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ZUGER

NEUJAHRSBLAT

1987
Zuger Neujahrsblatt 1987

Herausgegeben
von der Gemeinnützigen Gesellschaft
des Kantons Zug
Inhalt

Die Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Zug Der Untergang der Zuger Vorstadt am 5. Juli 1887 Christof Buri / Christian Raschle 5
ist für die finanzielle Unterstützung
Entstehung und Sicherheitsaspekte des Zuger Seeufers John F. Ammann 47
der vorliegenden Ausgabe des Zuger Neujahrsblattes
folgenden Behörden und Institutionen Panorama vom Alpenquai in Zug Christian Raschle 64

zu Dank verpflichtet:
Neu-Fraucnstein — Minerva — Athene, ein Tempel der Erziehung Othmar Birkncr 66

Regierungsrat des Kantons Zug Pater Wolfgang Iten (1712-1 769)


Mönch und Komponist des Klosters Engelberg Joseph Willimann 83
Stadtrat von Zug
Alice und Walter Bossard-Stiflung Drei Plastiken von Bruno Scheucrmeier Heinz E. Greter 112

Drogenabhängigkeit David Köpfli 120

Waldschäden bedrohen auch den Zuger Wald Werner Giß 125

1986 Bemerkenswertes .
Erinnerungsbilder Josef Grünenfelder 1.34
Von der alten zur neuen Bibliothek Othmar Kamer 135
Einige Gedanken zur Restaurierung der St.-Oswalds-Kirche Artur Schwerzmann 136
125-Jahr- Feier der Kantonsschule Zug Hans Schuler 138
300 Jahre Zunft und Bruderschaft
der Müller, Bäcker und Zuckerbäcker der Stadt Zug Johann Brändlc 139
Eröffnung des Übergangsheims der Stiftung Phönix
an der Chamcrstraße 1 in Zug Paul Zürcher 140
Erweiterung der ZUWEBE Urs Heß 141
Werk- und Wciterbildungsbeiträge an junge Zuger Künstler 1986 Claudio Hüppi 142

Chronik des Kantons Zug Eugen Müller jun. 143

Impressum 158
Der Untergang der Zuger Vorstadt am 5. Juli 1887

Vorgeschichte, Ursachen und Folgen An der Schwelle zur Neuzeit


«Ohne Rcichthümcr, ohne Industrie, ohne wichtigen Handel und
Einleitung ohne die glänzenden Genüsse der Gesellschaft, genießt unsere Ein-
wohnerschaft einen Wohlstand, eine häusliche, weder durch Polizei-
Am S.Juli 1887 versank ein beträchtlicher Teil der noch Abgabengesetze gestörte Zufriedenheit, wie selten ein Land.» 1
damaligen Vorstadt in den Fluten des Zugersees. Mit diesen Worten charakterisierte der Redaktor
Nach dem Untergang der niederen Gasse der Alt- des «Freien Schweizers» 1833 die idyllisch an-
stadt am 4. März 1435 war dies der zweite folgen- mutende Lebensweise in Zug. Von Wohlstand
schwere Einbruch von Uferpartien in Zug, bei wel- allerdings mochte der 1829 durchreisende Nieder-
chem Menschen getötet wurden und großer Scha- länder F. H. C. Drieling wenig spüren, als er seinen
den entstand. Noch mehr als die Katastrophe von Notizen folgende Beobachtungen über Zug anver-
1435 beeinflußte jene von 1887 die weitere Ent- traute: «Zug hat nichts Besonderes an sich und trägt die Spuren
wicklung der Stadt Zug. Der Abbruch der unteren von Armut. (...) Die Einwohner leben meistens vom Ertrag des Hol-
Häuserzeile der Vorstadt zwang die Stadt, neue zes, der Butter und des Käses; auch ist kleiner Handel vorzufinden,
Wohnquartiere zu erschließen, da ein Wiederauf- der aus Deutschland über Zürich nach dem kleinen Kanton geführt
bau im Bereich der Vorstadt außer Frage stand. wird.» 2
Die neuen Bauten wurden im Gebiet des damaligen Arm war jedoch die 3000 Einwohner zählende
Bahnhofs, der sogenannten Neustadt, und der Baa- Kleinstadt Zug zu jener Zeit nicht, wie der spätere
rerstraße entlang errichtet. Landammann und Zuger Stadtpräsident Conrad
Anderseits legt das traurige Ereignis der Katastro-
phe auch Zeugnis ab von der umfassenden Solida-
rität und Hilfsbereitschaft der damaligen Mensch- Auf dieser wahrscheinlich ältesten Fotografie der Stadt Zug
erkennt man auf der linken Bilclhälftc den «Trämclhag» der
heit. Selbst aus überseeischen Gebieten trafen Sägcrci Spillmann und die Wasch- und SchifThütten in der
Spenden zu Gunsten der Geschädigten ein und tru- Vorstadt. Ebenfalls im Bild festgehalten ist der Salondampfer
gen so zur Linderung der materiellen Not bei. «Stadt Zug».

^Alt-Zug, im Jahne 1866.


Bossard (1802-1859) berichtete: «Die Gemeinden Zug, Stürme vom eigentlichen Wehrdamm fernzuhal- Situation zu meistern und erteilte Stadier, der sich gleich einen empfindlichen Dämpfer, als der Stadt-
Ober- und Unterägeri, Baar, Hünenberg besaßen und besitzen noch ten. Die antragstellende Baukommission unter- unter gewissen Bedingungen bereit erklärt hatte, rat der Öffentlichkeit verkündete, Zug sei derzeit
theils öffentliche Fonds, theils ansehnliche Gcmeindcgüter in Feld stützte diese Ansicht; im Stadtrat aber stritt man die Reparaturarbeiten auszuführen, eine Absage. nicht in der Lage, solche Projekte zu finanzieren,
und Wald. Daraus wurden die offentlichen Auslagen bcstrittcn. (...) zuerst über die Frage der Zuständigkeit für einen Ob die mildere Wetterlage oder fachliche Zweifel obwohl deren Wünschbarkeit außer Frage stehe.
Im Allgemeinen waren die Bewohner in günstigen Vermögensver- solchen Entscheid und konnte sich nicht darüber ausschlaggebend waren, jedenfalls zeigten Spezial- Deshalb wurde der Baukommission lediglich der
hältnissen. Überragend reiche Leute gab es keine, wohl aber einen einigen, ob die Kompetenz hierfür beim Rat oder kommission und Rat plötzlich keine Eile mehr, den Auftrag Überbunden, eine Persönlichkeit zu be-
durchgreifenden Wohlsland.» 3 Die Zuger verstanden es ge- der Gemeinde lag. Mit der Bemerkung, es wären zu Wehrdamm instand zu stellen. Nachdem eine Ko- stimmen, die einen Situationsplan über den Schan-
schickt, ihren Reichtum zu tarnen, so daß auch der viele Ratsmitglieder abwesend, vertagte der Stadt- stenberechnung eine Reparatur zwischen 1500 und zenplatz und das dortige Seegestade ausarbeiten
süddeutsche Reisende Christian Ludwig Fecht rat schließlich dieses Geschäft. Eine Einigung kam 1698 Franken veranschlagt hatte, stimmte der sollte.
(1778-1858) anfänglich zu einer wenig schmeichel- aber auch an der nächsten Zusammenkunft, drei Stadtrat am 11 .Juni 1842 mit fünf zu vier Stimmen
haften Beurteilung gelangte, als er bemerkte, «die Tage später, nicht leicht zustande. Eine Minder- für Nichteintreten auf die Vorlage. Die Klärung Das Quaiprojekt
Schiffslände sei der schönste, aber verwahrloseste Platz von Zug, am heit vertrat die Meinung, der Schaden sei zu ge- der komplexen Sachlage erhoffte man sich durch der Ost-West-Bahn-Gesellschaft (OWB)
See, wie arme Republiken immer verwahrlosen», um dann fort- ring, wogegen sich die Mehrheit für eine möglichst den erneuten Beizug eines Experten für Wasser-
zufahren : «In der Thal hatte Zug zu wenig Reiz, die Wanderer zu baldige Reparatur einsetzte. bau, den man in der Person des St. Galler Inspek- Wie ein Geschenk des Himmels muß den Zugern
fesseln; noch diesen Abend ward es verlassen; aberjetzt erst erschien Der Auftrag für die Ausbesserungsarbeiten bei der tors für Straßen- und Wasserbauten gefunden zu das nur wenige Wochen nach der Ernüchterung
es in seiner Glorie. Alle Augenblicke standen die Wanderer still und Platzwehre wurde an Stadier übertragen. Die Bau- haben glaubte. Aller Wahrscheinlichkeit nach fand vorgelegte Angebot der Direktion der Ost-West-
weideten sich an Zugs romantischer Lage, wie es sich an dem See in aufsicht lag beim Zuger Stadtrat Wilhelm Moos. der vielbeschäftigte Mann den Weg nach Zug Bahn-Gesellschaft vorgekommen sein, in Zug in
einem halben Bogen herumzieht.»'1 Im Mai 1841 legte dieser seinen Kollegen im Rat nicht, weshalb man sich mit der Zeit in Zug ent- Zusammenhang mit einem zukünftigen Bahnbau
Die Beschaulichkeit in Zug sollte aber bald Verän- die Schlußabrechnung über den Bau des Wehr- schloß, die Arbeit in eigener. Regie an die Hand zu auch gleich eine neue Quaianlage zu bauen. Den-
derungen unterworfen werden. Über die im Aus- dammes vor; die Gesamtkosten beliefen sich auf nehmen. Der Zustand der Platzwehre beschäftigte noch traten die einheimischen Behörden nur zö-
land geplanten Eisenbahnprojekte wurden die Zu- 4130 Franken. Der Stadtrat war des Lobes voll die Verantwortlichen auch in den darauffolgenden gernd auf diesen Vorschlag ein, obwohl die Bau-
ger durch den «Freien Schweizer» informiert. über die Arbeit seines Mitgliedes und hielt im Pro- Jahren regelmäßig. In der Absicht, die beim kommission hierfür eine positive Empfehlung aus-
Nachdem auf dem Vierwaldstättersee die erste tokoll fest, daß diese Baute «sowohl dem Erbauer und Lei- Landsgemeindeplatz vorbeiführende Straße zu gearbeitet hatte. Nachdem die Ost-West-Bahn-
Dampfschiffahrtsgesellschaft ihren Betrieb aufge- ter, als (auch) dem Orte zu jederzeit zur Ehre gereichen müsse und verbreitern, schlössen die Zuger Behörden im Mai Direktion anfangs November den Stadtrat von Zug
nommen hatte, wurden in Zug ähnliche Überle- werde. »s 1840 einen Kauf- und Tauschvertrag mit dem In- darüber in Kenntnis gesetzt hatte, daß sie, auf die
gungen angestellt. Im Vordergrund stand jedoch Doch über der Platzwehre waltete ein unglückli- haber der Platzmühle, Joseph Landtwing, ab. Der mündliche Zusicherung bauend, Plan- und Ko-
der dringend notwendige Ausbau der Zuger Stra- cher Stern. Etwa ein Jahr nach der Fertigstellung Vertrag enthielt die Auflage, Landtwing dürfe auf stenberechnungen vorgenommen hatte, befand
ßen, ein Projekt, dem in den folgenden Jahren die des Dammes beschädigte am l O.März 1842 ein dem Landstreifen zwischen Straße und Seeufer kei- sich der Stadtrat in einer unerquicklichen Position,
Hauptanstrengungen der Kantons- und Gemein- Sturm die neue Anlage derart, daß sie einzustürzen nen Bau errichten. 6 da zwar wohl die Plankosten durch die Bahngesell-
debehörden galten. Anderseits sollten aber der Öff- drohte. Am 12. März nahm Architekt Stadier, der schaft getragen wurden, nicht aber die Kosten für
nung und dem Fortschritt mehrere der alten Fe- vom Stadtrat über den Schaden informiert worden die Ausführung des Projektes sowie damit zusam-
Projekte und Pläne für Quai- und Uferbauten
stungsbauten zum Opfer fallen und so unwieder- war, einen Augenschein vor und vertrat danach die menhängender Probleme, wie Expropriationen
bringlich das Ende einer vergangenen Epoche an- Meinung, der Schaden sei weniger erheblich als be- Triebfeder zur Gestaltung der Quaianlagen war ei- und flankierende Baumaßnahmen.
künden. fürchtet. Zur Einlösung der Garantieverpflichtung ne gewisse euphorische Grundwelle in den maß- Im einzelnen waren durch den Bauführer der
zeigte er sich jedoch nicht bereit. An die Verant- geblichen Zuger Kreisen. So hatte bereits die Ge- OWB, Ingenieur J. Oesterlin, folgende Vertrags-
wortlichen in Zug richtete er den Vorwurf, sie hät- meindeversammlung vom 17. April 1859 dem punkte festgelegt worden:
Sorgen mit der Platzwehre
ten die Arbeit nicht nach seinen Plänen ausgeführt, Stadtrat den Auftrag erteilt, das Seegestade am - Das Aushubmaterial des Bahnbaus soll für den
An seiner Sitzung vom 10. August 1839 nahm der deshalb lehne er jede Übernahme einer Haftung Schanzenplatz zu verbessern. Sie traf damit die Bau einer Quaianlage zwischen Schützenhaus
Stadtrat von Zug davon Kenntnis, daß ein Teil der ab. Der Stadtrat wies die Anschuldigungen Stad- auch in der Städtischen Baukommission herr- und Dampfschiffanlegeplatz verwendet werden.
Platzwehre, und zwar der wenige Jahre zuvor er- iers zurück und warf dem Architekten Fahrlässig- schende Stimmung, die sich vom Ausbau der
stellte Verlängerungsbau, eingestürzt sei. Der für Quaianlagen neue Impulse und Anreize für den - Übernahme der Transportkosten durch die
keit bei der Planung vor. Die Zuger Behörden stell-
die Abklärung des Vorfalles herbeigezogene Exper- Fremdenverkehr erhoffte. Auch wenn man sich in OWB, der Material- und Auffüllkosten durch
ten auch die Qualität der Polierarbeit in Frage. Sei-
te, Architekt und Baumeister Hans Conrad Stadier Zug bewußt war, daß ein Vergleich mit den auf- die Stadt Zug. 7
nerseits rechtfertigte sich der Angeschuldigte in
aus Zürich, bemängelte, der Bau sei auf der steilen einem langen Brief an den Stadtrat. strebenden Nachbarstädten Zürich und Luzern Ende Dezember 1859 drängte die Direktion der
Seite auf äußerst «seichtem Grund constructionswidrig, ohne Noch schienen nicht alle Brücken zwischen den nicht möglich war, wollte man doch die Entwick- Bahn zur Eile und forderte eine Vertragsunter-
Kenntnis des Wasserbaus» gemacht worden. Stadier Parteien abgebrochen, dennoch befand die erwei- lung in die gleiche Richtung vorantreiben. Allzu zeichnung innerhalb von zwei Wochen. Stadtrat
empfahl, einen Dammkopf zu bauen, um so die terte Baukommission, sie sei auch in der Lage, die hochfliegende Zuger Pläne erhielten jedoch so- und Baukommission unterwarfen sich dem Diktat
der Gesellschaft und unterzeichneten anfangs wissern, daß er der alleinige Verantwortliche für meinte Schell, nicht angebracht, ginge es doch vor- auftragte, die vorliegenden Pläne und Skizzen zu
Januar 1860 die Vereinbarung. das Projekt sei und gleichzeitig die Gewähr für eine erst lediglich darum, eine Skizze eines solchen Pla- prüfen. Gleichzeitig wurden Pestalozzi auch die
Die Bedenken des Stadtrates wurdenjedoch deswe- kritische und sachgerechte Prüfung seiner Arbeit nes anzulegen. Dabei könnten die Projektbearbei- Pläne des OWB-Planers Oesterlin ausgehändigt.
gen nicht geringer. Sie bezogen sich einerseits auf durch einen Fachmann erhalte. Der Rat war darob ter sich erst noch auf die Vorarbeiten früherer Plan- In seiner Antwort führte der Zürcher Ingenieur
die Höhe des Kredits (9000 Franken), den die Stadt etwas irritiert und gab Stadiin die verlangte Zu- ersteller, wie etwa des OWB-Ingenieurs Oesterlin, fünf Bedingungen auf, die für einen erfolgreichen
bewilligen sollte, anderseits aber auch auf die Ar- sicherung. stützen. Schell war bekannt, daß Ingenieur Stadiin Bau einer Quaianlage in Zug beachtet werden
beit selbst. So zweifelte man die Solidität der An- Mitte Dezember 1863 lieferte Stadiin zuhanden des kurz vorher vom Stadtrat einen entsprechenden mußten:
lage ebenso an wie die Zweckmäßigkeit allgemein. Stadtrates fünf Haupt- und Nebenkopien mit Vor- Auftrag entgegengenommen hatte; er vertrat aber «- Möglichst regelmäßige Form im Grundriß
Vor allem löste die Tatsache Beunruhigung aus, schlägen zur Quaigestaltung in Zug ab. Er äußerte die Ansicht, die Arbeitsüberlastung Stadlins lasse - Vermeidung von Gefällsbrüchen, wo es möglich ist, oder wo sie
daß die Baulinie relativ weit draußen im See ver- sich dahingehend, daß «es an der Hand dieses technischen einen -kurzzeitigen erfolgreichen Vorschlag nicht nicht auszuweichen, muß die Anordnung so getroffen werden,
laufen sollte. Mit der finanziellen Leichtfertigkeit Materials nun mit geringem Aufwand von Zeit und Geld möglich erwarten, weshalb er in die Lücke springen wollte. daß sich dieselben nicht unschön ausnehmen.
Oesterlins mochten sich auch spätere Zuger Gene- werde, die Richtung und Höhe des Quai's deffmitiv festzustellen u. Zusammen mit einem Architekten namens Zeug- - Die neuen Anlagen müssen mit dem Bestehenden möglichst in
rationen nicht befreunden, wie der folgende Aus- darauf gestützt die endgültige Kostenberechnung genau zu fixie- herr hatte Schell eine Variante für eine Quaiver- Harmonie gebracht werden.
schnitt aus dem Bericht des Stadtrates an die Ein- ren.»9 Der Stadtrat hieß anfangs 1864 auch die bauung vom Grabenwaschhaus bis zur Platzwehre - Neben den aesthetischen Rücksichten sind auch die Bedürfnisse
wohnerversammlung vom Januar 1883 beweist: Rechnungs- und Gehaltsforderungen von Inge- skizziert. Das von ihm selbst als «unmaßgebliches Pro- des Verkehrs in Betracht zu ziehen.
«Vom Standpunkt des Fachmannes ausgehend, etwas Schönes zu nieur Stadiin gut. jekt» bezeichnete Papier sah für den Quai Platz- - Erreichung des Zweckes mit möglichst geringen Kosten.» 1 '
erstellen, hat er die Kosten nicht so schwer aufgenommen und sich Stadlins Projektskizze war vom Topographen wehre-Altstadt (Kaufhaus) eine langgezogene,
durch damalige Ansichten über die Unerschwinglichkeit solcher H.Keiser-Weiß aus Zug gezeichnet und gestaltet geradlinige Führung vor, unter Einbezug des Bei der Beurteilung der vorliegenden Pläne und
Opfer eines kleineren Gcmeindewesens nicht beeinflussen lassen.»8 worden. Aufschüttungen waren auch dabei vorge- Schwemmlandes des Burgbaches bei der Platz- Projekte vermied es Pestalozzi, allzu kritische Töne
Der Stadtrat rettete sich deshalb in eine Kompro- sehen, um den Quaibau realisieren zu können, wehremündung. anzuschlagen. Nach seiner Meinung besaß jedes
mißlösung, die den Auftrag zur Neubearbeitung doch verlief die Baulinie mehr in Ufernähe. Ander- Schell ging es nur vordergründig um das Projekt; der vorgelegten Projekte seine Vorzüge, ohne je-
des Planes durch die Baukommission enthielt. Am seits durchschnitt sie privates, bereits aufgeschüt- seine wahre Absicht offenbarte er in folgenden Sät- doch in allen Teilen zu überzeugen. Diese Sachlage
14.Januar bereitete dann die OWB allen Mut- tetes Land. Neue Aufschüttungen sah Stadiin beim zen: «Sie hochgeachtete Herren! werden ersucht diesem Projekt Ih- veranlaßte den Gutachter, selbst aktiv zu werden
maßungen ein Ende, indem sie dem Stadtrat mit- DampfschifTsteg in Richtung Sägerei Spillmann. re Aufmerksamkeit zu schenken u. solches prüfen zu lassen. Empfeh- und seinerseits ein Projekt zu entwerfen. Im Zen-
teilte, eine Streckenänderung in Baar führe zum Da, wo es notwendig war, sollte ein Kanal die Ver- len Sie gef. dem l. Baupräsidenten mehr Energie u. ermahnen Sie ihn, trum seiner Überlegungen stand die Frage, in wel-
Wegfall des Aushubmaterials, das für die Zuger bindung von den Gebäulichkeiten zürn See auf- daß er zum mindesten den Beschlüssen der Bürgerschaft mehr Rech- chem Maß durch Aufschüttungen Expropriationen
Quaibaute bestimmt gewesen sei, weshalb das Pro- recht erhalten. Diese Lösung wurde z.B. für den nung trage.» 10 Privater vermieden werden könnten.
jekt nicht ausgeführt werde. Fischereibetrieb Speck in Betracht gezogen. Der streitbare Goldschmied blieb weiterhin ein ge- Pestalozzi plante eine regelmäßige Quailinie vom
nauer Beobachter des Geschehens und fand bereits Postplatz zum Schützenhaus. Die neue Quaistraße
ein halbes Jahr später Grund zu einer neuen Be- sollte direkt in die bestehende Straße nach Cham
Projektauftrag an Ingenieur Franz Stadiin, Zug Projektskizze von Caspar Schell
schwerde an den Stadtrat. Diesmal trat Schell als einmünden. Stadtanlage und Uferlage machten es
Ein allfälliges Wiederaufleben der OWB-Pläne Die Frage der künftigen Gestaltung der Zuger Fürsprecher der Nordostbahn-Gesellschaft, die aus im Raum Postplatz-Platzwehre-Altstadt notwen-
verhinderte der 1862 ausgesprochene Konkurs Quaianlagen beschäftigte nicht nur die Politiker der Konkursmasse der Ost-West-Bahn das Zuger dig, den Quaistreifen entweder in Bogenform oder
über diese Bahngesellschaft. Da aber die Zustände und die Baufachleute, sondern regte auch interes- Eisenbahnwesen übernommen hatte, auf. Die Ge- durch eine Ecke weiterzuführen. Letztere Idee sah
am Zuger Seeufer nach wie vor unbefriedigend, sierte Bürger und Einwohner an, ihrerseits ihre sellschaft forderte vom Stadtrat einen verbind- der Gutachter eher in Beziehung zur Form des
teilweise sogar bedenklich waren, beschloß der Vorstellungen zu diesem Thema bekannt zu ma- lichen Plan über das Gebiet Bahnhof-Vorstadt- Postplatzes. Eine Entschärfung der Ecke sollte ein
Stadtrat am 13.Juni 1863, die Arbeiten für eine chen. Zu diesem Kreis gehörte der Goldschmied Seegelände. Schell hatte zudem in Erfahrung ge- bei der Platzwehre angebrachter bogenförmiger
Seemauerbaute seien weiterzuführen. Darunter Caspar Schell, eine der schillerndsten Figuren des bracht, daß verschiedene Privatpersonen sich Ruheplatz bringen. Gemäß Projektskizze Schell
verstand man die Fortsetzung der Quaibauten vom damaligen Zuger Stadtlebens. Seinen Vorstößen ebenfalls mit dem Gedanken trugen, im fraglichen zog auch Pestalozzi den Quai Richtung Hechtleist
Hechtleist Richtung Vorstadt und Schützenhaus. und Plänen lag stets ein Schuß Antiregierungsden- Gebiet Bauvorhaben auszuführen. Erneut endete weiter. Selbstverständlich war für ihn auch der
Seit längerem ruhte in diesem Abschnitt die Arbeit ken zugrunde, weshalb Schells Begehren häufig seine Eingabe mit einer scharfen Rüge. Einbezug des Post- und Platzwehreplatzes, was
und vermittelte dem Passanten das Bild einer un- Kontroversen zur Folge hatten. aber unproblematisch erschien.
fertigen Baustelle. Am 11 Juli 1863 beauftragte der Mit einem Schreiben vom 12. September 1863 Einiges Kopfzerbrechen bereiteten die im Studien-
Gutachten des Ingenieurs Karl Pestalozzi, Zürich
Stadtrat den Zuger Ingenieur Franz Stadiin mit machte Schell den Stadtrat darauf aufmerksam, gebiet vorhandenen Niveauunterschiede. Eine
der Erstellung eines Planes für das ganze Ufer- daß die städtische Bürgerschaft bereits 1861 die Den Wünschen der früheren Projektbearbeiter Tieferlegung des Postplatzes hätte eine Verände-
gebiet. Stadiin nahm zwar den Auftrag an, wollte Aufnahme eines Stadtplanes beschlossen habe. Fi- Stadiin und Schell trug der Stadtrat Rechnung, in- rung der Stadteingänge zur Folge gehabt. Ander-
sich aber durch Rücksprache beim Stadtrat verge- nanzielle Bedenken seitens des Rates seien, so dem er den Zürcher Ingenieur Karl Pestalozzi be- seits war aus Kostengründen die Höhe der Quai-

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SITFATIOXS

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Silualionsplan /um .Sccufct'prqjckl von Ingenieur I''ranx Staclliu, 18()3 (nicht maßstäblich)
11
mauer möglichst niedrig zu halten. Die vorgese- griff gegen den Baupräsidenten. Er warf dem Magi- Schell geforderte Richtungskorrektur des Baches Die Zuger Quaianlage
hene Quaistraße mußte in Rücksicht auf den höch- straten eigenmächtiges Vorgehen vor und verlang- ab. Es sei wichtig, so Keiser in seinem Bericht an vom Schutzengel bis z.m Altstadt
sten Wasserstand gebaut werden. Zwischen der te unverzüglich dessen Rücktritt. Nach Abweisung den Stadtrat, den Bach in gerader Linie in den See
Neue Bauplanungen
Linie Vorstadt-Theater und Quaistraße lag eine der Klage Schells bekräftigte der Stadtrat seinen münden zu lassen, weil das viele Geschiebe und
Differenz von elf Fuß. Da diese Strecke zu kurz und Entscheid, den Bau der Straße Vorstadt-Hecht ge- Geröll ein verändertes Bachbett mit der Zeit be- Trotz der vorangehend geschilderten Probleme
das Gefalle zu steil war, um eine Verbindungs- mäß der Planung Pestalozzis fortzuführen. schädigen könnte. Die weitere Planung wurde nahm die Zuger Quaibaute allmählich Gestalt an.
straße zum See anzulegen, plante Pestalozzi den Anderseits gab es manche Beschwerden von pri- durch den Bau des Regierungsgebäudes mitbe- Mitte der 1870er Jahre war der Abschnitt Platz-
Bau der heutigen Seestraße ein. In der gleichen vater Seite. Gerber Spillmann zum Beispiel führte stimmt. Die Stadtbehörde beauftragte das Bauamt, wehre-Hechtleist abgeschlossen, und die Stadtbe-
Zeit konkretisierte sich langsam auch das Projekt Klage beim Stadtrat, die durch den Straßenbau mit den kantonalen Instanzen Rücksprache zu hörden begannen Fühlung aufzunehmen mit den
eines zukünftigen Regierungsgebäudes, weshalb verursachte Terrainerhöhung zwischen Platz- nehmen, um trotz Bau des Regierungsgebäudes die Grundbesitzern im Raum Vorstadt-Schützen-
die Planung auch dieses Objekt berücksichtigte, wehre und Hechtleist erschwere ihm den Zugang Anlage eines Quais im Raum Platzwehre-Vorstadt haus. Da man in eben jenen Jahren den Abbruch
dessen Standort am unteren Postplatz sein sollte. zu seiner Hütte. Mühseliger als angenommen ge- nicht zu erschweren. der alten Türme, Tore und Ringmauern voran-
Dem Regierungsgebäude fiel zusammen mit den stalteten sich auch die Expropriationsverhandlun- Die Quaifrage kam im Frühjahr 1873 einen großen trieb, wurde eine beträchtliche Menge Schuttmate-
bestehenden Privathäusern im Bereich Seestraße- gen mit den betroffenen Landbesitzern und Haus- Schritt voran. Der Bau der Seemauer Hecht-Platz- rial frei, dessen Weiterverwendung beim Bau der
Landsgemeindeplatz auch die Aufgabe zu, die eigentümern. Ungeachtet der positiven Beurtei- wehre wurde zur freien Konkurrenz ausgeschrie- Quaianlagen erfolgen sollte. An der Gemeindever-
Niveaudifferenzen auszugleichen. Im weiteren lung von Pestalozzis Plänen war der Stadtrat auch ben. Folgende vier Zuger Unternehmungen unter- sammlung vom 17. Juli 1881 wurde ein Antrag gut-
machte Pestalozzi darauf aufmerksam, daß die diesmal nicht bereit, konkrete Aufträge für den Bau breiteten ihre Kostenberechnungen: geheißen, «es sei zum Schütze des von der abgetragenen Ring-
Straßenbreiten nicht am aktuellen Verkehrsauf- der Quaianlage zu erteilen. Die zaudernde Haltung Cavallasca, Baar Fr. 10023.20 mauer an den See abgeführten Materials am obern Vorstadt-Seeufer
kommen gemessen werden dürften, da eine Zunah- des Stadtrates löste bei einzelnen Bevölkerungs- Landis & Blattmann, Zug Fr. 9311.80 eine Pfählung vorzunehmen»." Zu diesem Zweck bewil-
me des Verkehrs zu erwarten sei. Für den Quai sa- schichten Unmut aus. Köchlin, Gebrüder, Zug Fr. 9277.35 ligte die Gemeindeversammlung einen Kredit von
hen seine Pläne eine Breite von 50 Fuß vor: 27 Fuß Inzwischen hatte die Korporation Zug den Unter- Bottinclli Hieronymus, Zug Fr. 7 396.48 1000 Franken. Unverzüglich beauftragte der Stadt-
für die Fahrbahn, 8 Fuß für das Trottoir vor den nehmer Gustav Adolf Keiser beauftragt, für die Er- rat die städtische Baukommission «mit thunlicherBeför-
Häusern und 15 Fuß für die Ufermauer, als Spa- stellung der Seemauer vom Schutzengel bis zum Der Auftrag ging an das letztgenannte Unterneh- derung einen genauen Plan nebst einer bezuglichen Kostenberech-
zierweg angelegt. Pestalozzi hatte, nach seinem Schützenhaus zu sorgen. Als die Baubewilligung men, das aber eine Realkaution von Fr. 1000.- zu nung vorlegen zu wollen». 15
eigenen Bekunden, so wenig wie möglich am beste- durch die städtische Baukommission auf sich war- hinterlegen hatte. Außerdem fand es der Stadtrat Bis zur Gemeindeversammlung vom 29. Januar
henden Bauzustand geändert, äußerte aber die ten ließ, ergriff Keiser selbst die Initiative und teilte angezeigt, eine eigens dafür gewählte Person mit 1882 änderte sich jedoch an der Ausgangslage
Hoffnung, «daß namentlich entlang dem Quai zusammenhän- dem Stadtrat mit, er habe den Auftrag vergeben. der Bauaufsicht zu betrauen. Wie sich zeigte, geriet nichts, so daß der Stadtrat den Bürgern einen Bud-
gende Häuserreihen entstehen werden». 12 Aus seinen Darle- Die Ausführung konnte aber nur erfolgen, wenn die Bottinelli mit den Arbeiten in erheblichen Rück- getposten «Fortsetzung der Pfählung an der obern
gungen ging deutlich hervor, daß in seinen Augen Stadt zuerst die Baulinie festlegte, was nach müh- stand. Anfang November erließ der Rat eine Wei- Vorstadt» unterbreiten mußte. Aus dem Kreis der
die Stadt Zug vor einer weiteren Entwicklung stand samen Verhandlungen der Fall war. sung an den Unternehmer, die Arbeiten bis Ende Anwesenden wurde die Forderung laut, vor dem
und sich mit der Realisierung des Quaiprojektes Im Vordergrund der stadträtlichen Planung in der November zu vollenden. Jede weitere Verzögerung Beginn der Pfählungsarbeiten einen genauen Plan
die Chance bot, Zug städtebaulich ein neues Ge- Quaifrage stand der Ausbau des Abschnittes Platz- pro Woche würde mit einer Honorarkürzung von zu erstellen, was bekanntlich auch die Absicht des
sicht zu verleihen. wehre-Hechtleist. Während der Ausführungsar- jeweils 40 Franken bestraft. Stadtrates war. Dieses Votum löste eine Anzahl
Auch Pestalozzis Vorschläge fanden bei den Zuger beiten entstanden Differenzen zwischen der städti- Das Quaibautenprogramm gedieh nur mühsam, weiterer Wortmeldungen aus, darunter eine, die
Behörden gute Aufnahme. Der Stadt kam zustat- schen Baukommission und dem Stadtrat. Der Rat weil mehrere Expropriationsverhandlungen die darauf hinwies, daß man aus früheren Jahren be-
ten, daß der Zürcher Ingenieur keine eigenen Ko- widersetzte sich zunächst der Forderung der Kom- Arbeiten zeitweilig verzögerten oder gar zum Still- reits Pläne besitze und die Pfählung darauf abstüt-
sten verrechnen wollte, sondern lediglich den Auf- mission nach einem Aufschub der Quaiarbeiten, stand brachten. 1867 war zudem in den Beiträgen zen solle. Durch Mehrheitsentscheid wurde dem
wand, den Drittpersonen geleistet hatten. So belief beauftragte aber dann den einheimischen Archi- zur geologischen Karte der Schweiz darauf verwie- Antrag des Stadtrates stattgegeben und ein Kredit
sich Pestalozzis Rechnung auf 52 Franken und 70 tekten Dagobert Keiser, ein Gutachten über den sen worden, welche Tücken der Zuger Seegrund von 1500 Franken gesprochen für Erstellung eines
Rappen. Diesen Betrag rundete der Rat auf und be- Hechtleistquai zu erstellen. Die wesentlichen Kor- aufwies: «Seekreide wird ein breiartiger Kalk genannt, welcher Planes, Kostenberechnung und Pfählung. Der
wies Pestalozzi seine Wertschätzung durch die Aus- rekturen an der Vorlage Schells, die bisher als Bau- sich sowohl aus Muschelschalen als aus Kalkabsätzcn des Wassers Stadtrat rechnete damit, den Plan der nächsten Ge-
zahlung einer Gratifikation von hundert Franken. plan gedient hatte, betrafen den Platzmühlebach bildet und den Torf durchzieht. Man begegnet derselben in jedem meinde im Sommer 1882 vorzulegen, mußte jedoch
Der Stadtrat, bestrebt, die schon lange diskutierte und die Höhe der Quaimauer. Diese sollte nach Torfstiche. Im Terrain der Bahnlinie, dem Zugersee entlang, liegt sein Ziel revidieren, da die Baukommission im Juni
Vorstadtquaibaute endlich in Angriff zu nehmen, Keiser leicht angehoben werden. Den Plalzmühle- eine so mächtige Schicht Seekreide unter dem Torf, daß bei Sondie- mitteilte, der beauftragte Ingenieur Johann Müller
sah sich vorerst zwei Hindernissen gegenüber: bach wollte der Gutachter von der Mündung bis zu rung des Bodens mit Eisenstangen mehr als eine solcher schweren aus Bauma sei nicht in der Lage, den Termin einzu-
Zum einen richtete Caspar Schell, mittlerweile einer Strecke von etwa 80 Metern landeinwärts Bohrstangen den Händen der erstaunten Arbeiter entschlüpfte und halten. Wenig erbaut war die städtische Exekutive,
Mitglied der Baukommission, einen heftigen An- überdecken. Vor allem aber lehnte Keiser die von vor ihren Augen in die Tiefe sank.» 13 als sie im Oktober 1882 die Meldung erhielt, Mül-

12 13
Dieser von Stadiin und Hcnggclcr vorgelegte Plan bildete die Grundlage
für die Arbeiten an der Quaibaute (nicht maßstäblich).

