damaligen Uni-
versität Karlsruhe ausgearbeitet und mehrfach vorgetragen werden konnten.
Rasch stellte sich bei dieser Tätigkeit heraus, dass es sich um ein Gebiet ohne
Anfang und Ende handelt. Nicht nur die Kalender und damit verbunden Angaben
zum Datum haben seit Urzeiten Mathematiker und Astronomen beschäftigt, auch
Messinstrumente wollten als Handwerkszeug dazu ersonnen und aufgebaut werden.
Die mit ihnen gewonnenen Messdaten wurden von den Wissenschaftlern festge-
halten. Sie bilden seit der Antike einen wichtigen Teil der wissenschaftlichen Li-
teratur, der nicht zuletzt auch zum Weltbild führte, das unsere Umwelt beschreibt.
Heute sind programmierbare Rechner unser Werkzeug, mit dem wir ständig unsere
Umgebung beeinflussen und Alltag wie Freizeit für jedermann verändern. Vieles
wird dabei in weniger als einem Menschenalter ausgemustert und gilt als überholt,
obwohl es vormals Geräte waren, in denen sich Erfindungen niederschlugen oder
Ideen implementieren ließen.
Bereits die Dokumentation des Zeitablaufs allein, wie sie durch Datum und Ka-
lender ermöglicht wird, bildet einen Themenkreis, der sich kaum erschöpfend be-
handeln lässt, hat er doch Jahrhunderte hindurch Chronologen und Kalenderdrucker
beschäftigt. Will man eine kurze Erläuterung der wichtigsten Grundlagen unseres
Kalenders zusammenstellen, merkt man bald, dass sich hier ein ganzes Spezial-
gebiet öffnet. Auch eine Berührung anderer Kulturkreise ist dabei nicht zu vermei-
den. Aber gerade sie erlauben ein vertieftes Verständnis der nicht ganz einfachen
Zusammenhänge, die die Bewegung der drei Himmelskörper Sonne, Mond und
Erde gegenüber dem Fixsternhimmel bewirken. Sie sollen in diesem Buch genauer
untersucht und beschrieben werden, wobei der Standpunkt der Informatik einen
Ausgangspunkt bildet. Doch nicht eine vollständige Behandlung oder die Anga-
be von Rechenvorschriften bilden das Ziel der Darstellung, sondern der Versuch

vii
viii Vorwort

einer sachlichen Beschreibung, die zum Verständnis auch von Laien beitragen soll.
Früher waren dazu Tabellen nützlich, die wie immerwährende Kalender beliebige
Datumsangaben zu bestimmen erlauben. Die wichtigsten finden sich auch hier im
Anhang. Jedoch stehen dem heutigen Leser über das Internet andere Möglichkeiten
zur Verfügung, die es ihm präzise erlauben, ein beliebiges Datum in jedem der be-
handelten Kalender anzugeben. Folglich genügt ein Hinweis auf die entsprechen-
den Netzadressen.
Der Verfasser ist sich bewusst, dass die vorliegenden Abschnitte nur eine Ein-
führung sein können. Vielleicht kann sie zu den behandelten Themen Anregungen
zu eigenen Fragen geben, die u.€U. an anderer Stelle beantwortet werden oder aber
einen Rückgriff auf die Literatur erfordern, die umfassend, wenn auch keineswegs
vollständig, angegeben wird. Oft sind es die Feinheiten, die zu der überraschenden
Erkenntnis führen, dass man die Verhältnisse so noch gar nicht gesehen hatte. Wird
auf diese Weise das Nachdenken angeregt, ist ein wesentliches Ziel erreicht.
Oft wird heute gesagt, dass Bücher eigentlich gar nicht mehr notwendig sind,
denn alles Grundlegende findet man längst im World Wide Web, zu dem die Zu-
griffe inzwischen zum Alltag gehören. Leider ist dem nicht immer so: der Leser
mag selbst prüfen, ob er eine für ihn überraschende Aussage mit eigener Suche hätte
finden können. Auch hier werden die Verweise zur Literatur nützlich sein.
Abschließend noch eine Bemerkung zur Korrektheit der Angaben und Aussagen.
Der Verfasser hat sich um größtmögliche Sorgfalt bemüht, kann aber dennoch nicht
ausschließen, dass Fehler unbemerkt blieben oder Vermutungen falsch sind. Er ist
daher für jeden Hinweis auf diesbezügliche Mängel dankbar. Dank gebührt zuerst
Prof. Dr. H. Zemanek für eine anregende Korrespondenz über manche Hintergründe
der Kalenderrechnung. Besonderer Dank gilt seinen Kollegen Prof. Dr. Siegfried
Wendt, Prof. Dr. Jochen Beister und Prof. Dr. Peter Deussen für ihre Anregungen
und Hinweise. Nicht vergessen werden soll der Dank an Barbara Görke für gedul-
diges Zuhören, leise Kritik, klugen Rat und die Übernahme der vielen Alltagsarbei-
ten, für die die erwartete Unterstützung so lange ausblieb.
Schließlich soll die gute Zusammenarbeit mit dem Springer-Verlag und dort mit
Herrn H. Engesser und Frau D. Glaunsinger ausdrücklich erwähnt werden, ohne die
das Erscheinen dieser Darstellung kaum möglich gewesen wäre.

Karlsruhe Winfried Görke


November 2010
Inhalt

1 Datumsangaben weltweit ����������������������������������尓������������������������������������尓���� ╇╅ 1


1.1â•…Einführende Bemerkungen und Grundlagen ����������������������������������尓���� ╇╅ 3
1.2â•…Der bürgerliche Kalender in Europa ����������������������������������尓���������������� ╇╅ 4
1.3╅Ostern heute ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������� ╇╅ 6
1.4╅Datumsgrenze ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������� ╇╅ 8
1.5╅Ein Blick zum Himmel ����������������������������������尓������������������������������������尓� ╅ 10
1.6â•…Astronomische Umlaufzeiten als Grundgrößen für Kalender ������������ â•… 14
1.7╅Ausblick auf die folgenden Kapitel ����������������������������������尓������������������ ╅ 16
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╅ 17

2 Sonnenkalender ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������� ╅ 19


2.1â•…Tageszählung ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������� â•… 21
2.2╅Gregorianischer Sonnenkalender und ISO-Jahr ��������������������������������� ╅ 21
2.3╅Zyklische oder arithmetische Sonnenkalender ����������������������������������尓� ╅ 24
2.3.1╅Tagesangaben im alten Mexiko ����������������������������������尓������������ ╅ 24
2.3.2â•…Sonnenkalender im alten Ägypten und im Orient ������������������ â•… 32
2.4╅Astronomische Sonnenkalender ����������������������������������尓����������������������� ╅ 34
2.4.1╅Iranischer Kalender ����������������������������������尓������������������������������ ╅ 34
2.4.2╅Andere astronomische Sonnenkalender ��������������������������������� ╅ 39
2.5╅Zusammenfassung ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� ╅ 40
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╅ 41

3 M
 ondkalender und astronomische Lunisolarkalender ������������������������� ╅ 43
3.1╅Islamische Kalender ����������������������������������尓������������������������������������尓����� ╅ 45
3.2╅Der alte chinesische Kalender ����������������������������������尓�������������������������� ╅ 50
3.3╅Indische Kalender ����������������������������������尓������������������������������������尓��������� ╅ 61
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╅ 64

4 Z
 yklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa ������������������ ╅ 65
4.1╅Geschichtliche Entwicklung ����������������������������������尓����������������������������� ╅ 67
4.2â•…Jüdischer Mondkalender ����������������������������������尓���������������������������������� â•… 70
4.3╅Julianischer und gregorianischer Mondkalender ������������������������������� ╅ 73
4.4╅Vergleich der drei Lunisolarkalender ����������������������������������尓��������������� ╅ 77
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������� ╅ 82

ix
x Inhalt

5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform ����������������������������������尓������������ ╇╅ 83


5.1╅Vorbemerkungen ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� ╇╅ 85
5.2╅Julianischer Sonnenkalender ����������������������������������尓�������������������������� ╇╅ 86
5.3╅Synchronisation von Sonne und Mond im julianischen Kalender ��� ╇╅ 87
5.4╅Epakten im Mittelalter ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇╅ 90
5.5╅Epakten des Lilius ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇╅ 94
5.6â•…Goldene Zahlen und immerwährender Kalender ����������������������������� ╅╇ 98
5.7╅Die gregorianische Kalenderkorrektur ����������������������������������尓����������� ╅ 103
5.8╅Mathematisch-astronomische Betrachtungen ����������������������������������尓 ╅ 105
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������� ╅ 108

6 Z
 ur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa ��������� ╅ 109
6.1╅Osterfest am gleichen Tag ����������������������������������尓������������������������������ ╅ 111
6.2╅Berechnung des Osterdatums ����������������������������������尓������������������������� ╅ 112
6.3â•…Zukünftige Epakten des gregorianischen Kalenders ������������������������ â•… 113
6.4â•…Bedingung für die Gleichzeitigkeit des Ostersonntags �������������������� â•… 116
6.5â•…Ostern und das jüdische Passahfest ����������������������������������尓���������������� â•… 120
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������� ╅ 122

7 S
 onnen- und Mondfinsternisse ����������������������������������尓���������������������������� ╅ 125
7.1╅Der Mondumlauf um die Erde ����������������������������������尓����������������������� ╅ 127
7.2â•…Bedingungen für Sonnenfinsternisse ����������������������������������尓�������������� â•… 129
7.3╅Finsternisse in der Gegenwart ����������������������������������尓������������������������ ╅ 133
7.4â•…Periodizitäten der Mondfinsternisse genauer betrachtet ������������������ â•… 137
7.5â•…Vorhersagemöglichkeiten der Finsternisse ����������������������������������尓����� â•… 141
7.6â•…Schlußfolgerungen ����������������������������������尓������������������������������������尓����� â•… 143
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������� ╅ 144

8 Z
 ukunftsvorschläge ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� â•… 145
8.1╅Messung der Zeit ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� ╅ 147
8.2╅Kalenderverbesserungen ����������������������������������尓�������������������������������� ╅ 149
Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������� ╅ 150

Anhang ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓� ╅ 151╅

Antworten zu den Fragen im Text ����������������������������������尓����������������������������� ╅ 159╅

Personenindex ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������� ╅ 161

Sachverzeichnis ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������� ╅ 163


Kapitel 1
Datumsangaben weltweit

Zenit

Stunden- Himmelspol
winkel
t
Äq

Sonne Breite
ua

n
io
to

at
r

lin

So
ek

nn
δ
D

en
ba
Höhe hn
h

Horizon
t

Bild 1↜渀 Zu einigen Begriffen der Astronomie

Steht die Sonne für nördliche geographische Breiten im Sommer höher als der Him-
melsäquator, ergibt sich eine positive Deklination als Winkel zwischen Äquator und
Ekliptikebene, in der sich die Sonne scheinbar bewegt. Ihre Höhe wird vom Hori-
zont aus gemessen. Der Stundenwinkel bezieht sich auf den Meridiandurchgang
hier links im Bild, er ist zu diesem Zeitpunkt Null und folglich in Bild 1 negativ.
Durch eine Beobachtung der Sonne lässt sich mit Hilfe des Stundenwinkels t, der
Deklination δ und der geographischen Breite φ die Zeit bestimmen.

W. Görke, Datum und Kalender, 1


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_1, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
1.1 Einführende Bemerkungen und Grundlagen 3

1.1 Einführende Bemerkungen und Grundlagen

Kalender bilden den Zeitablauf ab, um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu


beschreiben. Ein Datum benennt dabei bestimmte, einzelne Zeitpunkte. Vorbild
ist hier das menschliche Lebensalter, so dass die interessante Zeitperiode 50 bis
100 Jahre umfasst, im Hinblick auf die Vergangenheit auch deutlich mehr, auf die
Zukunft eher weniger. Die Wandkalender oder gedruckten Taschenkalender geben
ein gutes Bild der Situation: Man kauft sie im Dezember für das Folgejahr, wo-
bei in ihnen bereits alle Datenangaben, Feste und Feiertage vorgegeben sind, oft
auch Angaben zu Schulferien, Messen usw. Bessere Kalender enthalten auch die
Mondphasen, Sonnenauf- und -untergänge und gelegentlich Angaben zu Tageshei-
ligen. Auf jeden Fall sollte mehr oder weniger viel Platz für eigene Eintragungen
vorgesehen sein, zum Beispiel besondere Terminvormerkungen, Tagebuchnotizen,
Urlaubspläne, jeweils nach persönlichen Wünschen. Mit Wetterangaben und allge-
meinen Ereignissen aus Natur oder Politik entsteht aus den Eintragungen in einem
solchen Kalender ein Datengerüst für geschichtliche Betrachtungen. Zahlreiche ge-
schichtliche Quellen benutzen datierte Angaben zu historischen Ereignissen z.€B.
auf Inschriften oder Urkunden. Der Kalender erlaubt dadurch auch einen Rückblick
auf die nahe oder ferne Vergangenheit.
Der bürgerliche Kalender vereinheitlicht diese Datierung für politisch festge-
legte Bereiche (z.€ B. ein oder mehrere Länder). Tagesabläufe bilden den Mittel-
punkt dieser groben aber langfristigen Zeitmessung, die der Kalender fortlaufend
festlegt. Der Tag bildet somit dessen natürliche Basis. Größere Einheiten sind Wo-
che, Monat, Jahr, kleinere Abschnitte bilden Stunde, Minute und Sekunde. Hier und
im folgenden Text ist der Tag die Grundeinheit für alle Betrachtungen. Dadurch
ist auch eine Erweiterung auf die ganze Welt denkbar, denn überall auf der Erde ist
der gleiche Bezug möglich, auch wenn Verschiebungen um einige Stunden notwen-
dig werden (z.€B. für Asien oder Amerika). Ganz offensichtlich gilt das aber nicht
für die Raumfahrt, da außerhalb des Nahfeldes der Erde deren Tagesablauf nicht
beobachtbar ist oder von anderen Bedingungen als auf der Erde abhängt. Deshalb
wird dort eine andere Zeitmessung notwendig, auf die später eingegangen wird.
Ein verwirrender Aspekt von Datumsangaben ist der Umstand, dass ursprünglich
immer Ordinalzahlen, nicht Kardinalzahlen zur Tagesdatierung verwendet wurden.
Das geschieht im Gegensatz zu Angaben der Tageszeit, wo z.€B. 0:00:16 Uhr soviel
wie 16€s nach Mitternacht bedeutet, noch keine volle Stunde oder Minute ist abgelau-
fen. Eine Null gibt es aber nicht bei Datumsangaben, so dass die Vervollständigung
dieser Zeitangabe für den Anfang des Jahres 2010 zwar zum 1.1.2010 – 0:00:16
Uhr führt, aber weder ein voller Tag noch ein Monat zu dieser Zeit abgelaufen sind.
Dies ist eine der Inkonsequenzen im Kalenderwesen, die sich durch lange Tradition
eingebürgert haben und kaum zu ändern sind. Bei Jahresangaben wie 13.7.2010 be-
deutet das, dass das 2010. Jahr nach der Geburt Christi gemeint ist, erst 2009 volle
Jahre vergangen sind. Damit wird klar, dass diese Geburt den Anfangspunkt unserer
Ära bildet, also nur erste, zweite usw. Jahre vorher oder nachher bei geschichtli-
chen Angaben auftreten. Ein Jahr Null gibt es folglich nicht, so wenig wie „nullte“
4 1 Datumsangaben weltweit

Tage oder Monate. Die russische Sprache benutzt für Jahresangaben noch heute
diese grammatische Form. Auch die Regierungszeit von Fürsten wird so gezählt. So
beginnt die Ära nach Diokletian am 29.8.284 mit dem Beginn seines ersten Regie-
rungsjahrs, obwohl er erst am 17.11.284 zum Kaiser ausgerufen wurde. Allerdings
benutzen die Chronologen heute auch Kardinalzahlen zur Berechnung unterschied-
licher Zeiträume. Dann wird eine Datierung mit dem Jahr Null möglich, z.€B. für
1€v.€Chr., so dass 2€v.€Chr. auch −1 genannt werden kann und −752 julianisch dem
Jahr 753€v.€Chr. entspricht, in dem Rom gegründet worden sein soll. Man beachte,
dass dann die Unterscheidung v.€Chr. bzw. n.€Chr. entfällt, vielmehr unsere heutige
bürgerlich Ära mit nur indirektem Bezug zum Christentum gemeint ist. Cäsar starb
danach an den Iden des März −43 unserer Ära statt 44€v.€Chr.
Bekanntlich hat unser Tag 24 Stunden zu 60 Minuten, jede Minute 60 Sekunden.
Diese Werte können auch dezimal ausgedrückt werden: 18€h entsprechen 0,75€d.
Abkürzungen dabei erleichtern die Angabe von Einzelheiten, so dass sich a für
Jahr, mon oder m für Monat, w für Woche, d für Tag, h für Stunde, min oder m für
Minute und sec oder s für Sekunde hierzu empfehlen. Der Kontext erleichtert hier-
bei die Interpretation.
Die Feinheiten kürzerer Zeiteinheiten, die zur Messung von sehr kurzen Zeit-
abläufen notwendig sind, sollen hier nicht erläutert werden. Eigentlich ist die Se-
kunde durch die Schwingungsdauer des Cäsiumatoms festgelegt. Dies ist eine phy-
sikalische Definition, die zur Folge hat, dass man die genaue Tageslänge überprüfen
kann. Sie weicht vom Wert der bürgerlichen Sekunde ganz leicht ab, wird sogar im-
mer länger, was durch gelegentliche Schaltsekunden am Jahresende ausgeglichen
wird. Doch braucht uns das hier nicht zu interessieren, denn für Kalenderbetrach-
tungen lässt sich die Tageslänge von Mittag zu Mittag über den Sonnendurchgang
durch den Meridian festlegen. Deren Unterteilung führt zur bürgerlichen Sekunde
des mittleren Sonnentags, von denen 24 mal 60 mal 60 oder 86 400€s zur Tageslänge
führen. Genaueres hierzu findet man im Kapitel€8.

1.2 Der bürgerliche Kalender in Europa

Seit 1582 gibt es den gregorianischen Lunisolarkalender, eine reformierte Ver-


sion des bis dahin mehr als 1000 Jahre in Europa gültigen julianischen Kalenders.
Dieser war ursprünglich ein von Julius Cäsar (100–63 v. Chr.) und Kaiser Augustus
(63 v. Chr.–14 n. Chr.) im römischen Reich eingeführter Solarkalender. Reformiert
ist er heute jedermann geläufig, bestimmt sich nach ihm doch der Jahresablauf.
Nicht so geläufig ist dagegen der Unterschied zwischen beiden Kalendern, d.€h. die
bei der Reform notwendigen Änderungen und die Willkürlichkeiten dabei. Nach
jeweils drei Jahren zu 365 Tagen folgt julianisch ein Schaltjahr mit 366 Tagen.
Einfache Regeln hierbei sind nützlich, so dass alle durch 4 teilbaren Jahreszahlen
Schaltjahre angeben. Der eingeschaltete Tag ist heute der 29. Februar, wie jeder
weiß. In Rom und noch im Mittelalter wurde der 24. Februar verdoppelt.
1.2 Der bürgerliche Kalender in Europa 5

Weil das astronomische Sonnenjahr nur 365€ d 5€ h 48€ m 46€ s dauert
(atrop╛=╛365,24219€d), ist das julianische Jahr um 11€m 14€s zu lang (ajul╛=╛365,25€d).
Das ist nicht viel, doch kumuliert sich die Abweichung von Jahr zu Jahr, so dass in
400 Jahren ungefähr 4400€min und 5600€s anfallen. Das sind 73€hâ•›+â•›20€mâ•›+â•›93€mâ•›+â•›20€s
oder 3€d 2€h 53€m 20€s zuviel. Also müssen alle 400 Jahre drei Schalttage entfallen.
Genau das sieht der gregorianische Sonnenkalender vor, indem alle Jahrhundertan-
fänge, die nicht durch 4 teilbar sind, gewöhnliche Jahre zu 365 Tagen geworden sind,
also zum Beispiel 1900, 2100, während 2000 ein Schaltjahr blieb, wie sich mancher
Leser noch erinnern wird. Man bestimmt die astronomische Jahreslänge, tropisches
Sonnenjahr genannt, über den scheinbaren Sonnendurchgang durch den Frühlings-
punkt am Fixsternhimmel. Auch der verändert sich, doch lässt er sich für unsere Be-
trachtung als fest annehmen, ohne dass unmittelbar Fehler daraus entstehen.

Frage 1:╇ Wie lang ist der Sonnenzyklus im gregorianischen Kalender, nach dem
sich die Zuordnung der Wochentage zu jedem Datum genau wiederholt? (Die Ant-
worten zu allen Fragen findet man im Anhang.)

Leider bleibt immer noch der Rest von fast 3 Stunden alle 400 Jahre übrig, denn das
gregorianische Jahr ist noch immer 26€sec zu lang (agreg╛=╛365,2425€d). Doch wird
das zugunsten der einfachen Schaltregel vernachlässigt. Mit gutem Grund übrigens,
denn es sind ja mehr als 8 Zyklen von 400 Jahren notwendig, bis sich ein weiterer
überflüssiger Schalttag akkumuliert hat. Man hat also gut Zeit, sich auf eine Lö-
sung dieses Problems zu einigen, wird mindestens weitere 1000 Jahre mit dem nur
angenäherten gregorianischen Sonnenjahr leben können. Vielleicht überlegt man
sich auch weitere Änderungen des gregorianischen Kalenders, die heute als Un-
regelmäßigkeiten erkennbar sind. Dazu gehört die ungleiche Monatslänge von 7
mal 31, 4 mal 30 und einmal 28€d, sieht man vom Schalttag ab. Sie ist logisch nicht
begründbar und hängt nur von der überlieferten Tradition ab. Man wollte bei der
Reform den julianischen Kalender so wenig wie möglich ändern, obwohl damals
die beiden erwähnten römischen Staatsmänner schon arg in Vergessenheit geraten
waren, nach denen ja zwei unserer Monate benannt sind. Aber wie soll man das
machen, wenn weder 365 noch 366 durch 12 teilbar sind? Auf jeden Fall scheiden
gleich lange Monate aus.
Etwas besser verhält es sich mit der Woche. Sie läuft seit Urzeiten sich stets
wiederholend mit ihren 7 Tagen ab, übrigens ganz unabhängig vom Monatsdatum.
Auch der Schalttag ändert diesen Zyklus nicht, so dass man ihn auch bei der Reform
1582 unverändert ließ. Leider ist die Jahreslänge nicht durch 7 teilbar. Deswegen
fallen die Neujahrstage von Jahr zu Jahr auf einen anderen Wochentag. Jedoch er-
kennt man ein zyklisches Verhalten bezüglich der Wochentage eines jeden Datums
im gregorianischen Kalender: Wegen der Schalttage benötigt man 4 mal 7 oder 28
Jahre, bis sich das Sonnenjahr genau wiederholt, also alle Daten auf den gleichen
Wochentag wie früher fallen. Es gibt nur 28 verschiedene Zuordnungen von Datum
und Wochentag, d.€h. man könnte alle Kalender nach 28 Jahren wieder verwenden.
Man nennt diesen wichtigen Zyklus den Sonnenzyklus des Kalenders. Allerdings
ist diese Aussage nur korrekt, solange Intervalle zwischen 1900 und 2099 betrachtet
6 1 Datumsangaben weltweit

werden. Da 2100 der Schalttag entfällt, wird auch dieser Zyklus für die Wiederho-
lung der Wochentage gestört. Ob er dadurch kürzer oder länger wird, soll später be-
handelt werden, denn eigentlich gehört der Sonnenzyklus bereits zum julianischen
Kalender.
Beide Kalender enthalten zwei Arten von beweglichen Festen, die auf die
christliche Kirche zurückgehen, nämlich die Adventszeit, die die letzten vier Sonn-
tage vor dem Weihnachtstag (25.12.) betrifft, sowie die durch Ostern bestimmten
Feste von Aschermittwoch bis Trinitatis, d.€h. Sonntag nach Pfingsten. Erstere rich-
ten sich natürlich ebenfalls nach dem Sonnenzyklus, da ja durch ihn die Sonntage
bestimmt werden. Letztere aber richten sich außerdem nach dem Frühlingsvoll-
mond. Um ihn und damit diese Feiertage zu bestimmen, muss der Mondumlauf in
unseren gregorianischen Kalender einbezogen werden. Das geschieht durch seine
Erweiterung zum Lunisolarkalender, der natürlich ebenfalls schon einen julia-
nischen Vorgänger hatte. Letzterer ist einfacher, daher sollen die Erläuterung des
gregorianischen Lunisolarkalenders und damit der Osterfestberechnung erst nach
der entsprechenden Darstellung des julianischen Kalenders erfolgen. Die bisherige
Beschreibung des gregorianischen Sonnenkalenders reicht für die Rechtfertigung
einer weltweiten Zeitzählung aus. Nur Datum und Wochentag sowie die Sonnen-
schaltregeln sind als deren Grundlage erforderlich, die Osterberechnung wird dabei
weggelassen.
Es gibt aber zahlreiche andere Kalender bei anderen Völkern, von denen eini-
ge später betrachtet werden sollen. Um ihre Funktion zu verstehen, braucht man
einen gemeinsamen Bezug, für den sich der gregorianische Sonnenkalender sehr
gut eignet. Daher ist er heute weltweit akzeptiert und Länder mit anderen Kalen-
dern geben oft auch sein Datum zum Vergleich mit an. Es wird so deutlich, dass Ka-
lender eigentlich nur ein Benennungsschema für Datumsangaben darstellen. Jeder
Tag wird dabei durch sein Datum eindeutig gekennzeichnet, wobei auch redundante
Angaben eine Rolle spielen. So kann z.€B. die Angabe des Wochentags bei uns ent-
fallen, denn das Datum kennzeichnet eindeutig auch den Wochentag. Allerdings ist
das nicht überall so. Wir werden auch andere Beispiele kennen lernen. Der mathe-
matisch interessierte Leser sieht hier bereits ein Problem, das sich beim Vergleich
unterschiedlicher Kalender gelegentlich auswirken wird. Wie kann man einen an
die Astronomie nur angenäherten Kalender als Bezug für evtl. genauere Kalender
verwenden? Gibt es die überhaupt? Andererseits geht das gar nicht anders, ist doch
nur der gregorianische Kalender weltweit verbreitet und damit als Bezugsgröße be-
nutzbar. Im Abschnitt 1.5 werden diese Überlegungen vertieft.

1.3 Ostern heute

Gibt es nicht einen einfachen Weg zur Bestimmung des korrekten Osterdatums,
ohne dass man dazu ein ganzes Buch lesen muss? Vor 200 Jahren war das eine sehr
wichtige Frage. Papst Gregor XIII. (1572–85) hatte nach über 100 Jahre langer
Diskussion auf verschiedenen Kirchenkonzilen endlich die Reform mit Nachdruck
unterstützt und durch eine Bulle oder Enzyklika, wie man heute sagen würde, im
1.3 Ostern heute 7

Februar 1582 verkündet und dadurch in Kraft gesetzt, dass auf den 4. gleich der
15.10. dieses Jahres folgen sollte. Damit war der akkumulierte Fehler des Sonnen-
jahres kompensiert, der Frühling begann wieder am 21.3., nicht am 11., wie die
Astronomen der damaligen Zeit beobachtet hatten. Sehr bald setzte sich der neue
Kalender in den katholischen Ländern durch, doch war halb Europa protestantisch
und vom Papst unabhängig geworden. Natürlich dachte man dort nicht daran, sich
nach Vorschlägen des Vatikans zu richten, man hatte ja einen bewährten Kalender,
konnte durchaus weiter mit dessen Mängeln leben. Und die orthodoxen Länder in
Ost- und Südosteuropa lehnten ohnehin jede Reform ab. Doch zum Beginn des
18. Jahrhunderts war deutlich geworden, dass die Datumsdifferenz inzwischen von
10 auf 11€d angewachsen war (weil 1700 der gregorianische Schalttag ausgefallen
war, julianisch aber ein Schaltjahr gezählt wurde). Viel schlimmer war, dass in Zu-
kunft bei jedem Jahrhundertwechsel diese Differenz vergrößert werden würde, in-
zwischen sind es ja bereits 13€d. Also entschlossen sich alle Länder nach und nach
zur Reform, nannten den neuen Kalender reformiert, um den Papstnamen zu ver-
meiden, aber führten ihn mit allen Konsequenzen ein.
Leider gab es viele Fehler bei der neuen, nun komplizierteren Osterfestberech-
nung, so dass der junge Carl Friedrich Gauß (1777–1855) im Jahre 1800 eine For-
mel vorschlug, die er später noch verbesserte und die sehr einfach das Osterdatum
aus der Jahreszahl zu bestimmen erlaubt [Gauß 74]. Es ist das klassische Beispiel
für einen Algorithmus im Sinne der heutigen Informatik:

Bildet man aus der Jahreszahl n die 5 Parameter

a = n mod 19, b = n mod 4, c = n mod 7,


d = (19a + M) mod 30 und e = (2b + 4c + 6d + Q) mod 7,

dann fällt Ostern auf den (22â•›+â•›dâ•›+â•›e). März (oder April, wenn sich 31 abziehen
lässt).

Dabei ist jul. M = 15, greg. heute M = 24 (+1 bei kleiner werdender Epakte)
Q = 6, greg. heute Q = 5 (−1 bei gemeinem Jhdtjahr).

Wir können das für 2009 und 2010 nachprüfen:

2009: a = 14, b = 1, c = 0, dg = (290) mod 30 = 20, eg = 1,


dj = 281 mod 30 = 11, ej = 4,
2010: a = 15, b = 2, c = 1, dg = (309) mod 30 = 9, eg = 4,
dj = 300 mod 30 = 0, ej = 0.

Also war 2009 Ostersonntag der 12.4., in der Ostkirche eine Woche später, da aus
dem 6.4. jul. wegen der heute 13€d Differenz der 19.4. greg. wird. 2010 wurde mit
dem 4.4. der Ostertag in beiden Kirchen gleichzeitig begangen, wie es das Konzil 325
8 1 Datumsangaben weltweit

festgelegt hat. Allerdings wird der Tag julianisch als 22. März bezeichnet. Das Inter-
net erlaubt heute leicht ein Vermeiden der notwendigen Rechenarbeit, z.€B. braucht
man in http://itec.uni-karlsruhe.de/~goerke/oster/Applet1.html nur die Jahreszahl
einzusetzen, um beliebige Osterdaten in beiden Kalendern für heute interessante
Jahre zu erhalten. Natürlich sind damit auch alle übrigen beweglichen Festtage des
Jahres bestimmt, denn nach Aschermittwoch gibt es 6 Passionssonntage vor Ostern,
danach 6 Sonntage vor Pfingsten, das genau 7 Wochen nach Ostern gefeiert wird.
An dieser Stelle soll bereits darauf hingewiesen werden, dass der gregorianische
Kalender fast nichts mit der Astronomie zu tun hat, obwohl doch immer vom Früh-
lingsvollmond die Rede ist. Vielmehr ist er wie sein Vorgänger ein rein mathematisch
formuliertes zyklisches Modell für den Jahresablauf, sowohl für den Sonnen- wie
für den Mondumlauf. Es wurde 1582 durch die Reform lediglich mit den damals be-
kannten Werten für die Jahres- und Monatslängen modifiziert und an den Frühlings-
punkt angepasst. Dennoch lassen sich alle Daten seither und für die nächsten 1000
Jahre fast ohne jeden Fehler angeben, so dass auch Gauß die obige Rechenanwei-
sung entwickeln konnte. Zu seiner Zeit gab es längst ein Buch von Christoph Clavius
(1538–1612) von 1603 über die Kalenderreform [Clav 03], in dem alle wichtigen
Feste und Daten des gregorianischen Kalenders bis zum Jahr 5000 angegeben sind.
Vermutlich war es aber nicht überall vorhanden oder wurde nicht verstanden.
Man könnte vermuten, dass der Vatikan damals eine der wissenschaftlich füh-
renden Institutionen der Welt war. Er hatte jedoch Jahrhunderte hindurch den Spott
der Juden und Araber ertragen müssen, die sich über den mangelhaften christli-
chen Kalender lustig machten. Nun hatte die Reform diese Lage zu seinen Gunsten
gründlich verändert.

1.4 Datumsgrenze

Schon seit der frühen historischen Vergangenheit sucht der Mensch einen festen
Zeitbezug für die öffentliche Organisation seines Alltagslebens, eben das Datum.
Dessen Wortursprung deutet schon auf „gegeben“ hin. Allerdings liefert es eine be-
griffliche Schwierigkeit, wenn man Reisen um die Welt einbezieht. Eine logische
Überlegung zeigt nämlich, dass eine Gleichzeitigkeit wegen der Erddrehung nur
für den gleichen Meridian beobachtet werden kann. Die Zeitzonen der Erde tragen
dem Rechnung: vereinbarte Streifen der Breite von 15 Längengraden bilden Be-
reiche der gleichen gesetzlich festgelegten Zeit, z.€B. der mitteleuropäischen Zeit.
Ein Übergang in die nächste Zone nach Osten erfordert ein Vorstellen der Uhr um
eine Stunde, da hier die Sonne ja bereits entsprechend früher aufgegangen ist. Um-
gekehrt gilt in der nächsten Zeitzone nach Westen eine um eine Stunde spätere Zeit.
Deshalb ist es in New York erst 6 Uhr morgens, wenn in Berlin bereits Mittag ist,
in Moskau aber schon 14 Uhr des gleichen Tages. Die Angaben benennen aber den
gleichen Zeitpunkt, sind also ortsabhängig. Als Referenz für die Zeitzonen dient der
Meridian von Greenwich bei London, auf den auch die geographischen Angaben
bezogen werden. Die Zeitzonen werden nicht von festen Längengraden begrenzt,
sondern passen sich an die Ländergrenzen an, damit im gleichen Land auch die glei-
1.4 Datumsgrenze 9

che Zeit gilt. Das misslingt bei großen Ländern wie Kanada oder USA, die mehrere
Zeitzonen umfassen, was bei genauen Zeitangaben beachtet werden muss.
Hier ist allein die Konsequenz für die Datumsangaben von Interesse. Bewegt man
sich nämlich zur Mittagszeit um 12 Zeitzonen nach Osten, ist dort schon Mitternacht,
d.€h. es beginnt gerade der Folgetag, denn die Zeitzählung ist ja 12€h voraus. Um-
gekehrt beginnt in der gleichen Distanz nach Westen gerade erst der gegenwärtige
Tag, denn hier hinkt die Zeit ja 12€h hinterher. Deshalb wird eine Datumsgrenze not-
wendig. Sie verläuft ungefähr bei 180° Länge, steht also dem Meridian von Green-
wich genau gegenüber. Obwohl in ihrer Nähe die gleiche Zeit vorliegt, schreibt man
östlich von ihr z.€B. Sonntag, westlich aber bereits Montag. Zwei benachbarte Orte
haben zwar fast die gleiche Zeit, aber ein unterschiedliches Datum, das stetig den
gesamten Tagesablauf bestimmt. Da diese Grenze, die natürlich auch an Staatsgren-
zen angepasst ist und zwei Zeitzonen trennt, weitgehend durch den Pazifik verläuft,
wird sie in Europa kaum wahrgenommen. Allerdings wissen wir, dass der Tages-
ablauf in Asien immer früher, in Amerika aber immer später als bei uns stattfindet.
Der Kuriosität halber seien hier einige historische Bemerkungen zur Datums-
grenze angeführt. Drei Fragen machen das deutlich:
1. Ist sie naturgegeben oder willkürlich festgelegt worden?
2. Ist sie gelegentlich geändert worden oder lag sie immer fest?
3. Seit wann ist ihre Notwendigkeit überhaupt bekannt?
Am einfachsten ist die erste Frage zu beantworten: sie ist zwangsläufig mit der
fast kugelförmigen Gestalt der Erde und ihrer Drehung verbunden, aber außerdem
auch willkürlich festgelegt, nämlich durch Staatsgrenzen, wie schon erwähnt wur-
de. Z.€B. ragt das östliche Ende Sibiriens weit in die westliche Hemisphäre hinein,
bis unter 170°Â€W, trotzdem gilt hier schon der nächste Tag gegenüber den Alëuten,
die ihrerseits bis 173°Â€O in die östliche Hemisphäre hineinragen, wegen ihrer Zuge-
hörigkeit zu den USA aber noch nach dem vorangehenden Datum rechnen.
Die Datumsgrenze ist auch mehrfach geändert worden. So wurden die Philip-
pinen als spanische Kolonie von Amerika aus besiedelt, hatten deshalb 300 Jahre
lang ein späteres Datum als die umgebenden Gebiete von Japan bis Indonesien.
Das wurde im 19. Jh. nach der Unabhängigkeit von Spanien lästig. Man beschloss
deshalb, die Philippinen der asiatischen Zeitzählung anzupassen, die Datumsgrenze
also nach Osten zu verschieben. Es wurde einfach ein Tag ausgelassen: auf Mo, den
30.12.1844, folgte unmittelbar Mi, der 1.1.1845. Es gab dort also keinen Dienstag
als Silvestertag in jenem Jahr. Umgekehrt wurde Alaska 1867 von Russland an die
USA verkauft, so dass dort Fr, der 18.10.1867, doppelt begangen wurde. Allerdings
blieb das wegen der gleichzeitigen Umstellung vom julianischen auf den gregoria-
nischen Kalender weitgehend unbemerkt, aber die betroffene Woche umfasste 8€d.
Übrigens waren es die Araber, die bereits im 14.€Jh., also lange vor Kopernikus,
Kolumbus und Magellan, erkannt hatten, dass es eine Datumsgrenze geben müsse,
wenn die historischen Ereignisse überall korrekt erfasst werden sollen [vGen 10].
Es war Abul-Fida (1273–1331), als Verwandter des Sultans Saladin Statthalter in
Hama in Syrien, ein Gelehrter, der Bücher über Geschichte und Geografie schrieb
und der den Begriff ohne ihn zu nennen so präzise beschrieb, dass seine Erklärung
hier in lockerer Übersetzung zitiert sei (S.€4€f. in [ReSe 85]):
10 1 Datumsangaben weltweit

Hier ein Problem, das dazu dient, die Sache anschaulich zu machen. Nehmen wir an, es sei
möglich, die Erde zu umrunden. Drei Personen versammeln sich an einem bestimmten Ort,
von denen einer sich nach Westen, der zweite nach Osten wendet, während der dritte am Ort
verbleibt, um darauf zu warten, dass die anderen beiden die Umrundung beenden. Derjenige,
der nach Westen ging, kehrt durch den Orient zurück, während der, der nach Osten ging, von
Westen zurückkehrt. Oder demjenigen, der nach Westen ging, wird ein Tag fehlen, während
der, der nach Osten ging, einen Tag zuviel zählen wird. Das bedeutet, dass derjenige, der nach
Westen ging und die Umrundung in – sagen wir – 7 Tagen gemacht hat, in der gleichen Rich-
tung wie die Sonne gelaufen ist, so dass für ihn die Sonne jeden Tag um 1/7 ihres Umlaufs
später unterging, in 7 Tagen macht das also einen vollen Tag aus. Derjenige aber, der nach
Osten ging, ist der Sonne entgegen gelaufen. Für ihn ist die Sonne jeden Tag 1/7 Umdrehung
früher untergegangen, was in 7 Tagen einen vollen Tag ausmacht, so dass er einen Tag mehr
zählen muss. Also folgt daraus, wenn der Abreisetag Freitag war und also beide am folgenden
Freitag wieder zurückkommen, dass für denjenigen, der am Ort blieb, wieder Freitag ist. Der
nach Westen lief und von Osten zurückkam, stellt aber Donnerstag fest, während der, der
nach Osten lief und von Westen zurückkam, Sonnabend feststellt. Das Resultat bleibt das
gleiche, auch wenn die Reisen statt Tagen Monate oder gar Jahre gedauert haben.

Vermutlich war das um 1350 in Paris nicht bekannt, so dass Nicole Oresme
(1323–82) wohl unabhängig in seinen „Fragen zur Sphäre“ das gleiche Problem
beschrieb und folgerte, „dass es einen Ort geben müsse, an dem sich die Tagesbe-
zeichnung ändert, denn sonst gäbe es zwei Bezeichnungen für den gleichen Tag ...“
[Lejk 88]. Genau das musste Pigafetta, der Chronist bei Magellans Weltumseglung,
am 9.7.1522 nach seiner Rückkehr feststellen, als er sorgsam Mittwoch registriert
hatte und sicher war, jeden Fehler vermieden zu haben, auf den Kapverdischen
Inseln aber bereits Do, der 10.7.1522 gezählt wurde. Damit sind die theoretischen
Überlegungen zur Datumsgrenze zum ersten Mal auch praktisch bestätigt worden.
Die Weltumsegler hätten beim Überschreiten der Datumsgrenze im Logbuch das
Datum um einen Tag erhöhen müssen, wie das heute noch bei jeder Weltumrundung
nach Westen notwendig wird. Damals allerdings wurde das lebhaft diskutiert und
auch bei weiteren Weltumseglungen immer wieder mit Erstaunen erwähnt.
Frage 2:╇ Wenn man die Erde in 24€h ostwärts umfliegt, kommt man am nächs-
ten Tag zum Abflugzeitpunkt dort wieder an. Wie viele Flugtage kann man dabei
beobachten?
Frage 3:╇ Wie lautet die Antwort beim gleichen Flug westwärts?

Da die Bewegungen der Himmelskörper den Hintergrund für die Kalender bilden,
soll der nächste Abschnitt die Himmelsmechanik in Erinnerung rufen, um das Ver-
ständnis der Zusammenhänge zu erleichtern.

1.5 Ein Blick zum Himmel

Am einfachsten und zugleich am vollständigsten und schnellsten nehmen wir mit


dem Auge unsere Umwelt wahr. So zeigt uns ein Blick zum Himmel den scheinba-
ren Umlauf des Sternhimmels innerhalb eines Tages oder 24€h als eine Bewegung
1.5 Ein Blick zum Himmel 11

von Osten über Süden nach Westen. Sonne, Mond und alle Sterne gehen im Osten
auf und im Westen unter. Nur der Polarstern steht fast fest im Norden und zeigt
auch eine umgekehrte Drehung: die Sterne in seiner Nähe, die Zirkumpolarsterne,
drehen sich von Westen über Norden nach Osten, soweit sie zwischen Horizont und
Polarstern stehen. Sind sie aber zwischen ihm und dem südlichen Horizont, erfolgt
die Drehung wie von Sonne und Mond von Osten nach Westen.
Soweit die unmittelbare kindliche Anschauung. Als Erwachsene haben wir frei-
lich gelernt, dass alles viel komplizierter ist. Nur auf den ersten Blick erscheint es
so, eigentlich ist alles ganz anders und relativ zu betrachten. Der Kindervers „im
Osten geht die Sonne auf, im Norden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie
untergehen, im Süden ist sie nie zu sehen“ erscheint uns falsch. Er gilt aber genau
mit diesen Worten für Beobachter in Kapstadt oder Sydney, wie man sich leicht
überlegen kann. Bei uns müssen Nord und Süd vertauscht werden. Real ist auf
diese Weise die Umkehrung der Bewegungen. Die Erde dreht sich von Westen
nach Osten um ihre Achse und bildet damit den Grund für diese Erscheinungen,
vor allem den Ablauf des Tages als Grundeinheit. Von einem fernen Beobachter am
nördlichen Himmel gesehen ist das eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn.
Allerdings bewegt sich die Erde nicht nur um sich selbst, sondern sie läuft auf
ihrer Bahn um die Sonne, gleichfalls gegen den Uhrzeiger, in der Astronomie recht-
läufig genannt. Ein Umlauf bildet dabei das Jahr. Auch der Mond und alle Plane-
ten folgen dieser Regel, wenn auch mit unterschiedlichen Umlaufzeiten. Der Mond
braucht dazu einen Monat. Jeder dieser Himmelskörper dreht sich zusätzlich um
sich selbst, so dass sich insgesamt zahlreiche Drehbewegungen überlagern. Spätes-
tens seit Kopernikus (1473–1543) ist dieses heliozentrische Weltbild gut bekannt.
Die Woche dagegen hat nichts mit diesen Umlaufzeiten zu tun, sieht man von den
vier Phasen eines Mondmonats ab, die ungefähr diesen Zeitraum abdecken.
Neuerdings gibt es künstliche Himmelskörper wie Satelliten oder die Raum-
station, die auf weiteren Umlaufbahnen vor allem die Erde umkreisen. Durch Ra-
keten wurde ihnen eine Geschwindigkeit verliehen, die größer ist als die Umlauf-
geschwindigkeit ihres Startpunktes auf der Erdoberfläche. Viel größer, denn ein
entsprechend geworfener Stein oder ein Geschoß ist auch schneller, fällt aber bald
zur Erde zurück. Erst mit der Fluchtgeschwindigkeit von etwa 8€ km/s wird ein
Geschoß zum Satelliten, der die Erde verlassen hat. Die Bahn verläuft damit weiter
vom Erdmittelpunkt entfernt und ist länger, also wird die Umlaufgeschwindigkeit
kleiner als die der Erde. Die Raumfähren oder die Raumstation in 350€km Höhe
bleiben damit zurück, umkreisen zwar die Erde in etwa 91€min auf einer Bahn mit
der Neigung von etwa 51° zum Äquator, doch passieren sie nach jedem Umlauf den
gleichen Breitengrad weiter westlich, ehe sie nach 15 oder 16 Umläufen wieder am
Startpunkt sichtbar werden. Übrigens sind sie als weitere Himmelskörper gelegent-
lich beobachtbar, leider nur für 4 bis 8€min in der Morgen- oder Abenddämmerung,
wenn die Sonne sie zum Aufleuchten bringt, selbst aber unter dem Horizont steht.
Mit zunehmendem Abstand wird die Umlaufszeit langsamer, wie man seit Ur-
zeiten beobachten konnte. Heute sind geostationäre Satelliten ein gutes Beispiel,
die vor allem eine weltweite Kommunikation und das Satellitenfernsehen ermög-
lichen. Sie befinden sich in etwa 35€ 800€ km Höhe über der Erdoberfläche und
12 1 Datumsangaben weltweit

benötigen genau einen Tag für ihren Umlauf, scheinen also am Himmel still zu
stehen. Obwohl man sie nicht sieht, ist klar, dass ihre Bewegung ebenfalls gegen
den Uhrzeiger erfolgt, eben synchron mit der Erddrehung. Der Mond ist mehr als
10 mal so weit entfernt. Er braucht deshalb einen Monat für den Umlauf um die
Erde, genauer 29,53€ d. Damit bleibt er täglich 360°/29,53 d€ ≈€ 12°/d gegenüber
der Erddrehung zurück. D.€ h. sein Aufgang erfolgt (bei Tag- und Nachtgleiche)
24€h/29,53€d€≈€50€min/d später, genauso der Untergang. Nur der Vollmond ist mit
Auf- und Untergang am Nachthimmel sichtbar, sofern die Nacht 12€h dauert. Oft
ist nur der Untergang am Abendhimmel (bei zunehmendem) oder der Aufgang am
Morgenhimmel (bei abnehmendem Mond) beobachtbar, denn die Sonne macht ihn
wegen ihrer viel größeren Helligkeit weitgehend unsichtbar. Wegen dieser Ände-
rungen ist es nicht ganz einfach vorherzusagen, wann und wo der Mond sichtbar ist,
vor allem wenn man längere Zeit den Himmel nicht beobachtet hat.
Die Helligkeit der Sterne wird durch ein logarithmisches Maß angegeben: 5
Einheiten bilden dabei den Faktor 100. Ein Stern 5. Größe ist damit nur 1/100 so
hell wie einer der Größe Null. Venus und Sirius haben maximal etwa die Größe –4,
d.€h. sie sind 40 mal heller als Größe Null. Der Vollmond strahlt mit Größe –12, die
Sonne mit –26, also fast 400€000 mal so hell wie der Mond, der seinerseits etwa
1600 mal heller als Venus ist. Kein Wunder, dass unser Auge trotz seiner erstaun-
lichen Anpassungsfähigkeit in vielen Fällen überfordert ist und damit weniger helle
Objekte unsichtbar werden.
Auch die Sonne weicht pro Tag etwa um 1° zurück, in 365,25€d den ganzen Kreis
mit 360°. Daher ist der synodische Tag etwa 4 min länger als der Sterntag, also der
Bezug zum gleichen Ort am Fixsternhimmel. Der ist natürlich nicht sichtbar, aber
die Gegenhälfte des Himmels ist in der Nacht sichtbar. Die Sonne steht folglich in
einem der Sternbilder, die man nachts nicht sieht. Im Sommer steht sie im Krebs,
dem Löwen oder der Jungfrau, die man nur im Winter am Himmel sieht. Der Früh-
lingspunkt definiert den Beginn des tropischen Jahres. Er ist der Schnittpunkt von
Ekliptik und Himmelsäquator. Während letzterer die Projektion des Erdäquators
auf den Himmel bildet, ist die Erdbahn oder Ekliptik dagegen um εâ•›≈â•›23,5° geneigt.
Das ist auch die scheinbare Bahn der Sonne, die folglich im Sommer oberhalb,
also nördlich des Äquators steht, im Winter südlich von ihm. Die ungleiche Tages-
länge zu beiden Jahreszeiten erklärt sich dadurch von selbst. Astronomisch wur-
de festgelegt, dass dieser Schnittpunkt mit dem Beginn des Sternzeichens Widder
gleichgesetzt wird.
Bild 2 zeigt ein Schema, das diese Verhältnisse anschaulich wiedergibt und er-
kennen lässt, dass sich die Sternzeichen vom Frühlingspunkt nach Osten erstrecken.
Auf Widder folgen Stier, dann Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion,
Schütze, Steinbock, Wassermann und schließlich Fische.
Diese 12 Sternzeichen sind 30°-Abschnitte auf der Ekliptik, die mathematisch
festgelegt sind. Sie bilden 12 astronomische Sonnenmonate, die gelegentlich für
astrologische Deutungen herangezogen werden. Früher stimmten sie mit den Stern-
bildern des Tierkreises überein, heute sind sie um mehr als ein ganzes Sternbild
verschoben. Das liegt an der Präzession, der laufenden Verschiebung des Früh-
lingspunktes auf der Ekliptik, ein Effekt, der erst seit etwa 2000 Jahren bekannt
ist und auf die Taumelbewegung der Erde zurückgeht, deren Achsenrichtung sich
1.5 Ein Blick zum Himmel 13

Bild 2↜渀 Sonnenumlauf und


Frühlingspunkt [Wiki 10]
(ε Schiefe der Ekliptik,
λ ekliptikale Länge, α Rekt-
aszension, δ Deklination)

ebenfalls leicht bewegt. Sie dreht sich wie ein langsamer werdender Kreisel, der
sich zwar pro Tag einmal um sich selbst dreht, dessen Achse aber in rund 25€730
Jahren, dem platonischen Jahr, einen weiteren Kreis mit einem Radius von 23,5°
um den Pol der Ekliptik am Himmel beschreibt. Der Frűhlingspunkt verschiebt sich
so um 1° in etwa 72 Jahren der Sonnenbewegung entgegen, also um knapp 28° in
2000 Jahren seit der Antike. In etwa 2200 Jahren wird deshalb ein Sternbild durch-
laufen, so dass heute die Sonne am 21.3. noch in den Fischen steht. Dennoch tritt sie
am Frühlingspunkt definitionsgemäß in das Sternzeichen des Widders ein.
Da Erd- und Himmelsäquator gleich sind, kann man zwischen nördlichem und
südlichem Sternhimmel unterscheiden. Das Kreuz des Südens ist in Europa niemals
sichtbar, desgleichen der Polarstern in Südafrika oder Südamerika. Wegen der Nei-
gung der Ekliptik bildet die Mittagshöhe der Sonne eine maximale Differenz von
2εâ•›≈â•›47° zwischen Juni und Dezember. Für eine geographische Breite von φâ•›=â•›50°
bedeutet das einen Mittagswinkel μâ•›=â•›90°â•›–â•›φ von minimal 16,5°, maximal aber
63,5°, wie man leicht beobachten kann. Vier Punkte der Ekliptik sind ausgezeich-
net: die beiden Tag- und Nachtgleichen 0° bzw. 180° am 21.3. bzw. 23.9. sowie die
Sonnenwenden 90° und 270° am 21.6. und 21.12. An diesen Daten beginnen die
Quartale Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Auch die Wende- und Polarkreise
auf der Erde hängen hiermit zusammen. Zwischen ersteren steht die Sonne während
des Jahres ein oder zweimal senkrecht im Zenit, außerhalb der letzteren gibt es
Tage, an denen die Sonne nicht untergeht bzw. gar nicht zu sehen ist.
Seit wann wissen wir das alles? Nur durch genaue Aufzeichnungen der Beob-
achtungen, also ihre Einträge in Kalender, gelingt das Verständnis dieser Mechanis-
men. Dazu braucht man neben Koordinaten am Himmel, wie sie in Bild€2 eingetra-
gen sind, vor allem einen Katalog der Fixsterne in der Nähe der Ekliptik, d.€h. im
Tierkreis. Darunter versteht man ein Band von 7° oder 10° beiderseits der Ekliptik,
14 1 Datumsangaben weltweit

in dem alle Planeten, auch Sonne und Mond, stehen müssen, sofern sie überhaupt
beobachtbar sind. Mit Hilfe des Sternkatalogs lassen sich die Orte der Planeten fest-
halten, also auch Berechnungen über ihre Umlaufzeiten durchführen. Bereits Ptole-
maios (ca. 100 bis 175€n.€Chr.) hat einen solchen Sternkatalog mit Beobachtungen
des Hipparch von Nikäa (190–120€v.€Chr.) überliefert, der so wesentlich zu unserem
Weltbild beigetragen hat. Die Wandelsterne aber erfordern zusätzlich Tagebücher
oder Almanache mit Beobachtungen, wie sie schon aus neubabylonischer Zeit, also
etwa seit 500€v.€Chr. überliefert sind.

1.6 A
 stronomische Umlaufzeiten als Grundgrößen
für Kalender

Soweit eine oberflächliche, aber dafür allgemein verständliche Übersicht über die
Zusammenhänge zwischen Erde, Mond und Sonne, bei der der Leser sich kreis-
förmige Umläufe um die Erde, also das antike heliozentrische Weltbild, vorstellen
kann. Dabei sind dessen Komplikationen völlig vermieden, denn erst die Plane-
tenbewegungen erfordern Hilfsvorstellungen wie Epizyklen und andere Modelle.
Leider ist dieses Bild zu einfach. Es sind ja Ellipsen und keine Kreise, auf denen die
Umläufe umeinander erfolgen. Zwar sind die Abweichungen klein, doch durchaus
bemerkbar, wie schon die ungleiche Länge der Jahreszeiten verdeutlicht. Die be-
reits erwähnten Anfangsdaten der Quartale 21.3., 21.6., 23.9. und 21.12. haben Ta-
geszahlen von 92, 94, 89 und 90€d zur Folge, so dass das Sommerhalbjahr 186€d, das
Winterhalbjahr aber nur 179€d umfasst. Das liegt am variablen Abstand zwischen
Sonne und Erde, denn erstere liegt ja in einem Brennpunkt der Ellipse, so dass es
auf ihrer großen Achse einen minimalen und einen maximalen Abstand geben muss.
Entsprechend variabel ist die Geschwindigkeit der Erde auf ihrer Bahn.
Eine verfeinerte Betrachtung führt zu weiteren Parametern dieser Bewegungen
[ScTr 84]. Neben der tropischen Jahreslänge gibt es drei weitere Angaben, nämlich
das siderische, anomalistische und drakonitische Jahr mit

atrop = 365, 242 199 d für den Umlauf von Frühlingspunkt zu Frühlingspunkt,
asid = 365, 256 366 d für den Umlauf zum gleichen Fixstern,
aanom = 365, 259 626 d für den Umlauf von Perihel zu Perihel,
adrak = 346, 620 032 d für den Umlauf zwischen den gleichen Mondknoten.