15
ler könne den Auftrag gar nicht ausführen. Mit Rondelle waren Bestandteil der eigentlichen Quai- zuwenden, blieb klar in der Minderheit. Ein ande- ten zu ersuchen. Am 24. April 1884 nahmen Heim
dem Zuger Ingenieur Franz Stadiin fand man dar- mauer und bildeten mit dieser zusammen die Ufer- rer Votant legte dem Stadtrat nahe, auch die Inter- und Oberingenieur Moser in Zug einen Augen-
auf einen willfährigen Fachmann, der das Gebiet linie. Nach dem Plan war das Anpflanzen von zahl- essen der privaten Besitzer zu schützen, um «un- schein vor und bekamen vom Stadtrat Einsicht in
bereits 1863 erstmals aufgenommen hatte und da- reichen Bäumen vorgesehen, um das Quaigebiet zu nützen Prozessen» vorzubeugen. die vorhandenen Pläne. In seiner Sitzung vom
mit über wertvolle Vorkenntnisse verfugte. beleben und gleichzeitig Schattenräume zu ermög- In der Tat bot der Bau des Quais auch für Private 2. Mai 1884 erteilte der Stadtrat von Zug den bei-
Die Vollendung der Zuger Quaibauten sollte nach lichen. Hinter der Quaimauer war die neue Quai- verlockende Perspektiven, wie aus dem Stadtrats- den Experten Heim und Moser den Auftrag, ein
dem Willen des Stadtrates in zwei Arbeitsabläufen straße geplant, die von der Platzwehre bis zum da- bericht zu entnehmen ist: Gutachten zu erstellen, das vor allem die nachste-
erfolgen. Während die Realisierung dieses Planes maligen Schießstand auf der Schützenmatte dem «Die Grundidee war, mit möglichst wenig Kosten bei der tiefen See- henden Fragen beantworten sollte:
im Raum Vorstadt aus bereits geschilderten Grün- See entlang verlief und dann in nördlicher Rich- steile vor der südlichen Vorstadt mit der Straßenbreite von 15 Meter «a) ob die Quaianlage nach vorliegendem Projekte in technisch rich-
den auf Schwierigkeiten stieß, gingen die Planungs- tung zwischen Schießstand und Schützenhaus in durchzukommen bis zur Sinnerhütte, dann eine Terrainbreite von tiger Weise zur Ausführung komme;
arbeiten im Raum Schützenhaus zügig voran. Am die Chamerstraße einmündete. Die Nutzung des 60 Meter zwischen der Vorstadlstraße und der Seemauer zu errei- b) ob die bisher vorgenommenen Ausführungsarbeiten zu Bemer-
24. März 1882 unterzeichneten Vertreter der Stadt durch die Aufschüttungen neu gewonnenen Ter- chen und in gleichem Abstand der Chamerstraße bis zum Schützen- kungen und Anträgen auf allfällige Abänderung Anlaß bieten;
und der Schützengesellschaft einen Vertrag über rains war noch nicht in allen Teilen festgelegt."' haus zu folgen. c) ob die konstatirtcn Senkungen auf Gefahren schließen lassen
die Pfählung und Fundamentierung sowie die An- Es ergiebt diese Richtung von der Vorstadtmitle westlich einen oder ob dieselben aus dem vorhandenen Sccterrain zu erklären
lage einer Seemauer und des Quais. Die westliche Raum von 45 Meter Tiefe zwischen beiden Straßen, der es jedem da- seien, ohne daß das Projekt als solches gefährdet erscheint;
Der Vorstadtquai zwischen liegenden Besitzer an diesen Straßen entlang ermöglicht,
Begrenzung dieser Quaibaute lag beim Aamühle- d) Sollte die letztere Gefährde vorhanden sein, welche Maßnah-
bach bzw. dem Areal der Sägerei Spillmann. Im Bericht der Stadtbehörde an die Einwohnerver- 2 Bauplätze, einen an der Chamer- und einen an der Seestraße, aus- men von den Herren Experten anempfohlen werden,»" 1
Immerhin blieb man an der Vorstadtbaute trotz sammlung vom 18. Februar 1883 wies der Rat dar- zubeuten. Bei 15 Meter Gebäudetiefe würden immer noch wenig-
Ausbleibens des angeforderten Planes nicht ganz aufhin, daß das Projekt einer Quaibaute in Zug seit stens 15 Meter Raum zwischen beiden •Gebäudcrcihcn verbleiben, Zuhanden der Experten ergänzte Ingenieur Stad-
untätig. So legte am 28.Juli 1882 ein J. Spillmann 1859 hängig sei. In einem kurzen Überblick wur- so daß sogar zwischen!™ noch Platz für eine kleine Straße und etwas iin die bestehenden Pläne durch die Verzeichnung
seinem Auftraggeber Verwalter M. Stadiin einen den die Stimmbürger über die Vorprojekte infor- Umgelände für die obcrn und untern Häuser bleiben.»" 1 der bereits ausgeführten Bauabschnitte.
Plan vor, der auf dem Stadiin-Plan von 1863 beruh- miert. Der Stadtrat bekannte auch, daß ihn keiner Eine Woche nach der Gemeindeversammlung be-
te. Nach Spillmanns Berechnungen waren für die der eingereichten Vorschläge habe überzeugen zeichnete der Stadtrat die Delegation, die mit den Das Gutachten Heim/Moser
gesamte Quaistrecke von der Platzwehre bis zum können, weshalb ein erneuter Auftrag vergeben privaten Besitzern in der Vorstadt über eine Land-
Aamühlebach, die auf eine Länge von etwa 500m worden sei. Projektverfasser Stadiin war bereits bei abtretung verhandeln sollte. Am 17.Juli 1884 schlössen die Experten Heim und
berechnet wurde, insgesamt 7700m 3 Steinmasse der Errichtung der Quaimauer unterhalb des Re- Auf die öffentliche Ausschreibung der Bauarbeiten Moser ihren Bericht ab, und zwei Tage später be-
als Auffüllmaterial erforderlich. Von dieser Menge gierungsgebäudes beteiligt gewesen. Nach seinen für die Quaianlage trafen beim Stadtrat zwei Offer- reits ließ der Zuger Stadtrat das Gutachten unter
waren im Sommer 1882 bereits 700m 3 verbaut wor- Plänen hatte der Stadtrat vor der Gemeindever- ten ein, nämlich jene von Bauunternehmer Robert seinen Mitgliedern in Zirkulation setzen.
den. sammlung ein Stück Probemauer in Beton erstellen Steiner in Luzern und die zweite von Carlos Caval- Die beiden Gutachter begnügten sich nicht damit,
Diese Angaben fanden auch Berücksichtigung lassen, das nun dem Interessierten vor Augen führ- lasca aus Zug. Obwohl Cavallasca höhere Kosten die gestellten Fragen zu beantworten, sondern sie
beim Auftragsplan, der im Dezember 1882 dem te, wie massiv diese Anlage sein würde, um den zu berechnete und außerdem die Bauausführung an beschrieben in einem ausführlichen Vorbericht zu-
Stadtrat eingereicht wurde. Für die Zeichnung und erwartenden Stürmen zu trotzen. 17 gewisse Bedingungen knüpfte, entschied sich die erst die Beschaffenheit und die jüngere geologische
Planung war Franz Stadiin verantwortlich, die Wie sehr dem Stadtrat an einer Zustimmung der Behörde für seine Bewerbung. Cavallasca machte Geschichte des Untergrundes der Stadt Zug. Die-
Projektierung lag in den Händen des städtischen Bürger zum Projekt gelegen war, dokumentiert der klar, daß die Arbeiten eingestellt würden, wenn der ser bestehe südlich des Regierungsgebäudes aus
Baupräsidenten Clemens Henggeler-Uttinger und 20 Seiten umfassende Bericht an die Gemeindever- Wasserstand die Höhe der Pfahle um mehr als gröberem Material, das die Bäche des Zugerberges
des Verwalters M. Stadiin. Sie stützten sich weitge- sammlung. Diesem Ziel diente auch die Ausarbei- 50cm überschreiten sollte. Außerdem auferlegte in Form von Deltas und Schuttkegeln in den See
hend auf die Vorarbeiten von Stacllin (1863) und tung einer zweiten Variante, die weniger aufwen- der Unternehmer dem Bauamt die Haftung, wenn transportiert haben; der nördliche, flache Teil mit
Pestalozzi (1865) ab. Die größten Auffüllflächen dig war. Die Kosten für die Hauptvariante veran- der Wellenschlag die Arbeit beschädigte, ehe genü- dem Bahnhof der Nordostbahn und dem größeren
waren im Gebiet Vorstadt und im Raum Schützen- schlagte der Rat auf 120000 Franken, jene für die gend Auflüllmaterial aufgeschüttet war. Abschnitt des Quaigebietes dagegen werde als auf-
haus vorgesehen. Fünf Rondelle kennzeichneten Nebenvariante auf 73500 Franken. «Mit beinahe an Anfänglich schien es, als ob die Quaiarbeiten sogar gefülltes Seegebiet aus feinem, von der Lorze ange-
den Verlauf des Quais. Diese Ausbuchtungen be- Einstimmigkeit grenzender Mehrheit» sprachen sich die Zu- beschleunigt werden könnten. Die städtische Rech- schwemmtem Sand und Schlamm sowie aus See-
fanden sich unterhalb des Regierungsgebäudes, bei ger Stimmbürger für die Hauptvariante aus. Das nungskommission schlug außerdem dem Stadtrat kreide gebildet. Diesen Befund konnten Heim und
der Einmündung des Reiffergäßchens in die neue Projekt war unbestritten, und die Nebenvariante vor, das Projekt großzügiger zu gestalten. Aber Moser durch eine Untersuchung an Ort und Stelle
Quaistraße, in der Nähe der heutigen Schiffsstation stand überhaupt nicht zur Diskussion. Ein Antrag noch im Frühjahr 1884 zeigten sich in Form kleiner bestätigen.
Zug-Bahnhof bei der Restauration Spillmann, im aus dem Volk, die Ausführung der Quaibaute einer Risse erste Alarmzeichen, die den Stadtrat veran- Obwohl die Deltaablagerungen unter Wasser sehr
Raum des heutigen Hirschparks sowie kurz vor der Aktiengesellschaft zu übergeben und hierfür durch laßten, den Zürcher Professor Albert Heim um eine flach liegen, neigen sie zu Abbruchen und Rut-
Einmündung des Aamühlebaches in den See. Diese die Stadt eine Subvention von 50000 Franken auf- detaillierte Prüfung der bisher ausgeführten Arbei- schungen. Diese Gefahr werde erhöht, wenn — wie

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bei der Aufschüttung des Quais - der obere Rand deutig mit ja zu beantworten. Sie wiesen darauf Konstruktions-Profilc der Quai-Anlage Grund ihrer Darlegungen war hierbei eine größt-
der labilen Schlammschichten künstlich belastet hin, daß bei aller durch die Bauleute beachteten (nicht maßstäblich) mögliche Sicherheit nur zu erreichen, wenn auf die
werde. Trotzdem räumten die Experten ein, daß Sorgfalt bei der Pfählung es nicht gelungen sei, Sen- Fortsetzung der Pfählung verzichtet und statt des-
man in Zug nicht fahrlässig oder leichtfertig zu kungen und Risse im Ufergebiet zu verhindern, sen in größerer Tiefe mit dem Bau eines Vordam-
bauen begonnen habe, meinten aber wörtlich: «Wir weil der Schub der Hinterfüllungen zu stark sei. Zu mes als Gegengewicht zur Belastung von oben be-
möchten zuvor noch darauf hinweisen, wie aus der Betrachtung des Bedenken Anlaß gab ihnen die Tatsache, daß die «Die bisherige Baumethodc scheint uns an der in Frage kommenden gonnen würde. Zwar waren sich die Gutachter be-
mehr erwähnten Curvenplanes sich leicht nachweist, daß die projec- noch fehlenden Auffüllungen über dem Seespiegel Schlammhalde gegen seitliche Verschiebungen nicht genügende Si- wußt, daß dies für den Bau des Quais neue Um-
tirte resp. in Ausführung begriffene Quailinie beinahe überall dem lagen, wodurch der bei den unteren Flächen noch cherheil zu bieten; eine Änderung könnte nun im Anschluß an die- triebe bedeutete, doch schienen ihnen diese Maß-
sog. Steilabhang des Sees sich nähert und somit die Auffüllung für wirksame Gegendruck des Wassers wegfallen muß- selbe darin bestehen, daß die Pfahle statt senkrecht, mit Neigung nahmen unumgänglich. Desgleichen betonten sie,
den Quai gerade den am meisten gefährdeten resp. denjenigen Theil te, was die Schubwirkung verstärken konnte. Sie nach innen eingerammt und daß mehr und kräftigere Zangen ange- es sei notwendig, mit aller Sorgfalt alle ober- und
treffen muß, welcher die größte Neigung zum Abbruche hat und bei befürchteten deshalb Abrutschungen, noch bevor bracht würden. Allein, ob eine solche Bauweise trotz erheblicher unterirdischen Wasserläufe, die sich in den See er-
welchem vielleicht eine sehr geringe Mehrbelastung genügt, um das die Auffüllung vollendet sein werde. Mehrkosten auf die Dauer von Erfolg sein würde, müssen wir gießen, zu sammeln und abzuleiten.
jetzige Gleichgewicht der Massen zu stören.»20 Viel Raum widmeten die Experten der Frage, ob bezweifeln.»^ 1 Besorgnis und warnende Töne waren auch aus der
Die Frage nach der technisch richtigen Ausführung die bisherigen Ergebnisse der Bauarbeiten Ände- Das Hauptproblem sahen die Experten in der Ver- Beantwortung der dritten Frage nach einer allfälli-
der Quaibaute mochten die Gutachter nicht ein- rungen in der Baumethode zur Folge haben sollten. minderung der «Beweglichkeit der Massen». Auf gen Gefährdung des Uferbereichs nicht zu über-

18 19
den entstanden. Weiß hatte auch Kenntnis vom « I. Auf den Antrag des Einwohnerrates vom 17. Mai sei nicht
Gutachten Heim/Moser, wie aus seinem Brief her- einzutreten.
vorging. Er forderte den Stadtral auf, auf der II. Der Einwohnerrat sei dagegen /.u ermächtigen, das begon-
Grundlage des Gutachtens eine Expertise über die nene Stück der Quaibautc bis zum Endpunkte bei Herrn
Gefährdung der Vorstadthäuser durchzuführen Kreiskonimandant Melchior Weiß (ev. bis zur Sinnerhüttc)
und zeigte sich auch überzeugt, daß eine gute Lö- zu vollenden, und es sei ihm dafür der allfällig noch benö-
sung gefunden werden könnte. Der Rat überwies thigte Nachkrcdit crthcilt.
dieses Schreiben an Baupräsident Clemens Heng- III. Nach Vollendung dieses Theilstücks habe der Einwohnerrat
geler und beauftragte ihn und seinen Stellvertreter, über die erlaufenen Kosten der Gemeinde Bericht zu erstat-
Stadtrat Benz, mit Weiß Kontakt aufzunehmen ten und Rechnung abzulegen. Es behalte sich die Gemeinde
und die Sache «abzuthun». alsdann die weiteren gutcrachtctcn Maßnahmen und Be-
Die treibende Kraft für den Ausbau des Quais war schlüsse ausdrücklich vor.»23
zweifellos Baupräsident Clemens Henggeler, der Neben baulichen und finanziellen Fragen beschäf-
seit 1880 dem Stadtrat angehörte. Sein Engage- tigten den Stadtrat auch politische Probleme.
ment in der Quaifrage hatte er bereits bei der Aus- Langwierige Verhandlungen wurden mit der Re-
arbeitung der Pläne unter Beweis gestellt. Ver- gierung geführt, da ein wichtiges Stück des neuen
schiedene Quellen belegen, daß er sich regelmäßig Quais unterhalb des Regierungsgebäudes durch-
auf den Baustellen aufhielt und sich über den Fort- führte. Obwohl auch die Regierung dem Quaibau
gang der Arbeiten erkundigte. Wahrscheinlich ist grundsätzlich die Zustimmung nicht versagte, war
es dem Einfluß Henggelers zuzuschreiben, daß das sie mit dem Vorgehen der Stadt in einzelnen Punk-
Gutachten Heim/Moser im Stadtrat kaum disku- ten nicht immer einverstanden. Da es sich dabei
tiert worden ist. In der Tat schien sich in den Jah- um Sekundärfragen handelte, konnte die gemein-
ren 1885 und 1886 Henggelers Optimismus zu same Konferenz von Stadt- und Regierungsrat sich
rechtfertigen. Die Arbeiten schritten planmäßig in den meisten Fällen auf einen für beide Seiten ak-
voran, und in der Bevölkerung begann man, sich zeptablen Kompromiß einigen.
am entstehenden Werk zu freuen. Dasjahr 1887 sollte, wenn die Umstände es erlaub-
Aus dieser Haltung heraus stellte Staatsanwalt ten, den Abschluß der Quaibauten bringen. Im
Eduard Schwerzmann an der Gemeindeversamm- Frühjahr meldeten sich mehrere Anstößer der
lung vom 4. April 1886 in der Kapuzinerkirche das Quaianlage beim Stadtrat und stellten das Begeh-
Begehren, zur Deckung der erhöhten Kosten für ren, das neuaufgeschüttete Land, das sich zwischen
die Quaibaute eine städtische Anleihe aufzuneh- ihren Grundstücken und der Quaimauer befand,
Pfiihlungsarbeiten für den Quaibau; men. An einer eigens zu diesem Zweck einberufe- käuflich zu erwerben. Auf Anfrage hin erklärte der
am linken Bildrand
sehen. Zwar räumten die beiden Fachleute ein, es ist als aufmerksamer Beobachter nen außerordentlichen Gemeindeversammlung Stadtrat der Nachbarschaft Vorstadt, die Errich-
sei «sehr heikel» darauf direkt zu antworten, aber «unter Baupräsidcnt Clemens Hcnggcler legte der Rat eine Vorlage auf, die eine Anleihe von tung eines Leistes in der Vorstadt sei zwar nicht
Hinweis auf (...) gebrachte Erörterungen müssen wir bei weiterer zu erkennen. 110000 Franken beinhaltete. Der Bericht listete für möglich, dagegen würden jedoch zu beiden Seiten
Belastung, wie sie das Project verlangt, Abrutschungen und Senkun- jeden Quaiabschnitt Vor- und Nachteile auf und des Vorstadt-Rondells Stiegen angebracht. Ebenso
gen, welche selbst das alte Ufer vielleicht mit einzelnen Gebäulich- verheimlichte auch nicht, daß unter ungünstigen versicherte die Behörde dem Antragsteller, die Zu-
keiten gefährden könnten, immerhin für möglich erklären». 2 '^ Mit erfolgten. In der Sitzung vom G.Dezember 1884 Umständen Folgekosten entstehen könnten, die so- fahrtsstraßen zum Quai würden in Kürze verbes-
Vorschlägen für mögliche Einsparungen bei der wurde der Ankauf von 100 Pfählen beschlossen; die gar eine Steuererhöhung nötig machen würden. Als sert werden.
Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen schlös- Pfählungsarbeiten wurden gleichzeitig dem Zuger Gegenwert jedoch erhielt Zug einen Quai, der zur Es durfte ferner als gutes Zeichen verslanden wer-
sen die Experten ihren Bericht. Unternehmer Fidel Keiser übertragen. Zierde der Stadt werden sollte. den, daß auch jene Kreise, die 1886 einem weiteren
Es mutet seltsam an, daß die Zuger Behörden in Wenn der Stadtrat mit seinem Verhalten Sicher- Es zeigte sich aber bald, daß die Bürger dem Anlie- Ausbau des Quais opponiert hatten, ein Jahr später
den folgenden Monaten nie zum Bericht Stellung heit und Überlegenheit dokumentieren wollte, so gen des Stadtrates nicht gut gesinnt waren. Nach bei einem ähnlichen Begehren keinen Widerstand
nahmen. Die Unterbrechung oder gar Einstellung wurde er durch die Verhältnisse eines ändern be- kurzer Diskussion wurde Nichteintreten beschlos- mehr zeigten. An der in der Kapuzinerkirche ge-
der Quaiarbeiten wurde nicht in Erwägung gezo- lehrt. Am 26. Februar 1885 beschwerte sich Kreis- sen. Außerdem stimmten die Anwesenden einem haltenen Gemeindeversammlung vom 2.Januar
gen. Im Gegenteil läßt sich dem Stadtratsprotokoll kommandant Melchior Weiß beim Rat, durch die Folgeantrag von alt Landammann Alois Schwerz- 1887 forderte Major Alois Uttinger-Ineichen den
entnehmen, daß weiterhin Auftragsvergebungen Bauarbeiten am Quai seien an seinem Haus Schä- mann zu und billigten nachstehenden Wortlaut: Stadtrat auf, eine Vorlage auszuarbeiten über die

20 21
Bild links:
Die untere Häuserzeile der Vorstadt,
aufgenommen beim Regierungs-
gebäude in Richtung der heutigen
Vorstadtbucht.
Bild rechts:
Das Hotel «Zürchcrhof»,
mit Gartenwirtschaft und Kegelbahn,
wurde bei der Katastrophe Fortsetzung der Quaibaute in Richtung des äußeren Wohnungen gab es keine Badezimmer, kein elektri-
vom 5. Juli 1887 zerstört. Dampfschiffsteges. Dieser Antrag rannte bei den sches Licht und kein Telephon.
maßgeblichen Stadtratsmitgliedern offene Türen Für das eidgenössische Offiziersfest 1868 und das
Bild unten:
Ansicht der Vorstadt ein, denn der Rat hatte sich bereits eine Alternative eidgenössische Schützenfest 1869 in Zug hatte man
vor der Katastrophe. zurechtgelegt, falls die Gemeindeversammlung die Stadt herausgeputzt, aus der «Staad» war die
vom Juni 1887 seiner Vorlage nicht zustimmen vornehmere «Vorstadt» geworden.
sollte. Diesmal warjedoch die Furcht unbegründet, Noch beherrschten die Werkstätten und Ladenlo-
denn das Geschäft «Quaibaute» wurde von der kale der Kleinhandwerker das Straßenbild, Indu-
Versammlung ohne Diskussion gutgeheißen. Erst strie und Technik faßten aber auch in Zug schon
nach der Katastrophe vom S.Juli gab ein Volant zu Fuß. Noch hatte im Raingäßli Kammacher Spill-
Protokoll, er hätte schon an der letzten Gemeinde- mann seine Werkstatt, und bei Kandid Keiser
versammlung Bedenken gehabt, die Quaibaute «Coiffeur und Chirurg» in der Kirchgasse konnte
würde aus finanziellen und baulichen Überlegun- man sich nicht nur die Haare schneiden, sondern
gen zu schnell errichtet; da er spürte, daß ein ent- auch Zähne ziehen und Blutegel ansetzen lassen.
sprechender Antrag keine Unterstützung gefunden 1868 wurde bei der Schützenmatte die Zigarrenfa-
hätte, habe er auf ein Votum verzichtet. brik Wemans in Betrieb genommen. 1880 folgte die
Die letzte Schlußnahme zu diesem städtischen Eröffnung der Email- und Metallwarenfabrik an
Großprojekt erfolgte im Stadtrat am 17. Juni 1887 der Baarerstraße. Die Gaslichter, die man als große
und betraf die Aufnahme von Landverhandlungen Neuigkeit eingeführt hatte, spendeten in den Gas-
mit einem Liegenschaftsbesitzer am Nordende der sen spärliches Licht. Mit kostbaren Einrichtungen
Quaianlage. ist sparsam umzugehen und so wurde die Gas-
beleuchtung nur angezündet, wenn der Mond
nicht hell genug schien. Die Brunnen wurden mit
Das Leben in der Vorstadt frischem Quellwasser von Nidfurren gespiesen,
das eine moderne Wasserversorgung seit 1878
Der Raum im Innern des Mauerrings von 1519 war der Stadt zuführte. Beim einen oder anderen Hand-
für die wachsende Bevölkerung schon vor 1800 zu werker in der Vorstadt ratterte auch eine Hoch-
knapp geworden, so hatte sich eine Anzahl Fischer druckturbine in der Werkstatt und trieb die Ma-
nordwestlich der Stadt außerhalb der Mauern nie- schinen an.
dergelassen. Mit der Aufhebung des allabendli- Die 1864 eröffnete Eisenbahnlinie Zürich-Affol-
chen Torschlusses im Jahre 1835 konnten auch die tern-Zug-Luzern verband Zug mit den Nachbar-
Bewohner der Vorstadt nachts beliebig durch die städten und selbst das Ausland war in die Nähe ge-
Tore ein- und ausgehen. Die Fischerhütten wurden rückt. Während vorerst nur wenige Züge in Zug
in den folgenden Jahrzehnten in ein- oder zweistök- Halt machten, herrschte auf dem See ein reger Ver-
kige Wohnhäuser umgebaut. Entlang der Vor- kehr. Die Salondampfer «Helvetia» und «Stadt
stadtgasse, die sich im Süden auf den Postplatz öff- Zug» bedienten vom äußeren Landungssteg aus im
nete und im Norden in die Chamer Landstraße Sommer wie auch im Winter die Uferorte. Den Wa-
mündete, reihten sich links und rechts in einigem renverkehr zwischen Ägeri, Menzingen und Zug
Abstand vom Ufer je 30 Häuser auf. Das Ufer besorgten neben der Pferdepost regelmäßige Bo-
säumten Waschhütten, Waschstege, Badehäuser, ten. Der Eisenbahn- und Dampfschiffverkehr
Schiff- und Fischerhütten in buntem Wechsel mit brachten Leben in die Vorstadt. Manch ein Reisen-
Gärten und Werkstätten. 1887 zählte die Vorstadt der mag in der nahgelegenen Restauration «Spill-
über 1200 Einwohner, darunter über 200 Auslän- mann» oder im «Zürcherhof» die Abfahrt seines
der. Vorwiegend Fabrikarbeiter und Kleinhand- Zuges oder das nächste Schiff abgewartet haben.
werker hatten hier mit ihren Familien Wohnung Im Kurhotel «Schönfels» auf dem Zugerberg ver-
gefunden. Die Wohnverhältnisse in diesem wenig brachten ungekrönte und gekrönte Häupter aus
wohlhabenden Quartier waren einfach. In den ganz Europa den Sommer.

22 23
Die Katastrophe vom S.Juli 1887 tinger-Ineichen mit seiner Frau und Nachbarn Nach einer längeren Trockenperiode war der S.Juli dem Knecht, die Zuggarnc zu retten, die sich in der Schiffliütte un-
das von Generaldirektor Page der Chamer Kon- ein schwüler und gewitterhafter Tag. Schon gegen mittelbar beim Kanal befanden. Es gab eine Welle bis in die Schiff-
Die Arbeiten am Quai waren im Juli 1887 auf über densmilchfabrik gestiftete Feuerwerk. Es war ein Mittag türmten sich Regenwolken im Westen auf. hütte, und die Kanalmauer verschwand mit Maurer Sigel, Michael
200m Länge vom Regierungsgcbäude bis zirka wundervoller Sommerabend, ein wolkenloser Am frühen Nachmittag entdeckten Passanten beim Zwimpfcr und Frau Kleimann, die an der Kanalmauer wusch. Letz-
90m vor den Dampfschiffsteg abgeschlossen, die Himmel über der spiegelglatten Fläche des Sees. Rondell, einer halbkreisförmigen Ausbuchtung des tere sah nicht ich, sondern meine Frau verschwinden, die ersteren
verbleibenden 140m waren im Bau. Die Strecke im Das Feuerwerk neigte sich dem Ende entgegen, Quais, Risse im Boden. Um 3 Uhr 20 bemerkten ich selbst. Ich hatte gerufen: <flieht, wer fliehen kann>. (...) Jetzt sah
Abrißgebiet war im März 1886 fertig gepfählt, die als plötzlich Wellen gegen das Ufer klatschten, die an-der Kanalmauer arbeitenden Maurer, daß ich meine Schiffhütte, Xaver Wallers Hütte und J.C. Fridlins Haus
Ausfüllung war im Gange. Um bei der Erstellung obwohl das DampfschifTbei der Platzwehre vertäut das Gerüst sich absenkte. Einige Minuten später in den See stürzen. Mein Schiffchen, ein Eichbaum, stellte sich senk-
des Quais die Verbindung mit dem See nicht zu lag. Uttinger-Ineichen vermutete ein schweres riß das Rondell von der Quaimauer ab und sank recht in die Höhe und stürzte mit mir in den Grund. Ein furchtbares,
verlieren, ließ Fischer Speck einen Kanal (eine Art Erdbeben. ungefähr einen Meter in den See. Fischer Speck, donnerartiges Getöse umgab mich, es wurde so dunkel, daß ich gar
Tunnel) von seiner Fischerhütte zum See erstellen. Einige Stunden später vernahm Frau Mittelberger, dem ein Kunde von den Vorgängen Mitteilung ge- nichts mehr bemerken konnte, und ich muß sehr tief in den See ge-
Schon einige Tage vor der Katastrophe stellte die eines der direkt am See gelegenen Vorstadt- macht hatte, bestieg seinen Kahn, um die Seetiefe sunken sein, während ich mich an dem am Eichbaum festgemachten
Speck fest, daß die Kanalmauern sich senkten und häuser bewohnte, einen «furchtbaren Krach» und hörte zu messen. In der späteren polizeilichen Untersu-
die Schiffhütte Risse zeigte. Baupräsident Hengge- einen erneuten starken Wellenschlag. Th.Schwei- chung berichtete er: Links: Blick auf die Vorstadt. Rechts das Eingangstor zum
ler, dem Speck die Vorgänge berichtete, zeigte sich zer-Ingold wurde um 2 Uhr nachts durch «ein eigcn- «Ich ergriff eine Stange, vermochte den Grund mit derselben nicht Restaurant «Bad» Spillmann, dessen Besitzer Alois Spill-
unbesorgt. tniimliches Geräusch in der Tapetenwand» geweckt. «Es war wie mehr zu erreichen, was früher wohl möglich gewesen wäre und warf mann beim Vorstadtunglück das Leben verlor.
Am 4. Juli 1887, dem Jahrestag der amerikanischen wenn jemand fortwährend mit der flachen Hand leicht an die Wand sie hinunter; sie verschwand und zeigte eine große Tiefe an, indem Unten: Das Ausmaß der Zerstörungen. In den Trümmern
Unabhängigkeitserklärung, verfolgte Albert Ut- schlüge. Die Wand zitterte ,..»24 sie verhältnismäßig lange nicht mehr zum Vorschein kam. Ich rief sind Dachfront und Giebel des «Zürchcrhofos» erkennbar.

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Ruder festhielt. Ich wurde in rasender Schnelligkeit in den See hin- Quai begeben. Während sich seine Begleiter Stän- und hielten die Schaulustigen zurück. Kurz nach dern der städtischen Baukommission, übernahm
ausgetrieben, es wurde wieder heiterer, ich kam aufwärts, spürte derat Schmid und Korporationspräsident Weiß halb vier Uhr wurde der Polizei über den ersten es, das gefährdete Terrain auf allfällige Bewegun-
einen Balken und ergriffihn, ich war oben und 50 bis 80 Meter ent- mit einem Sprung retten konnten, stürzte Spill- Einbruch Bericht erstattet. Der Stadtpräsident ver- gen zu kontrollieren. In mehreren Schiffen waren
fernt vom Ufer. Briefträger Landtwing holte mich mit einem Schiff- mann mit der Kanalmauer in den See. Mit beiden fügte nach einem Augenschein an Ort und Stelle Feuerwehrleute mit dem Abdecken der auf dem See
chen von der Platzwehrc her.»25 Händen wollte er das Bord erfassen, gleichzeitig die sofortige Absperrung des Umgeländes durch schwimmenden Dächer der versunkenen Gebäude
Die Quaipfahle hatten sich aus dem Seeschlamm gab es einen weiteren Rutsch, der ihn unter den die Feuerwehr, die durch die Alarmglocke vom beschäftigt und suchten nach Ertrunkenen.
gelöst und tauchten wie Geschoße weit draußen im Trümmern begrub. Zytturm aufgeboten wurde. Zudem wurde Profes- Nicht jedermann nahm die drohende Gefahr ernst,
See hier und dort aus dem Wasser auf. Das Dampf- Der achtjährige Gcbhard Huber wollte, als sich im sor Heim telegraphisch ersucht, nach Zug zu kom- wiederholt mußte die Feuerwehr gegen Neugierige
schiffwollte eben vom äußeren Steg abfahren, als Boden Risse zeigten, sein Schwesterchen zum be- men und sein Gutachten abzugeben. Während ein vorgehen, die abgesperrtes Gebiet betreten wollten.
der Einbruch erfolgte. Die starken Taue rissen wie nachbarten Haus Mittelberger tragen, wurde aber Teil der Feuerwehr die Unteroffiziere ablöste, be- Die Häuser der oberen Reihe schienen nicht ge-
Bindfäden und das Schiff trieb weit in den See hin- vom Einbruch überrascht und fiel in den See, konn- gannen die übrigen Korpsangehörigen die Häuser fährdet, jedenfalls sahen sich die Bewohner nicht
aus. Bei diesem ersten Abbruch von 3 Uhr 35 ließen te aber gerettet werden. Sein Schwesterchen und der unteren Reihe der Vorstadtgasse zu räumen. veranlaßt, die Wohnungen zu räumen. Die Behör-
Specks Knecht, Michael Zwimpfer, der Maurer die beiden im Hause schlafenden Brüder konnten Mehr als 200 Personen, Feuerwehrleute, Kapuzi- den ordneten an, die Hausgänge offen zu lassen,
Hermann Sigel und Anna Kleimann ihr Leben. erst später tot geborgen werden. ner und Hausbewohner beteiligten sich an der Ret- um den Flüchtenden bei einem allfälligen neuen
Ebenso ertranken drei Kinder der Familie Huber Einige gerade mit dem Schiff angekommene Unter- tung des Hausrates, der mit Wagen zum Postplatz Einbruch ein Entrinnen zu ermöglichen. Um 4 Uhr
und der «allseits beliebte» Gastwirt Alois Spill- offiziere, die sich auf der Heimreise vom eidgenössi- und in den Garten des Zürcherhofs transportiert
mann. Spillmann hatte sich mit einigen Gästen auf schen Unteroffiziersfeste in Luzern befanden, bil- wurde. Eine technische Kommission, zusammen- Links: Die Vorstadt unmittelbar nach der Katastrophe.
die Kunde vom Untergang des Rondells hin zum deten sofort einen Kordon um die Abbruchstelle gesetzt aus anwesenden Fachleuten und Mitglie- Unten: Die Abbruchstcllc bot ein trostloses Bild.

26 27
Die Unglücksstätte, vom See her gesehen.

MC (Enuioljncr uon 3uij!


Garten von Bäcker Moos bewegte sich aufrecht ge-
gen den See, immer tiefer einsinkend, bis weit drau-
ßen im See der Baumwipfel unter dem Wasserspie-
Jltil ^»iififidjl »nrotlf, to( M 60111 ntiftrt StaMgniuinbc flflrofftimi i»n- gel verschwand. Eine Flutwelle warf die Schiffe bei
Ofllifi« ulftf b« •Wtlroflfiitii liniim 6ns, S»ff«itotrtiiwtl>i|)ltf ncrcllcl f)nBm, oppdlitcu
der Platzwehre an Land und knickte drei neue ei-
chene Pfähle beim äußeren Dampfschiffsteg. Über
mir .111 »tu <D|if«f!nu btr ?lt!l&!ltflft unb ntnifltn um gcfaltlgc 'JJtroBrtiifumo oon die Abbruchstelle legte sich eine riesige Staubwol-
tfltdbrm null <5rn>rpciti>ra für C-rroaifjftiw »üb ,/litib«. ^tttt ffiaO« wirb t ke, die sich durch die Vorstadtgasse, die Chamer-
straße und über den See ausbreitete und die Flüch-
tnlgcgragtiuiiinifii i» tct y.uimif. tenden einhüllte.
Niemand hatte einen Einbruch dieser Größenord-
3 «r«, *<n 6. 3uli 1887. nung erwartet, die obere Häuserreihe hatte man
nicht für gefährdet gehalten. Einige hier zitierte
Augenzeugenberichte zeigen, daß der Abbruch
völlig überraschend erfolgte: Innerhalb der abge-
Uno ijiilNiuiiiilr. sperrten Zone befand sich das Kunstdüngerma-
gazin von Alois Uttinger-Ineichen. Ein Bekannter
hatte ihm angeboten, für einen Wagen zu sorgen,
30 wurde dem Kommandanten der Feuerwehr ge- um die Waren zu retten. Uttinger-Ineichen stellte
meldet, daß sich ein zusammenhängender, drei bis den Wagen oberhalb der beim Magazin verlaufen-
vier Millimeter breiter, halbkreisförmiger Riß von den Risse auf und begann mit einigen Helfern den mung der Wohnungen Mithelfende auf. Feuer- Stadt versinkt» waren zu vernehmen. Kinder such-
der äußeren Dampfschiffbrücke, unter der unteren Wagen mit Düngersäcken zu beladen. Der Wagen wehrmann Johann Acklin, der mit der Reparatur ten ihre Eltern, Männer ihre Frauen und Angehö-
Häuserreihe der Vorstadtgasse durch, bis zum war beinahe voll beladen, als der auf der Lade- der beim ersten Einbruch beschädigten Wasserlei- rigen, Frauen ihre Männer. Regierungsrat Nuß-
Rondell geöffnet habe. Sofort wurden die Schiffe, fläche stehende Uttinger-Ineichen sah, wie sich der tung beauftragt war, schickte sich gerade an, die baumer ließ sofort die Grundbücher aus der Hypo-
die sich auf dem See befanden, ans Ufer befohlen. hintere Teil des Wagens senkte und sich ein Baum Rohrmuffe der Leitung im Graben mit Blei auszu- thekarkanzlei ins Postlokal bringen.
Die technische Kommission beobachtete den neu- auf ihn zu bewegte. Die Pferde, die daraufwarte- gießen, als das Erdreich in seiner Nähe abbröckelte Der Kommandant der Feuerwehr, Albert Utinger-
en Riß fortwährend. Kurz vor sechs Uhr entdeck- ten, angespannt zu werden, brannten durch. Uttin- und Risse zeigte. Acklin schwang sich aus dem Speck, begab sich mit einigen Helfern auf den See,
ten Beobachtungsposten weitere zur Abbruchstelle ger-Ineichen konnte sich gerade noch auf allen Graben. Als Fluchtweg blieb einzig die Vorstadt- um das Ausmaß der Katastrophe abzuschätzen.
konzentrisch verlaufende Parallelrisse. Einige Be- vieren auf festen Boden retten, während der Wagen gasse gegen den Zürcherhof offen, gegen den Post- Als sich nach einigen Minuten die Staubwolke lich-
richte vom Unglückstag erwähnen keine neuen hinter ihm im See versank. platz verstopften Menschen und Wagen die Gasse tete, bot sich ihnen ein Bild der Zerstörung. Der
Risse, während nach den Worten des Berichterstat- In der Gefahrenzone hielten sich zur Zeit des Ab- und nach den Gärten hinter der oberen Häuser- Ufereinbruch hatte eine Bucht von 120m Länge
ters der «Neuen Zürcher Zeitung» die Feuerwehr bruchs vor allem Feuerwehrleute und bei der Räu- reihe schien kein Hausgang offen zu sein. Wie er die und 80m Breite aufgerissen, die jetzt ein wirrer
in Erwartung eines zweiten Einbruchs, um 18 Uhr Restauration Spillmann erreichte, sah er hinter Trümmerhaufen von schwimmenden Möbeln, Bal-
20 das Quartier zu evakuieren begonnen habe. sich den Zürcherhof zusammenbrechen. ken, Brettern, Gipsdecken und Ziegeldächern,
Um 18 Uhr 50 tönte es plötzlich von allen Seiten:
«Flieht, flieht!» Das Krachen und Bersten von Bal-
ken und Brettern schreckte die noch mit dem Räu-
Proklamation* Als das Signalhorn ertönte, versuchte sich Feuer-
wehrmann Albert Eisener durch ein in der Nähe
liegendes Haus zu retten. Auf der Flucht durch den
darunter ein Klavier, füllte. Wieviele der an der
Räumung beteiligten Hausbewohner und Helfer
waren wohl unter den Trümmern begraben? Kom-
men der Häuser Beschäftigten auf. In Panik stürz- in Hausgang packte er eines der Kinder von Gas- mandant Albert Utinger schätzte die Zahl der
ten die Flüchtenden durch die Vorstadtgasse gegen r, Wf © heizer Rickenbach an einem Bein, ein anderes Toten auf 150 bis 200.
den Postplatz oder den Bahnhof davon, sprangen Miiirn, uieldjc ilmni nidif geboren, klammerte sich an seinen Gurt. Die beiden Kinder Die Dämmerung senkte sich langsam über die
aus den Fenstern der Häuser und rissen Hecken ffltf , innert 24 ofimiM'ii mifrr hinter sich herschleifend erreichte er im Garten Stadt. Nur vereinzelt war von der Vorstadt her
und Zäune nieder. frr flffflflßfll 3rOl(P Wiftf Jtt einen Zaun aus Maschendraht, den er mit dem noch ein Krachen zu vernehmen, wenn weitere Ge-
Manch einer konnte sich nur mit einem kühnen Üfiltt flfomiüi füi; g^fcfttfduiuj und %- helmbewehrten Kopf durchstieß und so sich und bäudeteile nachstürzten. Die Feuerwehr ging dar-
Sprung auf festen Boden retten. Ein Haus nach die Kinder in Sicherheit brachte. an, die Vorstadt von der Restauration Spillmann
dem anderen verschwand in der Tiefe, einige fast
thcilung der {jcjlolttp Jnwntuit. Auf dem Dorfplatz und der Bahnhofstraße kamen über die Bahnholstraße bis zum Postplatz großräu-
«•" iHinviui im 9!cflfrrunn«f|cbäubc. "•"
vertikal, andere mit einer Bewegung von zehn bis 3US/ bCII 9. 3ll(( 1887. »«» llülft-ComlU.
die fliehenden Menschenmassen zum Stehen. Panik mig abzusperren. Ein Betreten des Gebietes wurde
zwanzig Metern nach dem See hin. Die Pappel im hatte die ganze Stadt erfaßt, Rufe wie «die ganze für die ganze Nacht untersagt.
29
Die Militärdirektion bot das Kontingent der Ge- sich, durch frühe Rufe und Signale gewarnt, recht- noch eine Menschenmenge auf dem Postplatz um 26 Häuser und neun Nebengebäude waren im See
meinde Baar auf, das um Mitternacht die übermü- zeitig in Sicherheit bringen. einige Feuer, im Schein der Pechfackeln gingen die versunken oder zerstört worden. Elf Vorstadtbe-
deten Feuerwehrmänner ablöste. Nachts um l Uhr Schon am Morgen des 6. Juli stand mit einiger Feuerwehr und das Militär ihren Wachaufgaben wohner waren unter den Trümmern begraben.
traf auch das Steiger-Rettungskorps von Menzin- Sicherheit fest, daß der zweite Einbruch weitere nach. Noch steckte allen die Angst in den Knochen.
gen ein, das schon am Abend seine Hilfe telegra- vier Opfer gefordert hatte. Einer der Vermißten, Panik brach in der Nacht aus, als ein Feuerwehr-
phisch angeboten hatte. Um 8 Uhr hatte der Ein- Schreinerjoseph Brandenberg, half im Haus von mann bei der Restauration Spillmann einschlief Erste Hilfeleistungen und Sicherungsmaßnahmen
wohnerrat Ständerat Georg Keiser als Platzkom- Fischer Speck «flöchnen». Sein Schwager Xaver und eine Laterne umstieß, was als Warnsignal ge-
mandanten bezeichnet, und ein Hilf- und Obdach- Speck und die Frau von Fischer Michael Speck deutet wurde. Der Stadtrat von Zürich sandte, sobald er von der
losenkomitee hatte die Versorgung und Verpfle- konnten sich mit größter Not «theils aus den Fenstern des Katastrophe Kenntnis erhielt, Möbel, Kleider und
gung der über 650 Vorstadtbewohner übernom- ersten Stockes retten».'21' Brandenberg war im obern Bettzeug nach Zug. Ebenso boten die Stadtbaudi-
Links: Aus Sicherheitsgründen verfugten die Behörden das rektion von Luzern und der Gemeinderat von Hor-
men, die ihre Wohnstätten vollends oder zumin- Stock des Hauses beschäftigt. Als er den Einsturz Abtragen aller Häuser der unteren Vorstadtslraßc. Im zwei-
dest vorübergehend aufgeben mußten. 300 Perso- bemerkte, sprang er rasch aus dem Fenster, gleich- ten Haus rechts unten befand sich die «Spanische Weinhalle». gen ihre Hilfe an.
nen wurden in der Kaserne, im Schulhaus und im zeitig sank die Straße in die Tiefe und riß ihn hin- Am Morgen des 6. Juli um 9 Uhr trafen der telegra-
Kleinspital untergebracht, während die übrigen bei unter. Unten: Das Gasthaus «Zum freien Wort», später Hotel «Rigi» phisch benachrichtigte Geologieprofessor Albert
und gegenwärtig Sitz der Gebäudeversicherung des Kan- Heim aus Zürich und der eidgenössische Oberbau-
Verwandten oder Bekannten Aufnahme fanden. Als der Gotthardschnellzug um 10 Uhr im Bahnhof tons Zug, war das erste Gebäude der oberen Vorstadtreihe,
Das Hilfskomitee forderte die Bevölkerung auf, die einfuhr, stürzten noch weitere Gebäude der unte- das, obwohl beschädigt, nicht niedergerissen werden mußte. inspektor von Salis in Zug ein. um die Abbruchstel-
vermißten Personen zu melden. Die meisten mit ren Häuserzeile ein. Ein feiner Regenschauer ging Der auf dem Bild links abgebildete «Italienische Keller» fiel le zu untersuchen und die Behörden bei den weite-
dem Ausräumen der Häuser Beschäftigten konnten derweil über die Stadt nieder. Stundenlang stand dagegen dem Abbruchbefchl zum Opfer. ren vorzunehmenden Schritten zu beraten.

in rII 11

30 3l
Oben: Aufräumarbeiten vor dem Gasthaus
«/um freien Wort».
Unten: Blick von der Abbruchstelle
beim Vorstadtquai nach Nordwcstcn.
Von der Quuimauer ausgehend, ist der Verlauf der
ursprünglich geplanten Quailinie zu erkennen.

Heim und von Salis untersuchten die Quaianlagen um die für das Wochenende zu erwartende Menge
vom See her und die Häuser und Straßen im Vor- von Schaulustigen von der Unglücksstätte fernzu-
stadtquartier auf Risse und Fugen hin und ließen halten. Schon am G.Juli waren viele Zuschauer aus
sich die Ereignisse vom Vortag von Augenzeugen den benachbarten Gemeinden und Kantonen nach
berichten. Aufgrund der Erfahrung mit den Ufer- Zug gekommen. Reporter und Photographen in-
einbrüchen in Vevey und Horgen schloß Heim und ausländischer Zeitungen, so beispielsweise der
Nachrutschungen nicht aus, betonte aber, daß die Korrespondent der «Times» in Paris, waren ein-
Gefahr innert weniger Tage abnehme. Als gefähr- getroffen, um über die Katastrophe zu berichten.
det bezeichneten Heim und von Salis ein Gebiet Das Telegraphenbüro Zug war Tag und Nacht ge-
von 34000m 2 , das sie in vier Gefahrenzonen ein- öffnet, bis zu acht Beamte und neun Ausläufer
teilten. Die Häuser in der ersten Zone würden, so waren im Dienst. Innert drei Tagen wurden über
Heim, durch die sich einstellende geringe Uferab- 1000 Telegramme aufgegeben und gegen 700 Tele-
böschung von selbst einstürzen. Eine zweite Zone gramme, meist von Angehörigen von Zuger Bür-
solle während zwei bis drei Tagen nicht betreten gern, kamen an.
werden. Aus den Gebäuden einer dritten Zone kön- Der eigentliche Katastrophentourismus setzte aber
ne, wenn die nötigen Sicherheitsvorkehrungen ge- erst am Sonntag ein. Zug wurde von Ausflüglern
troffen würden, der Hausrat geräumt werden. Die und weither gereisten Schaulustigen überflutet, die
Räumung der vierten Zone solle nach dem Ermes- sich für 40 Centimes mit Schiffen zur Abbruchstelle
sen der Bewohner geschehen, das Betreten des Ge- fahren ließen. Gegen Abend war in keiner Gast-
ländes und der Häuser solle von den Behörden er- wirtschaft mehr etwas Eßbares erhältlich, die Be-
laubt werden, hingegen solle für mindestens sechs sucher hatten die Stadt «leergegessen».
bis acht Tage die Nacht außerhalb dieser Zone zu- Auch Tage nach der Katastrophe schien die Erde
gebracht werden. noch immer in Bewegung zu sein, so war am Mor-
Zusätzlich schlug Heim die Einrichtung eines Net- gen des S.Juli die Meldung eingegangen, man habe
zes von neun bis zehn Beobachtungsposten vor, an der Strafanstalt Risse entdeckt. Der Erbauer der
von denen mit Nivellierungsinstrumenten die Erd- Anstalt, Architekt Dagobert Keiser, der sich mit
bewegungen erfaßt werden könnten. Neue und alte einer technischen Kommission sofort für eine
Risse sollten versiegelt werden, um eine Verände- Überprüfung an Ort und Stelle begab, kam aber
rung feststellen zu können 2 7 . Anläßlich einer weite- zum beruhigenden Ergebnis, daß es sich um alte
ren Untersuchung am S.Juli entdeckten Professor unbedeutende Risse handle.
Heim und Oberingenieur Moser keine gravieren- Am 8. Juli begann eine Abteilung Pontoniere von
den Veränderungen. Brugg mit den Aufräumarbeiten auf dem See, die
Die Bewohner jener Häuser, die betreten werden im August abgeschlossen wurden. Ein Teil der
durften, begannen mit Hilfe der Feuerwehren von Trümmer wurde durch die Vorstadt abtranspor-
Zug und Baar in fieberhafter Eile auszuräumen. tiert, während der größte Teil mit Schiffen zum
Als am Nachmittag in einem Haus ein Kasten zu Schülzcnplatz geflözt wurde. Auch zwanzig Mehl-
Boden stürzte, flohen alle, die sich in der Vorstadt säcke aus dem Lager von Bäcker Moos wurden
aufhielten, gegen den Postplatz. Selbst die Gäste im geborgen. Das getrocknete Mehl war zwar schön
Restaurant «Löwen» versuchten, sich durch die weiß, hatte aber einen säuerlichen, unangenehmen
Fenster in Sicherheit zu bringen. Am Abend wurde Geruch, so daß man es zur Schweinemast weiterver-
das Quartier wieder vollständig evakuiert und ab- wendete. Selbst aus versunkenen Häusern rettete
gesperrt. Das Militärkontingent von Baar wurde man von Schiffen aus mit Haken einiges an Inven-
von Truppen aus Menzingen und Ägeri abgelöst, tar. «So wurde unter anderem auch ein Hühnerstall mit den noch
deren Disziplin aber nur ungenügend war. Der lebenden Hühnern ... in Sicherheit gebracht.»211
Militärdirektor erließ deshalb für Sonntag, den Bis Mitte August versahen Angehörige der Freiwil-
l O.Juli, das Aufgebot für die erste und zweite Kom- ligen Feuerwehr den Wachdienst an der Einsturz-
panie des Zuger Bataillons 48, dies nicht zuletzt, stelle.

32 33
Situation der Vorstadt
kurz nach der Katastrophe.
Im Vordergrund
die für die Quaiaufschüttung
verwendeten Pfahle.

der Gegner des Stadtrates. Seine Vorwürfe gingen


Die Reaktionen im Ausland in zwei Richtungen. Keiser rügte scharf, der Stadt-
Die Kunde von der Katastrophe in Zug ver- rat habe die Rechnung für die Quaibaute nie im
breitete sich in Windeseile. Für einmal wurde Griff gehabt, da es jedes Jahr zu Kostenüberschrei-
auf den Frontseiten der Zeitungen in ganz Eu- tungen gekommen sei. Ebenso gravierend war nach
ropa, Rußland, den Vereinigten Staaten und Ansicht des Votanten der Vorwurf an den Stadtrat,
selbst im Fernen Osten über Zug berichtet. den Expertenbericht Heim/Moser der Bevölke-
Wie das Ausmaß des Unglücks in oft grotesker rung vorenthalten zu haben. Keiser zeigte sich
Weise übertrieben wurde, illustriert eine Mel- überzeugt, daß viele Bürger in Kenntnis des besag-
dung aus einer amerikanischen Zeitung: ten Berichtes den Quaiausbau in der vorliegenden
«Ein Theil des an den Zugersee grenzenden Gebietes der Form nicht bewilligt hätten. Aufbauend auf diesen
Stadt Zug ist einschließlich von 27 darauf errichteten Häu- beiden Anschuldigungen schlug Keiser der Ver-
sern im See versunken. Zwanzig Bewohner der selben werden sammlung vor, eine zwölfköpfige Spezialkommis-
vermißt. Es heißt, daß bei dem Unglücke in Zug 100 Men- sion zu wählen, die mit dem Stadtrat zusammen
schen im See ertrunken und 40 Häuser versunken sind. Am alle Fragen, die mit der Katastrophe in Verbindung
Ufer des Zuger See's waren längs der dort führenden Straßen standen, behandeln und klären sollte. Aus dieser
kürzlich neue Steindämme gebaut worden. Die Hälfte von Kommission wiederum waren zwei Spezialgrup-
diesen versank im See und zog die darunterliegende Straße pen für Bau- bzw. Finanzfragen zu bestimmen.
und die meisten Häuser derselben mit sich in die Tiefe. Zu den Auch die Kompetenzen und Aufgaben dieser Un-
letztern gehörte das Hotel zum <Zürichcr Hof«, in welchem 4 tergruppen gab Keiser der Versammlung bekannt.
Stockwerke mit Gästen überfüllt waren, von denen der größte Der Votant forderte die sofortige Wahl des Aus- nehmen. Der Rat begründete diesen Schritt mit Die Organisation der Hilfeleistungen
Theil noch schlafbefangen mit in der Tiefe verschwand. In schusses und hierauf eine schnelle Aklenübergabe fehlendem Vertrauen der Bürgerschaft in sein
Die Vorstadtbewohner in Not
Zug ist das Ufer des Zuger See's nachträglich noch auf wei der bisherigen Quaibaukommission an die neue Handeln. Gleichzeitig hatten auch vier Mitglieder
lern Strecken in denselben versunken.»-' 1 Untersuchungskommission. der Sonderkommission die Wahl ausgeschlagen, so Durch die Katastrophe verloren viele Vorstadtbe-
Der indirekte Schaden, den der Tourismus Der Stadtrat wehrte sich gegen dieses Trommel- daß hier ebenfalls neue Entscheidungen gefällt wohner ihre gesamten Habseligkeiten. Der Verlust
und das Gewerbe in Zug durch eine derartige feuer von Forderungen, berichtigte Angaben und werden mußten. Eigenartigerweise war es gerade der Werkstätten entzog den Handwerkern ihre Le-
Berichterstattung langfristig erlitten, läßt sich Zahlen und wies den Vorwurf zurück, er habe den diese Verknüpfung, die den Weg zu einer Lösung bensgrundlage. Die meisten der Geschädigten wa-
nur schwer abschätzen. Gäste aus dem In- Bericht Heim nicht veröffentlicht. Auszüge des Be- freimachte. Das Kommissionsmitglied Silvan ren nicht nur obdachlos, es mangelte ihnen auch an
und Ausland sagten ihren Aufenthalt in Zug richtes, so verkündete Stadtpräsident Carl Zür- Stadiin, das die auf ihn gefallene Wahl ebenfalls zu- Kleidern und Verpflegung, an den lebensnotwen-
und in den Kuranstalten auf dem Zugerberg cher, seien in der Quaivorlage 1885 enthalten ge- rückgewiesen hatte, schlug der Gemeinde vor, statt digsten Dingen. Die Aussage der Witwe von Simon
ab. Schließlich sah sich Stadtpräsident Zür- wesen, außerdem hätte jedermann auf der Kanzlei der Zwölfer- eine Siebnerkommission zu wählen, Keller - der bei der Katastrophe ums Leben kam -
cher veranlaßt, die kursierenden Gerüchte in Einsicht in den Expertenbericht nehmen können. die die bestehenden Kommissionen verstärken soll- zeigt, wie hart das Unglück einige Familien traf:
einer Pressemitteilung zu dementieren. Die Einsetzung einer Kommission lehnte der Rat te. Da die Anwesenden diesen Vorschlag guthie- «Ich bin mit Keller seit lOJahren vcrheirathet, wir hatten sechs Kin-
kategorisch ab, da eine solche Maßnahme statt ei- ßen, widerrief der Stadtrat seinen Rücktritt und er- der, die aber alle gestorben sind. Mein Mann war seit ca. 12 Jahren
ner Entlastung nur eine Belastung bringe. Seiner klärte sich zur Weiterführung der Geschäfte bereit. als Cigarrenmacher bei Hrn. Wcmans in hier angestellt, derselbe hat
Meinung nach war es ausreichend, die bestehen- Dennoch forderte die Katastrophe auch zwei poli- durchschnittlich 30 Fr. p. Woche verdient. Wir wohnten beim Hrn.
den Fachkommissionen personell zu verstärken. tische Opfer. Die Stadträte Baupräsident Hengge- Moos Bäckermeister in der Vorstadt und bei der Katastrophe im
Politische Folgen ler und Spillmann teilten dem Einwohnerrat mit, Monat Juli ist mein Mann verunglückt.
Obwohl von Bürgerseite die Ansicht des Stadtrates
Die erste Gemeindeversammlung nach der Kata- auch unterstützt wurde, entschied sich die Ver- daß sie an ihrem Rücktritt festhalten würden. Der Ich arbeite auch bei Hrn. Wcmans und verdiene p. Woche Fr. 11.
strophe am 7. August 1887 brachte heftige Mei- sammlung mehrheitlich für die Wahl einer Sonder- Rat bescheinigte den Demissionären vor der Ge- Gegenwärtig habe ich eine Wohnung beim Zieglcr Brandenbcrg b.
nungsverschiedenheiten zwischen dem Stadtrat kommission. Ihr gehörten Juristen, Baufachleute, meindeversammlung am 25. September 1887, daß Schutzengel. Meine Mutter, die 62 Jahre alt ist, wohnt bei mir. Die
und einzelnen Bürgern. Die politische Behörde verschiedene Politiker und der Kantonsförster an. sie «stets unentwegt nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle Eltern von Keller leben noch, können mir aber keine Unterstützung
stellte dem Volk das Begehren für einen unbegrenz- Der Ausgang dieser Gemeindeversammlung zeigte der Stadtgemcinde gearbeitet hätten», weshalb ihnen «der voll- verabreichen. Bis jetzt habe ich als Liebesgabe erhalten: 10 Fr. vom
ten Nachtragskredit. Die vorläufige Schadensum- deutlich, daß die Vorstadtkatastrophe Zug in eine ste Dank der Gemeinde zu Protokoll auszusprechen und ihnen die deutschen Hilfsverein in Zürich, 10 Mark von einem Deutschen
me wurde dabei a u f ü b e r eine Million Franken be- politische Krise geworfen hatte. Schon 14 Tage gewünschte Entlassung zu crthcilen sei».30 Diesem Antrag er- durch den Herrn Kaplan in Steinhauscn und etwas Naturalgaben.
ziffert. Aus den Reihen der Anwesenden machte später wurden die Bürger wieder einberufen, um wuchs keine Opposition, und die Wahl der Nach- Für das Zimmer, in dem ich mit meiner Mutter wohne, zahle ich p.
sich Rektor Heinrich Alois Keiser zum Wortführer vom Kollektivrücktritt des Stadtrates Kenntnis zu folger ging ohne Schwierigkeiten vonstatten. Jahr ca. 100 Fr. Wir kochen auch in diesem Zimmer mit einer Petro-

34 35
Oben: Die Unglücksstätte nach der Räumung.
Unten: Winterstimmung in der Vorstadt.
Die untere Häuserreihe ist noch nicht abgetragen worden.

Unter den
Vorschlägen über die
Ausgestaltung des
Zuger Vorstadtquais
befand sich auch dieses
Projekt, welches die
Abbruchstelle /ur
Erinnerung an die
Katastrophe vom
S.Juli 1887 für alle
Zeiten als
Gedenkstätte
eingerichtet sehen
wollte.

Icumküche. Die Mutter kann außer mir von niemandem Unterstüt- ment des Innern ordnete Portofreiheit für die Spen-
zung erhalten. Wenn ich nur soviel erhalten würde, daß uns aus des- den an.
sen Zinsjewcilen die Wohnung bezahlt würde.» :il Die Gaben flössen reichlich: innerhalb weniger
Wochen trafen einige Hunderttausend Franken in
Zug ein.
Die Sammlung der Liebesgaben-
In verschiedenen Schweizerstädten wurden Feste
freundeidgenössische Hilfe für Zug
und Wohltätigkeitskonzerte für Zug veranstaltet.
Das städtische Hilfskomitee, das sich unmittelbar In Vevey beispielsweise organisierten die Stadtmu-
nach der zweiten Katastrophe gebildet hatte, kon- sik und der Männerchor ein Konzert, das aller-
stituierte sich am G.Juli mit dem Regierungsrat zu dings mehr einem Fasnachtsball als einer Wohltä-
einem kantonalen Komitee unter dem Vorsitz von tigkeitsveranstaltung geglichen haben soll. In
Dr. Silvan Stadiin. Schaffhausen fand am Rhein ein Nachtfest statt,
Der Regierungsrat bewilligte gleichentags einen und in Zürich gab der Zirkus Wulffeine Extravor-
Kredit für die Verpflegung der Opfer des Unglücks stellung, deren Erlös für Zug bestimmt war. Auch
und ordnete die Durchführung einer Hauskollektc aus dem Ausland gelangten Spenden nach Zug. In
in den Gemeinden an. Die Gebäudeschatzungskom- Südamerika, im Fernen Osten und in Australien,
mission wurde angewiesen, den Schaden an Mobi- überall wo Schweizer sich niedergelassen hatten,
liar und Immobilien festzustellen. In einem Bericht wurde für Zug gesammelt.
vom 16. Juli an den Kantonsrat berechnete der Re- Die Tätigkeiten des Hilfskomitees gingen nicht im-
gierungsrat den direkten Schaden (d.h. den Ver- mer reibungslos vonstatten. Die Streitigkeiten zwi-
lust an Grund und Boden, Immobilien, Straßen, schen der Einwohnergemeinde und dem Einwoh-
Gas- und Wasserleitungen und die Entwertung des nerrat im August 1887 beeinträchtigten auch die
gefährdeten Gebietes) auf rund 1,5 Mio. Franken. Arbeit des Hilfskomitees und schädigten zudem
Die Zentralkommission der Schweizerischen Ge- das Ansehen der Stadt.
meinnützigen Gesellschaft übernahm im Einver- Einige Zuger versuchten, die Spendefreudigkeit
nehmen mit dem Bundesrat die Organisation der ihrer Mitbürger zu ihrem Vorteil zu nutzen. In ver-
Hilfeleistungen im Inland, während im Ausland schiedenen Berichten wird erwähnt, daß nicht alle
die schweizerischen Gesandtschaften Spendengel- geretteten Gegenstände an die richtigen Eigen-
der sammelten. Am 13.Juli erließ die Schweizeri- tümer zurückfanden. Der Einwohnerrat mußte so-
sche Gemeinnützige Gesellschaft einen Aufruf an gar einige Familien ausweisen, die die Katastrophe
das Schweizervolk. Das Eidgenössische Departe- benützten, um sich zu bereichern. In wenigen Fällen

36 37
Zur Linderung der materiellen Not der Geschädigten
wurde diese Lithographie /.um Kaufangeboten.

K A T A S T R O P H E IN Z U G
5 . 6 . 7 . J u l i 1887.
wurden auch über den erlittenen Schaden unrichtige Angaben
gemacht.
Am 27. Januar 1888 versammelten sich die Delegierten der
Kantonsregierungen, des Bundesrates, der Schweizerischen
Gemeinnützigen Gesellschaft und der Zuger Regierung im Re-
gierungsgebäude in Zug, um über die Verteilung der Spenden-
gelder Beschluß zu fassen. Die Sammlung hatte die für dama-
lige Verhältnisse hohe Summe von 690752 Franken einge- 1
bracht.
->-"'" ^.- ." ' jr
—• *»~ • , " i% > *
Das Hilfskomitee und eine Spezialkommission hatten den
Schaden an Immobilien auf 473000 Franken und den Mobi-
liarschaden auf 217000 Franken geschätzt (die betroffenen ,5?^^
^^-i^r^^H^i^^.-
•(.^ •
:^r -'r";-^, "v
7 .-» ; i y (fjj^^_ >>
Vorstadtbewohner hatten allerdings einen Mobiliarschaden • <3*$~>U\ ea,i?w^J§R ^ "^ * *"' "^^A VV
von 271 000 Franken geltend gemacht). Als Entschädigung für
den Verlust von Familienmitgliedern wurden 28000 Franken
vorgeschlagen.
Die Delegiertenversammlung beschloß
- den Mobiliarschaden zu mindestens 90 Prozent zu vergüten,
- den Schaden an Immobilien durchwegs mit 80 Prozent zu
entschädigen. Eine Auszahlung der Entschädigungen sollte
erst nach einer Regelung mit den Kapitalgläubigern erfolgen,
- die Angehörigen, der bei der Katastrophe Verunglückten
mit 28000 Franken zu unterstützen.
Für die Abgeltung des indirekten Schadens (Verlust von Miete,
Umzug) wurde eine Summe von 10000 Franken bereitgestellt.
Den Überschuß der «Liebesgabensammlung» ließen die Dele-
gierten der Stadt Zug für die Sicherungs- und Rekonstruktions-
arbeiten im Vorstadtgebiet zukommen.

Der Bericht der Expertenkommission


Die Ursachen der Katastrophe
Mit der Untersuchung der Ursachen des Ufereinbruchs beauf-
tragte der Einwohnerrat Prof. Albert Heim, Ingenieur Robert
Moser und den Quai-Ingenieur A. Bürkli-Ziegler. Der Bundesrat
ordnete Ingenieur Hörnlimann vom topographischen Bureau
für Seetiefenmessungen nach Zug ab. u g e r - S e e
Der von dieser Kommission im Dezember 1887 veröffentlichte /laffi fftrfi'j<'t/r ye*. ff/t Msffi" J öt;tyfr,&**'<&.
Bericht faßte die Resultate der vorgenommenen Bohrungen,
Seetiefenmessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchun-
gen zusammen und versuchte die geologischen Vorgänge am
S.Juli zu rekonstruieren. 7. Sahnhof, £. Züj-f/itff/ioi" g, '/• 1/bi-Jla.cLt. , 6 Aayiu*£tisftßtuvtt 7, QUOLL, S~ff_ayieftuiffSffet/ctuaeei ,i> Scßäjt/'efs.
Als primäre Ursache für das Unglück nannten die Experten 3.. T/ti-sui-iJtanci* no'j-ctl. töi-rta.c£t (Jli $~a£äuci<! ) b. Zum jircsjtu fhaiC dsmotirte J-/äute>-, AacJutiirt
das «Vorhandensein einer ausgedehnten mächtigen Lage von weichem Schlamm- C,.Jit. J(!-äail fitfindfi mit &>u>ntaetätt veivunken . d. l'tl-snnksnei. Stiict< a< Jliauer
sand unter jüngerem, festerem, aufgelagertem Boden von bloß wenigen Meiern
Mächtigkeit». 32 t'jt füi- .die

38 39
Wie die Grundwasseruntersuchungen ergaben, war Das umliegende Terrain in der Vorstadt solle ins-
der Grundwasserstand im ganzen Vorstadtgebiet vor besondere durch die Abtragung der unteren Häu-
dem 5. Juli außergewöhnlich hoch. Die durch die serreihe (bis zum Regierungsgebäude) und den
Pfählungen lür die Quaianlage ausgelösten Erschüt- Abbruch der Restauration Spillmann entlastet
terungen des Bodens hatten zur Folge, daß sich werden.
die grundwasserdurchweichte feste Schlammsand- Der Regierungsrat beschloß im November 1887, ei-
schicht wieder lockerte. Die Auffüllungen für den nen Nachtwächter für die Vorstadt einzustellen,
Quai im Abbruchgebiet wirkten auf der schiefen der allfällige Geländebewegungen rechtzeitig mel-
Ebene des Ufergeländes als Belastung, der die den würde. Der Einwohnerrat sprach sich aber ge-
Schlammsandschicht nicht standzuhalten vermochte. gen diese Maßnahme aus und wies die Polizei an,
Der Expertenbericht widerlegte verschiedene andere das Quartier stündlich zu kontrollieren.
Interpretationen der Vorgänge am S.Juli. Linth-
Ingenieur Legier beispielsweise hatte in einem Gut-
achten für den Regierungsrat der Überzeugung Aus- Die Rekonstruktion des Vorstadlgebieles
druck gegeben, daß eine Stauung des Grundwassers
Im September 1887 stimmte die Gemeindever-
und eine daraus resultierende Ausschwemmung
sammlung einer Erweiterung des Stadtrayons zu.
einer Triebsandschicht die Katastrophe ausgelöst
Den Vorstadtbewohnern war damit die Möglich-
habe. — Unterirdische Quellen oder eine Felsbewe-
keit gegeben, am Stadtrand neues Bauland zu er-
gung schlössen die Experten als Ursachen ebenso aus
werben.
wie die Erklärung des Geologen Resal von der Pariser
Verschiedentlich hatte sich die Nachbarschaft
Akademie der Wissenschaften. Resal hatte behaup-
Vorstadt in Eingaben an den Einwohnerrat über
tet, daß die Dürre des Sommers einen sich in den See
den Verzug der Arbeiten im Vorstadtgebiet be-
ergießenden unterirdischen Fluß ausgetrocknet habe
klagt und die Erstellung eines neuen Stadtquartiers
und die dabei entstandenen Hohlräume eingestürzt
gefordert. Albert Utinger-Ineichen hatte diesbe-
seien.
zügliche Vorschläge ausgearbeitet.
Die Veröffentlichung des Expertenberichtes im Ja-
nuar 1888 erlaubte dem Einwohnerrat, die Pla-
Die Sicherheit der Vorstadt nung für die Sicherungsarbeiten im Vorstadtgebiet
und die Wiederherstellung der Kantonsstraße
Die geologischen Bedingungen seien, so betonten
Zug-Cham voranzutreiben. Ingenieur Moser wur-
die Experten, für große Teile der Stadt die gleichen
de beauftragt- ausgehend von den im Expertenbe-
wie im eingebrochenen Teil, ein Nachsturz der in- An den Zuschuß des Bundes war die Auflage
richt festgelegten Richtlinien - ein Projekt für die
neren Vorstadt sei jederzeit möglich. Der Abbruch geknüpft, die projektierten Arbeiten innerhalb
Rekonstruktion der Vorstadt auszuarbeiten.
habe aber möglicherweise die Schlammsand- Eine frisch gcpllair/lc Baumrcihc von zwei Jahren vom Inkrafttreten des Bundes-
In seinem vom 2. Mai 1888 datierten Bericht er-
schicht gegen das Land hin verbarrikadiert, so daß säumt anstelle der abgebrochenen Häusergruppe beschlusses an auszuführen. Außerdem wurde der
rechnete Moser ungefähre Baukosten von 480000 die Sccscitc der Vorstadtslraße.
die Gefahr für die übrigen Uferpartien gering sei. Kanton verpflichtet, die neuzuerstellenden An-
Franken. Um die Finanzierung der Wiederherstel-
Für die Sicherung der Vorstadt schlug die Exper- lagen «Stetsfort in zweckentsprechendem Zustand und als öffent-
lungsarbeiten sicherzustellen, ersuchte der Ein-
tenkommission folgende Maßnahmen vor: Die Differenz zur Kalkulation von Moser erklärt liches, jedem Privatbcsitz entzogenes Eigenthum zu erhalten». 34
wohnerrat den Bundesrat (mit Schreiben vom
«a) Die Entwässerung des rücklicgcnden Bodens und Entlastung sich dadurch, daß der Einwohnerrat eine Entschä- Im August 1888 bewilligte auch der Kantonsrat
16. Mai) um Subventionen.
desselben. digung von 90,6 Prozent für die Häuserbesitzer in einen Kredit von 90000 Franken (einschließlich
Der Voranschlag des Einwohnerrates rechnete mit
b) Die Unterlassung neuer Uferbelastungcn durch Schuttablagc- der unteren Vorstadt vorsah, während Moser mit 40000 Franken, die der Kantonsrat schon im J u l i
folgenden Ausgaben:
rungen etc. 80 Prozent rechnete. 1887 zur Verfügung gestellt hatte). Die Einwohner-
c) Die Unterlassung von umfassenden Pfä'hlungcn in der Nähe der Landerwerb und Entschädigungen Fr. 382 150.— Die Bundesversammlung verabschiedete am 29. gemeinde folgte im Oktober 1888 dem Antrag des
gefährdeten Ufer. Bauarbeiten Fr. 186102.41 Juni 1888 einen Beschluß, der Bundessubven- Einwohnerrates, für die Restfinanzierung Anleihen
d) Die Entlastung des Bodens durch Abbruch von Gebäuden. Projektierung und Bauleitung Fr. 20000.— tionen von 50 Prozent (im Maximum aber aufzunehmen.
e) Auffüllungen an der Basis des Gehänges zur Herstellung eines Fr. 294000) an die Kosten der Rekonstruktion Im Dezember 1888 wurden die Expropriations-
Fr. 588252.41
festen Fußes daselbst.»33 vorsah. verhandlungen mit den Liegenschaftsbesitzern in

40 41
Bntfldmng in Zug vnn 5. Juli 1867. Beilage zum Experlen Gutachten
dat.16.Xn. 1887.

Erklärung
Bezeichnungen
Gebäude.
Versunkene odw beschädigte
und abgebrochene Gebäude.
| l Nach Project tu beseitigende
Gebäude.

Garten oder Anlage

Baurayon und Baulinie

Strasse>"oir ,
Irottoir mit Bäumen

l l Bahnhof Plateau

Entwässerung mit Ein-


steigeschacht.