Auch für den Mond gelten ähnliche Verhältnisse in Bezug zur Erde. Hier unter-
scheidet man den synodischen vom siderischen, anomalistischen und drakoniti-
schen Mondmonat mit

msyn = 29, 5306 d für den Umlauf von Neumond zu Neumond,


msid = 27, 3217 d für den Umlauf zum scheinbar gleichen Fixstern,
manom = 27, 5546 d für den Umlauf von Perigäum zu Perigäum,
mdrak = 27, 2122 d für den Umlauf zwischen aufsteigenden Mondknoten.
1.6 Astronomische Umlaufzeiten als Grundgrößen für Kalender 15

Sogar für die Erde muss man zwischen dem mittleren Sonnentag und den verfeiner-
ten Zeitwerten des elliptischen Umlaufs auf der Ekliptik unterscheiden. Die mittlere
Sonne gleicht diese Abweichungen über das Jahr hin aus und erlaubt so die Anga-
be des mittleren Sonnentages zwischen zwei Mittagsdurchgängen dieser mittleren
Sonne durch den Meridian mit den erwarteten 24€h. Demgegenüber hat der Stern-
tag nur 0,997€ 27 mittlere Sonnentage oder dsid╛=╛23€ h 56€ m 4,0805€ s. Er bezieht
sich auf den Meridiandurchgang des gleichen Fixsterns und führt zur Jahreslänge
atrop╛=╛366,242€299€dsid.
Wie man sieht, sind das verwirrend zahlreiche Angaben, die das genaue helio-
zentrische Weltbild für den Laien schwer verständlich machen. Allerdings wird
manches deutlicher, wenn man sich an die Definitionen der verwendeten Begriffe
erinnert:
Ekliptik Erdumlaufbahn, scheinbare Bahn der Sonne am Tageshimmel,
Frühlingspunkt aufsteigender Schnittpunkt zwischen Ekliptik und HimmelsÂ�
äquator,
Mondknoten Schnittpunkt zwischen Mondbahn und Ekliptik,
Perihel kleinster Abstand zwischen Erde und Sonne,
Perigäum kleinster Abstand zwischen Mond und Erde.
Für die Kalender sind vor allem das tropische Sonnenjahr, der synodische Mond-
monat und der mittlere Sonnentag wichtig, die auch in den meisten von ihnen ver-
wendet werden. Ableiten lässt sich zusätzlich das Mondjahr aus 12 synodischen
Monaten, also alunâ•›=â•›12â•›·â•›msynâ•›=â•›354,3672€d.
Zyklische Kalender brauchen im Idealfall nur einen Bezugspunkt zur Astrono-
mie. So genügt der erste Frühlingsbeginn am 21.3.1583 dem gregorianischen Ka-
lender für alle Zeiten. Astronomische Kalender dagegen erfordern viel häufigere
Anpassungen, z.€ B. an einen jährlichen Frühlingsbeginn. Sie folgen damit zwar
deutlich genauer der Erdbewegung, benötigen aber eine authentische Beobachtung,
also eine allgemein anerkannte Kalenderinstanz. Es ist daher ein Glücksfall der Ka-
lenderwissenschaft, dass unser gregorianischer Kalender in Bezug auf die Datums-
angaben so genau ist, dass man ihn zum Vergleich mit vielen anderen Kalendern
als Bezug heranziehen kann. Das ist umso erstaunlicher, als ja selbst dessen Früh-
lingsbeginn zwischen dem 19. und 21.3. schwanken kann, er also deutlich von der
Astronomie abweicht. Ein besserer Bezug zum Zeitablauf ist nur der julianische
Tag, der stets im Hintergrund zur Kontrolle verwendbar ist. Er wird im Kapitel€2.1
genauer erläutert. Leider entstehen bei ihm schnell vielstellige Dezimalzahlen, so
dass es wenig praktikabel ist, einfach Tage zu zählen. Schon ein Menschenleben
kann heute 36€525€d umfassen. Man braucht deshalb größere Bezugseinheiten. Gut
wäre die Woche, die seit Urzeiten eine ungestörte Fortzählung durch 7 Tage er-
fahren hat. Aber auch 5218 Wochen sind unhandlich und noch nicht einmal genau
100 Jahre.
Ebenso ergeht es dem Monat, der aber mit der Länge msyn nur schlecht zum Tag
passt. Deshalb hat man bei uns lieber darauf verzichtet, ihn als Grundgröße auszu-
wählen. Andere Völker aber haben das getan, wie Kapitel€3 genauer ausführt. Am
besten eignen sich der Umlauf der Erde und damit das Jahr als Grundgröße, das
die Jahreszeiten für Saat und Ernte seit Menschengedenken bestimmt. Das aber
16 1 Datumsangaben weltweit

bedeutet, dass eine feste Tageszahl wie 365 unbrauchbar ist, denn das tropische
Jahr ist ja deutlich länger. Trotzdem haben die Ägypter ein solches Jahr verwendet,
das sich folglich als Wandeljahr alle 1460 Jahre einmal durch alle Jahreszeiten ver-
schiebt. In unseren nördlichen Breiten wäre das nicht gut gewählt. Hier eignet sich
das julianische Jahr mit dem Schalttag alle 4 Jahre viel besser. Kapitel€2 geht auf die
Sonnenkalender genauer ein.
Man kann aber auch den Mondumlauf als Grundeinheit wählen und ihn an das
Sonnenjahr anpassen. Das führt zu den Lunisolarkalendern, die entweder vom
Mond ausgehen und das Sonnenjahr anpassen wie der jüdische Kalender, oder aber
umgekehrt das Sonnenjahr als Basis nehmen und den Mondumlauf daran anpas-
sen. In beiden Fällen geschieht das mit Hilfe von Schaltmonaten, die so eingefügt
werden, dass sich nach einiger Zeit der Ablauf wiederholt. Bereits der julianische
Sonnenkalender hat das mit der Ergänzung der christlichen Osterfestregeln in vor-
bildlicher Weise erreicht. Kapitel€4 erläutert das auch im Hinblick auf unseren gre-
gorianischen Kalender genauer.
Auf einen Unterschied sei aber bereits hier hingewiesen: man kann den Jahres-
oder Monatsbeginn astronomisch oder durch zyklische Berechnung bestimmen.
Ersteres ist exakt, so dass Kalenderfehler auch auf längere Sicht vermieden werden.
Leider hat das den Nachteil, dass für die fernere Zukunft Beobachtungen fehlen
oder aber sehr genau vorherberechnet werden müssen. Die zyklische Berechnung
vermeidet diesen Nachteil, muss aber dafür gelegentlich fehlerhafte Datumsanga-
ben in Kauf nehmen. Der julianische wie der jüdische Kalender ist davon stark, der
gregorianische weniger betroffen. Doch auch er ist nicht ganz fehlerfrei, wie die
Kapitel€4.4, aber auch 5 und 6 genauer erläutern.
Wegen der von einander unabhängigen und zu einander teilerfremden Umlauf-
zeiten von Mond und Erde sowie der Erddrehung bleibt nur die Wahl zwischen
einer möglicht einfachen Annäherung oder Rundung der von der Natur vorgegebe-
nen Größen und damit eines zyklischen Modells, das das Datum nur annähert, oder
einem genauen Bezug z.€B. auf eine astronomische Beobachtung, die eine Voraus-
berechnung für Laien unmöglich macht. Kapitel€8 geht abschließend auf die Zeit-
messung und die Probleme der Kalenderverbesserung ein, wobei auch die Tradition
einen nicht geringen Einfluss ausübt.

1.7 Ausblick auf die folgenden Kapitel

Wie die Gliederung bereits erkennen lässt, soll nach dieser Einführung in Datums-
angaben heute und deren astronomische Grundlagen in drei Kapiteln erläutert wer-
den, welche Alternativen zum gregorianischen Kalender existieren, auf welchen
Voraussetzungen sie beruhen und in welchen Ländern sie üblich sind. Dabei geht
es nicht um eine vollständige Behandlung der verwendeten Kalender, denn das ist
erfolgreich durch zahlreiche Bücher versucht worden, z.€B. [ReDe 01, Rich 98].
Vielmehr soll von den Möglichkeiten eines Bezugs auf Sonne und/oder Mond der
Kalender ausgegangen werden, dazu auf die Basis der astronomischen Beobach-
Literatur 17

tung oder eines Rechenzyklus. Alle behandelten Kalender haben entweder früher
existiert oder finden noch heute ihre Verwendung, wenn auch meist nur neben dem
gregorianischen Kalender. Alle Beispiele werden sich am gegenwärtigen Jahrzehnt
orientieren bzw. die nahe Zukunft heute einbeziehen, so dass eine verbesserte Aktu-
alität gewährleistet ist, die auch die kommenden Jahre umfassen soll.
Anschließend erfolgt im Kapitel€5 eine genaue Erläuterung des julianischen
Lunisolarkalenders, nach dem die Osterfestberechnung vor der Reform im Wes-
ten und heute noch in den Ostkirchen erfolgt. Dazu gehört eine Abbildung durch
Tabellen, die in den Handschriften oder Büchern des Mittelalters weit verbreitet
waren oder berechnet werden konnten. Anschließend wird auf die Reform 1582 und
die seither gültigen Korrekturen eingegangen, die zu den heute verwendbaren Dar-
stellungen und Taschenbüchern der technischen Chronologie geführt haben, z.€B.
[Grot 91].
Kapitel€ 6 greift die Reformergebnisse auf und untersucht im Sinne des alten
Computus oder der Kalenderrechnung die Möglichkeiten des Zusammentreffens
des Ostertermins am gleichen Tag, wobei sich interessante Folgerungen für die
Zukunft herausstellen. Damit entsteht eine Darstellung, die die Einführung in Be-
kanntes und Unbekanntes aus der Kalenderwissenschaft [Zema 87] aufgreift und
an verschiedenen Stellen vertieft. Zwar wird sich deren präzise Formulierung und
Klarheit der Darstellung nicht in allen Fällen erreichen lassen, doch soll eine ver-
tiefte Erklärung mancher Einzelheiten versucht werden. In einem weiteren Kapitel
werden die Finsternisse von Sonne und Mond betrachtet. Die Bedingungen für ihr
Auftreten lassen Gesetzmäßigkeiten erkennen, die verhältnismäßig genaue Vorher-
sagen solcher Ereignisse erlauben.
Abschließend wird kurz auf Probleme der Zeitmessung sowie Möglichkeiten
zukünftiger Kalender eingegangen, die schon seit mehr als 50 Jahren diskutiert
wurden, bisher aber keine Chance einer Übernahme erfahren haben. Die Gründe
hierfür bestehen vor allem in der Tradition, denn im Kern ist der Mensch konser-
vativ veranlagt und scheu gegenüber allzu großen Veränderungen. Das gilt ganz
besonders für das Erleben des Zeitablaufs, schließlich kann man sich über Fakten
der Vergangenheit weder hinwegsetzen noch ihre Existenz leugnen.

Literatur

[Clav 03] Clavius, Chr., Romani calendarii a Gregorio XIII. P. M. restitvti explicatio, Romae:
Apud Aloysium Zannettum 1603
[Gauß 74] Gauß, C.F., Berechnung des Osterfestes, Werke 6, S. 73-79, Leipzig, Teubner 1874
Gauß, C.F., Eine leichte Methode, den Ostersonntag zu finden, Berichtigung, Werke 11,1, S. 199-
214, Leipzig 1874
[Grot 91] Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neu-
zeit – 13. Aufl.. Hahn, Hannover 1991
[Lejk 88] Lejkowicz, M., Nicole Oresme et les voyages circumterrestres, Archives d’histoire doc-
trinale t. 55, 63, p. 99-142, Paris 1988
[ReDe 01] Reingold, E.M., Dershowitz, N., Calendrical calculations – The millennium ed., 1.
publ.. - Cambridge: Cambridge University Press 2001
18 1 Datumsangaben weltweit

[ReSe 85] Reinaud, J.-T., Sezgin, F., Géographie d’Aboulféda, tome II, prem. partie, Paris 1848.
Nachdruck Bd. II, 1 und 2, Frankfurt/M 1985
[Rich 98] Richards, E.G., Mapping time : the calendar and its history, Oxford Univ. Press 1998
[ScTr 84] Schaifers, K., Traving, G., Meyers Handbuch Weltall, 6. Aufl., Bibliographisches Insti-
tut, Mannheim 1984
[vGen 10] van Gent, R.H.,╇ http://www.phys.uu.nl/~vgent/idl/idl.htm╇ (Abruf 14.5.10.)
[Wiki 10] Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Ekliptik (Abruf 2.5.10.)
[Zema 87] Zemanek, H., Kalender und Chronologie, 4. Aufl., München, Oldenbourg 1987
Kapitel 2
Sonnenkalender

Bild 3↜渀 Kalenderstein von Ravenna

Das vermutlich älteste Dokument zum julianischen Sonnenkalender befindet sich im


Erzbischöflichen Museum in Ravenna. Es wird auf das 6.€Jh. datiert, also in die Zeit
des Dionysius Exiguus, dessen Kalenderarbeit auch handschriftlich erhalten ist, wenn
auch aus viel späteren Abschriften (s. Tabelle 6 in Kapitel 5.4, dort wird der Text des
Kalendersteins in Bild 3 genauer erläutert).

W. Görke, Datum und Kalender, 19


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_2, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
2.2 Gregorianischer Sonnenkalender und ISO-Jahr 21

2.1 Tageszählung

Alle heutigen Kalender haben den Nachteil, dass sie sich nur schlecht für die An-
gabe historischer Daten eignen. Das ist besonders beim gregorianischen Kalender
offensichtlich: Vor 1582 gab es ihn nicht, folglich sind alle älteren historischen
Dokumente irgendwie anders datiert. Für genauere Betrachtungen der Kalender
braucht man deswegen eine bessere Referenz, um Daten eindeutig anzugeben, am
besten eine absolute Benennung jedes möglichen Tages. Hierfür hat Joseph Jus-
tus Scaliger (1540–1609) vorgeschlagen, alle Tage fortlaufend zu zählen, so dass
jedem eine andere natürliche Zahl zugeordnet wird [Rich 98, Zema 87]. Benutzt
man dafür das julianische Jahr mit 365,25€ d Länge und beginnt die Zählung am
1.1.4713€ v.€ Chr., erhält man ein eindeutiges Schema. Es wurde von der Wissen-
schaft allgemein akzeptiert, da es den Bezug auf historische Epochen und deren
vielleicht fehlerhafte Anfänge vermeidet. Warum man diesen Anfang gewählt hat,
wird in Abschnitt€4.4 erläutert. Zu Ehren des ersten erfolgreichen Kalenderreforma-
tors Julius Caesar wurde von ihm der Name „julianischer Tag“ für diese Zählung
vorgeschlagen. Bis heute haben sich schon beträchtliche Werte akkumuliert, wie die
folgenden Angaben zeigen:

2.2 Gregorianischer Sonnenkalender und ISO-Jahr

Wie jeder Leser weiß, gibt es für Datumsangaben im gregorianischen Kalender


zwei Zyklen im Jahresablauf, den regelmäßigen der Woche mit ihren 7 Tagen und
den unregelmäßigen mit Tag im Monat wechselnder Länge. Jedes Datum besteht
aus Wochen- und Monatstag, dazu kommt noch die Jahreszahl.
Wegen dieser Zyklen lässt sich der Wochentag leicht bestimmen. Seit langer
Zeit wird dazu der Sonntagsbuchstabe verwendet. Dazu benennt man alle 365 Tage
des Jahres ab 1. Januar fortlaufend mit den Buchstaben A bis G, den so genannten
Tagesbuchstaben. Der 8. Januar erhält wieder A, der 9. B bis zum 31.12. wieder
mit A. Der 29. Februar wird hierbei ausgelassen (s. Tabellen 24 und 25 in Kapitel 5
oder Tabelle 43 im Anhang). Ist der Sonntagsbuchstabe zum Beispiel C wie 2010,
sind alle Tage mit C Sonntag. Das betraf als erstes den 3.1.2010 und bedeutet, dass
2010 mit einem Freitag begann und folglich mit einem Freitag endet. Der 1.1.2011
ist somit ein Sonnabend, der Sonntagsbuchstabe für 2011 folglich B. Man sieht,
dass er jedes Jahr zurückweicht, normal um einen Buchstaben, im Schaltjahr aber
um zwei, von denen der erste bis 28. Februar, der zweite ab 1. März die Sonntage
angibt. Dadurch erhält auch der 29.2. automatisch den korrekten Wochentag.
Das lässt sich leicht nachprüfen. Im Jahr 2008 waren die Sonntagsbuchstaben F
E, also war der 6.1.2008 Sonntag, ebenso der 24.2., dann wieder der 2.3. Die Tages-
22 2 Sonnenkalender

Tabelle 1↜渀 Sonntagsbuchstaben im laufenden Sonnenzyklus

buchstaben des 28.2. und 1.3. sind C und D, denn der 29.2. wurde ja ausgelassen.
Durch den Wechsel der Sonntagsbuchstaben wird folglich der Schalttag mitberück-
sichtigt.
Der Sonnenzyklus beginnt mit einem Schaltjahr und Montag als Neujahrstag,
also hat das die Sonntagsbuchstaben G F. Ein solches Jahr war 1996. Zählt man von
hier ab weiter, erhält man Tabelle€1, die alle Sonntagsbuchstaben zwischen 1900
und 2099 zu bestimmen erlaubt, wenn man sie zyklisch nach beiden Seiten fortsetzt.
Man sieht leicht, dass Tabelle€ 1 die obigen Beispiele bestätigt. Für beliebige
Daten ist die Kenntnis des Tagesbuchstabens oder wenigstens der Ordnungszahl
des Tages im Jahr notwendig, die sich durch weitere Tabellen der Zuordnung der
Wochen zum Jahr ergeben. Hier sollen sie nicht angegeben werden, doch findet
man sie im Anhang als Tabellen€42 und 43.
Die Sonntagsbuchstaben in dieser Form gehen auf das Mittelalter oder dessen
Frühzeit zurück. Sie sind also mit ihrer Besonderheit für das Schaltjahr vor allem
durch die Tradition vorgegeben und werden auch hier in dieser Form benutzt. Den-
noch hat sich der Konstrukteur der astronomischen Uhr der Kirche St. Marien in
Lübeck die Alternative überlegt, auch den 29.2. mit einem Tagesbuchstaben zu
versehen und dadurch offenbar die Mechanik seines Uhrwerks zu vereinfachen
versucht, die von 1955 bis 67 konstruiert und angefertigt wurde. Bei ihm hat das
Schaltjahr einfache, alle Normaljahre aber haben doppelte Sonntagsbuchstaben.
Man sieht, dass eine Verbesserung der Tradition keineswegs zu Vereinfachungen,
sondern gelegentlich sogar zu umständlicheren Lösungen führt! Denn der Mecha-
nismus muss ja nun in jedem Normaljahr den 29.2. überspringen und anschließend
mit erhöhtem Sonntagsbuchstaben weiterzählen. Hier werden stets nur die oben an-
gegebenen traditionellen Sonntagsbuchstaben verwendet.
Durch das ISO-Jahr hat das gregorianische Jahr eine moderne Ergänzung er-
fahren, die jeder gute Kalender heute ausweist. Es handelt sich um die Angabe einer
Wochennummer, die offenbar die Werte 1 bis 53 annehmen kann und eindeutig alle
Wochen kennzeichnet. Das genormte gregorianische Jahr oder das ISO-Jahr legt die
Regeln für diesen Wochenkalender fest. (ISO 8601 von 1988). Die Abkürzung be-
zieht sich auf die International Standards Organisation, die auch viele andere Dinge
genormt hat. Hier ist nur wichtig, dass die ISO-Woche mit Montag beginnt und
folglich mit Sonntag endet. Die erste Woche des Jahres enthält dabei stets dessen
ersten Donnerstag. Man kann dafür auch sagen, dass der 4. Januar stets in Woche 1
fällt. Der Grund für diese Festlegung ist leicht einzusehen: je nach Sonntagsbuch-
stabe des Jahres können die ersten drei Tage entweder bereits in die erste Woche des
neuen Jahres fallen (1.1.â•›=╛╛Mo wie 2007) oder sie können zur letzten Woche des al-
ten Jahres gehören (dann 1.1.â•›=â•›Fr wie 2010). Das gilt umgekehrt ebenso für den 29.
bis 31. Dezember, die gelegentlich wie 2008 in die erste Woche des neuen Jahres
2.2 Gregorianischer Sonnenkalender und ISO-Jahr 23

fallen können. Der 28.12. gehört immer zur letzten Woche des alten Jahres. Auch
das lässt sich anders ausdrücken: das ISO-Jahr beginnt immer mit einem Montag
zwischen dem 29.12. und 4.1. und endet mit einem Sonntag zwischen dem 28.12.
und 3.1. [ReDe 02].
Ganz offenbar hat jedes Jahr mindestens 52 Wochen zu 7€d, aber darüber hin-
aus gibt es einen Rest von einem oder zwei Tagen, letzteres im Schaltjahr. Dieser
Rest akkumuliert sich zur 53. Woche, die alle fünf oder sechs Jahre eingeschoben
werden muss, so dass dadurch das ISO-Jahr entsteht. Es hat immer genau 52
oder 53 Wochen, umfasst also 364 oder 371€d. Der Sonnenzyklus bestimmt deren
Reihenfolge, die sich nach 28 Jahren wiederholt, solange nicht ein Jahrhundert-
wechsel einen Schalttag ausfallen lässt. Derzeit nennen die um 2, 8, 13, 19 und
24 erhöhten Jahreszahlen ab Zyklusbeginn ISO-Jahre mit 53 Wochen. Wegen des
Sonnenzyklus ab 1996 sind 2004, 2009, 2015 usw. ISO-Schaltjahre mit 53 Wo-
chen, alle anderen ISO-Jahre in diesem Intervall haben 52 Wochen. Man beachte,
dass sie nicht mit gregorianischen Schaltjahren verwechselt werden dürfen. 2004
war ein Doppelschaltjahr mit beiden Eigenschaften, 2008 ist nur gregorianisch,
2009 nur als ISO-Jahr ein Schaltjahr. 2006 begann als ISO-Jahr erst am 2.1.2006
mit der 1. Kalenderwoche, der 1. Januar 2006 gehörte als Sonntag in die 52. Wo-
che von 2005. Dafür endet 2006 mit der 52. Woche am Sonntag, dem 31.12.2006,
nach 364 Tagen. Der ganze Sonnenzyklus, nachdem sich die Wochentage genau
wiederholen, umfasst folglich 23â•›·â•›52â•›+â•›5â•›·â•›53 oder 1461 Wochen, genauso viele,
wie 4 julianische Jahre an Tagen aufweisen, denn er besteht ja aus 7 derartigen
Folgen.
Aus diesen Gründen müsste man eigentlich von einem speziellen ISO-Kalender
sprechen, dessen Jahreszahl beim Jahreswechsel von der gregorianischen abwei-
chen kann. Jedoch verzichtet man darauf und überlässt diese Ungenauigkeiten dem
Verständnis des Benutzers, der ja auch beachten muss, dass die gregorianische
Woche mit Sonntag und nicht mit Montag beginnt, was auf die christlich-jüdische
Tradition zurückzuführen ist. Erst seit etwa 40 Jahren wird meist die ISO-Wochen-
einteilung in Kalendern verwendet.
Die Ausführungen dieses Abschnitts sollten zeigen, dass das gregorianische
Sonnenjahr rein zyklisch abläuft, durch alle Wochen- und Monatstage zählt und
fast nichts mit der Astronomie zu tun hat. Man darf also korrekt vom zyklischen
gregorianischen Sonnenjahr sprechen. Der einzige Bezug zur Astronomie ist die
Kopplung an den Frühlingspunkt im Jahre 1583. Damals wurde es mit dem Erd-
umlauf um die Sonne synchronisiert, läuft seither aber trotz seiner um 26 Sekunden
zu großen Länge frei ab, wobei sich dieser Fehler langsam in rund 3300 Jahren zu
einem ganzen Tag akkumuliert haben wird. Bei der ausführlichen Behandlung der
gregorianischen Reform soll auf diesen Umstand noch einmal genauer eingegangen
werden.
Frage 4:╇ Welche Sonntagsbuchstaben hat ein Schaltjahr, in dem der 29.2. auf einen
Sonntag fällt?
Frage 5:╇ Wann war das zuletzt?
Frage 6:╇ Nach wie vielen Jahren wiederholt sich dieses Zusammentreffen?
24 2 Sonnenkalender

2.3 Zyklische oder arithmetische Sonnenkalender

2.3.1 Tagesangaben im alten Mexiko

Ein Kalender, der recht einfach die Prinzipien zeigt, ist bei den Maya in Mit-
telamerika benutzt worden, wie man von archäologischen Fundstücken weiß. Er
besteht aus drei unterschiedlichen Zählweisen der Tage in schrittweise zusammen-
gefassten Einheiten [ReDe 01]. Alle drei überlappen sich, etwa so wie unsere Wo-
chen- und Monatstage, und alle drei zählen fortlaufend wie unsere Woche durch
leicht unterschiedliche Zyklen. Es handelt sich folglich um einen rein zyklischen
Kalender, der astronomische Vorgaben nur annähert, so ähnlich wie unser grego-
rianischer Kalender. Vollständig lautet eine Datumsangabe, z.€B. für den Todestag
des Herrschers Pascal von Palenque [Wiki 07], (ohne den Bezug auf Mond oder
Sterne)

9.12.11.5.18 6 Etznab 11 Yax,

wobei die drei Angaben zur sog. langen Zählung, dem rituellen oder Priesterjahr
Tzolkin und dem bürgerlichen Jahr Haab gehören.
Am leichtesten zu verstehen ist die lange Zählung, ein reines Stellenwertsys-
tem zur Basis 20, nur die vorletzte Stelle zählt bis 18. Man kann es sich wie unser
Datum rückwärts angeordnet vorstellen, allerdings mit (Tag, Monat,) Jahren, Jahr-
hunderten und einer noch größeren Einheit als Stellensystem zur Basis 20 aufge-
baut. Da die Null durchaus bekannt war, sind die Folgetage nach dem oben an-
gegeben Datum 9.12.11.5.19 und 9.12.11.6.0, d.€h. nach 20 Tagen erhöht sich der
Monatswert, ist bei ihm 17 erreicht, erhöht sich das Jahr entsprechend um eine
Einheit. Man sieht, dass sich der Zyklus erst nach 18â•›·â•›204 Tagen oder rund 7885
Jahren wiederholt.
Das Jahr (Tun) hat 18 Monate zu 20 Tagen. Die Jahreszahl erhöht sich nach 360
Tagen, ist also nur ungefähr an das Sonnenjahr angelehnt. Höhere Einheiten sind
Katunâ•›=â•›20 Tun und Baktunâ•›=â•›20 Katunâ•›=â•›400 Tun. Eine weitere 6. Stelle wäre das
Pictun╛=╛20 Baktun oder 8000 Mayajahre zu 360€d. Sie wurde bei den Mayas meist
weggelassen, so ähnlich wie wir 2010 zu 10 verkürzen.
Ein Problem ist die Zuordnung zu unserem Kalender. Die Mehrheit der Forscher
legt das Anfangsdatum 0.0.0.0.0 auf den 6.9.3114€v.€Chr. julianisch, also den julia-
nischen Tag 584€283, doch ist auch ein um 2 Tage größerer Wert vorgeschlagen wor-
den. Gegenwärtig ergibt sich mit dem kleineren Wert nach Calendrica [ReDe 01]
das Mayadatum für den

23.8.2007 entsprechend 12.19.14.10.13 7 Ben 1 Mol.

Wie man leicht sieht, steht nach dieser Zuordnung demnächst ein Übertrag in die
erste Stelle bevor: am 21.12.2012 springt die lange Zählung auf 13.0.0.0.0 4 Ahau
2.3 Zyklische oder arithmetische Sonnenkalender 25

Das Haab
Die Monatszeichen
des 365-Tage-
Kalenders

Pop Uo Zip Zotz’ Zec

Xul Yaxkin Mol Ch’en Yax

Zac Ceh Mac Kankin Muan

Pax Kayab Cumku Uayeb

Bild 4↜渀 Monatsnamen im Sonnenjahr Haab [ScFr 90]

3 Kankin. Dann beginnen nicht nur ein neues Tun, sondern auch ein weiteres Katun
und neues Baktun.
Haab ist das bürgerliche Jahr, das 18 Monate zu 20 Tagen mit 5 Zusatztagen um-
fasst, sich also mit 365€d an die Sonne anzupassen versucht. Allerdings verschiebt
sich die Zuordnung alle 4 Jahre um einen Tag wie das später erläuterte ägyptische
Wandeljahr. Man kann die Zusatztage als 19. Monat mit 5 Tagen auffassen, auch
dies wie bei den Ägyptern, die allerdings nur 12 Monate verwendeten. Hier beginnt
die Zählung mit Null, so dass vollendete Tage als Datum angegeben werden oder
das Nulldatum als Vorbereitung einer neuen Einheit zu betrachten ist. Auf 19 Pop
folgt 0 Uo, auf 4 Uayeb folgt entsprechend 0 Pop. Die Zuordnung zur langen Zäh-
lung legt den Beginn auf 8 Cumku für 0.0.0.0.0. Die Monatsnamen sind mit ihren
Hieroglyphen in Bild€4 angegeben, wobei nur Uayeb 5 Tage enthält, alle anderen
20 Tage.
Tzolkin ist das rituelle Jahr, das 260 Tage umfasst. Es kombiniert in zwei par-
allelen Zyklen wie unsere Wochen- und Monatstage 13 Zahlen mit 20 Namen, wir
haben 7 und 12 Namen an dieser Stelle. Beide sind jedoch Tagesbezeichnungen,
die sich täglich ändern, d.€h. auf 13 Etznab folgt 1 Cauac, dann 2 Ahau, 3 Imix usw.
26 2 Sonnenkalender

Der Tzolkin
Die Tageszeichen
des 260-Tage-
Kalenders
lmix lk Akbal Kan Chicchan

Cimi Manik Lamat Muluc Oc

Chuen Eb Ben lx Men

Cib Caban Etz’nab Cauac Ahau

Bild 5↜渀 Tagesnamen im Ritualjahr Tzolkin [ScFr 90]

Die Zählung beginnt mit 1, ihre Zuordnung zur langen Zählung erfolgt ab 4 Ahau.
Bild€5 zeigt die 20 Tagesnamen, die man auch übersetzen kann:

Man sieht, dass die Kombination von Haab und Tzolkin zu einer Kalenderrunde
führt, die durch das kleinste gemeinsame Vielfache von 260 und 365 bestimmt wird,
also 18€980€d oder 52 julianische Jahre abzüglich der 13 Schalttage umfasst. Bild€6
erläutert das Fortschalten als Zahngetriebe.
Tzolkin und Haab allein bilden mit anderen Namen den Aztekenkalender, der
im 16.€Jh. in Mexiko in Gebrauch war und durch den Kalenderstein im National-
museum in Mexiko gewürdigt wird. Die lange Zählung war bei den Azteken offen-
bar in Vergessenheit geraten, dafür wurde jeder volle Zyklus durch Feste feierlich
dokumentiert.
Hier soll der Kalenderstein von Bild€ 7 genauer erläutert werden. In seiner
Mitte ist die Sonne zu erkennen, mit einem Feuersteinmesser als Zunge. Um sie
2.3 Zyklische oder arithmetische Sonnenkalender 27

Kan, der
Tagesname,
der in vier
Tagen gelten
wird
Zahl, die in
vier Tagen
gelten wird
Haab-Datum,
das in vier Tagen
gelten wird

4 Ahau 8 Cumku, die


Kalenderrunde, mit der das
Weltzeitalter begann, kehrt
alle 52 Jahre wieder

Das Haab,
Die zwanzig Tageszeichen
das 365-Tage-Jahr
und dreizehn Zahlen
des Tzolkin

0 Cumku
(der letzte Tag
des Kayab)

Bild 6↜渀 Fortzählung als Getriebe [ScFr 90]. Eingestellt ist der Beginn einer neuen Kalenderrunde
mit 4 Ahau 8 Cumku. Vortag war 3 Cauac 7 Cumku, Folgetag ist 5 Imix 9 Cumku
28 2 Sonnenkalender

Bild 7↜渀 Aztekischer Kalen-


derstein (Anthropol.-hist.
Museum Mexico) [Wiki 07]

herum sind in Kästen eingerahmt die vier vorangegangenen Sonnenwelten dar-


gestellt: rechts oben 4 Jaguar, links oben 4 Wind, links unten 4 Regen, rechts unten
4 Wasser. Neben der Sonne rechts und links sind Klauen dargestellt, die ein Herz
halten, Symbol für die 5. oder gegenwärtige Welt, die durch 4 Bewegung oder ein
Erdbeben beendet werden wird, wie die Azteken glaubten. Der viereckige Kasten-
rahmen deutet auf Daten hin.
Oben und unten im inneren Kreis werden die Himmelsrichtungen angegeben:
Obsidianmesser für Osten, daneben links Kopfschmuck für Norden, unten neben
dem Kreis rechts Affe für Süden und links Haus des Regengottes für Westen. Um
dieses Mittelbild gibt ein Kreis die in je einem Kasten dargestellten Bilder für die
zwanzig Tagesnamen an, die von oben links herum mit Alligator, Wind, Haus,
Eidechse, Schlange beginnen und mit Regen und Blume oben rechts enden. Außer-
halb der Verzierungen zwischen den Sonnenstrahlen wird der äußere Kreis durch
zwei Feuerschlangen gebildet, die unten rechts die Nacht, links den Tag durch Gott
Quetzalcoatl symbolisieren, zwei Götter im Kampf um Licht und Dunkelheit. Oben
in der Mitte zwischen den Schlangen enthält ein Kasten die Hieroglyphe 13 Rohr,
wohl das Datum für die Aufstellung 1479 dieses Basaltmonuments von 3,60€ m
Durchmesser, das 1790 in Mexiko-Stadt gefunden wurde.
Eine Besonderheit dieser aztekischen Kalenderrunde, die ja von den Mayas
übernommen wurde und bei allen mittelamerikanischen Völkern bekannt war, ist
der Umstand, dass Haab- und Tzolkin-Daten keineswegs in beliebiger Kombination
auftreten können. 365 und 260 haben den gemeinsamen Teiler 5, folglich gibt es
nicht 365â•›·â•›260 Kombinationen, sondern nur 73â•›·â•›260, eben die 18€ 980€ d des Ka-
lenderzyklus. 52 davon sind Haab-Neujahrstage, insgesamt mit nur vier Tzolkin-
2.3 Zyklische oder arithmetische Sonnenkalender 29

Namen, aber jeweils mit allen 13 Zahlen verknüpft. 4 Rohr, 4 Feuerstein, 4 Haus
und 4 Kaninchen gelten als ausgezeichnete Tage für die vier Himmelsrichtungen.
Andererseits fehlt ein fester Bezug zu größeren Zeitabschnitten als 52 Jahre. Ein
solcher entsteht, wenn man das Ritualjahr Tzolkin mit dem Tun der langen Zählung
verbindet, also mit dem Jahr zu 360€d. Da 360 und 260 beide durch 20 teilbar sind,
enden alle Jahresperioden der langen Zählung, also Tun, Katun, Baktun usw., im
gleichen Tzolkin-Monat, also mit dem gleichen Tagesnamen, der sich ja alle 20€d
wiederholt [ScFr 90]. Jedoch ist die Tageszahl eine andere, die sich als Rest mod 13
ergibt, z.€B. für Katun als 7200:260â•›=â•›27 Rest 180, 180:13â•›=â•›13 Rest 11 oder kürzer
7200 mod 13â•›=â•›11. Damit erhält jedes Katun-Ende ein um 2 kleineres Ahau-Datum
als das vorangehende, ein Zyklus, der sich erst nach 13 Katun oder 260 Tun wieder-
holt. Das ist die kurze Zählung des Mayakalenders, die noch im 16.€Jh. bei ihnen
in Gebrauch war, während die lange Zählung weit vor der Kolonisierung, schon im
10.€Jh., in Vergessenheit geraten war.
Nur vermuten lässt sich, ob es einen Grund für die Länge des Tzolkin-Jahres
gibt. Die Aufteilung des Sonnenjahres in einen südlichen Abschnitt von 260€d zwi-
schen zwei Zenitdurchgängen und einen nördlichen von 105€d würde zwar für die
geographische Breite einiger Mayastädte passen, widerspricht aber dem Verzicht
auf die Kopplung des Kalenders an den Sonnenlauf. Es ist abschließend bemerkens-
wert, dass der Kalenderstein zwar 5 rituelle Daten nennt, aber kein echtes Datum
angibt, so ähnlich wie Himmelfahrt sich zwar jährlich wiederholt, aber allein kein
Datum darstellt. Alle fünf Daten wiederholen sich 73 mal im Kalenderzyklus, wa-
ren es also 365 aztekische Feiertage?
Auch beim aztekischen Kalender lassen sich Daten recht genau angeben, wie
man vor allem aus den Handschriften oder Codices entnehmen kann [AnJa 88].
Im Gegensatz zu den Mayatexten sind über 500 Codices der Azteken bekannt, die
teilweise nach der Eroberung angefertigt wurden, um die Kommunikation mit der
Urbevölkerung zu erleichtern. Bild€ 8 zeigt einen Ausschnitt der Seite 9 des Co-
dex Cospi, die zeigt, dass die Kalendernamen als Hieroglyphen in Verbindung mit
Punkten für die Zahlenwerte angegeben wurden. (Man beachte den Schreibfehler
beim Tag Schlange in der Handschrift.)
Auch der Codex Borbonicus in Paris lässt einiges über den Kalender der Azteken
erkennen, der wie bei den anderen mittelamerikanischen Völkern von den Mayas
übernommen und dabei leicht abgewandelt wurde. Vor allem Sonnenjahr und Ritu-
aljahr bilden die Grundlage als Tonalpohualli bzw. Xiuhpohualli, die lange Zählung
war ja in Vergessenheit geraten. Tabelle€2 stellt die Bezeichnungen in den Sprachen
Nahuatl der Azteken und Yucatec der Mayas einander gegenüber, die Ritualnamen
auch übersetzt.
Allerdings ist die Datierung nicht ganz einfach, eine Übersetzung der Namen
ist nicht ausreichend. Wie der erwähnte Codex angibt, begann ein Kalenderzyklus
1507 mit dem Jahr 2 Rohr und hätte sich ab 1559 wiederholt. Einige aktuelle Daten
würden wie in Tabelle€3 angeführt lauten [Azte 07, ReDe 01].
Damit wird die Zuordnung zu unserem Kalender erkennbar. Genannt sind u.€a.
für 2007 bis 2013 die aztekischen Neujahrstage, an denen erstmals ein neuer Jah-
resname auftritt, der dann für 365€d so bleibt. Im Sonnenkalender Xiuhpohualli ist
30 2 Sonnenkalender

Bild 8↜渀 Codex Cospi S. 9


[AnJa 88]. Venustafeln mit
der Darstellung als pfeile-
versendender Krieger. Der
Ausschnitt stellt links am
Rand von unten 8 aufeinan-
der folgende Tage dar:
1 Alligator, 2 Wind,
3 Haus, 4 Eidechse, weiter
am Rand oben 5 (!) Schlange,
6 Tod, 7 Hirsch, 8 Kaninchen

dies 1 Izcalli, was 0 Pop der Mayas entspricht, allerdings mit deren Datum 1 Cauac
7 Yax für 2007. Der Jahresname, den es bei den Mayas nicht gab, wird durch den
letzten Tag des 18. Monats nach dem Ritualkalender festgelegt, also des sechst-
letzten Tages des Jahres rückwirkend zum 1 Izcalli. Seinen Wechsel sieht man in
der 3. Datenspalte für den Oktober 2007. Weiterhin erkennt man den schon von den
Mayas bekannten Bezug auf die 4 möglichen Ritualnamen zu 1 Izcalli. Hier folgt
auf 8 Acatl (Rohr) das Aztekenjahr 9 Tecpatl (Feuerstein), dann 10 Calli (Haus)
und 11 Tochtli (Kaninchen), ehe sich der Zyklus mit höheren Zahlen, also 12 Rohr,
13 Feuerstein, 1 Haus usw. wiederholt. Als Zahlen treten nur die Werte 1 bis 13 durch
Punkte dargestellt auf, einschließlich der Glyphen der Namen lassen sich damit alle
Daten des Zyklus von 52 Jahren angeben.
Extrapoliert man diese heutigen Daten zurück in die Zeit der Eroberung Me-
xikos, findet man den letzten Neujahrstag 2 Rohr am 13.10.1987 (7 Quiahuitl
2.3 Zyklische oder arithmetische Sonnenkalender 31

Tabelle 2↜渀 Namen im Sonnen- und Ritualjahr der Azteken und Maya

Tabelle 3↜渀 Aztekische und Mayadaten der Gegenwart

1 Izcalli bzw. 7 Cauac 7 Yax), also auch 10 Zyklen vorher am 19.2.1455 greg. unter
Berücksichtigung von 126 Schalttagen. Am 13.2.1479 greg. begann dann das Jahr
13 Acatl (Rohr), das auf dem Kalenderstein oben in Bild€7 angegeben ist, so dass
dessen Datierung damit bestätigt wird.
Leider gibt Calendrica kein aztekisches Datum an, aber unter [Azte 07] findet
man im Internet einen interaktiven Aztekenkalender, mit dem man alle angegebenen
Daten leicht bestätigen kann. Das Jahr 2 Rohr begann auch am 7.2.1507 in Überein-
stimmung mit [AnJa 88, S. 87], wo erwähnt wird, dass als Feier zum Zyklusbeginn
der 52 Jahre die Zeremonie der Feuerbohrung auf dem Berg vorgenommen wurde.
Die Hauptstadt der Azteken Tenochtitlan wurde im Jahr 3 Haus am Tag 1 Coatl
2 Xocotlhuetzi von den Spaniern unter Cortez erobert. Das war der 13.8.1521 jul.
oder der Tag St. Hippolyt, wie historische Quellen berichten. Man beachte, dass das
entsprechende Mayadatum╇ 11.15.1.9.5╇ 3 Uo╇ 1 Chicchan lautet, beide Kalender
also von einander verschiedene Daten angeben, obwohl sie wie in Tabelle€3 relativ
32 2 Sonnenkalender

leicht in einander umgerechnet werden können. Interessant ist, dass der gleiche Jah-
resname auch nach Mayarechnung zu 1 Yax ablesbar ist, der „Jahresträger“ ist also
bei Mayas und Azteken der gleiche Tag. Allerdings ist 1 Pop 179€ d später als 1
Izcalli, wie die Tabelle der Zuordnung beider Kalender erkennen lässt. Auch im mit-
telalterlichen Europa begann das Jahr in Ost und West zu unterschiedlichen Zeiten,
jedoch waren die Monate die gleichen. Zu beachten ist weiterhin, dass in Guatemala
heute Mayakalender erhältlich sind, die jedes Datum gregorianisch und rituell an-
geben, jedoch mit je 3 unterschiedlichen Monatsnamen. Da sie nur teilweise mit
den in der Tabelle oben für Yucatec genannten übereinstimmen, beziehen sie sich
offensichtlich auf die heute dort gesprochenen Mayadialekte. Man darf bezweifeln,
dass die Zählung kontinuierlich seit der Eroberung beibehalten wurde. Vielleicht
aber ist das der Grund für die Verschiebung zwischen den erwähnten Maya- und
Aztekendaten. Genaueres hierzu ist in [Edmo 88] ausgeführt.

2.3.2 Sonnenkalender im alten Ägypten und im Orient

Ganz anders verlief die Entwicklung in Ägypten. Hier war durch die Nilschwem-
me eine Basis für den Kalender entstanden, die durch den Siriusaufgang vorherge-
sagt werden konnte. Dabei steht der Sternhimmel im Vordergrund, so dass gegen-
über dem Sonnenumlauf eine ganz langsame Verschiebung eintritt. Diese wurde
vermutlich akzeptiert, sie machte ohnehin nur höchstens 25 Tage in der gesamten
ägyptischen Geschichte aus, was aber erst im 2.€Jh. n.€Chr. richtig gedeutet wurde
[Rich 98]. Die Präzession der Erddrehung war damals noch unbekannt, es galt das
siderische Sonnenjahr.
In Ägypten gab es weiterhin auch einen bürgerlichen Kalender mit einem Son-
nenjahr, das zu 365 Tagen gerechnet wurde. Es bestand aus zwölf Monaten zu 30
Tagen mit 5 Zusatztagen, die als Unglücksbringer galten. Beginn der Jahreszählung
und Jahresanfang sind hierbei nicht ganz klar. Das Jahr wurde römisch annus vagus
oder Wandeljahr genannt und wurde wegen der festen Tageszahl noch von Koper-
nikus zu astronomischen Berechnungen benutzt. Aus der Sage, dass der Gott Thot
von der Mondgöttin im Brettspiel 1/72 jedes Lichttages gewonnen hat und dem
Sonnenjahr anfügte, geht hervor, dass es früher ein Jahr mit 360 Tagen Länge ge-
geben hat, wodurch sich auch das kürzere Mondjahr erklärt [Sele 81].
Monatsnamen sind seit der Frühzeit z.€B. Toth (1), Athyr (3), Mesir (6), Pha-
menoth (7), Pharmouti (8), Mesori (12), alle sind anders benannt als in Babylon.
Die Monate waren in Dekaden zu zehn Tagen unterteilt; es gab keine Ära, son-
dern das Regierungsjahr des Pharao benannte die Jahre. Manetho stellte 282€v.€Chr.
für den nun griechischen König eine Liste auf, die das Gerüst des Geschichtsab-
laufs in Ägypten zusammenstellt und an einer Tempelwand in Abydos erhalten ist.
Von Claudius Ptolemäus stammt die Zuordnung zur Ära seit Nabonassar ab Mi,
26.2.747€ v.€ Chr. Damit wurde ein Bezug zwischen Babylon und Ägypten herge-
stellt, der eine Datenkorrespondenz ermöglicht. Der 1. Toth war im Jahr 139€n.€Chr.
dem 20.7. des julianischen Kalenders zugeordnet, wie Dokumente beweisen.
2.3 Zyklische oder arithmetische Sonnenkalender 33

Tabelle╛╛4↜渀 Ägyptische
und armenische Daten
der Gegenwart

Auch heute noch kann man nach ihm datieren: der 8.7.2009 entspricht dem 19.
Athyr 2758 nach Nabonassar. Verfolgt man das durch einige Jahre hindurch, be-
merkt man die Verschiebung gegenüber unserem Kalender, wie Tabelle€4 deutlich
macht [ReDe 01].
Zum gregorianischen Datum sind hier die Zuordnung zur Ära Nabonassar im
ägyptischen sowie das Datum des armenischen Kalenders genannt. Durch das
Wandeljahr ergibt sich für den gleichen Tag unseres Kalenders ein alle 4 Jahre fort-
schreitendes Datum im ägyptischen und armenischen Kalender. Während ersterer
heute kaum mehr benutzt wird, lebt er in letzterem mit anderer Epoche fort. In
Armenien wird der Anfang auf den 11.7.552 julianisch oder den 1. Nawasardi 1
armenisch gelegt, wobei Hrotich der 12. Monat dieses Kalenders ist. Zwar ist der
Wochentag der gleiche wie bei uns, aber die Datenzuordnung wechselt alle 4 Jahre.
Dadurch vollendet sich demnächst ein armenischer Kalenderzyklus, der der ägyp-
tischen Sothisperiode entspricht. Am 11.7.2012 jul., d.€ h. am 24.7.2012 greg. ist
wieder der 1. Nawasardi erreicht. Dann sind seit 552 genau 1461 ägyptische oder
armenische, aber nur 1460 julianische Jahre vergangen.
Es gab auch Diskussionen um das (später so genannte) julianische Jahr, denn
die Sothisperiode von 1461 Jahren, nach der das Wandeljahr seinen Zyklus wie-
derholt, war bekannt. Es gibt aber keinen Nachweis, dass dieser Kalender auch
verwendet wurde. So wollte das Dekret von Canopus von 239€v.€Chr. einen vier-
jährigen Schaltzyklus einführen, aber statt der Übernahme dieser Regel durch die
Priesterschaft wurde die Tochter des Königs zur Göttin erhoben (hier ist offensicht-
lich das Haar der Berenike als Sternbild gemeint). Erst Augustus führte 23€v.€Chr.
den julianischen Kalender in Ägypten ein, jedoch in ägyptischer Form nach dem
erwähnten Dekret von Ptolemäus III. Euergetes (246–221). Seither läuft der ägypti-
sche Kalender synchron zum julianischen, wobei aber das ägyptische Jahr am 29.8.
beginnt.
Zur Unterscheidung wird der alte bürgerliche Kalender der ägyptische genannt,
der angepasste julianische aber der alexandrinische Kalender. Der Schalttag wur-
de am Ende des Jahres als 6. Zusatztag eingeschoben, also am 29.8. Damit beginnt
das alexandrinische Schaltjahr (genauer das nachfolgende) am 30.8., erst der 25.
Februar (heute der 29.) gleicht das mit dem echten julianischen Kalender wieder
aus. Die Tageszuordnung ist also vor einem julianischen Schaltjahr für ein halbes
Jahr um einen Tag verschoben.
Der alexandrinische Kalender wurde von Kopten und Äthiopiern ebenfalls
mit geänderten Monatsnamen und mit anderen Anfangsjahren übernommen. Die
Kopten rechnen seit dem ersten Regierungsjahr von Diokletian am 29.8.284, die
34 2 Sonnenkalender

Äthiopier seit dem 29.8.8€n.€Chr. Später versuchte man die Zählung nach Diokletian
wegen dessen Christenverfolgungen zu vermeiden und nannte deshalb die Jahre seit
284 auch Märtyrerära (AM anni martyrum).
Noch 1792 wurde der ägyptische Kalender als Revolutionskalender in Frank-
reich neu eingeführt, allerdings nur für wenige Jahre, wie später erläutert wird. Im
Osten hat der islamische Kalender ab dem 7.€Jh. praktisch überall den alexandrini-
schen verdrängt. Im Westen aber hat sich der römische Kalender, der ganz anders
aufgebaut ist, als julianischer Kalender erhalten, wobei seit der Vorherrschaft des
Christentums der alexandrinische Mondkalender einfügt wurde. Auch Ostrom hat
sich nach ihm gerichtet, wie die lateinischen Monatsnamen in Griechenland noch
heute erkennen lassen, die seit der Spätantike neben den griechischen verwendet
wurden. Jedoch begann das Jahr am 1.9. mit dem Wechsel der Indiktion, einem
15-jährigen Zyklus, seit Konstantin offenbar zur Steuererhebung eingesetzt. Insge-
samt zählte man bereits 5508 vor der Geburt abgelaufene Jahre, ehe unsere christ-
liche Ära begann.
Soweit der Blick auf die zyklischen oder arithmetischen Sonnenkalender. Wie
dabei deutlich wird, haben sie eine Zykluslänge, die sich mehr oder weniger an das
Sonnenjahr anlehnt, weichen aber wegen des notwendigen Bezugs auf ganze Tage
von dessen genauem Ablauf ab. Zwar entstehen dabei auch größere Perioden, nach
denen sich die Zuordnung zu den Jahreszeiten wiederholt, doch ist normalerweise
eine Korrektur erforderlich. Bemerkenswert ist, dass man dafür keine gebrochenen
Zahlen verwendet hat. Sie waren in Mexiko und dem alten Ägypten unbekannt, be-
gründeten aber in Alexandria die Verbesserungen, die im julianischen Sonnenjahr
ihren Ausdruck fanden, das anschließend für mehr als 1500 Jahre in Europa die
Grundlage der Zeitzählung bilden sollte.

2.4 Astronomische Sonnenkalender

2.4.1 Iranischer Kalender

Durch die Schrägstellung der Erdachse gegenüber ihrer Bahn, der Ekliptik, hat die
Natur eine grundlegende Einheit vorgegeben, die sich gut zur Zeitzählung eignet.
Es ist das Jahr, hier das so genannte tropische Jahr, dessen Länge durch den Erd-
umlauf um die Sonne definiert wird. Als Anfang gilt dabei der Durchlauf durch
den Himmelsäquator von Süden nach Norden, auch Frühlingstag- und Nachtgleiche
genannt. Im Kapitel€ 1.5 wurde das genauer erläutert. Der fiktive Ort der Sonne
am Fixsternhimmel zu diesem Zeitpunkt wird Frühlingspunkt genannt. Er befindet
sich derzeit im Sternbild der Fische, doch beginnt mit ihm der 30°-Sektor Widder
für den Lauf der Sonne auf der Ekliptik. Erde, Sonne und dieser Frühlingspunkt
bilden genau eine Linie, wenn der Frühling beginnt. Wir sind gewohnt, das mit
dem 21. März gleichzusetzen. Dadurch erhält der Sonnenkalender seinen rein as-
tronomischen Bezugspunkt, der sich von Jahr zu Jahr verifizieren lässt. Der genaue
2.4 Astronomische Sonnenkalender 35

Zeitpunkt dieser Konjunktion wird heute astronomisch bestimmt und in besseren


Kalendern angegeben.
Leider ist dieses Ereignis durch den Laien gar nicht so leicht zu bestimmen,
schwankt sogar von Jahr zu Jahr bzgl. des Datums. Man gewinnt eine gewisse
Hochachtung vor der Wissenschaft unserer Vorväter, wenn man daran denkt, dass
dies seit mehr als 3000 Jahren bekannt ist und zu allen Zeiten als Grundlage für
die Zeitrechnung gedient hat, jedenfalls für Astronomen und andere Wissenschaft-
ler. Das bürgerliche Jahr ist wegen der notwendigen ganzen Tageszahl beträchtlich
komplizierter, wie schon am Bezug auf den 21.3. zu erkennen ist. Gibt es also ein-
fachere Sonnenkalender? Kann man von ihnen Möglichkeiten zur Vereinfachung
lernen, jedenfalls um das Verständnis zu verbessern?
Als Beispiel soll hier der persische oder besser nach gegenwärtigem Sprach-
gebrauch der iranische Kalender erläutert werden. Er wurde in seiner heutigen
Version am 31.10.1925 durch den damaligen Schah eingeführt, um den islamischen
Mondkalender zurückzudrängen, der in Iran vorherrschte. Er wird trotz der islami-
schen Revolution auch gegenwärtig neben dem islamischen verwendet und lohnt
daher, sich mit ihm zu beschäftigen. Bild€9 zeigt einen heutigen Zeitungskopf, aus
dem die Kalenderangaben gregorianisch, islamisch und iranisch hervorgehen. Man
liest von rechts Charshanbeh 1 Farvardin 1386 usw., wobei in der arabischen Schrift
die iranisch abweichenden Ziffern 6 und 4 auffallen. In Saudi-Arabien zählt dieser
Tag übrigens als 2. Rabi-al-Awwal. Das wird zusammen mit dem Mondkalender
genauer erklärt.
Dem ersten Anschein nach ist dieser Sonnenkalender bestechend einfach, ist er
doch astronomisch definiert, enthält zwölf regelmäßig aufgebaute Monate und be-
zieht seine Jahreszählung auf das Jahr der Hedschra, also 622 nach Christus als Jahr
1. Das Jahr beginnt mit dem 1. des ersten Monats Farvardin, wenn die Frühlings-
tag- und Nachtgleiche in Teheran eintritt. Dies muss vor 12 Uhr mittags geschehen,

Bild 9↜渀 Ausschnitt aus einer Zeitungsseite aus Teheran mit Datumszeile, Angaben rechts: 21. März
2007, 1. Rabi-al-Awwal 1428, 1. Farvardin 1386 Mittwoch
36 2 Sonnenkalender

anderenfalls ist der nächste Tag der 1. Farvardin. Jeder Tag beginnt um Mitternacht
[ReDe 01]. Dabei gilt wegen der geographischen Länge von Teheran eine Zeitver-
schiebung zur Universal- oder Weltzeit von 3€h 30€min. Im Jahr 2007 bedeutete das,
dass der Frühlingsanfang auf den 21.3.2007 3 Uhr 37 Ortszeit fiel, dieser Tag folg-
lich das iranische Neujahr war und als 1.1.1386 zählte. In Mitteleuropa begann der
Frühling an diesem Tag um 1:07 Uhr.
Scherzfrage:╇ Zu welchem Jahr gehörten die ersten drei Stunden dieses Tages in
Iran? Natürlich zum neuen Jahr, da der Tag ja um 0 Uhr beginnt.

Zunächst sei auf die Monate eingegangen. Es gibt wie bei uns 12, aber die ersten
sechs haben 31, die nächsten fünf 30 Tage, der letzte (Esfand) hat 29 Tage. Im
Schaltjahr bekommt auch er 30 Tage. Einfacher lassen sich die Monate nicht gestal-
ten, denn das tropische Sonnenjahr hat ja die Länge von 365,242€19€d. Das ist leider
ein mit der Tageslänge inkommensurabler Wert, so dass Schaltmechanismen not-
wendig werden, um die Bruchteile an ganze Tage anzupassen, wodurch das bürger-
liche iranische Jahr entsteht. Da der gebrochene Anteil fast einen Vierteltag bildet,
wird ungefähr alle vier Jahre ein Schalttag notwendig, hier der 30. Esfand am Ende
jedes Schaltjahres. Allerdings ist das im Mittel zuviel, wie man vom Fehler des ju-
lianischen Kalenders weiß, der gregorianische hat das ja verbessern müssen. Wann
also hat der iranische Kalender Schaltjahre? Offenbar hängt das von der Sonne
und dem Frühlingspunkt ab, wobei letzterer sogar wegen der Präzession der Erdbe-
wegung jährlich um einige Bogensekunden zuruÌ‹ckweicht, also gar nicht fest steht.
An dieser Stelle würde man sich einen Zyklus wie im gregorianischen Sonnen-
kalender wünschen, bei dem ja gelegentlich, aber genau angebbar, z.€ B. im Jahr
2100, ein Schalttag ausfällt. Ein solcher Zyklus gibt klar alle Schalttage an, so dass
auch die Schaltjahre in Vergangenheit und Zukunft genau bekannt und einfach be-
stimmbar sind. Astronomische Kalender haben diesen Vorzug aber nicht, so dass
bei ihnen die Bestimmung der Schaltjahre kompliziert wird. Für den Jahresbeginn
ist ja allein der Sonnenstand in Teheran maßgebend. Berechnet man ihn über größe-
re Zeiträume, stellt man fest, dass die Schaltjahre zwischen 1930 und 2124 grego-
rianisch auf die hier angegebenen Jahre fielen oder fallen werden:

Im Gegensatz zum gewohnten gregorianischen Schaltzyklus gibt es im iranischen


Kalender anscheinend nach 28 Jahren jeweils einen Sprung um fünf Jahre bis zum
nächsten Schaltjahr, also auch einen Zyklus, der sich nach 33 Jahren zu wiederholen
scheint. Allerdings ist die vorletzte der angegebenen Perioden nur 29 Jahre lang, so
dass offensichtlich kein einfacher Zyklus existiert. Auch nach der letzten angegebe-
nen Folge gibt es eine Abweichung mit 37 Jahren. Es ist also schwer, die iranischen
Schaltjahre über längere Zeiträume vorherzusagen.
Außerdem ist ziemlich nachteilig, dass sich die Schaltjahre nur schwer merken
lassen, da der Sprung um 5 Jahre immer wieder andere Jahreszahlen zu Schalt-
2.4 Astronomische Sonnenkalender 37

jahren erklärt. Derzeit ist 1387, also 2008 gregorianisch, ein iranisches Schaltjahr,
also stimmen beide überein, wenn auch nicht im Schalttag. Erst ab 1408 sind durch
4 teilbare iranische Jahre auch Schaltjahre. Dafür beginnen alle iranischen Jahre
innerhalb eines Intervalls von 24€h. Wieso gibt es dann in Iran wechselnde Neu-
jahrsdaten zwischen dem 20. und 22.3. gregorianisch? Offensichtlich liegt das am
Zyklus des gregorianischen Kalenders, der hier genauer betrachtet werden muss.
Dessen Schaltjahre sind alle durch 4 teilbaren Jahre außer den nicht durch 400 teil-
baren Jahrhundertjahren. In ihnen, z.€B. 2100, fällt der Schalttag weg, so dass sich
dann ein Sprung von 8 Jahren zum nächsten Schaltjahr ergibt. Diese Regel führt
zu den bekannten 97 Schalttagen in je 400 Jahren, aus denen sich der Bruchanteil
des gregorianischen Jahres von 97/400 = 0,2425 d ergibt. Das ist ganz leicht zu
viel gegenüber der tropischen Jahreslänge, doch werden diese 0,000 31 d = 26 s in
jedem Jahr vernachlässigt, weil sie erst nach über 3000 Jahren einen Fehlertag er-
zeugen. Dafür ist die Schaltregel einfach und leicht zu merken.
Ein Schalten alle 4 Jahre ohne Ausnahme hat den viel größeren julianischen
Fehler von 0,25â•›−â•›0,242€19€dâ•›=â•›0,007€81€d oder mehr als 11€min jährlich zur Folge.
Das erzeugt bereits nach etwa 128 Jahren einen Fehlertag, der ja durch die grego-
rianische Reform korrigiert wurde. Andererseits bewirkt die gregorianische Schalt-
regel, dass zwischen 1900 und 2100 alle 4 Jahre ein Schaltjahr vorliegt, also müs-
sen zwei Fehlertage in Erscheinung treten. Dies ist tatsächlich der Fall und erklärt
die Schwankung des iranischen Jahresanfangs, der wegen seiner astronomischen
Festlegung viel genauer ist als die gregorianische Tageszählung, mit der wir ihn
benennen. In Wirklichkeit bleiben die gregorianischen Kalenderdaten gegenwärtig
mehr und mehr hinter dem Zeitablauf zurück. So wird es 2011 zum letzten Mal
in diesem Jahrhundert in Deutschland einen Frühlingsbeginn am 21.3. geben. Er
wird anschließend stets am 20.3. erfolgen, ab 2048 sogar alle 4 Jahre am 19.3. Ab
2080 beginnt der Frühling im Wechsel zweimal am 19., dann zweimal am 20.3.,
bis der ausfallende Schalttag 2100 das Datum wieder um einen Tag voranbringt.
Man sieht hier, dass die Unterschiede zwischen verschiedenen Kalendern relativ
sind und unser gewohnter gregorianischer Bezug gelegentlich das Verständnis der
Zusammenhänge erschwert.
Auf eine Kleinigkeit sei ausdrücklich hingewiesen: auch wenn sowohl gregoria-
nisch als auch iranisch ein Schaltjahr vorliegt, sind die Schalttage verschieden, hier
der 29.2., im Iran der 30. Esfand. Dieser Tag wird um den 21. März eingeschoben,
und zwar genau dann, wenn der Frühlingsbeginn auf den Nachmittag des Tages
fällt und so den Folgetag zum Neujahrstag erklärt. Das geschah zuletzt im Jahr
2005, für das nach dem Programm Calendrica [ReDe 01] fuÌ‹r den 20.3. 0:00 Uhr die
Sonnenposition 359,481° angegeben wird. Nach Weltzeit und damit für uns bedeu-
tet das, dass der FruÌ‹hling angenähert nach 0,519° oder um 12:27 Uhr Weltzeit am
20.3.2005 begann. In Teheran war es bereits 15:57 Uhr, also war der Folgetag der
1. Farvardin 1384, entsprechend dem 21.3.2005. Dessen Vortag ist der 30. Esfand
1383, in der Tat ein Schaltjahr, wie bereits ausgeführt wurde. 2009 hat sich dieser
Vorgang wiederholt. Die Sonne hatte am 20.3.2009 die Sonnenposition 359,515 um
0 Uhr, d.€h. FruÌ‹hlingsbeginn ist um 0,485° oder 11 h 38 min Weltzeit oder 15:08
Uhr in Teheran. Also ist das der 30. Esfand 1387, das iranische Jahr 1388 begann
am 21.3.2009.
38 2 Sonnenkalender

Tabelle 5↜渀 Frühlingsbeginn nach Weltzeit 2001 bis 2012

Auch eine Betrachtung der Anzahl der Schaltjahre im Verlauf der Zeit ist durch-
aus interessant. Das Intervall 1309 bis 1503 entspricht den gregorianischen Jah-
ren 1930 bis 2124, also 194 Jahre, in die gregorianisch 192:4â•›=â•›48, also 47 Schalt-
tage fallen, da 2100 ja ein Normaljahr ist. Das iranische gleiche Intervall enthält
8â•›·â•›5â•›+â•›7â•›=â•›47 Schalttage, also genau die gleiche Anzahl. Man erkennt hier den Aus-
gleich der zyklischen Annäherung an die astronomischen Vorgaben für den Jahres-
beginn.
Tabelle€5 stellt die maßgeblichen Zahlenwerte für die Jahre 2001 bis 2012 zu-
sammen. Eingetragen ist die Sonnenposition nach Calendrica [ReDe 01] mit ihrem
Datum, so dass das Komplement zu 360° den genauen Zeitpunkt des Frühlings-
beginns nach Weltzeit (UTC) zu bestimmen erlaubt. Da eine alternative Definition
der mittleren Länge des tropischen Sonnenjahres von dieser Position ausgeht und
die Länge durch eine Zunahme des Winkels um 360° festlegt [Wiki 07], wird an-
schließend diese Größe so extrapoliert, dass zur Sonnenposition für 2000 der den
Tagen entsprechende Winkelzuwachs angegeben wird. Man sieht, dass die Werte
geringfügig von den nach Calendrica bestimmten abweichen, sich das jedoch auch
wieder ausgleicht. Die Abweichungen sind auf astronomische Feinheiten beim Erd-
umlauf zurückzuführen, z.€B. auf Rückwirkungen vom Mond und anderen Planeten.
Die Zeile mit den Uhrzeiten gibt den Frühlingsbeginn zum erwähnten Komplement
der Sonnenposition an, während zur Kontrolle die festen Tageszahlen seit dem 1.1.1
gregorianisch sowie die jährlichen Inkremente mit angeführt werden.
Auf jeden Fall ist das leichte Zurückweichen der Sonnenposition jedes Jahr so-
wie der Sprung um den Schalttag gut zu erkennen. Ebenso bemerkt man, dass die
Sonnenposition nach 4 Jahren etwas größer als vorher ist, z.€B. von 2003 bis 2007
um 0,036° oder 51 min 51 sek. Als Mittelwert sind 4 · (11 min 14 sek) zu erwarten.
Deutlich ist auch der Sprung im Jahr 2011 gegenüber 2007, als der Frühling am
21.3. bereits wenige Minuten nach Mitternacht begann (0,005° oder 7 min 12 sek,
nach [Astr 05] wird für 2007 der Frühlingsbeginn in Deutschland um 1€h 7€min an-
gegeben). Nun beginnt der Frühling bereits am 20.3.2011 um 23€h 11€min so dass
nach MEZ der Frühling zum letzten Mal am 21.3. kurz nach Mitternacht beginnen
wird. Weiterhin fällt auf, dass der Schalttag durch den Wechsel des Datums deutlich
wird, z.€B. 2003 und 2007, erst ab 2011 unterbleibt dieser Wechsel.
Wie man erwarten würde, ist auch ein zyklischer oder arithmetischer Kalender
für den Iran vorgeschlagen worden [ReDe 01]. Zwar gehen die persischen Kalender
schon auf Omar Khayyam (ca. 1048–1123) zurück, damals als Djelali-Kalender
mit der alexandrinisch-koptischen Struktur von 12â•›·â•›30â•›+â•›5 oder 6€ d, doch ist die
geschichtliche Entwicklung kompliziert. Hier soll genügen, dass in [Bira 93] ein
2.4 Astronomische Sonnenkalender 39

Vorschlag für einen iranischen Zyklus gemacht wird, der weitgehend die astronomi-
schen Neujahrszeitpunkte annähern soll. Er verteilt 683 Schalttage auf 2820 Jahre
so, dass danach nur ein Fehler von wenigen Minuten bleibt. Allerdings ist der Zyk-
lus komplex: auf 21 Zyklen zu 128 Jahren folgt einer mit 132 Jahren oder

21 · (29 + 3 · 33) + 29 + 2 · 33 + 37 = 2820 mit


21 · (7 + 3 · 8) + 7 + 2 · 8 + 9 = 683 Schalttagen.

Der Zyklus beginnt mit Null im iranischen Jahr 474, dann wieder 3294, hat aber den
Nachteil, dass er sich mit den oben angegebenen Schaltjahren auf astronomischer
Basis nicht leicht zur Deckung bringen lässt. Wie bereits erwähnt ist in naher Zu-
kunft ein Unterzyklus mit 37 Jahren zu erwarten, der aber nur einmal am Ende des
Zyklus auftritt. Folglich sind die Unterzyklen wohl entsprechend zu verschieben,
um für die ferne Zukunft die Neujahrszeitpunkte abzubilden. In [ReDe 01] wird
eine Tabelle mit Abweichungen zwischen dem astronomischen und arithmetischen
iranischen Kalender angegeben, die aber zeigt, dass alle Neujahrstage zwischen
1865 und 2024 (also 1244 und 1403 iranisch) übereinstimmen. Für den Rest unseres
Jahrhunderts wird nur 2025 und 2058 jeweils arithmetisch ein Tag zu früh angege-
ben, danach erst wieder 2153. Auf lange Sicht sei die Einschränkung erwähnt, dass
alles auch davon abhängt, dass sich die astronomischen Verhältnisse nicht allzu sehr
verändern.
Wie man aus diesen Betrachtungen entnehmen kann, sind trotz der einfachen
Himmelsmechanik mit nur Erde und Sonne die Auswirkungen auf die Kalender
nicht ohne Feinheiten. Das ist mit dem System Erde–Mond so ähnlich und soll zu-
sammen mit den Mondkalendern genauer erläutert werden.

2.4.2 Andere astronomische Sonnenkalender

Der Bahai-Kalender geht auf Mirza Hussein Ali (1817–1872) und dessen Vorgän-
ger Mirza Ali Muhammed (1819–1850) zurück, beide in Persien geboren [Rich 98].
Letzterer hatte 1844 eine göttliche Erleuchtung, er sei Bab, das Tor zur Wiederkehr
des 12. Kalifen des Islam, der 1000 Jahre früher verschwunden war. Damit ent-
stand eine islamische Sekte, die viele Anhänger und Feinde fand, denn sie trat für
die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie aller Menschen und Völker ein.
Schon 1850 wurde er hingerichtet, doch Mirza Hussein Ali setzte als sein Schüler
sein Werk fort, bis auch er 1872 Persien verlassen musste. Im damaligen Palästina
oder heutigen Israel sammelte er 18 weitere Schüler um sich, die ihren Glauben
über die ganze Welt verbreiteten [Rich 98].
Die Zahl 19 kennzeichnet deshalb ihren Kalender, dessen Jahr mit dem Früh-
lingsbeginn in Teheran anfängt, aber 19 Monate zu 19 Tagen umfasst. Heute ist der
21.3. Neujahr, so dass sich der Monatsablauf an den gregorianischen Kalender an-
lehnt. Da 361 Tage zu wenig sind, werden 4 oder 5 Zusatztage nach dem 18. Monat
eingeschoben, bevor der 19. Monat beginnt. Der Tagesbeginn fällt wie im Orient
40 2 Sonnenkalender

Tabelle 6↜渀 Monatsanfänge im Bahai-Kalender

üblich auf den Vorabend. Die Jahreszählung beginnt mit dem Bab, also 1844. Es
gibt auch größere Zyklen von 19 bzw. 19â•›·â•›19 Jahren. Die Wochentage laufen mit,
haben aber keine Bedeutung, während u.€a. die Monatsanfänge feierlich begangen
werden. Man erhält dafür eine feste Zuordnung nach Tabelle€6.
Offensichtlich ist dieser Kalender auch an den iranischen angelehnt, denn Neu-
jahr stimmt mit ihm meist überein, genau dann, wenn die Tag- und Nachtgleiche
in Teheran vor Sonnenuntergang erfolgt. Geschieht dies aber am Nachmittag, sind
die Neujahrstage verschieden von einander, denn das iranische Neujahr ist erst am
Folgetag. Die Schalttage richten sich nach dem gregorianischen Kalender, wie an
den Zusatztagen in Tabelle€6 erkennbar ist.
Interessant ist auch ein Blick auf den französischen Revolutionskalender, der
vom 24.11.1793 bis zum 31.12.1805 in Frankreich die Zeitrechnung bestimmte
[ReDe 01]. Man hat ihn vom koptischen Kalender übernommen, so dass er 12 Mo-
nate zu 30 Tagen und 5 oder 6 Zusatztage umfasste. Er beginnt mit dem Tag nach
der Ausrufung der Republik. Das war der 22.9.1792 und gleichzeitig Herbstäqui-
noktium in Paris und damit der 1. Vendémaire des Jahres 1. Die Woche wurde mit
ihm zugunsten von Dekaden, also Monatsdritteln, abgeschafft. Vielleicht war das
ein Grund für die Widerstände, die seiner allgemeinen Einführung entgegenstanden
und deshalb zu seiner Abschaffung durch Napoleon beitrugen. Ein anderer Nach-
teil war der Jahresanfang, der astronomisch als Tag des Herbstäquinoktiums fest-
gelegt war [Sele 81]. Leider ist dafür eine recht komplexe Rechnung erforderlich,
so dass man sich eine Vereinfachung bezüglich der Schaltjahre überlegte, die aber
nur einen Vorschlag bildete: jedes 4. Jahr sollte ein Schaltjahr sein, aber jedes 100.
ein Normaljahr, allerdings jedes 400. doch ein Schaltjahr, dafür jedes 4000. keines.
Das ist eine elegante Regel, die sogar das Problem des gregorianischen Kalenders
lösen könnte. Mit ihr beträgt die Jahreslänge 365,242€25€d, das ist deutlich besser
als die gregorianischen 365,2425€d, denn erst nach rund 14€000 Jahren entsteht ein
Fehler von einem Tag.

2.5 Zusammenfassung

Wie die vorigen Abschnitte darlegen, reicht für eine einfache Zeitzählung der Be-
zug auf Erde und Sonne vollkommen aus: die Umdrehung der Erde bestimmt den
Tag, ihr Umlauf um die Sonne das Jahr. Man kann auf den Mond völlig verzichten.
Allerdings gilt das nicht für viele christliche Feste, denn sie sind wegen ihres orien-
talischen Ursprungs an den Mondumlauf gekoppelt, der den Kalender zum Luniso-
larkalender erweitert. Bevor dieser mit seinen Feinheiten erläutert wird, sollen die
Literatur 41

reinen Mondkalender genauer betrachtet werden, die auf den Bezug zur Sonne ver-
zichten. Sie sind u.€a. die Grundlage für die Feiertage des Islam, z.€B. des Ramadan,
und deshalb neuerdings auch in Westeuropa weit verbreitet.

Literatur

[AnJa 88] Anders, F., Jansen, M., Schrift und Buch im alten Mexico, Akadem. Druck- u. Verlags-
anst. Graz 1988
[Astr 05] Astronomische Grundlagen fűr den Kalender 2007, Braun, Karlsruhe 2005
[Azte 07] http://www.azteccalendar.com╇ (Abruf 22.5.09)
[Bira 93] Birashk, A., A comparative calendar for 3000 years, Mazda Publ. Costa Mesa, CA, 1993
[Edmo 88] Edmonson, M.S., Book of the year, Univ. of Utah Press 1988
[ReDe 01] Reingold, E.M., Dershowitz, N., Calendrical calculations – The millennium ed., 1.
publ.. - Cambridge : Cambridge University Press 2001
[ReDe 02] Reingold, E.M., Dershowitz, N., Calendrical Tabulations 1900–2200, Cambridge Uni-
versity Press 2002
[Rich 98] Richards, E.G., Mapping time : the calendar and its history, Oxford Univ. Press 1998
[ScFr 90] Schele, L., Freidel, D., Die unbekannte Welt der Maya, A. Knaus, München 1990
[Sele 81] Seleschnikow, S.I., Wieviel Monde hat ein Jahr? Urania, Leipzig 1981
[Wiki 07] Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Tropisches_Jahr bzw. http://de.wikipedia.org/
wiki/Maya-Kalender (Abruf Aug. 2007) und http://en.wikipedia.org/wiki/Xiuhpohualli
[Zema 87] Zemanek, H., Kalender und Chronologie, 4. Aufl., München, Oldenbourg 1987
Kapitel 3
Mondkalender und astronomische
Lunisolarkalender

Bild 10↜渀 Astronomische Uhr des Su Sung [NWSP 86]

In China hatte die Astronomie unabgängig vom Westen einen eigenen hohen Stand
entwickelt, der sich auch in Zeitangaben und Kalendern zeigt. Man erkennt bei die-
ser Wasseruhr des Su Sung (1020–1101) im Obergeschoß einen Globus, der offen-
sichtlich mit angetrieben wird und ein Ablesen von Himmelsdaten erlaubt. Darunter
erscheinen Kalenderangaben auf einer mitgeführten Trommel (Bild€10).

W. Görke, Datum und Kalender, 43


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_3, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
3.1 Islamische Kalender 45

3.1 Islamische Kalender

Eine Zeitbestimmung lässt sich ebenso gut vornehmen, wenn man nur auf Tag, Wo-
che und Monat zurückgreift und auf den Mond Bezug nimmt. Dies ist die Grund-
lage der islamischen Kalender, bei denen die Sonne ganz außer Betracht bleibt.
Nach dem Koran (Sure 9, 36–37) hat Allah ein Jahr mit 12 Monaten seit dem ersten
Tag der Schöpfung geschaffen, wobei das Einfügen von Schaltmonaten den Un-
glauben vergrößert. Offensichtlich wird mit diesen Worten ein Mondkalender vor-
gegeben, denn nur bei ihm gibt es Schaltmonate, vor allem, wenn man ihn mit dem
Sonnenjahr verknüpfen will, wie das Juden und Christen getan haben. Folglich ist
ein reiner Mondkalender angesprochen, der sechs Monate mit 30 sowie sechs mit
29 Tagen als Mondjahr umfasst. Mit der Länge von 354 Tagen weicht es deut-
lich vom 11€d längeren gregorianischen Jahr ab, das folglich innerhalb von etwa
32 Jahren einmal völlig durchlaufen wird. Die genaue Differenz beträgt im Mittel
365,2425 − 12 · 29,530 59€=€365,2425 − 354,367 08€=€10,875 42 d.
Allerdings erfordert auch das Schaltmaßnahmen, zwar nicht für Monate, aber für
einzelne Tage, denn der Monat ist etwas mehr als 29,5€d lang, genauer umfasst er
29,530€59€d oder 44€min und 3€s mehr als 29,5€d. Das kumuliert nach etwa 33 Mo-
naten oder drei Jahren zu einem vollen Tag. Wie die arabischen Astronomen schon
im 11. Jahrhundert wussten, ergibt die Entwicklung der Jahreslänge als Kettenbruch
eine gute Annäherung mit 11 Schalttagen in 30 Jahren: 354,367€08â•›=â•›354â•›+â•›p/qâ•›+â•›∆
Tage ergibt nämlich für p/q die folgenden Werte:

Es kann auch gut sein, dass ihnen die synodische Monatslänge aus dem Almagest
des Ptolemäus wohl bekannt war, nämlich 29; 31, 50, 8, 20€d, wobei dies als Sexa-
gesimalzahl zu lesen ist. Zwölf Monate ergeben damit genau 354; 22, 1, 40€d. Bricht
man diesen Wert nach der ersten Stelle hinter dem Semikolon ab, ist der Rest 22/60
oder 11/30€d. Das bedeutet 11 Schalttage in dreißig Jahren wie bereits erläutert. Es
bleibt dabei ein kleiner Fehler, der gleich erläutert wird.
Die Schalttage lassen sich nach den Jahren 2, 5, 7, 10, 13, 16, 18, 21, 24, 26 und
29 des 30-jährigen Zyklus einfügen, am besten als Zusatztag im letzten Monat, so
dass damit ein sehr einfacher Mondkalender vorliegt [ReDe 01], hier arithmetisch
oder zyklisch genannt. Er besitzt abwechselnd Monate mit 30 und 29 Tagen, d.€h.
alle ungeraden Monate haben 30, alle geraden 29€d, außer in den oben angegebenen
Schaltjahren, in denen auch der letzte (gerade) Monat 30€d aufweist. In diesem Fall
hat das Jahr 355, sonst stets 354€d, es verschiebt sich also laufend gegenüber dem
46 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Sonnenjahr. Nach dreißig Jahren wiederholt sich der Zyklus. Wie schon Al-Biruni
(973 bis 1048) und Ulug Beg (1394 bis 1449) angaben, lassen sich mit diesem Sche-
ma Kalendertafeln aufstellen, die nach 210 Jahren auch den gleichen Wochentag
zyklisch wiederholen. (30â•›·â•›354â•›+â•›11â•›=â•›10€673€d sind nicht durch 7 teilbar.) Sie ge-
ben äußerst genau den mittleren Zeitablauf an, erst nach etwa 2500 Jahren entsteht
aus der restlichen Abweichung ein Fehler von einem Tag gegenüber dem gregoria-
nischen Kalender. (Selbst mit der Näherung nach Ptolemäus sind dazu 814 Jahre
notwendig.) Da der Kalender mit Freitag, dem 16. Juli 622, dem angenommenen
Datum der Hedschra (H.), d.€h. der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina
beginnt, hat sich bisher kaum mehr als ein halber Fehlertag akkumuliert. Man kann
also auch zukünftig gut mit diesem Kalender rechnen.
Dennoch geschieht das nicht, sondern man benutzt ihn nur zu angenäherten
Datumsangaben vor allem im wissenschaftlichen Bereich. Einerseits gibt es andere
Festlegungen der 11 Schaltjahre. Z.€B. hat Ulug Beg Jahr 15 statt 16 wie oben als
Schaltjahr angegeben. In östlichen islamischen Gesellschaften sind auch andere Ab-
weichungen üblich (8 statt 7, 19 statt 18, 27 statt 26). Auch Al-Biruni hat zusätzlich
die Abweichung 11 statt 10 der obigen Folge benutzt [vGen 05]. Andererseits wird
vor allem in religiös ausgerichteten Ländern jedes arithmetische Schema abgelehnt
und der islamische Kalender an die Beobachtung der Neulichtsichel kurz nach
Sonnenuntergang am Abendhimmel gekoppelt: ist sie zu sehen, beginnt unmittelbar
der neue Monat. Das heißt, der nächste Tag ist dessen 1. Tag, denn jeder Tag beginnt
bereits mit dem Sonnenuntergang des Vortages. Damit wird der Kalender vom Ort
der Beobachtung abhängig, so dass es kein einheitliches stets überall übereinstim-
mendes Datum über längere Zeiträume geben kann, vor allem auch keine Angaben
über die Zukunft. Auf diesen Umstand wird später noch einmal eingegangen.
Tabelle€7 gibt die ersten Monatstage des soweit erläuterten islamischen Kalen-
ders für die Gegenwart an, wobei die Kopfzeile die 12 Monate nennt, anschließend
der geozentrische Neumond mit Datum und Uhrzeit (UTC) nach [MoPf 00] er-
scheint, dann die ersten Monatstage als gregorianisches Datum (bis zum Sonnen-
untergang) arithmetisch nach [ReDe 01]. Es folgt eine Zeile mit dem Mondalter
(MA) in Tagen als Differenz dieser beiden Angaben, wobei der Tag des arithmeti-
schen Monatsanfangs mit 0:00 Uhr begonnen wird. Wegen der Rundung lässt sich
auch sagen, dass es gleich der Datumsdifferenz der beiden Zeilen darüber ist, wenn
der Neumondzeitpunkt vor 12:00 Uhr liegt, sonst ist es um 1€d kleiner. Wie man
sieht, gilt als Neulicht arithmetisch immer der 1 oder 2€d alte Mond, das Mondalter
3 bildet eine sehr seltene Ausnahme. Dieser Wert reduziert sich auf 2€d, wenn man
18:00 Uhr des Vorabends als Tagesbezug wählt. Die islamischen Neujahrstage er-
scheinen fett, wobei der 1. Muharram 1430€H. noch in den Dezember 2008 fällt.
Die folgenden beiden Datumszeilen geben in zwei Varianten das astronomi-
sche Datum des Monatsbeginns an, und zwar nach den Tabellen aus der Zeitschrift
Saudi Aramco World [SAW 05], das auch dem Kalender Umm-al-Qura entspricht,
der von R. van Gent auf dessen Netzseite nach eigener Berechnung zur Sichtbar-
keit des Neulichts angegeben wird [vGen 06], sowie nach [ReDe 02]. Van Gent
weist auf seiner Netzseite darauf hin, dass Umm-al-Qura als offizieller saudi-ara-
bischer bürgerlicher Kalender gedacht ist, also das gleiche Ziel wie der arithmeti-
3.1 Islamische Kalender 47

Tabelle 7↜渀 Islamische Mondkalender 1427–1430€H. (2006–2009€AD)

sche Kalender anstrebt. Daß der Tabellenwert RD astron. häufig ein um einen Tag
zu spätes Datum nennt, könnte auf den Bezug auf Los Angeles zurückzuführen
sein [ReDe 02].
Man sieht, dass sich die beiden astronomischen Kalender bemühen, das arith-
metische Datum ohne Schaltregeln anzunähern. Gelegentlich treten Abweichungen
um 1 oder 2€d auf. Das spielt aber keine weitere Rolle, denn die Monatslänge (ML)
gleicht das immer wieder aus. Sie ist in den letzten drei Zeilen der Tabellen ange-
geben, zuerst für den arithmetischen, dann für die beiden astronomischen Kalender.
Alle Monate haben auch hier entweder 29 oder 30€d, wie auch die Jahreslängen 354
oder 355€d betragen. Im Gegensatz zum arithmetischen Kalender gibt es aber bei
letzteren keinen regelmäßigen Wechsel, sondern scheinbar unregelmäßige Folgen
der Zahlen 29 und 30, die sich im Mittel bei leichtem Überwiegen der 30 ausglei-
chen. Natürlich hat das ungleiche Datumsangaben zur Folge, deren Benennung vom
48 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Kalender abhängt. Je nach Bezug können dadurch die Jahreslängen unterschiedlich


werden. Wie der Zeitraum der Tabelle aber erkennen lässt, haben alle Jahre die glei-
chen Längen von 355 oder 354€d. Die arithmetische Monatslänge wechselt streng
zwischen 30 und 29€d, nur der letzte Monat von 1428€H. hat durch den Schalttag
30€d, so dass dreimal 30€d aufeinander folgen. Die Schaltjahre lassen sich hier leicht
durch die Bedingung

(11y + 14) mod 30 < 11

für beliebige Jahre y der Hedschra erfüllen [ReDe 01]. Folglich ist nur das Jahr
1428€H. ein Schaltjahr, die anderen Jahre der Tabelle haben 354€d. Ohne dass ex-
plizit Tage eingeschaltet werden müssen, ergibt sich für die beiden astronomischen
das gleiche wie beim arithmetischen Kalender, nur die leichte Vorhersagbarkeit ist
dabei verloren gegangen, während die Werte vom Ort der Beobachtung und den
Rechenparametern abhängig werden.
Man muss darauf hinweisen, dass dieser astronomische bürgerliche Kalender
recht jung ist und nur für Saudi-Arabien seit dem 15. März 2002 in der hier angege-
benen Form Gültigkeit besitzt. Jordanien und Algerien richten sich nach dem sog.
universellen Hedschra-Kalender, der 2001 von der Arabischen Union für Astrono-
mie und Raumfahrtwissenschaft vorgeschlagen wurde. Er erfasst genauer die Mög-
lichkeiten einer Beobachtbarkeit der Neulichtsichel am 29. Tag eines Mondmonats
und teilt dafür die Erde in drei Beobachtungsregionen ein (Ost für Asien, Zentrum
für Mittelmeer/Nahost und Afrika, West für Amerika). Auch danach können die
Monatsanfänge auf verschiedene Tage fallen, allerdings beträgt die Abweichung
höchstens einen Tag.
In Libyen ist ein Mondkalender gültig, der die Jahreszählung nicht mit der He-
dschra, sondern mit dem Tod Mohammeds beginnen lässt. Dadurch beginnt er am
8. Juni 632 und seine Jahreszahlen sind um 11 niedriger als bei den anderen islami-
schen Kalendern. Ihr Wechsel erfolgt am 12. des 3. Monats (Rabi al-Awwal), also
mitten im Monat/Jahr. Auch er dient neben einem libyschen Sonnenkalender ledig-
lich der bürgerlichen Datierung.
Ein paar Bemerkungen sind hier noch zu ergänzen. Der arithmetische islamische
Kalender ist äußerst genau und erfordert keine Mondkorrektur wie der gregoriani-
sche, dessen Osterfest nach dem Frühlingsvollmond zu feiern ist, so dass die Epak-
ten im Kalender berücksichtigt werden müssen. Zwar merkt man das nur alle 300
Jahre, doch immerhin 8 mal in 2500 Jahren, in denen islamisch nur ein Fehlertag
akkumuliert wird. Daher sollte man eigentlich erwarten, dass nach ihm die Fest-
daten wie das der islamischen Pilgerfahrt bestimmt werden. Offenbar ist der Schalt-
mechanismus der Grund, dass auf die Beobachtungen der Neulichtsichel zurückge-
griffen wird. Das ist zwar dasselbe wie ein Schalttag, denn die Beobachtung führt ja
wegen des Bezugs auf den Neumond zur exakt gleichen Länge beliebiger Intervalle.
Dient also wirklich nur der Umstand der Willkür der Schaltkorrektur als Grund für
die Ablehnung des arithmetischen Kalenders? Ist die Willkür bei der Entscheidung
über die Sichtbarkeit nicht genau so strittig? Wird der Koran überinterpretiert, in-
dem auch Schalttage als verboten gelten, nicht nur Schaltmonate?
3.1 Islamische Kalender 49

Auf jeden Fall macht der Umstand unterschiedlicher Kalender im Islam einen
wesentlichen Unterschied im Denken deutlich: der Mensch darf sich keine welt-
liche normierte Zeitbestimmung zunutze machen, auch wenn man anders zukünf-
tige Daten gar nicht bestimmen kann, Beobachtungen sind ja nur in der Gegenwart
überhaupt möglich. Es wirkt daher wie ein Witz der Kulturentwicklung, dass sich
Mohammedaner offenbar nur dann auf ein Datum einigen können, wenn sie auf sei-
ne gregorianische Variante zurückgreifen! Allerdings gibt es einen Ausweg, auf den
die Historiker hinweisen. Wenn man Daten immer unter Einschluss des Wochentags
angibt, lässt sich auch mit unterschiedlichen islamischen bürgerlichen Daten leben.
Der Wochentag macht die Kalenderangabe eindeutig, denn er ist von der Mond-
beobachtung unabhängig [Spul 63]. Man kann das leicht mit Tabelle€7 nachvollzie-
hen: der 1. Shaban 1427€H., also des 8. Monats, fällt entweder auf den 25. oder 26.
August 2006, er ist also Freitag oder Sonnabend. Eine Verabredung auf Freitag, den
8. Shaban 1427, macht damit deutlich, dass Umm al-Qura gemeint ist, also Freitag,
der 7. Shaban 1427, wenn der Kalender RD astron. gelten soll. Der Wochentag ist
dabei wichtiger als das Tagesdatum.
Zur Erläuterung sei ein Beispiel angeführt, das sich aus dem Kopf zweier arabi-
scher Zeitungen am 20.10.2006 ergibt. Al-Ahram (die Pyramide) erscheint in Kairo,
während Al-Hayat (das Leben) in Beirut herausgegeben wird. Beide liefern (über-
setzt) die folgenden Datumsangaben:

Al-Ahram: ╇ Freitag, 27. Ramadan 1427 H. â•›– 20.10.2006,


Al-Hayat:╇ â•›Freitag, 28. Ramadan 1427 H., ╛↜– 20.10.2006.

Demgegenüber ergibt sich für den 20.10.2006 nach Tabelle€ 7 für Umm al-Qura
Freitag, 27. Ramadan 1427€ H., das gleiche für RD arithm., während RD astron.
Freitag, den 26. Ramadan 1427€H. liefert. Das hebräische Datum dazu ist der 28.
Tishri 5767€WÄ (Weltära).
Es ist bemerkenswert, dass sich an dieser umständlichen Form der islamischen
Datumsangabe in unserer modernen Welt nichts zu ändern scheint. In der westli-
chen Welt dagegen wird man nicht verstehen können, warum der eindeutige arith-
metische islamische Mondkalender in den islamischen Ländern abgelehnt wird.
Eine genauere Betrachtung der Tabelle€7 zum islamischen Mondkalender macht
deutlich, dass die astronomische Länge des synodischen Mondmonats, also die Zeit
von Neumond zu Neumond, starken Schwankungen unterworfen ist. Kein Wunder
also, wenn die Beobachtung der Neulichtsichel zu schwer vorhersehbaren Daten
führt. Tabelle€8 gibt für die gleichen Vollmonddaten die genaue Länge der einzelnen
Intervalle an, so dass die Ergänzung um 29 volle Tage die minutengenaue Monats-
länge aller Lunationen der Jahre 2006 bis 2009 erkennbar macht.
Wie die Werte erkennen lassen, bildet unser Mond alles andere als eine verläss-
liche Zeitbasis. Viel eher gleicht er einem Spielball, auf den sich die Kräfte der
viel größeren Nachbarn Erde, Venus, Mars, Sonne und anderer Planeten scheinbar
willkürlich auswirken, so dass sich beliebige Werte herausbilden. Man findet als
minimale bzw. maximale Werte hier 29€d 6€h 56€m für den 6. Monat 1429€H. bzw.
29€d 19€h 33€m für den 1. Monat 1430€H. Auch der Mittelwert über die 4 Jahre ist
50 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Tabelle 8↜渀 Monatslängen 2006 bis 2009 (18.10.2009 5:34â•›+â•›29€dâ•›+â•›13:41€h ergibt 16.11. 19:15)

17 Minuten kürzer als der erwartete Wert von 29€d 12€h 44€m, den man in vielen
Büchern angegeben findet. Hier sind die Extremwerte −5€h 48€m undâ•›+â•›6€h 49€m,
doch können auch deutlich größerer Abweichungen vom langjährigen Mittelwert
auftreten. Das wird die Große Ungleichheit der Mondbewegung genannt, in der
sich mehr als 100 Störungen insgesamt bemerkbar machen, die astronomisch mehr
oder weniger exakt erfasst sind und in die Rechenmethoden zur Bestimmung der
Ephemeridenzeiten Eingang gefunden haben. Abweichungen von der fiktiven mitt-
leren Mondposition und der dazu gehörigen mittleren Umlaufgeschwindigkeit erge-
ben sich durch die Exzentrizität der Mondbahn, die Knotenänderung, das heißt die
Verschiebung der Schnittpunkte der Umlaufbahnen von Mond und Erde, die ja um
etwas mehr als 5° gegeneinander geneigt sind, der Änderung der Apsidenlinie, der
Evektion, Variation, Libration, der Gezeitenauswirkung und vieler anderer Größen,
deren Betrachtungen hier zu weit führen würde.
Auch die Erdbewegung wird durch ähnliche Störungen beeinflusst, vor allem
wechselt die Umlaufgeschwindigkeit wegen ihrer elliptischen Bahn, so dass sich
Schwankungen der Tageslänge ergeben, die aber nicht viel mehr als ±15 Minuten
im Jahresverlauf betragen. Die so genannte Zeitgleichung beschreibt das genau,
wobei derzeit im Februar maximal −14€m 24€s den Tag verkürzen undâ•›+â•›16€m 21€s
im November den Tag verlängern. Weitere Effekte hierbei sind die Polbewegung der
Erdachse bis ±15 Meter, die Präzession, also das Rückweichen des Frühlingspunkts
in der Ekliptik, die Nutation, Lunarpräzession, Planetenpräzession usw. [ScTr 84].
Kapitel€ 8 erwähnt einige dieser Auswirkungen auf die genaue Zeitmessung klei-
nerer Intervalle. Langfristig erlauben die Aufzeichnungen über die Lunationen der
Vergangenheit die genaue Bestimmung des Mittelwerts eines Mondmonats.

3.2 Der alte chinesische Kalender

Auch in China ist der Kalender uralt. Da aber die Schrift erst seit ungefähr
1600€v.€Chr. auftritt, darf man seit dieser Zeit auch die Verwendung einer geschicht-
lichen Zeitzählung annehmen. Für sie war der Kaiserhof zuständig, der einen Beam-
3.2 Der alte chinesische Kalender 51

Tabelle 9↜渀 Elemente des


Himmelsstamms

ten dafür bestimmt hat, der als Almanachverwalter zwar eine angesehene Stellung
innehatte, aber mit seinem Leben für die Richtigkeit des Kalenders haftete. Es hat
viele Reformen dieses Kalenders gegeben, jedoch ist interessant, dass er auf De-
zimalzahlen für die Zahlenangaben zurückgreift, die also auch für Zeitabschnitte
verwendet wurden. Die andere Besonderheit ist das System der östlichen Gegen-
sätze Yin und Yang, die dem weiblichen und männlichen Prinzip, aber auch Kälte
und Nacht gegenüber Hitze und Tag sowie anderen Gegensätzen des Alltagslebens
entsprechen. Von Orakelknochen aus der Shang-Dynastie am Gelben Fluss ergeben
sich Hinweise auf Datierungen ab 1400€v.€Chr. [ReDe 01, Rich 98].
Das Jahr wird zu 365,25 Tagen Länge angenommen, ebenso 29,5 Tage für den
Monat. Die Kreisteilung bezieht sich auf das Jahr, so dass ein Pu einem Teil des
vollen Kreises für einen Tag entspricht, der Vollkreis also 365 1/4 Pu umfasst. Eine
Sonnenfinsternis ist bereits für das Jahr 1281€v.€ Chr. aufgezeichnet worden. Aus
dem 4.€Jh.€v.€Chr. gibt es Sternkarten, während die Präzession des Frühlingspunktes
seit dem 4.€Jh.€n.€Chr. bekannt ist. Man darf erwarten, dass alle diese Angaben un-
abhängig vom westlichen Gebrauch entstanden sind. 10 und 12 sind die Zahlen, die
die Basis 60 bilden, wobei die Zählung nach dem Himmelsstamm und den Erd-
zweigen für die Jahre erfolgt. Ersterer umfasst die 10 Elemente, Tabelle€9 macht die
Paare und ihre Reihenfolge deutlich. Genau so ergibt sich fűr die 12 Erdzweige eine
Reihe abwechselnd wilder und zahmer Tiere mit der Aufstellung nach Tabelle€10.
Die Jahreszählung läuft zyklisch durch beide Tabellen, so dass sich die Benen-
nung nach 60 Jahren, also einem Menschenalter, wiederholt. Für 2007 folgt auf
(3, 11) (4, 12), also nach natürlichem Feuer mit Hund, künstliches Feuer mit
Schwein, anschließend für 2008 Erde mit Maus, dann für 2009 Lehm mit Rind
sowie für 2010 Erz mit Tiger. Die Tiernamen sind in Bild€11 rechts und links an-
geführt. Man beachte, dass die Tiere die jeweilige Gattung angeben sollen, so dass
je nach Übersetzung auch Ratte, Ochse oder Kuh, Esel statt Pferd, Ziege statt Schaf,
Huhn statt Hahn usw. genannt werden können.
Heute sind offenbar diese alten Jahresangaben nicht mehr üblich, man zählt nur
noch gregorianisch. Dafür wird eine Art Bauernkalender angegeben, wenn vom chi-
nesischen Kalender gesprochen wird. Er zeigt die Halbmonate des Sonnenjahres
an, die neben den Mondmonaten in chinesischen Schriftzeichen dargestellt wer-
den, wobei mit dem Frűhlingsanfang (Lichun) um den 4. Februar zu beginnen ist.

Tabelle 10↜渀 Erdzweige im alten


chinesischen Kalender
52 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Bild 11↜渀 Kalender für 2007 (Werbung eines Restaurants in Wiesloch)


3.2 Der alte chinesische Kalender 53

Tabelle 11↜渀 Halbmonatsabschnitte des chinesischen Kalenders

Tabelle€11 führt die 24 an das Sonnenjahr gekoppelten Benennungen für die Zeit-
abschnitte von 15,2€d des Jahres 2007 an.
An diesem Sonnenjahr fällt auf, dass mit den Äquinoktien und Sonnenwenden
genau die entsprechenden westlichen Daten gemeint sind, allerdings auf die geo-
graphische Länge von Peking bezogen. Die 4 Quartale aber beginnen jeweils 3
Halbmonate früher.
In neuerer Zeit ist seit dem 17.€Jh. ein reiner Lunisolarkalender benutzt worden,
der sich auf das tropische Sonnenjahr und den synodischen Mondumlauf bezieht,
aber auf den echten Neumond und einen abstrakten Sonnenmonat ausgerichtet ist.
Beide Umläufe werden astronomisch mit Bezug auf die Länge von Peking bezogen.
Die mittlere Sonnenwende wurde mit einem Gnomon von zwanzig Metern Länge
ermittelt, wobei sich die Jahreslänge zu 365,242€190 Tagen ergab. Dieser noch heu-
te gültige Wert ist seit Xing Yunho (1573 bis 1620) bekannt, also etwa seit der Zeit
der astronomischen Tätigkeit von Tycho Brahe in Prag.
Die eigentliche Tageszählung erfolgt nach den Mondmonaten, die stets mit dem
Neumond in Peking als erstem Tag anfangen. Der Jahresbeginn wurde mehrfach
geändert. In der neuesten Form liegt er so, dass die Wintersonnenwende in den 11.
Mondmonat des Jahres fällt. Dadurch ist Neujahr meist am zweiten Neumond nach
der Wintersonnenwende, selten am Beginn des dritten Monats.
Mit dem Ende der Kaiserzeit wurde dieser Kalender zugunsten des gregoriani-
schen in den Hintergrund gedrängt, wobei man ab Gründung der Republik 1912
zählte. Endgültig wurde der gregorianische Kalender mit der GruÌ‹ndung der Volks-
republik 1949 eingeführt. Wegen der Zuordnung der Jahre zu Tieren, der Bauern-
regeln sowie des Bezugs auf die Neumondtage ist der alte Kalender aber auch heute
noch üblich. Jedenfalls findet man heute verschiedentlich kalligraphisch ausge-
schmückte chinesische Kalender, für 2007 ist in Bild€11 ein Beispiel angegeben.
Man erkennt dort interessante Einzelheiten. Die Jahresangabe erfolgt gregoria-
nisch, wie es dem offiziellen Kalender entspricht. Allerdings sind die traditionellen
Angaben ebenfalls dargestellt, so dass auf sie näher eingegangen werden soll. Links
und rechts ist der Tierzyklus zu erkennen, der gerade erläutert wurde, offensichtlich
ohne die Elemente des Himmelsstamms. Deshalb wiederholt sich der Zyklus alle 12
Jahre. Für 2007 wird Schwein angegeben, für 2008 Maus, für 2009 Ochse für Rind,
wie schon erwähnt. Das stimmt nicht ganz, denn Neujahr fällt chinesisch nicht auf
den 1. Januar, wie später erläutert wird. Die Einteilung richtet sich nach dem gre-
gorianischen Kalender, indem je 7 Tage zu einer Woche zusammengefasst werden.
Das war im alten China nicht üblich, eher rechnete man früher mit Dekaden. Dafür
54 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Bild 12↜渀 Kalender für 2007, erste Hälfte vergrößert


3.2 Der alte chinesische Kalender 55

sind die Monate unseres Sonnenjahres dargestellt, auch sie weichen mitunter leicht
von den chinesischen ab.
Um das zu verstehen, muss man sich detailliert mit den Angaben in chinesischen
Schriftzeichen befassen, die neben den einzelnen Tagen auftreten und ganz offen-
sichtlich die chinesische Tageszählung angeben. Zur besseren Erkennung sind die
ersten Monate auf Bild€12 noch einmal vergrößert dargestellt.
Übergeht man den 1. Januar, der vermutlich als westliches Neujahr bezeichnet
wird, so fallen eine Reihe von Zahlen auf, die wegen des Kreuzes für 10 als 14 bis
19 zu identifizieren und dem 2. bis 7. Januar zugeordnet sind (s. dazu Bild€13, Spal-
te 2). Es folgt die Zahl 20 (2â•›·â•›10), weiterhin offensichtlich 21 bis 30, entsprechend
dem 9. bis 18.1. Statt 31 folgt eine 12 mit einem Zusatzzeichen, das offenbar für
Monat steht, d.€h. Anfang des 12. Monats am 19.1. Ein Blick in unsere Kalender
zeigt, dass an diesem Tag Neumond ist, wie auch die Tabellen zum islamischen
Mondkalender oben erläutern. Ganz offensichtlich folgen neue Daten, d.€h. Zahlen,
die 3 bis 13 für 21. bis 31.1. bedeuten müssen.
Der 1.2. ist wie der 2.1. mit 14 bezeichnet, so dass auch der 17.2. die 30 erhält.
Folglich beginnt der nächste Monat am 18.2., gleichzeitig ist chinesisches Neujahr.
Wird das auch durch das Zeichen am 19.2. ausgedrückt? Das ist zwar nicht der
Fall, doch erkennt man leicht, dass sich dieses Schema durch alle weiteren Monate
wiederholt. Deren Anfänge fallen auf den 19.3., 17.4., 17.5. und 15.6., wobei man
feststellt, dass die Monate dabei als 2., 3., 4. und 5. Monat angegeben werden. Die-
se Bezeichnungsweise ist auch in Bild€11 für die restlichen Monate des Jahres des
Schweins zu erkennen.
Damit ist nicht nur die Datierung für 2007 erläutert, sondern der Leser ist nun
auch Kenner der chinesischen Zahlen, jedenfalls unter 100, deren Ziffern in
Bild€13, Spalte 2, angegeben sind. Vielleicht aus Symmetriegründen der Schriftzei-
chen sind die ersten 9 Zahlen als 01 bis 09 zu lesen, dann folgt auch 10 als 010, ehe
mit ± für 11 die zweistelligen Dezimalzahlen bis 19 beginnen. 20 ist =+, das für die
Zahlen 21 bis 29 zu einem Doppelkreuzzeichen verkürzt wird, wie leicht zu erken-
nen ist. Hier tritt ≡+ für 30 als größte Zahl auf, doch lässt sich das Schema leicht bis
39 und mit den anderen Ziffern bis 99 fortsetzen. Eigentlich müsste man 21 als =+
– mit 3 Ziffern darstellen, was aber hier durch ein Sonderzeichen vermieden wird.