SITITATIONSPLAN
der

NEUES P R O J E C T

Maasstab l : 2000

10 6 0 10 M 40 60 100 120 IM 100 WO 200 -

42 43
der Vorstadt aufgenommen. Die Versteigerung der rungsarbeiten, wobei zuerst die Entwässerungs- Links: Die neue Vorstadtanlage. tige Architekten zur Planconcurrenz zugezogen wurden, fielen ja die
Gebäude und der Abbruch der unteren Häuser- leitungen gelegt und die Uferschutzanlagen erstellt Rechts: Gesamtansicht der Vorstadt nach Abschluß drei ersten Preise auswärtigen Architekten zu.»
reihe erfolgten im Januar und Februar 1889. Die wurden. der Wiederaufbauarbeiten. 1946 legte der Stadtrat ein überarbeitetes Projekt
obere Häuserreihe wurde aus Kostengründen in Bis auf die Gartenanlagen waren sämtliche Rekon- vor, das eine großzügige Neugestaltung des Ufer-
ihrem Zustand belassen, obwohl sich die Vorstadt- struktionsarbeiten Ende Dezember 1890 abge- geländes in der Vorstadt vorsah. Geplant war eine
Seeufergestaltung
bewohner für eine Schleifung ausgesprochen hatten. schlossen. Die neue Chamerstraße konnte schon Erweiterung der Grünanlagen, ein Sommercafe,
Die Landesregierung billigte im Februar die Aus- am I.August 1890 dem Verkehr übergeben wer- 1931 stellte der Stadtrat ein Kreditgesuch für die der Ausbau der Katastrophenbucht zu einem
führungspläne, die im wesentlichen den Vorschlä- den. Seeufergestaltung an die Gemeindeversammlung. Schiffshafen und ein Parkplatz im Dreieck Rigi-
gen Mosers folgten. Die Planungskommission hatte An die Finanzierung der Gesamtkosten von 579 144 Auslöser für diesen Schritt war die damals vor der straße—Gartenstraße—Vorstadt. Ferner sollten ein
einzig beschlossen, die Querstraße vom Regie- Franken leistete die Stadt gemäß der Schlußrech- Realisierung stehende Strandbadplanung. Musikpavillon und ein Hotel errichtet werden.
rungsgcbäude nach der Vorstadt wegzulassen, um nung einen Beitrag von 65537 Franken. Im Januar 1933 verabschiedete der Stadtrat das Teile dieses Projekts, die Schützenmatt-Turnhalle
eine Zerstückelung der Anlage zu vermeiden. Im Schlußbericht an die Einwohnergemeinde zog Programm für den Wettbewerb. Er beschloß, nur und die Badeanstalt Siehbach wurden schließlich
Die Bauarbeiten wurden für eine Summe von der Einwohnerrat Bilanz: zugerische Architekten ohne eigenes Baugeschäft, in den sechziger Jahren realisiert.
122000 Franken an den Mindestbietenden, Bau- «Aus den Ruinen sind hübsche Anlagen, gutgebaute Straßen und sowie etwa vier speziell eingeladene auswärtige Studien für die CH-91 in Zug beziehen das Seeufer
unternehmer F. Valentini-Müller aus Uster, verge- Wege entstanden und das rücklicgende Terrain ist durch eingelegte Architekten für den Wettbewerb einzuladen. Am vom Regierungsgebäude bis zum Bootshafen in die
ben. Mit der Bauleitung betraute der Einwohner- Entwässerungssträngc und Kanalisationen gesichert worden, so daß 18. Mai besichtigte der Stadtrat die eingegangenen Planung mit ein. Vorgesehen ist, Teile des Ausstel-
rat den von Moser empfohlenen Ingenieur Süß aus die Gemeinde nun wieder getrost der Zukunft entgegen blicken Projekte: «Der Einwohnerrat konstatiert, daß eigentlich wenig lungsgeländes am See zu errichten.
Zürich. Am 18. März 1889 begannen die Siche- kann.» 35 neue Ideen zum Ausdruck kamen und daß es gut war, daß auswär- Christof Buri, Christian Raschle

44 45
Entstehung und Sicherheitsaspekte des Zuger Seeufers

ANMERKUNGEN Ufereinbrüche, Schicksalsschläge oder der Natur zusammen, so kann das Gleichgewicht
Am 5. Februar 1891 erteilte das Eidgenössi- voraussehbare Ereignisse? empfindlich gestört werden. Ein Beispiel hierfür ist
sche Departement des Innern den Verbau- 1
Der freie Schweizer, Nr. 6/8.2. 1833.
die Seeuferkatastrophe des Jahres 1887 in Zug.
ungsarbeiten in der Vorstadt die Schluß- 2
Rutschungen des Zuger Seeufers sind durch die Gerade die Stadtgründung von Zug zeigt, wie
Drieling, Aantekcningen op eene Reize naar Zwitserland en Lombar- Katastrophenjahre 1435, 1594 und 1887 historisch
genehmigung. Aufgrund von Artikel 5 des dijen, 41. wichtig die Kenntnisse der geologischen Entste-
Bundesbeschlusses vom 29. Juni 1888 ver- 3
PA W. Bossard, C. Bossard, Aufzeichnungen, Band I, Heft 1,9.
dokumentiert. 1987 sind 100 Jahre vergangen seit hungsgeschichte für ein Gemeinwesen sein kann.
pflichtete sich der Kanton Zug im Kollauda- 4
dem verhängnisvollen Ufereinbruch in der Vor- Aufgrund von Feststellungen an der Oberfläche
Fecht, Der Fußwanderer, 99 ff.
tionsprotokoll (die Verpflichtungen wurden 5
stadt von Zug. Diesen Ereignissen waren aber be- des Baugrundes hielt man den Bereich der heutigen
BAZ, A 39 26 64, Protokoll des Stadtrates, 8.5. 1841.
1893 der Stadt Zug Überbunden) dafür be- 6
reits in prähistorischer Zeit Instabilitäten voraus- Altstadt für tragfähig, wies er doch bis in Ufernähe
StAZ, Theke 3.6.0 Bauwesen, Vertrag zwischen J. Landlwing und
sorgt zu sein, daß: der Baukommission der Stadt Zug, 1.5. 1840. gegangen.
' StAZ, Theke 3.6.0 Bauwesen, Vertrag zwischen OWB und Stadt Die vorliegende Arbeit versucht, in möglichst all- Entstehung der Erde
Zeit 0 Uhr
«1. Die Anlagen zwischen Garten-, Rigi- und Chamerstraße Zug, 30.12. 1859. gemeinverständlicher Weise die Zusammenhänge
einerseits und Chamerstraße, See und Regierungsgebäu- " StAZ, Gemeindeprotokollc 1874-1891, Vorlage «Quaianlage», Jan. solcher Ufereinbrüche mit der Entstehungs- (4-10 9 J.v.h.)
de anderseits, wie selbe in dem vom Bundesrathe geneh- 1883. geschichte des Zuger Baugrundes einerseits und
migten, dem Collaudations-Protocolle als integrirender ' BAZ, A 39 26 74, Protokoll des Stadtrates, 19.12. 1863. den Eingriffen des Menschen andererseits aufzu- Ur- Frühzeit
10
Bestandtheil einverleibten Plane in rother Punktierung StAZ, Theke 3.6.0 Bauwesen, Schreiben Schell an Stadirat, 12.9. zeigen.
1863.
begrenzt sind, in unveränderter Gestalt beibehalten und Bei diesen Zusammenhängen spielen Gletscherab- 24
11
StAZ, Theke 3.6.0 Bauwesen, Schreiben Pestalozzi an Stadtrat, 16.9. Zeit 20.40h Ende Präkambrium
darauf weder Gebäude errichtet, noch Ablagerungen ge- 1865. lagerungen der letzten Eiszeit sowie die seither im Beginn „ Altertum"
macht werden. 12
Ebenda.
Uferbereich des Sees abgelagerten Schwemmate- (570-10 6 J.v.h.)
(Paläozoikum)
Wenn Häuser in der Vorstadt vom Hotel Rigi No.489a 13
Zuger Volksblau 16.7. 1887.
rialien eine wesentliche Rolle. Die entstandenen
bis Postplatz gebaut oder umgebaut werden, so dürfen be- 14
Gleichgewichte werden sowohl von der Natur als „Erstes Leben "
StAZ, Gemeindeprotokolle 1874-1891, Versammlung, 17.7. 1881.
hufs Verhinderung weitreichender Erschütterungen kei- 15
auch vom Menschen beeinflußt. Bei der Vorstadt-
StAZ, Einwohnerratsprotokoll, 22.7. 1881.
ne Pfählungen vorgenommen werden, sondern die Fun- 16
Katastrophe 1887 hat der Mensch mit Bauarbeiten
StAZ, Plan der Vorstadt-Quaibaute, 1882. Ende Paläozoikum
dationsart ist diejenige auf möglichst breitem Betonguß. wesentlich auf dieses wenig stabile Gleichgewicht Zeit 22.40h
17
StAZ, Gemeindeprotokolle 1874-1891, Vorlage «Quaianlage», Jan. Beginn „Mittelalter"
Erst 50 Meter hinter dem Abrißrande und erst in gleicher 1883. eingewirkt, was zum bekannten fatalen Ereignis (Mesozoikum)
(225-10 6 J.v.h)
Entfernung hinterhalb genannter Häuserreihe würde ei- 18
Ebenda.
führte. Der Stand der heutigen Kenntnisse der 21 15

ne Pfahlfundation gestattet sein, immerhin ist auch hier 13


SiAZ, Einwoherratsprotokoll, 2.5. 1884.
Ingenieurgeologie zeigt, daß dieses Unglück kein n Kalkformationen"
(Zeit der Saurier)
eine breite Beton-Fundation vorzuziehen. 20
StAZ, Theke 3.6.0 Bauwesen, Gutachten Heim/Moscr, 17.7. 1884.
reiner Schicksalsschlag der Natur war.
21
Ebenda.
3. Im Abrißgebiet und längs dem Quai bis zum Regierungs- Zeit 23.45h Ende Mesozoikum
22
gebäude hin dürfen am Ufer keine Pfählungen vorgenom- Ebenda. Erdgeschichtlicher Rückblick Beginn Tertiärzeit
23
men werden. StAZ, Gemeindeprotokolle 1874-1891, Versammlung, 30.5. 1886. (65 106 J.v.h.)
24
StAZ, Theke 3.10 Bauwesen, Schreiben an Zürcher, Stadtpräsidcnt,
Um den gegenwärtigen und künftigen Zustand un-
Die Erstellung eines neuen Dampfschifisteges an genann-
vom 24.10. 1887. serer Erde zu verstehen, sollten wir ihre Vergan-
ten Stellen darf nur mit Einwilligung des Bundesrathes 25
STA ZG, Abt. 1878-94, Theke 106, Nr. l, Polizeilicher Untersuch. genheit möglichst genau kennen. Da die Erdge-
geschehen. 26 schichte aber nur in verschlüsselter Form aufge-
Ebenda.
8. In der Nähe des ganzen Abrißgebietes sind genaue Nivel-
27
StAZ, Bauwesen, 3.10, Schreiben Heim an Zürcher, 6.7. 1887. zeichnet ist, mußten Generationen von Geologen Zeit 43 Sek. vor Ende Tertiär
24.00 h Beginn Quartär
lements nach einem aufzustellenden Reglement auszu- 28
Zuger Nachrichten, 10.7. 1887. Indizien sammeln und diese als Tausende von (Mensch)
29 Puzzleteilen zu einem zusammenhängenden Bild 21 15 (ca 3- 10 6 J.v.h)
führen und von Zeit zu Zeit zu wiederholen, um sich stets Kansas Telegraph, zit. in: Zuger Nachrichten, 24.8. 1887.
von dem thatsächlichen Verhalten der Bauten Rechen- 30
StAZ, Gemeindeprotokoll 1874-1891, Versammlung 25.9. 1887.
ergänzen.
Jeder bauliche Eingriff des Menschen bedeutet Zeit '/5Sek. vor 24h Ende Eiszeit
schaft geben zu können.»36 31
StAZ, Theke 3.10 Bauwesen, Aussage von Witwe Keller.
32 grundsätzlich eine Störung des Gleichgewichts der
Die Cataslrophe von Zug, 31.
1893 verabschiedete der Einwohnerrat ein Re- 33
" Natur. Glücklicherweise ist einerseits solch Abb. l Geologische Uhr. Die Darstellung veranschaulicht geolo-
Die Catastrophe von Zug, 40.
glement, das auch heute noch im Abstand von 34
menschliches Tun in der Regel von untergeordne- gische ZcitbegrifTc, indem sie die Zeit seit Entstehung der Erde
Bundesbeschluß vom 29. Juni 1888, Art. 5. auf die Dauer eines Tages reduziert. Älteste Zeugnisse
vier Monaten vorzunehmende Kontrollmaß- 35
ter Größenordnung, anderseits sind die vorhande-
StAZ, Theke 3.10, Zusatzbericht über die Vcrbauung der Vorstadt menschenähnlicher Geschöpfe wurden auf drei Millionen Jahre
nahmen zwischen der Seelikon und der Schüt- zum Verwaltungsbericht für das Jahr 1891, 39. nen Gleichgewichte der Erdoberfläche vorwiegend vor heule datiert. Dies entspricht bei obiger Darstellung den
zenmatte einführte. 30
STA ZG, Abt. 1878-94, Theke 107, Kollaudationsprotokoll vom 5.2.
auf der stabilen, d.h. sicheren Seite. Treffen aber letzten 45 Sekunden vor Mitternacht. Seit der letzten Eiszeit sind
1891. größere bauliche Eingriffe mit labilen Zuständen vergleichsweise 0,2 Sekunden Zeit verstrichen!

46 47
Phasen der ausgehenden Würmeiszeit
alte schmelz- Rückzugsstadium 1
wasserrinne t—ffandmoröne
<» *—•—v—<&—v, pss-—pr~

Eis \

den gleichen schweren Kies- oder Moränenboden Reduziert man die rund vier Milliarden Jahre seit rund 10 000 Jahre seit dem Ende der letzten Eiszeit,
auf, wie er sich andernorts seit Jahrhunderten als der Entstehung der Erde auf den Ablauf eines einzi- umfaßt einen Bruchteil der letzten Sekunde vor 24
zuverlässig erwiesen hatte. Daß darunter heim- gen 24stündigen Tages, so beginnt erst um 21 Uhr Uhr! (Abbildung 1).
tückischer organischer Seeboden liegen könnte, das Erdaltertum (allererste Lebewesen), 15 Minu-
paßte nicht in damalige Vorstellungen der Entste- ten vor Mitternacht erleben (während rund hun-
hung der Erde. dert Millionen Jahren) die Saurier ihre große Zeit,
Spuren der Eiszeit
Könnte man die Geschichte der Erde in einem kur- 45 Sekunden vor Mitternacht taucht etwa der Während der maximalen Ausdehnung der letzten
zen Film zeitlich gerafft darstellen, so würde man Mensch auf, und jene Zeit, welche für unsern Zuger Eiszeit war der größte Teil des schweizerischen
den ungeheuren Wandel der Gestalt der Erdober- Baugrund am entscheidensten war, nämlich die Mittellandes mit Eis bedeckt. Mit einem Eisniveau
fläche feststellen: Kontinente verschieben sich, Ge- von rund 1000 mü.M. ragten im Zugerland nur
birge werden aufgeschoben und abgetragen, Eis- noch vereinzelte Stellen des Zugerbergs, der Roß-
zeiten kommen und gehen, katastrophale Erdbe- Abb. 2 Eisüberdeckung im Zugerseebecken während einer länger an- berg und der Höhronen aus dem Eis heraus. Über
dauernden Rücktytgsphast der letzten Eiszeit. Über dem Bereich der
ben und Vulkanausbrüche verändern schlagartig heutigen Stadt Zug lagen ca. 300 m Eis. Längs dem Zugerbcrg
dem Gebiet der heutigen Stadt Zug lag eine bis
die Oberfläche, während ungeheure atmosphäri- entstand eine Randmoräne mit seitlichen Abflußrinnen der kräf- 600 m mächtige Eisdecke, welche in der Darstel-
sche Einflüsse über Jahrmillionen mitwirken. tigen Schmelzwässcr (kurze Pfeile). (Aufnahme Swissair) lung von Abbildung 2 (Rückzugsphase) noch rund
300 m betrug.
Als das Klima wärmer wurde, zogen sich die Glet-
scher zurück. Dabei wurden große Schmelzwasser-
mengen sowie Schuttmassen am Rande des Eises
freigegeben. Ein Wechselspiel von Wiedervorstoß
und erneutem Rückzug der Gletscher komplizierte
die Vorgänge. Unsortierte Ablagerungen des ab- Abb. 3 Phasen der ausgehenden Würmeiszeit (unmaßstäbliche. Prin-
schmelzendes Eises mischten sich mit sortierten zipskizzen). Beim Abschmelzen des Eises verloren die Rand-
Kiesen und Sanden der Schmelzwässer. mnräncn den seitlichen Halt, was zu vielfachen Rutschcreignis-
sen führte. Die Rutschmassen überschoben feinkörnige Seeabla-
Von besonderem Interesse für den Baugrund von gerungen von Eisrandseen. Am Ende der Eiszeit lag der Spiegel
Zug sind die Vorgänge an den Abhängen des Zu- des Zugersces mindestens 20 m über dem heutigen Niveau.
gerbergs bis zum Seeufer. Randmoränen von sta- Spätere natürliche Absenkungen des Sees führten zu weiteren
tionären Zwischenstadien verloren während oder Ufcrrutschungcn. Der Bereich der Zuger A l t s t a d t liegt vermut-
lich auf einer kompakten abgerutschten Scholle von glazialen
nach Abschmelzen des Eises ihr Gleichgewicht und Materialien, welche sich über feinkörnige Seeuferablagerungen
rutschten talwärts. Eine komplizierte Wechsel- geschoben hat.
schichtung von feinkörnigen Böden und Rutsch-
masse war die Folge.
Abbildung 3 veranschaulicht schematisch die Vor- Über die Einzelheiten dieser Rutschbereiche ist
gänge in den entscheidenden Phasen. Die wichtig- noch recht wenig bekannt. Aufgrund von Sondie-
sten Rutschungen sind noch heute erkennbar. In rungen und Geländebeobachtungen ist in Abbil-
Abbildung 4 sind diese einskizziert. Die oberen dung 5 ein Modell der vermuteten Rutschmecha-
Halbmonde verdeutlichen die eigentlichen Anriß- nismen dargestellt. Bei der Flurbezeichnung «Chä-
nischen, während die elliptischen Umrandungen mistal» ist die Fortsetzung der Randmoräne «Us-
die Lage der Schuttmassen verdeutlichen. Bei den sergrüt» mit Höhenlage ca. 700 m ü.M. eingetra-
vier mit Pfeilen markierten Rutschbereichen sind gen. Das dargestellte Profil enthält einen Teil die-
von links nach rechts erkennbar: St.-Verena-Rut- ser Rutschmasse (zwischen St. Verena und Bolil-
schung (ca. Chämistal bis Ägeristraße), Rutschbe- gutsch). Der Bereich Bohlgutsch dürfte selbst eine
reich Tschuopis bis St. Michael, der Rutschbereich Rutschmasse sein, über dessen ursprüngliche Lage
Guggital (Brüschenrain bis Neufrauenstein) und wenig ausgesagt werden kann. Unter letztgenann-
der letzte Bereich mit besonders großem Anriß- ter Rutschmasse wird ein Rutschbereich vermutet,
trichter ist der Rutschhang von der Schönegg- welcher bis in die Altstadt und ans Seeufer reicht.
Gimenen bis St. Karl. Soweit dem Verfasser bekannt ist, haben geodäti-
48 49
Überhöhung zweifach

sehe Lagemessungen im Bereich der Rutschmasse daß die prähistorischen Rutschbereiche in Zukunft
St. Michael keine Hinweise auf mögliche noch ohne außergewöhnliche menschliche Eingriffe oder
stattfindende Bewegungen ergeben. Wir dürfen da- besondere geologische Vorkommnisse nicht zu Sor- Rutschmasse
Gutsch
her von der Annahme ausgehen, daß beim Rutsch- gen Anlaß geben sollten.
ereignis die Bewegungsenergie der Rutschmasse zu
einem relativ stabilen Endzustand geführt hat, so
Nacheiszeit: 10000 Jahre Zugerseegeschichte
Abb. 4 Hauptrutschbtriiche an den Abhängen des Zugerbergs. Die Der heutige Zugersee weist einen mittleren See-
Ä
schematische Darstellung zeigt die zahlreichen Anrißnischen spiegel von ca. 413,5m auf. In einer ersten nacheis-
(obere Halbmonde) und die darunter befindliche Rutschmasse: zeitlichen Phase wird ein wesentlich höherer See-
Links im Bild die Rutschung «Chämistal/St. Verena», südlich Abb. 5 Querprofü Auslädt-Kohlgutsch-St. Verena. In diesem '
folgen die Rutschbereiche «Tschuopis/St. Michael», «Guggital»
spiegel von mindestens 430m vermutet. Damit wa- zweifach überhöhten schcmatischen Qucrprofil durch den
sowie «Schöncgg/Gimenen». Der Grat im Vordergrund ist der ren weite Bereiche zwischen Zug, Baar, Steinhau- Abhang des Zugerbergs sind drei vermutete Rutschmassen
sen und Cham unter Wasser. Seither hat sich der erkennbar: eine unterste Rutschmasse kompakter glazialer
Moränen/ug des Guggi (Aufnahme Swissair). M
PROFIL

"—«f!«
Ablagerungen im Bereich Sceufer bis ca. Huwylerturm, eine
mittlere Rutschmasse beim Bohlgutsch sowie die erwähnte große
Rutschmasse von «Chämistal/St. Verena». Rechts im Bild ist
schematisch der ursprüngliche Verlauf der Randmoränc «Usser-
grüt» dargestellt. Diese prähistorischen Rutschungen sind heute
nicht mehr aktiv, dürften daher ohne außergewöhnliche
menschliche Eingriffe oder besondere geologische Vorkomm-
nisse nicht zu Sorgen Anlaß geben.

Seespiegel in prähistorischer Zeit — vermutlich in Überblick über die Baugrundverhältnisse


verschiedenen Schüben - wesentlich gesenkt. Wie der Stadt Zug
die Höhenlage von Pfahlbausiedlungen vermuten
lassen, bestand sogar während längerer Zeit ein Entsprechend seiner Entstehungsgeschichte ist der
etwas tieferer Spiegel als heute. Baugrund von Zug sehr unterschiedlich. Während
Im Mittelalter betrug der Seespiegel ca. 415,5 m, der südliche Bereich mit der heutigen Altstadt im
also rund 2m über dem heutigen Niveau, bevor wesentlichen durch späteiszeitliche Vorgänge und
Ende des 16. Jahrhunderts in Cham eine künstliche Rutschungen entstanden ist, besteht der Unter-
Absenkung durchgeführt wurde. Zahlreiche Seeu- grund im Norden der Stadt (Vorstadt und Neu-
ferinstabilitäten waren die Folge. Als großer Vor- stadt bzw. Chamerstraße) vorwiegend aus noch
teil hingegen ergab sich u.a. die Möglichkeit einer jüngeren Ablagerungen des Zugersees und seiner
sicheren Straßenverbindung von Zug über den einmündenden Bäche (Abbildung 6).
Choller nach Cham. Aus diesem Grunde finden sich im nördlichen
Während all diesen verschiedenen Seespiegeln er- Stadtteil weiche, setzungsempfindliche und aus-
folgten die entsprechenden Seeuferverlandungen. schwemmungsgefährdete Böden, welche aus fein-
Geschiebematerialien der Bäche, Schwebstoffe der sten Sanden oder Silten* oder gar aus Kalkaus-
Flüsse sowie Kalkausscheidungen von Mikroorga- scheidungen von Kleinstlebewesen des Sees beste-
nismen führten zu Uferverlandungen. hen. Solche Ablagerungen werden in der Fachwelt
Während die Katastrophe von 1435 in der Altstadt als Seekreide bezeichnet. Es handelt sich um eine
eher auf ufernahe Schichtzusammenhänge zurück- zunächst noch leicht steife, schmierige Masse, wel-
zuführen ist, bei welchen prähistorische Rut- che aber bei geringster Belastung breiig wird wie
schungsvorgänge am Hangfuß des Zugerbergs mit- verarbeitungsfähiger Gips und ebenso beim Ein-
spielten, handelt es sich bei der Katastrophe von trocknen zu weißer Kreide erhärtet.
1887 in der Vorstadt um ein Versagen struktur- Eine besonders heimtückische Eigenschaft dieser
empfindlicher Böden, welche der Zugersee und ein- .Bodenart war lange zu wenig bekannt: in ungestör-
mündende Bäche in Ufernähe abgelagert hatten. tem Zustand weist sie eine zwar geringe, aber doch
* feiner als .Sand, aber gröber als Ton 51
Abb. 6 Schematisclu Haugrundkarte der Stadt Zug. Im nördlichen Stadtteil sind vorwie-
gend feinkörnige Secablagcrungen mit nach Norden zunehmenden Übergußschich-
ten der Lorzc und weiterer Seitenzuflüsse vorhanden. Längs dem Sceufcr finden sich
die empfindlichsten, meist organisch durchsetzten, feinen Ablagerungen. Im Bereich
der Altstadt wurden unter Bachschultmalerialien des Bohlbaches schwere eiszeit-
liche Böden gefunden, welche vermutlich über ticferliegcnde Seeablagerungen ge-
rutscht sind. (Reproduktion mit Genehmigung des Bundesamtes für Landestopogra-
phic vom 19. November 1986)

bis zu gewissem Grad brauchbare Festigkeit auf, so Kiessanden des Bohl-/Burgbaches, ebenfalls junge
• daß kleinere Bauten auf diesem Untergrund durch- Seeablagerungen, welche lokal einen beträchtlichen
aus gegründet werden können. Wird die Struktur Anteil an Seekreide enthalten können.
der Seekreide jedoch z. B. durch Überbelastung ge-
stört, verliert sie kurzfristig diese bescheidene Die historischen Rutschereignisse
Festigkeit. Sie verflüssigt sich buchstäblich und er-
Der Untergang der Zuger Altstadt am 4. März. 1435
langt erst nach einer gewissen Beruhigung wieder
einen Teil ihrer früheren Festigkeit. Zum Thema von Erdeinbrüchen am Zugersee be-
Im eigentlichen Altstadtbereich finden sich in grö- richtet A. Weber in einem längeren Aufsatz in der
ßerer Teife unter schwerem Moränenboden fein- «Neuen Zuger Zeitung» von 1887:
körnige Ablagerungen des ehemaligen Eisrandsees
«... Plötzlich um b Uhr abends ertönt ein dumpfer Knall, der Boden
sowie, besonders in Ufernähe, teils überdeckt von
wankt, ein Angstschrei, ein schrillendes Rauschen des sich aufstau-
Abb. l Scliemalisches Qiierjiwfd durch die Altstadt (West-Ost). Eine enden Sees, eine aufqualmende dunkle Staubwolke und - versunken
bergwärts auskcilcnde Schicht von feinkörnigen, locker gelager- war die niedere Gasse. Ein Schrei des Entsetzens erschallt in der
ten Seeablagerungen unter dem Bereich der ehemaligen niede-
ren Gasse war vermutlich von grobkörnigem Bachschultmatc- mittleren und oberen Gasse, die Einwohner fliehen auf Anhöhen, um
rial des Bohlbachcs überdeckt. Unter der heutigen Untcrgasse der hereinbrechenden Wasserflut, wie man im ersten Augenblick
finden sich unter wenigen Metern kompakten Bachschutts glaubte, zu entgehen. Viele denken an die Rettung der Verunglück-
schwere glaziale Böden (Moräne), welche vermutlich cinc'r prä- ten, laufen jammernd und mit Händen ringend am Rand des Ab-
historischen Rutschmasse zugehöreil. Als Hauptgrund für den
grundes hin und her, der ihr Teuerstes verschlungen. Die Beherzte-
Einsturz der ehemaligen niederen Gasse werden extreme Sicker-
wasscrdrücke in der plötzlichen Tauphase nach hartem Winter sten bestiegen die wenigen Schiffe, welche in der Nähe zu erreichen
vermutet. sind - allein es war Weniges mehr zu retten...»
IM WESENTLICHEN ORGAN.
SEEUFERABLAGERUNGEN

F E I N K R N I G E SEEABLAGERUNGEN Altstadt Zug


G E R I N G ÜBERDECKT VON 3 - n
BACHSCHUTT
PROFIL—- ZUGER -SEE
ÜBERGUSS VON KIES/ SANDEN
AUF SEEABLAGERÜNGEN
Seespiegel vor 1593

VERRUTSCHTE MORÄNE TEILS ÜBER


47 ; Seeipiegel heute

4) SEEABLAGERUNGEN,OBERFLÄCHLICH
T E I L S VON BACHSCHUTT ÜBERGOSSEN

BACHSCHUTTFAECHER

AUFFÜLLUNG (VERMUTET)

SILT/ SAND MIT S E E K R E I D E

•\. /
%j& /. wf>-«'fr*#t,n*>t<ybt ,*•'///fmrz •.""••'.-• iv >/ ""v
SCHWEMM- SCHUTTFÄCHER DES
BOHLBACHES (GROBKÖRNIG) n PRÄHISTORISCHE RUTSCHMASSE
(MORÄNE)

^•Ä.. «U Lt
'M.-,;.,,•-••
^. L>v#
m LAGE UND GRÖSSE DER
BAUTEN IM E I N S T U R Z B E R E I C H
NUR SCHEMATISCH
SEEABLAGERUNGEN VERSCHUPPT
MIT SCHWEMMSAND DES
BOHLBACHES
VERMUTETER UNVERRUTSCHTER
UNTERGRUND (MORÄNE)
v

53
Das Studium der Akten von damals hat wenig An- Diese schwierigen Arbeiten unter der Leitung von den waren, welche u.a. der Öffentlichkeit willkom-
gaben zum Verständnis der geologischen Ursachen Stadtbaumeister Jost Knopflin (dem Jüngeren) - mene Freizeitanlagen boten (vgl. Seeuferaufschüt-
und Zusammenhänge dieses Unglücks geliefert. bei welchen dramatische Augenblicke nicht fehlten tungen in Zürich), wünschte sich verständlicher-
Baugrunduntersuchungen, speziell vereinzelte (es erfolgte eine Überschwemmung im Frauenthal weise auch Zug eine vergrößerte Seepromenade.
Bohrungen der letzten Zeit, gestatten hingegen und in Maschwanden) - glückten dann im Jahre Das Projekt (Abbildung 8) sah Aufschüttungen in
heute ein etwas besseres Bild der Zusammenhänge. 1592. Wie aus den Unterlagen erkennbar ist, dürfte der Vorstadt bis zur damaligen Schützenmatte vor.
Überliefert ist jedoch, daß der Winter 1434/35 die Absenkung mindestens 1,5 wenn nicht 2m be- Als Ufersicherung waren Pfähle mit aufgesetzter
äußerst kalt war und eine totale Seegfrörni brachte. tragen haben. Ufermauer vorgesehen. Abbildung 10 zeigt als
Gegen Ende Februar wurde es wärmer, und die Der Erfolg war eklatant: einerseits war nun die Schnittskizze die grundsätzliche Anordnung im
Eisdecke des Sees löste sich auf. Straßenverbindung zwischen Zug und Cham ge- Bereich der äußeren Vorstadt.
Aus dem Querschnitt (Abbildung 7) durch die Alt- sichert, andererseits aber erfolgten rund um den 1884, als die Pfählungsarbeiten bereits fast zur
stadt mit schematischer Rekonstruktion des Ein- Zugersee zahlreiche kleinere Rutschungen und Hälfte durchgeführt waren (Abbildung 9), zeigten
sturzbereiches ist ersichtlich, daß vor allem im Be- Einbrüche. In diesem Zusammenhang ist auch die sich bedenkliche Risse in Nachbarbauten. Die geo-
reich der damaligen untersten Häuserreihe eine Uferrutschung vom 7. März 1594 bei der Seelikon logischen Experten Heim und Moser warnten mit
bergwärts auskeilende Schicht von feinkörnigen, (Seelücke?) zu sehen, bei welcher neun Häuser im ihrem Gutachten von 1884 vor diesem Vorgehen.
locker gelagerten Seeablagerungen in die an sich See versunken sind (siehe Walter E. Bossard, Lite- Ihr Gegenvorschlag verlangte u.a. wesentliche zu-
vertrauenerweckenden Bachschuttmaterialien und raturverzeichnis). Die Bevölkerung der Stadt sätzliche Schüttungen auf der Seeseite zur Stabili-
schweren Moränenböden ragte, den die damaligen glaubte wiederum an eine größere Katastrophe. sierung der Auffüllgewichte (Abbildung 10). Des-
Stadtgründer für tragfähig gehalten hatten. Glücklicherweise waren jedoch keine Menschen- sen ungeachtet blieb man' aber beim bisherigen Abb. 9 Pfählungsarbeiten ßir dit neue Quaimauer. Das Bild zeigt,
wie die bis 12 m langen Hol/.pfahle gerammt wurden. Im Vor-
Anhand der Schnittskizze (Abbildung 7) ist zu ver- leben zu beklagen. Projekt. dergrund rechts glaubt man erstes Schüttmaterial zu erkennen.
muten, daß durch die unterste Häuserreihe der Bereits während den Pfählungsarbeiten wurden Im Hintergrund der Seeuferbereich der heutigen Schützenmatte
Untergrund bis an die Grenze seiner Tragfähigkeit Baugrunduntersuchungen aus der Zeit des Baus erste umfangreiche Aufschüttungen im Uferbereich (Foto: Archiv Dr. W. Spillmann, Zug).
belastet war. Das plötzliche Tauwetter nach har- der Badanstalt Seelikon (ca. 1948) sowie spätere
tem Winter muß zu einem extremen Sickerwasser- Aufschlüsse zeigen in diesem Bereich südlich der
druck geführt haben, dem der Untergrund nicht Altstadt erhöhte Seekreideanteile in den fein- Projektierte Quai - Anlage in Zug
mehr gewachsen war. Möglicherweise haben außer- körnigen Uferablagerungen. Vom Bau des neuen (REKONSTRUKTION DER SITUATION) 9 2
P 60m
dem noch gefrorene Untergrundpartien das bei Casinos ist zudem der starke z. T. gespannte Sicker-
Tauwetter in der durchlässigen Übergußschicht wasserzufluß des ehemaligen Bohlbaches erkannt W/MtA PROJEKTIERTE AUFFÜLLUNGEN
des Bohlbaches reichlich anfallende Hangsicker- worden. Abb. 8 Situation des Projektes
wasser zu neuen Sickerwegen gezwungen und da- Daß der Einbruch im März erfolgte, also zu etwa (ca. 1884-1887). Vorgesehen ^rr^ EINSTURZNISCHEN MIT ZEITL. STAFFELUNG
war die Auflüllung der ge-
durch die genannten Drücke des Sickerwassers zu- der gleichen Zeit wie das Ereignis von 1435, könnte samten schraffierten Fläche. VOR HAUPTRUTSCHUNG
sätzlich erhöht. Demnach wäre zusammenfassend ein Hinweis auf eine ähnliche Tauwettersituation Mitte 1887 waren von Süden BEOBACHTETE RISSE (CA LAGE)
die Katastrophe auf Tragfähigkeitsverlust in fein- sein. Zu vermuten ist daher, daß extreme Hang- und von Norden her je
-^' RAND DES ENDEINSTURZES
körnigen Ufcrverlandungen infolge von extremen sickerwasser-Verhältnisse in einer Tau- oder ca. ein Drittel der Ufermauer
Hangwasserdrücken zurückzuführen. Schneeschmelzphase zu erhöhten Porenwasser- erstellt. Die Aulliillarbeiten
VERSCHIEBUNG
im südlichen Drittel waren
drücken * führten, was sich zusätzlich zur unlängst weit vorangeschritten, Der
HOTEL ZÜRCHERHOF
erfolgten Seeabsenkung nachteilig auf die Festig- Einsturz begann beim süd-
Die Seeabsenkung von 1592 in Cham keit der empfindlichen organischen Seeuferablage- lichsten Rondell. Das Vor-
rungen auswirkte. So gesehen liegt es nahe, den dringen der zeitlich gestaffel-
und der Ufereinbruch von 1594 ten Einbrüche und die am
Einsturz von 1594 als Folge der Seeregulierung in Nachmittag des Unglücks-
1540 bauten die Zuger über den Choller durch den Cham zu betrachten. tages festgestellten Risse sind
Sumpf eine neue Straße nach Cham. Zunehmende entsprechend den Aussagen
Schwierigkeiten mit der Seeabflußregulierung in von Augenzeugen ein-
Cham führten jedoch dazu, daß diese Straße häufig skizzierl. Eingetragen ist
Die Vorstadt-Katastrophe von 1887 außerdem die nach dem Ein-
überflutet war. Der Stadtrat von Zug beschloß da- bruch gemäß Abb. 13 fest-
her, die Absenkung des Sees durch Tieferlegung Nachdem in der Schweiz in verschiedenen Städten stellbare Lage des Hotels
des Lorzebettes beim Seeausfluß in Cham. erfolgreich Seeuferaufschüttungen ausgeführt wor- Zürcherhof.

* Druck des Wassers in den Poren des Bodens, d.h. in den Zwischen räumen zwischen den Bodenteilchen. 55
u
in
co

ZUGER - SEE
o AUFFÜLLUNG VOR FERTIG
? STELLUNG DER MAUER
Seespiegel vor 1593
heute Mittl. Seespiegel 413 5

S E E K R E I D E H A L T I G E JÜNGSTE WECHSELSCHICHTUNG VON O R G , S E E K R E I D E H A L T I G E JÜNGSTE WECHSELSCHICHTUNG VON ORG,


SEEABLAGERUNGEN • DURCHSETZTEN SANDEN U . S I L T E N SEEABLAGERUNGEN • DURCHSETZTEN SANDEN U.SILTEN

Vorstadt Zug
FEINSAND-/SILTSCHICHTEN
S E E W Ä R T S IN S E E K R E I D E H A L T I G E
ABLAGERUNGEN ÜBERGEHEND
n W E C H S E L S C H I C H T U N G VON
D E L T A S A N D E N UND SEETON
Vorstadt Zug
FElNSAND-/SILTSCHICHTEN
SEEWÄRTS IN S E E K R E I D E H A L T I G E
ABLAGERUNGEN ÜBERGEHEND
l l WECHSELSCHICHTUNG V O N
DELTASANDEN UND SEETON

Zustand vor der Rutschung Zustand nach der Rutschung


(5.7.1887) VERMUTETER VERLAUF DER SCHICHTGRENZE (5.7. 1887) VERMUTETER VERLAUF DER SCHICHTGRENZE

Abb. 10 Quer/mißt durch die Vorstadt vor der Rutschung. Diese sche- Abb. 11 Querproßl durch die Vorstadt nach dem UJ'ereinbmch (schema- Abb. 12 Qiierßroßl durch die Vorstadt im heutigen Zustand. Die
matische Darstellung zeigt den Aufbau des Untergrundes, die tische, d. h. ungtßhre Rekonstruktion). Erste Rutschung von 15.25 strukturempfindlichen Untergrundmaterialien liegen in redu-
Lage des früheren Seeufers sowie das Projekt der Uferanlagen. Uhr: Versagen des Untergrundes im Fußbereich des Steindam- zierter Mächtigkeit und sind durchsetzt von Resten der zerstör-
Die Pfählungsarbeiten sind seit Frühjahr 1886 vollendet. Die mes (statischer Grundbruch). - Zweite Rutschung ca. 15.35 ten Bauten. Die Katastrophe hat zu einer Entlastung und damit
1883 begonnenen Auflüllarbcitcn werden nun beschleunigt. Der Uhr: der steile Uferanriß überfordert die strukturempfindlichen zu einer erhöhten Sicherheit in diesem Bereich des Seeufers
Steindamm © ist zu ca. zwei Dritteln geschüttet. Die Fußsehüt- seekreidehaltigen Schichten. Mauer und Hinterfüllung versin- geführt. Die heutige Uferstraße liegt auf einer leichten Hohl-
tung ©, welche 1884 nach ersten Rißbeobachtungen bei Nach- ken samt Pfählung. Weiterer Strukturzusammcnbruch f u h r t konstruktion.
barhäusern von den Experten zur Sicherung gefordert worden zum Einsturz zweier Fischerhütten und eines Wohnhauses. —
war, wurde nicht ausgeführt. Hauptrutschung ca. 18.55 Uhr: als Kettenreaktion vom See her
verflüssigt sich der seekreidehaltige Untergrund. Dutzende von
Wohnhäusern versinken und gleiten mit der Rutschmasse Rich-
tung See. Die Rulschung kommt da zum Stillstand, wo der See-
durchgeführt. Soweit bekannt, stammten diese einige Meter, wobei letztere gleichzeitig minde- krcidcgchalt der jüngsten Ablagerungen genügend klein ist, was
Materialien aus dem Abbruch der Stadtmauer zwi- stens um mehrere 10m seewärts rutschten. Die eine weitere Verflüssigung verhindert.
schen Pulverturm und Seelikon und den Aushub- Rutschung erfolgte im Sinne einer Kettenreaktion
arbeiten für Kasernenplatz und Schulhausplatz. landeinwärts (Abbildung 11)*.
Damit wurde außerordentlich schweres Bau- und Der Ablagerungskegel des Hauptrutsches auf dem
Aushubmaterial auf den weichen, wenig trag- Seegrund erreichte bei sehr geringen Böschungs-
fähigen Seegrund geschüttet. neigungen von zwei bis drei Grad (unter Wasser)
Im Juni 1887 waren die Pfählungsarbeiten längst eine Distanz von über einem Kilometer. Die Breite
abgeschlossen, der Steindamm beidseits der Pfahl- des Schuttstromes variiert zwischen 100 und 200m
reihe aber erst zu zwei Dritteln gebaut, als die Auf- (vgl. Abbildung 14).
füllarbeiten intensiviert wurden. Am 5.Juli 1887 Nach der Katastrophe (Abbildung 13), welche elf
ereignete sich im Bereich der äußeren Vorstadt der Menschenleben kostete und 650 Stadtbewohnern
fatale Ufereinbruch in drei Phasen; um halb 4 Uhr ihr Obdach raubte, wurden die gleichen Experten
nachmittags versank ein erster Teil der neuerstell- mit der Beurteilung der Zusammenhänge und Risi-
ten Quaimauer, kurze Zeit später folgte ein länge- ken beauftragt. In ihrer Expertise aus dem Jahre SEEKREIDEHALTIGE JÜNGSTE WECHSELSCHICHTUNG VON ORG.
SEEABLAGERUNGEN DURCHSETZTEN SANDEN U. SILTEN
res Teilstück der neuen Mauer mit zwei Fischer- 1887 erklärten sie die Rutschung als eine Folge der
hütten und einem Wohnhaus. In der Vorstadt zeig- ungünstigen Untergrundverhältnisse: FEINSAND-/SILTSCHICHTEN WECHSELSCHICHTUNG VON
SEEWÄRTS IN SEEKREIDEHALTIGE DELTASANDEN UND SEETON
ten sich zahlreiche Risse. «Die primäre Ursache ... liegt in dem Vorhandensein einer ausge- ABLAGERUNGEN ÜBERGEHEND
Zirka um 7 Uhr abends erfolgte innert weniger Se- dehnten mächtigen Lage von weichem Schlammsand unter jünge- Vorstadt Zug
kunden die Hauptrutschung. Vom See her begin- rem, festerem aufgelagertem Boden von bloß wenigen Metern heutiger Zustand VERMUTETER VERLAUF DER SCHICHTGRENZE
nend, versanken Aufschüttung und Bauten um Mächtigkeit.» (siehe Heim/Moser/Bürkli, S. 31)

Vgl. detaillierte 1 Schilderung im Aufsatz von Dr. Christian Raschle «Der Untergang der Zugcr Vorstadt vom 5. Juli 1887», S. 24 (f. 57
Abb. 14 Situationsplan mit Lage der Schuttzunge auf dem Seegruiid. Die Rutschmasse des ersten (Beilage des Gutachtens der Experten Heim, Moser, Bürkli von 1888)
größeren Abrisses glitt demnach auf dem Seegrund bis auf eine Distanz von ca. 500 m, wäh-
rend diejenige der Hauptrutschung bis 1000 m erreichte bei Gleitwinkeln von 2—3 Grad. Im
Bereich der gelbgefärbten Zone wird angenommen, der Seegrund sei weitgehend frei von
Schuttmassen. Eine andere Interpretation wäre diejenige, daß die rot angelegte Masse vor-
wiegend aus in ihrer Struktur gestörter Seekreide besteht, während die grobkörnigen A u f l u l l -
matcrialien im braunen Bereich lägen. Die exakten Aufnahmen der Experten sind noch heute
wertvolle Informationen für die Beurteilung von Rutschvorgängen.

Hatsdrang m Zuö vom 5.J\ili 1887

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58
bundenen Verpflichtungen «... die baulichen und Wie die Rekonstruktion der Vorgänge von 1887
sonstigen Anlagen ... Stetsfort in zweckentspre- zeigt, erfolgte der Ufereinbruch eindeutig als Folge
chendem Zustande und als öffentliches, jedem Pri- der Überbelastung des Untergrundes. Mitwir-
vatbesitz entzogenes Eigentum zu erhalten...» kende Einflüsse («Factoren», wie sich die Experten
In Ausübung dieser Verantwortung wurden in den Heim, Moser und Bürkli ausdrückten) wie der tiefe
letzten 50 Jahren u.a. alle fünf Jahre Nivellemente Seepegel, besonderer Andrang von Grundwasser,
durchgeführt, welche die Setzungsbewegungen des die Erschütterungswirkung der Rammarbeiten
Geländes um die Katastrophenbucht überwachen. oder die Rückstauung von Sickerwässern müssen
Aufgrund solcher Beobachtungen hoffte man, all- als gering oder nicht maßgeblich wegfallen.
fällige weitere akute Geländebewegungen rechtzei- So hat der tiefe Seespiegel das durch die Disposi-
tig zu erkennen oder eine Aussage über die Sicher- tion prekäre Ungleichgewicht der Kräfte höchstens
heit des Ufers machen zu können. noch geringfügig erhöht. Aus Nachrechnungen bei
anderen Rutschereignissen ist zwar der nachteilige
Einfluß von Sickerwasserströmungen bekannt. Im
Heutige Beurteilung der Sicherheiten vorliegenden Falle finden sich jedoch Verhältnisse
(drainierende Sandschichten), die nicht im ent-
Noch 1950 kam im Zusammenhang mit dem Neu- scheidenden Ausmaß zu den sonst gefürchteten
bau der Kantonalbank ein erfahrener Zuger Bau- Nachteilen fuhren können.
ingenieur und Augenzeuge des Unglücks zum Was die Pfählungsarbeiten betrifft, die mindestens
Schluß, daß ein Bauvorhaben wie dasjenige der 12 Monate vor der Katastrophe abgeschlossen
heutigen Kantonalbank am Postplatz in solcher worden waren, ist zu bemerken, daß Erschütte-
Nähe des Katastrophenbereichs unter keinen Um- rungswirkungen sofort oder höchstens innert Ta-
ständen ausgeführt werden dürfe. Mit der Einhal- gen nach der Rammung hätten erfolgen müssen.
tung verschiedener Vorsichts- und Sicherheits- Näherungsberechnungen anhand von Erfahrungs-
Abb. 13 Bild der Zerstörung. Diese Aufnahme der Katastrophen- maßnahmen wurde dieses Bauwerk dennoch er- werten von Kenngrößen der heute bekannten Un-
bucht in Richtung Süden kurz nach dem Unglück zeigt im Vor-
dergrund das Dach des ehemaligen Hotels Zürchcrhof, welches
folgreich realisiert. Seither sind weitere, dem Kata- tergrundarten im Bereich der Vorstadt zeigen, daß
sich auf der Ostscitc der Vorstadlstraße befunden hatte. Der strophenbereich selbst noch näherliegende Bauten das gewählte Projekt wie auch die Reihenfolge der
Verschiebungsweg dieses hintersten von der Rutschung erfaßten ausgeführt worden. Ausführung ungenügende Sicherheiten mit sich
Gebäudes dürfte ca. 40 m horizontal und ca. zehn bis zwölf Me- In den bald 100 Jahren seit jenem Ereignis hat die brachte. Auch ohne Bearbeitung einer konkreten
ter vertikal betragen haben. Im Hinlergrund rechts ist die noch Wissenschaft der Ingenieurgeologie/Geotechnik
heute bestehende Ecke der Seeuferanlage ersichtlich (Foto aus
Projektalternative läßt sich immerhin feststellen,
Archiv Luchsinger, Hermann, Rotzetter AG, Ingenieure, Zug). einige wesentliche Fortschritte gemacht. Die Er- daß an Schweizer Seen mit ähnlicher Baugrund-
kenntnisse über das Verhalten von Böden, die Un- situation bereits in jener Zeit zahlreiche vergleich-
Die Experten kamen zum Schluß, daß diese ungün- de übersteigt. Aufgrund der Expertise Heim/Mo- tersuchungsmethoden sowie die Berechnungsver- bare Bauwerke erfolgreich realisiert wurden, d. h.
stigen Verhältnisse ein unsicheres Gleichgewicht ser/Bürkli von 1877 übernahm daher der Bund die fahren sind verschiedentlich verbessert worden. Es daß mit geeigneten Mitteln und einem den Unter-
(geringe Sicherheitsreserve) bedeuten, so daß ver- Oberaufsicht für das weitere Vorgehen, das heißt ist daher heute möglich, die Zusammenhänge an- grundverhältnissen angepaßten Vorgehen zumin-
schiedene gleichzeitige Ursachen im Zusammen- die entsprechenden Sanierungsarbeiten wurden hand neuer Gesichtspunkte zu überprüfen. dest bei Auswertung des heutigen Standes der
hang mit den Bauarbeiten zur Katastrophe fuhren durch Bundesbeschluß vom 29. Juni 1888 mit Bun- So darf heute festgestellt werden, daß die Kata- Erkenntnisse ein Bauvorhaben dieser Art durch
konnten. («Jedenfalls handelt es sich um ein sehr unsicheres dessubventionen durchgeführt. strophe von 1887 kein reiner Schicksalsschlag der führbar sein sollte.
Gleichgewicht..., wo das ungünstige Zusammentreffen mehre- Nach Abschluß dieser Arbeiten (vor allem Ent- Natur, sondern im wesentlichen eine Folge Die ersten Einbrüche, welche schlagartig ca. zwei
rer, für sich allein unbedeutender Umstände den Ausschlag geben lastung durch Abbruch sämtlicher verbliebener menschlicher Eingriffe war. Bereits die Bedenken Drittel der Pfählung samt Ufermauer im Bereich
kann.») (Abbildung 14) Häuser auf der Westseite der Vorstadt sowie weit- der damaligen Experten hätten wohl das Schlimm- der heutigen Bucht erfaßten, erfolgten somit als
reichendes Entwässerungssystem) (Abbildung 12) ste verhüten können. Die Anwendung des heutigen statische Grundbrüche. Die nachfolgende Haupt-
Konsequenzen aus der Katastrophe von 1887 wurden diese am 5. Februar 1891 vom eidgenös- Standes der Baukunst würde zusätzliche Sicher- rutschung stellt eine fortgesetzte Instabilität dar,
Nach dem Unglück erfolgten umfangreiche eidge- sischen Bauinspektorat begutachtet und abgenom- heitsvorkehrungen bedingen, welche insbesondere indem sich die strukturempfindlichen, seekreide-
nössische Hilfsaktionen vor allem seitens des Bun- men (kollaudiert). Das entsprechende sog. Kollau- das Gleichgewicht der Mauerkonstruktion mit haltigen Silte und Feinstsande durch lokale Über-
des. Das Ereignis wurde erkannt als eine Angele- dationsprotokoll enthält außer der Abrechnung die Hinterfüllung im Verband mit dem bestehenden forderung verflüssigten, in sich zusammenstürzten
genheit, welche die Kräfte einer einzelnen Gemein- gemäß Bundesbeschluß dem Kanton Zug über- Untergrund betreffen. und als kontinuierlicher Schlammstrom seewärts
60 61
flössen. Der Vorgang wurde daher erst dort abge- Zusammenfassung LITERATURVERZEICHNIS
u 30 Villa Hotz brochen, wo der abnehmende Gehalt an Seekreide Abschließend ist festzuhalten, daß auch der heu- Bossarcl Walter K.: Bericht betr. Vorstadtkatastrophe vom 5.Juli 1887,
(heute Stiftung Phönix) eine weitere Verflüssigung verunmöglichte. die Verpflichtungen des H. Regierungsrates gegenüber dem H. Bun-
'V\ tige Stand der Wissenschaft noch immer unvoll- desrat und die Gefährdung des Regierungsgebäudes durch den Neu-
50- Seit der Katastrophe wurde die Frage nach der ständig ist. Beispielsweise sind die Erkenntnisse bau der Kamonalhank. Vom 21. Januar 1950
"X Sicherheit des Seeufers wiederholt gestellt. Im
\ bezüglich Feststofftransporte des Grundwassers in Hüller Max: Nacheiszcilliche Seespiegelscliwankungen und Slrandli-
s Sinne eines Alarmsystems zur frühzeitigen Erken- nienvcrschicbungcn am Zugcrsee. Schweiz. Bauzeilung, Jg. 68,
\. vieler Beziehung noch ungenügend. Die zahlrei- S. 552 IT.
nung von außergewöhnlichen Bewegungen wurden chen baulichen Eingriffe im nordöstlichen Bereich Eidg. Landestopographie: Senkungsmessungen Zug, Bcriclu XX vom
\ 55 gemäß Punkt 8 des Kollaudationsprotokolles «in der Katastrophenbucht mit tiefen Unterkellerun- März 1981
\
100- der Nähe des ganzen Abrißgebietes ... genaue Ni- gen können nicht unwesentliche Engpässe für den Hanlke Rene: Zur Quarlärgcologie im Grenzbereich zwischen Muota/
\ vellemente ... von Zeit zu Zeit ... wiederholt». Die Reuß und l.inlli/Rlieinsyslcm. Gcografieu hclvclica 1961, S. 212 fi".
\ Abfluß des Grundwassers bedeuten. Es stellen sich
\, Ergebnisse dieser Setzungsbeobachtungen (siehe Fragen nach erhöhtem Feststofftransport, welcher - Eiszeitalter, Die jüngste Erdgeschichte der Schweiz und ihrer Nach-
.40 bargebiete, Oll Verlag, Tlum
Abbildung 14) zeigen, daß natürliche Setzungsvor- mit den Jahren zu einer Verminderung der Ufer-
gänge in den Seeuferbereichen im Gange sind, die Heim A., Moscr R., Bürkli A.: Die Catastrophe von Zug, 5. Juli 18Ü7,
\ stabilität führen könnte. Auch hydrochemische Gutachten der Experten, Zürich, Verlag Vonhofer und Burger 1888.
150- bereits vor der Katastrophe hätten beobachtet wer- Auswirkungen auf die Festigkeit von Tonen, z.B. Keils Kcrry: Geological and scdimentery cvolulion ol'lakes Xurieh and
\
den können. Wie aus Abbildung 14 am Beispiel der infolge von Grundwasserverschmutzung, sind be- Zug, Switzcrland. Dissertation ETH 1978.
\
\
«Villa Hotz» ersichtlich ist, verlaufen die alle fünf kannt, aber im Detail noch wenig erforscht. Kopp Josef: Die großen Rutschungen von Bethlehem und Chämistal.
\ 50 Jahre gemessenen Setzungen kontinuierlich und Zuger Neujahrsblatt 1963

v. zeigen das bei ähnlichem Untergrund bekannte


Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Auswirkungen
von Erdbeben. Obwohl neuere Forschungen nur
- Die urzeitlichen Schwankungen des Zugersces im Lichte seiner
Standlinien. Zuger Neujahrsblatt 1949, S. 17 II'.

v Setzungsverhalten.
200- bU
eine sehr geringe Erdbebenwahrscheinlichkeit für Lang H. J.: Katastrophenbucht Zug, Beurteilung der Senkungsmes-
\ Eine direkte Aussage bezüglich der Sicherheit ist unsere Gegend errechnet haben (ein Erdbeben wie sungcn, Bericht des Institut» für Grundbau- und Bodenmechanik an
\ daher anhand dieser Nivellemente nicht möglich. der ETH Zürich, Nr. 1468/3
\ 1985 in Mexico-City ca. alle 10000Jahre), könnten
Der Wunsch nach einer weitergehenden Beurtei- auch leichtere Beben in Bereichen geringer Sicher- Bendel Louis: Baugrund der Badanstalt Scelikon Zug, undatiertes Gut-
lung führte u. a. zur Idee der Schaffung eines Zuger achten von ca. 1948
250- \ heit zu Uferinstabilitäten führen. - Baugrunduntersuch heim sogenannten ECatastrophenloch in /ug,
70 Baugrundarchivs. Dieser Mitte der siebziger Jahre Die Frage, ob die bekannten Ufereinbrüche in Zug Bericht vom Januar 1959
vom Verfasser (leider noch ohne Erfolg) an die zu- reine Schicksalsschläge der Natur sind, welche vor- Schindler Conrad M.: Ingenieurgeologie in der Schweiz - Ursprung
Setzung der westlichen \
ständigen Behörden gerichtete Wunsch hatte u.a. und Eniwicklungsmögiichkciten. ETH-Bulleiin Nr. 183, Januar
mm \80 programmiert auftreten, oder durch menschliche
Hausecke seit 1930 zum Ziel, alle verfügbaren Baugrundakten zu sam- 1984
Eingriffe provoziert wurden, ist daher auch heute, Schnitter Gerold: Vorstadtstraße —Zug, Beurteilung der ßaugrundver-
meln, um auf dieser Grundlage Risiken wie z. B. des trotz Vorliegen wesentlich verbesserter Erkennt- hällnissc. Untersuehungsherichl der Versuchsanstall für Wasserbau
300- Zuger Seeufers besser beurteilen zu können. und Erdhau an der ETH vom 16. November 1960 (VAWE 1468/1)
nisse, nicht in letzter Konsequenz eindeutig beant-
Abb. 15 Setzungsdiagramm «Villa Holz.» (Clwmerstraße 1), In die-
In Zusammenarbeit mit Fachleuten der ETH wurde wortbar. Gewiß sind die Risiken dank sorgfältiger Speck Josef: Erdgeschichtliches Werden, Das Buch vom Lande Zug,
1975 die Durchführung der vom Verfasser vorge- S. 171V.
ser halblogarithmischen Darstellung erscheinen die seit 1930 Bauplanung und Projektierung und dank der An- Staub W.: Strandzonenverschiebung am Zugersee und ihr Verhältnis
regelmäßig durchgeführten Setzungsmessungen in den letzten schlagenen zusätzlichen Beobachtungsmessungen wendung der neuesten Methoden der Ingenieur- zu den Pfahlbauten, Zugcr Ncujahrsblall 1933, S. 45 ff.
40 Jahren als gerade Linie. Dies entspricht dem bei ähnlichem (Präzisionslagemessungen) beschlossen. Inzwischen geologie und Geotechnik reduzierbar. Aber noch
Untergrund andernorts festgestellten Verhallen von organi- Ulinger-Speek Albert: Die freiwillige Feuerwehr der Stadl Zug an der
ist ein Expertenbüro beauftragt worden, diese zu- immer sind gewisse Fragen unerforscht oder zu we- Vorstadtkatastrophe vom S.Juli 1887. Zugcr Neujahrsblatt 1913
schen Sceböden, welche sich noch in Eigcnset/.ung befinden.
Eine direkte Aussage bezüglich der Seeufcrsicherheit ist auf- sätzlichen Beobachtungsdaten auszuwerten. Es nig geklärt. Größte Wachsamkeit im Umgang mit von Moos Armin: Setzungsmessungen 1887-1944 und Baugrund im
grund dieser Messungen nicht möglich, jedoch waren diese nütz- wird erwartet, daß diese Auswertung 1987 veröf- unseren Zuger Seeuferbereichen wird daher auch Rutschgebiet von Zug; Eclogae geologicae helveliae, Bd. 41, Nr. l,
1948
lich zur frühzeitigen Erkennung besonderer Bewegungen. fentlicht wird. in Zukunft nötig sein. Weber A.: Ercl-Einbrüche am Zugersee. Neue Zugcr Zeitung 1887,
Nr. 57-62 sowie 67
Ohne die Ergebnisse dieser bevorstehenden Aus- John F. Ammann Anonymus: Sceabgrabung 1592 durch Knopflin Josl, Abschrift aus
wertung vorwegnehmen zu wollen, kann aus den einer zeitgenössischen Urkunde (StadlbibliothckZug), (Manuskript
von Dr. W. Spillmann)
vorliegenden Unterlagen geschlossen werden, daß
Anonymus: Reglement über die Vornahme periodischer Kontrollinali-
das Seeufer im heutigen Zustand trotz knappen nahmcn beim Regierungsgebäude und im Rekonstruktionsgehicl bei
Sicherheiten nicht zu Bedenken Anlaß gibt. Für die der Vorstadt in Zug. Quelle: Rechenschaftsbericht des Regierungs-
Durchführung größerer Bauten in Nähe der Kata- rates des Kantons Zug an den Kantonsrat über das Amlsjahr 1893,
S. 32 IV.
strophenbucht ist jedoch weiterhin größte Vorsicht Der Verfasser dankt Herrn Dr. Josef Speck herzlich für den an- Anonymus: Kollaudationsprotokoll betr. die Wiedcrherstellungs- und
geboten, wenn das Risiko eines erneuten Uferein- regenden Gedankenaustausch und die kritische Durchsicht des Sicherungsarbeilen in der Vorstadt Zug vom 5. Februar 1891.
bruchs vermieden werden soll. Manuskripts. Quelle: I. Hildebrand, Gesetzgebung des Kantons Zug, Bd. I, S. 286 ff.

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y schön, und erst seine Darstellungen führten Tausende In Zug lebten um 1900 etwas mehr als 6500 Perso-
zum bewußten Sehen, zum Verständnis der Bergwelt. nen. Seit 1850 hatte sich die Stadtbevölkerung ver-
^fr (...) Imfeids topographische Werke beweisen, daß die äu- doppelt und das Wachstum hielt auch in den fol-
rf« ßerste Genauigkeit, Mcßkunst, und daß Treue und Liebe
genden Jahren und Jahrzehnten an. Ebenso wie <.
V tf
des Panoramas schon Jahre zurückliegen mußte,
denn vor allem seit dem Ende des Zweiten Welt-
bis ins Kleinste sich mit genialer Auflassung und Wieder-
gabe harmonisch verträgt.» (Jahrbuch SAG, 1910) viele andere Schweizer Orte profitierte Zug in der
Periode vor dem Ersten Weltkrieg vom Fremden-
<c
Xaver Imfeid (1853-1909), in Samen geboren, verkehr. Dies mag mit ein Grund für die Schaffung
krieges begann sich das Weichbild der Stadt Zug arbeitete nach Abschluß seiner Studien als Inge-
stark zu verändern. des Panoramas gewesen sein. Zeitgenössische
nieur-Topograph am Polytechnikum (ETH) in Fremden- und Reisebücher rühmen Zugs zentrale
Zu den Anziehungspunkten des Zuger Alpenquais Der 1986 verstorbene Geograph und Kartograph Zürich einige Jahre für das Eidgenössische Topo- worden war. Auf dem Zugerberg sind die Namen
Verkehrslage, die Schönheit der Altstadt und die
gehörte während Jahrzehnten das beim Rondell Eduard Imhof bezeichnete Xaver Imfeid als den graphische Bureau (Landestopographie) und eröff- malerische Landschaft, begrenzt durch den Zuger- der beiden Kuranstalten Schönfels und Felsenegg
unterhalb des Hirschparkes aufgestellte Alpen- «bedeutendsten topographischen Gebirgsdarstel- nete später in Zürich ein eigenes Ingenieurbüro. see und den Zugerberg. verzeichnet. Im weiteren findet sich auch ein Hin-
panorama. Unzählige Spaziergänger und Besucher ler des 19. Jh. in der Schweiz». Ein berühmter Zeit- Seine 40 Panoramadarstellungen und Alpenzeiger weis auf die Drahtseilbahn, obwohl diese erst 1907
WICHTIGSTE LITERATUR:
verglichen bei schönem Wetter Wirklichkeit und und Berufsgenosse Imfeids, ETH-Professor Albert entstanden zwischen 1875 und 1906. Die meisten Aus dem Stadtbild des Panoramas ragt der Turm eröffnet werden konnte. Anderseits gilt es zu beach-
Abbild; bei trüber oder gar schlechter Witterung Heim, verfaßte folgende Würdigung über Imfeid von ihnen stellen Berglandschaften dar, unter ih- der in den Jahren 1899 bis 1902 neu erbauten ten, daß es nicht Imfeids Ziel war, Gebäude und Jahrbuch des Schweizer Alpenclub,
tröstete das Panorama über die entgangene Aus- und sein Werk: nen Mont Blanc, Monte Rosa und Jungfrau; ver- St.-Michaels-Kirche hervor. Erkennbar sind auch Anlagen der Stadt Zug detailliert festzuhalten, son- 45. Jahrgang, Bern 1910.

sicht hinweg. Zwar werden viele den Namen des einzelt entstanden auch Ortspanoramen, so zu die Kirche St. Oswald, der Pulver- und der Zytturm dern für ihn stand das Panorama, das sich dem Be- Neue Deutsche Biographie, Berlin 1974.
«Er stellte die Natur seiner geliebten Berge mit solcher sucher vom Zuger Alpenquai her bietet, im Brenn-
Erbauers Xaver Imfeid gelesen haben, aber nur Treffsicherheit, solcher Reinheit und göttlicher Klarheit Aarburg, Bern, Freiburg, Luzern, Neuenburg, sowie am linken Bildrand das Regierungsgebäude. Hrandenberg Rolf: Die Wirtschaft*- und
Bevölkerungsentwicklung
wenigen dürfte er etwas bedeutet haben. Ebenso dar, als wäre er selbst ihr Schöpfer gewesen. In seiner Schaffhausen, Uster, Zofingen und Zug. Das Zuger Dem Betrachter zugewendet, erstreckt sich die punkt des Interesses. des Kantons Zug 1850-19«),
deutlich war dem Betrachter, daß die Entstehung Hand wurden alle Formen verständlich und dadurch Panorama vollendete Imfeid im Jahre 1905. baumbestandene Quaianlage, die 1891 eingeweiht Christian Raschle Diss. Zürich 1969.

64 65
Neu-Frauenstein - Minerva — Athene, ein Tempel der Erziehung

Stolzes Gebäude mit bewegter Geschichte derts verständlicher. Der Unterrichtsplan war da-
mals schon erstaunlich vielfältig. Der eigentliche
Wer um 1875 mit der Kutsche entlang des Zuger- Gründer einer Handelsschule war in Berlin Julius
sees in Richtung Arth fuhr, entdeckte «links auf Hecker (1707-1768). Er führte Manufaktur-, Öko-
sanft ansteigendem Wiesenplan ein stattliches neu- nomie- und Buchhaltungsklassen, sowie Architek-
es Gebäude, wohl an die 150 Fuß lange». 1 Prospek- tur- und Bergwerksklassen ein. Der Ablauf des Un-
te jener Zeit zeigen einen breit gelagerten, dreige-
terrichts und auch der Ablauf der Freizeit im Inter-
schossigen Bau mit erhöhten Risaliten, die Mittel- nat lief nach strengsten Regeln ab.
achse durch einen Dreiecksgiebel betont. Auch
dem heutigen Touristen mag auf der Fahrt gegen Die spartanische Erziehung zukünftiger
den Gotthard dieser Bau auffallen. Der flüchtige
Handelsherren
Blick erfaßt zwischen mächtigen Zypressen und
Laubbäumen eine vornehme spätklassizistische Ohne eine Geschichte der frühen Handels-Privat-
Architektur. Automatisch denkt man dabei an den schulen anstreben zu wollen, sei noch ein typisches
Palast eines Adelsgeschlechts, wobei das rostige Institut mit der straffen Disziplin des 19. Jahrhun-
Zifferblatt der Uhr im Giebelfeld wie eine Wappen- derts genannt. Johann Emil Ryffel (1807-1875)
Kartusche erscheinen mag— erste Ankündigung re- kam aus England und führte 1833-1850 in Meilen
naissancehafter Repräsentation südlich der Alpen? für englische Zöglinge eine Sprach- und Handels-
Die Wenigsten kommen wohl auf die Idee, daß es schule mit Internat. Seine Zöglinge lernten auch
sich hier um. eine über hundertjährige Schule han- reiten, fechten, schwimmen usw. In den Unter-
delt. Eine Schule freilich, deren wechselhafte Ge- richtsräumen standen Stehpulte, denn eine gerade
schichte, Jahre der Blüte und des Niederganges, Körperhaltung mußte immer, auch während
sich tatsächlich wie die Schicksalshistorie einer Übungen der Buchhaltung, eingehalten werden.
Dynastie anhört, die einst weltweite Handelsbe- Kleine Schülergruppen garantierten die stete Be-
ziehungen pflegte, dann wieder verarmte und wo obachtung des einzelnen. Spezielle Tanzkurse
auch tragische Unglücksfalle und Wahnsinn nicht machten mit Gesellschafts- und Anstandsregeln
fehlten. vertraut. Auf die Beherrschung der Etiketten und
Rangstellungen wurde gerade so Wert gelegt wie
Die Entstehung eines Schultyps auf Selbstdisziplin und Standesbewußtsein. Ty-
Die Idee, Handels- und Sprachschule mit einem pisch hierfür war die Sorge, «daß die Zöglinge auf
Internat zu verbinden, um möglichst umfänglich keinen Fall mit den Dienstboten in Berührung
auf die geistige, seelische und körperliche Entwick- kommen». 2
lung der Zöglinge einwirken zu können, verwirk-
Das Ideal der Gleichheit Zeitgenössisches Aquarell
lichte in der Schweiz wohl erstmals Kaspar Fierz
der ehemaligen Insttlutsliegenschaft
(1777—1814). Der Überlieferung nach war er ein Zeitgenossen von Ryffel waren Giuseppe Curti noch vor dem Hau der Gouhardbahn 1897 Der Mensch könne alles, wenn er nur den Willen
Genie, denn er half schon als Neujähriger seinem (l809-1895) und Alois Hegglin (1811-1874). Beide dazu habe. Die Schule stärkte also vor allem den
Stiefvater beim Unterrichten. Dann wurde er zur gründeten in den dreißiger Jahren das Katholische Willen des Schülers. Schwere Themen lernte er zu-
Kinderarbeit herangezogen und lernte während Handels-Institut in Menzingen. Neben den obliga- nächst auswendig und memorierte den Text so lan-
dem Spinnen autodidaktisch französisch. Mit vier- ten Handels- und Sprachfächern wurde Physik, wechselbares Profil bedacht. Sie unterrichteten ge, bis er über das Auswendiggelernte nachdenken
zehn verdiente er als privater Sprachlehrer seinen Gesundheitslehre, Technologie, Haus- und Land- nach der Methode Jacotots, «welche bei den Schü- konnte. Anschließend böte sich die mannigfaltige
Unterhalt. Mit etwa dreißig hatte er sein Ziel er- wirtschaft vorgetragen. 1837 lehrte der Architekt lern Heiterkeit und Anteilnahme» erweckte.3 Diese Anwendung des angeeigneten Stoffes an.'1 Jacotots
reicht; er eröffnete eine Privatschule mit Internat. Vignatti Architekturzeichnen. Anstandslehre, Methode ist für die Eigenart der Schule äußerst Geist in der katholischen Schule von Menzingen
Kaspar Fierz erlebte offensichtlich keine Kindheit, Turnen, Schwimmen und Schießübungen runde- aufschlußreich. Joseph Jacotot (1770-1840) war weckte Mißtrauen seitens der konservativen Krei-
und er wird kaum für Verspieltheit oder ausgelas- ten das vielfältige Programm ab. Curti und Hegglin 1815, während Napoleons «Herrschaft der hundert se. Vergessen wir nicht, daß es die unruhigen Jahre
sene Streiche seiner Zöglinge Verständnis gehabt hatten sicher von der Ryffel-Schule gehört, viel- Tage» Abgeordneter. Von der Gleichheit aller zwischen Restauration und Bürgerkrieg waren.
haben. Vielleicht wird aus dem Schicksal einzelner leicht von dort auch gewisse Anregungen gesam- Menschen war er so überzeugt, daß er meinte, jeder Man warf vor allem Hegglin «liberale Tendenzen»
die strenge Zucht der Internate des 19. Jahrhun- melt, aber sie waren zugleich auf ein eigenes unver- könne bei genügender Geduld ein Genie werden. vor.5 Pikant an der Sache war, daß Hegglin als
66 67
Oslfassade des Instituts «Minerva».
Aus dem Mappenwerk von J. Blattmann.