Bild 13↜渀 Chinesische Ziffern


und Zahlwörter [Will 98]
56 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Sieht man sich den Kalender genau an, so werden auch die Ausnahmen der Ta-
geszählung deutlich: statt den zu erwartenden Tagesdaten erscheinen an einigen
Daten der Tabelle€1 andere Schriftzeichen, die die dort erwähnten Bezeichnungen
chinesisch angeben. Da sonst keine Abweichungen auftreten, jedoch bei den arabi-
schen Daten offensichtlich Feiertage rot markiert sind, ist zu folgern, dass Bild€11
den Kalender in Deutschland darstellt, für den zusätzlich die Halbmonate des chine-
sischen Sonnenjahrs, die Neumondtage in Peking als Monatsbeginn mit der jewei-
ligen Monatszahl sowie das Monddatum aufgeführt sind. Man sieht auch, dass das
Mondjahr kürzer als das Sonnenjahr ist, denn der 1. Januar 2007 ist der 13. Tag des
11. Monats des Hundejahres (hier offenbar als Neujahr bezeichnet), der 31. Dezem-
ber aber der 22. Tag des 11. Monats des Schweinejahres, wie man nun leicht abliest.
Wie bereits von anderen Lunisolarkalendern bekannt ist, beruhen sie auf dem
Ausgleich zwischen Sonnen- und Mondumläufen. Auch beim chinesischen Kalen-
der wird der 19-Jahre-Zyklus zugrunde gelegt. Dadurch werden Schaltmonate not-
wendig, so dass das chinesische Mondjahr 12 oder 13 Monate umfasst. Wie man
aus Bild€11 abliest, auch wenn man die chinesische Schrift sonst nicht lesen kann,
ist das Jahr des Schweins ein Normaljahr mit zwölf Mondmonaten. Alle Monate
tragen die Zahlen 1 bis 11, also beginnt der 12. Monat erst 2008. Vorher begann der
12. Monat des Jahres des Hundes am 19.1.2007, erst am 18.2.2007 begann das Jahr
des Schweins, wie schon erwähnt wurde.
Zur Bildung der Schaltmonate werden (im Gegensatz zum gregorianischen Ka-
lender) die astronomischen Beziehungen zugrunde gelegt, wobei die Zeit von Pe-
king (Weltzeit UTCâ•›+â•›8 Stunden) Verwendung findet. Dies betrifft vor allen Dingen
das Neumonddatum, das in China der nächste Tag ist, wenn bei uns die Konjunktion
auf späte Nachmittags- oder Abendstunden fällt, wie ein Blick auf die Neumond-
daten der islamischen Kalender bestätigt. 2 Regeln sind hierbei zu beachten:
1. die Wintersonnenwende erfolgt immer im 11. Monat des Mondjahres,
2. der Schaltmonat ist der erste Mondmonat, der voll in einen Sonnenmonat (besser
Sonnensektor) fällt, also in den entsprechenden Abschnitt von 30° der Ekliptik.
Es sind also Sonnenintervalle zu berechnen, um die Schaltmonate festlegen zu
können. In anderen Worten ausgedrückt umfasst der chinesische Sonnenmonat
365,2422╛:╛12╛=╛30,44€ d, die aber nur als Monddatum in Erscheinung treten. Sie
entsprechen unseren Tierkreiszeichen und auch den Halbmonatsabschnitten von
Tabelle€1, sofern man jeweils das zweite von ihnen auswählt.
Man muss sich vor mehreren Fehlschlüssen hüten, wenn man den chinesischen
Kalender verstehen will. Trotz des 19-Jahre-Zyklus liegt keine Meton-Periode vor,
da ja kein Mondsprung erfolgt (s. Kapitel€ 4). In unseren Kalendern legt sie die
Schaltmonate traditionell immer gleich fest, daher sind die Abweichungen zu den
astronomischen Größen stärker als hier, doch gleichen sie sich auf lange Sicht eben-
falls aus. Nicht immer ist der zweite Neumond nach der Wintersonnenwende der
Jahresanfang. Zum Beispiel wird 2033 ein 11. Schaltmonat eingeschoben werden.
Dies war in Japan 1890 der Fall (Japan benutzte den gleichen Kalender, jedoch mit
Bezug auf die Zeit von Tokio (Weltzeitâ•›+â•›9 Stunden)). Meistens, aber nicht immer ist
Neujahr der zum 4. Februar nächste Neumond. Dies war 1985 nicht so. Neujahr am
3.2 Der alte chinesische Kalender 57

Tabelle 12↜渀 Chinesische Neujahrstage 1990 bis 2013

28. Januar 1998 ist das Jahr 15 in Zyklus 78 gewesen, also 4635 der chinesischen
Ära (60â•›·â•›77â•›+â•›15), aber oft wird auch 4695 gerechnet.
Feiertage des chinesischen Kalenders sind der letzte Tag des Mondjahres und
Neujahr, das Laternenfest am 15. Tag des ersten Monats, das Drachenfest am 5.
Tag des 5. Monats, das Fest der Liebenden am 7. Tag des 7. Monats, das Fest des
hungrigen Geistes am 15. Tag des 7. Monats, das Herbstmondfest am 15. Tag des
8. Monats sowie das Doppel-9-Fest am 9. Tag des 9. Monats. Sommer- und Winter-
sonnenwende werden ebenfalls feierlich begangen. Wie man aus Bild€11 abliest,
sind diese Tage heute nicht mehr hervorgehoben, dafűr sind die Sonnenhalbmonate
nach Tabelle€11 eingetragen.
Tabelle€ 12 stellt die gegenwärtigen chinesische Neujahrstage zusammen
[Wiki 07]. Dies stimmt fast genau mit dem 19-Jahre-Zyklus überein, doch sind die
in den 3 ersten Jahren beginnenden Zyklen um einen Tag kürzer. Vermutlich sind
die Angaben korrekt, denn der Mondmonat besitzt seine Unregelmäßigkeiten, die
sich erst über längere Abschnitte ausgleichen. Auch ist zu beachten, dass 19-Jahre-
Zyklen bei uns wegen der Anzahl der Sonnenschalttage ungleich lang sind.
Hier soll die Berechnung der Schaltjahre ausgeführt werden, da man Angaben
hierzu weder im Kalender noch in den zitierten Büchern finden kann. Man sieht
schon bei einem Blick auf Tabelle€ 12, welches Schaltjahre waren. Da der Mond
jedes Jahr um 11 Tage früher aufgeht als im Jahr zuvor, springt das Neujahrdatum
insgesamt 7mal im Zyklus in den Februar voraus: 1996, 1999, 2002, 2005, 2007,
2010, 2013. Folglich hatten die vorangehenden Jahre 13 Mondmonate, denn der
Schaltmonat veranlasst ja die Verschiebung. Das Jahr 2006, genauer das Jahr des
Hundes, soll hier näher untersucht werden. Welches war der Schaltmonat? Man
braucht zu dessen Berechnung vor allem die Neumonddaten, die das Programm, das
[MoPf 00] beiliegt, leicht zu berechnen erlaubt. Sie sind bereits für Westeuropa in
den Tabellen zu den islamischen Kalendern eingetragen. Tabelle€13 gibt sie einzeln
für Peking an, ebenso die Sonnenphase und deren Datum, die man dem Programm
Calendrica [ReDe 01] entnehmen kann.
Eine Koinzidenz zwischen Mondmonat und Sonnensektor liegt vor, wenn zwei
Neumonddaten in einen Sonnensektor fallen oder umgekehrt im Mondmonat kein
neuer Sonnensektor beginnt. Dieser Monat ist der Schaltmonat. Man sieht, dass das

Tabelle 13↜渀 Mondmonate und Sonnensektoren 2006


58 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Bild 14↜渀 Chinesischer Kalender für 2006

hier nur für den Monat der Fall ist, der am 24.8. beginnt, folglich ist dies der Schalt-
monat, der den Namen 7-S erhält, weil er auf den 7. Monat folgt. Bild€14 zeigt als
Bestätigung den entsprechenden Kalender für 2006, mit dessen Hilfe der Leser alle
bisherigen Aussagen in ähnlicher Weise überprüfen kann.
Die Koinzidenz kann höchstens einmal pro Jahr auftreten, tritt aber immer auf,
wenn sich die Differenz zwischen der Länge des Sonnen- und des Mondjahres zu
einem ganzen Monat akkumuliert hat. Natürlich kann das für jeden Mondmonat
gelten, jedoch ist die Häufigkeit dafür verschieden, was mit den variablen Umlauf-
geschwindigkeiten von Mond und Erde zu tun hat, die auf deren Ellipsenbahnen
zurückgehen.
Extrapoliert man die Daten weiter, so findet man, dass erst das Jahr des Ochsen
(2009) das nächste Schaltjahr war, das nun den 5. Monat verdoppelt hat (Tabelle€14).
Wie das Beispiel zeigt, fällt der Mondmonat 23. 6. bis 21. 7. voll in einen Son-
nensektor, also ist er der Schaltmonat, so dass nach dem 5. Monat ein weiterer 5.
Schaltmonat eingeschoben wird und erst der 14.2.2010 Neujahr wird. Die Jahre

Tabelle 14↜渀 Mondmonate und Sonnensektoren 2009


3.2 Der alte chinesische Kalender 59

Bild 15↜渀 Kalenderblatt für


den 29.1.2007

2007 und 2008 sind Normaljahre mit 12 Mondmonaten. Bild€15 zeigt ein Abreiß-
kalenderblatt, das mit den bisherigen Aussagen übereinstimmt.
Man erkennt für den 29.1.2007 oben rechts erster Monat (des gregorianischen
Kalenders). Das grüne Feld nennt links den 1. Tag der Woche (Montag), dann
(eigentlich falsch) das Schwein für 2007, weiter 12. Monat, 11. Tag des chinesi-
schen Jahres des Hundes (s. Bild€12). Weiterhin folgen allerlei wohl astrologische
Hinweise. Da das Kalenderblatt kaum falsch bezeichnet sein dürfte, erkennt man,
dass die Chinesen heute die gregorianischen Jahre mit den Tiernamen bezeichnen
und der Jahresname sich folglich wie beim libyschen Mondkalender unvermittelt
im Mondmonat ändert.
Bild€ 16 zeigt abschließend den chinesischen Kalender für 2009, wie er im
Internet abrufbar ist [Chin 10]. Er enthält nur arabische Ziffern sowie chinesische
Schriftzeichen für die Zahlen und Begriffe, die hier erläutert worden sind, so dass
sie der Leser leicht selbst interpretieren kann. Z.€B. kann er leicht feststellen, dass
am 23.6. der 5. Schaltmonat begann, der zwischen den 5. regulären Monat (Beginn
am 24.5.) und den 6. Monat (Beginn am 22.7.) eingeschoben wurde.
60 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Bild 16↜渀 Chinesischer Kalender für 2009


3.3 Indische Kalender 61

3.3 Indische Kalender

Südasien wird durch die indische Kultur geprägt, die durch unterschiedliche Völker,
Sprachen und Schriften gekennzeichnet ist. Uns erscheint sie nur wegen der kolo-
nialen Vergangenheit als Teil des britischen Weltreichs und der heutigen Staatsform
als Einheit. Es führt deshalb zu weit, hier auf Einzelheiten im Hinblick auf die Ka-
lender dieser Region einzugehen. In den ersten Jahren der Unabhängigkeit Indiens
stellte man fest, dass es etwa 30 traditionelle Kalender mit vielen Ähnlichkeiten,
aber auch Unterschieden gab. Es war daher kein Wunder, dass man beim grego-
rianischen Kalender blieb, auch wenn er von den Briten eingeführt worden war.
Allerdings wurde bald eine gewisse „Indisierung“ auch hier versucht, nämlich in-
dem 1957 ein reformierter Saka-Kalender eingeführt wurde, der entfernt mit dem
iranischen Sonnenkalender verwandt ist [Rich 98]. Bei ihm werden die Sonnenjahre
nach dem tropischen Umlauf bestimmt und ab 78€n.€Chr. gezählt, dem Jahr 1 der
Sakaära. Jedes Jahr besteht aus 12 Monaten, die mit Chaitra zum Frühlingsäqui-
noktium beginnen. Die ersten 6 Monate haben im Schaltjahr 31€d, die restlichen
30€ d, im Normaljahr entfällt der 31. Chaitra. Der zweite Monat heißt Vaisakha,
der letzte Phalguna. Alle Namen stimmen mit dem des indischen Mondkalenders
überein, der anschließend erläutert wird. Gegenüber dem gregorianischen Kalender
entsteht eine Verschiebung der Tageszählung, doch alle Daten lassen sich einander
zuordnen. Da in Gemeinjahren der 1. Chaitra mit dem 22. März übereinstimmt, fällt
dieses Datum in Schaltjahren wegen des zusätzlichen 29. Februar auf den 21. März,
ehe sich die Zählung nach dem 20. April wieder ausgleicht. Das wird durch die Zu-
ordnung nach Tabelle€15 deutlich.
Der Sakakalender läuft also dem gregorianischen vom 10. Phalguna bis zum
Beginn des Vaisakha im Schaltjahr um einen Tag hinterher, ehe der 31. Chaitra die
normale Zuordnung wiederherstellt. Man kann deshalb sagen, dass es der gregoria-
nische Kalender mit verschobenen Datums- und Jahresangaben ist. Ob es an dieser
Besonderheit liegt, dass der nationale indische Kalender im Alltag dort kaum Be-
achtung findet?
Stärker in der Bevölkerung verwurzelt ist der alte indische Mondkalender, al-
lerdings in seiner lunisolaren Form, die das Mondjahr an den Verlauf der Jahres-
zeiten anpasst. Die Verknüpfung von Mond- und Sonnenjahr ist einerseits mit den
chinesischen Gebräuchen vergleichbar, hat andererseits aber ihre Besonderheiten,
so dass dieser Lunisolarkalender etwas genauer erläutert werden soll. Dazu sind
einige Vorbemerkungen erforderlich.
Stärker als bei uns übt die Astrologie in Indien ihren Einfluss aus, so dass die Zu-
ordnung des Geschicks zu den Sternen für viele Menschen eine Rolle spielt und von
den Brahmanenpriestern noch manche Gebräuche überliefert sind. Sachverständige
stellen gelegentlich Horoskope für Personen oder Familien auf und sind in der Lage,

Tabelle 15↜渀 Zuordnung indischer zu gregorianischen Daten


62 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

den traditionellen Mondkalender einschließlich der Planetenkonstellationen zu be-


rechnen, was nach uralten Methoden vor sich geht. Im Ergebnis ist zu erkennen, dass
sich westlich-babylonische Erkenntnisse wie der 19-Jahre-Zyklus ausgewirkt haben,
doch gibt es auch indische Besonderheiten, die zu beachten sind. Dazu zählen der Be-
zug auf siderische Umlaufzeiten oder zusätzliche Planeten. Die Inder verehren de-
rer 9, nämlich zu unseren 7 traditionellen einschließlich Sonne und Mond noch zwei
Schattenplaneten, nämlich Rahu (Drachenkopf) und Kethu (Drachenschwanz). Na-
türlich sind beide imaginär und deshalb nicht direkt beobachtbar. Es sind damit die
Mondknoten gemeint, also die Schnittpunkte zwischen Mond- und Erdbahn, auf die
in Kapitel€7 genauer eingegangen wird. Da die Umlaufzeiten der alten 5 Planeten,
also Merkur bis Saturn, gut bekannt waren, lässt sich der hohe Stand der Astronomie
in Indien bereits in alter Zeit erahnen. Das wird auch durch das berühmte Observato-
rium in Jaipur unterstrichen, auch wenn das erst im 18.€Jh. angelegt wurde.
Genaue Beobachtungen haben dazu geführt, den Beginn des Sonnenjahres auf
einen Fixpunkt am Himmel festzulegen, also die siderische Jahreslänge zugrunde
zu legen. Dazu wurde wie bei den zusätzlichen Planeten ein Schattenpunkt gewählt,
nämlich 180° gegenüber dem Stern Chitra, vermutlich unserer Spika in der Jungfrau.
Er befindet sich heute etwa 24° vor dem Frühlingspunkt im Sternbild der Fische,
gibt also den Sonnenstand etwa im Jahr 285€n.€Chr. wieder. Beginnend mit Mesha
werden von hier aus Abschnitte von je 30° für Sektoren der Sonnenbahn eingeteilt,
die unseren Sternzeichen entsprechen, aber wegen der Bewegung auf einer Ellipse
ungleich lange Sonnenmonate erzeugen. Die Grenzen zwischen den Sektoren wer-
den Sankranthi genannt, die wie beim chinesischen Lunisolarkalender die Möglich-
keiten für Schaltmonate angeben. Ursprünglich begann die Tageszählung an diesen
Grenzen oder kurz danach, so dass die Sonnenmonate von 29 bis 32€d umfassten,
die stets mit dem Sonnenaufgang beginnen, aber 24€ h dauern. Die Rechnung ist
folglich komplex und außerdem von geografischen Bedingungen wie dem Sonnen-
aufgang abhängig. Der astronomische Bezug erfolgt mit indischer Normalzeit für
die Sonnenauf- und -untergänge für den Ort 83° 30′ Ost und 23° 11′ Nord [Lian 01].
Für den Mond wird ebenfalls der siderische Umlauf benutzt, um 27 Abschnitte
von 13° 20′ in der Ekliptik einzuteilen, Nakshatras bilden deren Grenzen. 12 Ab-
schnitte führen zu den Monatsnamen, allerdings nicht ganz einheitlich in Indien.
Man kann sich vorstellen, dass der Name des Mondmonats durch den jeweiligen
Stand der Sonne bestimmt wird. Jeder Monat beginnt aber mit Neumond, so dass
der synodische Umlauf die Monatslänge und die einzelnen Tage festlegt. Diese
werden aber mancherorts nach Halbmonaten gezählt, wie auch der Vollmond als
Monatsbeginn vorkommt.
Wann aber ist in diesem Lunisolarkalender Neujahr? Auch hier gibt es unter-
schiedliche Gebräuche, einer von ihnen legt Neujahr auf den 1. Chaitra. Dazu be-
nötigt man den Neumond, also die Konjunktion, die zwischen den Sankranthis für
Mina und Mesha des Sonnenkalenders eintritt, wobei dadurch Chaitra beginnt und
so in den Frühling fällt. Obwohl die Namen mit den Monaten des nationalen Saka-
kalenders übereinstimmen, hat dessen Frühling nichts mit dem Mondneujahr zu tun.
Hier wird vom siderischen Jahresanfang, dem erwähnten Punkt in den Fischen, ge-
zählt, so dass das lunisolare Neujahrsfest auch vor dem Neujahr des Sakakalenders
begangen werden kann. Da die Neumonde sich fortlaufend verschieben, dürften die
3.3 Indische Kalender 63

Monatsnamen von denen der Sonne abgeleitet sein, wodurch sich die Übereinstim-
mung der Namen erklärt.
Fallen zwei Konjunktionen zwischen zwei Sankranthis, wird ein Schaltmonat
eingeschoben, der den Namen des nachfolgenden regulären Monats erhält. Umge-
kehrt kann es selten vorkommen, dass keine Konjunktion zwischen zwei Sankrant-
his fällt. In diesem Fall wird ein Mondmonat ausgelassen. Dies mag überraschen,
scheint es doch dem 19-Jahre-Zyklus zu widersprechen, der zwar 7 Schaltmonate
erfordert, aber keinen Monat auslässt. Die Ellipsenbahn macht deutlich, dass kur-
ze Sonnenmonate mit langen Mondmonaten zusammentreffen müssen, damit diese
Bedingung eintritt. Sie wird außerdem durch eine Überzahl an Schaltmonaten kom-
pensiert, so dass das Verhältnis von 12â•›·â•›19â•›+â•›7â•›=â•›235 Mondmonaten in 228 Sonnen-
monaten eingehalten wird.
Eine interessante Frage ist, ob ein ausfallender Mondmonat auch in unserem
zyklischen gregorianischen Kalender vorkommen kann. Das geschieht nicht bei
streng zyklischer Berechnung, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird. Es tritt aber
durchaus bei einer astronomischen Berücksichtigung der Neumonddaten ein. Da
die astronomische Monatslänge m stets zwischen die Grenzen 29€dâ•›<â•›mâ•›<â•›30€d fällt,
kann nur der Februar betroffen sein. In der Tat zeigt ein Blick auf die Neumond-
daten, dass sie zuletzt 1995 auf den 30.1. um 22:48 Uhr und danach auf den 1.3. um
11:48 Uhr fielen, eine Situation, die sich 2014 mit 30.1. um 21:40 Uhr und 1.3. um
8:01 Uhr fast genau wiederholen wird. Wegen der Periode sollte man das alle 19
Jahre in gleicher Weise erwarten. 1957 bestätigt die Vermutung, doch 1976 ist eine
Ausnahme, da wegen des Schaltjahrs der Februar 29 Tage hatte, der spätere Neu-
mond folglich auf diesen Tag fiel.
Es ist bei diesen nur kurz dargestellten Eigenschaften des indischen Luniso-
larkalenders kein Wunder, dass es schwer ist, sein Schaltverhalten und damit ein
bestimmtes Monddatum für zukünftige Jahre vorherzusagen oder die Zuordnung
zum zyklisch berechneten gregorianischen Datum präzise anzugeben. Außerdem
hat sich die Beschreibung hier an die im tamilischen Süden übliche Version ange-
lehnt, so dass manches in den erwähnten anderen Versionen auch anders sein wird.
Festgehalten werden soll, dass man zwischen zwei Sonnenkalendern unterscheiden
muss: dem Sakakalender für das tropische Sonnenjahr und dem alten Sonnenka-
lender mit siderischem Anfangspunkt, der immer später erfolgt, da die Präzession
der Erde ja außer Betracht bleibt. Dessen Monatsnamen von Mesha bis Mina ent-
sprechen den Stierkreiszeichen von Widder bis Fische. Beide weichen zunehmend
stärker voneinander ab, doch macht das pro Jahr nur 0,0147€d oder rund 20 Minuten
aus. Der darauf beruhende Fehler wirkt sich kaum aus, da ja der Neujahrstag durch
den Neumond bestimmt wird. Das geschah 2010 am 15.3. um 21:02 Uhr, bei Be-
rücksichtigung von 4€h 30€m Differenz zur Länge von Delhi also am 16.3. dort.
Im Jahr 2011 ist nach UTC am 4.3. um 20:47 Uhr Neumond, also müsste in
Indien der 5.3. Neujahrstag nach dem Lunisolarkalender sein. Dies ist jedoch nicht
der Fall, wie man mit dem Programm Calendrica nach [ReDe 01] feststellen kann.

Tabelle 16↜渀 Lunisolare indische Neujahrstage


64 3 Mondkalender und astronomische Lunisolarkalender

Vielmehr ist danach der 1. Chaitra dem 4. April äquivalent. Da dieses Buch sehr
genau auf die Berechnungsgrundlagen des Hindukalenders eingeht, ist diese Zu-
ordnung wohl verlässlich. Nach [Cale 02] fällt der 1.€Chaitra auf die in Tabelle€16
angeführten gregorianischen Daten.
Nach [Lian 01] fällt der Beginn des traditionellen Sonnenjahres und damit das
Sankranthi für Mesha heute auf den 13. oder 14. April. Da der Neumond zwischen
Mina und Mesha Chaitra genannte wird, beginnt das indische Lunisolarjahr stets
zwischen dem 15. März und dem 13. April nach gregorianischer Zählung, wobei an
den Grenzen der genaue astronomische Bezug zu berücksichtigen ist.
Die Monatsnamen von Chaitra, Vaisakha bis Phalguna geben die eigentlichen
Daten an. Hier soll, auch wegen des Halbmonatsgebrauchs, auf eine tabellarische
Zuordnung verzichtet werden, da Sprache und Schrift ohne weitere Erläuterungen
ohnehin unverständlich bleiben würden. So gibt es die ersten hellen Monatstage 1
bis 15 bis zum Vollmond, anschließend erneut dunkle Tage 1 bis 14, ehe der 30.
dunkle Tag gezählt werden kann. Sachverständige können diese Angaben um wei-
tere Bezüge auf die Planeten ergänzen. Sie sind dadurch in der Lage, Ratschläge zu
günstigen oder ungünstigen Daten zu erteilen, sofern das auf traditionelles Interesse
stößt. Allerdings hängen die Ergebnisse stark von Ort und Religion ab, für die sie
zusammengestellt wurden.

Literatur

[Cale 02] http://emr.cs.iit.edu/home/reingold/calendar-book/Calendrica.html


[Chin 10] http://ccal.chinesebay.com/ccal/getimg.htm (Abruf 7.7.10.)
[Lian 01] Lian, L.C., Indian calendars, Thesis Nat. Univ. of Singapore 2001 http://www.math.nus.
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[MoPf 00] Montenbruck, O. Pfleger, Th., Astronomy on the personal computer, 4. ed. Berlin;
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[Wiki 07] http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesisches_Neujahrsfest
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Kapitel 4
Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten
und Europa

Bild 17↜渀 Kalenderteil als Tympanon [Caze 88]

Aus dem Beginn des 15.€Jh. stammt das Stundenbuch des Herzogs von Berry, dessen
Pariser Exemplar durch die Kalenderangaben die Fehler des julianischen Kalenders
festgehalten hat. Man sieht hier, dass der Jahresbeginn mit dem Frühlingspunkt als
Eintritt der Sonne in das Sternzeichen des Widders angegeben wird. Vorher befindet
sie sich in den Fischen oben links. Die Linie zum Bogenmittelpunkt trifft aber den
12. März in diesem Bild! Das ist vielleicht astronomisch nicht ganz korrekt, zeigt
aber deutlich, dass der Frühling weit vor dem 21. März begann (Bild€17).

W. Görke, Datum und Kalender, 65


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_4, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
4.1 Geschichtliche Entwicklung 67

4.1 Geschichtliche Entwicklung

Schriftliche Aufzeichnungen wurden schon im frühen Altertum, d.€ h. im vierten


Jahrtausend v.€Chr., von den Sumerern angefertigt, ab 3200€v.€Chr. gibt es archäo-
logische Dokumente hierzu. Auch Zahlendarstellungen mit Stellenwertsystem sind
in Mesopotamien von 2500€ v.€ Chr. gefunden worden. Entsprechende Gebräuche
in Europa müssen dagegen als vorgeschichtlich gelten, denn die steinzeitlichen
Monumente der Kelten wie z.€ B. Stonehenge in England sind noch weitgehend
unerforscht. Dagegen sind die Kalender der Griechen und Römer ausführlich be-
schrieben [Ginz 06], so dass hier bei letzterem nur auf die Einflüsse aus anderen
Kulturkreisen eingegangen werden soll.
Sehr früh wurde in Babylon ein Mondkalender entwickelt. Man benötigte nur
zwei Jahreszeiten für Saat und Ernte, so dass man mit zwei mal sechs Monaten
auskam. Die Monatsnamen entstanden um 1800€v.€Chr., je nach Stadtstaat verschie-
den. Schließlich wurden sie mit semitischen Namen vereinheitlicht und später auch
von den Juden übernommen. Als Tagesbeginn galt der Sonnenuntergang am Abend,
der Monatsbeginn war Neulicht. Schaltmonate wurden bereits früh eingeführt (ab
2400€v.€Chr.), aber zunächst nur unregelmäßig verwendet. Dadurch erfolgte auch
eine Sonnenanpassung, der Jahresbeginn lag dabei im Frühling. Auf diese Weise
entstanden schon sehr früh Ansätze zu dem noch heute in Europa gebräuchlichen
Lunisolarkalender. Man beobachtete den Aufgang des Plejadengestirns und ließ
mit dem Monat Nisan ein Sonnenjahr beginnen. Ca. 500€v.€Chr. wurden Sonnen-
finsternisse beobachtet, so dass die genaue Monatslänge bestimmt werden konnte.
Dabei wurde der 19-Jahre-Zyklus eingeführt, der sieben Schaltmonate zusätzlich
enthielt und in dieser Form auch von den Griechen in Athen übernommen wurde,
denn Meton hat sich dort um 425€v.€Chr. mit der Einführung befasst [Rich 98].
Zur Datierung der Jahreszahlen dienten ursprünglich Königslisten, ferner gab es
aufgrund astrologischer Vorstellungen glückliche und unglückliche Tage. Insgesamt
wurde der babylonische Kalender bis ins 7.€Jh.€n.€Chr. im Orient weit verbreitet ver-
wendet. Der Islam führte dagegen einen reinen Mondkalender ein, der in Kapitel€3
bereits genauer erläutert wurde. Die Juden überlieferten den 19-Jahre-Zyklus und
beeinflussten damit weitere Nachbarn, so dass Seleukiden wie Ptolemäer die Tra-
dition fortsetzen konnten, jedoch nun mit neuen Namen für die Monate und auch
neuen Ären (z.€ B. seleukidische Ära seit 312€ v.€ Chr.). Man vermutet, dass diese
Kalenderform sich bis Indien und Afghanistan ausgedehnt hat, wobei unklar ist, ob
auch China davon beeinflusst wurde. In Ägypten wurde 23€v.€Chr. der alexandrini-
sche Sonnenkalender eingeführt, der bereits in Kapitel€2 beschrieben wurde. Durch
Einbezug des 19jährigen Mondzyklus entstand aus ihm im 4.€Jh. der alexandrinisch-
christliche Lunisolarkalender, der anschließend ausfuÌ‹hrlich behandelt werden soll.
Davon zunächst unbeeinflusst entwickelte sich die Zeitzählung im Westen. Der
römische Kalender geht auf sagenhafte Anfänge durch Romulus zurück. Sein Jah-
resanfang liegt im März beim Frühlingsdatum der Tag- und Nachtgleiche. Anfangs
gab es nur zehn Monate, von denen vier (März, Mai, Quintilis, Oktober) 31 Tage
hatten, die andern sechs aber 30 Tage. Das ergibt eine Jahreslänge von 304 Tagen.
68 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

Nur März bis Juni, also die ersten vier, hatten spezielle Namen. Mit Quintilis, Sex-
tilis, September bis Dezember ergaben sich die anderen 6 Namen einfach aus ihrer
Reihenfolge.
Unklar ist die Situation bezüglich weiterer Monate. Eine Reform erfolgte be-
reits durch Numa Pompilius, den zweiten König aus der vorrepublikanischen Zeit
(715–672€v.€Chr.). Er sorgte für die Einrichtung des Pontifikats mit dem Pontifex
Maximus als Vorsitzendem, der für die Tiberbrücken, aber auch für Kalenderfragen
verantwortlich war und zur gleichen Zeit als Ratgeber des Königs wirkte. Zwei
weitere Monate wurden hierbei in den Kalender eingefügt, nämlich Februar und
Januar, wobei letzterer nach dem Februar angeordnet war. Die zwei Gesichter des
Januarius, die sowohl rückwärts in die Vergangenheit wie vorwärts in die Zukunft
blicken, bereiteten den Jahreswechsel vor. Es erfolgte dabei eine Reduktion von
30 auf 29 Tage, so dass ein Jahr mit a╛=╛354€d angestrebt wurde, denn Januar und
Februar umfassten 28 Tage (also 298╛+╛56€d insgesamt). Aber eine gerade Zahl be-
deutete damals Unglück, so dass der Januar 29 Tage erhielt, das Jahr damit 355.
Schaltmonate wurden zwecks Anpassung an die Jahreszeiten willkürlich eingefügt.
Sie wurden als Mercedonius bezeichnet, also Lohnmonat, in dem die Bezahlung
der Arbeitskräfte zu erfolgen hatte und Zinsgeschäfte ausgeglichen werden sollten.
Diese Willkür konnte nicht lange Bestand haben. Schon um 450€v.€Chr. erfolgte
eine weitere Reform: Februar und Januar wurden vertauscht, aber März blieb erster
Monat eines Jahres. Der Mercedonius wurde alle zwei Jahre im Wechsel mit 22
bzw. 23 Tagen eingefügt und zwar nach den Terminalen (23. Februar). Die letz-
ten fünf Februartage folgten nach dem Mercedonius. Dadurch entsteht ein Jahr mit
366,25 Tagen, offenbar in besserer Anlehnung an das Sonnenjahr, doch nun deutlich
zu lang. Eigentlich sollten die Schaltmonate eine korrekte Anpassung durchfüh-
ren, aber Entscheidungsschwäche oder Unwissenheit der Kalenderverantwortlichen
führten bald zu Willkür und Chaos, so dass 46€v.€Chr. das Jahr dem Kalender um
drei Monate voraus war, wie von entsprechenden Aufzeichnungen über Finsternisse
bekannt ist.
Die Jahreszählung erfolgte seit Beginn der Republik 509€v.€Chr. nach den Kon-
suln, seit 158 lag der Beginn ihres Amtsjahres am 1. Januar, der seither auch als
Jahresbeginn zählte, obwohl dadurch die letzten Monatsnamen falsch wurden. Spä-
ter begann sich durch Varro (116–27€v.€Chr.) die Zählung „ab urbe condita“, also
ab Gründung der Stadt Rom, einzubürgern, wobei das echte Gründungsdatum un-
bekannt war, aber einfach auf den 21. April 753€v.€Chr. festgelegt wurde. Das ist
das Anfangsdatum (Epoche) der varronischen Ära, die vor allem in der Kaiserzeit
maßgebend war und mit einem festen Bezug zur griechischen Ära mit ihren Olym-
piaden beginnt. So konnten 247€n.€Chr. Münzen zur 1000-Jahrfeier geprägt werden.
Die Diokletian-Ära ab 29.8.284€n.€Chr. löste in Rom schließlich die varronische ab.
Der Kalender wurde nach Kalenden (Ausrufung), Nonen und Iden ausgerichtet,
denn der Pontifex besorgte die Ankündigung des neuen Monats. Dies muss eine ur-
alte Sitte gewesen sein, denn der Buchstabe K für Kalenden lag außerhalb des sonst
üblichen römischen Alphabets. Die Iden (von iduare teilen) sollten den Vollmond
am 13. oder 15. Tag des Monats angeben. Man sieht, dass sich hierbei die ungleiche
Monatslänge auswirkte. Die Nonen liegen 9 Tage vorher, das heißt 8 Tage nach
heutiger Zählung, denn die Römer bezogen bei Zählungen stets den Anfangswert
4.1 Geschichtliche Entwicklung 69

mit ein. Die Zählung erfolgte außerdem rückwärts, was anscheinend an die Zahlen
angelehnt war, bei denen ja römisch IV ebenfalls als I vor V geschrieben wird. So
war der 24. Februar der 6. Tag vor den Kalenden des März. März, Mai, Juli und Ok-
tober hatten Iden und Nonen am 15. bzw. 7. Tag, in den anderen Monaten war es der
13. bzw. 5. Tag, da früher wie bereits erläutert nur die ersteren 31 Tage umfassten,
alle anderen aber 29 oder im Fall des Februar sogar nur 28 Tage hatten.
Sosigenes gab Julius Cäsar den Ratschlag für ein Jahr mit 12 Monaten ohne
Mondbezug, nur ein Schalttag alle vier Jahre sollte anstelle der früheren Schalt-
monate eingefügt werden. Hierfür war der 6. Tag vor den Kalenden des März vor-
gesehen, also die alte Position für die Schaltmonate nach dem 23. Februar. Daher
heißt ein Schaltjahr „annus bissextilis“ mit verdoppeltem 24. Februar, auf den der
normale 25. Februar (5. vor den Kal.) wie in jedem Jahr folgt. Im Jahre 46€v.€Chr.
wurde der neue Kalender mit den heutigen Monatslängen durch Cäsar für das Fol-
gejahr eingeführt, wobei zunächst 3 Schaltmonate mit insgesamt 90 Tagen einge-
schoben wurden. Dadurch ergab sich ein Mammutjahr mit insgesamt 445 Tagen,
glücklicherweise ein letztes Jahr der Kalenderkonfusion.
Cäsar wurde bereits zwei Jahre später ermordet, daher erfolgte keine Kontrolle
der korrekten Einführung. Man hatte lediglich den Quintilis nun Julius benannt,
ließ die Schaltung aber anscheinend wegen der Art des Zählens alle drei Jahre zu,
was zunächst nicht auffiel, jedoch bald eine neue Korrektur erforderlich machte.
Sie erfolgte 9€v.€Chr. durch Augustus, der bestimmte, dass weitere Schalttage bis
8€n.€Chr. (in heutigem Verständnis) entfallen sollten. Seither erfolgte ein regulärer
Kalenderablauf, wobei nur der Sextilis zu Ehren des Augustus umbenannt wurde
und dabei 31 bzw. 30 Tage im Wechsel eingerichtet wurden, denn es sollten niemals
drei Monate mit 31 Tagen hintereinander auftreten. Die neuen Monate Juli und Au-
gust sollten andererseits beide 31 Tage erhalten, natürlich wegen der Bedeutung der
beiden Kaiser. Spätere Änderungsversuche misslangen, vor allem für die Monats-
namen, obwohl mehrere Kaiser sich auf diese Weise zu verewigen versuchten. Es
ist sehr wahrscheinlich, dass Sosigenes wusste, dass er ein zu langes Jahr eingeführt
hatte. Er dachte jedoch an einfache Schaltregeln und überlegte, dass der Ablauf ja
für mindestens ein Jahrhundert ausreichte. Auf diese Weise wurden willkürliche
Schaltungen vermieden und ein zyklischer Sonnenkalender eingeführt, der als julia-
nischer Kalender fast 2000 Jahre in offiziellem Gebrauch bleiben sollte.
Auch das Christentum hat diesen Kalender bis auf Jahresbeginn und Jahreszäh-
lung später übernommen, so dass er bis ins 20.€Jh. hinein offiziell Gültigkeit be-
saß, wenn auch schon längst nicht mehr in der ganzen Welt. Die christliche Ära,
also der Bezug auf die Geburt Christi, wurde 525 durch Dionysius Exiguus (etwa
470–540) eingeführt, um den auf Kaiser Diokletian († 312) zu vermeiden, dessen
Regierungsantritt bis dahin für die Jahreszählung herangezogen wurde, der aber die
Christen blutig verfolgt hatte. Allerdings wurde diese Ära nur sehr langsam über-
nommen, erst im 15.€Jh. auch von der griechischen Kirche. Die Epoche ist damit
der 1. Januar 1€AD (anno domini). Mit dem Anfangsdatum der Zählung sind histo-
rische Diskussionen verbunden, denn es ist nicht fehlerfrei. Nach geschichtlichen
Dokumenten muss Jesus mindestens 4€v.€Chr. geboren sein, vielleicht sogar 6 oder
7€v.€Chr. Für 6€v.€Chr. war nämlich eine Schätzung im römischen Reich angeordnet
worden, und König Herodes starb bereits 4€v.€Chr.
70 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

Der Jahresanfang war früher vielfach der 25. März (Verkündigung). Die In-
diktion wurde seit Konstantin dem Großen 312 als 15-Jahre-Zyklus im gesamten
Reich eingeführt, wobei das Indiktionsjahr am 1. September begann. Dieser römi-
sche Jahresbeginn ist noch bis zum Ende des 18.€Jh. vom Reichsgericht in Wetzlar
benutzt worden, was sich vor allem auf die Datierungen zwischen September und
Dezember auswirkte.
Der julianische Kalender ist als Sonnenkalender schon in Kapitel€2 behandelt
worden. Bevor auf seine christliche Ergänzung um die beweglichen Feste, also den
julianischen Lunisolarkalender, genauer eingegangen wird, soll ein weiterer Mond-
kalender genauer vorgestellt werden, nämlich der jüdische. Durch ihn wird auch
die Neumondbestimmung im julianischen Kalender besser verständlich [Rich 98].

4.2 Jüdischer Mondkalender

Der jüdische Kalender ist ein Mondkalender, der an das Sonnenjahr gebunden
wurde, also ist er eigentlich ein Lunisolarkalender. Bevor er erläutert werden soll,
seien einige Angaben zur Einführung der Woche angeführt, ohne die der jüdische
Kalender nicht verständlich wird.
Schon in der frühen Zeit hat sich die Notwendigkeit zu kürzeren Abschnitten als
dem Monat herausgestellt. Wir betrachten heute die Woche als Viertelmonat, aber
es waren auch Abschnitte von 5, 8, 9 oder 10 Tagen üblich. In der Regel dienten die-
se Zeiträume für das Abhalten von regelmäßigen Veranstaltungen, z.€B. von Markt-
tagen. Von den Babyloniern wurde die Woche mit 7 Tagen vermutlich durch die
Juden nach Europa, damals die hellenistische Welt, überliefert. Sie enthält seither
neben Planetennamen auch Hinweise aus der Bibel, insbesondere, dass der Sabbat
als letzter Tag der Woche als Ruhetag gezählt werden sollte. Der Begriff Sabbat
bedeutet sowohl 7. Tag als auch 7. Woche, auch Ruhe ist damit angesprochen. Er
geht auf eine Tradition zurück, die vor 2000 Jahren im gesamten westlichen Mittel-
meerraum durch jüdische Gemeinden verbreitet war, die allerdings die Wochentage
nur mit Zahlenbezug ausdrückten. Glücks- und Unglückstage spielten eine große
Rolle, ebenso astrologische Bezüge, also eine Auswirkung der Planetenstellung auf
den Menschen. Das Ordnungsschema der Wochentage lässt sich entweder mit einer
Tageszählung, also den Ordnungszahlen, darstellen oder indem man auf die Plane-
ten und ihre Umlaufszeiten zurückgreift. Geht man von deren Dauer aus, beginnt
die Reihenfolge mit Saturn, dann Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und Mond.
In dieser Reihenfolge lassen sich die 24 Tagesstunden durchzählen, so dass sich für
jede einzelne Stunde und mit der ersten für den Tag die Regenten angeben lassen,
also einer der Planeten.
Ein Weiterzählen mod 7 führt nicht nur zur Angabe der jeweiligen Regenten,
sondern auch zur Reihenfolge unserer Wochentage, die sich in der ganzen Welt
verbreitet hat. Bild€18 zeigt ein Diagramm, aus dem das Weiterzählen entlang der
Geraden im Uhrzeigersinn erkennbar wird, denn jeden Tag bleiben ja 3 Stunden
Rest. Derartige Stundenregenten sind noch auf der Planetenuhr an der Südwand der
4.2 Jüdischer Mondkalender 71

Bild 18↜渀 Wochentage und Saturn


Regenten
Mond Jupiter

Merkur Mars

Venus Sonne

Katharinenkirche in Oppenheim aus dem 16.€Jh. in Deutschland zu erkennen, die


als Bild€19 dargestellt ist.
Übrigens haben sich diese Planetennamen vor allem im westlichen Europa
durchgesetzt, während die Wochentage in den slawischen Sprachen auf Zahlen-
namen zurückgehen.
Der jüdische Kalender greift auf dieses Wochenschema zurück. Rabbi Hillel
II. in Tiberias am See Genezareth soll 396 sein Erfinder gewesen sein, jedoch geht
der Ursprung wohl eher nur ins 5.€Jh. zurück. Basis ist der bekannte Meton-Zyklus
von 19 Jahren, wobei von einer Monatslänge von 29,530 594 Tagen ausgegangen
wird. Das bedeutet nur 0,5 Sekunden Abweichung von der astronomischen Mond-
umlaufszeit. Dieser Wert war seit seinem Beginn die Basis des jüdischen Kalenders,
so dass sich die zu große Länge akkumuliert hat.
Das Jahr wird abwechselnd mit 12 Monaten zu 30 bzw. 29 Tagen gezählt. Schalt-
monate werden in den Jahren 3, 6, 8, 11, 14, 17 und 19 des jüdischen Zyklus (JZ)
eingefuÌ‹gt. Die mittlere Jahreslänge des Sonnenjahres wird mit 365,246 82 Tagen

Bild 19↜渀 Planetenuhr in


Oppenheim
72 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

angenommen, also ungefähr sechs Minuten mehr, als das tropische Jahr aufweist.
Genauer war die Jahreslänge damals nicht angebbar. Dadurch erfolgt eine Verschie-
bung um einen Tag in 216 Jahren, doch ist das ein kleinerer Fehler als der des
julianischen Kalenders. Jahresbeginn ist der 1. Nisan im Frühling, jedoch wird das
bürgerliche Neujahr im Herbst am 1. Tischri gefeiert. Auch der Anfang, Weltära
genannt, ist damit festgelegt, indem die Jahreszählung mit dem 7.10.3761€v.€Chr.
(julianisch) beginnt. Nach alter Vorstellung wurde damals die Welt oder der Mensch
erschaffen.
Die zyklische Berechnung der Monats- und Jahresanfänge erfolgt unter Berück-
sichtigung der Wochentage. Dabei wird vom Zeitpunkt der mittleren Konjunktion,
also dem theoretischen Neumond, ausgegangen, der Moled (Geburt) genannt wird.
Ursprünglich setzte man die Erschaffung der Welt auf Montag, den 7.10.3761
vor der christlichen Zeitrechnung fest, genauer um 23 Uhr 11 am Vorabend, da
nach jüdischer Auffassung der Tag abends um 18 Uhr beginnt. Das Jahr enthält 12
Monate, wobei gegenüber dem Sonnenjahr 11 Tage fehlen. Der 19-Jahre-Zyklus
wiederholt sich streng nach dem Mondumlauf. Als Nebenbedingung für Neujahr
gilt, dass Mittwoch, Freitag und Sonntag nicht zulässig sind, damit die Sabbatruhe
nicht durch die Vorbereitung gewisser religiöser Feste unterbrochen werden muss.
Würde die Rechnung einen dieser Tage ergeben, wird ein Tag eingeschoben, das
Vorjahr also damit um einen Tag verlängert. Ausnahmen für den Schaltmonat zu-
sätzlich führen zu sechs unterschiedlichen Jahreslängen: Normaljahre sind entwe-
der regulär, verkürzt oder verlängert, ebenso die Schaltjahre, um dadurch die er-
laubten Neujahrstage zu erreichen. Damit entstehen Jahre von 353, 354, 355, 383,
384 oder 385 Tagen.
Im Prinzip entspricht der 19-Jahre-Zyklus dem des christlich-julianischen Jahres
mit seinen Goldenen Zahlen GZ, jedoch ist die Zählung verschoben, da ein anderer
Anfang für den Zyklus maßgebend ist: GZâ•›=â•›JZâ•›+â•›3. Wegen der Rücksichtname auf
den Wochentag sind die Zykluslängen nicht gleich und daher auch nicht einfach
auf den heutigen gregorianischen Zyklus abzubilden. Der Jahresbeginn erfolgt im
Herbst mit dem 1. Tischri, aber Passah ist der 15. Nisan im 7. Monat des jüdischen
Jahres, mit dem das religiöse Jahr beginnt. Der Schaltmonat wird stets zwei Monate
vor Nisan eingefügt, genauer vor Adar, um einen Vollmond nach Frühlingsbeginn,
genauer den ersten, zu erreichen. Die Zusatztage verlängern den (2.) Monat Mar-
heschvan auf 30 Tage bzw. verkürzen den (3.) Kislev auf 29. Die übrigen Monats-
namen findet man in Tabelle 41 im Anhang.
Die Zykluslänge ist wegen der Berücksichtigung des Wochentages beim Jahres-
beginn nicht fest. Da der Mondumlauf die Basis bildet, tritt gegenüber dem Sonnen-
jahr eine stetige Verschiebung ein und damit auch gegenüber dem julianischen wie
auch dem gregorianischen Kalender. Auch weicht der jüdische Monatsbeginn vom
islamischen ab, da dessen Zyklus keine Schaltmonate kennt, sondern nur Schalt-
tage. Gegenwärtig fällt der 1. Tischri 5769 der jüdischen Weltära (WÄ) auf Diens-
tag, den 30.9.2008, nach üblicher Rechnung. Die Weltära wird auch mit AM (anni
mundi) bezeichnet, jedoch darf das nicht mit der Märtyrerära ab 284 verwechselt
werden. Auch das byzantinische Weltalter zählt anders.
4.3 Julianischer und gregorianischer Mondkalender 73

Der gregorianische Mondkalender ist auch für die Bestimmung des jüdischen
Monatsbeginns brauchbar, allerdings mit Abweichungen wegen der anderen Mond-
anbindung. Auch gegenüber dem astronomischen Neumond sind Abweichungen
wegen dessen Schwankungen im Umlauf zu beobachten. Der zyklische Umlauf ist
eben theoretisch bestimmt und benutzt nur den sehr konstanten Mittelwert.

4.3 Julianischer und gregorianischer Mondkalender

Wie schon erwähnt beschreibt auch der christlich-julianische Kalender, also der
alexandrinische mit römischen Datumsangaben in der Spätantike und im Mittelal-
ter, ein Lunisolarjahr, das sich wegen der beweglichen Feste auch auf den Mond
bezieht. Der erste Frühlingsvollmond ist dazu die wichtige Größe, nach dem am
nächsten Sonntag Ostern zu feiern ist. Wie hängt dieser Mondkalender mit dem
jüdischen zusammen und wie hat ihn die oströmische, später griechisch-orthodoxe
Kirche verwendet? Obwohl beide Kalender vom Lunisolarjahr ausgehen, sind sie
keineswegs gleich. Vielmehr stellt der jüdische Kalender den Mond in den Vorder-
grund und koppelt daran das Sonnenjahr, während der julianische Kalender von der
Sonne ausgeht und den Mond mit ihrem Umlauf verbindet. Beides soll sich zwar
gleich auswirken, ist aber nicht dasselbe, wie eine verfeinerte Betrachtung zeigt.
Z.€B. fallen die jüdischen Feiertage immer auf das gleiche jüdische Datum, während
unser Karfreitag in jedem Jahr auf ein anderes Datum fällt.
Es ist aber vor allem der Mondsprung, der den Unterschied deutlich macht.
Außerdem zeigen genaue Vergleiche zwischen jüdischem und gregorianischem
Datum, dass die Kalenderrechnung vom Bezugssystem abhängt, wie im nächsten
Abschnitt genauer erläutert wird. Für uns heute ist das das Sonnenjahr, das wir
mit der Einheit Tag so genau wie möglich beschreiben wollen. Die Juden aber ge-
hen vom Mondmonat aus, also von etwas anderem, denn beide Himmelskörper
sind ja unabhängig von einander. Es mag überraschen, dass das trotz des gleichen
19-Jahre-Zyklus zu unterschiedlichen Aussagen führt, doch sind gerade sie zum
Verständnis des Kalenderprinzips notwendig und auch der Grund dafür, dass die
Astronomen lieber mit dem julianischen Tag als Grundlage rechnen und damit auf
die traditionellen Kalender verzichten.
Es wurde bereits gesagt, dass der jüdische Monat um eine halbe Sekunde zu lang
angenommen wurde und dass der Kalender alle 216 Jahre um einen Tag hinter dem
gregorianischen zurückbleibt. Das führt dazu, dass der gleiche Neujahrstag, z.€B.
ein Zyklusbeginn, immer später eintritt, wie im nächsten Abschnitt genau gezeigt
wird, solange die Ursache dafür nicht abgestellt wird. Passah wird also in ferner
Zukunft in den Sommer statt in den Frühling fallen.
Das ist das gleiche Missgeschick, das das julianische Osterfest betrifft, das ja
heute schon häufig deutlich später als das gregorianische eintritt. Der begriffliche
Unterschied besteht ja nur darin, dass Passah (eigentlich Pessach-Beginn) stets auf
den 15. Nisan fällt, also den Vollmondtag im ersten Frühlingsmonat. Das ist dasselbe
74 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

wie unsere Ostergrenze, wobei der Ostersonntag immer erst der Sonntag danach
ist. Bereits in der frühchristlichen Zeit wurde das so eingerichtet, damit beide Feste
nicht auf den gleichen Tag fallen. Allerdings erfolgt die Bestimmung julianisch mit
der festen Kopplung an den Zyklus von 19 Sonnenjahren, in den der Mondkalender
eingefügt wird, wie Bild€20 zeigt [Spri 02]. Der Mondsprung im letzten Zyklusjahr
sorgt dafür, dass die Differenz von 1 Tag zwischen 19 Sonnenjahren und 235 Mond-
monaten ausgeglichen wird und der Zyklus wieder neu beginnen kann.
Dargestellt sind die Neulichttage aller 235 Monate innerhalb von 19 Zyklusjah-
ren, wie sie von Dionysius Exiguus im 6.€Jh. vorgeschlagen und von Beda Venera-
bilis (672–725) im 8.€Jh. systematisiert wurden. Die Kopfzeilen nennen bei ihm den

Bild 20↜渀 Julianischer Mondkalender (↜blau: Schaltmonate, rot: Monatslänge Februar, tiefrot: 30
statt 29, bei GZ 19: Mondsprung, grün: Neulicht für ersten Frühlingsvollmond (13€d später))
4.3 Julianischer und gregorianischer Mondkalender 75

ersten Zyklus ab 532, der sich alle 19 Jahre in gleicher Weise wiederholt, alle 532
Jahre auch mit gleichem Wochentag, der jedoch hier nicht dargestellt ist. Addiert
man 1463â•›=â•›77â•›·â•›19 zu den Jahreszahlen, hat man den gegenwärtigen Zyklus ab 1995
vor sich. Neulicht (luna I) bedeutet einen Tag nach der Konjunktion, wenn der neue
Mond am Abendhimmel gleich nach Sonnenuntergang sichtbar wird. 13 Tage später
hat der Mond das Alter 14, d.€h. Vollmond (luna XIV). Weiterhin sind die Goldenen
Zahlen und die Epakten nach Beda am 22.3. angegeben. Wie man sieht, umfassen
alle Jahre 12 Monate, deren Tageszahl sich mit 30 und 29 abwechselt, während
die Schaltjahre durch den 13. Monat auffallen, der immer 30 Tage besitzt und blau
markiert an bestimmten Stellen eingefügt wird.
Die 2. Zeile betrifft den Februar, in dem für Sonne und Mond in Sonnenschalt-
jahren ein Tag eingeschoben wird, der nicht dargestellt ist: der Monat verlängert
sich einfach auf 30 Tage. Da auf diese Weise alle Schaltjahre korrekt berücksichtigt
sind, ist nur noch die Zykluslänge abzustimmen: 365â•›·â•›19â•›=â•›6935, aber (6â•›·â•›30â•›+â•›6â•›·â•›
29)â•›·â•›19â•›+â•›7â•›·â•›30â•›=â•›6936, also muss ein Mondtag entfallen. Das geschieht durch den
Mondsprung im vorletzten Monat des 19. Jahres, der auf 29 Tage gekürzt wird.
Sofern nicht ein Schaltmonat den Termin verschiebt, gibt Zeile 4 den Beginn des
Frühlingsmonats an. 13 Tage später liegt die Ostergrenze des julianischen Kalen-
ders, am folgenden Sonntag ist Ostern. 2005 war das am 15.4., Ostern also am 18.4.
oder 1.5. nach gregorianischer Rechnung. Leider stimmt das nicht mit der Wirklich-
keit überein, denn der Ostervollmond war am 25.3. Deswegen wurde ja die grego-
rianische Kalenderreform notwendig. Die lässt sich aber auch im Mondkalender
berücksichtigen, so dass der gregorianische Mondkalender entsteht, der für die
Gegenwart in Bild€21 dargestellt ist.
Man muss dazu die Epakten umrechnen, die nun nach Lilius für den 1. Januar
des entsprechenden Jahres angegeben sind und seit der Reform 1582 die Sonnen-
und Mondanpassungen berücksichtigen. Wie Kapitel€5 genauer erläutert, betragen
diese derzeit 13€d für die Sonne abzüglich 4€d für den Mond, so dass alle Kalender-
daten um 9€d verschoben werden müssen.
Bild€21 aber ist von Bild€20 um 8€d verschoben, denn wir sind heute gewohnt,
dass der zyklische Neumond mit Alter 0 genannt wird, nicht das Neulicht mit
Mondalter 1. Folglich ist auch 14 Tage später Vollmond. Wie in Bild€20 sind nur
die Sonnenschaltjahre in Zeile 2 markiert. Wählt man sie entsprechend aus, ist die
Tabelle aber zwischen 1900 und 2199 benutzbar, erst danach wird eine Epaktenan-
passung erforderlich. Man beachte, dass das nichts mit der Datumsdifferenz zum
julianischen Kalender zu tun hat, denn die steigt ab 2100 auf 14€d. Allerdings sind
einige Eintragungen zwischen Bild€20 und 21 verschieden, z.€B. welche Zeile für
den Frühling maßgebend ist, der ja unverändert am 21.3. beginnt.
Während man den Vollmond meist 14€d nach dem zyklischen Neumond findet,
gibt es die Ausnahme der Doppelepakten, hier bei den GZ 6 und 17. Bei ihnen ist
der Ostervollmond 13€d nach dem Neumond anzusetzen, damit einerseits die alten
Ostertermine beibehalten werden, nach denen der 26.4. nicht erlaubt ist, anderer-
seits nicht zwei gleiche Ostergrenzen im Zyklus auftreten. Darüber hinaus benötigt
man nur die Sonntagsbuchstaben zur Bestimmung des Wochentags, um alle Oster-
76 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

Bild 21↜渀 Gregorianischer Mondkalender (↜blau: Schaltmonate bzw. Mondsprung, rot: Monatslänge
Februar, tiefrot: 30 statt 29, grün: Neumond für ersten Frühlingsvollmond (14€d später))

termine ablesen zu können. Für 2005 findet man z.€ B. den 25.3. als Ostergrenze
(11.3.â•›+â•›14€d), also war am 27.3. Ostersonntag, da der SB für dieses Jahr B ist. Das
war 5 Wochen vor dem orthodoxen Ostertag.
Das Passahfest ist damit auch am 25.3. zu erwarten, aber ist das wirklich so? Die
Antwort dazu wird im nächsten Abschnitt gegeben.
Frage 7:╇ Ein julianisches bzw. gregorianisches Datum fällt gegenwärtig bei 13€d
Differenz auf den gleichen Wochentag. Ändert sich das im Jahr 2100 durch den
ausfallenden Schalttag?
4.4 Vergleich der drei Lunisolarkalender 77