Geistlicher die Sorge um eine «solide, echt christli- der Mailänderin Adelina Mazzuchetti 1868, konn-
che Erziehung» immer wieder betonte. te er seine vorwiegend aus Italien stammende
Schülerzahl vergrößern. 1869 erwarb er ein großes
Grundstück südlich der Stadt. 1869/70 entstand Knabpn-lnslllul Minpryg u Zug
Johann Baptist Staub
der Schulpalast, ein Muster der damaligen Schul-
gründet Neu-Frauenstein baubestrebungen. Deutlich zeigt sich, daß Staub
Als Geistlicher konnte Hegglin in Menzingen viel- nicht vorsichtig Schritt für Schritt sein Institut auf-
leicht doch zu wenig frei schalten und walten. Die baute. Er handelte impulsiv, scheute keine Opfer
durch Kritiken erschwerte Arbeit führte auch zu und war gewillt - wie wir es noch sehen werden, sei-
Spannungen zwischen ihm und Curti. Giuseppe ne ganze Familie zu verschulden. Nicht ohne Pa-
Curti fand einen Ausweg, indem er in Cureglia ein thos stellte er fest: «Das Streben, die Zustände in
eigenes Collegium eröffnete. Hegglin erhielt 1861 unserem Schul- und Familienleben immer voll-
eine neue, wohl ruhigere Aufgabe als Professor der kommener zu gestalten, arbeitet lebendig und
Klosterschule in Disentis. Die Leitung des Instituts mächtig in mir.» 6 Der große, spätklassizistische
übergab er seinem Verwandten Johann Baptist Bau konnte 1870 bezogen werden. 1872 folgte die
Staub (1833-1879). Mit Staub begegnen wir einer Turnhalle mit Nebengebäuden. Zur gleichen Zeit
äußerst seltsamen und eigenwilligen Erzieherper- trieb Staub die Umgebungsarbeiten voran; Spiel-
sönlichkeit. Als Sohn eines Arztes besuchte er die wiesen, Alleen, Park, Zierpflanzungen usw. Sogar
medizinischen Fakultäten von Zürich, Würzburg ein Bauernhaus mit angebauter Scheune mußte
und Prag. 1857 heiratete er Agathe Hotz und von verschwinden, weil es «nahe der Gemarkung etwas
1858 an führte er die väterliche Praxis in Menzin- unschön ...»war. Zug verdankte dem rückhaltlosen
gen. Die Tätigkeit des Landarztes befriedigte ihn Einsatz eine neue Sehenswürdigkeit.
nicht. Als nach kaum vierjähriger Ehe seine Frau
starb, stürzte er sich mit großem Ehrgeiz in den Ein «Schulmann» plant und baut
neuen Wirkungskreis. Aber Menzingen erschien
ihm, besonders angesichts der gesammelten Erfah- Stolz schrieb die Zuger Zeitung 1869: «Während
rungen Hegglins, zu eng. 1862 verlegte er das Han- die schönen Festbauten fürs eidgenössische Schie-
dels-Institut nach Zug. Hier fand er bald die gemie- ßen für und für verschwinden, haben wir dagegen
teten Räume ungenügend — der Bauplan eines gro- das Vergnügen recht bald ein anderes imposantes
ßen Schulpalastes reifte. Nach der Vermählung mit Gebäude entstehen zu sehen. Herr Dr. Staub hat nalen Commerziell-Technischen Instituts Neu- wir zunächst wieder nach St. Gallen. Dort kam
nämlich behufs Unterbringung seines sichtlich blü- Frauenstein» auf. 1869 hatte Müller die Bauge- 1867 das erste genaue «Regulativ für den Neubau
Vogelperspektive des Institutsgeländes. henden italienischen Handelsinstituts die Ausfüh- werkschule in Stuttgart abgeschlossen und er ab- von Schulhäusern» heraus. 65 Artikel behandeln
Aus einem Prospekt von J. Staub. rung seiner Bauten den Herren Maurermeister solvierte gerade seine «Lehr- und Wanderjahre». darin Neubauvorschriften (Bauplatz, Bauart, Bau-
Mark in Baar und Zimmermeister Garnin übertra- Auffällig ist, daß er sich später zum Spezialisten des teile, Möblierung, Installationen usw.). Bemer-
gen ... das Werk verspricht eine der schönsten Zier- Schulbaus entwickelte — zahlreiche prämierte kenswert sind schließlich spezielle Broschüren wie
den Zugs; zu werden.» 7 Es wurde immer wieder be- Wettbewerbsprojekte belegen dies. Staub standen «Das Kind und der Schultisch» von Fahrner, Zü-
tont, daß die Schule ganz nach Staubs Plänen er- damals aber auch schon zahlreiche Veröffent- rich 1865. Ein Schulmann konnte sich also gut und
richtet wurde: «Der ehemalige Arzt und nunmeh- lichungen über den Schulbau zur Verfügung. Die vielseitig auf den Schulbau und damit verbunde-
rige Schulmann wurde zum trefflichen Architek- Weltausstellungen förderten die Publikationen von nen Fragen vorbereiten. Staub stand in seiner Uni-
ten.» 8 Ein Vorprojekt entstand von Leopold Gar- vorbildlichen Schulanlagen - Grund- und Aufrisse, versalität nicht alleine da. Im benachbarten Kan-
nin und die eigentliche Bauführung hatte Paul detaillierte Beschreibungen waren meist beigege- ton Luzern wirkte als Reallehrer Joseph Bühl-
Trinkler. Die Frage bleibt offen, von wo Staub die ben. Als ausgebildeter Arzt beachtete Staub zudem mann. Mit unerhörtem Fleiß sammelte er alle nur
fachlichen Kenntnisse hernahm, wenn Garnin sicher die medizinisch-schulhygienischen Schrif- erdenklichen Schulbeispiele. 1873 erschien sein
nach seinen Ideen das Projekt entwickelte. Denk- ten. Zu den bekannten Namen, welche in den 60er Buch «Eine Schulreise in Deutschland - Ein Bei-
bar wäre, daß der St. Galler Architekt Gustav Adolf Jahren durch spezielle Arbeiten in Erscheinung trag zur Kenntnis der Schulzustände der Gegen-
Müller Staub beriet. Müller taucht als «Architekt, traten, gehörten: Theodor Becker, Eugen Pappen- wart». Die beigegebenen Tafeln zeigen Schulöfen,
St. Gallen» in der Referenzliste des «Internatio- heim, Max Pettenkofer. In der Schweiz gelangen Bänke usw. Bühlmann war aber auch Verfasser

68 69
* EU

Situationsplan des Knabcninstituts «Minerva» vom Jura und Rhein entsandt. Die Truppenbewe-
KnabenJnstitut Minerva t,i Zu.
g. und des Töchterpensionats «Athene» gungen und improvisierten Einquartierungen rie-
vor und nach dem Bau der Gotthardbahn 1897.
fen in der Bevölkerung Beunruhigung hervor -
nicht zuletzt wegen den da und dort aufflackernden
Epidemien. 1870/71 nahmen in Zug die Blattern-
Fälle ein epidemisches Ausmaß an. In den Zuger
Amtsblättern wurden Aufrufe zur Isolierung der
Kranken und zu hygienischen Vorsichtsmaßregeln
veröffentlicht.
Ein Krieg mit solcher Heftigkeit und internationa-
len Spannungen kam vielleicht überraschend — die
politischen und religiösen Spannungen, welche in
den Kulturkampf mündeten, waren bei der Grund-
steinlegung der Schule schon da. Dies spürte der
Schulmann täglich. Die Schweizerische Lehrerzei-
tung berichtete 1871, wie der Zuger Erziehungsrat
gegen die Lehrer Villiger und Ruppli vorging, weil
sich ihre rationalistischen Ansichten, ihre Darle-
gung der Schöpfungsgeschichte nicht mit den
«Grundsätzen des Christentums» vereinigen
ließen.9 Die Qualität des Unterrichts war von Kan-
:
ton zu Kanton sehr unterschiedlich. Der Schweize-
rische Lehrerverein erhoffte sich vom Bund Di-
rektiven. Es gab aber genug wütende Stimmen, die
eine Zentralisierung irgendwelcher Art verurteil-
ten. Der Tenor <Wer nicht zahlt, befiehlt auch
nicht>, herrschte. Beispielsweise durften eidgenös-
sische Inspektoren nicht über kantonale gestellt
werden, denn «je höher die Inspektoren sind, desto
bessere Mittagessen und höhere Taggelder werden
EMMrtlvfM *'.i n».,. T**k. .«u
III H'Ml.lxiUU

KJU.,,.,L-,Mvx.v.r v« zwo ni£M >jzm ——


Die von J. Blattmann neu gezeichneten Grundrißpläne des unter
Werner Fuchs renovierten Hauses wurden an der Schweize-
rischen Landesausstellung 1883 in Zürich in einem eindrück-
EHH-WCCEß ÄBCtt
lichen Mappcnwerk als Musterbeispiel einer modernen Schul-
baute gezeigt.
»'•Cl.

einer Bauformenlehre und schrieb über Architek- wirtschaftliche, soziale und politische Situationen
ten des Altertums und der Renaissance. Gleichfalls geschildert, die das Unterrichtswesen beeinfluß-
ein Mann also, der genau bestimmen konnte, wie ten. Die Vollendung des Institutes fiel mit dem
eine Schule gebaut werden muß - von der Klassen- Ausbruch des deutsch-französischen Krieges zu-
Anordnung bis zum Fassadendetail. sammen. Die Eltern zögerten, ihre Kinder über . > r.
r E,
eine Landesgrenze zu schicken, auch wenn weder
Schweizerische Schulzustände um 1870 Italien noch die Schweiz direkt vom Krieg betrof-
Zur Verdeutlichung, wie hervorstechend damals fen waren. Die Schweiz lag aber an einer heißum-
Neu-Frauenstein erschien und welches Wagnis der kämpften Grenze, und schon am 15. Juli wurden
Aufbau dieses Unternehmens war, seien einige aus allen Kantonen 35000 Mann an die Grenzen

70 71
sie erhalten ... und so frißt die schweizerische Schul- gend Geist und Herz geweiht haben». 15 Dieser Pro- Die einstigen, westlich der
inspektion einen schönen Teil der Staatseinkünfte spekt konnte nun «die Lage, Bauart, Eintheilung Turnhalle gelegenen Okonomie-
gcbäude (oben).
weg.»10 Die Lehrer selbst hatten in manchen Kan- und Einrichtung der Gebäude ... treffliche Lehr- Die Südseite der ehemaligen
tonen Hungerlöhne. Zwischen 1867 und 1870 ver- mittel, Turnlocale, Spiel- und Badeplätze» hervor- Turnhallt: (unten)
ließen im Tessin 150 Lehrer den Schuldienst wegen heben. Die Zöglinge müßten Achtung vor den Vor-
ungenügender Besoldung — und sicher nicht die schriften des Erziehungshauses erweisen ... aber sie
Schlechtesten. Viele Lehrer hielten sich mit zusätz- würden sich zugleich doch «fern von aller Regle-
lichen Privatstunden über Wasser und waren über- mentiersucht bewegen». Zu den Unterrichtsgegen-
lastet. Gewalttätigkeiten nahmen zu, zum Beispiel ständen gehörten: Deutsch, Französisch, Englisch,
in Glarus, wo ein Lehrer einem Mädchen mit der Italienisch. Dazu kamen Mathematik, Geschichte,
Faust auf den Kopf schlug. Das Mädchen starb Geographie, Naturwissenschaft, Volkwirtschafts-
einige Tage später." Der jährliche Durchschnitts- und Gesundheitslehre, Warenkunde, Freihand-
lohn eines Lehrers bewegte sich 1870 zwischen und technisches Zeichnen und Kalligraphie. Es
Fr. 600.- und Fr. 1000.-.12 Staub verlangte aber gab außerdem eine Abteilung für Handelsge-
schon 1862 für seine Zöglinge eine Jahrespension schichte und Geographie. Gesang, Schwimmen
von Fr. 800.—. Nach kriegsbedingten Startschwie- und Turnen rundeten das vielseitige Programm ab.
rigkeiten im neuen Haus hatte er 1872 immerhin Im erhaltenen Prospekt um 1870 ist das «halbjähr-
schon 66 Zöglinge. Auf der ändern Seite aber stand lich voraus zu entrichtende Pensionsgeld» nicht
eine Verschuldung wegen der hohen Investition. eingetragen. Doch dürfen wir annehmen, daß es
Um die besten und verläßlichsten Lehrer zu be- wie 1862 den Durchschnittsjahreslohn eines Leh-
kommen, durfte er auch nicht mit dem Lohn knau- rers übertraf. Dazu mußte der Zögling eine reiche
sern. Zudem zahlte Zug gegenüber den ändern Ausstattung mitbringen, von welcher damals ein
Kantonen sehr gut. Ein Primarleher bekam 1872 Knabe aus dem bürgerlichen Mittelstand nur träu-
Fr. 1050.-Jahresgehalt und Fr. 150.-für ergänzen- men konnte: Zwei Winter- und Sommerkleidun-
den Musikunterricht. 13 Staub hatte 1872 zehn bis gen, Überzieher, zwei bis drei Paar Schuhe und
zwölf Lehrer angestellt. Es kam also auf etwa sechs Stiefel, 12—16 leinene und wollene Hemden, Ta-
Schüler ein Lehrer. schentücher, Strümpfe, Servietten usw. Auch Bett-
wäsche mußte mitgebracht werden und «ein silber-
nes Besteck». Es sei in diesem Zusammenhang
Schulbetrieb unter Johann Baptist Staub erinnert, daß damals viele Schüler, auch in ärme-
Der erste Satz eines Prospektes des katholischen ren Stadtquartieren, im Winter der Schule fernblie-
Handelsinstitutes Frauenstein lautete 1862, als es ben, weil ihnen das nötige Schuhwerk fehlte. Pio-
sich noch in Mietsräumen befand: «Das Institut nierhaft war in Neu-Frauenstein, daß die Schüler
macht es sich zur Pflicht, Knaben von 7 bis 14 Jah- nach ihren Kenntnissen und ihrer Begabung einge-
ren nach den Grundsätzen echter Religiosität zu er- teilt wurden. Die Schweizerische Lehrerzeitung be-
ziehen und ihnen die ausgedehntesten, gründlich- richtete 1875: «In jedem der Hauptfächer wurden
sten Kenntnisse beizubringen.» 14 Es wurde er- die Zöglinge nahezu unabhängig in Klassen einge-
wähnt, daß die Zöglinge «Tag und Nacht unter im- teilt und bildete mitunter ein einziger Schüler in ei-
merwährender Aufsicht stehen». Auch in der freien nem Fache eine Klasse für sich. So kam es, daß zum
Zeit würde man die Knaben durch «nützliche Spie- Beispiel ein sechzehnjähriger Italiener in seiner Der Niedergang von Neu-Frauenstein lers nicht mehr das nötige Pensionsgeld aufbrach-
le, Turnen usw. immer beschäftigen» und «... un- Muttersprache in die oberste Klasse eingereiht ten. Er selbst, aus einer einfachen Landarztfamilie
bedingter Gehorsam, Selbstverläugnung, Selbstbe- werden konnte, während er im Deutschen und in Was die Lehrer fühlten, wenn sie mit «Geist und stammend, gab den ganzen Gewinn einzig seinem
herrschung sollen früh geübt werden». Im Prospekt der Arithmetik mit der untersten, im Französi- Herz» ihren Schülern das Beste gaben in einer Unternehmen und machte für sein Institut so lange
um 1870, welcher zur Eröffnung der neuerbauten schen mit einer mittleren marschieren mußte.» 16 Es Schule, die sie ihren eigenen Kindern niemals bie- Schulden, bis das Ende unausweichlich war. 1879
Schule herauskam, sind die Disziplin-Bestimmun- war der Ehrgeiz der Schule, dem Schüler jene ten konnten, wissen wir nicht. Ebenso wenig wissen schrieb die Neue Zuger Zeitung: «Sein großer, ihn
gen etwas gemildert. Dort steht, es stünden Lehrer Grundlagen zu vermitteln, die ihm den Eintritt ins wir, ob sich Staub von sozialen Überlegungen lei- ruinierender Fehler war, seine Unternehmungen
zur Verfügung, welche für die «Erziehung der Ju- Polytechnikum ermöglichten. ten ließ, wenn z. B. die Eltern eines begabten Schü- nie nach seinen Mitteln und Kräften zu bemessen

72
und keinen Rat anzunehmen. Bedenken der Eltern schichte von Neu-Frauenstein eine wichtige Rolle. me gehöre. Denn laut §33 ist «... der Ehemann be- wurde feierlich ein großer, neuer Spielplatz einge-
erhoben sich und finanzielle Verlegenheiten ka- Ihre Familie vermittelte auch Zöglinge aus Italien. fugt, über die der Frau zugehörende Fahrhabe frei weiht. Ihm schloß sich eine Krocket-Wiese an und
men. Ein Unglück dem ändern folgend, Herz und Da ein durchschnittlicher Schulbau Fr. 50000.- zu verfügen ...». Außerdem vollzogen sich die Pfän- von dort erreichte man über einige Stufen den neu-
Seele lähmend, brach auf den rastlos arbeitenden kostete 20 , mußte Staub von Anfang an weitere Kre- dungen des vereinten Ehegutes unter dem Mitwis- en Teich mit Springbrunnen. Schmerzlich empfan-
Manne ein. Was seine Freude und sein Stolz war, dite aufnehmen. Dazu gab Staubs Schwiegervater sen der Frau. Das «klägerische Rechtsbegehren» den es aber die älteren Schüler, daß sie zur gleichen
Neu-Frauenstein, mußte - gedrängt und genötigt noch Fr. 6000.- zur Möblierung des Hauses. Schon der Frauen wurde abgewiesen.24 Im Dezember Zeit ihre Einzelzimmer verloren - zur «besseren
von seinen Gläubigern — räumen und verlassen. im Januar 1875 zeigte sich, daß Staub niemals fähig 1879 verkündete das Amtsblatt, daß die Witwe Überwachung!» Überdies wurden die Pensions-
Das Gesetz stellte ihn in seinen bürgerlichen Ehren sein würde, die Schuldenlast abzutragen. Es mußte Adelina Staub, geb. Mazzuchetti, und Fräulein preise erhöht.'26 Fuchs konnte sich der neuen Gar-
ein ... für ihn hatte der Tod allein Trost und Ret- «sämmtliche Inventur und Fahrhabe im Neu- Ottilia Staub «den Nichtantritt des Nachlasses ten- und Parkanlage nur kurze Zeit erfreuen. Schon
tung. Eine Tochter erster Ehe trauert an des Vaters Frauenstein» zum Werte von Fr. 98 000.- der Spar- ihres im verflossenen Monat in Zug verstorbenen zwei Jahre nach der Fertigstellung liefen Vermes-
Grabhügel.» 17 Es wurde nur angedeutet, welche kassa Zug verpfändet werden. 21 Von nun an konnte Gatten und Vaters» erklärt haben. 25 sungsbeamte der Nordostbahn quer durch sein Ge-
Familientragödie die wachsende Verschuldung man den Zusammenbruch des Unternehmens vor- lände. Trotz heftigster Proteste wurde zwischen
auslöste. Dazu kam, daß die beiden Söhne im fünf- aussehen. Bis 1879 nahmen die Schulden noch zu - Spielplatz und Teich ein Eisenbahndamm aufge-
selbst Arztrechnungen blieben unbeglichen und
16 Jahre Minerva
ten und sechsten Lebensjahr starben. Seine Frau schüttet, über welchen 1897 der erste Zug dampfte.
Adelina Mazzuchetti galt von da an als gemüts- Taglöhner wurden nicht ausbezahlt (ausstehende Werner Fuchs-Geßler (1842-1921) war zunächst Interne Schwierigkeiten mit neuen Lehrern, nicht
krank. 18 Lidlöhne). 22 So gehörte schließlich nicht nur das bemüht, das Institut im Sinne Staubs weiterzu- zuletzt aber die neue Aussicht auf die Bahnanlage
Am 13. August 1879 wurde Neu-Frauenstein von Institut zur «Fallimentsmasse», sondern auch das führen. Während den unsicheren Tagen der Hand- bewogen Fuchs im Herbst 1898 das Institut zu
Werner Fuchs-Geßler erworben. Staub verlebte die ganze Familienverögen, also auch die von Frau änderung leitete Professor G. Mariani die Schule. schließen.
letzten Tage bis zu seinem Tode am 8. November Staub-Mazzuchetti eingebrachten «Weibermittel» Fuchs konzentrierte sich als.neuer Besitzer des Insti-
1879 19 als gebrochener Mann in geistiger Umnach- — um bei der damaligen Gerichtssprache zu blei- tuts auf die kaufmännischen Probleme. Meinungs-
tung. Die aufopfernde Pflege der schon genannten ben. Februar 1879 schrieb das Zuger Amtsblatt für differenzen mit Mariani führten zur Berufung von
Der Alltag im Institut Minerva
Tochter Ottilia war wohl der letzte Trost. die Gläubiger Neu-Frauenstein aus, zudem Haus Professor Kunz als Rektor. Eine besondere Rolle
und Hof bei St. Michael und Haus und Hof in der spielte auch die Frau von Fuchs als tatkräftige Die erhaltenen Jahresberichte und Reglemente die-
Bützen, Stadtgemeinde Zug. Um diesen Zugriff auf «Mutter» des Hauses. Fuchs gab dem Institut einen ses Instituts erlauben einen guten Einblick, wie der
Das Schicksal
das gesamte Vermögen zu verhindern, erhob Frau mehr internationalen Charakter, während es ja frü- Zögling seine Zeit verbrachte. Nach vergleichen-
von Frau Adelina Staub-Mazzuchetti her primär von Italienern besucht wurde. 1882 den Angaben kann man vermuten, daß Fuchs ge-
Staub mit Hilfe der Tochter Ottilia aus erster Ehe,
Am offenen Grab bedauerten die Trauerredner das Einspruch. Die Frauen hofften, wenigstens einen führte er den Namen «Erziehungs- und Unter- genüber Staub die Zügel noch straffer zog. Schon
geschäftliche Ungeschick von Johann Baptist Teil der einst eingebrachten «Weibermittel» den richtsanstalt Minerva» ein. Spätestens von da an 1882, als er dem Institut den neuen Namen gab,
Staub, würdigten aber andererseits den genialen, Gläubigern entreißen zu können. Der einst vermö- war ein neuer Führungsstil bemerkbar, auch wenn ließ er ein «Regulativ über Stellung und Pflichten
selbstlosen Pädagogen. Selbst die Gläubiger wur- genden Bürgerstochter drohte die völlige Mittel- die Leistungsklassen, eine Einteilung der Schüler eines Lehrers» drucken. In 75 Paragraphen wurde
den während der Totenandacht milde gestimmt - losigkeit. Diese Armut wog damals doppelt schwer, nach ihren Fähigkeiten, beibehalten wurde. Nach jedes Detail festgelegt - dazu ergänzende 24 Para-
um so mehr, da die Behörden und ein eigenes Bür- weil die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts mit außen veränderte sich gleichfalls manches Detail. graphen über Führung und Korrektur der Hefte.
ger-Konsortium sich für ihre Forderungen einsetz- Sozialfällen kaum Mitleid hatte. Eine Frau «ohne An Stelle der gewundenen Wege und romantischen Immer wieder kamen die Schlagworte «Ausdau-
ten. Mit der Beerdigung - des an Verzweiflung Ge- Geburt und Besitz» wurde gemieden. Eine Ver- Wiesenplätze westlich des Hauses trat ein durch- er», «Reinlichkeit» und «Ordnung» vor. Einige
storbenen - wird das Kapitel Staub für gewöhnlich armung wurde eventuell bei einem Adeligen gedul- gehender Obstbaumgarten und südlich des Hauses Kostproben: §37 g) «Kreide, Schwamm, Zirkel,
abgeschlossen. Frau Adelina Staub-Mazzuchetti det, eine Soiree empfing ihn weiterhin, wenn sie zu- ein Gemüsegarten. Die Raumeinteilung des Haupt- überhaupt alle Gegenstände haben ihre bestimm-
weiß man als Gemütskranke irgendwo versorgt — gleich über Liebschaften, Glücksspiel und Duelle gebäudes erfuhr keine Veränderung. Fuchs konnte ten Plätze», §43) «Im Studium muß absolutes Si-
also auch hier ein Schlußstrich. Wir wollen aber munkeln konnte. Der einst geachtete Schulmann aber ein Wasserleitungsnetz installieren lassen. Im lenzium herrschen und allem, was dasselbe stören
doch noch einige Zeilen dem Schicksal dieser Frau Staub aber wurde nun selbst von seinen «ehema- Keller standen nun den Schülern Bäder mit kaltem könnte, vorgebeugt werden; so dem gegenseitigen
widmen. Erinnern wir uns, wie Staub nach der ligen Freunden ... zum Verbrecher gestempelt». und warmem Wasser zur Verfügung. Die Pläne Fragen, Verlassen der Plätze, Öffnen der Pulte.»
Vermählung mit seiner zweiten Frau den Bau sei- Die Familie hatte ihre «Ehre» verloren.23 Aus die- (Ansichten, Grundrisse, Schnitte) des renovierten § 58) «Damit dem Schüler die Strafe gefährlich er-
nes Institutes begann. Diese Frau kam aus Mai- sem Blickwinkel waren Tod und Wahnsinn nach Hauses, der Turnhalle und der Dependenzen wur- scheint, muß dieselbe auf sein Conto geschrieben
land, brachte ihr Vermögen - zwanzigtausend einem selbstverschuldeten Bankrott eine standes- den von Ing. Jean Blattmann neu gezeichnet und in werden und hinter einer gewissen Zahl von Fällen
Franken - in die Ehe und vertraute nicht nur bedin- gemäße Lösung. Für die Frau galt: mitgefangen, einer schönen Mappe bei der Schweizerischen Lan- muß sich ihm eine schlimme Perspektive eröffnen.»
gungslos dem Unternehmen ihres Mannes, sie mitgehangen. Das Gericht zeigte deshalb keinerlei desausstellung in Zürich, 1883, präsentiert. (Körperliche Strafen waren verboten.)
nahm bestimmt auch größten Anteil am Aufbau Erbarmen. Es stellte fest, daß mit Ausnahme von Schließlich sollte der 50. Geburtstag des Haus- Der Tag begann im Sommer um 5 Uhr 30, im Win-
des Instituts. Sie spielte also in der Gründungsge- Schmuck und Kleidern alles in die Fallimentssum- herrn nicht spurlos vorübergehen. Am 11 .Juli 1892 ter wurde um 6 Uhr aufgestanden. Das Schlafenge-
74 75
Nach dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71
erlebte der Turnunterricht im Sinne eines «militä-
rischen Voruntcrrichts» eine erste Blüte.
Rechts der Tunisaal des Instituts und Erxerzicr-
anleitungen für Turner und Schüler.
Mädchenturnen galt als exklusives Angebot
des fortschrittlichen Pensionats «Athene».

hen mußte sich nach § 17 um 9 Uhr innerhalb von Jugend über Frankreich siegte. Die Schweizerische
10 Minuten vollziehen. Der Lehrer löschte das Turnzeitung schrieb 1871: «Der letzte Krieg hat...
Licht im Schlaf'saal und nach § 19 war auch «das gelehrt, daß Körperbildung gepaart mit Geistesbil-
leiseste Geflüster ... sofort zu ahnden». Der Lehrer dung einem Krigsheere Größe und Siegesgewißheit
hatte in der Nacht «mit dem Lichte in der Hand die verschaffen.»28 1883 beklagte die gleiche Zeitung,
Runde durch die Schlafsäle» zu machen. Spazier- daß in etlichen Kantonen noch immer 50 Prozent
gänge hatten militärischen Charakter: der Schüler ohne Turnunterricht seien - der Turn-
§ 26 a) Antreten; b) Appell; c) Revue der Kleidung; unterricht sei als «militärischer Vorunterricht» zu
d) Paarweises Marschieren ... Punkt k) verordnete fördern. In diesem Sinne waren die preußischen
einen Bericht des Lehrers über den Ablauf des Spa- Turnübungsbüchlein auch in der Schweiz beliebt,
zierganges an die Direktion. zum Beispiel «Das Exerzieren und die Vorposten
der Turner und Schüler. Eine Vorbereitung zur
Wehrhaftmachung der männlichen Jugend» (Ber-
Schulturnen lin 1861). Der Turnunterricht des Instituts Miner-
Eine große Bedeutung wurde in der zweiten Hälfte va wurde durch öffentliche Schauturnfeste gekrönt:
des 19. Jahrhunderts dem Schulturnen beigemes- «Letzten Montag fand im Institut Minerva bei Zug
sen. Neu-Frauenstein, bzw. Minerva spielten mit ein kleines Preis- und Schauturnen statt, das sich
ihrem Turnsaal und den Spielwiesen eine pionier- seitens der zugerischen Bevölkerung einer zahlrei-
hafte Rolle. Dieses Kapitel sei hervorgehoben, weil chen Beteiligung erfreute. Pünktlich nach Pro-
es zugleich sehr gut die Disziplin des damaligen gramm marschierte Nachmittags 3 Uhr unter Vor-
Schulbetriebes spiegelt. Wenn wir das strenge Re- antritt der städtischen Kadetten-Musik ... eine
giment von Fuchs beobachten und um 1880 sogar muntere Turnerschar strammen Schrittes durch
eine Verschärfung der Disziplin-Regeln sehen, so unsere Hauptstraße ..»2!)
lag das durchaus nicht in der alleinigen Laune die- Zur Ergänzung sei erwähnt, daß 1888 aber auch
ses Schulmannes. Während einer Versammlung bereits eine Gegenströmung bemerkbar wurde.
des Schweizerischen Turnlehrervereins 1883 in Hugo Ganz stellte in seinem Buch «Turnsaal und
Bern forderte der Referent Geizer eine Revision der Exerzierplatz» fest: «Durch eine Übertragung des
eidgenössischen Turnschule, damit die Übungen Exerzierens und Soldatenturnens in die Jugend-
in Form und Kommando dem Militärischen näher schule wird der Turnunterricht mechanisiert; jede
kommen. 27 Als Staub sein neues Institut mit Mechanisierung des Unterrichts aber ist dem
Turnsaal eröffnete, erlebte der Turnunterricht Zwecke der Schule entgegengesetzt, die eine freie
neue Impulse. Man war überzeugt, daß Deutsch- Entwicklung des jugendlichen individuums anstre-
land 1871 wegen der besseren Turnausbildung der ben soll.»30 Schaarführer. Bannerführer. Quarre'e. Colonne nach der Mitte.

77
76
ein. Da es nur mehr rund 20 Zöglinge waren, kam wurde immer wieder der Satz zitiert: «Die Liebe ist
der familiäre Charakter unter der «Hausmutter» sittlich auch ohne die Ehe, aber die Ehe ist unsitt-
Fuchs verstärkt zum Ausdruck. Zwei Gruppen von lich ohne die Liebe.» Wir können uns heute nicht
Mädchen empfahl sich das Institut besonders: Den mehr vorstellen, zu welchen Diskussionen allein
«Bleichsüchtigen», denen die Großstadt nicht be- dieser Ausspruch führte - besonders im Klima ei-
kam und welche sich hier in ländlicher Umgebung, ner Erziehungsstätte, in der begüterte Eltern ihre
am Seeufer, auf Wiesen, Tennisplätzen, bei Win- Töchter zur «guten Partie» heranwachsen sehen
tersport und Eislauf usw. kräftigen konnten; den wollten. Das Ehepaar Fuchs kehrte 1911 dem Er-
«hervorragend begabten Mädchen», deren Talente zieherberuf endgültig den Rücken. 1920 zog die
ATHENE' Kantonsschule in das nun schon auf eine wechsel-
volle Geschichte zurückblickende Haus.
ZUG-SCHWEIZ.

Nach 1900 durch den individuellen Unterricht besser als in


staatlichen Schulen gefördert werden konnten. 31
Von 1898 an lebte die Familie Fuchs zurückgezo-
gen in der Villa «Bethlehem». Zum Verkauf des In- Eine Fotoserie aus jener Zeit zeigt eindrücklich die
stituts konnten sie sich aber nicht entschließen. Mit gepflegte Atmosphäre. Hinter diesen friedlichen,
Dr. Hielscher aus Zürich reifte der Plan eines Mäd- braven Szenen im Garten, am KafTeetisch waltete
chengymnasiums und einer internationalen Töch- jedoch neuerlich ein Reformgeist. Ob das nun über
terschule - «Athene» genannt. Noch einmal ließ sechzigjährige Dircktorenpaar diesen Geist mit-
Fuchs eine Renovation des Hauses durchführen, vollzog, gar forderte, ist fraglich. Die «Jugendbi-
wobei sicherlich der Geschmack seiner Frau einen bel» der Hausmutter, «Chr. Oesers Aesthetische
großen Einfluß ausübte. Besonders die Empfangs- Briefe - Ein Weihegeschenk für deutsche Frauen
zimmer, Musikzimmer und der Speisesaal wurden und Jungfrauen», wurde wohl belächelt. Die
mit Jugendstildekorationen geschmückt. Dazu ka- Schriften der Schwedin Ellen Key führten eine an-
men Vorhänge, bequeme Bestuhlung, Zimmer- dere Sprache. Aus dem bekanntesten ihrer Bücher
pflanzen usw. 1906 zog die erste «Mädchenschar» «Liebe und Ehe» - 1904 ins Deutsche übersetzt,

78
Westfassade der ehemaligen Kantonsschule in der «Athene»
(Foto: Miirtin Grisdum)

/immer, Treppenhaus,
Gänge, Wände und
Decken sind mit reicher,
antikisierender und
barockisierender
Schablonenmalerci im Slil
d<'r /eil dekoriert. Die
gußeisernen Beschläge
und Geländer stehen in
der Tradition des
Biedermeier.
Der heutige Bau
Nachdem auch die Kantonsschule ausgezogen
war, diente das Gebäude jahrzehntelang als Depot
und Büro verschiedener Institutionen. Dadurch
verwahrloste das Haus einerseits - andererseits
blieb der Zustand aus dem 19. Jahrhundert weitge-
hend erhalten. Das heißt, nicht nur in der Außener-
scheinung blieb die spätklassizistische, bzw. re-
naissancehafte Repräsentation erhalten! Im Innen-
ausbau und in der Dekoration können wir heute
noch nachvollziehen, wie ein vornehmer «Tempel
der Bildung» gestaltet wurde. Ein kurzer Rund-
gang möge dies veranschaulichen: sind in jedem Geschoß durch eine gläserne Wand
Wir betreten die Vorhalle und das großzügig ange- (zart sprossierte Glastüren) getrennt. Die Treppen
legte Treppenhaus. Wände und Decken sind anti- wirken gleichfalls filigran mit den Gußeisenstäben
kisierend mit reicher Schablonenmalerei verziert. der Geländer und den schlanken Holzsäulen. In
Im Südflügel befand sich die Wohnung und das allen Geschossen sind die Vertäfelungen und Tür-
Büro des Direktors mit einem großen Empfangs- salon und Empfangsvorhalle befand sich das Por- blätter mit Beschlägen in der Tradition des Bieder-
salon. Auch wenn eine Wand des Empfangssalons tier- bzw. Anmeldungsbüro. Die mit Kränzchen meiers weitgehend erhalten. Alle erhaltenen Ein-
herausgerissen wurde, ist der schön eingelegte und Lilien verzierte Jugendstiltapete stammt wohl bauten, Beschläge von Fenstern und Türen zeugen
Parkettboden noch erhalten. Zwischen Empfangs- aus der «Athene-Aera». Gänge und Treppenhaus von hoher handwerklicher Qualität und erwiesen
Pater Wolfgang Iten (1712-1769) Mönch und Komponist des Klosters Engelberg

ANMERKUNGEN Es ist nicht erstaunlich, daß das Andenken dieses


1
Schweizerische Schul-Zcitung, Nr. 40, 5. 10. 1872
vielbegabten, vielbeschäftigten und auch sehr be-
2
E. Toblcr, Instituts-Er/ichung, 1944, S. 167
liebten Menschen zunächst von seiner Heimat ge-
pflegt wurde. Vom Kloster Engelberg, wo er 1725
wie 2, S. l 70
als ISjähriger in die Klosterschule eintrat und als
Enzyklopädisches Handbuch der Pädagogik, Bd. 3, 1897, S. 73 IT.
5
Mönch blieb. Und von Ägeri, genauer von Unter-
Chr. Raschle, Landammann Tran/. Joseph Hegglin 1810-1861 und
' die Politik des Kantons Zug 1831-1847, S. 68 ägeri, wo er 1712 zur Welt kam und Kindheit und
11
R. Weiß, Das neue Heim der zugcrisclicn K.antonsschulc, in: Zugcr
Jugend verbrachte.
Neujahrs-Blatt, 1921,8.40 Es gibt keine Anzeichen dafür, daß Iten eine Wir-
' Neue Zuger Zeitung, 24. Jg., (1869), Nr. 65 kung über seinen klösterlichen Lebenskreis und
B
wie r>, S. 39 über die damit verbundenen Ämter und Pflichten
9
Schweiz. Lehrer-Zeitung, 16. Jg., (1871), S. 165 hinaus gesucht hätte. Auch als Musiker nicht. Sei-
10
wie», l G. Jg., (l 871), S. 371 ne weitaus meisten Kompositionen entstanden für
11
wie", 17. Jg., (1872), S. 325 den Gottesdienst in Engelberg, einige auch für das
12
wie' 1 , 16. Jg., (1871), S. 139 IT. Frauenkloster St. Andreas in Sarnen, das dem Abte
" wie", 16.Jg., (1871), S. 389, (Inserat)
von Engelberg untersteht, und für das Kloster Ein-
11
Prospekt 1862, Stadibibliothek Zug, ATBq 70
siedeln, wo ebenfalls Manuskripte von Iten aufbe-
lr
' Prospekt 1870, Stadtbibliothek Zug, T 2310
9-fliaf) /^f. In den Kapitelsakten findet sieh zu Beginn des Jahres 1769 die
"' wie", 20.Jg., (1875), Nr. l
Notiz von I tens Tod. Als Todesursache wird «ex Apostemate»
17
wie 7 , 34.Jg., (1879), Nr. 92 genannt, was soviel wie eine katharrischc Erstickung bedeuten
18
wie 2 , S. 176 i könnte.
sich über Generationen als unverwüstlich. Wenn 19 i Slitlsarchiv F.Mijclbfrg, Codex 193, Acluum Cafiitutatiuin Turnus IV.1'-'5, Sritc 18(i.
vgl. «Zumbach-Kartei», Stadtbibliothek Zug
wir vom obersten Treppenabsatz nochmals auf die 20 • <" Jj £ Folo (Ilirislian I.an/, l'tallhausen
wie 9 , 27.Jg., (1882), S. 37
dekorierten Wände und zu den hoch gelegenen 21 Musikbibliothek^
Rechenschaftsbericht des Obcrgerichts des Kantons Zug an den
Rundfenstern blicken, bestätigt sich der palais- h. Kantonsrath ... vorn Jahre 1879, S. 34-35 •"•ÄAw&i ,Z_-;T"
Still Ennclbcru

artige Eindruck der ganzen Gebäulichkeit. Es lohnt 22


Amtsblatt des Kantons Zug, 22. Jg., (1879), S. 365, Kp. 668
sich auch ein Besuch der vierten Etage, wo sich im 23
wie 7 , 34.Jg., (1879), Nr. 92
Originales Titelblatt von Ilens Hand. - Das feierliche «Veni
Nordflügel eine Wohnung mit alten Tapeten, Dek- sancte» in der Besetzung dir vierstimmigen Chor, zwei Violinen .4n nii*i> ijba .
IM WJCS!
und /.wci obligate Hörner in G beendete Iten am 9. J u l i 1745 und
kenmalereien und sogar ein Zylinderofen aus dem 25
wie 22 , S. 892, Kp. 1637 signierte mit vollem Namenszug.
19. Jahrhundert erhalten hat. Die Erhaltung ba- 26 KuRi-llMTRiT Musikhililiolhck K02, 29. Foto: Christian I.an/, PlUflliausrn *'cCt u MfflU A n t t lt£ (€* K>4 ivt
Troisicmc Rapport de ['Etablissement d'Educalion et d'Instruction
rocker Ausstattungen steht außer Diskussion. Aber «Minerva» 1890-93, 1894, S. 9, 14 f.
wo sind historistische Raumkonzeptionen gesi- 27
wie 9 , 28.Jg., (1883), Nr. 42 Einleitung
chert? Bei Baugattungen wie Villen oder Schlösser 28
Schweizerische Turnzeitung 1871, Nr. 6
haben historistische Interieurs noch eine gewisse 9
Pater Wolfgang Iten starb am 2. Januar 1769 als
Erster Bericht der Erzielumgs- und Unterrichts-Anstall, Minerva,
Chance. Schulen waren von Jahrzehnt zu Jahr- 1888,8. I I Pfarrer von Auw im Freiamt. Das Pfarramt von ' ^ J, t/Jn/!(U Wfa
zehnt Modernisierungen unterworfen. Sie erfaßten 311 2 Auw war das letzte von sehr vielen und verschiede- nt A H t U t i i - -Hü
wie «, 1888, Nr. 41
nicht nur die sicher notwendigen Installations-Er- :tl nen Amtern, die ihm im Laufe seines Lebens durch ttlftinil t l tut t «. qlC .
wie ü , S. 46
neuerungen, sondern meist auch die dekorativen seine Äbte des Klosters Engelberg aufgetragen Ct tA/sft t m i ( / t - f c e a t t *£'} PA >c:
Ausstattungen. Erst kürzlich wurde in Schönen- wurden. Die Nachricht von seinem Tod im Kapi-
telbuch des Klosters unterstreicht denn auch seine l'7«.! 1 1 a u MI il' .»(vw» jji U (Jf
werd die Jugendstil-Ausschmückung einer 1908 er- / • / . !'
Vielseitigkeit: Er sei ein Mann von größter Bega- . t t f u \t>c<ul 1 1,"/.
bauten Schule entfernt. Sattes Rot und Grün wich
einem modernistischen Violett und Himmelblau. bung gewesen, außerordentlich bewandert sowohl
Die Post-Moderne mag ihre gewagten Farbkompo- in der Musik wie in den Wissenschaften; er habe in
Engelberg als Professor der Philosophie und der a. Hl (i>
sitionen kreieren — Historismus und Jugendstil sol-
len aber ihre typischen Farbgebungen und Dekora- Moral unterrichtet, habe dort als Vorsteher der
tionen nicht verlieren. Schule, Talpfarrer, Subprior und dann eben als
Othmar Birkner Pfarrer in Auw gewirkt.'

82 83
wahrt werden. Gedruckt wurden vom Komponi- ein Werkverzeichnis mit Itens Kompositionen, das Von Itens Kindheit wissen wir so gut wie nichts. Er
sten Wolfgang Iten keine Werke 2 und verbreitet of- 44 Werke aufzählt. Inzwischen haben sich aber seit muß in einem geordneten ländlichen Milieu aufge-
fenbar nur im eben umschriebenen Raum zwischen meinen Nachforschungen imjahre 1976 insgesamt wachsen sein, und den gebildeten Eltern dürfte zu-
den Klöstern Engelberg, Sarnen und Einsiedeln. 149 (!) Werknummern sicherstellen lassen, so daß sammen mit dem Paten eine religiöse Erziehung
Schon daraus wird verständlich, daß der Kompo- eine Neupublikation des Iten-Werkverzeichnisses und gründliche Schulbildung für das Kind eine
nist Wolfgang Iten heute einer breiteren Öffent- dringend nötig wäre.7 Selbstverständlichkeit gewesen sein. Dazu kommt,
lichkeit unbekannt sein muß. Doch je mehr man Über Hubers Werkverzeichnis und über die viel daß sich Ägeri zu jener Zeit kulturell auf unge-
sich mit ihm beschäftigt und sich in sein Lebens- ältere Arbeit des Einsiedler Mönchs Pater Anselm wöhnlich hohem Niveau befand. Albert Iten be-
werk vertieft, umso deutlicher und lebendiger er- Schubiger 8 gelangte Wolfgang Iten in das - wenn richtet über die Entwicklung Ägeris: «Umso wohl-
steht vor einem die Biografie eines universell gebil- man so will - «internationale» rnusikhistorische tuender berührt die Zeit religiöser Erneuerung, als
deten Menschen der Barockzeit, eines Musikers, Schrifttum. Er wurde nämlich 1932 vonCherbuliez dann im Gefolge des Trienter Konzils Geistliche
Dichters, Philosophen und Lehrers, der seine viel- in die immer noch einzige umfassende aber inzwi- die Seelsorge ausübten, die eine eigentliche Stan-
fältigen Begabungen mit Fleiß in den Dienst seines schen in manchem veraltete Publikation zur Musik- des- und wissenschaftliche Erziehung mitbrachten,
Priesteramts und mit Humor in den Dienst der geschichte der Schweiz 9 aufgenommen, dort aller- junge Söhne einheimischer Familien, welche die Je-
Mitmenschen stellte. Die kurze Notiz über Iten im dings aus heutiger Sicht zu einseitig nur als Kom- suitenkollegien besucht hatten und nun selbst auch
oben zitierten Kapitelbuch wird so mit zunehmen- ponist für Frauenklöster beurteilt. das Schulwesen forderten. 21 solcher Welt- und
der Beschäftigung immer sprechender und an- Der Dichter Iten - er verfaßte zwei Passionsspiele Ordenspriester umstanden das Grab des bedeutsa-
schaulicher. - wurde 1927 von Josef Hermann Heß und zwei men Pfarrers Jakob Nußbaumer (1602-1668), alle
Eine Frucht dieser Beschäftigung war auch die Jahre später ausführlicher von Oskar Eberle ge- aus dem Tal hervorgegangen, als die noch gemein-
Übertragung der Missa brevis Solemnis und zweier würdigt. 10 same Pfarrei gut 1400 Seelen zählte.» 14
anderer Kompositionen 3 Itens in Partitur und die Aus Itens Geburtsort stammen zwei Publikationen Ein solcher Sohn des Tales war der Priester Jakob
Erstellung des Aufführungsmaterials, so daß diese zur Familiengeschichte" und Biographik 12 . Der Billeter aus Wilägeri, der Sohn des Pfarrsigristen
Werke beim Jubiläum des Orchestervereins und bekannte Historiker Albert Iten faßt darin zusam- im Dorfe Oberägeri, wo er aufgewachsen war. Bil-
des Kirchenchors von Unterägeri 1987 erklingen men, was über die Abstammung und den Wir- leter wird der eigentliche Schrittmacher gerade für
können. Ich bin den Vertretern beider Vereine, al- kungskreis von Pater Wolfgang Iten zu finden war. das Dörfchen Wilägeri. Er studiert an den Jesuiten- Abt Maurus Rinderli (1683-1730). Er stammte ebenfalls von
len voran dem Präsidenten des Orchestervereins, Natürlich muß in diesen Schriften eine ausführ- kollegien Freiburg und Solothurn, zieht bereits als Unterägeri und war mit Itens Taufpate und Onkel, Pfarrer
junger Priester und Feldprediger mit den Zuger Wolfgang Hasler von Ägeri, befreundet. Als Iten in die Kloster-
Doktor Urs Henggeler, für die Anregung zu dieser liche Würdigung des Musikers fehlen. scliulc von Engelberg eintrat, stand Rinderli dem Konvent vor.
Arbeit dankbar. Die neusten Einzelheiten über Itens Leben sam- Truppen in den ersten Villmergerkrieg, über- Öl auf Leinwand, anonymer Mali-r, Gastsiial des Klosters g. Foto Christia
Durch sie kam eine barocke Meßvertonung wieder melte der Engelberger Historiker und Stiftsarchi- nimmt für sechzehn Jahre den Schul- und Organi- Lanz, Fl'allliauscn

ans Tageslicht, die nicht nur in Itens Heimat zur var Pater Gall Heer, der mir sein Manuskript groß- stendienst an der Seite seines väterlichen Freundes
Freude der Ausführenden und Zuhörer werden zügig überließ. 13 Pfarrer Nußbaumer, amtet weiter als Schulmeister, sem Tal ein solches Gebäu in dieser <klammen
kann, sondern wegen der auch von Laien gut zu be- Spielbuchdichter und Komponist an der Latein- armen Zeit) gebaut und seiner Person eine solch eh-
wältigenden Chorpartien ebenfalls andernorts auf- schule Altdorf, das ihn gar für ein religiöses Spiel renhafte Behandlung widerfahren könnte. Und der
geführt werden dürfte. mit einem silbernen Becher beschenkt. Reichlich Überreiter meinte in einem Stallgespräch, an kei-
Itens Herkunft spät beruft ihn endlich die Heimatgemeinde zu ih- nem ändern Ort sei dergleichen vorgekommen.»"'
Wolfgang Itens erster Biograph war der Engelber- Wolfgang Iten wurde am 18. Dezember 1712 in rem Pfarrer. Ihm geistesverwandt ist der Mitbür-
ger Mönch und spätere Abt Karl Stadier, der 18 Ägeri geboren und auf den Namen Vital getauft, ger Heinrich Heinrich im Jesuitenorden, der vor Vital Iten war im Jahr 1714, als die Pfarrei Unter-
Jahre nach Itens Tod in einer Sammlung von während Wolfgang sein späterer Mönchsname sein dem bayerischen Hofe ein lateinisch verfaßtes ägeri gegründet wurde, ein zweijähriges Kind.
Kurzbiographien berühmter Mönche des Klosters sollte. Sein Vater war Johann Franz Iten in der Füren, Schauspiel zum besten gibt. Ziemlich gleichzeitig (Erst nach dieser Gründung wurde es üblich, die
Engelberg auch Iten einbezog.4 Daran anschlie- später auf der Mühle zu Wilen, von Beruf Für- führen den Abtsstab Basilius Iten in Rheinau und beiden Gemeinden nicht mehr Dorf Ägeri und
ßend schrieb dann mehr als hundert Jahre später sprech in Ägeri; seine Mutter hieß Anna Maria und Maurus Rinderli in Engelberg. 15 Wilen, sondern Ober- und Unterägeri zu nennen. 17
der Archivar Pater Adalbert Vogel Itens Biogra- war eine geborene Hasler, die Schwester des dama- Die kulturelle Blüte wie auch die wirtschaftliche Zu jener Zeit war Pfarrer Bernhard Fliegauf
phie nieder. 5 Über den Musiker Iten stammt die er- ligen Pfarrers von Oberägeri, Wolfgang Hasler. Prosperität im Ägeri jener Zeit erstaunte auswär- (2. Mai 1656 bis 7. Januar 1743), der Gründer der
ste größere Arbeit ebenfalls von einem Engelberger Dieser wiederum war Vitals Taufpate und hat zu- tige Besucher. So soll sich der Weihbischof von Pfarrei Unterägeri, eine der bestimmenden Persön-
Mönch, der selbst Komponist war. Pater Franz sammen mit den Eltern entscheidenden Einfluß auf Konstanz 1721, im Jahr der Kirchweihe von Unter- lichkeiten. 18 Ihm halfen bei seinem Werk verschie-
Huber legte 1914 eine Studie über die Kirchenmu- die Erziehung und die Berufswahl des begabten ägeri, lobend darüber geäußert haben. «Er rühmte dene Itens mit, darunter wohl auch Verwandte
sik im Kloster Engelberg vor.6 Darin befindet sich Jünglings genommen. nämlich in Zug, er hätte nicht vermeint, daß in die- Vitals. Einer dieser Helfer Fliegaufs, vielleicht

84 85
Vitals Onkel, war ein Franz Iten auf der Füren. Dieser Schweiße des Angesichts ihre Kunst darboten und Sohn, als Weibel gleichzeitig Tavernenwirt auf auch teilweise in der Liturgie mitzuwirken: als
soll auf Bettelreisen für die Pfarreigründung zu- der Jubilar bis zur Opferung gekommen war, be- dem Rathaus. 29 Dieser Weibel Johann Jakob Iten Choralsänger in den Hören, als Cantus- oder Altus-
sammen mit anderen Gleichgesinnten dafür ge- stieg der Ehrenprediger die Kanzel, um während hielt beim Festessen anläßlich des goldenen Prie- sänger im Chor.
sorgt haben, daß das nötige Geld für die Unterneh- anderthalb Stunden zu predigen. (...) sterjubiläums von Pfarrer Fliegauf 1741 die Fest- Spätestens in Engelberg hat Vital auch Unterricht
mung zusammen kam. 19 Nach Schluß der Predigt, die wir auf eigens hinge- rede. Der Chronist schreibt: «Wer aber der fest- im Trompetenspiel genossen. Auf diesem Instru-
Auch von Vitals Onkel mütterlicherseits, von Pfar- stellten Stühlen anhörten, feierte der Jubilar das lichen Tafel als Redner die Krone aufsetzte, war ment erreichte er offensichtlich eine gewisse Mei-
rer Hasler, ist im Zusammenhang mit Fliegaufs heilige Opfer zu Ende, während der Opfergang er- Herr Iten, der redegewandte Ägerer. In halbstün- sterschaft, da er später sogar auswärts engagiert
Pfarreigründung zu berichten. Als Gefährte auf folgte und gefällige Musik ertönte.» 20 diger Rede verstand er es, die Qualitäten der <auf- wurde. 34 Einen bedeutenden musikalischen Ein-
der Pilgerreise nach Rom im heiligen Jahr 1700- Aber auch die anschließende festliche Tafel ent- fliegendem Taube so köstlich zu treffen, daß du den fluß auf Vital muß schon während der Schulzeit
Fliegauf war damals noch Pfarrer von Zuzwil und behrte nicht der musikalischen Umrahmung. Zwei Jubrlaten, soeben noch ein Phönix, für eine Taube von 1725 bis 1728 der Komponist Pater Benedikt
Kirchberg - war bereits der Priester Wolfgang «treffliche» Lieder wurden zu Ehren des Jubilaren verkauft hättest.» 30 Deuring (1690-1768) gehabt haben. Deuring hatte
Hasler dabei, damals noch Kaplan zu Ägeri.'-0 Und gesungen. «Der Komponist war Subdiakon Stad- Der gleiche Weibel Iten hatte schon vier Jahre zu- als 20jähriger 1710 in Engelberg die Profeß abge-
als in den Jahren nach 1714 in Unterägeri schließ- iin, der Dichter Kaplan und Kustos Xaver Stock- vor beim Festessen nach einer Primiz in Oberägeri legt. Musiker war er offenbar schon von Haus aus,
lich eine neue Kirche und ein neues Pfarrhaus er- lin. Unter Trompetengeschmetter wurde Gesund- großes Aufsehen erregt. Dies «mit einer wunder- da sein Vater in Glarus Schulmeister und Orga-
baut werden konnten und der Rohbau der Kirche heit getrunken.» 27 schönen Ehrenred und Danksagung zu allerseits nist gewesen war und vermutlich auch der erste
bereits 1718 gesegnet werden sollte, spendete Wolf- geistlichen und weltlichen Jungfrauen und Frauen Lehrer seines Sohnes. In Engelberg wurde Deuring
Auch wenn alle hier eben aufgezählten musikali- Freude, denen er zu bester Satisfaction aufgewar- ein eifriger Komponist. Aus einem eigenen Werk-
gang Hasler, inzwischen Pfarrer von Oberägeri,
schen Ereignisse bereits nach Itens Jugend in Ägeri katalog 3f> geht hervor, daß er bis 1729 insgesamt 3
den Segen.21 tet. Das genossen nicht nur die Ehrenhochzeitsper-
stattgefunden haben, sind sie doch sprechend für sonen, sondern es hatte viel Volk auf der Brugg und Vespern, 12 Magnificat, 43 Kantilenen für die
Der neunjährige Vital erlebte die Kirchweihe am
die Art und Weise der Musikpflege in Itens Hei-
3., 4. und 5. Oktober 172l 2 2 , die bestimmt auch mit dem Bruggenrainli vor dem Ochsen zugehorcht Wandlung, 24 marianische Antiphonen, 12 Offer-
mat, wie sie auch schon zu seiner Jugendzeit dort und diesem Herrn Weibel Lob und Ehre gegeben. torien und 12 Konzerte für zwei Violinen kom-
entsprechend feierlichem musikalischen Aufwand
geherrscht haben muß. Die Träger dieser Musik- Es erschallten die Trompeten und Waldhörner vor ponierte. Beim verheerenden Klosterbrand von
begangen wurde. Überhaupt ist anzunehmen, daß
pflege in der Gemeinde waren Kleriker und Bürger; und nach dieser Danksagung.» 31 1729, der auch für Iten einschneidende Folgen har
Vital bereits während seiner Kindheit und Jugend
die Anlässe, bei denen Musik ertönte, waren in er- Das Lob, welches hier der Weibel Johann Jakob ben sollte, verbrannten außer den 12 Konzerten
in Ägeri nicht nur regelmäßig mit feierlicher Kir-
ster Linie kirchliche und bürgerliche Festlichkeiten Iten ernten kann, erinnert an jene Äußerungen in und 24 Antiphonen all diese Werke Deurings.
chenmusik in Berührung kam, sondern wahr-
und Repräsentation. Wolfgang Itens Nachruf, welche sein literarisches Ebenfalls verbrannt ist eine Kompositionslehre,
scheinlich auch bereits in Musik unterrichtet wur-
de. Einen Eindruck vom Musikleben in Ägeri ge- Auch die literarische Begabung Vital Itens kommt Talent rühmen. 32 Vielleicht ist eine ererbte literari- die Deuring verfaßt hatte. 36
ben hier einige zufällig herausgegriffene Festlich- nicht aus dem Nichts. Von der jesuitischen Tradi- sche Begabung der Iten in der Füren nicht auszu- Über die musikalische Gestaltung der Liturgie im
keiten, die mit Musik umrahmt wurden. So wurde tion des Barocktheaters, die mit den Klerikern schließen. Kloster Engelberg unterrichtet uns Straumeyer als
etwa die Übertragung des römischen Märtyrers nach Ägeri kam, war bereits kurz die Rede. Ja, sie fachkundiger Chronist:
Theodor (eines Katakombenheiligen) in die neue wurde gar im nahen Verwandtenkreis Itens ge- «Obgleich unser Konvent an Anzahl weit kleiner
Schüler und Mönch in Engelberg ist als andere, so war doch die geringe Zahl der Re-
Kirche unter anderem mit dem Gesang des Te- pflegt und es ist anzunehmen, daß der Knabe Vital
deums und der Vesper gefeiert.23 Und anläßlich bereits Dichtungen im Dienste der Glaubensver- Wahrscheinlich gab Pfarrer Wolfgang Hasler die ligiösen kein Hindernis, daß wir die Tageshoren im
des 50-Jahr-Priester-Jubiläums von Pfarrer Flieg- kündigung miterlebt hatte. Denn von seinem Tauf- Veranlassung, daß der 13jährige Vital 1725 in die gregorianischen Gesang stets auf das gewissenhaf-
auf im Jahre 1741 wurde der Jubilar am Vorabend paten und Onkel Wolfgang Hasler ist überliefert, Klosterschule von Engelberg eintrat, denn der teste persolvierten, so daß es schien, wir gehen än-
des Festes beim Einzug in die Kirche mit «Musik- daß er im Ried in Oberägeri als Pfarrer wenigstens damalige Abt von Engelberg, Maurus Rinderli dern Communitäten hierin nicht nach, sondern
spiel» empfangen, dann wurde der Hymnus zweimal sogenannte geistliche Komödien auffuhren (1683-1730), war mit Pfarrer Hasler eng befreun- gleichsam voran (...). Den Tageshoren wohnten
«Komm Heiliger Geist» angestimmt und es folgte ließ 28 , also geistliche Spiele, die vornehmlich das det und selbst auch ein Zuger von Unterägeri. Im sämtliche Patres, Fratres und Scholaren (!) bei.»37
die «musizierte Vesper». Dabei war ein gewisser Weihnachts-, Karfreitags- oder Ostergeschehen Kollegium von Engelberg wurden nun Vitals viel- Doch weder das Stundengebet noch die Messe wur-
«Archimusicus» Müller von Baar vermutlich der zum Inhalt hatten, und von denen Pater Wolfgang seitige Fähigkeiten von Benediktiner Mönchen den ausschließlich «choraliter», das heißt in ein-
Verantwortliche für die Festmusik. 24 später zwei gedichtet und mindestens eines aufge- ausgebildet. Spätestens hier setzte auch sein regel- stimmigem, gregorianischem Choral gesungen.
Im Festgottesdienst am folgenden Sonntag waltete führt hat. Und dann ist hier noch von einem Iten mäßiger Musikunterricht ein. Sein Musiklehrer Vielmehr wurden hohe Feste durch feierliche «Fi-
der Organist Franz Paul Iten seines Amtes und jener Zeit zu berichten, der sich durch eine außer- dürfte damals Pater Ildephons Straumeyer guralmusik», das heißt durch mehrstimmige In-
«bot sein Bestes auf, das allen Wünschen gerecht ordentliche rhetorische Begabung auszeichnete (1701-1743) gewesen sein, der das Amt des Pho- strumentalmusik und mehrstimmigen Chorgesang
wurde» 25 . Begleitet wurde der Einzug Fliegaufs mit und vielleicht Vitals älterer Cousin war. nascus (Kapellmeister) innehatte und erster Chor- oder auch durch instrumental begleiteten Sologe-
«mächtigem Trompetenschall». Und weiter be- Es ist dies ein Johann Jakob Iten-Nußbaumer (1702 direktor war.33 Denn als Klosterschüler war Vital sang ausgezeichnet, oder kurz «figuraliter» beglei-
richtet der Chronist: «Während die Musiker im bis 1769), des Furers Ammanns und Landvogts Mitglied des Knabenchors und hatte als solcher tet. Auch darüber gibt Straumeyer Auskunft, und

87
seine Schilderung soll hier zusammengefaßt wer- Wiederum ist es Straumeyer, der uns dies über- nichts berichtet. Die meisten Mönche waren über- op. 18 und 22, aus denen vermutlich die genannten
den, weil sie die mannigfaltigen Erfordernisse an ei- liefert: «Soweit ich mich im Kapitelbuch gelesen dies zur Zeit des Brandes gar nicht im Kloster, son- drei Messen stammten.
nen Hauskomponisten wie Pater Benedikt Deuring zu haben erinnere, war es vor 20 Jahren die ein- dern befanden sich auf einem Spaziergang. Vom Der nächstgenannte Giovanni Battista Bassani
und später Pater Wolfgang Iten deutlich werden stimmige Ansicht aller, daß keiner je ins Kloster Feuer verschont blieben der Kirchturm und glück- (~ 1657-1716) war ein außerordentlich fruchtbarer
läßt. aufgenommen werden könne, wenn man nicht die licherweise die Bibliothek mit der Sakristei, die Kirchenkomponist und vorzüglicher Geiger, der
Straumeyer bemerkt also etwa folgendes: Zur mu- sichere Hoffnung haben könne, daß er in der Musik etwas vom Kloster getrennt gebaut worden waren, auch 11 Opern und 12 Oratorien komponierte.
sikalischen Gestaltung der Messe wurde während sich Kenntnisse erwerbe. (...) weil nämlich unser und schließlich blieb auch das heutige Ökono- Sein konzertierender Stil ist jenem des um einige
des Jahres sogar mehr Figuralmusik als Choralmu- Convent stets nur aus sehr wenigen besteht 39 und miegebäude unbeschädigt, welches Abt Joachim Jahre älteren Corelli sehr nahe. Arcangelo Corelli
sik verwendet. Die Figuralmusik galt als Auszeich- der stete Chorgesang Musikkundige erfordert. (...) Albini (1666—1724) hatte bauen lassen, um die (1653-1713), der große italienische Geiger, in des-
nung für die hohen Feste. An Abtsfesten, den höch- ein Religiöse soll sowohl in Frömmigkeit und Wis- Konventualen bei einem geplanten Klosterneubau sen Werken «die altklassische, <undramatische>
sten Festtagen, wurde zum Beispiel auch die Ves- senschaft als auch in Musik, wenn nicht ausge- darin unterzubringen. 44 Kantabilität den reinsten Ausdruck fand» 50 , der
per figuraliter gesungen. Ebenso vor dem Hochamt zeichnet, so doch tüchtig sein.»40 Obwohl also die Bibliothek vom Feuer verschont eigentliche Erfinder des Concerto grosso mit den
die Sext und danach die Non. Während der Abt Nach dem Noviziat legte Vital Iten am 20. Februar blieb, verbrannten beinahe alle Musikalien, die abwechselnden Klangkörpern von Tutti und Solo,
nach der Sext zum Altare trat, spielten Orgel und 1729 in Engelberg die Profeß ab. Als Mönch nahm man im Gebrauch hatte. Denn diese waren nicht in er war auf die Engelberger Komponisten nicht
Trompeten. Das Proprium (die je nach Fest wech- er den Namen des in seiner Heimat verehrten heili- der Bibliothek gelagert, sondern verstreut bei der ohne Einfluß geblieben. Vor allem was Itens teil-
selnden Texte der Messe) wurde ganz figuraliter gen Wolfgang an. Dies wohl auch zu Ehren seines Orgel in der Kirche, auf dem Dormitorium 45 und weise virtuose Behandlung der Violinen betrifft
gesungen, und nach der Messe spielten wieder Or- Onkels und Paten Pfarrer Wolfgang Hasler, der im Kapilelhaus. 46 Straumeyer als Kapellmeister (die sich bei ihm aber nicht selten in reinen Akkord-
gel und Trompeten. Bei Superiorenfesten wurde ihm nicht nur geistige Unterstützung hatte zukom- hatte noch versucht, die Noten aus dem Feuer zu brechungen und zu häufigen Tonwiederholungen
der mehrstimmige Gesang mit Saiteninstrumenten men lassen. Der Onkel Pfarrer war es auch, der zu retten, doch konnte er nur weniges vor den Flam- zu erschöpfen droht) und auch was die formale
begleitet. So etwa in der Vesper das Magnificat, einem guten Teil für die Studienkosten seines Nef- men in Sicherheit bringen. 47 Nach dem Brand be- Anlage der Messe betrifft, wo sich Tutti und Soli
oder in der Komplet die marianische Antiphon. fen aufgekommen war. 41 Übrigens zahlte Vitals richtete er auch darüber, was alles in den Flammen konzertartig ablösen.
Ebenso während des Hochamts die Propriumsge- Vater drei Tage nach der Profeß seines Sohnes dem verloren gegangen war. Die Liste der Musikalien Im Hinbick auf Itens Missa brevis Solemnis sei hier
sänge. Hier konnte auch vor dem Evangelium eine Kloster 100 Gulden als Aussteuer und die Auslagen ist natürlich von größtem Interesse, wenn man die noch kurz auf den von Straumeyer genannten Pater
Instrumentalsymphonie gespielt werden, wenn für das Noviziat in der Höhe von etwas mehr als 17 stilistischen Einflüsse auf die Engelberger Kompo- Rathgeber eingegangen. Mit ihm ist Johann Valen-
nicht eine Sequenz zu singen war. An sogenannten Gulden. 42 nisten abschätzen will. Straumeyer zählt auf: «(...) tin Rathgeber (1682-1750) gemeint, Komponist
«Wochnerfesten II. classis» wurde statt dessen vor 3 Messen eines italienischen Autors di Gratia, Wer- und Benediktinermönch im Kloster Banz (Ober-
dem Evangelium ein Solo- oder Duettgesang mit ke von Bassani, alle Werke von P. Rathgeber, ein franken). Seit 1721 erschienen von ihm bei Lotter
oder ohne Instrumente eingelegt. Hingegen wur- Der Klosterbrand: Opus für eine Singstimme von P. Stephano und von in Augsburg diverse liturgische Kompositionen. Es
den Trompeten an solchen Festen gemieden, da sie Verbrannte Musikalien, Exil und erste Ämter Planiski, alle Offertorien von P. Kolberer und waren Mess- und Requiemskompositionen, Ves-
den Abtsfesten vorbehalten waren. Schottenberger, Symphonien und andere Werke per- und Offertorienzyklen, Litaneien, Mariani-
Die Oflertorien waren stets mehrstimmig gesungen Nach der Profeß setzte der 17jährige Mönch seine von sig. Correli (!) und eine sehr große Zahl neuere sche Antiphonen, Hymnen und Te Deum. Rathge-
mit Begleitung von Instrumenten. Die Kantilenen Studien fort. Es folgten nach der «unteren» und Symphonien von italienischen Meistern. Ferner ei- ber hatte also in Banz die gleichen kirchenmusika-
zur Wandlung aber einstimmig mit Instrumental- «höheren Syntax», nach der «Humanitas» und der ne Menge Werke unseres P. Benedikt Deuring.»48 lischen Bedürfnisse zu befriedigen, wie sie in Engel-
begleitung. Jeweils in der Weihnachtszeit bis «Rhetorik» der Schulzeit jetzt die Fächer Philoso- Die Liste dieser Komponisten zeigt den großen berg herrschten. Von ihm dürfte das Kloster Engel-
Lichtmeß waren deutsche Kantilenen beim Offer- phie, spekulative Theologie und Moraltheologie, Einfluß italienischer und süddeutscher Autoren auf berg eine ganze Reihe von Werken besessen haben,
torium und zur Wandlung gebräuchlich. Keine und ebenso waren vermutlich musikalische Stu- die Engelberger Kirchenmusik jener Zeit. Es ist der die Iten vor dem Brand mehrere Male gehört ha-
Figuralmusik wurde an den gewöhnlichen Tagen dien Gegenstand seiner Beschäftigung. damals allenthalben moderne italienische Stil, der ben muß. Übrigens nahm Rathgebers Biographie
der Advents- und Fastenzeit aufgeführt. 38 Doch bereits sechs Monate nach der Profeß ereig- bestimmend war. Das war schon aus dem 17. Jahr- im selben Jahr, als in Engelberg seine Werke ver-
In diese musikalischen Bräuche wuchs nun Vital nete sich der wohl größte Einschnitt in Itens Leben: hundert der monodische und konzertante Stil, zu brannten, einen durchaus ungewöhnlichen Lauf.
als Scholar hinein. Und überhaupt wurde das klö- der Klosterbrand vom 29. August 1729.43 Das Un- dem dann im 18. Jahrhundert auch immer mehr Da ihm sein Abt die Genehmigung zu einer Stu-
sterliche Leben immer mehr zu seinem eigenen. Im glück soll sich folgendermaßen abgespielt haben: der neapolitanische Opernstil mit Rezitativ und dienreise verweigerte, verließ Rathgeber 1729
Jahr 1728, nach drei Jahren Schulzeit, trat der Die Klosterschüler hatten ihre nahen Ferien durch Arie in die Kirchenmusik eindrang. Der erstge- Banz heimlich und begab sich auf eine neun Jahre
16jährige ins Noviziat ein. Das hieß unter anderem das Abbrennen von Raketen gefeiert. Ein solcher nannte Komponist «di Gratia» ist ein Vertreter des dauernde Geniereise. Sie führte zu süddeutschen
auch, daß Iten seine musikalische Begabung unter Feuerkörper fiel dabei auf das dürre Schindeldach 17. Jahrhunderts, nämlich Bonifazio Graziani49, Höfen mainabwärts an den Rhein, dann über Trier
Beweis gestellt hatte. Denn solche war tatsächlich des alten Klosters, das sofort Feuer fing. Kloster der 1664 in Rom starb. Noch nach seinem Tod wur- in die Schweiz, schließlich auch nach Österreich
für einen angehenden Mönch eine der Bedingun- und Kirche brannten vollständig ab. Von Men- den seine Werke zum Teil von seinem Bruder in bis Graz. Im Jahre 1738 kehrte er nach Banz zu-
gen, um Aufnahme ins Kloster finden zu können. schen, die im Feuer umgekommen wären, wird Druck gegeben. Darunter waren auch die Messen rück und wurde nach einer Generalbeichte und der

88 89
Der Beginn von Johann Valentin Rathgebers Der Beginn von Itens Missa brevis Solemnis
Messe op. 19, Nr. l im modernen Partiturdruck, aus dem Jahr 1739 in der Partiturübcrtragung von
hrsg. v. Wilfried Dotzauer. Joseph Willimann.
Sie weist (außer den Pauken und Posaunen ad libitum)
die gleiche Besetzung wie Itens Missa brevis
Solemnis auf.
Gedruckt vom Carus-Verlag, Stuttgart 1983

Missa Sanctorum Apostolorum c-DUr SoLzmnLs <\ *t voci et •il ex D


Opus 19, Nr. 1 Ittn OS/l
1 . Kyrie I Johann Valentin Rathgeber 3322 i2S3f7
CLAR1NO l. II Al.t 1*0.7 n<n
LITUIS Allegro looz — i/ju
ad libitum
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Erstdruck / First edition


Aufführungsdauer / Duration /Durce: Missa: ca. 32 min., Conccrto: ca. 4,5 min. Herausgeber und 7TT.I |J J ' r^
© by Carus- Verlag, Stuttgart 1983 - CV 40.632/01 Gcncralbaßaussetzung: Mayio
Vervielfältigungen jeglicher sind gesetzlich verboten / Any unauthorizcd rcproduction is prohibited by law. Wilfried Dotzauer