4.4 Vergleich der drei Lunisolarkalender

Worin besteht der Unterschied zwischen dem jüdischen und dem gregorianischen
Kalender, wenn beide den 19-Jahre-Zyklus verwenden, um den Mondumlauf zu
berücksichtigen?
Zunächst soll erläutert werden, dass auch im christlichen Kalender ganz unter-
schiedliche Jahreslängen auftreten, wie man bei genauerer Betrachtung mit Über-
raschung feststellen kann. Hierzu soll der gregorianische Mondkalender nach
Bild€21 betrachtet werden. Wie vorangehend erläutert wurde, verfügt er ebenfalls
über 19 Jahre mit 12 bzw. 13 Mondmonaten. Dadurch ergeben sich bereits zwei
unterschiedliche Mondjahreslängen, nämlich 354 und 384 Tage. Da das Schaltjahr
nicht besonders berücksichtigt ist, wird es automatisch für Sonne und Mond um
einen Tag verlängert, d.€h. es gibt Sonnenschalt- und Mondgemeinjahre zu 355
und Sonnen- und Mondschaltjahre von 385 Tagen. Schließlich ist das 19. Zyklus-
jahr wegen des Mondsprungs um einen Tag kürzer, dauert also 383 Tage (außer im
Schaltjahr). Man sieht, dass im gregorianischen Kalender fast die gleichen Jahres-
längen auftauchen wie im jüdischen. Es fehlt lediglich das kurze Gemeinjahr.
Der Grund dafür besteht im Bezug auf die genaue Monatslänge, denn die jü-
dische Kalenderrechnung berücksichtigt neben den Monaten und Jahren auch die
Tage, Stunden, Minuten und Sekunden sehr genau. Dazu wurde eine spezielle
Rechnung eingeführt, die als Unterteilung der Stunde auf so genannte Chalakim
zurückgreift, wobei 1080 Chalakim eine Stunde bedeuten oder 1 Chalak 3 1/3 Se-
kunden entspricht. Man braucht vier Charakteristika oder Kalendergrößen, um
alle jüdischen Daten genau berechnen zu können. Das erste betrifft die Ära, auf die
bereits hingewiesen wurde. Diese beginnt mit dem Schöpfungsmoled und gibt den
Zeitpunkt der Geburt der Welt an, für den Aâ•›=â•›2€d, 5€h und 204€ch angenommen
werden, also 23 Uhr 11 vor Montag, 7.10.3761€v.€Chr., da die Tage ab Sonntag zäh-
len, so dass Sabbat der 7. Tag wird. Zu beachten ist, dass hierbei die Ordnungszahl
für die Tage angegeben wird, also 2. Tag oder Montag, der am Vorabend beginnt,
während Stunden und Chalakim abgelaufene Zeit bedeuten. Das Alter ab Beginn
der Weltära lässt sich einfach dadurch berechnen, dass man die jüdische Jahreszahl
durch 19 dividiert und damit einen Quotienten Q sowie einen Rest R erhält, wobei
letzterer die abgelaufenen Jahre innerhalb des laufenden Zyklus angibt. Wenn man
weiterhin die abgelaufenen Monate seit dem letzten Neujahrstag berücksichtigt, er-
hält man die notwendige Zahlenangabe für einen beliebigen Tag.
Der Monat enthält 29€d, 12€h und 793€ch. 19 Sonnenjahre haben 235 synodische
Monate und damit die Länge zâ•›=â•›6939€d, 16€h 595€ch. Man dividiert beide Längen
durch 7, um die jeweilige Charakteristik zu erhalten, also für den Monat 1€d, 12€h,
793€ch, für den Zyklus aber Zâ•›=â•›2€d, 16€h, 595€ch, denn die 991 vollen Wochen kön-
nen zur Bestimmung des Wochentags entfallen. Weiterhin lässt sich berechnen, dass
das Gemeinjahr 12 synodische Monate umfasst, das heißt 354€d, 8€h, 876€ch oder
50 Wochen plus Gâ•›=â•›4€d, 8€h, 876€ch, während das Schaltjahr einen Monat mehr mit
383€d 21€h 589€ch umfasst oder 54 Wochen plus Sâ•›=â•›5€d, 21€h, 589€ch. Vier Größen,
nämlich die Zyklenzahl Q, die Zykluslänge Z, die Zahl der Gemeinjahre G sowie
78 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

die Zahl der Schaltjahre S reichen aus, um den nächsten Neujahrstag bestimmen
zu können [Schw 05].
Leider kommen noch einige Ausnahmen hinzu. Sie betreffen die Verschiebung
des Neujahrstags wegen der verbotenen Wochentage. So wird Neujahr einen Tag
später begangen, wenn der Moled ≥18€ h ist. Dann würde der Neumond auf den
Nachmittag fallen und damit ist das Neulicht mit Sicherheit am Abend noch nicht
zu sehen. Also gilt der nächste Tag als Neujahrstag, das Vorjahr wird dadurch ver-
längert.
Würde der berechnete Neujahrstag auf Sonntag, Mittwoch oder Freitag fallen,
wird er auf den nächsten Tag verschoben, damit bestimmte Feste korrekt gefeiert
werden können. Fallen beide Bedingungen zusammen, ergibt sich also eine Ver-
schiebung um zwei Tage.
Folgt ein Gemeinjahr einem anderen Gemeinjahr und der Moled Tischri auf
Dienstag nach 9€h 204€ch, wird Donnerstag Neujahr, damit das Folgejahr nicht 356
Tage erhält und damit zu lang wird.
Fällt ein Gemeinjahr hinter ein Schaltjahr und der Moled Tischri auf Montag
15€h 589€ch oder später, wird Dienstag Neujahr, damit das Folgejahr nicht zu kurz
wird (dieser Fall ist sehr selten und hat zuletzt nur 1758 und 1927€AD stattgefun-
den). Es ergibt sich Tabelle€ 17, die das gegenwärtige Jahr a und das Folgejahr
aâ•›+â•›1 bezüglich der verschiedenen Tage angibt. Man erkennt daraus die Neujahrs-
tagswochentage in zwei aufeinander folgenden Jahren. Die Buchstaben k, n, und
l geben Kurz-, Normal- und Langjahre an, K, N, L die entsprechenden Schalt-
jahre. Insgesamt entstehen 14 verschiedene Kombinationen, die unterschiedliche
jüdische Jahre darstellen, wobei stets auch der Passahtag automatisch angegeben
werden kann.
Überraschend sind ein Blick in die Mondtabelle (Bild€21) und der Vergleich mit
dem Passahfest der Juden (s. hierzu auch Kap. 6.5). Man sieht, dass 1997, 2005 und
2008 (JZâ•›=â•›19, 8, 11) wegen des Schaltmonats der 15. Nisan jeweils in den späten
April fallen muss. Damit wird klar, dass das jüdische Jahr wie früher das julianische
zu lang ist, sich folglich ohne Anpassung an die astronomischen Daten das Passahfest
immer weiter in den Sommer verschieben wird, genau so wie das orthodoxe Oster-
fest, das vom alten julianischen Kalender ausgeht. Für den gregorianischen Oster-
termin spielt das keine Rolle, im Gegenteil wird dadurch auch in Zukunft ein Zusam-
mentreffen des Ostersonntags mit dem Passahfest wie schon bisher sicher vermieden.
Ein Beispiel soll die Berechnungsmethode erläutern. Der gegenwärtige jüdi-
sche Zyklus begann mit dem Neujahr 5758€WÄ am Do, 2.10.1997. Das bestätigt
man durch die Berechnung der 303 Zyklen, die gerade den Rest 1 lassen: An-

Tabelle╛╛17↜渀 Neujahrsfolgen
nach dem jüdischen Kalender
4.4 Vergleich der drei Lunisolarkalender 79

fangâ•›+â•›303 Z = 2 d 5 h 204 ch + 303 · (2 d 16 h 395 ch) = 2 d 5 h 204 ch + 606 d


+ 3030 h + 1818 h +180 285 ch = 817 d 4 h 129 ch oder ohne die 116 Wochen 5€d
4€h 129€ch. Das ist offensichtlich ein Donnerstag, zu dem der 2.10.1997 gut passt.
Das folgende Neujahr betrifft den Ablauf eines Gemeinjahrs, so dass nach der
Tabelle Mo oder Di Neujahr sein muss. Man erhält in der Tat mit dem alten Neu-
jahrsmoled einen um G höheren Wert: 5€d 4€h 129€châ•›+â•›4€d 8€h 876€châ•›=â•›9€d 12€h
1005€ ch, also Mo, 21.9.1998, denn 354€ d sind damit vergangen. Wie man sieht,
ist die Rechnung einfach, jedoch unübersichtlich, wenn die Kurz- und Langjahre
eine besondere Beachtung erfahren müssen. Viel besser sind daher heute Kalender-
programme geeignet, die direkt die gewünschten Daten angeben, z.€B. Calendrica
[ReDe 01].
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Zyklen die Fehler des jüdischen
Kalenders deutlich machen, natürlich nur aus der Sicht der christlichen Kalender,
die vermutlich von jüdischer Seite als falsch angesehen werden. Nimmt man 1900
Jahre, sind das 100 volle 19-Jahre-Zyklen, die zu den Neujahrsdaten des 1. Tischri
nach Tabelle€18 führen.
Wie man sieht, ist das jüdische Jahr zu lang, so dass alle 1900 Jahre etwa 8 Tage
Verschiebung eintreten, wenn man die Neujahrstage als gregorianisches Datum ver-
gleicht, das hier z.€T. mit negativen Jahreszahlen angegeben ist. Das ist die Aus-
wirkung des erwähnten Fehlers von einem Tag in ca. 216 Jahren, wobei nicht ver-
gessen werden darf, dass auch der gregorianische Kalender nach etwa 3500 Jahren
einen eintägigen Fehler akkumuliert. Julianisch aber wirkt der Fehler umgekehrt:
der Neujahrstag tritt immer früher auf, was natürlich am Fehler des julianischen Ka-
lenders liegt. Auch die Differenz der Zykluslängen ist interessant, denn hier wirkt
sich auch die Schwankung des gregorianischen Kalenders aus, dessen Intervall von
1900 Jahren eine unterschiedliche Zahl von Schaltjahren aufweist. Der Bereich ist
dabei rückwirkend erweitert, so dass der Wechsel im Jahr 1582 keine Rolle spielt.
Der julianische Tag wird ab 1.1.4713€v.€Chr. fortlaufend gezählt, so dass jeder Tag
einen ständig zunehmenden eindeutigen Tageswert erhält.
Durch den Islam zerfiel das griechisch-römische Weltreich nach fast 1000
Jahren von Alexander (356–323 v. Chr.) bis Heraklius (571–641) endguÌ‹ltig, das
395 schon in einen östlichen und westlichen oder griechischen und lateinischen
Bereich geteilt worden war. Ersterer sollte als byzantinisches Reich noch weitere
800 Jahre existieren, während im Westen Goten und Franken die neuen Herrscher
stellten. Obwohl durch die Pilger auch im Westen nie vergessen wurde, dass das
Christentum in Palästina entstanden war, erfolgte im 11.€Jh. die Kirchenspaltung,
ein Vorbote der Kreuzzüge, die ja 1204 sogar zur Einrichtung eines lateinischen

Tabelle 18↜渀 1900-Jahre-Zyklen im jüdischen Kalender


80 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

Kaiserreichs in Konstantinopel führen sollten, wenn auch nur für kurze Zeit. Was
aber geschah mit dem Kalender im Osten?
Wir sahen bereits, dass auch hier der alexandrinische Kalender eingeführt war,
der sich aber zu einer byzantinischen Variante entwickelte, die eng an die römisch-
julianische angelehnt war. Statt der ägyptischen Monatsnamen wurden die rö-
mischen gräzisiert, aber die Tage zählte man fortlaufend vom 1. ab, wie wir das
noch heute gewöhnt sind. Als Ära diente eine mythische Weltschöpfung, die ab
5509€v.€Chr. zählte, offenbar ähnlich wie die Weltära der Juden, aber mit anderer
Deutung der Angaben der Bibel. Der Jahresbeginn orientierte sich an der von Kon-
stantin durchgesetzten Indiktion, so dass das byzantinische Jahr am 1.9. begann,
also 4 Monate vor dem entsprechenden römischen. Auch Mond- und Sonnenzy-
klus zählten anders. Man muss beim Datenvergleich auf diese Feinheiten achten.
Dennoch lassen sich alle Angaben leicht mit Hilfe des julianischen Kalenders be-
stimmen.
Wie aber erfolgte die Osterrechnung? Wie nannte man die Terminbestimmung,
also den Computus, im Osten? Weitgehend liegen uns nur lateinische Handschriften
vor, erst in der Spätzeit nach dem 12.€Jh. gibt es eigenständige Beiträge hierzu. Man
kann das Chronicon paschale als alte griechische Quelle heranziehen, das ja selbst
so viel wie Computus bedeutet. Das ist eine im Vatikan befindliche Handschrift
eines anonymen Verfassers aus dem 7.€Jh., eigentlich eine Chronik aus der Zeit des
Kaisers Heraklius, die die Geschichte zwischen 284 und 628 darstellt und dabei
zahlreiche Angaben zur Datierung und zu den Osterterminen macht [Whit 89]. Hier
mag es genügen, auf die Art der Ostertafeln hinzuweisen, die zu denen des Dionysi-
us im Westen einige Unterschiede aufweist. Bild€20 ist in dieser Hinsicht nicht voll-
ständig, denn neben Jahreszahl, Goldener Zahl und Epakte gehörten auch Mond-
zykluszahl, Indiktion, Ostergrenze, Ostersonntag und Mondalter am Ostersonntag
zum Kanon, der im Mittelalter erweitert wurde, vor allem um den Sonntag Qua-
dragesimä als Beginn der Fastenzeit. Im Osten dagegen werden im Mittelalter Jahr
der Welt, Indiktion, Sonnen- und Mondzykluszahl, Vorfastensonntag der Fleisch-
abstinenz (8 Wochen vor Ostern), Ostergrenze, Wochentag hierzu und Ostersonntag
angegeben. Es fehlt die Angabe des Mondalters für Ostern, die eigentlich redundant
ist, so wie heute die Angabe des Wochentags für ein beliebiges Datum. Das Chro-
nicon paschale dagegen datiert noch nach den Olympiaden und enthält Ostertafeln
mit Zyklusjahr, Epakten, Ostergrenze in dreifacher Form, also römischer, syrischer
und ägyptischer Datierung, Schaltangaben und Jahr nach Diokletian.
Die vorangehende Betrachtung zeigt, dass die Kalender dem Menschen ein Zeit-
maß in die Hand geben, das besonders die Vergangenheit exakt und übersichtlich
zu datieren erlaubt. Natürlich ist die Zeitberechnung dabei nur Grundlage, sind es
die natürlichen und durch den Menschen verursachten Ereignisse, die erst die Ge-
schichte ausmachen. Dennoch wird deutlich, dass die Kalender sich gegenseitig be-
einflusst haben oder aufeinander aufbauen, so dass in ihrer Entwicklung die Kultur
sichtbar wird, hier die Fähigkeit des Menschen, die Zeit und ihren Ablauf immer
genauer verstehen zu lernen. Erstaunen lässt dabei die große Genauigkeit, mit der
das gelingt. Die fiktiven Anfangspunkte der Weltära der Juden oder Byzantiner mö-
gen mythisch oder religiös konstruiert erscheinen und in ferner Vergangenheit ihren
4.4 Vergleich der drei Lunisolarkalender 81

Tabelle 19↜渀 Charakteristische Angaben zu den behandelten Kalendern

Ursprung nehmen. Die Zahl der Mondumläufe seither ist aber genau berechenbar
und in allen Kulturbereichen gleich, folglich auch der Ablauf der Tage. Nur deren
Bezeichnung ist verschieden, also das zu betrachtende Datum, obwohl mit dem
julianischen Tag auch dazu eine wissenschaftlich präzise Vereinheitlichung vorge-
nommen werden kann.
Es ist unwichtig, mit welchem Datum man zu rechnen gewohnt ist, alle Kalender
liefern schließlich das gleiche Ergebnis, solange man korrekt mit ihnen umgeht.
Tabelle€19 mag als Zusammenstellung der hier erläuterten Kalender hilfreich sein.
Dabei sind Tage, Monate und Jahre durch d, m und a abgekürzt, Epoche ist der An-
fangstag einer Ära.
Als letzte Zeile der Tabelle€19 ist der julianische Tag angegeben. Der Begriff
geht auf Joseph Justus Scaliger (1540–1609) zurück, der als Historiker und Mathe-
matiker vorschlug, einfach die Tage von einem fiktiven Beginn an zu zählen, wobei
streng das julianische Jahr zugrunde gelegt wird [Rich 98]. Dies war für eine Da-
tierung in der Geschichte seit der Antike notwendig, denn der julianische Kalender
besitzt den unbequemen Übergang von v.€Chr. zu n.€Chr., der gregorianische ist aber
wegen der unregelmäßigen Schaltjahre für Intertvallrechnungen weniger geeignet.
Als Anfang wählte er den 1. Januar des Jahres, das sich durch den Wert 1 für
Sonnen-, Mond- und Indiktionszyklus auszeichnet, also den 1.1.4713€v.€Chr. Dieses
Zusammentreffen kann sich erst nach 28â•›·â•›19â•›·â•›15â•›=â•›7980 Jahren wiederholen, da die
drei Faktoren teilerfremd zueinander sind. Der julianische Tag ist damit ein guter
Ansatz für eine astronomische Zeitzählung um die Gegenwart herum, die wegen des
besseren Rechnens mit dem Wert 0 am 1.1.4713€v.€Chr. um 12 Uhr mittags beginnt
und sowohl negative Werte als auch Brüche für Teile eines Tages zulässt. Der Zeit-
punkt 18:00 Uhr am 1.1.2006 erhält damit den julianischen Tageswert 2453736,25,
wobei die derzeit 13 Tage Differenz zum julianischen Kalender berücksichtigt sind.
Der julianische Tag ist folglich gut für Vergleiche zwischen unterschiedlichen Ka-
lendern geeignet, wie bereits die Differenzzeile beim Vergleich der jüdischen und
christlichen Zeitspannen in Tabelle€18 gezeigt hat.
Da die Werte der julianischen Tagszählung unhandlich groß sind, die Tage nach
Definition außerdem mittags beginnen, wird häufig ein modifizierter julianischer
Tag benutzt, solange sich damit eindeutige Angaben machen lassen. Dessen Wert
entsteht durch Subtraktion von 2€400€000,5 vom julianischen Tageswert. Für den
Zeitpunkt 1.1.2006, 18:00 Uhr, erhält man so statt 2€453€736,25 den modifizierten
82 4 Zyklische Lunisolarkalender im nahen Osten und Europa

julianischen Tag 53 735,75. Jeder Tag beginnt nun wie gewohnt um Mitternacht.
Damit wird Mittwoch, 17.11.1858 0:00 Uhr zur Epoche dieser Zählung, die bis
100€000 leicht verständliche Daten benennt, also für Daten der Gegenwart und ihre
Abstände zu einander gut benutzbar ist [ReDe 01].
Frage 8:╇ Für die christliche Ära gibt Tabelle€19 die Epoche 1.1.1€n.€Chr. an. Ist das
julianisch oder gregorianisch der gleiche Tag?

Literatur

[Caze 88] Cazelle, R., Rathofer, J., Das Stundenbuch des Duc de Berry – Les très riches heures,
Faksimile-Verlag Luzern, VMA Wiesbaden, Hirmer 1988
[Ginz 06] Ginzel, F.K., Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie, (Nach-
druck), Leipzig, Hinrichs 1906-14
[ReDe 01] Reingold, E.M., Dershowitz, N., Calendrical calculations – The millennium ed., 1.
publ., Cambridge : Cambridge Univ. Press 2001
[Rich 98] Richards, E.G., Mapping time : the calendar and its history, Oxford Univ. Press 1998
[Schw 05] Schwartz, E., Christliche und jüdische Ostertafeln, Abh. Kgl. Ges. der Wiss. Göttigen,
phil.-hist. Klasse, Neue Folge Band 8, Nr. 6, Berlin 1905
[Spri 02] Springsfeld, K., Alkuins Einfluß auf die Komputistik zur Zeit Karls des Großen, Stutt-
gart: Steiner 2002
[Whit 89] Whitby, M., Chronicon Paschale : 284 – 628 AD, Liverpool Univ. Press, Liverpool 1989
Kapitel 5
Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Bild 22↜渀 Sondermarke 1982


der Deutschen Bundes-
post zur Erinnerung an die
Kalenderreform

Das Motiv der Marke wurde einem der ersten Bücher in deutscher Sprache zum
neuen Kalender entnommen, das von Johann Rasch verfasst und mit dem Titel
„New Kalender. Von verbesserung des Kirchen Kalenders…“ 1586 „zu München
bei Adam Berg“ gedruckt wurde. Leider diente damals ein solches Bild nur als Vor-
satz zum Text, es fehlt dort jede Erläuterung.
Man kann jedoch erkennen, dass Zeit, Himmel, Ostern und die Tag- und Nacht-
gleiche angesprochen werden, dazu der Tierkreis erscheint, wobei der Frühlings-
punkt oben genau zwischen Fischen und Widder angegeben wird. Oben diskutieren
zwei Gelehrte offensichtlich über Thesen der Kirche gegenüber den Beobachtungen
der Astronomie, während die unteren Felder vielleicht die Verschiebung des Früh-
lingspunktes durch die Präzession erwähnen, nämlich 2°Â€ 5′ in den Fischen oder
27°Â€55′ vor Anfang des Widders. Auf die fehlerhaften Längen von Sonnenjahr und
19-Jahre-Zyklus wird dagegen nicht eingegangen. Das Buch schlägt sonst eine an-
dere Schaltweise des neuen Kalenders vor, nämlich alle 133 oder 134 Jahre einen
Schalttag auszulassen, was aber 1582 nicht realisiert wurde.
W. Görke, Datum und Kalender, 83
DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_5, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
5.1 Vorbemerkungen 85

5.1 Vorbemerkungen

Die Reform des Papstes Gregors XIII. wurde bereits erwähnt, ebenso der alte ju-
lianische Kalender, die zyklische Osterfestberechnung durch den Computus, und
mehrere Begriffe wie Epakte, Ostergrenze, Frühlingspunkt, Festzahl, weiterhin
Sonntagsbuchstabe, Sonnenzyklus, Mondzyklus, Mondsprung. Im Folgenden soll
aus der Sicht der Informatik eine Erläuterung der traditionellen Hintergründe des
Kalenders versucht werden. Dabei ist auf die Tradition des alten Kirchenjahres mit
seinen christlichen Festen und dem Martyrologium (den Tagen der Heiligen) Bezug
zu nehmen [Grot 84].
Der julianische Kalender war mehr als 1000 Jahre in Gebrauch, als sich seine
Korrektur nicht länger aufschieben ließ. Deshalb sollte so wenig wie möglich ge-
ändert werden. Dies ist trotz mehr als 100 jähriger ReformbemuÌ‹hungen sehr gut
gelungen und hat nicht zuletzt bewirkt, dass der gregorianische Kalender nicht nur
bei den Protestanten, sondern seit etwa 60 Jahren weltweit akzeptiert ist. Nur die
orthodoxe Kirche feiert Ostern auf julianische Art, hat also das julianische Kir-
chenjahr beibehalten, nicht aber weltliche Staaten, die den europäischen Kalender
wenigstens neben ihren alten Gebräuchen anerkennen (Russland, Japan oder zuletzt
seit 1949 China).
Im Folgenden soll kurz auf die Unterschiede zwischen der mathematisch-
astronomischen bzw. technisch-historischen Chronologie eingegangen werden
[Rühl 97]. Erstere benutzt die Himmelsmechanik zur Zeitmessung und ermöglicht
damit eine langfristige Betrachtung der Zeit, also z.€B. 100 000 Jahre. Letztere be-
schränkt sich auf die heute interessanten Zeiträume, also zur genauen Behandlung
der Geschichte etwa die Zeit von 3000 v. Chr. bis ins 21. Jh. n. Chr. Dabei sind zwei
wichtige Randbedingungen zu beachten:
eine einfache Handhabung, die zum Computus führt, zur zyklischen Osterrechnung,
und damit alle interessanten Kalenderereignisse der absehbaren Vergangenheit
und Zukunft umfasst,
andererseits die korrekte Wiedergabe der Geschichte, so dass vor 1582 julianische
Daten zu verwenden sind, die 1600 Jahre galten, auch wenn sie im Laufe der Zeit
fehlerhaft geworden waren.
Die heutige Kalenderrechnung soll beides erledigen: zukünftige oder vergangene
Kalenderdaten einschließlich der beweglichen Kirchenfeste korrekt angeben und
andererseits alte Daten korrekt einordnen. Da der Tag als Basis der Betrachtung
festliegt, ist die heutige Methodik einfach: man braucht nur die julianischen Tage
zu zählen, die Restklassenrechnung zu beherrschen und dabei die Zyklen festzuhal-
ten. Rechner helfen heute zum Verständnis und nehmen einem die Rechenarbeit ab.
Sie vermeiden Fehler, erlauben sogar in gewissen Grenzen die astronomische Be-
handlung der Fragestellung, z.€B. hinsichtlich der Abweichung des gregorianischen
Kalenders von der Astronomie. Insgesamt entsteht so ein vertieftes Verständnis der
Zusammenhänge, da alle Aussagen leicht nachprüfbar werden. Als Mittel dienen
dabei der implementierte Computus und dessen Ergebnisse.
86 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Die Vergangenheit ist etwas anders zu behandeln, denn der julianische Kalender
ist an sich viel einfacher als der gregorianische. Seine Begründung erfolgt mythisch
und religiös: eine einfache Weltordnung baut auf dem griechischen Zahlensystem
auf und fordert Zyklen aufgrund der babylonischen Himmelsbeobachtung: die
Sonnen- und Mondumläufe stellte man sich auf Kreisen vor, für die ganzzahlige
Verhältnisse bestehen, die Null war als Rechengröße nicht bekannt. Da aber eine
zyklische Rechnung von Restklassen ausgeht, ist indirekt die Null notwendig, wenn
sie auch explizit wie bei der Goldenen Zahl (GZ) nicht auftritt. Dort wird stattdes-
sen 19, also der Modul, mit einbezogen. Mathematisch ist es dasselbe, ob man mit
den Goldenen Zahlen 1 bis 19 oder der Größe xâ•›=â•›GZâ•›−â•›1 rechnet, wobei x eine der
ganzen Zahlen mod 19 ist, also zwischen 0 und 18 einschließlich liegt. Interessant
ist dabei die Frage, ob man mit der Null arbeiten kann, ohne sie zu kennen. Das ist
offenbar im Computus notwendig, besonders im julianischen Kalender vor Einfüh-
rung der arabischen Ziffern in Europa. Ein Teil der erwähnten Verwirrungen scheint
aus diesem Widerspruch zu resultieren, der folglich aufzulösen ist, was später ver-
sucht werden soll.

5.2 Julianischer Sonnenkalender

Das Sonnenjahr lässt sich einfach behandeln, wenn man es julianisch zu aâ•›=â•›365,25€d
festlegt. Allerdings ist das gegenüber dem wahren tropischen Jahr um 11€min 14€sec
zu lang. Jedes vierte ist ein Schaltjahr, dadurch entfallen Reste von weniger als
einem Tag. 4 julianische Jahre enthalten so 1461€d, mit denen sich exakte ganz-
zahlige Kalenderangaben machen lassen und zwar für beliebige Zeiträume. Das
julianische Jahr wurde von Gaius Julius Caesar 46 v. Chr. eingeführt, wie bereits
in Kapitel€ 4.1 genauer erläutert wurde. Caesar wollte ursprünglich den 25. März
als Frühlingsbeginn festlegen, traf aber den 23. März, vermutlich aus Gründen von
Mess- oder Rechenfehlern. Unser Frühlingsdatum des 21. März geht auf die Ale-
xandriner und die oströmische Kalendervariante zurück und galt vor allem im 4.
Jahrhundert, zum Zeitpunkt des Konzils von Nikäa (325), als man eine Vereinheit-
lichung des Osterfestes in Ost und West anstrebte. Im julianischen Kalender ist der
wahre astronomische Frühling aber trotz des festen Datums 21.3. nicht fixiert, denn
wegen der oben erwähnten zu großen Jahreslänge entsteht etwa alle 128 Jahre ein
Tag Differenz zum astronomischen Frühlingspunkt. Das ist eine Eigenschaft rein
zyklischer Kalender, die nur zu Beginn an die Astronomie angepasst werden. Jeder
Fehler kumuliert sich fortan zu immer größeren Werten. Im 16. Jahrhundert waren
folglich 10€d zu korrigieren, heute beträgt die Differenz zwischen dem julianischen
und dem korrigierten gregorianischen Kalender sogar 13€d.
Die mondabhängigen Feste wie Ostern, Pfingsten usw. bringen weitere Prob-
leme in den julianischen Kalender, der nicht durch ein reines Sonnenjahr, sondern
durch ein gebundenes Mondjahr, das Lunisolarjahr, gekennzeichnet ist. Er bezieht
folglich die Mondphasen ein, die deshalb seit alters her in jedem Kalendertaschen-
buch angegeben werden. Doch wie werden sie bestimmt? Heute natürlich astro-
5.3 Synchronisation von Sonne und Mond im julianischen Kalender 87

nomisch, doch im Mittelalter diente dazu der Computus, was weiterhin genauer
erläutert werden soll.
Obwohl wir den Mond nur durch reflektiertes Sonnenlicht sehen, ist der Mond
ein unabhängiger Himmelskörper, der in 29 d 12 h 44 m 3 s = 29,530 59 d (ein
Wert, der sich seit 5000 Jahren um weniger als 1€s geändert hat [Rich 98]) die Erde
umkreist, allerdings auf elliptischer Bahn, so dass dieser Umlauf keineswegs mit
konstanter Geschwindigkeit erfolgt. Aber die mittlere Umlaufszeit war bereits im
Altertum sehr genau bekannt und hat sich seither kaum verändert; das wird auch in
naher Zukunft nicht erwartet. Deshalb könnte man auch mit einem Mondjahr aus 12
Monaten rechnen, das allerdings nur 354€d Länge hätte und auch nicht ohne Schalt-
mechanismen auskommt, vor allem wegen der 44€ min Abweichung von 29,5€ d.
Im Islam findet es seit Mohammed Anwendung (s.€Kapitel€3), aber in Europa hat
man einen anderen Weg beschritten. Man hat nämlich künstlich einen rechnerischen
Monat von abwechselnd 30 und 29€d eingeführt und diese Tageszählung mit dem
erläuterten julianischen Sonnenjahr synchronisiert (s.€Kapitel€4).
Diese Tatsache ist trotz ihrer Genialität heute kaum jemandem bewusst, obwohl
sie die Grundlage auch unseres heutigen gregorianischen Kalenders bildet. Der
Kenner allerdings weist sofort auf den Computus hin, also die Osterfestberechnung
des frühen Mittelalters, eines der Studiengebiete für Mathematiker und Geistliche
im hohen Mittelalter. Es bildet die Grundlage für die gleichzeitige Osterfeier in der
gesamten christlichen Welt, indem eine Methode der sicheren Berechnung ange-
geben wird. Nicht ohne Grund lebt dieser Begriff in den heutigen Computern fort.
Dennoch entstehen unmittelbar einige Fragen:
Wie kann man den Mond denn mit dem Sonnenjahr synchronisieren?
Müssen dabei nicht Fehler entstehen, die systematisch unvermeidbar sind, da ja die
Umlaufzeiten von Sonne und Mond kein ganzzahliges Vielfaches zu einander
bilden?
Hat folglich auch unser gregorianischer Kalender derartige Fehler?
Wie groß sind sie und wann wirken sie sich aus?
Die vorangehenden Kapitel geben bereits eine Antwort auf diese Fragen, doch sol-
len sie im Folgenden genauer erläutert und beantwortet werden.

5.3  ynchronisation von Sonne und Mond


S
im julianischen Kalender

Der julianische Kalender wurde im 6. Jh. von Dionysius Exiguus in der heutigen
Form, also einschließlich der beweglichen Feste, aufgestellt und durch ausführliche
Erläuterungen von Beda Venerabilis im 8. Jh. in der literarischen Welt verbreitet,
seither gilt er bzgl. des eigentlichen Kalendariums unverändert. Das Sonnenjahr
wurde bereits erläutert. Der Mond wird dadurch mit ihm verbunden, dass man das
Mondjahr von 354€d über das Sonnenjahr legt und die Tage fortzählt, bis sich die
Zyklen wiederholen (s.€Kapitel€4.3). Der Mondsprung sorgt dabei dafür, dass das
88 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Tabelle 20↜渀 Differenzen zwischen Mond- und Sonnenjahr (Epakten) und Schaltmonate

zwangsweise so passiert, wie man heute in der Technik eine Synchronisation ver-
steht. Zwar war die Null angeblich im Mittelalter unbekannt, aber rechnen konnte
man trotzdem. Auch hier wird alles leicht verständlich, wenn man nur den Mut zu
großen Zahlen aufbringt, aber es geht schließlich nur um Tage, also ein durchaus
anschauliches Gebilde.
Man halte sich dabei an folgende Regeln: alle Tage werden fortlaufend gezählt,
das Jahr zu 365€d, der Doppelmonat zu 30╛+╛29╛=╛59€d, also 6 Doppelmonate╛=╛354€d.
Das zweite Mondjahr im zu bestimmenden Mondzyklus beginnt 11€d früher, das
dritte 22€d, das vierte 33€d. Hier ist ein voller Monat zusätzlich vorhanden. Man fügt
ihn dem 3. Jahr als Schaltmonat an und reduziert die Tagesdifferenz auf 33â•›−â•›30â•›=â•›3€d.
Es folgen die Differenzen 14 und 25€d, ehe man zu 36€d gelangt, also wieder einen
Schaltmonat erreicht hat und die Differenz auf 6€d reduziert. Das setzt man bis zum
19. Jahr fort, wobei die Differenzen nach Tabelle€20 entstehen.
Wie man sieht, hat man den 19-Jahre-Zyklus erzeugt, der bereits im 5. Jh. v.
Chr. durch Meton von Athen bekannt war, wenn man eine kleine Korrektur zu-
lässt: beim letzten Schritt wird um 12 statt 11 erhöht, um so den Anfangswert 0 zu
erreichen. Das ist der Mondsprung, eine Willkür bei der Abzählung, die aber zu
keinem Fehler führt, wie sich leicht zeigen lässt: wir können nämlich den letzten
Schaltmonat zu 29€d rechnen, dann sind 12€d fortzuzählen, um die Synchronisation
wie in den anderen Fällen zu erreichen. Die Differenz in Tabelle€20 ergibt übrigens
die später erläuterten Epakten, nämlich das Mondalter zu Beginn eines neuen Jah-
res. Das Schalten erzeugt die Synchronisation zwischen Mond- und Sonnenumlauf,
ähnlich wie man eine Federuhr nach einer Woche oder einem Monat nachstellen
muss, wenn sie gegenüber der wahren Zeit abweicht.
Der sorgfältige Leser wird an dieser Stelle bemerken, dass bisher nicht gesagt
wurde, wann denn nun der Schaltmonat laut Tabelle€20 einzuschieben ist und wie
sich dabei die Schalttage in jedem 4. Sonnenjahr auswirken. Hier soll nur gesagt
werden, dass man dazu günstige Stellen im 19-Jahre-Zyklus ausgesucht hat. Das
erfordert aber vertiefte Betrachtungen, auf die hier verzichtet werden soll. Auch
den Kalenderschreibern sind dabei Fehler unterlaufen, die auf Verständnisprobleme
schließen lassen [Neug 83, S.€426].
Besser lassen sich die Zusammenhänge mit Bild€20 aus Kapitel€4 erläutern, also
mit dem traditionellen julianischen Mondkalender. Man erkennt dort die blau mar-
kierten Schaltmonate, die willkürlich eingeschoben erscheinen. Zählt man die 235
dargestellten Monate fortlaufend, erkennt man, dass die Monate 25, 59, 90, 124,
160, 194 und 226 mit je 30€d eingeschoben worden sind. Damit sind die Jahre mit
der GZ 2, 5, 8, 10, 13, 16 und 19 Mondschaltjahre, während Tabelle 20 die Jahre
3, 6, 9, 11, 14, 17 und 19 erwarten lässt. Offensichtlich liegt das am willkürlichen
5.3 Synchronisation von Sonne und Mond im julianischen Kalender 89

Anfang der Tabelle. Ein Beginn mit 10 (d.€h. 10 statt 1, 11 statt 2 usw.) würde ge-
nau die dargestellten Jahre zu Schaltjahren werden lassen. Auch das trägt zur Ein-
schubstelle der Schaltmonate in Bild€20 bei. Betrachtet man dort die Differenzen
der angegebenen Monatszahlen, so ergeben sich die Abstände von dort 34, 31, 34,
36, 34, 32 und 34 Monaten zwischen ihnen. Der Durchschnitt lässt 235:7â•›=â•›33,57
Monate erwarten. Die Verteilung ist also recht gleichmäßig erfolgt, obwohl 2,5€m
Abweichung auftreten.
Der erste Monat eines Jahres wird stets voll gewählt, was wohl das Ordnungs-
prinzip bildet, also das Ziel der Synchronisation. Es ist der, der im Januar endet.
Man beachte, dass auch im 19. Jahr ein voller Monat geschaltet wird, aber der vor-
letzte um einen Tag gekürzt wird, so dass drei hohle Monate aufeinander folgen. Das
reduziert den Schaltmonat auf effektiv 29€d, berücksichtigt also den Mondsprung.
Damit fallen hohle Neumonde in den Januar, d.€h. sie enden im Februar, volle enden
im März, hohle im April usw. Erst Zeile 4 in Bild€20 zeigt Abweichungen durch die
Schaltmonate von diesem Schema. Im April wirkt sich der Ostervollmond aus, dem
3 Zeilen ohne Abweichungen vorangehen, ein weiterer Grund für deren Anordnung.
Was entsteht daraus als Bilanz? Es ergibt sich ein Zyklus aus 19 Jahren, die
folglich 12â•›·â•›19â•›=â•›228 reguläre plus die 7 Schaltmonate der Tabelle€ 20 umfassen,
genau 114â•›+â•›6 Monate zu 30€d und 114â•›+â•›1 zu 29€d, also 235 Monate bei Berück-
sichtigung des Mondsprungs von 1€d Differenz. Meton hatte schon im 5. Jh. vChr
beobachtet, dass 235 Monate mit 19 Sonnenjahren übereinstimmen. In Tagen be-
rechnet wird das noch deutlicher:

Dabei werden die 4 oder 5 Sonnenschalttage im Zyklus vernachlässigt. Mit gu-


tem Grund, denn der römische Kalender setzt den 24. Februar als „dies bissextilis“
oder Doppelsechs (6. vor den Kalenden des März) an, wenn ein Schaltjahr vorliegt.
Dadurch werden 4,75 Schalttage indirekt berücksichtigt, ohne dass man bei der Zu-
ordnung etwas zu tun braucht. Besser gesagt, man wandelt im Sonnenschaltjahr den
hohlen Februarmonat in einen vollen um und berücksichtigt dadurch den Zusatztag.
Damit wird klar, warum der Januarmonat voll sein muss.
Auch das Mondjahr hat in Wirklichkeit mehr Tage als gezählt: 5 der 7 Schalt-
monate haben keine Kompensation durch einen kurzen Monat von 29€d, außerdem
sind die 44€Minuten in jedem Monat bisher vernachlässigt. Man kann also auch hier
genau rechnen:

Wie man sieht, liegt die Abweichung nur in 0,0614€d in 19 Jahren, d.€h. 1€h 28,4€m,
wohlgemerkt gegenüber dem julianischen Jahr, nicht dem wirklichen Sonnenjahr.
90 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Also entsteht in 16 dieser Zyklen, also in etwa 308 a ein Fehler von 1€d bzgl. der
astronomischen Mondphasen gegenüber den julianischen Kalenderangaben. Das
war im Hochmittelalter jedermann sichtbar geworden, als längst mehr als 2€d Fehler
angewachsen waren. Dieser Fehlereffekt war viel deutlicher für jedermann beob-
achtbar als der den Astronomen natürlich bekannte akkumulierte Fehler des julia-
nischen Sonnenjahres, weil er sich auf den Ostersonntag auswirkte, der öfter nicht
mehr der Sonntag nach dem Frühlingsvollmond war, sondern gegenüber Bild 20
eine Woche später! Der julianische Kalender war deshalb dringend reformbedürftig,
aber sollte man wirklich mit der Tradition brechen und vor allem wie?

5.4 Epakten im Mittelalter

Bevor auf die gregorianische Reform eingegangen werden kann, sind die Epakten
genauer zu erläutern. Es geht dabei um die resultierende Zuordnung der Mondpha-
sen zu den speziellen Kalendertagen, bisher ist die Rechnung ja nur rund und schön.
Dazu sei ein Ausschnitt aus der 19-Jahre-Tabelle des Dionysius Exiguus aus
dem 6. Jh. angeführt [Maie 97], die 8 Spalten aufweist und die alte Kalenderbasis
bildet (Tabelle€21), nämlich Jahreszahl (ab 532 bis 550, also 19 Jahre), Indiktion,
Mondepakten, Konkurrenten (Wochentag des 24.3. mit Iâ•›=â•›So, IIâ•›=â•›Mo usw.), by-
zantinischer Mondzyklus, Ostervollmond (luna XIV, d.€ h. 14€d alter Mond), Os-
tersonntag und Mondalter am Ostersonntag. Man nennt sie deshalb auch Oster-
tabelle. Die alte Zykluszählung beginnt mit 17, doch Dionysius beginnt sie mit der

Tabelle 21↜渀 Ausschnitt aus Ostertabelle des Dionysius Exiguus (6. Jh.) [Maie 97]
5.4 Epakten im Mittelalter 91

Epakte Null am 22.3. Dadurch entsteht ein Epaktenzyklus wie die Differenzen in
Tabelle€20.
Im Mittelalter kamen die Goldenen Zahlen (GZ) in Gebrauch, so dass man
deren Werte von 1 bis 19 als Zusatzspalte ergänzen kann und dann mit der Epak-
tenspalte genau die oben erwähnten Differenzen zwischen Mond- und Sonnenjahr
(Tabelle€20) erhält. Letztere sind folglich die mittelalterlichen Epakten des Mond-
alters am Beginn jedes neuen Jahres! Man nennt sie auch alexandrinische Epak-
ten, denn sie sind viel früher als im 6. Jh. bekannt gewesen, schon Augustalis hat
darunter im 3. Jh. das Alter des Mondes am 1. Jan. verstanden ([Rühl 97], S.€122),
also genau das, was hier interessiert.
Es sei darauf hingewiesen, dass Dionysius klar die Null einbezieht, obwohl die
doch angeblich damals gar nicht bekannt gewesen sein soll. Hier sieht man, dass sie
einwandfrei die heutige Bedeutung der Null hat: kein Mondalter, also weniger als
1€d, also der vorangehende Wert in der Zahlenreihe! (Natürlich gab es dafür keine
Ziffer in den römischen Zahlen, man musste schon das Wort Null hinschreiben.)
Man kann dafür auch 30 schreiben, also das Mondalter entweder von 1 bis 30 oder
aber von 0 bis 29 zählen. In jedem Fall gilt anschließend ein neuer Mond.
Die Ostertabelle 21 ist durch mehrere Handschriften űberliefert [Krus 37] und
auch auf dem Kalenderstein des Dommuseums in Ravenna dargestellt (s.€hier-
zu Bild€3 in Kapitel€2). Man erkennt dort deutlich den Mondzyklus, der hier mit
5 aufeinander folgenden Abläufen auf 19 Sektoren aufgeteilt ist. In jedem Sektor
wird die Zahl des (byzantinischen) Mondzyklus und die zugehörige Ostergrenze
angegeben, anschließend folgen 5 weitere römische Daten. Man erkennt über dem
Kreuz innen als Beginn LV XÇI, also Mond 17 im byzantinischen Zyklus, dann AN
I LV XIIII NO AP für 1. Jahr im westlichen Zyklus luna 14 an den Nonen des April,
also Ostergrenze 5.4., dann PAS III ID AP LV XX, also Ostersonntag am 11.4. mit
Mondalter 20. Man beachte das Zeichen Ç für 6, also das griechische Digamma,
in der zweifellos sonst lateinischen Tabelle. Es folgen die Ostersonntage fűr die
Zyklen 2 bis 5, also für die Jahre 551, 570, 589 und 608. CM und EM geben die
Mondnormal- und Mondschaltjahre im byzantinischen Zyklus an, dessen Beginn
durch ein Kreuz außen gekennzeichnet ist.
Wichtig ist die Spalte für den Ostervollmond, heute Ostergrenze genannt, für
die in Tabelle€ 21 die Daten des römischen Kalenders angegeben werden. Über-
setzt man sie mittels Tabelle 48 im Anhang in unsere Kalenderdaten, entsteht aus
dieser Spalte die 3. Zeile der Tabelle€22, in der die ersten beiden Zeilen das bisher
Erläuterte wiederholen. Natürlich müssen sich diese Ostergrenzdaten direkt aus den

Tabelle 22↜渀 Goldene Zahl, Epakten und Ostergrenzen des alten Kalenders
92 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Epakten herleiten lassen, sie bestimmen ja in jedem Jahr das Mondalter. Epakte
Null, genauer 30, bedeutet Neumond, also letzter Tag des abgelaufenen Monats.
Eigentlich ist nur das Neulicht (luna I) zu beobachten, die schwache erstmals sicht-
bare Sichel am Abendhimmel, der Neumond selbst bleibt ja unsichtbar. 14€d nach
dem Neumond ist luna 14, Vollmond. Welcher Tag soll das sein? Der 14. Jan. (oder
30â•›+â•›29€d später der 14. März) kann nicht gemeint sein, nach Tabelle€22 ist die Os-
tergrenze ja der 5.4., von Dionysius angegeben. Also zählt die Epakte anders, näm-
lich 5.4.–14€dâ•›=â•›22.3. Die Epakte nach Dionysius hat einen anderen Bezugspunkt,
nämlich den 22.3. Dann aber ist auch der 22.1. Neumond, ebenso der 23.12., woraus
folgt, dass das Mondalter am 1. Jan. die Epakte 9 haben muss. Das wird in einer
Handschrift des 9. Jh. (Aug. Perg. 167, fol. 12v) genau so angegeben: zur Goldenen
Zahl 1 gehört die Epakte XXX (oder Null am 22.3.), IX (am 1.1.), die Ostergrenze
ist der 5.4., dazu gibt es dort einige weitere Angaben. Diese Epakten sind hier als
4. Zeile in Tabelle€22 eingetragen, es sind die Epakten des 1. Jan. nach Dionysius
und Beda, der Mondsprung am Ende ist genau wie in Zeile 2 erkennbar.
Nach [Rühl 97, S.€140] trifft im 1. Jahr des Zyklus, also bei GZâ•›=â•›1, ein Neu-
mond auf den 23.1. (Neulicht), also ist am Vortag sein Alter Null, was bedeutet,
dass man 14€d vom 22.3. bis zum Vollmond (luna XIV) am 5.4. zu zählen hat. In
jedem Fall bestätigen sich die Vollmonddaten, die als dritte Zeile in Tabelle€ 22
erscheinen. Das Alter 11 der nächsten Spalte (GZâ•›=â•›2) erhöht alle Werte entspre-
chend, denn Alter 11 am 22.3. ergibt 3€d später den Vollmond oder die Ostergrenze
25.3. Die nächste Spalte hat Alter 22 am 22.3., also ist der Vollmond vorbei. Der
nächste Monat ist auszuwählen: Alter Null liegt 22€d zurück, also auch 8€d später
am 30.3., Vollmond damit am 13.4. In gleicher Weise folgen alle weiteren Oster-
grenzen bis zu GZâ•›=â•›19, Epakte 18, d.€h. Vollmond bereits vorbei, also nächster
Neumond 12€d später am 3.4., also 17.4. Vollmond. Eine der drei Zeilen (Goldene
Zahl, Epakte am 22.3., Ostergrenze) reicht völlig zur Bestimmung des julianischen
Ostersonntags aus. Aus der Goldenen Zahl folgt die Epakte, aus ihr die Ostergren-
ze, also würde sie ebenfalls ausreichen. Ostersonntag ist stets der darauf folgende
Sonntag, natürlich abhängig vom Sonntagsbuchstaben des betreffenden Jahres, der
aus dem Sonnenzyklus folgt. Man beachte, dass der Vollmond stets 14€d nach dem
Neumonddatum eintritt, obwohl ja das Neulicht eigentlich Alter 1 haben muss.
Darauf wird am Schluss des nächsten Abschnitts noch einmal genauer eingegan-
gen. Das ist auch aus Bild€20 zu sehen. Dort sind die Neulichtdaten des Frühlings-
vollmonds für alle 19 Jahre des Zyklus grün markiert. Also liegt die Ostergrenze
13€d später, wie man mit Tabelle€22 leicht überprüfen kann. Weiterhin fällt auf,
dass die früheste Ostergrenze der 21.3., die späteste der 18.4. ist (GZ 16 bzw. 8).
Aus heutiger Sicht schwer zu verstehen ist der Umstand, dass der so eingerich-
tete Kalender sich lange jeder Änderung widersetzte. Er galt als im höheren Sinn
vorgegeben, so dass es den Menschen nicht zukommt, an seiner Ordnung zu rütteln.
Für die orthodoxen Kirchen gilt das sogar noch heute. Dennoch war im Mittelalter
jedem Kenner klar, dass eine Reform notwendig ist. Das lag weniger am zurückge-
wichenen Frühlingsanfang, sondern am immer früher eintretenden Voll- oder Neu-
mond. Wie konnte man diese Schwierigkeit beheben?
5.4 Epakten im Mittelalter 93

Bild 23↜渀 Teil eines Kalenderblatts (Anf. 15. Jh.) [Caze 88]

Bild€23 zeigt eine Kalenderseite aus einem Manuskript des frühen 15. Jh., dem
Stundenbuch des Herzogs von Berry [Caze 88], aus dem auch Bild 17 angeführt wur-
de. Dargestellt ist der Monat Januar bis zum 15., der Rest der Seite ist abgeschnitten.
Das Blatt ist in französischer Sprache geschrieben und enthält acht Spalten: die
Goldene Zahl, die Tagesbuchstaben, das römische Datum in zwei Spalten, die Ta-
gesheiligen, die Tageslänge in Stunden und Minuten und schließlich die neue gol-
dene Zahl, deren Zuordnung um 3, 4 oder sogar 5 Tage nach vorn verschoben ist.
Das heißt, der Vollmond tritt für das betreffende Jahr um so viele Tage früher ein,
als der julianische Kalenders nach der Goldenen Zahl angibt. Alle Zahlen erschei-
nen mit römischen Ziffern. Vermutlich waren auch diese neuen goldenen Zahlen
ungenau, da eine zu große Korrektur vorgesehen wird.
Man liest als Überschrift die Initiale Kl für Kalenden des Januar und weiter fran-
zösisch, dass er „31 Tage hat und der Mond 30“, dann die Anzahl der Tagesstunden
und „Nõbre dor nouel“, also neue goldene Zahl. Erst dann beginnt die Tabelle mit
dem Tagesbuchstaben a nach der alten GZ 3 und ganz rechts dem Eintrag 19, der
links erst in Zeile e, Nonas, also am 5.1., auftritt, d.€h. nun 4€d vorher. Für den 3.1.
ist die alte GZ 11, die neue 8, also ebenfalls 3€d vor der Zeile f, dem 8. vor den Iden,
was mit allen weiteren Zeilen die Aussage oben bestätigt. Kein Wunder also, dass
94 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

das Konzil den Papst beauftragt hat, den Kalender zu reformieren. Das bedeutete
aber, auf die Goldenen Zahlen als Grundgröße im Zyklus zu verzichten. Die Praxis
hatte das längst getan, wie Bild€23 zeigt. Nun sollten die Epakten die neue Grund-
größe werden, wie der nächste Abschnitt beschreibt.

5.5 Epakten des Lilius

Obwohl diese Zusammenhänge jedermann einleuchtend sind, ist in der chronolo-


gischen Literatur eine andere alte Epaktenzeile üblich, deren Werte um 1 niedriger
sind als die gerade behandelten Epakten des 1. Jan. Sie ist ebenfalls in Tabelle€22
angeführt, beginnt folglich mit 8 und endet mit 26. Diese Epakten haben entweder
den Sitz des 23.3. [Bach 07, S.€40] oder es sollte vielleicht der Einschluss des An-
fangstags bei Intervallzählungen kompensiert werden, der im römischen Kalender
des Mittelalters üblich war. Jedenfalls schreibt man Aloysius Lilius († 1576) die-
se Epaktenreihe zu, Bach nennt sie direkt alexandrinisch-lilianisch. Da das Lili-
us-Manuskript zur Kalenderreform als verloren gilt, kann man nicht sicher sagen,
warum der Wert gerade um 1 gegenüber Beda reduziert wurde. Diese Reihe wird
von Clavius 1603 als Basis für die Kalenderreform angeführt und bildet seither die
Grundlage auch aller neueren Kalenderliteratur [Bach 07, Zema 87, Rich 98], so
dass sie fortan auch hier behandelt werden soll.
Ein Blick in das Buch von Clavius liefert einen Schlüssel zum Konzept der Epak-
ten des Lilius. Es beginnt mit „compendium novae rationis restituendi calendarium
…“ [Clav 03, S.€3 bis 12]. Heute würde man das Kurzfassung der neuen Berech-
nung des zu verbessernden Kalenders nennen. Clavius gibt ausdrűcklich Lilius als
deren Verfasser an. Allerdings war Lilius 1581 bereits seit 5 Jahren tot, folglich ist
diese Kurzfassung lange vor der Reform verfasst worden. Sein Bruder Antonius Li-
lius hat daran mitgewirkt und war auch Mitglied der Reformkommission. Sie wurde
übrigens bereits 1578 den katholischen Fürsten zur Prüfung übersandt, wobei deren
Universitäten Stellung nehmen sollten. Sehr interessant sind daraus die Tabellen auf
den Seiten 9 und 10, hier als Bild€24 und 25 wiedergegeben.
Zunächst sei Bild€24 mit der ursprünglichen Epaktentafel des Lilius erläutert.
Sie besteht aus 30 Zeilen und 19 Spalten, beginnt mit Null und gibt als erste Zeile
(abgesehen vom Mondsprung) rein mathematisch die Reste Râ•›=â•›(11â•›·â•›i) mod 30 an,
wobei i die 19 Werte der um 3 verminderten Goldenen Zahlen annimmt. (Man be-
achte hierzu den jüdischen Zyklus JZ nach Kapitel€4.2!) Die zweite Zeile erniedrigt
diese Reste einfach um eine Einheit, wobei auf ω oder * für Null die Zahl 29 folgt,
also eine wiederum rein mathematische Erniedrigung um 1 aller Zeilen mod 30. Auf
diese Weise entsteht in jeder Zeile eine andere Folge der Reste 0 bis 29, wobei sich
die Spalten um 11 (bzw. bei GZ 19 um 12) unterscheiden, also wieder die Epakten
einschließlich des Mondsprungs anzeigen. Dies geschieht aber viel systematischer
als in Tabelle€22: alle 30 Möglichkeiten werden berücksichtigt, nicht nur wie dort
19 ausgezeichnete Werte. Offenbar war das Ziel des Lilius diese systematische
5.5 Epakten des Lilius 95

Bild 24↜渀 Epaktentabelle des Lilius ([Clav 03], S. 9). Die Kopfzeile nennt die Goldenen Zahlen, die
Kopfspalte links eine willkürliche Zeilenbenennung, die Spalte 2 entspricht

Tabelle, die mit Null beginnt. Mit den alten Epakten war das nicht erreichbar, denn
dort fehlt ja der Wert Null in der Reihe für den 1. Jan. (Zeile 4 in Tabelle€22).
Lilius hat einfach die Werte um 1 reduziert und beginnt mit GZâ•›=â•›3, die ja die alte
Epakte 1 hatte (Tabelle€22) und erklärt, dass deshalb die Folge der Goldenen Zah-
len in Bild€24 nicht mit 1 beginnt [Zigg 83]. Das führt weiterhin zwangsläufig zur
Epakte 8 für GZâ•›=â•›1. Daher ist die oft in der Kalenderliteratur zu findende Behaup-
tung korrekt, dass die Epakten des Lilius nichts mit den alten Epakten zu tun haben.
Lilius brauchte aber diesen rein mathematischen Ansatz, um die Reform in seinem
Sinn durchzuführen. Dieser ist in Bild€25 klar zu erkennen und macht die Grundidee
96 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Bild 25↜渀 Tabelle des Lilius der Schaltjahre mit Epaktenänderung ([Clav 03], S.€10). Die jeweilige
Buchstabenspalte bezieht sich auf die Zeilen von Bild€24

des gregorianischen Kalenders deutlich: Entkopplung der Epakten von den Gol-
denen Zahlen, so dass das Mondalter mit Hilfe dieser Epakten von der Korrektur
des Sonnenjahres unabhängig werden kann. Beides war ja zu korrigieren, denn der
Ostervollmond trat zu früh, der Frühlingsbeginn aber zu spät im alten Kalender ein.
Bild€ 25 zeigt links den Vorschlag zur Korrektur des Sonnenjahres, den die
Reformkommission zu recht als zu kompliziert ablehnte. Wie man sieht, wollte Li-
lius statt der 10 ausgefallenen Tage im Oktober 1582 lieber so ähnlich wie 1500
5.5 Epakten des Lilius 97

Jahre vorher Kaiser Augustus auf julianische Schalttage verzichten, hier 10, näm-
lich in den Jahren 1584 bis 1620. Daher fehlt der Buchstabe B (bissextilis) bei
diesen Jahren, die zu Normaljahren erklärt werden sollten. Das hätte den Nachteil
bedeutet, dass alle 4 Jahre eine Mondkorrektur vorzunehmen gewesen wäre, wie sie
im gregorianischen Kalender nur alle 300 Jahre, also erst wieder 2100, vorkommt.
Der ausfallende Schalttag erfordert ja eine Verschiebung der Epaktenwerte, so dass
jedes Mal eine neue nächste Zeile auszuwählen ist.
Es ist aus heutiger Sicht klar, dass dadurch die Kalenderreform völlig gescheitert
wäre, hat sie doch in ihrer einfacheren Form der entfallenen Tage mehrere Jahrhun-
derte benötigt, ehe sie allgemein akzeptiert war. Rechts in Bild€25 ist die wirklich
durchgeführte Art der Epaktenverschiebung angegeben, sie wird weiter unten er-
läutert. Dadurch gab es seit 1582 nur entweder den alten oder den neuen Stil, der es
Historikern leicht macht, alte Daten korrekt zuzuordnen.
Bevor auf die Kalenderverbesserung eingegangen wird, sei eine Besonderheit
aller bisher diskutierten Epakten herausgestellt: da es nur 19 Mondjahre im Zyklus
gibt, aber das Mondalter von 0 bis 29€d betragen kann, treten nur 19 von 30 mögli-
chen Werten auf. Z.€B. fehlen bei den dionysischen Epakten ab 0 der Wert 2, eben-
so 5 und neun weitere Werte (s.€Zeile 2 in Tabelle€22). Das gilt entsprechend auch
für die anderen Zeilen der Tabelle€22. Entsprechend gibt es nur 19 verschiedene
Ostergrenzen zwischen dem 21.3. und 18.4., der 23. oder 26.3. und 9 weitere Tage
fehlen im Intervall. Dafür gilt alles ewig, also auch heute noch: z.€B. hat 2003 die
GZ 9, den (julianischen) Sonntagsbuchstaben F, folglich gilt die dionysische Epakte
28 mit Ostergrenze 7.4. (Tagesbuchstabe F), also ist der 14.4. als nächster Sonntag
julianisch oder der 27.4. gregorianisch Ostersonntag im alten Stil. Gregorianisch
aber sind alle Werte der Epakten notwendig, denn Sonnen- und Mondangleichung
müssen ja unabhängig von einander so berücksichtigt werden können, wie es deren
Regeln erfordern. Die lilianischen Epakten bewirken folglich die notwendige Syn-
chronisation des Mondumlaufs mit dem gregorianischen Sonnenjahr.
Weiterhin noch ein Wort zu Neumond bzw. Neulicht. Geht man vom 22.3. als
Epaktensitz aus, wird 14€d später Vollmond, also am 5.4. Um mit den alten Daten
in Einklang zu bleiben, wird der Neumond am 23.1. gern mit dem Mondalter 1 an-
gesetzt, also Neulicht, so dass 13€d später Vollmond eintritt.
Aus heutiger Sicht unmathematisch ist die Zuordnung des * oder der Null für
dieses Neulicht, denn nun ist das Mondalter stets um eine Einheit größer als der
Wert der Epakte, was den erwähnten Begriffsmissbrauch durch Lilius unterstreicht.
Richtig ist offensichtlich der Zusammenhang nach Tabelle€23.
Nur so entsteht eine eindeutige, für den alten wie neuen Kalender brauchba-
re Zuordnung. Die alexandrinische Null machte offensichtlich Lilius begriffliche
Schwierigkeiten.

Tabelle 23↜渀 Neumond, Neulicht und Ostergrenze


98 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

5.6 Goldene Zahlen und immerwährender Kalender

Der alte immerwährende Kalender enthält die Goldenen Zahlen, wobei der 23.1.
oder 23.3. gleich * oder GZ 1 gesetzt wird. Nach der Überlieferung war im 4. Jh. an
diesem Tag Neumond in jedem Jahr mit der Goldenen Zahl 1, also auch im 6. und 8.
Jh. Eigentlich ist aber Neulicht, also Mondalter 1 gemeint, wie gerade erläutert wur-
de. Das Neulicht weicht pro Jahr um 11 Tage zurück, deshalb gehören entsprechend
die Goldene Zahl 2 zum 12.1. bzw. die Goldene Zahl 3 zum 1.1. mit den Epakten
11 bzw. 22. Folglich ist bei der Goldenen Zahl 3 das Mondalter am 1. Januar gleich
1, also auch am 31. Januar und 1. März, so dass es am 22. März gleich 22 ist. Dies
sagt die Epakte des Mittelalters, sie gibt das Mondalter am 22.3. für jedes Jahr des
Zyklus an, wie schon erläutert wurde.
Tabelle€ 24 enthält genau diese und die weiterhin erläuterten Einträge zu den
Kalenderdaten (s.€ hierzu Tabelle€ 22). Geht man von der Goldenen Zahl aus, ist

Tabelle 24↜渀 Immerwährender julianischer Kalender

Tag mit Tagesbuchstabe, Goldene Zahl für Mondalter 1, Epakten nach Beda, Mondalter am 1.1.
für Januar, (für Feb. und April erkennt man hier die hohlen Monate mit vermindertem Alter, d.€h.
ohne Alter 29, Neulicht des ersten Frühlingsvollmonds fett, Ostergrenzen mit fortlaufendem
Tagesbuchstaben)
5.6 Goldene Zahlen und immerwährender Kalender 99

für 1 am 23. Januar Neulicht, also auch am 24.12. des Vorjahres. Folglich hat der
1. Januar das Mondalter 9, wie Beda in der erwähnten alten Handschrift angibt
(s.€Spalte 4 der Tabelle€24). Man beachte, dass wie erwähnt alle im Januar auftre-
tenden Neumonde einen vollen Monat beenden, also beginnen sie 30€d vorher. Bei
der Goldenen Zahl 2 ist am 12. Januar Neulicht, das heißt genauso am 13.12., also
ist das Mondalter am 1. Januar 20 (s.€Tabelle€24). Weiterhin folgt für die GZ 3 Neu-
licht am 1.1., man kann hier direkt 1 für das Mondalter nach Beda einsetzen. Die
GZ 4 hat am 22.3. die Epakte 3 (s.€Tabelle€22). Also war 2€d vorher, am 20.3. (und
damit am 20.1.) das Mondalter 1. Daher ist an diesen Daten die GZ 4 mit Epakte
3 einzutragen. Der 1.1. hat dann das Mondalter 12 nach Beda, da der 21.12. auch
Mondalter 1 erhält. Dies lässt sich für alle weiteren Goldenen Zahlen in Tabelle€24
fortsetzen. Dadurch entsteht der immerwährende Kalender, der für jedes Jahr des
julianischen Kalenders die Neumondtage über die jeweilige Goldene Zahl angibt,
die sich streng zyklisch nach Tabelle€24 wiederholen. Diese Aufstellung der Tabelle
erfordert, dass im Januar ein 30-d-Monat zu Ende geht, war aber vermutlich eine
gute Übung zur mittelalterlichen Computus-Vorlesung.
Man sieht, dass für die Epakten des Beda lückenhaft fallende Zahlen dem
Datum ab 1.1. zugeordnet werden, das heißt 22, Lücke, 20, Lücke, 18, 17 usw.
bis 3, Lücke, 1, 0, dann wieder Lücke, 28, Lücke, 26 usw. bis 23 am 30. Januar.
Alles wiederholt sich ab 31. Januar, wobei die Goldene Zahl 11 und die Goldenen
Zahlen 19, 8 (d.€h. die letzten Ostergrenzen 17. und 18.4.) wegen des hohlen Mo-
nats zusammenrücken, d.€h. jeder 2. Mondumlauf erfolgt in 29€d. Es fehlen ganz
offensichtlich die Epakten und Mondalter der Lücken in der Tabelle. Dadurch folgt
die Epakte 18 auf 20 im Februar ohne Lücke, während die Mondalter im März
wieder Platz für die Lücke lassen (siehe€2. bis 3. Februar und 3. bis 5. März oder
Januar). Offenbar ist dies im April anders: hier rücken 15 und 14 an 18 und 17,
also fehlt Epakte 16 (s.€5. und 6.4.), wiederum ein Einfluss des hohlen Monats. Auf
diese Weise ergibt sich eine Zuordnung zu allen Goldenen Zahlen, also 19 Werten
mit 11 bzw. 10 Lücken.
Es soll hier nicht im Detail begründet werden, nach welchen Tagen genau die
Lückentage weggelassen werden. Wichtig ist hier nur, dass das alle zwei Monate
passiert und dass dabei auch auf Schaltmonate geachtet wird, die ja 7mal im Zy-
klus einzuschieben sind. Daher ist Tabelle€24 ein vereinfachtes Rechenhilfsmittel.
Im Mittelalter benutzte man stattdessen die insgesamt 59 „Lunarbuchstaben“ als
eigentliche Basis der ganztägigen Mondumläufe. Deren Erläuterung führt hier zu
weit. Auch die Besonderheit des zusätzlichen Schalttags im Februar des Sonnen-
jahres wird hier nicht vertieft. Dessen Mondalter wird einfach durch einen vollen
Mondmonat (statt eines hohlen im Normaljahr) berücksichtigt, wie schon erläutert
wurde. Das erfordert im Februar einen hohlen Monat.
Wozu dient nun Tabelle€24? Ganz offensichtlich zur Vereinfachung der Bestim-
mung der Mondphasen: statt der abstrakten Epakten sieht man einfach nach der
Goldenen Zahl im Kalender und hat damit sofort alle Neulichtdaten des betref-
fenden Jahres. Damit hat man 13€d später auch die Vollmonddaten und damit die
Ostergrenzen, wenn man nach dem Frühlingsneulicht sucht, das zwischen den 8.3.
und 5.4. einschließlich fallen muss. Damit entstehen die extremen Ostergrenzen
21.3. und 18.4. wie in Tabelle€22. Alle Ostergrenzen können über die GZ auch aus
100 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Tabelle€24 abgelesen werden. Z.€B. fällt das Osterneulicht für die GZ 14 auf den
30.3., also ist der 12.4. Ostervollmond, Ostern am darauf folgenden Sonntag.
Soweit ist alles einleuchtend, nur leider sehr umständlich, so dass das Lehrfach
Computus für die Studenten der Theologie vermutlich nicht besonders beliebt war.
Man beachte, dass bei den GZ 3 und 11 vor den vollen Januarmonat ein Schaltmo-
nat eingeschoben wurde, so dass am 1. bzw. 3.1. ein voller Monat beginnt (s.€Bild
20 in Kapitel€ 4). Warum aber wird das Neulicht mit Mondalter 1 bemüht, aber
Stern genannt, anstelle der klaren Null am 22.3. und 22.1. bei Beda, der dafür XXX
schreibt und natürlich „luna XIV“ für die Ostergrenze verwendet? Ist die Zählweise
der Grund, also der Einschluss des Anfangstags? Für uns wäre eine Zählung ab
Null viel leichter einzusehen. Offenbar nicht so für Lilius, der seine Epaktentafel
mit Null oder * beginnen lassen wollte und deshalb einfach ein Kunstmondalter 0
für den 1.1. bei GZ 3 forderte, das es ja im alten Kalender für keine GZ gab, wie
Tabelle€22 bzw. 24 ausweist.
Er brauchte aber für seinen Reformvorschlag eine Tabelle für alle Mondalter.
Folglich erniedrigte er alle Mondalter um eine Einheit und erhielt so die gewünsch-
te 5. Spalte der Tabelle€25. Dadurch wird der gewünschte Nullpunkt bei GZ 3 er-
reicht, die GZ 1 am 23. Jan. hat nun die Lilius-Epakte 8 für den 1.1. Daraus folgt
auch die letzte Zeile der Tabelle€22, wenn man alle GZ nachprüft. In Wirklichkeit
wird hierdurch das Mondalter des 31.12., also der Wert vor Jahresbeginn, ange-
geben. Doch hat die Kalenderreform die Zuordnung verdeckt, wie wir gleich se-
hen werden. Zunächst sind hier nur Rechenmöglichkeiten für die Zuordnung von
Mondalter zu Kalenderdatum angegeben.
Vorher soll noch die Spalte 6 in Tabelle€25 diskutiert werden, die für die Epakten
nach Lilius die Lücken füllt und eine fortlaufende Zahlenreihe erzeugt, die für die
weiteren Monate zusammengefasst eingetragen ist (Spalte 10, 13, 16). Dafür sind
die Epakten und Mondalter nach Beda in den weiteren Monaten weggelassen, um
Verwechslungen zu vermeiden. Es ist klar, warum Lilius diese lückenlose Spalte
brauchte: die Kalenderreform ließ ja zukünftig einzelne Tage des Sonnenjahres
ausfallen, so dass sich das Mondalter zwangsläufig ebenfalls um einen Tag ver-
schiebt. Das darf aber nur in nachvollziehbarer Weise geschehen, denn die Natur
ändert sich ja nicht, nur die Tagesbezeichnung. Die Spalten 5 und 6 zusammen
erlauben genau das.
Wichtig ist ein kleiner Unterschied zwischen den Tabellen€24 und 25, den die
Lücken ebenfalls verdecken: Tabelle€24 wechselt die Zählung zwischen vollen und
hohlen Monaten, indem die Folgen 1, 0, 29, 28 und 1, 0, 28, 27 im Mondalter einan-
der abwechseln, denn jeder zweite Monat hat ja nur 29€d. Tabelle€25 dagegen zählt
immer 1, 0, 29, 28, also ist in den hohlen Monaten ein Mondalter zu viel vorhanden.
Das wird am 5.2., 5.4., usw. dadurch kompensiert, dass die Epakte 24 neben 25 tritt
(sog. Doppelepakten), ehe 23 folgt. Man beachte, dass der späteste Ostervollmond
hiervon betroffen ist. Dies erzwingt, dass auch alle gregorianischen Ostersonntage
auf das alte Intervall vom 22.3. bis 25.4. fallen, wie die Reformkommission ver-
langte, und hat Ausnahmen bei der zyklischen Berechnung zur Folge. In [Ginz 14]
erscheint diese Tabelle als Tafel IV ebenfalls, wobei das Anliegen von Lilius er-
5.6 Goldene Zahlen und immerwährender Kalender 101

Tabelle 25↜渀 Neulichtdaten, Goldene Zahlen und Mondalter nach Tabelle 24 ergänzt, Tagesbuch-
staben der Ostergrenzen fortlaufend

läutert wird, im gregorianischen Kalender die neuen Epakten und nicht mehr die
Goldenen Zahlen zu verwenden.
Bild€26 zeigt die vollständige Epaktentafel in der endgültigen Version der Re-
formkommission. Man erkennt darin Bild€24 wieder, aber die Doppelepakten sind
durch die arabischen Ziffern 25 deutlich erkennbar, außerdem wurde einheitlich das
Symbol * für Null verwendet (25 bedeutet 25, 24 wie in Tabelle€25, alle römischen
Zahlen sind sonst in Tabelle€25 arabisch angegeben). Mit dieser Tafel lassen sich
alle zyklischen Monde des gregorianischen Kalenders bestimmen, wie weiterhin
erläutert wird. Wie man erkennt, hat die Epakte nach Lilius den Wert 8 für die Gol-
dene Zahl 1, 19 für 2, * oder 0 für 3, so dass sich die Formel Eâ•›=â•›11â•›·â•›(GZ – 3) mod 30
angeben lässt. Allerdings ist das nur die erste Zeile in Bild€24 und 26. Man beachte
den Mondsprung zwischen GZ 19 und 1, der die beiden letzten Spaltenwerte um 1
erhöht. Wegen des erwünschten Beginns mit 0 erscheint GZ 3 als erste Spalte, so
dass Spalten 1 und 2 nun auf 19 folgen.
102
5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Bild 26↜渀 Endgültige Epaktentafel ([Clav 03], S.€132 und 133)


5.7 Die gregorianische Kalenderkorrektur 103

5.7 Die gregorianische Kalenderkorrektur

Die Epakten des Lilius erlauben eine einfache Verschiebung zwischen Datum des
Sonnenjahres und dem Mondalter am 1.1., die alle Regeln des gregorianischen Ka-
lenders erfüllt und damit genau so leicht die Ostervollmonde zu bestimmen erlaubt,
wie das im julianischen Kalender der Fall war. Das wird aus den beiden Korrektu-
ren im 16. Jh. deutlich, dem Ausfall von 10€d im Datum (s. hierzu Bild 17) und der
Mondkorrektur. Die Basis dazu ist ein genauerer Wert für die Dauer des Sonnen-
jahres. Lilius kannte die damals wissenschaftlich bestimmten Werte von Alfons X.
(1221–84) und Kopernikus bzw. Reinhold (1511–53), die auf zwei Sexagesimal-
stellen identisch sind: 365; 14, 33, erst die nächsten beiden Stellen differieren zwi-
schen 9, 24 und 11, 12. Da das nur rund 1/6 der zweiten Stelle ausmacht, ließ er die-
sen Rest einfach weg und betrachtete die Länge des gregorianischen Sonnenjahres
als 365; 14, 33 d = 365 97/400 d = 365 d 5 h 49 m 12 s, wie man leicht nachrechnen
kann [Rich 98]. Damit war die Korrektur vorgegeben: in 400 Jahren müssen 3 der
julianischen Schalttage wegfallen, was am besten durch die bekannte Jahrhundert-
regel (s.€Kapitel€1.1) geschieht. Wie schon erwähnt, ist dieser Wert noch immer um
26€s zu groß, allerdings ist das derzeit unerheblich.
Die Kalenderkommission hatte durch eine Auswertung von Messungen festge-
stellt, dass der Frühlingspunkt bereits am 11.3. erreicht wird, also war das durch die
ausfallenden Kalendertage zu korrigieren. Der Mond war dagegen 3€d dem alten
Kalender voraus, sogar fast 4€d, aber man wollte auf der sicheren Seite bleiben und
kompensierte nur 3€d. Das geschieht mittels der Epakten nach Tabelle€22: die Gol-
dene Zahl 1 hat die Lilius-Epakte 8, wird also um 3 erhöht. Andererseits fallen 10€d
weg, also ist die gregorianische Epakte der Jahre nach der Kalenderreform 1. Das
entspricht der Zeile D in Bild€26, die in Tabelle€26 als weitere Zeile zu denen der
Tabelle€22 eingetragen ist. (Der aufmerksame Leser wird hier eine Diskrepanz zu
Bild€25 feststellen, d.€h. reformiert wurde etwas anders als ursprünglich von Lilius
geplant, eben nach der sicheren Seite. Lilius wollte das Mondalter um 4€d korrigie-
ren, indem nach 1620 Zeile E erreicht worden wäre.)

Tabelle€26↜渀 Goldene Zahl, Epakten und Ostergrenzen. Die Buchstaben entsprechen den Zeilen in
Bild€26, zugehörige Ostergrenzen anschließend
104 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Tabelle€27↜渀 Kennzahlen zur Berechnung der Ostersonntage

Die Systematik der Tabelle€ 26 ist leicht zu erkennen. Zeile D war von 1582
bis 1700 gültig, wie gerade erläutert. In diesem Jahr fiel ein Schalttag aus, folg-
lich erniedrigte sich das Mondalter, so dass ab 1.3. nun Zeile C wirksam wurde.
Alle Epakten waren damit um 1 kleiner. 1800 gab es keine Epaktenänderung, ob-
wohl sich der Abstand zum julianischen Kalender auf 12 Tage erhöhte, denn die
erste Mondangleichung nach 300 Jahren kompensierte den ausfallenden Schalttag.
Deshalb galt Zeile C von 1700 bis 1900, als erneut ein ausfallender Schalttag die
Epakten um 1 erniedrigte, so dass seither Zeile B gültig ist. Da 2000 ein Schaltjahr
war, blieb die Epakte unverändert, was auch 2100 geschehen wird, da sich dann wie
1800 Sonnen- und Mondangleichung kompensieren werden. Allerdings wird die
Differenz zum julianischen Kalender auf genau zwei Wochen ansteigen. Der Vorteil
der gregorianischen Epakten ist die immerwährende Zuordnung der Ostergrenzen
zum Datum, wenn man auf Bild€26 oder Tabelle€26 zurückgreift.
Man findet durch Ablesen der Neulichtepakten und Erhöhen um 13€d die fol-
genden Daten: um 1600 (Zeile D) GZ╛=╛Epakte╛=╛1 am 30.3. nach Tabelle€25, also
ist 13€d später am 12.4. Vollmond. Heute gelten die Kennzahlen zur Berechnung
des Ostersonntags nach Zeile B in Tabelle€26, die in Tabelle€27 erläutert werden.
Dabei hilfreich sind Bild€ 20 in Kapitel€ 4 für Jahr und Goldene Zahl, Tabelle€ 26
oben für Epakte und Ostergrenze, Tabelle€ 25 für deren Tagesbuchstaben, Tabel-
le€42 im Anhang für den Sonntagsbuchstaben [Grot 91]. Damit ist der Ostersonntag
bestimmt. Ergänzt wird das zum Teil auch für den alten Kalender, für den nach
Tabelle€1 (Kapitel€2.2) die GZ ausreicht, um mit Tabelle€24 das Neulichtdatum des
Frühlingsvollmonds zu bestimmen. 13€d später liegt die Ostergrenze, die um 13€d
korrigiert werden muss, um das entsprechende gregorianische Datum zu erhalten,
das in den beiden letzten Spalten genannt wird. Wie man sieht, fielen die Osterfeste
2007 und 2010 auf den gleichen Tag (s.€hierzu auch Kapitel€6).
Man kann auch direkt alle Ostergrenzen statt der Epakten in die Tabellen ein-
tragen, eines von beiden ist zur Bestimmung des Osterfestes auch gregorianisch
ausreichend. Nicht dafür geeignet sind dagegen die Goldenen Zahlen, denn deren
feste julianische Zuordnung zur Ostergrenze ist im gregorianischen Kalender auf-
gehoben, da zu den Jahrhundertwechseln sich die Zuordnungen ändern können.
Tabelle€26 enthält für die aktuellen Epakten die zugehörigen Ostergrenzen. Man
beachte dabei, dass die Epakten 24 und 25 wegen der Ausnahmeregel zu verschie-
denen Ostergrenzen führen, obwohl in Tabelle€25 beide beim 5.4. stehen. Sie be-
sagt, dass bei Auftreten beider im gleichen Zyklus (wie der gegenwärtigen Zeile B
zu GZ 6 und 17) 25 neben 26 tritt, hier also auf den 4.4. verschoben wird. Da 26
nicht auftritt, wird so erreicht, dass sich die Neumondtage innerhalb eines Zyklus
nicht wiederholen. Das war im julianischen Kalender ebenfalls nicht möglich, wie
Tabelle€24 zeigt, in der die Epakte 24 nicht auftreten kann.
Es ist interessant, dass diese Aussagen dazu führen, dass man Bild€20 aus Kapi-
tel€4 in gleicher Weise anpassen kann, so dass der gregorianische Mondkalender von
5.8 Mathematisch-astronomische Betrachtungen 105

Bild 21 entsteht. Er ist wie Bild 21 zu lesen, gilt aber nur für den Zeitraum der heu-
tigen Epakten, also bis 2100. Er verwendet lediglich die Neumonddaten (luna nulla),
wie wir das heute gewohnt sind. Die Februarmarkierungen heben den gegenwärtigen
Zyklus von 1995 bis 2013 hervor. Alle Datenangaben sind nun leicht verständlich:
alle Daten von Bild€25 sind um 13€d Datumskorrektur – 4€d Mondanpassung – 1€d
Neumondâ•›=â•›8€d zu verschieben. Die Ostergrenze liegt nun 14€d später als der zugehö-
rige Neumond, z.€B. für 2009 wie GZ 15 mit Osterneumond 27.3., also Ostergrenze
10.4. wie Tabelle€26. Ostersonntag war der 12.4. wegen des Sonntagsbuchstabens D.
Insgesamt erfolgte durch die Reform lediglich eine Datumskorrektur. Alle Be-
rechnungsmöglichkeiten für die Festtage blieben die gleichen wie im julianischen
Kalender, der ja am Sonnenjahr orientiert ist. Andere Reformvorschläge wie der des
Nikolaus von Cues für das Konzil von Basel 1435 wollten das Mondjahr wie bei
Juden und Arabern als Basis der Ausrichtung verwenden. Jedoch konnten sie sich
nicht durchsetzen [Steg 55].
Sobald der Leser die Ausführungen dieses Abschnitts verstanden hat, ist ihm
der Mechanismus des zyklischen gregorianischen Kalenders genauso klar und ein-
leuchtend wie dem jungen Gauß, der 1800 damit den Algorithmus im Kapitel€1.3
entwarf. Oder wie Jean Baptiste Schwilgué, der drei Jahrzehnte nach ihm die as-
tronomische Uhr des Straßburger Münsters konstruierte, die seitdem zuverlässig
alle Kalenderangaben anzeigt, sogar noch um Mondphasen und Planetenstellungen
ergänzt (s.€Bild 29 in Kapitel€6).
Frage 9:╇ William Shakespeare starb am 23.4.1616 in Stratford-on-Aven, Miguel
de Cervantes am 23.4.1616 in Madrid. Starben beide Dichter am gleichen Tag?
Wann muss man die 400jährigen Gedenktage begehen?

5.8 Mathematisch-astronomische Betrachtungen

Die bisherigen Ausführungen sollen den Leser überzeugen, dass der Kalender nach
wie vor ein zyklisches Modell des wirklichen Zeitablaufs ist, das in seiner heute
gültigen gregorianischen Variante äußerst genau ist und im Mittel eine genaue An-
gabe von Sonne und Mond erlaubt, die nur wegen der unvermeidlichen Schwankun-
gen bei der Tagesabbildung gelegentlich um 1, in Extremfällen um 2 Tage abweicht.
Diese Abweichungen gleichen sich anschließend stets aus und führen nur zu Feh-
lern, wenn die bisher nicht kompensierten Einflussgrößen (26€s zu langes grego-
rianisches Jahr, Mondrest nach 2500 Jahren, der nach ca. 30 000 Jahren zu einem
Tag Fehler führt) zur Auswirkung kommen können. Das erfordert aber eher Jahr-
tausende als Jahrhunderte, deshalb ist es auch in Anbetracht möglicher kosmischer
Veränderungen heute ohne großes Interesse.
Anders sieht es mit der Frage aus, wie sich astronomische Mondberechnungen
mit unserem 400 Jahre alten Kalender decken.
Werden dessen Angaben bei heutiger Genauigkeit bestätigt?
Was folgt über die Vergangenheit?
Lassen sich Zukunftsaussagen machen?
Erlauben astronomische Programme für die Mondphasen Aussagen zu Kalender-
angaben?
106 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

In [MoPf 00] findet man ein Programm für die Mondphasen, aber auch ein Rückgriff
auf das Programmsystem Calendrica [ReDe 01] erlaubt hierzu interessante Aussagen.
Zunächst zur Neumondfrage: wann war im 4. Jh. Neumond, wann im 6. und 8.
Jh., als unser Kalender dokumentiert wurde? Man darf die Texte von Dionysius
und Beda übrigens als verlässlich und exakt datierbar ansehen, denn sie wurden
bereits im 19. Jh. historisch aufbereitet und dokumentiert, sind also im Corpus der
erhaltenen Literatur erfasst [PCCL 62, Krus 37]. Der Kalenderstein von Ravenna ist
ein frühchristliches Artefakt, das inhaltlich damit genau übereinstimmt. Beachten
muss man die diskutierte Differenz zwischen Neumond und Neulicht, denn astro-
nomische Programme bestimmen ersteres. Wählt man bestimmte 19-Jahre-Zyklen
aus, z.€B. den von 323 bis 341, kann man feststellen, dass für die Goldene Zahl 1
tatsächlich am 23. Januar Neumond war. Trotzdem stimmen im Zyklus nur sieben
Daten überein, 10 sind später, 2 sogar zwei Tage zu spät, das heißt die zyklischen
Daten sind später als die astronomischen. Würde man Neulicht als Neumondâ•›+â•›1
Tag ansehen, stimmen 10 Daten überein, zwei sind noch immer zu spät, aber nur
um einen Tag, während jetzt sieben Daten zu früh sind. Die Zuordnung ab 323 bis
341 geht also von Neulicht aus und trifft im Mittel gut die astronomischen Daten.
Der Zyklus 532 bis 550 sieht deutlich anders aus: 14 Daten stimmen überein, 4
sind zu spät, eines ist zu früh, wenn man vom Neulicht ausgeht. Da hier nur noch
die Goldene Zahl 14 ein zu frühes Datum liefert, erkennt man die Tendenz: ganz

Differenz astron-zykl
28:48:00

24:00:00

19:12:00
Differenz in h

14:24:00

9:36:00

4:48:00

0:00:00
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19
Goldene Zahl

ab 1938 ab 1957 ab 1976 ab 1995

Bild 27↜渀 Differenz zwischen astronomischen und zyklischen Vollmonddaten fűr verschiedene
19-Jahre-Zyklen der Gegenwart
5.8 Mathematisch-astronomische Betrachtungen 107

langsam bleibt der Kalender hinter der Wirklichkeit zurück, die anfangs zu späten
Daten werden immer früher. Dies wird ohne Mondkorrektur immer ausgeprägter,
so dass die letzten Jahre vor der Reform sehr aufschlussreich sind: im Zeitraum von
1576 bis 82 waren die Neumonde für die Goldenen Zahlen 19 und 4 um vier Tage
zu früh, in den anderen fünf Jahren um drei Tage, so dass die Mondkorrektur um
drei Tage genau richtig war.
Was passiert heute? Bild€27 zeigt die Differenzen astronomisch-zyklisch für ins-
gesamt 76 Jahre, also vier Zyklen zu 19 Jahren. Dargestellt ist die Differenz zwi-
schen den Vollmonddaten nach Montenbruck und dem zyklischen Wert der Oster-
grenze nach Clavius. Man liest aus dem Bild ab, dass die Abweichungen selbst zwei
Zyklen bilden, die Abweichungen von etwa 5 bis 25€h angeben. Auch in Tabelle€22
erkennt man zwei Zyklen, nämlich 8 Jahre für die GZ 1 bis 8 sowie 11 Jahre, deren
letzter Teil für die GZ 12 bis 19 die Ostergrenzen des ersten Zyklus einen Tag vorher
wiederholt. Der Mittelwert der Abweichungen liegt bei 15€h, das heißt der zyklische
Vollmond (luna XIV) hinkt der Astronomie um 15€h hinterher. Man kann auch sa-
gen, er ist als Mondalter 15 um 9€h früher oder als Mondalter 14,75 Tage (der Hälfte
von 29,5 Tagen) um 3€h früher. Das ist erstaunlich genau nach 400 Jahren, denn
einzelne Vollmonde weichen ja bis zu 7€h von diesem Mittelwert ab, ein Einfluss der
kosmischen Störungen durch Sonne und andere Planeten, die dafür sorgen, dass der
Mondumlauf viel unregelmäßiger ist als z.€B. der der meisten Planeten. Das wurde
in Kapitel€3.1 im Rahmen der Mondkalender für die letzten Jahre bereits erläutert.

Differenz Zukunft
28:48:00

24:00:00

19:12:00
Differenz in h

14:24:00

9:36:00

4:48:00

0:00:00
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19
Goldene Zahl

ab 1995 ab 3059 ab 4978

Bild 28↜渀 Differenzen wie Bild€27 für zwei zukünftige 19-Jahre-Zyklen


108 5 Mit neuen Epakten zur Kalenderreform

Interessant ist auch ein Blick in die Zukunft. Dafür sollen nicht Vollmondpro-
gramme entwickelt werden, die auf dem Kalender beruhen, sondern Clavius selbst
soll die Vergleichsbasis liefern. Er hat in seinem zitierten Werk für alle Jahre bis
5000 genaue Ostergrenzen und Osterdaten angegeben. Da es sehr aufwändig ist, die-
se Daten rechnerorientiert zu erfassen, beschränkt sich Bild€28 auf zwei ausgewählte
19-Jahre-Zyklen und den Zyklus der Gegenwart. Man erkennt die gleiche Tendenz
wie in Bild€27, doch nehmen die extremen Werte deutlich ab: im 31. Jh. liegen sie
zwischen 4,5 und 23,5€h, im 50. Jh. schon zwischen 3 und 23€h, also im Mittel bei
13€h nach den astronomischen Daten. Ganz langsam nähert sich der nachlaufende
zyklische Mond der Wirklichkeit an. Die Kalenderkommission hatte Recht, nur drei
Tage zu korrigieren, bei vier Tagen treten im Mittel zu frühe Daten auf.
Übrigens gehen diese Abweichungen auf die nicht ganz perfekte Mondkorrektur
zurück und haben nichts mit der im 4. Jahrtausend notwendigen Sonnenkorrektur zu
tun, denn die eigentlichen Kalenderdaten spielen für die Betrachtung der Differen-
zen keine Rolle. Und der Sonnenkalender ist dann ja nur um ein Tag zu korrigieren,
eine Kleinigkeit angesichts dieses Blicks in die nahe Ewigkeit!

Literatur

[Bach 07] Bach, J., Die Osterfestberechnung in alter und neuer Zeit, Wiss. Beilage Jber. d. bisch.
Gymn. zu Straßburg 1907
[Caze 88] Cazelle, R., Rathofer, J., Das Stundenbuch des Duc de Berry – Les très riches heures,
Faksimile-Verlag Luzern, VMA Wiesbaden, Hirmer 1988
[Clav 03] Clavius, Chr., Romani calendarii a Gregorio XIII. P. M. restitvti explicatio, Romae:
Apud Aloysium Zannettum 1603
[Ginz 14] Ginzel, F.K., Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie III, Leipzig
1914
[Grot 84] Grotefend, H., Zeitrechnung I, Scientia, Aalen 1984
[Grot 91] Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neu-
zeit, 13. Aufl., Hannover, Hahn 1991
[Krus 37] Krusch, B., Studien zur christlich-mittelalterlichen Chronologie, Berlin: Verl. d. Akad.
d. Wiss., 1938 Abhandlungen der Preussischen Akademie der Wissenschaften Philosophisch-
Historische Klasse; 1937, 8
[Maie 97] Maier, H., Die christliche Zeitrechnung, 3. Aufl., Freiburg i. Brg., Herder 1997
[MoPf 00] Montenbruck, O., Pfleger, Th., Astronomy on the personal computer, 4., compl. rev. ed.
Berlin; Heidelberg: Springer 2000
[Neug 83] Neugebauer, O., Astronomy and history – selected essays, Springer, Heidelberg 1983
[PCCL 62] Patrologiae cursus completus, series latina, Band XC, Sp. 787–800, Paris 1862
[ReDe 01] Reingold, E.M., Dershowitz, N., Calendrical calculations – Millennium edition, Cam-
bridge Univ. Press 2001
[Rich 98] Richards, E.G., Mapping time – the calendar and its history, Oxford Univ. Press, Oxford
1998
[Rühl 97] Rühl, F., Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit, Reuther & Reichard, Berlin 1897
[Steg 55] Stegemann, V., Die Kalenderverbesserung des Nikolaus von Cues, Kerle, Heidelberg
1955
[Zema 87] Zemanek, H., Kalender und Chronologie, 4. Aufl., München, Oldenbourg 1987
[Zigg 83] Ziggelaar, A., The papal bull of 1582 promulgating a reform of the calendar, p. 201 …
239 in: Coyne, George V. (ed.), Gregorian reform of the calendar, Città del Vaticano, Pontif.
Acad. Scient. 1983
Kapitel 6
Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums
in Ost- und Westeuropa

Bild 29↜渀 Kirchenkomput der astronomischen Uhr zu Straßburg [BaRi 94]

1838–1842 wurde diese Uhr als Nachfolger einer älteren von J.B. Schwilgué ent-
worfen und konstruiert und in das alte Gehäuse eingebaut (Bild 29). Täglich finden
dazu in der Kathedrale Vorführungen statt, die aber nicht auf alle Einzelheiten ein-
gehen können. Dargestellt ist hier der links unten befindliche mechanische Oster-
rechner, der völlig automatisch jährlich die Besonderheiten des gregorianischen
Kalenders berücksichtigt und zur Anzeige bringt. Die 5 Zifferblätter zeigen oben

W. Görke, Datum und Kalender, 109


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
110 6 Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa

Sonnenzyklus und Goldene Zahl, in der Mitte die Indiktion, unten Sonntagsbuch-
staben und Epakten an. Die Jahreszahl erscheint darüber als Ziffernanzeige. Bild 29
entstand 1986, das folglich SZ 7, GZ 11, Indiktion 9, SB E und Epakte XIX anzeigt.
Danach hat der Datumszeiger am Ostersonntag den 30. März angezeigt.
6.1 Osterfest am gleichen Tag 111

6.1 Osterfest am gleichen Tag

Wie sich mancher noch erinnern wird, fand das Osterfest im Jahre 2001 am 15. Ap-
ril sowohl in den westlichen, römisch orientierten als auch in den östlichen, ortho-
doxen christlichen Kirchen am gleichen Tag statt. Ähnliches geschah entsprechend
2004 und 2007 und wird auch 2010 und 2011 eintreten. In der Presse wurde dieses
Ereignis damals als Ausnahme hingestellt, nämlich dass nach über 10jähriger Pause
zum ersten Mal das Osterfest in Ost und West wieder auf das gleiche Datum fällt.
Auch die von einander abweichende Feier im Jahr 2002, nämlich am 31. März in
der westlichen, aber am 5. Mai in der östlichen Kirche, unterstreicht die Besonder-
heit. Bekanntlich erfolgt die Berechnung des Ostersonntags im Westen nach dem
gregorianisch reformierten Kalender, während die östlichen orthodoxen Kirchen an
dieser Reform nicht teilgenommen haben und noch immer den alten julianischen
Kalender zur Berechnung ihres Osterdatums heranziehen. Das gilt für alle orthodo-
xen Kirchen im Gegensatz zum Weihnachtsfest, das in Südosteuropa gregorianisch
begangen wird. Dadurch unterscheiden sich Neu- und Altkalendarianer in der
orthodoxen Welt. Man würde erwarten, dass dadurch die Osterdaten immer aus-
einander fallen müssen, besteht doch zwischen den beiden Kalendern derzeit eine
Differenz von 13 Tagen, die mit Sicherheit zu unterschiedlichen Daten in beiden
Kalendern führen. Allerdings ist für den Alltag, also den zivilen Gebrauch, in allen
östlichen Ländern inzwischen längst ebenfalls der reformierte Lunisolarkalender
eingeführt worden, so dass sich nur die kirchlichen Feste in Ost und West unter-
scheiden.
Worauf beruht dann die Gleichzeitigkeit, wenn doch beide Kalender das
Datum und das Osterfest unterschiedlich berechnen? Offensichtlich gerade auf
dieser Besonderheit der Kalenderbenutzung in den östlichen Ländern: während
die zivile Umwelt den gregorianisch reformierten Kalender benutzt, verwendet
die Kirche nach wie vor den julianischen Kalender. Es mag überraschen, dass
unter diesen Randbedingungen überhaupt Ostern in Ost und West auf den gleich
Tag fallen kann. Das liegt an einer kleinen systematischen Komponente bei der
Reform: man hat sorgfältig darauf geachtet, dass die Zählung der Wochentage
keinen Sprung macht, sondern kontinuierlich fortgesetzt wird. Daraus folgt,
dass die Wochentage die gleichen sind, wenn man für einen bestimmten Tag das
Datum um die gegenwärtig 13 Tage korrigiert, am Wochentag ändert diese Trans-
formation nichts. Das Datum benennt lediglich den gleichen Tag in verschiedener
Weise, Sonntag bleibt Sonntag. (Auch heute zählen die Wochentage beim Ein-
schieben des Schalttags alle 4 Jahre ungestört weiter.) Deswegen ergibt sich die
Möglichkeit der Gleichzeitigkeit für beide Feste dadurch, dass der julianische
Ostertag in Verbindung mit der Datumsumrechnung auf den gregorianischen Os-
tertag fällt, offensichtlich ein Sonderfall, der zwar nicht jedes Jahr, aber verhält-
nismäßig häufig eintritt. Offenbar lohnt es sich, diesen Sonderfall etwas genauer
anzusehen und damit zu versuchen, den Computus, also die Osterrechnung, bes-
ser zu verstehen.
112 6 Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa

6.2 Berechnung des Osterdatums

Dank der Weltoffenheit in Westeuropa in der heutigen Zeit ist es nicht schwer, sich
ein Bild von den unterschiedlichen Möglichkeiten der Osterfestbestimmung in Ost
und West zu machen. Zwar ist die Verschiedenheit ein Problem der östlichen Kir-
che, so dass wir eigentlich überhaupt nicht darauf einzugehen brauchen, es ist aber
trotzdem recht interessant, sich in die Folgerungen für die Kalenderrechnung ein-
zuarbeiten und die Zusammenhänge herauszustellen. Der Kalender bildet schließ-
lich ein ziemlich einfaches Grundmodell der Dynamik unserer Umwelt. Kenntnisse
dazu erschließen nicht zuletzt Aspekte der Kultur bei uns und unseren Nachbarn.
Für unser Problem ist es erforderlich, sich erst einmal ein Bild von der Art der
Osterfestberechnung in den östlichen Kirchen zu machen. Ich verdanke hierzu
Herrn F. Mansour, einem Geistlichen und Beauftragten der syrisch-orthodoxen Kir-
che in Baden-Württemberg, den Zugang zu zwei Aufsätzen [Balb 00, Ghan 01],
die sich in arabischer Sprache mit dem Problem befassen und Tabellen enthalten,
in denen die Osterberechnung nach dem julianischen, dem gregorianischen sowie
einem fiktiven Kalender auf astronomischer Basis vorgenommen wird. Ihnen lässt
sich entnehmen, dass in der Zeit von 2001 bis 2050 insgesamt 16mal, also prak-
tisch in jedem dritten Jahr, beide Osterfeste auf den gleichen Tag fallen werden.
Natürlich sind diese Jahre keineswegs gleichmäßig verteilt, sondern bilden ein sehr
ungleiches Schema. Tabelle€28 zeigt das im Detail [Ghan 01]. ([Balb 00] enthält
fehlerhafte Angaben für 2008, 2011 und 2025.) Im Folgenden soll die Ursache für
diese merkwürdige Übereinstimmung im Zusammenhang mit Kalenderfragen et-
was näher untersucht werden.
Zuerst sei an ein einfacheres Problem erinnert. Die Datumsverschiebung zwi-
schen julianischem und gregorianischem Kalender folgt aus der Jahrhundertregel.
Wie bereits in Kapitel€5 gezeigt wurde, besagt sie: in einem Zyklus von 400 Jahren

Tabelle 28↜渀 Ostersonntag 2001 bis 2050 julianisch, gregorianisch und astronomisch bestimmt.
(blau: gleichzeitige Daten in allen Fällen, rot: Abweichung bei astronomischer Bestimmung)
6.3 Zukünftige Epakten des gregorianischen Kalenders 113

müssen drei Schalttage entfallen, um die Tageszählung an das Sonnenjahr anzuglei-


chen. Dies hat im Jahre 1582 bei der Kalenderreform zum Wegfall von 10 Tagen
geführt, die sich seit der Spätantike angesammelt hatten. Seither sind drei weitere
Jahrhunderte vergangen, deren Jahrhundertzahl nicht durch 4 teilbar ist, nämlich
1700, 1800 und 1900, die zu weiteren drei Tagen Verschiebung geführt haben, so
dass der heutige Wert 13 Tage beträgt. Ein Schaltjahr mit dem Jahrhundert, wie es
1600 und 2000 stattgefunden hat, behält die Tagesdifferenz zwischen dem juliani-
schen und gregorianischen Kalender bei. Daher wird sich die Verschiebung erst im
nächsten Jahrhundert, genau ab 1.3.2100, auf 14 Tage erhöhen, da dann wieder ein
Schalttag ausfällt.
Frage 10:╇ Im Jahr 2100 wird der Schalttag entfallen. Ändern sich dadurch Epakten
und Ostergrenzen?
Frage 11:╇ Eine Dame erklärte, dass sie an einem Fastnachtssonntag geboren sei,
der auf einen 24. Februar fiel. Welche Jahre kommen seit 1960 hierfür in Betracht?

6.3 Zukünftige Epakten des gregorianischen Kalenders

Sehr viel weniger anschaulich und den meisten vielleicht nicht gegenwärtig ist die
Korrektur des Mondumlaufs, die ebenfalls mit der gregorianischen Kalenderreform
durchgeführt wurde (s.€ Kapitel€ 5). Der 19jährige Mondzyklus, der der babyloni-
schen Kalenderordnung entstammt, ist die Grundlage des Mondjahres, das man
völlig unabhängig vom Sonnenjahr ebenso gut als Grundlage zur Zeitrechnung ver-
wenden kann, wie in Kapitel 3 und 4 erläutert wurde. In der christlichen Welt ist das
Mondjahr in den julianischen Sonnenkalender eingefügt worden, um die Bestim-
mung der beweglichen Feste zu ermöglichen. Bekanntlich ist es der Sonntag nach
dem ersten Frühlingsvollmond, der das Osterdatum festlegt. Mithin hängt es allein
vom Mondkalender ab. Dabei ist bemerkenswert, dass das Mondjahr viel genauer
als das julianische Sonnenjahr ist. Leider lässt es sich nicht genau fassen, da ja 12
Monate eine Differenz von mehr als 11 Tagen gegenüber dem Sonnenjahr erzeugen.
Aber die metonische Periode von 19 Jahren stimmt bis auf 1 Stunde und 28,4€min
mit 19 julianischen Sonnenjahren überein. Immerhin führt auch das zu einem Fehler
von einem Tag in rund 308 Jahren. Das ist aber deutlich weniger als der fehlerhafte
Tag in bereits rd. 128 Sonnenjahren.
Tabelle€ 29 zeigt noch einmal die Epakten, ihre Änderung bei der Kalender-
reform (s.€ Kapitel€ 5) und einige spätere Werte. Die Epakten dienen der Bestim-
mung des Mondalters für einen bestimmten Tag des Jahres und damit jeweils für
die Ostergrenze, d.€h. den Tag des ersten Frühlingsvollmonds. Sie waren im alten
Kalender konstant, so dass sie sich in jedem neuen 19-Jahre-Zyklus genau wieder-
holten, und galten für den 22.3., so dass ihr Wert 0 oder * zum Vollmond am 5.4.
führte, d.€h. 14 Tage später. Alle alten Ostergrenzen sind in Zeile 3 der Tabelle€29
angegeben.
114 6 Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa

Tabelle 29↜渀 Epaktenzyklus und Ostergrenzen (magere Daten April, fette Daten März)

Durch die Reform wurde eine neue Berechnung der Epakten erforderlich, wie
in Kapitel€5 gezeigt wurde. Sie geben nun das Mondalter am 1.1. eines Jahres an.
Durch Sonnen- und Mondangleichungen verändern sie sich gelegentlich zu den
Jahrhundertwechseln. Deshalb zeigt Tabelle€29 in Anlehnung an Kapitel€5 die bis
2500 maßgebenden Epakten und (in den anschließenden ungeraden Zeilen) die
Ostergrenzen abhängig von der Goldenen Zahl. Nur letztere sind für das Oster-
datum wirklich wichtig. Alle 300 Jahre, genauer 8mal in 2500 Jahren, wird auch
der Mondzyklus korrigiert, wie die weiteren Zeilen in Tabelle€29 deutlich machen.
Dies wirkt sich umgekehrt wie die Sonnenkorrektur aus, so dass sich Sonnen- und
Mondkorrektur aufheben können, z.€B. im Jahr 1800 oder 2100. Gelegentlich kön-
nen die Epakten sogar zunehmen, wie z.€B. 2400, wenn die Mondangleichung auf
ein Schaltjahr trifft.
Man beachte, dass auf diese Weise die Kalenderreform nur die Fehler eliminiert
hat, die infolge der zu einfachen Zählung des julianischen Kalenders entstanden wa-
ren, und sie für die Zukunft vermeidet. Am Prinzip der Osterbestimmung brauchte
nichts geändert zu werden. Sie erfolgt mit den neuen, nun variablen Epakten noch
immer nach den Regeln von Nikäa, kann also von einer astronomischen Mondbeob-
achtung um 1 oder sogar 2 Tage abweichen, die sich jedoch anschließend von selbst
ausgleichen [Lang 28, Obei 65, Astr 99]. Man kann auch den genauen Frühlings-
bzw. Vollmondzeitpunkt für den Meridian von Jerusalem als Ostergrenze festlegen.
Dort hat ja nach der christlichen Überlieferung die Auferstehung stattgefunden.
Dann weicht der Ostersonntag gelegentlich vom gregorianischen Datum ab, wie die
rot markierten Zeilen von Tabelle€28 zeigen. Das ist im Reformvorschlag von 1923
für die orthodoxen Kirchen enthalten [Mila 24].
Tabelle€30 stellt die Korrektureffekte für Sonne und Mond zusammen und zeigt,
wie sich beide auf die Epakten auswirken, die in den kommenden Jahrhunderten zu
erwarten sind [Zema 87, T.€10, S.€50]. Die ersten Schritte dieser Tafel sind leicht
zu verstehen. Von 1582 bis 1699 bleiben Sonnen- und Mondkorrektur fest und
6.3 Zukünftige Epakten des gregorianischen Kalenders 115

Tabelle 30↜渀 Epaktenkorrektur durch Sonnen- und Mondgleichung

die Epakte ist 1, wobei eine 10-tägige Differenz Dgj zwischen beiden Kalendern
entsteht. 1700 fiel ein Schalttag aus (–1 bei der Sonnenangleichung), so dass sich
die Tagesdifferenz auf 11 erhöht und die Epakte auf 0 erniedrigt (s.€Tabelle€29, 3.
Doppelzeile). Es gab keine Mondkorrektur, aber der entfallene Schalttag verschob
scheinbar die (feste) Ostergrenze um einen Tag für jede Goldene Zahl. Deshalb ist
im gregorianischen Kalender die Ostergrenze der interessantere Parameter für die
Osterbestimmung, auf die Epakte lässt sich eigentlich verzichten. Wichtig ist, dass
sich dadurch auch der Abstand der Ostergrenzen DOG alt–neu von 7 auf 8 erhöht
[Zeile 6 in Tabelle€30]. Alles bleibt im Prinzip fest, die Tage erhalten durch die Kor-
rektur nur eine neue Bezeichnung, der Zählwert des Mondalters ist um 1 erniedrigt.
1800 erfolgte erneut eine Anpassung des Sonnenumlaufs, das heißt, die Kalen-
derdifferenz wird 12 Tage. Da hier auch die nächste Mondkorrektur fällig wurde,
blieben die Epakten unverändert: die Wirkung der beiden Korrekturen kompensierte
sich. Also bleibt der Abstand der Ostergrenzen DOG (hier 8€ d) der gleiche. 1900
wurde wiederum ein Schalttag unterdrückt, so dass die Epakten erniedrigt und die
Tagesdifferenz 13 wurden. Bis zum Ende des 22. Jahrhunderts bleibt der Wert 9 er-
halten, da 2000 weder für Sonne noch für Mond eine Korrektur erforderlich wurde,
2100 sich aber beide Korrekturen aufheben werden. Natürlich bleibt die Tagesdiffe-
renz für das Sonnenjahr wirksam, so dass sie im 22. Jahrhundert 14 Tage betragen
wird. Auf ähnliche Weise sind die ersten 6 Zeilen der Tabelle€30 leicht fortzusetzen.
(Die Ausnahmen in Tabelle€29 bei GZ 6 und 17 werden zum Schluss behandelt.)
In Tabelle€29 sind diese erniedrigten Epakten sowie die Ostergrenzen für die gre-
gorianische Osterrechnung für die betreffenden Zeiträume eingetragen. Alles stimmt
mit den Tabellen€45 und 46 im Anhang [Grot 91] überein und bildet die Basis für
die gregorianische Kalenderrechnung. Ihre Systematik wird auch leicht verständ-
lich, wenn man sich das Erhöhen der Epakten um 11 mit jeder nächsten Goldenen
Zahl vor Augen führt und am Schluss den Mondsprung berücksichtigt, der in jedem
Zyklus am Ende einen Tag ausfallen lässt (Tabelle€29, gerade Zeilen). Reduzieren
sich die Epakten, wird das Datum der Ostergrenze um 1 größer, wie Tabelle€29 und
Zeile 6 in Tabelle€30 erkennen lassen. DOG ist dabei die Differenz der Ostergrenzen
in beiden Kalendern, denn julianisch bleibt ja alles unverändert. Allerdings wird
am 17. bzw. 18. April eine Monatskorrektur notwendig, da ja stets nur der erste
116 6 Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa

Tabelle 31↜渀 Ostergrenzen mit Tagesbuchstaben und Sonntagsbuchstaben (greg. und jul.)

Vollmondtag im Frühling gesucht wird. Die Ostergrenze rückt infolgedessen anstel-


le des 19. April auf den 21. März zurück, wie es 1700 für die GZ 14 eintrat.
Tabelle€31 stellt für einige ausgewählte Jahre die charakteristischen Größen zu-
sammen, die mit Sonntagsbuchstaben, Goldener Zahl und Ostergrenze sowohl im
julianischen als auch im gregorianischen Kalender in Verbindung stehen. Die Jahre
sind so ausgewählt, dass jeweils das Osterfest auf den gleichen Tag fällt.
Das wird mit dem Jahr 2001 und der Goldenen Zahl 7 sehr leicht verständlich.
Hier sind die Differenzen der gregorianischen zur julianischen Tageszählung mit 13
und der entsprechenden Ostergrenzen mit 9 angegeben, wobei der Sonntagsbuch-
stabe des gregorianischen Jahres G ist, die Ostergrenze der 8. April, der ebenfalls
den Tagesbuchstaben G besitzt, wenn man vom 1. Januar an alle Tage zyklisch mit
den Buchstaben A, B, … G belegt. Folglich fällt das gregorianische Ostern auf
den 15. April, nämlich den nächsten Sonntag. Julianisch hat das gleiche Jahr 2001
den Sonntagsbuchstaben A, denn wegen der ausgefallenen Schalttage differieren
die Sonntagsbuchstaben julianisch und gregorianisch voneinander. Auch hier ist die
Ostergrenze mit dem 30. März, Tagesbuchstabe E, eingetragen, so dass der Ostertag
auf den folgenden Sonntag, also den 2. April, A, fällt, d.€h. gregorianisch ebenfalls
15. April. Wichtig sind die beiden folgenden Spalten, die jeweils die Differenz der
Sonntagsbuchstaben zwischen Ostergrenze und Ostersonntag im gregorianischen
bzw. julianischen Kalender angeben. Man erhält sie, indem man von der Ostergren-
ze bis zum folgenden Sonntag weiterzählt, also G bis Gâ•›=â•›7 Schritte gregorianisch,
E bis Aâ•›=â•›3 Schritte julianisch.

6.4 Bedingung für die Gleichzeitigkeit des Ostersonntags

Aus Tabelle€31 lässt sich nun leicht die Bedingung herleiten, die für die Gleichzei-
tigkeit der Osterfeste einzuhalten ist: die Differenz zwischen dem gregorianischen
und julianischen Tagesdatum (Tg, Tj) minus der Differenz zwischen den beiden Os-
6.4 Bedingung für die Gleichzeitigkeit des Ostersonntags 117

tergrenzen muss gleich der Differenz vom Tagesbuchstaben der Ostergrenze zum
Sonntagsbuchstaben in beiden Kalendern sein:

Diff = Dgj − DOG = Tg − Tj − OGg − OGj = DSbg − DSbj


   

Für 2001 folgt für die Differenz Diff = Dgj – DOG = 13 – 9 = 4, während die rechte
Seite als Differenz der Sonntagsbuchstaben gregorianisch bzw. julianisch ebenfalls
4 ergibt. Diese Beziehung wird für alle Jahre erfüllt, in denen die Osterdaten auf
den gleichen Tag fallen. Man kann das an den bekannten Daten verifizieren, zum
Beispiel für das Jahr 1990 oder die Jahre gleichen Osterfestes in [Ghan 01], deren
nächste bis 2014 in Tabellen€28 und 31 angegeben sind. 1990 wird DSbgâ•›=â•›5 wegen
der 5 Schritte von B zu G, DSbjâ•›=â•›1 von G zu A.
Interessant sind einige Folgerungen aus dieser Abhängigkeit. Da der Ostersonn-
tag stets nach der Ostergrenze auftritt, gibt es für die beiden Differenzen der Sonn-
tagsbuchstaben Einschränkungen, nämlich 1â•›≤â•›DSbg, DSbjâ•›≤â•›7. Andere Werte könnten
nicht auftreten, denn 0 würde bedeuten, dass der Ostersonntag mit dem (zykli-
schen) Vollmond übereinstimmt, was nach der Osterregel ausgeschlossen wird.
Größere Werte als 7 müssen ebenfalls ausscheiden, denn Ostern ist der nächste
Sonntag nach der Ostergrenze. Die maximale Differenz zwischen beiden Diffe-
renzen der Sonntagsbuchstaben ist folglich 6, was die Gleichzeitigkeit auf den
Zeitraum bis 2699 beschränkt, da ab 2700 nach Tabelle€30 die maximal zulässige
Differenz mit 7 überschritten wird. In Tabelle€31 sind die beiden letzten gleich-
zeitigen Ostertermine in Ost und West eingetragen. Auch für alle späteren Zeiten
treten niemals mehr kleinere Differenzen auf, das heißt, dann werden die beiden
Kalenderarten nie wieder das gleiche Osterfest ermöglichen. Die Forderung des
Konzils von Nikäa nach Gleichzeitigkeit, die sich bis dahin zwar nicht immer,
aber gelegentlich trotz der Kalenderreform erfüllen ließ, ist nach 2698 nie mehr
erfüllbar. Die Konzilsbeschlüsse von 325 werden sich also in dieser Hinsicht nach
2373 Jahren durch Unmöglichkeit erledigen, die hier in der versäumten Reform
ihre Ursache hat.
Was aber tritt vorher auf? Wie Tabelle€30 weiter zeigt, war bisher die besagte
Differenz Diff stets 3 oder 4, was sich leicht durch mehrere Kombinationen der
Differenzen der Sonntagsbuchstaben erfüllen ließ. Die Jahre der Tabelle€ 31 sind
sämtlich Beispiele für diese Bedingung, die Ausnahme von 2011 soll hier nicht ver-
tieft werden. (Sie erklärt sich durch die Doppelepakte 25, 26 für die GZ 17 (s.€Ka-
pitel€5.6)). Vom 22. Jahrhundert ab wird 300 Jahre lang Diff╛=╛5, also kommen nur
noch die Werte 7â•›–â•›2 und 6â•›–â•›1 für die rechte Seite der Gleichung in Betracht. Man
darf also weniger Gelegenheiten der Gleichzeitigkeit erwarten als in den sechs vo-
rangehenden Jahrhunderten. In Tabelle€30 ist die Anzahl der gleichzeitigen Oster-
sonntage in den jeweiligen Jahrhunderten angegeben. Man sieht, dass Ostern im
17. Jahrhundert am häufigsten gleichzeitig stattfand, nämlich in 47 von 100 Jahren,
ein Wert, der im 26. Jahrhundert auf 6 von 100 zurückgehen wird. Die letzten Jahre
werden 2691 und 2698 sein, in denen Ostern in der östlichen und westlichen Welt
gleichzeitig gefeiert werden kann. Zwar dürften bis dahin noch viele Jahrhunderte
vergehen, jedoch ist nicht anzunehmen, dass Reformeingriffe in die beiden Kalen-
118 6 Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa

der notwendig werden, so dass man sich schon heute recht gut auf die erläuterten
Termine einstellen kann.
Eine vertiefte Analyse der obigen Bedingung macht deutlich, dass allein die
Mondangleichung ihre maßgebende Größe ist. Die Verschiebung der Tagesdaten
zwischen beiden Kalendern verwirrt mehr als sie erklärt. Die Mondangleichung
entspricht der vorletzten Zeile der Tabelle€30. Sie ist derzeit 4 und erhöht sich 2100
und alle 300 Jahre später um 1 d. Nach ihr richtet sich die Differenz der Oster-
grenzen in beiden Kalendern. Nur wenn der gleiche Vollmond angesprochen wird,
können die Ostersonntage die gleichen sein. Ist die Mondangleichung 7 d oder mehr
geworden, ist das nicht mehr möglich, nun muss mindestens eine Woche zwischen
den beiden Ostersonntagen liegen. Bis dahin aber ist es bei geeignetem Zusam-
mentreffen der Sonntagsbuchstaben möglich, den gleichen Ostertag zu erreichen.
Tabelle€31 bestätigt das in allen Fällen, z.€B. für 2010 mit der Ostergrenze 30.3. als
Di wegen SBgâ•›=â•›C. Also ist der 4.4. Ostersonntag. Julianisch fällt die Ostergrenze
dann auf den 21.3., einen Sa wegen SBjâ•›=â•›D. Also ist der Folgetag, der 22.3. julia-
nisch Ostersonntag. Das ist gregorianisch ebenfalls der 4.4. Es ist also der Fehler
des alten alexandrinisch-christlichen Mondkalenders mit seiner festen Kopplung an
das Sonnenjahr, der in ferner Zukunft die Gleichzeitigkeit des Osterfestes in allen
christlichen Kirchen verhindern wird.
Damit wird auch klar, dass man nicht einfach mit einem Taschenkalender, der die
astronomischen Monddaten enthält, den im Osten üblichen Ostersonntag vorhersa-
gen kann. Man könnte denken, dass im Jahr 2002 der 28.4. Ostersonntag hätte sein
müssen, schien doch der Vollmond am Vortag und war das der erste Frühlingsvoll-
mond nach julianischer Rechnung, wie ja der wirkliche Ostertag am 5.5. bestätigt.
Nicht nur wegen des unmöglichen Datums ist das aber ein Denkfehler. Die Rechen-
regeln haben nichts mit der Astronomie zu tun, sondern gehen vom Kirchenmond
aus, der julianisch eben den hier erläuterten Fehler hat, wie schon Sacrobosco im
13. Jh. bemerkte. Wie man aus Tabelle€29 ablesen kann, gilt für die Goldene Zahl
8 der 18.4. julianisch als Ostergrenze, d.€h. gregorianisch der 1.5. Nur der Sonntag
danach kann Ostern sein, nicht davor. Umgekehrt fällt der astronomische Vollmond
des 27.4.2002 julianisch auf den 14.4., im Widerspruch zum 18.4. von Zeile 3 in
Tabelle€29. Man sieht daraus, dass nunmehr der Mondfehler 4 Tage ausmacht, die
gregorianische Korrektur folglich noch dringender geworden ist, als das im 16. Jh.
der Fall war.
Interessiert man sich auch für andere Beträge der Verschiebung zwischen den
Osterterminen in beiden Kalendern, empfiehlt es sich, die anderen möglichen Dif-
ferenzwerte der obigen Gleichung auszuwerten. Ein genauer Blick auf Bild 20 und
21 im Kapitel€ 4 zeigt, dass bis auf die veränderten Datumsangaben alles gleich
aussieht, d.€h. am Mondjahr hat sich gar nichts geändert. Nur an drei Stellen, näm-
lich bei den GZ 3, 11 und 14 fällt auf, dass die grüne Markierung verschoben ist.
Auch bei den GZ 8 und 19 ist das der Fall, wird nur durch die blaue Markierung des
Schaltmonats verdeckt. Warum ist das hier und nur hier notwendig?
Der Grund dafür liegt in den ersten Frühlingsvollmonden, die wegen der Kor-
rektur nun früher eintreten als im alten Kalender. Allerdings darf man nicht ein-
fach sagen, dass statt des 21.3. nun der 8.3. den Frühling beginnen lässt, denn
6.4 Bedingung für die Gleichzeitigkeit des Ostersonntags 119

dessen Mondfehler darf ja nicht vergessen werden. Vielmehr gibt Tabelle€25 im


Kapitel€5 fett markiert die zugehörigen Neumondtage an. Da gegenwärtig die Dif-
ferenz der Ostergrenzen DOGâ•›=â•›9 beträgt (s.€Tabelle€30), kann man die fetten Daten
in Tabelle€25 (Kapitel€5) um diesen Wert verschieben, um die korrigierten Neu-
monde zu erhalten. Damit ist der Bereich nun 27.2. bis 27.3., da der hohle Monat
ja bereits berücksichtigt war. Folglich sind die GZ 3, 8, 11, 14 und 19 in Bild€20
von Kapitel€4 hiervon betroffen, d.€h. in diesen Fällen bewirkt die Mondanglei-
chung, dass der Vormonat im alten Kalender nun die Ostergrenze im reformier-
ten bestimmt. In diesen 5 Jahren des Zyklus wird folglich julianisch ein zu später
Vollmond als Bezug gewählt. Damit liegen für diese Jahre mindesten 4 Wochen
zwischen den Osterterminen im Westen und Osten. Julianisch fällt Ostern in den
hohen, nicht frühen Frühling! Gleichzeitigkeit ist folglich nur in Jahren möglich,
die nicht zu diesen fünf Goldenen Zahlen gehören. Das bestätigt die linke Spalte
in Tabelle€31.
Seit der Kalenderreform gibt es neben der Gleichzeitigkeit nur Verschiebungen
von 7, 28 oder 35 Tagen, wie Tabelle€28 erkennen lässt. Der letzte dieser Werte galt
z.€B. für das Jahr 2002. Der Grund dafür ist nun leicht zu erkennen: wird die Diffe-
renz der Sonntagsbuchstaben nach der obigen Bedingung erfüllt, liegt Gleichzeitig-
keit vor, anderenfalls liegt genau eine Woche zwischen beiden Ostertagen. Dies gilt
nicht für die GZ 3, 8, 11, 14, 19, bei denen bei erfüllter Bedingung 4, anderenfalls
aber 5 Wochen zwischen den Ostersonntagen vergehen müssen, weil hier ja der
zweite Vollmond des Frühlings betroffen ist.
Das wird wegen der Kalenderkorrektur in Zukunft anders werden. So entfällt
nach 2092 die Verschiebung um 28 Tage, dafür tritt 2437 zum ersten Mal eine Os-
terverschiebung um 42 Tage auf, so dass sich im 26. Jh. Verschiebungen von 0, 7,
35 oder 42 Tagen abwechseln. Statt der dann erloschenen Gleichzeitigkeit erscheint
2735 erstmals eine Verschiebung von 14 Tagen, so dass anschließend statt der heu-
tigen Verschiebungen nur 7, 14, 35 oder 42 Tage in Betracht kommen, sich die
heutigen Verhältnisse also um eine volle Woche verschoben haben werden.
Daraus lassen sich weitere Fragen ableiten: Wann fällt Ostern nach julianischer
Rechnung zum ersten Mal auf einen Neumondtag? Ab wann wird Ostern statt durch
den ersten immer durch den zweiten Vollmond im Frühling bestimmt? Oder gar
wann fällt Ostern zum ersten Mal in den Monat Juni, hat also deutlich nichts mehr
mit dem Frühling zu tun? Hier soll eine ausführliche Beantwortung dieser Fragen
unterbleiben: es handelt sich ohnehin in allen Punkten um eine fernere Zukunft.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es viele Vorschläge gibt, die restli-
chen Fehler des gregorianischen Kalenders zu beheben. Z.€B. wird in [Mila 24] ein
Weg erläutert, der den im 4. Jahrtausend zu erwartenden Fehler des Sonnenkalen-
ders durch einen weiteren überflüssigen Schalttag vermeiden würde (s.€Kapitel€8.2).
Jedoch hat sich das bisher nicht durchgesetzt, so wenig wie die dezimale Zählung
des französischen Revolutionskalenders oder die Abkehr vom Grundzyklus der 7
Wochentage, wenn man etwa gleich lange Vierteljahre mit festem Wochentag er-
reichen möchte. Auch ein fester Ostertermin ist längst vorgeschlagen worden, z.€B.
der zweite Sonntag im April, konnte sich aber wegen des Bruchs mit der Tradition
weder in Ost noch West durchsetzen.
120 6 Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa

Der Kalender in der heutigen Form hat sich offenbar bewährt, wie ein Blick in
die Erläuterung des Clavius zeigt [Clav 03]. Dort findet man die hier dargestellten
Angaben zum Osterfest bestätigt, ergänzt um lange Tabellen, die die beweglichen
Feste bis zum Jahr 5000 enthalten und die Verschiebung zwischen altem und neuem
Stil angeben. Man kann die oben erläuterten Aussagen also leicht bestätigen und
nur erstaunt bewundern, was unseren Vorvätern in diesem Zusammenhang bereits
bekannt war und folglich seither als allgemeines Grundwissen in unserem Kultur-
kreis gelten kann.
Ergänzende Bemerkung zu den Ausnahmen des gregorianischen Kalenders: im
julianischen Kalender gab es 19 Vollmondtermine im hohlen Frühlingsmonat mit
29 möglichen Tagen dafür. Der Schaltmonat fügt aber 30€d ein, so dass eigentlich
30 Daten dafür benötigt werden. Um die alte Ordnung beizubehalten (s.€Kapitel€5),
verschiebt man die späteste Ostergrenze gelegentlich um einen Tag nach vorn. Man
sieht das in Tabelle€ 29 an der ersten Doppelzeile, die den 18.4. als späteste OG
nennt. Das bedeutet, dass bei GZ 14, dritte Doppelzeile, statt des 19.4. der 21.3. die
OG ab 1700 wird, während in der vierten Doppelzeile bei GZ 6 der 18.4. OG bleibt.
Eine andere Ausnahme betrifft dort GZ 17, indem die OG beim 17.4. bleibt, damit
nicht die gleiche OG im 19-Jahrezyklus zweimal auftritt. Im Kapitel€5 wurde ge-
zeigt, dass die Doppelepakten des Lilius dieses Abbildungsproblem elegant lösen.
Die Verbesserung des gregorianischen Kalenders gegenüber seinem Vorgän-
ger hat komplexere Schaltregeln und eine umfangreichere Osterrechnung mit be-
stimmten Ausnahmen eingeführt. Das bestätigt die Vermutung, dass eine bessere
Genauigkeit mit einer erhöhten Komplexität erkauft werden muss. So entsteht aus
dem julianischen großen Osterzyklus von 28€·Â€19€=€532 Jahren ein entsprechender
gregorianischer Zyklus von 5 700 000 Jahren, ehe sich der Schaltzyklus für Sonnen-
und Mondangleichung mit den neuen Epakten und den Goldenen Zahlen genau
wiederholen kann [Obei 65]. Allerdings ist diese Zahl wegen der vernachlässigten
Restfehler der Sonnen- und Mondangleichungen rein fiktiv.

6.5 Ostern und das jüdische Passahfest

Überraschend ist auch ein Vergleich des Ostertermins mit dem jüdischen Kalender,
der in Kapitel€4 genauer erläutert wurde. Man stellt fest, dass nicht nur die bewegli-
chen Feste zahlreiche Entsprechungen aufweisen, sondern auch manche Gebräuche
übernommen worden sind. So ist Passah (oder eigentlich Pessach) mit dem Tod
Jesu verbunden, der am 15. Nisan erfolgt sein soll, die Auferstehung verbindet sich
ja mit dem Sonntag danach. Das Abendmahl des Gründonnerstags ist ursprüng-
lich der Seder, mit dem am Vorabend des Passahtags, dem Beginn der Festwoche,
ein festliches Mahl mit den Mazzen, dem ungesäuerten Brot eingenommen wird
[Simo 06]. Die Mazzen spiegeln sich in den Oblaten wider, die beim Abendmahl
der Christen Verwendung finden. Auch das Osterlamm als Symbol geht auf die
Tieropfer der Juden vor dem Passahfest zurück: Das Schlachtopfer als Bezug zum
Tod am Kreuz.
6.5 Ostern und das jüdische Passahfest 121

Weniger bekannt sind zwei weitere Bezüge: Das Omerfest am 16. Nisan und am
6. und 7. Siwan genau 7 Wochen später, also 50 Tage nach Ostern, das Schawuot
oder Wochenfest der Juden. Bei den Christen ist daraus Pfingsten geworden, das
Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Jünger Jesu. Geht man vom Oster-
sonntag aus, trifft man nach 50 Tagen auf Pfingstmontag, so dass die zwei Feiertage
zu Ostern und Pfingsten hier eine Kalendererklärung finden. Übrigens fallen die
jüdischen Feiertage stets auf das gleiche Datum im Mondkalender. Folglich gibt
es außer den erwähnten Verschiebungen des Kalenders keine beweglichen Feste in
unserem Sinn, dafür aber einen starken Bezug auf die Wochentage.
Wie sieht das aber mit dem Passahdatum selbst aus, also dem 15. Nisan? Wann
wird dieses Fest in den kommenden Jahren begangen und wie hängt das mit
dem Ostersonntag zusammen? Tabelle€ 32 stellt mit dem Programm Calendrica
[ReDe 01] das Datum des 15. Nisan für 2009 bis 2050 AD bzw. 5769 bis 5810 AM
(seit Erschaffung der Welt, besser Weltära WÄ) zusammen, wobei stets gregoriani-
sche Daten genannt werden. Passah beginnt dabei am Vorabend. Die zugehörigen
Ostersonntage wurden wie hier bereits in Tabelle€28 angegeben, deshalb erfolgt der
Bezug auf die Ostergrenze nach Kapitel€5. Als Hilfe sind auch die Goldenen Zahlen
angegeben, die ja den Mond in beiden Kalendern beschreiben (s.€Kapitel€4).
Ein Blick auf diese Daten macht deutlich, dass Passah niemals auf Montag,
Mittwoch oder Freitag fällt, eine Folge der verkürzten oder verlängerten jüdischen
Jahreslänge (s.€Kapitel€4). Da aber gelegentlich Samstag vorkommt, können Sabbat
und Passah zusammenfallen. Interessanter sind die Jahre, in denen Passah auf Sonn-
tag fällt, also 2021, 2025, 2045 und 2048. In diesen Fällen liegt auch die Ostergren-
ze ungefähr an diesem Tag, so dass die Regel „Sonntag nach dem ersten Frühlings-
vollmond“ das Zusammenfallen von Passah und Ostersonntag vermeidet. Ebenso

Tabelle 32↜渀 Passahdatum und gregorianische Ostergrenze 2009 bis 2050


122 6 Zur Gleichzeitigkeit des Osterdatums in Ost- und Westeuropa

eindeutig sind alle anderen Daten, denn andere Wochentage für Passah vermeiden
das Zusammenfallen mit dem Ostersonntag auf jeden Fall. Allerdings ist häufig
der Tag nach Passah bereits Ostersonntag, zum Beispiel 2012. Folglich ergibt sich
eine Gleichzeitigkeit von Ostersonntag und Passah, wenn die Ostergrenze auf einen
Samstag vor Passah fällt. Das war 1954 (17.4.) und 1981 (18.4.) so, geschieht aber
bis 2050 nicht wieder. Ganz offenbar ist das eine Folge der Doppelepakten, wurde
also bewusst für seltene Jahre zugelassen. Weiterhin gibt es interessante Ausnah-
men, nämlich die Jahre mit den GZ 3, 11 und 14. Wie man sieht, ist in diesen Jahren
Ostern viel früher als Passah. Das liegt am zu langen Mondmonat des jüdischen
Kalenders (s.€Kapitel€4), den man leichter verstehen kann, wenn man die Passah-
daten genauer ansieht.
Man stellt fest, dass sich die Passahtermine um einen oder zwei Tage von der
Ostergrenze unterscheiden können, ein Effekt der zyklischen Berechnung beider
Kalender. Wichtiger ist, dass der früheste Passahtermin der 26.3.2013 ist, während
der späteste im Intervall der Tabelle€ 32 auf den 25.4.2043 fällt. Dagegen ist die
früheste Ostergrenze in unserem Jahrhundert der 22.3. für die Goldene Zahl 14
(s.€Tabelle€29), die späteste der 18.4. für GZ 17. Da nur die GZ 3, 11 und 14 frühere
Ostergrenzen als den 26.3. erlauben, sind nur die Jahre 2016, 2024, 2027, 2035,
2043 und 2046 davon betroffen. In all diesen Jahren bewirkt der Mondfehler des jü-
dischen Kalenders, dass der erste Frühlingsvollmond übersehen wird und der zweite
den Anlass für das Passahfest bildet. Dies ist ein ähnlicher Effekt, wie ihn der julia-
nische Kalender zeigt, dessen Ostergrenze in den erwähnten Jahren ebenfalls 4 oder
5 Wochen nach der entsprechenden gregorianischen liegt. Allerdings kommen dort
vier weitere Jahre hinzu, nämlich 2013, 2021, 2032 und 2040, wie Tabelle 28 zeigt.
Der Fehler des jüdischen Kalenders ist zwar kleiner als der des julianischen,
aber eine Reform wird auch hier eines Tages erforderlich werden, will man der
Aussicht entgehen, dass anderenfalls in ferner Zukunft Passah in unseren Sommer
fallen wird. Das ist der grundsätzliche Nachteil der zyklischen Kalender: Jeder noch
so kleine Fehler im Hinblick auf die Länge des tropischen Sonnenjahres oder des
synodischen Mondmonats akkumuliert sich auf lange Sicht. Ersteres betrifft den
gregorianischen, letzteres den jüdischen Kalender, denn hier wird das Sonnenjahr
an die Mondmonate gekoppelt, dort aber der Mondzyklus auf das Sonnenjahr ab-
gebildet (s.€Kapitel€4).

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Kapitel 7
Sonnen- und Mondfinsternisse

Bild 30↜渀 Schatteneffekte bei


Finsternissen [Webb 05]
Mondfinsternis Halbschatten

Kernschatten

Sonnenfinsternis ringförmige Finsternis

Sonne Mond Erde

totale Sonnenfinsternis

Sonne und Mond erscheinen uns beim oberflächlichen Blick zum Himmel ungefähr
als gleich groß. Genauer betrachtet hängt das aber von den Entfernungen ab, die
sich wegen der Ellipsenbahnen von Erde und Mond verändern. So ist bei einer Son-
nenfinsternis bei nahem Mond ein nur kleiner Bereich vom Kernschatten der Sonne
betroffen, nur dort ist die Finsternis total (Bild 30 unten). Bei fernem Mond kann
die Finsternis ringförmig werden, d.€h. die Sonne erscheint als Ring um einen ver-
finsterten Mittelbereich. Der Halbschatten wird dabei stets überstrahlt und ist nicht
wahrnehmbar. Anders ist das bei Mondfinsternissen, die überall auf der Erde gleich
erscheinen. Hier ist neben einer totalen oder partiellen auch eine Halbschattenfins-
ternis möglich, wie Bild 30 oben genauer erläutert.

W. Görke, Datum und Kalender, 125


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_7, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
7.1 Der Mondumlauf um die Erde 127

7.1 Der Mondumlauf um die Erde

Das Datum wird durch die Umdrehungen von Erde und Mond gegenüber der Sonne
bestimmt. Neumond und Vollmond sind Charakteristika für den Mondumlauf, die
neben der Monatszählung in manchen Kalendern gelegentlich auch zu Verfinste-
rungen führen. Sie sollen nachfolgend etwas genauer untersucht werden, wobei
statt der Erdumdrehung, die bisher die Fortzählung des Tagesdatums verursachte,
nun die Lunation, also der Mondmonat von Neumond zu Neumond im Mittelpunkt
der Betrachtung steht.
Es ist gut bekannt, dass sich der Vollmond verfinstert, wenn der Mond durch den
Erdschatten läuft, umgekehrt kann der Neumond vor die Sonne treten und dadurch
eine Sonnenfinsternis auslösen. Das passiert aber nicht bei jedem Vollmond oder
Neumond, sondern mehr oder weniger selten. Der Grund dafür liegt in der Schiefe
der Mondbahn gegenüber der Ekliptik, der Ebene des scheinbaren Sonnenumlaufs.
Zwar beträgt sie nur wenige Grad, etwa 5°Â€10′, doch ist das sehr viel im Vergleich
zu den scheinbaren Durchmessern von Sonne und Mond, die nur rund 30 Bogenmi-
nuten, also ein halbes Grad, am Himmel ausmachen. Dabei schwanken diese Werte
je nach Abstand entsprechend den Ellipsenbahnen ganz leicht. Gäbe es die Schiefe
nicht, wäre bei jedem Vollmond oder Neumond eine Finsternis zu beobachten.
Man nennt die Schnittlinie der Mondbahnebene mit der Ebene der Ekliptik die
Knotenlinie der Mondbahn. Sie verbindet die beiden Knoten oder Schnittpunkte,
an denen sich Erd- und Mondbahn kreuzen. Befindet sich der Mond nördlich der
Ekliptik, durchläuft er zuerst den absteigenden, einen halben Mondmonat später
den aufsteigenden Knoten. Dazwischen bewegt er sich südlich der Ekliptik, steht
also sehr niedrig am Himmel, doch sind die Unterschiede von Monat zum Monat
deutlich kleiner als die des Sonnenstands im Laufe eines Jahres. Wichtig ist, dass
die Länge des synodischen Monats msyn von Neumond zu Neumond etwas größer
als die des Knotenumlaufs ist, also des Durchgangs durch den gleichen Knoten.
Dieser drakonitische oder Drachenmonat mdrak geht auf die Mystik alter Völker
zurück, die sich vorstellten, ein Drache verschlingt gelegentlich den Mond und
gibt ihn wieder von sich. Dieser Drache umkreist danach die Erde auf der Ekliptik,
so dass beim Schnitt mit der Mondbahn, also bei den Mondknoten, bei Vollmond
der Mond, bei Neumond die Sonne verschlungen wird. Diese Vorstellung ist älter
als die Erkenntnis, dass die Ekliptik der Sonnenbahn entspricht, und findet sich
nicht nur in Mesopotamien, sondern z.€B. auch im indischen Kulturkreis, wo die
beiden Mondknoten als Drachenkopf und -schwanz unsere alten 7 Planeten zu
deren 9 ergänzen.
Neumond ist die Konjunktion von Sonne und Mond, die etwas später eintritt
als ein Umlauf zum gleichen Knoten. Man erkennt hier gut die Unabhängigkeit
der beiden Himmelskörper: Eigentlich ist der Knotenumlauf ein echter Umlauf des
Mondes um die Erde, nur weil diese sich mit ihm um die Sonne bewegt, beobachten
wir den synodischen Monat, der vom Laien viel leichter zu beobachten ist. Zwei
weitere davon unabhängige Monatslängen seien hier nur angedeutet (s. Kap. 1.6).
Der siderische Monat msid ergibt sich durch den Umlauf in Bezug auf den Fix-
128 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

sternhimmel im Hintergrund des Planetensystems unserer Sonne, dagegen benennt


der anomalistische Monat manom den Umlauf bezüglich Erdferne oder Erdnähe,
also die Rückkehr zum gleichen Punkt auf der sich verschiebenden Ellipsenbahn.
Hierdurch wird die scheinbare Größe der Mondscheibe während eines Umlaufs be-
stimmt. Die beiden letzten Größen bleiben hier weitgehend außer Betracht. Sie wer-
den nur erwähnt, weil sie die freie Bewegung des Mondes um die Erde beschreiben:
1. Die eigene Umdrehung, die der Bewegung von Konjunktion zu Konjunktion mit
der Sonne gleich ist, also msyn╛=╛29,53059€d (wir sehen deshalb stets die gleiche
Hälfte seiner Oberfläche),
2. die Bewegung auf der Bahn zum gleichen Knoten mdrak╛=╛27,21222€d,
3. die Bewegung auf der Ellipse zum gleichen Erdabstand manom╛=╛27,55455€d und
4. msidâ•›=â•›27,3217 d als Größe, die von außerhalb des Planetensystems für den
Mondumlauf gegenüber dem Fixsternhimmel beobachtbar ist.
Da wir selbst auf der Erde leben und die Ellipse eng einen Kreis annähert, sind die
ersten beiden Größen natürlich die interessantesten. Man beachte, dass alle vier
Monatslängen leicht voneinander abweichen, infolgedessen der jeweilige Umlauf
verschiedene Anfangs- oder Endpunkte zu einander in Beziehung setzt.
Da der Mond deutlich kleiner als die Erde ist, sind Sonnenfinsternisse kom-
plexer als Mondfinsternisse, u.€a. weil der Mondschatten stets nur kleine Bereiche
auf der Erdoberfläche trifft. Die Erde bildet für den Mond einen deutlich größeren
Schattenbereich, so dass eine Mondfinsternis in Mittel viel länger dauert. Sie ist
auch im Gegensatz zur Sonnenfinsternis überall gleichzeitig beobachtbar, sofern
der Vollmond sichtbar ist, also die Opposition zur Sonne in die Nachtzeit fällt.
Die letzten Sätze unterstellen eine totale Finsternis, die aber nicht immer eintritt.
Finsternisse können auch partiell sein, d.€h. nur Teile von Mond oder Erde werden
vom Schatten getroffen, auch der Halbschatten kann sich allein auswirken. Sonnen-
finsternisse können sogar ringförmig sein, wenn der Mond wegen seiner Erdferne
nur einen Teil der Sonnenscheibe verdunkelt. Das ist bei Mondfinsternissen nicht
möglich.
Allgemein bekannt sind partielle und totale Finsternisse, bei denen nur ein Teil
bzw. die gesamte Fläche der Sonnen- oder Mondscheibe verdeckt werden. Eine
ringförmige Sonnenfinsternis ist ein Sonderfall der totalen: bei ihr ist der Mond
weit von der Erde entfernt, so dass die Sonne größer als er erscheint. Für kurze Zeit
bildet sie deshalb einen Ring um den Neumond oder dessen Schatten, was aller-
dings wegen ihrer Helligkeit nur durch verdunkelnde Filter beobachtbar ist, obwohl
der Beobachter dabei im Halbschatten des Mondes steht.
Weniger bekannt ist, dass es Halbschattenfinsternisse gibt, bei denen sich nur
der Halbschatten vor allem auf den Mond auswirkt. Während bei einer partiellen
oder totalen Mondfinsternis der Kernschatten der Erde die Mondscheibe mindes-
tens teilweise trifft, ist das bei der Halbschattenfinsternis nicht der Fall (s. Bild 30).
Deshalb verdunkelt sich der Vollmond hierbei nur sehr wenig, so dass man Geduld
und gute Sichtverhältnisse benötigt, um diese Erscheinung überhaupt zu bemerken.
Umgekehrt würde ein Beobachter auf dem Mond in diesem Bereich die Sonne par-
tiell durch den Erdschatten verfinstert sehen, genau so wie aus dem hellen Bereich
7.2 Bedingungen für Sonnenfinsternisse 129

einer partiellen Mondfinsternis heraus. Im weiteren Text wird erläutert, dass sich
die Halbschattenfinsternisse genau so leicht wie die partiellen oder totalen berech-
nen lassen, sogar zur systematischen Betrachtung gehören, wenn man alle Finster-
nisse von Sonne oder Mond genauer untersucht.
Im Folgenden sollen wegen der einfacheren Betrachtung die totalen Finsternis-
se im Vordergrund stehen, wobei auf astronomische Feinheiten verzichtet und nur
deren zyklische Wiederkehr untersucht werden soll. Anfangs werden die Bedin-
gungen erläutert, die zur Sonnenfinsternis führen, während später die Darstellung
auf Mondfinsternisse beschränkt wird, da bei ihnen die Standorte zur Beobachtung
keine Rolle spielen, die Berechnung der Sichtbarkeit folglich einfacher wird.

7.2 Bedingungen für Sonnenfinsternisse

Die Periodizität der Finsternisse ist seit Urzeiten bekannt und hängt mit der Schrift-
kultur zusammen. Man braucht genaue Aufzeichnungen und einen Kalender, wenn
man die Gesetzmäßigkeiten ergründen will. So haben die Babylonier schon seit
dem 8. Jh. v. Chr. damit begonnen, die Neumond- und Vollmondtage genau aufzu-
zeichnen. Schon in der Zeit um 500 v. Chr. versuchten sie, die Finsternisse genauer
zu verstehen und vorherzusagen. Vermutlich waren die Babylonier Nabu-Rimannu
und Kidinnu (griechisch Naburianos und Kidenas) die ersten Astronomen, die eine
Mondtheorie schon in dieser Zeit entwickelten [vdWa 80].
Auch ganz ohne die astronomischen Kenntnisse der Neuzeit lässt sich leicht fest-
stellen, dass Perioden für diese Ereignisse existieren. Folglich erlauben sie Vor-
hersagen, die sehr genau den zukünftigen Tag benennen, denn nur bei Neumond
kann ja eine Sonnenfinsternis eintreten. Zählt man die Mondmonate ab, ergeben
sich Intervalle für Vorhersagen, wie sie in verschiedenen Büchern erläutert worden
sind [vdWa 80, Neug 55]. Natürlich führte die Korrektheit einer Vorhersage bei
deren Seltenheit zu ungläubigem Erstaunen, wie die Sonnenfinsternis des Thales
von Milet beweist, die er für den 28.5.585 v. Chr. angekündigt haben soll, was
mehrfach historisch erwähnt wurde. Ob das daran liegt, dass viel mehr solcher Vor-
hersagen nicht eintraten und deshalb die Methoden der Bestimmung als zweifelhaft
galten? Wir wissen das nicht genau, denn nur lückenhaft ist dieser Bereich überlie-
fert, aber wohl schon in der Antike ist seine Bedeutung anerkannt worden. Man darf
annehmen, dass in der seleukidischen Zeit, also vom 3. Jh. v. Chr. an, in Alexandria
Abschriften der babylonischen Aufzeichnungen bekannt waren, während ja schon
lange vorher griechische Besucher Ägyptens über die astronomischen Kenntnisse
des Orients berichtet hatten. Sowohl die Zählung der 7 Wochentage, der babyloni-
sche Mondkalender mit Schaltmonaten wie auch der Metonzyklus von 19 Jahren
sind Beispiele dafür. Hier soll aus heutiger Sicht auf die Mechanismen eingegangen
werden, die zu Finsternissen führen [vdBe 55].
Steht ein Neumond im Mondknoten, bewegt er sich nach 6 Lunationen oder
Mondumläufen fast genau in den anderen Knoten. Man beachte, dass hier das Zu-
sammentreffen gemeint ist, also der Beginn eines gleichzeitigen Ablaufs von msyn
130 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

und mdrak. War Neumond genau in einem Knoten, ist beim nächsten Umlauf der
Mond zwei Tage jünger, wenn er durch den Knoten läuft, d.€h. der Neumond be-
wirkt 2€d später einen zusätzlichen Winkel msyn/mdrak 360°â•›=â•›30,67° östlich des Kno-
tens entlang seiner Bahn.
Nach 6 Monaten ergibt sich daraus ein Abstand von 6â•›·â•›30,67°â•›=â•›184,02° oder
4,02° vom anderen Knoten, so dass durchaus wieder eine Sonnenfinsternis stattfin-
den kann, allerdings nicht am gleichen Ort eines Beobachters. Der Mond ist dann
zwar nicht mehr in der Ekliptik, aber ihr sehr nahe. Man hat festgestellt, dass eine
Grenze von ungefähr 11° in der Ekliptik zu beiden Seiten des Knotens für solche
Neumondstellungen existiert, für die eine totale Sonnenfinsternis irgendwo auf der
Erde möglich ist. Bei partiellen Sonnenfinsternissen wären das sogar ±17° Diffe-
renz zum Knoten. Um beide Knoten entsteht so ein Bereich von insgesamt 68°, in
dem Finsternisse möglich sind. Außerhalb dieser Bereiche, also für etwa 292° der
Mondbahn, trifft der Schatten niemals den anderen Himmelskörper.
Auf diese Weise entstehen Perioden für Finsternisse, hier bei 34° Breite ins-
gesamt für die „Finsterniszonen“ um einen Knoten für 8 oder 9 (selten 7 oder
10) Finsternisse, deren Lage jeweils um 4,02 Grad verschoben ist. Sie bilden eine
Finsternisfolge, die mit zwei partiellen Finsternissen beginnt, dann 4 bis 6 zentrale
(d.€h. totale oder ringförmige) Finsternisse umfasst, schließlich wieder eine oder
2 partielle Finsternisse bewirkt, ehe sie verschwindet, weil die Zone nun insgesamt
durchlaufen ist. Alle folgen genau 6 Monate aufeinander. Inzwischen ist aber schon
der fünftnächste Mond dicht genug am Knoten, so dass schon nach einem Monat
wieder eine partielle Finsternis folgen kann. Dies wiederholt sich nach dem Schema
von Tabelle€33 mit einem fiktiven Anfangsdatum.
Die Zeilen benennen exakt die beschriebene Folge, während jede neue Zeile
sich im Abstand von 5 Monaten an eine solche Folge anschließt. Hier ist das erste
Feld der Tabelle mit fast 18° noch außerhalb der Finsterniszone, es gibt folglich
keine Finsternis. Die nächste ist partiell, dann folgen 6 zentrale C1 bis C6, ehe 3
partielle aufeinander folgen. Die zweite Zeile bildet eine zusätzliche partielle Fins-
ternis schon für Dez. 1939, wodurch sich die neue 6-Monatsfolge mit der ersten
überlappt. In der 6. Zeile wiederholt sich die erste, wobei alle Werte um 0,477°
verschoben sind. Dieser Wert entsteht durch die Subtraktion beider Einflűsse
38€·Â€4,023° – 5€·Â€30,67° = –0,477°. Zum Beispiel erscheint die zentrale Finsternis
C1 von Zeile 1 vom 15.2.37. erneut am 26.2.55. um –0,476° verschoben, d.€h. unter
praktisch gleichen Verhältnissen 18 a und 11€d später, wie sich auch alle weiteren
Finsternisse der Periode ähnlich wiederholen. Dies ist der schon den Babyloniern
bekannte Saroszyklus, eine Periode von 18 a, 10 oder 11€d und 8€h, je nachdem,
ob der Zyklus 4 oder 5 Schaltjahre enthält. Sie hat nichts mit der Sothisperiode zu
tun, den 1460 Jahren, nach denen das ägyptische Wandeljahr wieder auf den glei-
chen Sonnenkalendertag fällt. Der Saroszyklus besteht aus 223 Mondmonaten msyn
oder 6585,321€ d oder 241,999 mdrak, aber ebenso aus 238,992 manom. Die beiden
letzteren sind fast ganze Zahlenwerte, so dass auch der Charakter einer zentralen
Sonnenfinsternis, zum Beispiel ihre Ringförmigkeit, sich sehr gut wiederholt, denn
auch der Erdabstand ist fast genau der gleiche wie beim vorigen Zyklus. Im Mit-
tel vergehen 73 Saroszyklen, damit eine Finsternis die gesamte Finsterniszone von
Tabelle€33↜渀 Saroszyklus für Sonnenfinsternisse mit fiktivem Anfangszeitpunkt [vdBe 55]
7.2 Bedingungen für Sonnenfinsternisse
131
132 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

34° durchläuft, d.€h. jede der 42 einzelnen Finsternisse der Tabelle€33 „lebt“ mehr als
73â•›·â•›18 Jahre, also mehr als 1300 Jahre. Jede von ihnen, auch die 28 zentralen, bildet
ein Mitglied einer Sarosfamilie von rund 73 Finsternissen. Jede Familie „lebt“ 1315
Jahre. 42 davon „leben“ gleichzeitig, einige sind jung, andere erleben ihr Maximum,
wieder andere sterben langsam ab. Ein späterer Abschnitt erläutert das genauer.
Wegen des Dritteltages bei der Länge der Sarosperiode ist jede totale Sonnen-
finsternis in einer um 120° verschiedenen geographischen Länge auf der Erde zu
beobachten. Erst nach 3 Saroszyklen oder 54 Jahren plus einem Monat wiederholt
sich die Sichtbarkeit in der gleichen Region der Erde. Das ist der Exeligmos der
alten Griechen, der u.€a. von Ptolemäus beschrieben wurde.
Die Berechnung des Zyklus lässt sich hier leicht nachvollziehen. Da jede Ver-
änderung in sechs Monaten +4,023° ergibt, jede Zeile aber 9 Fälle von Neumonden
enthält, ergibt sich ein Abstand von 8â•›·â•›6â•›=â•›48 Neumonden oder 32,184°, so dass
der nächste Neumond auf jeden Fall außerhalb des Intervalls von ±17 Grad liegt.
Ist das gesamte Intervall durchlaufen, folgt die nächste Zeile bereits nach 5 Neu-
monden, da ja wieder 34 Grad zu durchqueren sind. Tabelle€33 enthält ±18° als Be-
reich, aber er verschiebt sich leicht um die Sarosdifferenz, die 38â•›·â•›6 Teilzyklen, also
204â•›·â•›4,023° abzüglich 5â•›·â•›30,67° ergibt, also –0,477°. Die Länge der Sarosperiode
in Tagen ist 223â•›·â•›29,53059€dâ•›=â•›6585,32€d oder ≈â•›18 a 11€d 8€h. Mdrak ist 27,21222€d,
also sind 6585,32€d auch 241,9986 mdrak, fast genau 242 Drachenmonate. Auch so
erklärt sich die geringe Differenz von –0,477° zum Knoten. Aber auch die anoma-
listische Monatszahl ist fast ganzzahlig, d.€h. 238,99 manom. D.€h. der Bezug Erd-
ferne–Erdnähe ist fast der gleiche nach einer solchen Periode, also wiederholt sich
auch die Zentralcharakteristik der Sonnenfinsternis nach einer Sarosperiode, wie
weiter oben bereits angegeben wurde. Man beachte, dass man recht genau dividie-
ren muss, um diese Zahlenwerte zu erhalten.
Entwickelt man 2 msyn/mdrak als Kettenbruch, entsteht eine Folge von Sonnen-
finsternisnäherungen: 29,53059€:€13,60611€=€2,17039, da ja jeder der beiden Kno-
ten gleichartige Finsternisse ermöglicht. Nach [vdBe 55] findet man die Folgen der
Näherungen für das Verhältnis hier auf 6 Stellen nach dem Komma genau

2,17039 = 2â•›+â•›1/5, =â•›2,200â•›000


2â•›+â•›1/6, =â•›2,166â•›667
2â•›+â•›7/41, =â•›2,170â•›732
2â•›+â•›8/47, =â•›2,170â•›213
2â•›+â•›15/88, =â•›2,170â•›455
2â•›+â•›23/135, =â•›2,170â•›370
2â•›+â•›38/223, =â•›2,170â•›404 und schließlich
2â•›+â•›61/358 =â•›2,170â•›391 usw.

Die Nenner geben dabei die Perioden an, nach denen sich die Finsternisse annä-
hernd wiederholen. Die ersten beiden wurden bereits erwähnt. 41, 47, 88, 135 sind
weiterhin historisch interessant, während 223 als Sarosperiode bereits ausführlich
behandelt wurde. 358 Lunationen bestimmen die Inexperiode. Sie erhielt ihren Na-
men vom Eintritt in die Zone totaler Finsternisse bzw. vom Austritt, also ±11°
7.3 Finsternisse in der Gegenwart 133

um den Knoten, und erlaubt eine verfeinerte Betrachtung der Periodizitäten von
Finsternissen in ganz ähnlicher Weise, wie weiter oben für die Sarosperiode er-
läutert wurde [vdBe 55]. Es gibt folglich auch Inexfamilien mit entsprechender
„Lebensdauer“ der einzelnen Finsternisse. Jede Finsternis gehört so einer bestimm-
ten Saros- und auch einer Inexfamilie an. Dies führt hier aber zu weit und soll nicht
gründlicher betrachtet werden. Vielmehr ist ein Blick auf die realen Finsternisse der
Gegenwart im Vergleich zu den obigen Betrachtungen recht interessant.

7.3 Finsternisse in der Gegenwart

Im Gegensatz zu Babylon verdecken in Mitteleuropa Wolken nicht selten den Him-


mel, so dass es sehr schwierig ist, aus einfachen Beobachtungen zu Folgerungen
über die Finsternisse zu gelangen. Viele Leser haben die totale Sonnenfinsternis am
11.8.1999 in Süddeutschland noch in guter Erinnerung, bei der auch Wolken das
Erlebnis deutlich beeinträchtigten. Umso enttäuschender war damals der Hinweis,
dass ein solches Ereignis für alle Lebenden in Mitteleuropa nicht wieder zu sehen
sein wird. Steht das nicht im Gegensatz zu der Ausführung oben, dass Finsternisse
im Mittel alle 6 Monate beobachtet werden können? Die folgenden Betrachtungen
erläutern die Hintergründe zu diesem scheinbaren Widerspruch.
Die Tabellen€34 und 35 zeigen alle Sonnen- und Mondfinsternisse für die Jahre
1994 bis 2039. Solche Angaben sind heute im Internet leicht verfügbar [Verb 04].
Hier sind die Angaben auf wenige Daten reduziert, nämlich das Datum mit Welt-
zeitangabe, die erzeugende Lunation, den Typ (zentral, also total oder ringförmig,
partiell, penumbral, d.€h. vom Halbschatten betroffen), sowie Saros- und Inexzahl.
Unter Lunation ist der Mondmonat zu verstehen, dessen Neu- oder Vollmond die
Finsternis erzeugt. Um zu große Zahlen zu vermeiden, wird hier mit dem Neumond
am 3.11.1994 ≙ 1 begonnen. Man sieht, dass man sich eine Spalte für laufende
Nummern sparen kann, denn die Lunation bildet ein eindeutiges fortlaufendes Kri-
terium für jede Zeile. Die Saros- bzw. Inexzahl gibt eine Charakteristik für die
erwähnten Familien an. Man sieht, dass jede Finsternis eindeutig einer bestimmten
Saros- und Inexzahl zugeordnet werden kann.
Bei einer Durchsicht der Tabellen€34 und 35 bestätigt man leicht die bisherigen
Ausführungen. Jedes Jahr weist 2 Termine für jede Art der Finsternisse auf, ab und
zu ist ein weiterer Termin eingeschoben, erstmalig für 1998 in Tabelle€35. Das passt
gut zu den Erläuterungen von Tabelle€33 weiter oben. Weiterhin sind leicht die Fol-
gen xâ•›+â•›6i mit den Werten iâ•›=â•›6 bis 8 nach bestimmten Anfangswerten x zu erkennen,
z.€B. bei den Mondfinsternissen 6, 12, 18, 24, 30, 36, 42, 48, dann leicht verschoben
47, 53 usw. bis 95, dann 94, 100 usw. bis 136. Dies gilt auch für die erwähnten Perio-
den mit 41 bzw. 47, nämlich 1, 42, 83, 124, 165, 206 usw. oder 1, 48, 95. Diese Folge
bricht hier schon ab, offenbar weil der Beginn mit Lunation 1 gerade deren Ende der
Finsterniszone berührt. Zählt man ab 6, tritt in Tabelle€35 jede Finsternis im Abstand
47 auf, nämlich 6, 53, 100, 147 usw. bis 523. Noch einfacher werden die Folgen für
134 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

Tabelle 34↜渀 Sonnenfinsternisse 1994 bis 2039 [Verb 04]. (t total, a ringförmig, p partiell)

t total, a ringförmig, p partiell

die verfeinerten Perioden 88, 135, 223 und 358, deren Abstand mit einem beliebigen
Beginn stets wieder in den Tabellen auftritt, z.€B. 1, 224, 447. Man erkennt weiter,
dass sich für die letzte Folge die Saroszahlen genau wiederholen. So haben die drei
erwähnten Lunationen alle die Saroszahl 145. Die Folge der anschließenden Luna-
tionen 6, 229, 452 hat die Saroszahl 112 usw. Man sieht, dass sich alle Saroszahlen
nacheinander wiederholen, so dass die Sarosfamilien erkennbar werden. Ähnliches
gilt noch ausgeprägter für die Inexzahlen. Allerdings umfassen die Tabellen nur we-
nig mehr als einen Inexzyklus, so dass sich hier dazu nur wenig aussagen lässt.
7.3 Finsternisse in der Gegenwart 135

Tabelle 35↜渀 Mondfinsternisse 1994 bis 2039 [Verb 04]. (t total, u partiell, p durch Halbschatten
verursacht)

Insgesamt lassen sich die folgenden Beobachtungen festhalten:


• Beide Arten der Finsternisse treten alle 6 oder 5 Monate auf, offenbar mit
strenger Regelmäßigkeit durch den gesamten betrachteten Zeitraum. Manchmal
überlagern sich die Folgen, insbesondere wenn ein 5-Monate-Abstand einge-
treten ist. Die Regelmäßigkeit betrifft sowohl Sonnen- wie Mondfinsternisse,
136 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

wobei letztere 14 d vorher oder nachher auftreten. Da aber die Sichtbarkeit


der Mondfinsternisse wegen der Beschränkung auf unsere Nachtstunden eben-
falls nur teilweise gegeben ist, erklärt sich deren recht seltene Beobachtbarkeit
gegenüber der Häufigkeit der Möglichkeiten insgesamt. Was der Mond bei Tage
macht, können wir leider nicht beobachten.
• Partielle sind seltener als zentrale Sonnenfinsternisse, Tabelle€ 34 zeigt ein
Verhältnis von 36 zu 64. Es gibt Zyklen, nach denen sich 4 bis 6 zentrale mit
2 bis 4 partiellen Sonnenfinsternissen abwechseln. Selten tritt auch eine Folge
partiell – zentral – partiell auf. Dies liegt offenbar an einem Einschub nach 5
Monaten oder der erwähnten Überlagerung der Folgen.
• Die Zyklen der Mondfinsternisse verlaufen ganz ähnlich, doch sind vom Halb-
schatten erzeugte (mit p bezeichnet) etwa gleich häufig wie totale, dazu kom-
men 2/3 der totalen als partielle, die hier mit u gekennzeichnet sind. So weist
Tabelle€35 für den Mond 38 totale, 26 partielle und 39 Halbschattenfinsternisse
auf (von 103 Finsternissen insgesamt). Das Auftreten einer Mond- vor oder nach
einer Sonnenfinsternis ist offenbar unabhängig von ihrem Charakter (t oder u).
• Es gibt leicht erkennbare Zyklen in den Tabellen. Der Abstand von 5 oder 6
Lunationen fällt sofort auf, aber auch mit 41, 47, 88 usw. lassen sich Zyklen
ablesen. Auffällig ist der Saroszyklus für beide Finsternisarten. Die Tabellen ent-
halten mehr als zwei von ihnen, z.€B. für die Lunationen 1 bis 223 wie für 224
bis 446 je 40 Sonnenfinsternisse mit den Saroszahlen 117 bis 156, die alle im
Zyklus auftreten, also „leben“. Dies wurde bereits im vorigen Abschnitt erläu-
tert. Für den Mond enthält der erste Zyklus 41 Finsternisse mit den Saroszahlen
109 bis 149, während der zweite Zyklus deren 40 aufweist, zu denen die Zahlen
111 bis 150 gehören. Wie man erkennt, entsteht 150 am 25.5.2013 neu, während
109 und 110 nicht mehr auftreten, also ihr „Leben“ beendet haben. Alle 3 sind
Halbschatten-Mondfinsternisse. Andere Intervalle für die Saroszyklen können
zu leicht abweichenden Ergebnissen führen, doch bestätigen sich die erwarteten
Finsterniszahlen und ihr Typ im langfristigen Mittel.
Versucht man, die Finsternisse der Tabelle€34 in eine solche wie Tabelle€33 einzu-
tragen, gelingt das für den vorliegenden Zeitraum nur angenähert. Insbesondere ist
der Anfang der Folge nicht leicht aus Tabelle€34 abzulesen, denn dort ging es ja
um den Eintritt in die Finsterniszone bei 18° vor dem Knoten, mit dem Tabelle€33
konstruiert wurde. Bei beliebigem Beginn ergibt sich eine fast gleiche Folge wie in
Tabelle€33, abhängig vom betrachteten Beginn eines Saroszyklus. Für einen gegen-
wärtigen Zyklus ist in Tabelle€36 die sich ergebende Folge von Sonnenfinsternissen
nach Tabelle€34 durch ihre Lunationen dargestellt.
Durch Vergleich mit Tabelle€ 34 lässt sich leicht feststellen, dass der Saroszy-
klus von 2007 bis 2025 am besten zu der Aufstellung in Tabelle€36 passt. Neben
den Lunationen sind in Tabelle€ 36 die Typen wie dort angeführt, wobei a und t
in Tabelle€ 33 als zentral nicht unterschieden werden. Abweichungen sind hier in
runden Klammern angegeben. 159 erzeugte keine Finsternis, also lässt sich diese
Lunation wie auch 4 weitere (rot markiert) in eckigen Klammern ergänzen. Die
Zeilen entsprechen den gleichen 5 Unterzyklen wie in Tabelle€33, nämlich mit den
Differenzen 41, 47, 47, 41, 47 gegeneinander, was auch die linke Spalte in Tabel-
7.4 Periodizitäten der Mondfinsternisse genauer betrachtet 137

Tabelle 36↜渀 Reale Folge von Sonnenfinsternissen in einem Saroszyklus. (a, t, c sind zentral, · ist
partiell, [] keine Finsternis)

le€33 ausdrückt. Von der 6. Zeile an wiederholt sich alles im nächsten Saroszyklus.
Man erkennt, dass nur 12 Felder der beiden Tabellen voneinander abweichen, hier
farbig dargestellt, während 33 völlig übereinstimmen. Allerdings gibt es jetzt 5 Fel-
der ohne Finsternis gegenüber 3 in Tabelle€33, (die beiden grünen zusätzlich,) dafür
auch nur 26 statt der dort 28 zentralen Finsternisse. Die Abweichungen (blau bzw.
braun) lassen vermuten, dass der Anfangsabstand zum Knoten beim Beginn der
Tabelle€36 leicht anders ist als die Annahme dafür in Tabelle€33. Darüber hinaus
dürfte die Unregelmäßigkeit des einzelnen Mondumlaufs gegenüber dem langjäh-
rigen Mittelwert die Abweichungen mit verursachen, denn eine Stunde entspricht
360: 708,73â•›=â•›0,508° der Mondbahn, die ja in 29,53€d zu 24€h durchlaufen wird.
In Deutschland ist der Mond im Mittel nur zwischen 17 und 5 Uhr UT oder 18
bis 6 Uhr MEZ sichtbar, d.€h. während der Nachtstunden. Folglich sind 40 der 103
Mondfinsternisse von Tabelle€35 nicht beobachtbar. Allerdings sind nur 13 davon
total, so dass 25 totale Mondfinsternisse beobachtbar bleiben. Eine totale Mond-
finsternis war zuletzt am 3.3.07. bzw. am 21.2.08. beobachtbar, seither war al-
les partiell oder gar nicht beobachtbar. Die nächste totale Mondfinsternis wird am
15.6.11. zu beobachten sein, dann wieder am 28.9.15.
Die letzte 6-Monatsfolge in Deutschland beobachtbarer totaler Mondfinsternisse
waren 16.5.03., 9.11.03., 4.5.04. und 28.10.04. Eine solche Folge wird sich vorläu-
fig nicht wiederholen, denn Tabelle€35 enthält überwiegend nur isolierte Zeilen mit
beobachtbaren totalen Mondfinsternissen. Von den 3 Finsternissen 2018 bis 2019
sind die beiden letzten beobachtbar, aber auch 2029 sind wieder 2 totale Mondfins-
ternisse in Folge in Deutschland beobachtbar. Nur der Zeitraum 2003 bis 2004 bot
ein Beispiel für kurze Folgen von Mondfinsternissen im Abstand von 6 Monaten.
Aber auch lange Folgen lassen sich leicht aus den Tafeln ablesen, vor allem die
Sarosperiode mit dem Abstand 223 oder die Inexperiode mit dem Abstand 358 Lu-
nationen, wie oben bereits erläutert wurde. Insgesamt wird trotz der vielen Zeilen
der Tabellen klar, dass es nicht nur an den Wolken liegt, wenn in Europa längere
Zeit keine Finsternisse beobachtet werden können.

7.4 Periodizitäten der Mondfinsternisse genauer betrachtet

Bisher nicht genau erläutert wurden die Saros- und Inexzahlen, die in den Tabel-
len€34 und 35 in den entsprechenden Spalten angegeben sind. Woher kommen sie?
Was bedeuten sie? Es sind einerseits willkürliche Zuordnungen zu jeder Finsternis,
138 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

Tabelle 37↜渀 Mondfinsternisse 1994 bis 2039, Zyklus 41 msyn (Hepton)

die in [vdBe 55] vorgeschlagen wurden und eindeutig jede Finsternis kennzeichnen.
Dort wurden die Tafeln in [vOpp 87] genau analysiert und bzgl. der Mondfinster-
nisse um alle Halbschattenfinsternisse ergänzt, wie das bereits in Tabelle€35 dar-
gestellt ist. Für den Saroszyklus der Sonnenfinsternisse ist deren Periodizität bereits
ausgeführt worden. Hier sollen weitere den Zyklen zugrunde liegende Periodizitä-
ten etwas genauer betrachtet werden.
Wie schon gesagt, nennt die Kettenbruchentwicklung des Verhältnisses des sy-
nodischen zum drakonitischen Monat zunächst grobe, dann immer feinere Nähe-
rungen des genauen Wertes. Also erlauben diese Annäherungen eine Betrachtung
entsprechend langer Perioden für die Werte 41, 47, 88 usw. 223 und 358 bilden die
Basis von Saros- bzw. Inexzyklus. Am Beispiel 41 und 47 soll gezeigt werden, wie
die Familien der Finsternisse entstehen, von denen bereits die Rede war. Mit Hilfe
der Lunationen in Tabelle€35 lassen sich leicht die Tabellen€37 und 38 erzeugen,
indem für die Periodendauer 41 bzw. 47 alle Mondfinsternisse im Zyklusabstand
dargestellt werden. Was lässt sich daraus ablesen?
Wie leicht zu erkennen ist, sind in beiden Tabellen alle Lunationen der Tabel-
le€ 35 fortlaufend eingetragen, wobei nach jeder Zykluslänge eine neue Zeile be-
ginnt. Dadurch wiederholt sich periodisch die Zahl der Mondumläufe, alle Finster-
nisse erscheinen als Eintrag. In Klammern sind zusätzlich ausbleibende Finster-

Tabelle 38↜渀 Mondfinsternisse 1994 bis 2039, Zyklus 47 msyn (Octon)


7.4 Periodizitäten der Mondfinsternisse genauer betrachtet 139

nisse vermerkt, bei denen gerade die Finsterniszone noch nicht erreicht oder schon
verlassen wurde. Die Spalten unterscheiden sich weitgehend um 6 Mondumläufe.
Nunmehr wird deutlich, dass die Spaltenzahl von der Zykluslänge abhängt, denn
7â•›·â•›6â•›>â•›41, entsprechend ist 8â•›·â•›6â•›>â•›47. Das bedeutet, dass auch Tabelle€33 viel mehr
Spalten haben müsste. Wegen der besseren Darstellung wurden dort aber 5 Zeilen
für einen Zyklus verwendet.
Vom Zyklus zu unterscheiden ist die Periode, die aber mit ihm zusammenhängt.
In Tabelle€38 zeigen die Spalten B2 bis B4, dass die Periode länger ist als die gut
45 Jahre der Tabelle€35. Alle 47 Mondmonate wiederholt sich eine Finsternis, die
zu der Familie gehört, die die Spalte angibt. Das „Leben“ kann also mehr als den
betrachteten Zeitraum umfassen. Da auch B1 und B5 wiederkehrende Finsternisse
in allen Zeilen enthalten, „leben“ mindestens 5 Familien gleichzeitig während die-
ses gesamten gegenwärtigen Zeitraums. Im Zyklus der Zeile 2 sind es sogar 9. Wie
Spalte B1 zeigt, beginnt das „Leben“ mit einigen Halbschattenfinsternissen (p),
dann erscheinen partielle (u), schließlich folgen 5 totale (t) Finsternisse im Abstand
von 47 Mondmonaten aufeinander. Man darf erwarten, dass nur gut die Hälfte des
„Lebens“ dieser Familie dargestellt ist, wie die Spalten B6 und B7 erkennen lassen,
in denen offensichtlich das Lebensende getroffen ist, denn auf totale oder partielle
Finsternisse folgen mehrere Halbschattenfinsternisse, ehe bei Lunation (500) bzw.
(365) zum ersten Mal eine Finsternis ausbleibt. Auch Spalte B8 zeigt diesen Effekt.
Man sieht aber auch, dass zur gleichen Zeit neue Familien entstehen, hier mit
452 p bzw. 317 p oder 182 p im Halbschatten. Die Entstehung überlappt sich mit
dem Absterben, so dass gelegentlich schon nach einem Monat erneut eine Finsternis
stattfindet. Beide erfolgen in der Regel im Halbschatten, am Ende wie am Beginn
der Finsterniszone. Doch auch eine partielle Finsternis kann dabei vorkommen,
z.€B. 229 u vor 230 p.
Demgegenüber zeigt Tabelle€37 ein weniger übersichtliches Bild, offenbar eine
Folge der Kürze des Zyklus. Alle Spalten zeigen Entstehen und Vergehen der Fami-
lien, aber Spalte A2 macht die Periodenlänge deutlich: sie beträgt 540 – 48 = 492
Lunationen, also etwa 492 : 37/3 ≈ 40 Jahre oder ungefähr der Zeitraum von Tabel-
le€34 und 35. Würde man Tabelle€36 in entsprechender Weise wie die Tabellen€34
und 35, also den gesamten Bereich von Tabelle€ 34 spaltenweise als Saroszyklus
darstellen, ergäben sich 38 Spalten, d.€h. die Zykluslänge (hier 223) bestimmt die
Spaltenzahl nach der Regel

6 · (Spaltenzahl − 1) < Zykluslänge < 6 · Spaltenzahl.

Die 6-Monats-Intervalle lassen so einen Minimalwert für die Anzahl gleichzeitig


„lebendiger“ Familien erkennen, wie auch die Tabellen€37 und 38 bestätigen. Folg-
lich kann man voraussagen, dass die Tabelle für eine Zykluslänge 88 die Spalten
C1 bis C15 erzeugen wird, wenn man sich die Mühe ihrer Aufstellung macht. Es
gibt dann mindestens 15 Finsternisfamilien für diesen Zyklus. Die 42 Finsternisse
der Tabelle€33 (ohne []) würden bei Zyklus 223 zu vier Doppeleinträgen in den 38
Spalten führen.
140 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

Tabelle 39↜渀 Zykluslänge als Funktion von Inex- (i) und Saroslänge (s)

Wie man weiterhin in [vdBe 55] finden kann, sind Inex- und Saroszyklus auch
deswegen wichtig, weil man aus ihnen alle gröberen Zyklusannäherungen berech-
nen kann. Soweit hier behandelt, zeigt das Tabelle€39, die alle wichtigen Möglich-
keiten zusammenstellt.
Es ist bemerkenswert, dass diese Beziehungen aus der Entwicklung des Ver-
hältnisses von msyn zu mdrak folgen, genauer aus msyn zu mdrak/2, da ja beide Knoten
Finsternisse ermöglichen. Der Restfehler entspricht genau dem der Näherungen bei
der Kettenbruchentwicklung, hier auf 360° bezogen. Sein Vorzeichenwechsel er-
klärt den Unterschied der Tabellen€37 und 38 im Hinblick auf die Doppeleinträge
in den Spalten. Beim Hepton akkumuliert er sich negativ, weicht nach jeden Zyklus
gegenüber dem Knoten leicht zurück, so dass schließlich schon nach einem Monat
von Osten eine neue Familie in die Finsterniszone eintritt, während die bisheri-
ge sich auf das Verlassen nach Westen vorbereitet. Dagegen akkumuliert sich der
Fehler beim Octon positiv, der Zyklus ist schneller als die Wirklichkeit, bis die Zone
entgegengesetzt nach Osten verlassen wird. Eine neue Familie entsteht im Westen,
also nach 5 Lunationen. Dazu gehört auch eine Finsternis einen Monat vor der ver-
gehenden Familie (z.€B. 452, 453).
Insbesondere lassen sich die Winkel ganz genau so kombinieren, die für die
nächste Finsternis nach einer Zykluslänge maßgebend sind und aus denen man
mit der Finsterniszone die Anzahl der Finsternisse einer Familie berechnen kann.
Bei einer Zonenbreite von 34° kann eine Nova bereits zu einer erneuten Finsternis
führen, also nach einem Monat. Das gleiche gilt für den 5-Monate-Abstand, auch
Semesternova genannt. Beides sind Einzelfinsternisse ohne Wiederholung, da die
Zone nur zweimal berührt wird. Für das Semester gilt dagegen ein Winkel von
+4,023°, also ist hier ein Familienschema möglich. Erst nach 8 oder 9 Zyklen ist
die Zone durchlaufen, also „lebt“ die Familie entsprechend lange. Tabelle€33 zeigt
solche Familien zeilenweise. Das Hepton hat dagegen einen Winkel von –2,5°, so
dass 13 Finsternisse zur Familie gehören. Tabelle€37 hat 14 Zeilen, aber in allen
Spalten vergehen bzw. entstehen Familien, besonders Spalte A2 nennt direkt 13
Zeilen für eine Familie. Noch besser zeigt das Octon die Familien. Hier sind +1,5°
für 22 Finsternisse verantwortlich, aber Tabelle€38 hat nur 12 Zeilen im vorgegebe-
nen Zeitraum. Andererseits bedeuten 22 Finsternisse im Zyklus von 47 Monaten rd.
86 Jahre, also wesentlich mehr als der Bereich der Tabelle€38.
7.5 Vorhersagemöglichkeiten der Finsternisse 141

7.5 Vorhersagemöglichkeiten der Finsternisse

Nach den Ausführungen der vorigen Abschnitte sind Spekulationen nahe liegend:
Lassen sich Finsternisse und ihre Vorhersagen zur exakten Datierung in der Ge-
schichte verwenden? Bisher lehnt das die Fachwissenschaft ab, denn zu viele
Wunschvorstellungen finden auf diese Weise Eingang in durch Fakten und Quellen
belegte Aussagen, vor allem wenn die Vorgänge weit zurück liegen wie der Besuch
der drei Weisen aus dem Morgenland nach der Geburt Christi in Bethlehem oder
aber die bereits erwähnte Sonnenfinsternis des Thales von Milet. Die Beurteilung
letzterer zur Datierbarkeit geschichtlicher Ereignisse wurde in neuerer Zeit in
[Moss 81] und [StFa 97] genauer erläutert. Astronomisch steht der Überlieferung
entgegen, dass die Sonnenfinsternis am 28.5.585 v. Chr. erst eine Stunde vor Son-
nenuntergang stattgefunden hat, damit also kaum für eine Feldschlacht am Fluss
Halys entscheidend gewesen sein kann, denn dazu hätte sie spätestens mittags be-
ginnen müssen. Außerdem wurde der Zusammenhang erst durch Herodot († 424
v. Chr.) etwa ein Jahrhundert später schriftlich belegt. Andererseits könnte Thales
in Milet, dem damals größten Handelshafen des Mittelmeers, durch Briefe oder
Reisende aus Ägypten oder Syrien von chaldäischen Prognosen erfahren und ohne
allzu gründliche Vorkenntnisse den lydischen König gewarnt haben, dass zu einem
Neumondtag binnen Jahresfrist eine Sonnenfinsternis möglich ist. Vielleicht war er
selbst überrascht, als er das Eintreffen miterleben konnte. Soweit die Spekulation.
Gab es aber damals überhaupt Möglichkeiten für solche Vorhersagen? Mit dieser
Frage befassten sich in den letzten Jahren die Frühorientalisten, indem sie die bei
Ausgrabungen in Mesopotamien gefundenen Keilschriftarchive veröffentlichten
und die Texte zahlreicher Schrifttafeln interpretierten. Neben einzelnen Tafeln aus
[Neug 55] sind es die astronomischen Tagebücher [Hung 01], die genaue Aufzeich-
nungen zu Finsternissen für die Jahre 652 bis 61 v. Chr. enthalten. Man hat darin
Tafeln des 4. Jh. v. Chr. über Mondfinsternisse gefunden, die eine lückenlose Anga-
be möglicher Finsternistermine von 747 bis 315 erlauben. Sie beruhen einerseits
auf Beobachtungen, weitgehend auch auf Rückrechnungen, sind aber andererseits
wegen des systematischen Bezugs auf den Saroszyklus durchaus für Vorhersagen
über die Möglichkeit solcher Ereignisse geeignet. Hier soll die Methodik dieses An-
satzes unter Anwendung auf die Gegenwart erläutert werden.
Der Grundgedanke von J. M. Steele besteht darin [Stee 00, BrSt 05], die leichter
zu behandelnden Mondfinsternisse der Saroszyklen etwas anders zu gruppieren als
bisher erläutert, nämlich die bereits erwähnten 38 Spalten einer entsprechenden Ta-
belle ähnlich wie Tabellen€37 und 38 zeilenweise darzustellen und auf Doppeleinträ-
ge zu verzichten. Dabei entfallen die Novae, also Mondfinsternisse im Abstand eines
Monats, die ohnehin sämtlich allein durch Halbschatten der Erde bedingt sind. Es
verbleiben folglich nur Finsternisse im Abstand von 5 oder 6 Lunationen, die sich in
bestimmter Weise gruppieren lassen, wie Tabelle€40 deutlich macht. In ihr sind alle
Mondfinsternisse von Tabelle€ 35 zeilenweise nach Saroszyklen dargestellt wobei
lediglich die Lunationen 47, 95, 183, 230, 318, 453 und 541 weggelassen wurden.
Wie man leicht sieht, wird der Saroszyklus hier bei Verzicht auf die erste Zeile
der Tabelle€ 35 und dafür einer Ergänzung bis 2048 in fünf Abschnitte unterteilt,
142 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

Tabelle 40↜渀 Saroszyklen der Mondfinsternisse 1995 bis 2048 (s. hierzu Tabelle€35)

nämlich die Lunationen 6 bis 48, 53 bis 89, 94 bis 136, 141 bis 177 und 182 bis 224.
Das bedeutet jeweils 8, 7, 8, 7, 8 Mondfinsternisse in einem Abschnitt, wobei der
jeweilige Abstand zwischen zwei Mondfinsternissen sechs Lunationen innerhalb,
aber fünf zwischen den Abschnitten beträgt. Die Einteilung beginnt hier willkürlich
und beruht nur darauf, die 38 Finsternisse des Saroszyklus möglichst gleichverteilt
auf die 223 Lunationen insgesamt abzubilden, denn (3â•›·â•›7â•›+â•›2â•›·â•›6)â•›·â•›6â•›+â•›5â•›·â•›5â•›=â•›223. Wie
erwartet wiederholen sich die Saroszahlen nun streng, so dass diese Spalte auch
weggelassen werden kann, sie benennt ja nur die erwähnten 38 Familien.
Markiert man fett und rot alle totalen Mondfinsternisse, erkennt man sofort das
Vorhersageschema: Nach jedem weiteren Saroszyklus besteht die Möglichkeit für
eine weitere Finsternis des gleichen Typs. Mit Bezug auf den vorigen Abschnitt
sieht man sogar, dass das insbesondere für das mittlere „Leben“ jeder Familie (Zei-
le) gelten muss, denn die gute Annäherung des Saroszyklus an das Zusammentref-
fen von Vollmond und Mondknoten garantiert die Präzision der Vorhersage, sogar
im Hinblick auf den Typ (partiell, total). Lediglich die Unregelmäßigkeiten des
Mondumlaufs um etliche Stunden sowie die Frage der Sichtbarkeit (nur nachts)
stellen Einflüsse dar, die zum Ausbleiben der Finsternis führen können.
Übrigens lassen die Keilschrifttafeln hierzu bereits Korrekturdaten erkennen, die
u.a. den nicht ganzzahligen Rest der Zykluslänge von 6585,32€d, also etwa 8€h, be-
rücksichtigen, der ja zur Beobachtbarkeit dadurch beiträgt, dass erst nach drei Zyk-
len wieder die angenähert gleiche Tageszeit zu erwarten ist. Für Tabelle€40 bedeutet
das, dass die nächste (hier nicht dargestellte) Spalte annähernd auch die Zeitangabe
7.6 Schlußfolgerungen 143

für das Finsternismaximum wiederholen würde. Andererseits verschieben sich die


Zeitangaben in den drei angegebenen Spalten zeilenweise jeweils um etwa 8€h.
Man kann diese Aussage natürlich leicht auf Sonnenfinsternisse übertragen und
kommt damit zur lange vermuteten Erkenntnis: Die Priesterkaste der Chaldäer in
Babylon hat vermutlich bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. die Gesetzmäßigkeiten
erkannt, auf denen die Finsternisse von Sonne und Mond beruhen, und mit Hilfe
genau aufgezeichneter Ereignisse deren Regeln einer Wiederholung aufstellen
können. Daher ist nicht auszuschließen, dass ihnen am Anfang des 6. Jahrhunderts
klar war, wie Vorhersagen aussehen müssen: Die Chance einer Wiederholung ist
groß, wenn man 223 Voll- bzw. Neumonde abwartet, sie ist sehr groß für totale
Finsternisse unseres Trabanten.
Man kann daher nicht ausschließen, dass dieses Wissen auch zu den Griechen
nach Ionien gelangte und wesentlich dazu beitrug, dass sich bei ihnen das Streben
nach Wissen verstärkte, das schließlich in klassischer und späterer Zeit zur Blü-
te der mathematischen und astronomischen Wissenschaften führte, deren Umfang
und Tiefe Mathematiker und Historiker noch heute in Erstaunen versetzen. Wie die
Keilschriftarchive deutlich machen, gelang das nicht durch Denken und Genialität
allein, sondern beruhte auf unermüdlichem Beobachten und Fleiß bezüglich der
Aufzeichnungen, die allein zu sicherem Wissen über Vergangenes führen, aber auch
zur Spezialisierung auf eng eingeschränkte Arbeitsbereiche. Kulturstaaten brauchen
Künstler und Wissenschaftler, wenn ihr geistiges und materielles Umfeld in ferner
Zukunft nicht der Vergessenheit anheimfallen soll.
Frage 12:╇ Erlauben kürzere Zyklen als der Saroszyklus ebenfalls Finsternisvor-
hersagen?

7.6 Schlußfolgerungen

Die Erläuterungen in den vorangehenden Abschnitten machen deutlich, dass sich


genauere Aussagen herleiten lassen, wenn man einen längeren Zeitraum als den
der Tabellen 34 und 35 dazu heranziehen würde. Das hat G. van den Bergh vor
allem deswegen machen können, weil Th.€v.€Oppolzer bereits vor über 100 Jahren
einen Kanon der Finsternisse berechnet hat, der sich nicht nur auf die Neuzeit
beschränkt, sondern den gesamten Zeitraum irgendwie historisch belegbarer An-
gaben zu Finsternissen einbezieht [vOpp 87]. Diese Arbeiten sind in neuerer Zeit
verfeinert worden [vGen 03], wobei eine größere Zahl möglicher Finsterniszyk-
len zusammengestellt wurde, die man durch eine Kombination von Vielfachen der
Saros- und Inexzyklen auch űber Tabelle 39 hinaus systematisch erzeugen kann.
Allerdings reichen die einfachen Zyklen bis zum Saroszyklus mit 223 Lunationen
aus, um sich ein Bild von den Finsternismechanismen zu machen und festzustellen,
dass die Periodendauer das „Leben“ der Familien beschreibt.
Dabei wird deutlich, dass bereits kürzere Folgen angenäherte Angaben ermög-
lichen, so ähnlich wie sich der gregorianische Lunisolarkalender aus einfacheren
144 7 Sonnen- und Mondfinsternisse

Ansätzen entwickelt hat. Trotz der Unregelmäßigkeit des einzelnen Mondumlaufs


ist die Regelmäßigkeit erstaunlich, mit der sich die Finsternisse wiederholen und so
ihre präzise Vorhersage ermöglichen. Dabei wird aber auch deutlich, dass nur Auf-
zeichnungen der Beobachtungen korrekte Aussagen für die Zukunft möglich ma-
chen, folglich die Kalender ein nahe liegendes Instrumentarium bilden, das neben
den Datumsangaben auch die eintretenden Finsternisse festzuhalten erlaubt. Darü-
ber haben vermutlich die Chaldäer in Babylon früher verfügt als andere Völker des
Altertums, jedenfalls soweit sich das für den Kulturkreis um das Mittelmeer herum
aus den überlieferten Quellen belegen lässt.

Literatur

[vdBe 55] Bergh, G. van den, Periodicity and variation of solar (and lunar) eclipses, Willink,
Haarlem 1955
[BrSt 05] Brack-Bernsen, L., Steele, J.M., Eclipse prediction and the length of the Saros in Baby-
lonian astronomy, Centaurus 47, 2005, p. 181–206
[vGen 03] Gent, R. van, A catalogue of eclipse cycles, http://www.phys.uu.nl/~vgent/eclipse/
eclipsecycles.htm
[Hung 01] Hunger, H., Astronomical diaries and related texts from Babylonia, Vol. 5, Österr. Akad.
d. Wiss., Wien 2001
[Moss 81] Mosshammer, A.A., Thales’ eclipse, Trans. Amer. Philolog. Ass. 111, 1981, p. 145–155
[Neug 55] Neugebauer, O. (ed.), Astronomical cuneiform texts, (3 vol.) Humphries, London 1955
[vOpp 87] Oppolzer, Th. von, Canon der Finsternisse, Wien 1887
[Stee 00] Steele, J.M., Eclipse prediction in Mesopotamia, Arch. Hist. Sci. 54, 2000, p. 421–454
[StFa 97] Stephenson, F.R., Fatoohi, L.A., Thales’ prediction of a solar eclipse, J. Hist. of Astron.
28, 1997, p. 279–282
[Verb 04] http://user.online.be/felixverbelen/catzeute.htm sowie http://user.online.be/felixver�be�-
len/lunecl.htm
[vdWa 80] Waerden, B.L. van der, Die Anfänge der Astronomie, 2. Aufl., Birkhäuser, Stuttgart
1980
[Webb 05] http://www.hsscheibbs.ac.at/_lernen/physik/finsternis.jpg
Kapitel 8
Zukunftsvorschläge

Bild 31↜渀 Dezimaluhr um


1800 [Hahn 84]

Mit der Einführung der dezimalen Maße für viele physikalische Größen in den Jah-
ren der französischen Revolution versuchte man auch dezimale Stunden, Minuten
und Sekunden einzuführen. Doch war es schwer, die Zifferblätter und Zahnräder
aller vorhandenen Uhren rasch umzustellen, so dass dieser Vorschlag ebenso wie
der Revolutionskalender bald scheiterte.

W. Görke, Datum und Kalender, 145


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6_8, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
8.1 Messung der Zeit 147

8.1 Messung der Zeit

Wie der Leser aus den letzten Kapiteln vermuten wird, entstehen wichtige Fragen
für die Zukunft:
Lassen sich aus der Astronomie oder Geophysik Aussagen zu zukünftigen Zeitanga-
ben herleiten? Wie konstant sind die derzeitigen Grundlagen unserer Kalender?
Ist unser gregorianischer Kalender noch zeitgemäß? Wie müsste man ihn ändern,
um die erwähnten Nachteile zu kompensieren?

Zwar ist die Grundlage der hier betrachteten Kalender der Tag mit dessen Datum,
also ein ziemlich grobes Zeitmaß, doch müssen nicht Fehler allein durch den Ab-
lauf der Zeit entstehen? Es wurde mehrfach gezeigt, dass die drei wichtigen Ka-
lenderparameter Tagesdauer, Mondumlaufsdauer und Erdumlauf um die Sonne nur
innerhalb bestimmter Näherungen verwendet werden, oft weil genauere Werte in
historisch ferner Vergangenheit nicht besser bekannt waren. Wie sieht das heute
aus? Kann man sich auf historische Angaben verlassen? Können Fehler entstehen,
weil sie auf Irrtümern beruhen oder falsch überliefert worden sind?
Im letzten halben Jahrhundert wurden so große Fortschritte bei der Zeitmessung
erreicht, dass es gelang, unsere gegenwärtige Zählung völlig von alten Annahmen
und Voraussetzungen zu entkoppeln. Das geschieht teilweise durch neue Definitio-
nen aufgrund verbesserter Modelle und Theorien über die Grundgrößen, teils we-
gen neuer Möglichkeiten der Messtechnik. So wurde die Sekunde durch eine auf die
Atomresonanz gegründete Konstante neu definiert: War sie bis 1957 der 86€400. Teil
der mittleren Tagesdauer des tropischen Jahres, anschließend der 31 556 925,9747.
Teil des siderischen Jahres, ist sie seit 1974 die Dauer von 9€192€631€770 Schwin-
gungen des Cäsium-Isotops 133Cs. Man kann damit Ephemeriden berechnen, das
heißt Bahndaten der Planeten, aus denen wiederum die Beobachtungsörter der Him-
melskörper rückdatierbar und genauso vorhersagbar werden [ScTr 84, S. 38]. Eph-
emeriden sind eigentlich Tagebücher astronomischer Aufzeichnungen, die sich seit
dem 15. Jh. eingebürgert hatten. Heute werden sie als Almanach oder Jahresbücher
für die Schifffahrt in verschiedenen Ländern herausgegeben.
Es soll hier nicht im Detail dargestellt werden, wie man von dieser Sekunde
der internationalen Atomzeit TAI zur bürgerlichen Zeit oder koordinierten Welt-
zeit UTC (universal time coordinated) gelangt. Früher war die klassische Weltzeit
UT0 des Meridians von Greenwich der Londoner Sternwarte maßgebend, die auf
der mittleren Tageslänge beruhte, während UT1 derzeit der astronomische Zeitab-
lauf ist. Korrigiert man ihn um die Polbewegung der Erde sowie die Einflüsse der
Gezeiten und vergleicht ihn mit der Atomzeit, stellt man Unregelmäßigkeiten fest,
d.€ h. die Erde dreht sich nicht gleichmäßig mit konstanter Geschwindigkeit. Seit
1972 gleichen Schaltsekunden die Abweichungen aus. Man erhält die Weltzeit UTC
aus der Atomzeit durch Kumulation der veröffentlichten Schaltsekunden. Weiterhin
wird UTC heute weltweit durch Zeitzonen modifiziert und bildet so das Zeitmaß für
unseren Alltag. Es sei angedeutet, dass seit 10 Jahren diskutiert wird, diese Schalt-
sekunden wieder abzuschaffen oder ihre Verwendung zu modifizieren. Ihr Einschub
148 8 Zukunftsvorschläge

soll die Differenz zwischen UTC und UT1 unter dem Wert von ±0,9€s halten. Leider
kann man derzeit diese Notwendigkeit nur kurzfristig vorhersagen. Zuletzt hatte
das Jahr 2008 eine Zusatzsekunde, die die Tageslänge des 31.12.2008 auf 86 401€s
vergrößerte. Aber wann werden die nächsten Schaltsekunden fällig? Derzeit kann
das niemand sagen. Unpraktisch ist, dass so kurzfristig Synchronisationsprobleme
auftreten, da alle Rechneruhren korrigiert werden müssen, was leicht zu Funktions-
fehlern führen kann. So bedeutet eine Sekunde in Navigationssystemen eine um
bis zu 500€m fehlerhafte Ortsangabe, was für die Luftnavigation natürlich vermie-
den werden muss. Deshalb verwendet das globale Positionierungssystem GPS die
Atomzeit, liefert aber auch die Anzahl der Schaltsekunden in seinen Satellitentele-
grammen, so dass die Geräte jederzeit die korrekte koordinierte Weltzeit berechnen
können. Das russische GLONASS dagegen verwendet UTC bezogen auf Moskau,
ist also kurze Zeit nicht verfügbar, wenn eine weitere Schaltsekunde eingefügt wer-
den muss. Auch für die Rechnernetze gilt ähnliches. Das gegenwärtige Zeitsystem
ist also nicht besonders gut. Aber wie soll man es verbessern?
Heute sind die Unregelmäßigkeiten des Erdumlaufs messbar, die Abweichung
der mittleren Tageslänge über die Jahreszeiten hinweg wie auch die langsame Zu-
nahme der Rotationsdauer der Erde und damit verbunden die Beschleunigung des
Mondumlaufs. Ersteres liegt im Bereich von Minuten, die sich über das Jahr aus-
gleichen. Letzteres ist als Wert sehr klein, nämlich 26 Bogensekunden pro Jahrhun-
dert zum Quadrat, und findet in den Gezeiten der Meere und ihrer Gravitationsaus-
wirkung eine Erklärung. Auch die Form der Erde wirkt sich aus, also die Wirkung
der Tektonik auf die Abplattung, so dass die Erdrotationsdauer um etwa 1,7€ms pro
Tag zunimmt. Das bedeutet, dass sich ein Delta-T auf die Zeitmessung auswirkt,
das auf die Zeit um 500 v. Chr. zurückgerechnet fast fünf Stunden beträgt und seit-
dem bis auf den Wert Null abnimmt [Kroj 03, S. 362]. Finsternisberechnungen für
die Antike erfordern also entsprechende Korrekturen, will man sie mit historischen
Messungen vergleichen. Man sieht hieraus, dass die astronomischen Auswirkungen
auf die Zeitmessung praktisch keinen Einfluss auf Kalenderangaben haben und dies
auch zukünftig so bleiben wird, so lange nicht Unvorhersehbares die Vorausset-
zungen für diese Aussage ungültig macht. Dennoch sind die Tage und damit Jahre
wegen der Schaltsekunden ungleich lang, z.€B. war 1972, als 2 Schaltsekunden ein-
gefügt wurden, das längste Jahr des 20. Jh.
Genau genommen sind unsere gewohnten Zeiteinheiten Stunde, Minute und
Sekunde anachronistische Überbleibsel der in Antike und Mittelalter verwendeten
Sexagesimalzahlen. Wären nicht dezimale Unterteilungen des Tages als Grund-
einheit für Berechnungen von Zeitintervallen viel bequemer? Das ist vor etwa
200 Jahren durchaus versucht worden, doch konnte sich diese Idee im Gegensatz
zur Modernisierung der Längenmaße oder anderer physikalischer Einheiten nicht
durchsetzen. Das liegt vor allem an den Uhren, die sämtlich andere Zifferblätter
aufweisen müssten (Bild€31). Man braucht dafür 10 Positionen für die nun 2,4 alte
Stunden dauernden Neustunden. Jede von ihnen hätte 100 Neuminuten, diese je 100
Neusekunden. Nur als Kuriosität sei der Vorschlag hier erwähnt. Wegen der Zu-
sammenhänge mit den zahlreichen geometrischen Angaben der Astronomie besteht
vorläufig kein Bedarf für solche Änderungen.
8.2 Kalenderverbesserungen 149

8.2 Kalenderverbesserungen

Die vorangehenden Kapitel haben gezeigt, dass es viel einfachere Kalender als
unseren gregorianischen gibt, alle aber auch ihre Nachteile aufweisen. Zum Bei-
spiel ist der iranischen Sonnenkalender systematisch und recht genau, hat aber um-
ständliche Schaltregeln. Daher bleibt die Frage, ob sich der gregorianische Kalen-
der vereinfachen lässt und besser an unser heutiges Leben angepasst werden kann.
Wie schon gesagt wurde, könnte ein Ziel die Vermeidung oder Verringerung des
Fehlers des gregorianischen Sonnenjahres sein, der ja bewirkt, dass im 4. Jahrtau-
send ein weiterer Schalttag entfallen muss. Man könnte folglich die Schaltregeln
verändern [Mila 24], z.€B. indem nicht alle durch 400 teilbaren Jahrhundertjahre
Schaltjahre bleiben, wie das derzeit der Fall ist, sondern nur solche, deren Jahrhun-
dertzahl durch 9 geteilt den Rest 2 oder 6 ergibt. Damit wären 2000 und 2400 wie
bisher Schaltjahre, dann aber nicht 2800, sondern erst 2900, nicht 3200, aber 3300,
nicht 3600, aber 3800 usw. Alle übrigen Jahrhundertjahre sind Normaljahre mit 365
Tagen. Das so bestimmte Reformjahr der orientalischen Kirchen wurde 1923 vom
Kongress dieser Kirchen in Konstantinopel unter Vorsitz des Patriarchen Meletius
IV. beschlossen und sollte in Russland, Griechenland, Serbien und Rumänien ein-
geführt werden. Da das Datum um 13 Tage korrigiert werden sollte und Ostern nicht
mehr zyklisch, sondern astronomisch nach dem Meridian von Jerusalem bestimmt
werden sollte, wäre diese Reform auch für die Westkirchen annehmbar, zumal erst
ab 2800 Differenzen im Sonnenjahr auftreten werden.
Leider ist das bisher nicht eingeführt worden, weil einerseits gegen die Datums-
änderung Widerstand in den Ostkirchen entstand, da Feste für bis zu 13 Tagesheilige
betroffen sein würden. Andererseits aber bietet die astronomische Berechnungswei-
se Gegenargumente, denn nun ist man wieder auf die korrekte Berechnung einer In-
stitution und deren Verbreitung der offiziellen Vollmonddaten angewiesen. Sowohl
die Schaltsekunde des vorigen Abschnitts wie diese Vollmondangabe würden einen
modernen Pontifex Maximus wie im antiken Rom oder einen Osterbriefverfasser
wie in der Zeit des Frühchristentums einsetzen.
Kein Wunder also, dass es bisher zu diesem Vorschlag keine Einigung geben
konnte. Allerdings hätte die Übernahme der neuen Schaltregel den Vorteil, dass die
Dauer des Sonnenjahres auf 365€d 5€h 48€m 48€s verkleinert würde. Das ist um 24
Sekunden besser als das gregorianische Jahr, lässt nur einen Restfehler von 2 Se-
kunden, die sich erst nach etwa 40€000 Jahren zu einem Fehlertag addieren würden.
Leider ist aber diese Schaltregel nicht so leicht zu merken wie die Jahrhundertregel
bisher. Außerdem hat sie den Nachteil, dass nun 1600 kein Schaltjahr hätte sein
dürfen!
Erwähnt sei an dieser Stelle ein Vorschlag von J.H. Mädler (1794–1874), mit
dem er die Fehler des gregorianischen Kalenders reduzieren wollte [Sele 81]. Mit
einer Kettenbruchentwicklung der Länge des Sonnenjahres erhielt er die Näherung
365 31/128 d, also 365,242 19 d. Das bedeutet eine Verwendung von 31 Schalttagen
in 128 Jahren und hätte den Vorteil, dass sich erst in mehr als 100€000 Jahren ein
Fehler von einem Tag akkumuliert. Hätte man ihn mit dem Jahr 1900 eingeführt,
150 8 Zukunftsvorschläge

wären 2028, 2156 usw. Normaljahre ohne Schalttag, während 2100, 2200 usw.
Schaltjahre blieben. Das ließ sich aber im 19. Jh. nicht durchsetzen. Erst in unseren
Tagen erscheint ein Schaltzyklus von 128â•›=â•›27 Jahren nicht mehr ganz so fremd.
Ein anderer Vorschlag für einen zukünftigen Kalender versucht, die Quartale
gleich lang zu gestalten, z.€B. zu 13 Wochen mit 7 Tagen, also 91 Tagen, wobei 364
Tage als Jahreslänge herauskommen. Den 365. (und eventuell 366.) Tag würde man
als Feiertag (Neujahr, Schaltjahr) begehen und aus der fortlaufenden Wochentags-
zählung herausnehmen. Dann wären alle Daten fest an ihren Wochentag gebunden,
würden sich quartalsweise wiederholen, wobei man aber die Monatslänge so ändern
muss, dass zweimal 30 und einmal 31 Tage pro Quartal auftreten. Auch für Ostern
müsste ein fester Sonntag vorgegeben werden, zum Beispiel der erste Aprilsonntag,
also der 7.4., wenn das so reformierte Jahr mit einem Montag beginnt. Trotz zahl-
reicher Debatten gelang es auch hier nicht, die Widerstände zu überwinden, zumal
sich alle Traditionalisten nun im gleichen Lager befinden: den Fortlauf der Wochen-
tagszählung zu unterbrechen, die Monatslänge neu zu definieren, die Zusatzfeier-
tage (den 31.12. und 31.6. neuer Art) einzurichten und alle beweglichen Feste zu
fixieren, das ist einfach zuviel!
So werden wir für absehbare Zeit am gregorianischen Kalender festhalten. Ist es
deshalb nicht nützlich, etwas über seine Bedeutung in der Welt, seine Entstehung,
seinen Aufbau und seine Probleme gelesen und erfahren zu haben? Mindestens
kennt man so einige gar nicht offensichtliche Merkwürdigkeiten und Kuriositäten,
mit denen wir zu leben gewohnt sind.

Literatur

[Hahn 84] Hahn, G.v., Jahre – Tage – Stunden, AT-Verlag, Aarau 1984
[Kroj 03] Krojer, F., Die Präzision der Präzession Differenz-Verlag, München 2003
[Mila 24] Milankovitch, M., Das Ende des julianischen Kalenders und der neue Kalender der
orientalischen Kirchen, Astronom. Nachr. Nr. 5279, 1924, Sp. 379–384
[ScTr 84] Schaifers, K., Traving, G., Meyers Handbuch Weltall, 6. Aufl., Bibliographisches Insti-
tut, Mannheim 1984
[Sele 81] Seleschnikow, S.I., Wieviel Monde hat ein Jahr? Urania, Leipzig 1981
Anhang

Tabelle 41↜渀 Monatsnamen im islamischen, iranischen und jüdischen Kalender (nach Wikipedia)

Früher wurden Datumsangaben aus geeigneten Tabellen als sogenannte ewige Ka-
lender bestimmt, die oft in Taschenkalendern angegeben waren. Daher werden an-
schließend die wichtigsten dieser Tabellen nach [Grot 91] (s. Kapitel€6) angeführt.
Sie erlauben ohne weitere Hilfsmittel eine Bestimmung des Wochentags und des
Ostersonntags im julianischen und gregorianischen Kalender sowie Indiktion und
römisches Datum.
Heute ist vermutlich jeder Leser in der Lage, ein beliebiges Datum in einem
der behandelten Kalender selbst zu bestimmen, indem er ein dazu im Internet ver-
fügbares Programm aufruft. Als nützlich sei hierzu auf http://emr.cs.iit.edu/home/
reingold/calendar-book/Calendrica.html besonders hingewiesen.

W. Görke, Datum und Kalender, 151


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
152 Anhang

Tabelle 42↜渀 Sonntagsbuchstaben für den julianischen und gregorianischen Kalender [Grot 91]

Die Jahrhundertspalten lassen sich zyklisch erweitern, also für den alten (juliani-
schen) Stil links 2100 nach 1400, 2200 nach 1500 usw., für den neuen (gregoriani-
schen) Stil entsprechend links 2500 nach 2100, 2600 nach 2200, 2300 nach 1900 usw.
Der Sonnenzyklus ergibt sich auch aus SZâ•›=â•›(Jahr nChrâ•›+â•›9) mod 28 nach [Zema 87].
Anhang 153

Tabelle 43↜渀 Wochentagsbestimmung mittels Sonntagsbuchstaben für ein beliebiges Jahr im grego-
rianischen und julianischen Kalender

Die Spalte benennt alle Sonntage nach dem betreffenden Sonntagsbuchstaben,


die zugehörige Zeile unten alle Wochentage eines Jahres. Ablesbar sind auch alle
Tagesbuchstaben.
154 Anhang

Tabelle 44↜渀 Goldene Zahlen

Die Goldene Zahl ergibt sich auch aus GZâ•›=â•›(Jahr nChrâ•›+â•›1) mod 19
Anhang 155

Tabelle 45↜渀 Gregorianische Ostergrenzen

Die rechte Spalte gilt auch für die Jahre 2400 bis 2499. Für die Jahre 2300 bis
2399 sind dort Datum und Tagesbuchstabe um einen Wert zu erhöhen (Ausnahme
bei GZ 17 mit 21 M C statt 18 A C).
Mit Goldener Zahl und Sonntagsbuchstabe eines Jahres ergibt sich aus der ent-
sprechenden Zeile der Ostersonntag. Z.€B. erhält man für 2012 SBâ•›=â•›AG, GZâ•›=â•›18,
OGâ•›=â•›7.4. mit F. Also ist der 8.4.2012 Ostersonntag.
156 Anhang

Tabelle 46↜渀 Julianische Ostergrenzen


Anhang 157

Tabelle 47↜渀 Indiktion

Die Indiktion ergibt sich auch aus Indâ•›=â•›(Jahr nChrâ•›+â•›3) mod 15


Die Periode der Indiktion lässt sich zyklisch fortsetzen, indem weitere Kopfzei-
len eingefügt werden, also 1800 nach 1500, dann 1900, 2000 usw.
158 Anhang

Tabelle 48↜渀 Römischer Kalender


Antworten zu den Fragen im Text

Antwort 1:╇ Der gregorianische Sonnenzyklus hat eine Länge von 400 Jahren. Das
sind 400 · 365 + 97 d = 14 697 d oder 20 871 Wochen ohne Rest.
Antwort 2:╇ Zwei, da für jede Zeitzone nur 30€min benötigt werden, insgesamt also
2â•›·â•›24 Zonen überflogen werden. Allerdings kompensiert davon die Erddrehung die
Hälfte. Man muss das Datum folglich um einen Tag zurücksetzen.
Antwort 3:╇ Beim entsprechenden Flug nach Westen würde man den Stillstand der
Zeit für die gesamte Flugdauer beobachten.
Antwort 4:╇ D C, damit der 28.2. Sonnabend, der 1.3. aber Montag werden.
Antwort 5:╇ Der 29.2.2004 war folglich Sonntag.
Antwort 6:╇ Nach 28 Jahren, also 2032, wiederholt sich diese Zuordnung.
Antwort 7:╇ Nein, aber die Tagesdifferenz erhöht sich dann auf 14€d.
Antwort 8:╇ Nein, denn die rückgerechnete gregorianische Korrektur führt auch zu
späteren julianischen Zuordnungen. Dadurch ist der 1.1.1 gregorianisch der 3.1.1
julianisch. Beide Kalender haben so unterschiedliche Anfangstage.
Antwort 9:╇ Nein, da damals in England der julianische, in Spanien aber der gre-
gorianische Kalender galt. Die Jubiläen müssten am 23.4. bzw. am 3.5.2016 statt-
finden, wenn man sie korrekt feiern will.
Antwort 10:╇ Nein, da die Mondangleichung die eigentlich notwendige Epakten-
korrektur kompensiert.
Antwort 11:╇ Da der Fastnachtssonntag 7 Wochen vor Ostern liegt, wird hier nach
Ostersonntag am 14.4. gefragt. Folglich muss der Sonntagsbuchstabe F oder FE
betragen, die Goldenen Zahlen aber 4, 7, 12, 15 oder 18, da nur 7. bis 13.4. als
Ostergrenzen zulässig sind (s. Tabelle€45). Nur für die GZ 7 und 18 ist aber der 14.4.
Sonntag, also kann mit Hilfe der Tabellen€42 und 44 die Antwort nur 1963 oder
1974 lauten. (Beim nächsten Termin 2036 liegt ein Schaltjahr vor, also muss dann
der 13.4. Ostersonntag sein!)
Antwort 12:╇ Ja. Im Prinzip sind die Zykluslängen der Tabelle€ 39 verwendbar,
jedoch mit geringerer Genauigkeit.

W. Görke, Datum und Kalender, 159


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
Personenindex

Abul-Fida, 9 Mädler, Johann Heinrich, 149


Al-Biruni, 46 Magellan, Ferdinand, 9
Alexander d. Gr., 79 Manetho, 32
Alfons X., 102 Meton von Athen, 67, 88, 113
Ali Muhammed, Mirza, 39 Nabonassar, 32
Augustalis, 91 Nabu-Rimannu, 128
Augustus Octavianus, 4, 33, 69, 97 Napoleon Bonaparte, 40
Beda Venerabilis, 74, 87, 92, 105 Nikolaus von Cues, 104
Brahe, Tycho, 53 Numa Pompilius, 68
Caesar, Gajus Iulius, 4, 69, 86 Omar Khayyam, 38
Cervantes, Miguel de, 105 Oppolzer, Theodor von, 143
Clavius, Christoph, 8, 94, 107, 120 Pascal von Palenque, 24
Cortez, Hernan, 31 Pigafetta, Antonio, 10
Diokletian, 4, 33, 69, 80 Ptolemaios III. Euergetes, 33
Dionysius Exiguus, 69, 74, 80, 87, 90, 105 Ptolemäus, Claudius, 32, 45, 131
Gauß, Carl Friedrich, 7, 104 Reinhold, Erasmus, 102
Gregor XIII., Papst, 6, 85 Sacrobosco, Johannes de, 118
Heraklius, 79, 80 Saladin, Sultan, 10
Herodes, 70 Scaliger, Joseph Justus, 21, 81
Herodot, 140 Schwilgué, Jean Baptiste, 105, 109
Hillel II., Rabbi, 71 Shakespeare, William, 105
Hussein Ali, Mirza, 39 Sosigines, 69
Kidinnu, 128 Su Sung, 43
Kolumbus, Christoph, 9 Thales von Milet, 129, 140
Konstantin d. Gr., 70, 80 Ulug Beg, 46
Kopernikus, Nikolaus, 9, 11, 102 Varro. Marcus Tertentius, 68
Lilius, Aloysius, 94, 100 Xing Yunho, 53
Lilius, Antonius, 94

W. Görke, Datum und Kalender, 161


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
Sachverzeichnis

A G
Abkürzungen, 4 Gleichzeitigkeit, 111
Ära
byzantinische, 80 H
christliche, 34, 69 Hedschra, 35, 46, 48
Diokletian, 4 Helligkeit, 12, 128
Nabonassar, 32 Himmelsäquator, 1, 12, 13, 15, 34
seleukidische, 67 Himmelsstamm, 51
varronische, 68
Welt-, 80, 121 I
Indiktion, 34, 70, 80, 90, 110
C Inexperiode, 132
Codex, 29
Computus, 17, 80, 85, 86, 99, 111 J
Jahr
D bürgerliches, 25, 35
Datum, 35, 49, 85, 149 gregorianisches, 5
Datumsdifferenz, 7, 75, 104, 113 ISO-, 21
Datumsgrenze, 8–10 julianisches, 5, 16, 21, 33, 81
Doppelepakten, 75, 100, 101, 120 rituelles, 25
siderisches, 62
Jahreslänge
E siderische, 14
Ekliptik, 12, 34, 50, 56, 62, 127, 130 tropische, 14, 37
Ellipse, 14, 62, 128
Epakten, 48, 75, 80, 88, 90, 94, 110 K
Änderung, 75, 104 Kalender, 81
des Beda, 92 ägyptischer, 32
des Lilius, 94, 103 alexandrinischer, 33, 80
gregorianische, 103 armenischer, 33
zukünftige, 114 astronomischer, 47
Epoche, 81 Azteken-, 26, 31
christliche, 69 Bahai-, 39
Erdzweig, 51 bürgerlicher, 3, 4, 33, 48
Exeligmos, 132 chinesischer, 50
immerwährender, 99
F indischer, 61
Finsternis iranischer, 35
Halbschatten-, 128, 138 islamischer, 45
Kanon, 143 ISO-Wochen-, 23
Periode, 130 jüdischer, 16, 70, 71, 79, 120
totale, 128 julianischer, 4, 34, 69, 87
Frühlingspunkt, 5, 12, 23, 34, 62, 83, 103 Revolutions-, 34, 40, 145
Frühlingsvollmond, 6, 48, 73, 90, 113, 118 römischer, 34, 67, 89

W. Görke, Datum und Kalender, 163


DOI 10.1007/978-3-642-13148-6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
164 Sachverzeichnis

Kalenderreform, 97, 119 P


Kalenderrunde, 26, 28 Passah, 73, 120
Kalenderstein, 19, 26, 29, 91, 106 Polarstern, 11, 13
Kettenbruch, 45, 132 Präzession, 12, 32, 36, 50, 51, 63, 83
Konjunktion, 127
S
L Sarosfamilie, 132
Lunation, 49, 127, 133, 136 Saroszyklus, 130
Lunisolarkalender Satelliten, 11
chinesischer, 53 Schaltjahr
gregorianischer, 4 Anzahl, 38
zyklischer, 67 Berechnung, 57
Doppel-, 23
M iranisches, 37
Monat ISO-, 23
synodischer, 15, 127 Mond-, 77
Mondalter, 46, 75, 88, 91, 96, 107, 114 Sonnen-, 75
Mondbewegung Schaltmonat, 45, 48, 56, 62, 67, 71, 88, 99
Ungleichheit der, 50 Schaltregel
Mondfinsternis, 128 gregorianische, 37, 103
totale, 137 julianische, 69, 86
Mondjahr, 45 neue, 149
Mondkalender, 45, 67 Schaltsekunde, 147
gregorianischer, 73, 75, 77, 104 Schalttag, 5, 16, 22, 33, 45, 69, 83, 97, 104,
indischer, 61 113, 149
julianischer, 73, 74 Schattenplaneten, 62
Mondknoten, 129 Sekunde, 4, 147
Mondmonat, 53, 62 Sonnenfinsternis, 128
drakonitischer, 14 totale, 133
synodischer, 15 Sonnenjahr
Mondsprung, 56, 73, 85, 88, 92, 94, 101, astronomisches, 5
115 gregorianisches, 23, 97
Mondumlauf, 6, 16, 40, 53, 72, 77, 99, 107, Halbmonate, 51
127 julianisches, 86
Korrektur, 96
N tropisches, 5
Neujahr Sonnenkalender
chinesisches, 55 arithmetischer, 34
indisches, 62 astronomischer, 34
iranisches, 36, 40 gregorianischer, 5, 6, 21
jüdisches, 72 Sonntagsbuchstabe, 21, 22, 85, 116
Neujahrstag, 22, 30, 37, 63, 73, 78 Sothisperiode, 130
Neulicht, 46, 48, 75, 92, 97 Sternbilder, 12
Neumond, 92, 97 Sternzeichen, 12, 62, 65

O T
Opposition, 128 Tag
Osterdatum, 6, 111 dezimaler, 148
Osterfestberechnung, 6, 17, 85, 112 julianischer, 21, 79, 81
Ostergrenze, 74, 85, 91, 97, 104, 113 Tag- und Nachtgleiche, 13
Ostertabelle, 91 Tagesbuchstabe, 21, 93, 104, 116
Osterzyklus, 120 Tierkreis, 13, 83
Sachverzeichnis 165

U Z
Umlaufzeit Zahlen
der Sonne, des Mondes, 15 chinesische, 55
mittlere, 87 Goldene, 72, 86, 91, 96, 104, 119
Satelliten-, 11 Zählung
siderische, 62 kurze, 29
lange, 24, 29
V Zeitgleichung, 50
Vorhersage Zeitmessung, 3, 16, 50, 85, 147
Finsternis-, 129, 142 Zyklus
19-Jahre-, 56, 62, 67, 72, 77, 88, 113
W Finsternis-, 136
Wandeljahr, 16, 25, 32, 33, 81, 130 Sonnen-, 5, 22, 23, 80, 85, 92, 110
Weltzeit, 38, 46, 147 Zykluslänge, 138
Woche, 5, 70
gregorianische, 23
Wochentag, 5, 21, 33, 46, 72, 80, 90, 111,
119, 150

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