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Erneuerung der Ordensgelübde wieder ins Kloster der nach Engelberg zurück, wo am 19. Dezember
aufgenommen. Im gleichen Jahr erschien auch wie- 1730 Abt Maurus gestorben war. Die Wahl des
derum in Augsburg sein letztes Messenwerk, das neuen Abtes vereinigte alle Konventualen am
Opus 19 mit vier Meßvertonungen. Seit kurzer Zeit 16. Januar 1731 in Grafenort, einem Besitz des Klo-
liegt von der ersten dieser Messen eine neue Parti- sters im unteren Engelberger Tal, da in Engelberg
turausgabe 52 vor, die aufschlußreiche Vergleiche selbst keine Räumlichkeiten zur Verfügung stan-
mit Itens ein Jahr später abgeschlossener Missa den. Zum Abt wurde Emanuel Crivelli gewählt.
brevis Solemnis zuläßt. Trotz der außerordentlichen Umstände wurde die-
Stilistisch sind sich die Messen sehr nahe, auch se Wahl auch mit feierlicher Musik begangen.
wenn Rathgeber uns hier — in seiner Art — als reifer «Nach der Wahl zog man zur Kapelle hinauf zur
Komponist erscheint und nicht satztechnische Un- ersten Huldigung und zum Te Deum, bei welchem
beholfenheiten auftauchen, wie es in der Messe des die Orgel durch ein kleines Orchester ersetzt wur-
27jährigen Iten der Fall ist. Doch darüber später de: einen Kontrabaß, der von Stans ausgeliehen
mehr. worden war, dazu zwei Violinen und zwei Trom-
Ohne hier noch auf die ändern 53 von Straumeyer peten.»58 Wahrscheinlich hat Iten bei diesem Te
aufgezählten Komponisten weiter einzugehen, Deum als Trompeter mitgewirkt, denn die Trom-
wollen wir zum Unglückstag des Klosterbrandes peten gehörten zu einem Abtsfest und fehlten er-
zurückkehren. Die schwer heimgesuchte Kloster- staunlicherweise selbst außerhalb des Klosters nicht.
familie ließ sich durch das Unglück nicht beugen. Nach der Abtswahl zogen die vier Fratres wieder
Noch am späten Abend des gleichen Tages ver- nach Muri, denn das neue Kloster in Engelberg
sammelte sie sich mit einem einzigen Brevier und war noch nicht einzugsbereit. Diesmal begleitete
Diurnale 54 im verschonten Albinibau und verrich- sie P. Joseph Kälin als Theologieprofessor. Fast
tete Vesper und Komplet. Am ändern Tag kam drei Jahre später konnten schließlich alle fünf Mön-
P. Benedikt Deuring von einem Ausflug ins Melch- che aus Muri in die Heimat zurückkehren. Inzwi-
tal zurück. Was für ein Gefühl muß es für ihn gewe- schen waren drei der Fratres Priester geworden. Abt Emanuel Crivelli (1700-1749). Vor seiner Wahl zum Vor- Abt Maurus Zingg (1715-1769). Xingg war der drei Jahre jün-
sen sein, als er das Kloster in Schutt und Asche sah Straumeyer, der während den Bauarbeiten in En- steher des Klosters war Crivelli Professor der Philosophie und gere Freund und ehemalige Physikschüler Itens. Er wurde zum
Theologie und als solcher ein wichtiger Lehrer Itens. Als Abt Abt gewählt im Jahr l 749 als Nachfolger Crivcllis. /iiigg sandte
und vernehmen mußte, daß auch fast all seine gelberg geblieben war, erzählt von den Heimkeh- (seit 1731) war er für die außerordentlich frühe Ernennung des Iten als Pfarrer nach A u w i m Freiamt. Bald nach Itens Tod starb
Werke ein Raub der Flammen geworden waren!" rern: «Am 20. Oktober 1733 kehrten unsere 5 Mit- erst 23jährigen Ilen /.um Physikprofessor verantwortlich. Auch auch Maurus Zingg (am 12. Mai 1769).
Abt Maurus Rinderli versammelte darauf die brüder aus Muri wieder zurück, nämlich die Patres Itens Ernennung /.um ersten Kapellmeister 1737 erfolgte durch Öl anl Leinwand, dem Maler Melehioi Wyrseh /uf;esclirielien. im Gastsaal dr-, K l u -
Crivelli. slers KngellKTK. l-'oto Christian Lau/, l'f'aflhauscn
Mönche, um über den Klosterneubau zu beraten. Joseph, Joachim, Eugen, Fridolin und Frater Wolf-
Öl auf Leinwand, anonymer Maler, Gaslsaal des Klosters ICn^i-lhcrg. Foto Christian
Obwohl der Albinibau während des Neubaus allen gang. Sie weilten dort dank einer großen und selte- Lau/, Pfaflliauscn
Mönchen genug Platz geboten hätte, entschied der nen Freigebigkeit von der Zeit des Brandes an im
Vorsteher nach der Beratung, daß sechs Patres und Jahre 1729 bis auf diesen Tag. Sie wurden daselbst
vier Fratres in den Klöstern Muri, Einsiedeln, sehr freundlich, aber mit Bedauern entlassen, weil
St. Gallen und Rheinau inzwischen Unterkunft sie sich die ganze Zeit hindurch in Muri im Ge- ring war nach dem Brand im Kloster Maria Stein ren.»1'0 Und wenn dies vor 1729 galt, so erst recht
erbitten sollten. Dies soll für die Betroffenen ein sänge sehr nützlich erwiesen hatten. Der dortige untergekommen, von dort aber bereits 1732 wieder jetzt, da es an allem fehlte.
schwerer Schlag gewesen sein und sie versuchten Fürstabt Gerold stellte ihnen in Aussicht, sie alle, nach Engelberg zurückgekehrt. Von 1733 bis 1736 Offensichtlich hat Deuring seinen Schüler direkt
zuerst auch, den Abt umzustimmen 56 . Doch dieser wenn sie es wünschten, seinem Kloster einzuverlei- (als Deuring Pfarrer in Auw wurde) weilten nun am Werk unterrichtet und auch zur Mitarbeit beim
blieb fest. So mußte Frater Wolfgang Iten Engel- ben. Gegenüber diesem und anderen Versprechen beide in Engelberg. Und hier galt es ja, das ver- Kopieren der Stimmen veranlaßt. Jedenfalls trifft
berg verlassen. überwog die Liebe zur Heimat und zu Engelberg brannte Kirchenmusikrepertoire neu zu komponie- man Itens Handschrift regelmäßig in Deurings
Zusammen mit den drei ändern Fratres und ihrem und sie eilten, (...) sobald sie die Erlaubnis zur ren. In Maria Stein hatte Deuring wenig kompo- Werken aus jener Zeit an. Nich nur zum regelmäßi-
Lehrer P. Emanuel Crivelli 57 ging's zuerst nach Rückkehr von ihrem Abte erhalten, nach Sins, wo niert. Doch ab 1732 begann wieder eine intensive gen Kompositionsunterricht kommt der inzwi-
Rheinau, wo man aber für sie keinen Platz fand. sie sich einige Tage erholten, und stiegen nachher Kompositionstätigkeit. Schon aus der Zeit vor der schen 21jährige Mönch. Abt Emanuel Crivelli setzt
Die Gruppe zog weiter nach Muri und wurde dort wieder in unsere Berge hinauf.» 59 Feuersbrunst schrieb Straumeyer: «Wenn es also ihn auch in die ersten klösterlichen Ämter ein. Zu-
aufgenommen. Die vier Fratres studierten nun bei Höchstwahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt stu- an dergleichen fehlte (gemeint sind figuraliter kom- nächst wird er zweiter Archivar unter Straumeyer,
Crivelli Philosophie und Theologie. Doch schon dierte Wolfgang Iten bei seinem älteren Mitbruder ponierte Sequenzen vor dem Evangelium), so wur- der seine Chroniken als erster Archivar nieder-
nach knapp zwei Jahren reisten alle Mönche wie- Benedikt Deuring systematisch Komposition. Deu- de nach Kräften gearbeitet, um sie zu komponie- schrieb. Straumeyer rühmt seinen Mitarbeiter, er

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sei unermüdlich im Helfen, beim Sammeln und fertig, die er zum ersten Mal mit seinen Initialen Präzeptor, das heißt Leiter der Schule, wird Pater
Kopieren von Urkunden und Musikalien, so daß er signiert. Es ist eine Mottelapro Festo electionis Reveren- Wolfgang am 31. Mai. Als solcher ist er übrigens
nie müßig sei.'1' dissimi, also auf den Festtag der Abtswahl von Ema- Vorsteher und Lehrer seines jüngeren Bruders
Am 19. Dezember 1733 weiht der Nuntius von Lu- nuel Crivelli komponiert, der am 16. Januar 1731 Maurus Franz Iten, des späteren Kaplans in Un-
zern Iten zum Subdiakon und am 5. März 1735 gewählt worden war und dessen Wahl sich am 16. Ja- terägeri, der in den Jahren 1742 und 1743 an der
zum Diakon. In diesem Jahr beginnt Itens Lehrtä- nuar 1737 zum sechsten Mal jährte. Auch diese Klostcrschule von Engelberg weilt.
tigkeit. Denn am 15. Juli wird er vom Abt zum Pro- Motette ist für Sopran Solo, zwei Violinen, Hörn Als Festprediger wirkt Pater Wolfgang am 4. Okto-
fessor der Physik ernannt, und zwar eigens dazu, und Orgel komponiert und steht in der gleichen ber 1743 bei den Kapuzinern in Stans anläßlich des
claß er den jüngeren Mitbruder Maurus Zingg un- Tonart F-Dur wie die beiden bereits genannten Franziskusfestes. Ihnen spendet er noch 6 Maß
terrichten kann, der 1735 von der Stiftsschulc Ein- Werke. Offensichtlich verfügte der Chor über einen Wein. Wieder als ausübender Musiker erscheint er
siedeln als Noviz nach Engelberg kommt, aber das guten Sopransolisten, und im Instrumentarium des im Juni 1744 zusammen mit Frater Leodegar Salz-
Physikstudium in Einsiedeln noch nicht abge- Klosters befanden sich demnach Hörner in F. mann bei einer Primiz in Stans: «cum tubis et cor-
schlossen hat. Zu dieser Ernennung des jungen Doch kommen wir auf Itens Ämter zurück: Zuerst nu», mit Trompeten und Hörn traten sie auf.
Diakons zum Physikprofessor gibt es eine auf- wurde er am 17. Dezember 1735 vom Nuntius in Im gleichen Jahr 1744 wird Iten als Pfarrer von En-
schlußreiche Begebenheit zu berichten. Karl Stad- Luzern zum Priester geweiht. Zuvor hatte Iten von gelberg eingesetzt. Auch wenn anzunehmen ist,
ier schreibt in seiner Biographie, die älteren Patres Papst Klemens XII. eine Dispens vom Weihehin- daß er als Pfarrer in der Schule nicht mehr viel un-
hätten über diese Ernennung gemurrt, da seit Men- dernis des mangelnden Alters gebraucht. 1 ' 3 Denn terrichtete, so geht doch seine kompositorische Tä-
schengedenken dieses Amt noch nie einem Mönch das «kanonische» Alter, das Mindestalter für die tigkeit unvermindert weiter. In den Jahren seines
übergeben wurde, der erst ein junger Diakon war.62 Priesterweihe, beträgt 23 Jahre. Die Dispens er- Pfarramts zwischen 1744 und 1749 entstehen 35
Aber Abt Crivelli als ehemaliger Lehrer Itens reichte Iten am 23. September 1735, und geweiht Kompositionen. Als Pfarrer von Engelberg mußte
kannte dessen außerordentliche Begabung und wurde er schließlich einen Tag vor seinem Geburts- die Weihe der neuen Kirche am 5. September 1745
wußte, wen er zum Professor ernannte. tag, an dem er das kanonische Alter erfüllte. Die für Iten ein doppelt freudiges Ereignis sein: sein
Seit dieser Zeit muß ein besonderes Vertrauensver- Primiz feierte Pater Wolfgang am Neujahrstag Kloster und seine Pfarrgemeinde hatten wieder
hältnis zwischen dem jungen Lehrer Iten und dem 1736 «zu Weil oder Unterägeri» zusammen mit ei- eine stattliche Kirche.
nur drei Jahre jüngeren Schüler und späteren Abt ner Delegation aus Engelberg, wie das Pfarrbuch Der Tag der Weihe war ein großer Tag. Von nie-
Maurus Zingg geherrscht haben. Immer wieder von Engelberg berichtet 64 . Der Grund dafür war, mandem sind wir so gut darüber unterrichtet wie
wird Iten als sein Vertrauensmann in Erscheinung daß die Klosterkirche von Engelberg immer noch von Pater Wolfgang selbst, der auf Anraten des
treten. im Bau begriffen war. Im Herbst 1737 war das neue Junkers Franz Joseph Leonti Meyer von Schauen-
In das gleiche Jahr 1735 fällt Deurings Ernennung Kloster einzugsbereit. Iten, dem nach der Priester- see ein Tagebuch der Festlichkeiten verfaßte. 68
zum Pfarrer von Auw. Im April 1736 reist er dort- weihe alle klösterlichen Ämter offenstanden, wird Meyer von Schauensee, der weit in Italien gereiste
hin und aus dieser Zeit stammen Itens erste Kom- von Straumeyer am 25. Oktober, als man den Ein- Luzerner Komponist und acht Jahre jüngere Zeit-
positionen: ein Alma Redemptoris Mater für Sopran zug ins neue Kloster berät, als Professor der Philo- genosse Itens, nahm an der Kirchweihe im Gefolge
Solo, zwei Violinen, zwei Hörner und Orgel, been- sophie erwähnt.''5 Als solcher hatte er die Fratres zu Das Innere der der neuen Klosterkirche von Engelberg, die nach des Nuntius teil und spielte-als bekannter Orgel-
det am 6. Dezember 1735, zwei Wochen nach der unterrichten und für diesen Unterricht verfaßte er dem Brand von l 729 gebaut und am 5. September 1745 geweiht virtuose - während den Gottesdiensten die Orgel.
wurde. In diesem Raum erklangen die Werke P. Wollgang Itens.
Ernennung Deurings /.um Pfarrer von Auw. Iten eine Logica minor1'1', die er ein Jahr später abschließt. Auf der Fotografie ist die Kirche in ihrem ursprünglichen
Bei diesem Zusammentreffen mit dem später viel
hat das Stück noch nicht signiert, aber es ist eindeu- Am 27. Oktober 1737 können die Konventualcn ins Zustand zu sehen (vor der Renovation und der Bemalung der berühmteren Kollegen 09 entstand der freund-
tig in seiner Handschrift verfaßt. (Die Solostimme neue Kloster einziehen. Am gleichen Tag wird Pa- Decke durch M. Paul von Deschwanden i m j a h r 1877). schaftliche Kontakt, der 1748 zur Umarbeitung der
dürfte von einem Scholaren des Chors gesungen ter Wollgang auch zum Professor der Rhetorik und italienischen Texte für 40 Arien Meyers in latei-
worden sein.) Fast ein Jahr später, zur Profeß sei- zum ersten Kapellmeister ernannt. nisch-kirchliche Poesie durch Pater Wolfgang Iten
nes Schülers Maurus Zingg komponiert Iten eine Auch als Theologe und Philosoph bleibt er aktiv: führte. 70
Molleta pro omni Tempore, «Facta in Professionen! am 30. Juni 1742 nimmt er an der Jesuitenschule in Im Jahre 1746 wurden die beiden Freunde Iten und
Mauri Zingg et Nicolai Beüttler», für Sopran Solo,
Der vielseitige Komponist Luzern an einer theologischen Disputation teil. Am Maurus Zingg in hohe Ämter berufen. Der Abt er-
zwei Violinen, Hörn, Violone (Kontrabaß) und Im neuen Kloster entfaltet Iten eine rege Tätigkeit 11. August wirkt er als Trompeter bei einer feierli- nannte Zingg zum Prior und Iten zum Subprior.
Orgel, beendet am 24. November 1736, einen Tag auf allen Gebieten.1'7 Im April 1741 wird er Pro- chen Messe in Stans mit. Zusammen mit Maurus Drei Jahre später starb Abt Emanuel Crivelli, am
vor dem Ereignis, an dem die Komposition aufge- fessor der Moral und Musiklehrer an der Schule; Zingg vertritt er das Kloster am 23. Februar 1743, 4. September 1749. Iten erhielt von Prior Maurus
führt wurde. Schon bald darauf, am 13. Januar im Juni auch Direktor chori, also Chorleiter der am schmutzigen Donnerstag, beim großen Rat in den Auftrag, den Nuntius in Luzern persönlich zu
1737, wird Iten mit einer weiteren Komposition Scholaren. Stans. informieren und ihn zur Neuwahl einzuladen. Auf

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Wunsch des Nuntius mußte Iten nach Einsicdeln er seinen Subprior zum Pfarrer von Auw. Im Juni
weiterreiten, um auch den dortigen Abt einzula- 1754 kam Iten dort an. Der Auwer Handel ging
den. Am 23. September wurde Itens Freund Mau- dann ein Jahr später mit einer «Amicabilis Compo-
rus Zingg zum Abt gewählt. Zur Abtsweihe durch sitio», mit einer friedlichen Beilegung aus, die aber
den Bischof von Chur am 1. November ließ er sich für das Kloster eine große finanzielle Belastung be-
nur von Iten begleiten. 71 deutet habe. 72
Als Abt war Maurus Zingg kaum glücklich. In sei- In Auw begegnet uns Iten als Dichter. Auch als sol-
ne Amtszeit fiel ein großer wirtschaftlicher Rück- cher steht er in einer klösterlichen Tradition. Das
gang des Klosters. Mit ein Grund dafür war der geistliche Drama kam von der Luzerner Jesuiten-
Rechtshandel in den Jahren 1753 und 1754 mit den bühne nach Engelberg. Hier war es im 17. Jahr-
Pfarrgenossen von Auw im Freiamt. Seit 1422 be- hundert ein Pater Athanas ä Castanea, ein ehema-
T 1
saß das Kloster das Besetzungsrecht an der Pfarr- liger Jesuitenschüler in Luzern, der mit Engelber- l !T 1 ] , 1 1^^ l >»
kirche Sins, und ebenso an jenen von Auw und Abt- ger Klosterschülern geistliche Dramen einstudierte - fr- <p-..t...4s.t.f\
wil, nachdem sich diese von der Mutterkirche ge- und darin deutsche Szenen und Lieder einstreute. 73
löst hatten. Nun verlangte Auw von Engelberg die Ebenfalls wurde in Engelberg das Volksspiel im «= «tt. pp
Herausgabe des Pfrundbriefes. Dienste der Seelsorge gepflegt. So wurde zum Bei-
Vielleicht weil Abt Maurus jetzt einen vertrauten spiel 1663 an Stelle der Fastenpredigt ein Armen-
und zuverlässigen Vertreter nach Auw senden Seelen-Spiel aufgeführt, das die Sünder zur Buße -1)—1-
wollte, der seine Sache nötigenfalls im Rechtshan- bewegen und in ihnen Mitleid mit den armen See-
del entschieden hätte verfechten können, ernannte len im Fegfeuer wecken sollte.74 In dieser Tradition

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hat Iten als Pfarrer von Auw ein Trauerspiel ver- Seite 96: Titelblatt und erste Seite
faßt und es im Dienste der Seelsorge am Karfreitag des Auwer Passionsspiels von Itens Hand
Cod. 294, Stiftsbibliollirk Kngelbcrg
1757 in der Pfarrkirche von Auw mit seinen Gläubi- Folo Christian I,;in/, ITiifllmustiri
gen aufgeführt. Der sprechende Titel lautet: «Un-
sers Heylands Jesu / Christi bitteren Leidens und / Ausschnitt aus dem Licdblatt, welches ins Auwer Spiel eingelegt
Sterbens lebhaft und anmuthige Vor- / Stellung in ist. Die Melodie des Prologs steht aufden ersten zwei Linien. Ein
?•-/*•" r* diesem geistlichen Trauerspiel / Zu mehrerer Be- einfacher, volkslicdhafter Gesang in G-Dur, im Sopranschlüssel
notiert. Es ist nur der Text der ersten Strophe «Gott hat nach sei-
herzigung der von unserem / Heyland ausgestan- ner Art» ausgeschrieben. Die übrigen Strophen werden auf die
denen Schmerzen und / bitteren Todt auf den heili- gleiche Melodie gesungen.
gen / Karfreytag / Gehalten in der Pfarrkirche zu Darunter beginnt auf der dritten Linie die Melodie zum Text
Auw / A2 1757 den 8.'™ April / Verfasset nach dem «Waß sich ich drcymal großer Gott». Dies ist ein fünfstrophigcr
Gesang des Engels im siebten Auftritt, der Gefangennahme
^. .„^ W- ?;»<
4. Evangelisten [Johannes] / von R. P. Wolffg. Christi. Wieder ist nur eine Textslrophe notiert.
Itten in Auw». 75 Loses Blalt im Cod. 294, Sliüsbibliotlu-k Kn g. Folo Christian I.an/., ITallliausc-M
Dieses Trauerspiel (ür die Pfarrgemeinde von Auw
durchsetzte Iten mit kurzen mehrstrophigen Lie-
dern in schlichtem Volkston. Glücklicherweise be-
findet sich im Codex 294, der den Text des Dramas Schulmeister behilflich war. Dieser kritzelte dort
in Itens eigener Niederschrift enthält, auch ein lose die Bemerkung hin: «Diß seind die Stimmen der
eingelegtes Blatt mit den entsprechenden Melo- Comce:[diae] Liederen, so gehalten worden allhier
dien. Diese wurden allerdings nicht von Iten selbst zu Auw am Hl. Karfreytag deß 1757. Jahrs, wie /
notiert. Aus einer Notiz auf der Rückseite des auch am Palm Sontag, und Dinstag darvor. Von
Stimmblattes geht hervor, daß ihm dabei der Dorf- mir geschriben Joseph Brunner. Schulmfeister].»

96 97
Es soll hier nicht vom Dichter Iten die Rede sein, Athanas a Castanea mit den Schülern von Engel- sah es mit der Widmung «Aufdas hohe Namensfest In diesen Werken, von denen es bei Iten eine ganze
ohne daß nicht wenigstens einige Zeilen von seiner berg eingeschlagen hatte; oder auch so, wie es Iten der Hochwürdigen Gnädigen Frauen Sr. Maria Reihe von Glückwünschen über Neujahrslieder
Hand geboten werden. Der Prolog des Engels, der seit Pfarrer Haslers Spielen für das Volk von Ägeri Scholastica». Es ist ein Rezitativ («O Wachet auf») bis zu Fastnachtsliedern, Quodlibets und Tafelge-
als Eröflhungslied gesungen wurde, beginnt mit in Erinnerung hatte (falls er sie als Jugendlicher mit anschließendem Chor («Ja, ja, ja mit Freu- sängen gibt, kommt Itens leichte Art und ein hu-
den Strophen: miterlebte). den»), für vierstimmigen gemischten Chor, 2 Violi- morvoller Zug zum Vorschein. So läßt er etwa im
nen und Kontrabaß. Und auch ein Jahr später ver- A,B,C, Italicum, id est Sonaten Tres Styli recentioris
Gott hat nach seiner Art und Weiß Um eine Vorstellung von Itens Engelberger Pas- gaß er nicht ihren Namenstag. Jetzt widmete er ihr Italid80 (für zwei Soprane, Alt, Baß, zwei Violinen
aus Lieb die nie thut schlafen, sion zu geben, seien hier ebenfalls die ersten zwei einen Einstimmend Musikalischen Ehrenschall und Kontrabaß) ein Fastnachtsungeheuer auftre-
den Menschen dort im Paradeys Strophen des Prologs zitiert. Hier sind die Spielan- («Komm zu eilen»), für die gleiche Besetzung kom- ten, das die Nonnen von Sarnen zum Namenstags-
zu disem Zihl erschaffen, weisungen lateinisch und beschreiben eine panto- poniert und mit der Widmung verschen: «Aufdas glückwunsch an ihre Äbtissin Scholastika aufruft.
daß er durch Haltung der Gebot mimische Darstellung der vom «Genius» im «Pro- hohe Namensfest der hochwürdigen gnädigen Die erste Strophe des Chores lautet:
und Achtung der Gesätzen logus Cantans» gesungenen Begebenheiten. Die Frauen Frau Scholastica, würdigsten Frau Äbtissin
A,B,C, Jetz habt Ihr Sungheür gsee,
die Stell der bösen Engel Rott wenigen Varianten im Text deuten auf den hohen des hochlobwürdigen Gottshaus S. Andreas zu Sar-
es hat müessen auf den Platz,
nach Jahren soll ersetzen. Grad der Allegorisierung in dieser gelehrten Pas- nen». Gleichzeitig entstand auch ein geistliches
daß Man sech die faule Katz,
sion hin. Amarillis steht für Eva, aber auch für die Werk zu dieser Gelegenheit, ein Offertorium Solemne
Waß nur daß Hertz ergötzen könt, A,B,C, Jetz habt Ihr Sungheür gsee.
Schwäche der Menschheit: Pro Festo Almae Virginis Scholasticae, für vierstimmig
waß Lust und Freud könt machen,
gemischten Chor, zwei Violinen und Orgel, ver- Halt Unruhe gemacht
von Gott dem Menschen ward vergönt Gott hat nach seiner Art und Weiß
mutlich auch für Sarnen. 79 bey Tag unt bey Nacht
vil Tausent herrlich Sachen: auß Lieb, die nie thut schlafen
~ ""V drumb halt es jetz müessen
Ein Baum und Frucht nur war allein, die Amarill im Paradeys zu disem Zihl erschaffen,
auch machen Fastnacht.
so Gott ihm that versagen daß sy durch Häutung der Gebott
und zwar bey schwehrer Todtes pejn und Achtung der Gesätzen Die letzte Strophe dieser Verse (die in der Verto-
wan er daran wurd nagen. die Stell der bösen Engel Rott nung weniger holprig klingen, da die Melodie nach
nach Jahren sollt ersetzen. der ersten Strophenhälfte einen Taktwechsel vom
Vermutlich ebenfalls von Iten liegt in Engelberg
4er zum 3er Takt macht) lautet dann:
noch ein weiteres, ganz anders geartetes Pas- Waß nur ihr Hertz ergötzen könt
sionsspiel. 70 Nachdem anhand der Schrift und auf- waß Lust, und Freud könt machen X,Y,Z, wanß nur gefallen hält
grund von Vergleichen mit dem signierten Spiel ward Amarill alldort vergönt waß wir kürtzlich nun gespihlt,
von Auw die Autorschaft Iten zugeschrieben wer- vill Tausent herrlich Sachen war der Willen schon erfüllt,
den konnte 77 , charakterisierte Eberle die beiden Ein Baum, und Frucht nur war allein X,Y,Z, wanß nur gefallen hält.
Spiele treffend: «Die Engelberger Passion zeigt die so man ihr that versagen
Den Willen Man acht,
höchstmögliche Versinnbildlichung der Handlung Unt zwar bey schwehrer Todtespeyn
unt Meinung betracht
und ist damit ein Ende barocker Spielentwicklung. wan sy daran wurd nagen.
Die Fehler, so gschehen,
Itens zweites Passionsspiel geht wieder auf die Man weniger acht.
Grunderzählung der Bibel zurück. Das ist begreif- Zu Beginn seines Amtes als Pfarrer von Auw kam
lich. Die sinnbildliche Passion war (ürs Kloster Iten kaum mehr zum Komponieren. Jedenfalls lie- Im Dezember 1759 wird der inzwischen 47jährigc
bestimmt, die biblische Passion für das Volk der gen zwischen März 1754 (als er noch ein Duetto pro Pater Wolfgang Iten zum Pfarrer und Ökonom in
Pfarrei Auw. Dort schwere gotteswissenschaftliche omni Ternpore für Sopran, Baß, zwei Violinen und Sins berufen, in der Nachbargemeinde von Auw.
Fragen im Drama, hier ein einfaches Nachspielen Orgel abschloß) und September 1755 (als er ein
der biblischen Vorgänge. Dort geistliche Erbauung Ojfertorium Solemne für zwei Sopranstimmen, Alt
Das Titelblatt des «A,B,C, Italicum» von Ilcns Hand. Die Wid-
einer gelehrten Spielgemeinde, hier Erschütterung und Baß beendete) keine datierten Werke vor. mung lautet «Ad usum D.(?)[omini] R.[evcrendissimi] P.[atrisJ
des neuerwachten bäuerlichen Bürgertums. Dort Doch dann setzte er seine Arbeit als Komponist Grcgorij Zwißsieni». Gemeint ist damit Itens älterer Mitbrudcr
letzte Form, hier Neubeginn im engsten Anschluß wieder regelmäßig fort. Von den Werken jener Zeit P. Gregorius Zwissieni (1700-1767), der zuvor in Engelberg
an die Quelle.» 78 seien an dieser Stelle auch einmal Itens weltliche Prior und Pfarrer war, dann in Sins das Pfarramt versah, von wo
er als Beichtiger ins l'raucnkloster St. Andreas kam. Ihm ließ
Im Passionsspiel von Auw gelang Iten eine Verbin- Kompositionen erwähnt. Ende Januar des Jahres
Iten diesen musikalischen Glückwunsch für die Äbtissin von
dung des geistlichen Dramas aus der Jesuitentracli- 1756 verfaßte er einen Musikalisch-Poetischen Glück- Sarnen zukommen. Das Manuskript kam 1977 von Sarnen nach
tion mit dem Volksspiel: in der Richtung, die hun- wunsch für die Äbtissin des Klosters St. Andreas in
n \-\
MuilkbMothU-.i
Engelberg zurück.
dert Jahre vor ihm der Engelberger Mönch Pater Sarnen, für Maria Scholastika von Buren, und ver- -"S» E02, 109. Koto Christian l.an/, l'laHliauscn

99
Dies kam einer Beförderung gleich, war doch Sins einem Doktor Adam Stulz und bei einem Chirur-
die Mutterpfarrei der Engelberger Besitzungen im gen Viktor Alois Businger in Stans, und schon am
Freiamt. Überhaupt galt Sins als die schönste und 5. August 1742 war er in Behandlung beim Chirurgus
beste Expositur des Klosters. Noch heute kann Clnntu Bodenmüller in Einsiedeln. Vielleicht als eine Art
man dort das barocke ehemalige Ökonomiegebäu- Rekonvaleszenz wurde ihm 1740 und nochmals
de sehen, in dessen hohem Dachstock das Getreide f in> if: ,r 'i'l':<,t '
1742 vom Abt eine Vakanz, also Ferien, gewährt. 85
1.* Ci>mMi*nfn}i vfa-Hft'etlnt —
fürs Kloster eingelagert wurde. Die Besitzungen im catiiL ptutinuLilt fftia-'
Freiamt waren so etwas wie die Kornkammern En- Überaus wohlwollend hat Karl Stadier den Men-
gelbergs. Der dortige Pfarrer war zumeist auch der schen Wolfgang Iten unter dem Motto «Hie sem- f *
Vertrauensmann des jeweiligen Abtes. Durchwegs
sollen auf diesem Posten darum Mönche gewesen
sein, die vorher und nachher im Kloster die wich- nbo iiAttlö ffil.lß.S&i*
Jm»..

fium.aninuin- ft'fte La tum-.frl'illyj tarn


per sibi similis» (Immer sich selber gleich) gezeich-
net: «(...) in ihm leuchtete eine außerordentliche
Schärfe des Geistes, eine unglaubliche wissen-
IT/j
Tlfmi tun. in- J'cfifClL. tn^t fftLfftiij'l dtfiinttilS *4tffntcm- tlnflfi <•«/"-'
tigsten Ämter innehatten, die Prior, Subprior, schaftliche Vielseitigkeit hervor und, was ihn be-
Ad' did.pt, ef&ttoipi t<ft«ci,uo nt'ini- 7>l>-i XfvatictL n*jifctip.
Ökonom oder Pfarrer der Gemeinde Engelberg sonders vor ändern auszeichnete, eine wunderbare
waren 81 , und nicht anders war es im Falle Pater PL. f.
etc <Lo.Jefi.uatii <*»'
Ctnanuet&n^.ytflftea-
Leichtigkeit, sich in Wort und Schrift auszudrük-
Wolfgangs. Wiederum tritt während und unmittel- tQWlinu* Jtfitrurfium-una. cum- &. &l Jitfißtnt .et itfift ttiflt
ken. Dazu kam, daß er all diese vorzüglichen Ta-
bar nach der Amtsübernahme das Komponieren in titüiiJ Qtntnpipulil ,*t ntnbtm ,uti *ipifkn.pttiUljttiiUt t
lente nicht zu eitlem Schein und Ruhm benutzte, Der nachträgliche Registratur- Vermerk auf dem späteren
den Hintergrund. Zwischen März 1759 und Okto- .>,i,l,t.- :./,,,,,- CL> (Uttiman- Jtttimi ijtSttij Pfuinutfit a l/ftiltf sondern zu dem, was der Gehorsam und das Wohl Umschlagbogen von Itens Missa. Es ist die Schrift des Einsiedler
der Mitmenschen von ihm. verlangten. Er war so Bibliothekars P. Gall Morel, der 1835 einen Katalog verfaßte
ber 1760 liegt kein datiertes Werk vor. Und von den ojtpfa<e. cutiialto.Jfitfbal*. fi »«•*'*•• ••?<* C>
'~"' hii-tä« fmanutA- (vgl. Anm. 88).
insgesamt nur noch sechs datierten Kompositionen n atfntem eticta , ut jRidi'aiam. fhattita* i'n Mmä Itai'rttt . glücklichen Geistes, daß es ihm ein Spiel war, Ver- Eis. Mb. Th. 199, 36. Foto Grau AG, Zug
bis zu seinem Tod im Jahre 1769 wurden fünf für >t/ignatuf UtSLf.JlfipkutJUUin • .$<* ttctt .tutertft* riffttfi» fm se zu schreiben. Hätte er in seinem späteren Leben
das Kloster St Andreas geschrieben. Im Kloster i tltn-Ml-. jn ttfttttti jiiettnt .ajfte turnen- t* Jftfo pßc^ttntist tintttCo dieses Talent mehr ausgebildet, so würde er ohne
Engelberg wirkte inzwischen auch ein jüngerer Pa- Zweifel den höchsten Preis der Dichtkunst erreicht
Die Missa brevis Solemnis
&'fUti M plimanJite.A> ?iim.. 20. f f l ' i i (tnni i'/fü. fut jftin
ter, Thomas Weber (1730-1803)82 als Komponist, tpi *tlHUn/ij int'llili langem ~)imtjit ,nam. i/ltejuo aitU *MfnA haben; denn in seinem Munde wohnte die Liebens- Das autographe Manuskript der Missa brevis
und Itens viele Werke standen ja dort zur Verfügung. •nie incinpfiaii- i'ftuit-. (l? -f'i** iti'fi/ff ff.ll'tfftanaf ttitfoßau würdigkeit, in seinem Herzen hatten die Werke der Solemnis liegt in der Musikbibliothek des Klosters
Möglicherweise hat auch die Gesundheit und mit , tfit fiUtit. nam. cum. £tt*m.il6 3rW Ptnanitel ßu fffim ^Ijetjp Dichter festen Wohnsitz. (...) Seine Fähigkeiten be- Einsiedeln. 87 Dies ist bisher die einzige Quelle.
ihr die Schaffenskraft Itens allmählich nachgelas- ir inglnium ^«fti'r.« cfyiiam., ittqttL. ajtnli teetetitat"" ft wies er nicht minder als Kapellmeister und erster Allerdings fehlt das originale Titelblatt und mit
sen. Denn bereits im Februar 1762, nach zweijähri- xufititCim.J'anCe ftifyerißit , jH&itmiJ R<jct~ttrriftiJ «''< Jratit't , Chordirektor. Denn als ausgezeichneter Musiker ihm auch Itens Namenszug. Auf dem Papierbogen,
gem Wirken in Sins, kehrte er als Pfarrer nach Auw f- anno IJ'SS. JH en/f J u f t O J. Wpffß&nOHm- a taft— l*nin<itiri- Juni - komponierte er viele Werke, sei es für unsern eige- in dem die Einzelstimmen eingelegt sind, wurde
zurück. Am 15. Januar 1766 - ziemlich genau drei nen Chor, oder für andere Klöster. (...) Seinen Tod von einem späteren Bibliothekar 88 ein handschrift-
Jahre vor seinem Tod - beendet Iten seine letzte beklagten nicht nur seine Mitbrüder und seine licher Vermerk mit Tinte notiert: Missa / 4 Voci. 2
datierte Komposition. Es ist dies wiederum ein Pfarrgemeinde, sondern auch viele Auswärtige; VI. Violone. Clarini. / (Clar. I fehlt / 1739 Sept /
Werk für Engelberg, und zwar für seinen ehemali- Unter dem Titel R.[evercndissimus] P.[ater| Wolfgangus Itten denn er hatte viele Freunde, mit denen er einen re- v. Ithen?
gen Schüler, zugleich für seinen Freund und Vor- verfaßte P. Karl Stadlcrdie Lebcnsgeschichtc Itens. Aufschluß- gen Briefwechsel unterhielt. Wolfgang war so Dieser Titel ist ungenau und wurde wohl lediglich
steher Abt Maurus Zingg. Das Terzelto Arioso seu reich ist gerade darüber der Schluß von Bcnedikt Deurings Vita. reichlich mit angenehmen Eigenschaften ausge- als Klassifizierungsvermerk gebraucht.
An zweitletzter Stelle wird Deurings Kompositionslehre aufge-
Gratulatio Musica Pro Festo ac Die Onomaslico Reveren- zählt: «Ars componendi Musicam». stattet, daß niemand hätte liebenswürdiger sein Doch zuerst zum ausführlichsten Titel auf den Ori-
dissimi Domini Mauri Abbaus83 ist ein nicht liturgi- S. 286 in Cod. 257 des Sliftsarchivs Engclberg; dies ist eine Abschrift von Stadiers können: niemals war er traurig, immer sich selber ginalstimmen. Er befindet sich auf der ersten Seite
Arbeit durch den spiileren P. Konrad Christen. Foto Christian Laiv/, IMallhausen
sches Stück für die Feierlichkeiten des Namensta- gleich; freundlich, dienstfertig und leutselig. Be- der Orgelstimme und lautet Missa brevis Solemnis ä 4
ges. Ein Rezitativ («En fratres») und eine Arie scheiden wie er war, verstand er es, die Würde an- Voci(bus) et 4 Inst: (rumentis) ex D, also: «Kurze feier-
(«Praesul optime») für zwei Sopranstimmen und derer so zu achten und seinem Nächsten gegenüber liche Messe für vier Stimmen und vier Instrumente
einen Baß wird von zwei konzertierenden Violinen, so wohlwollend zu sein, daß er nie einen Knaben in D-Dur».
einer Viola und Kontrabaß begleitet. mit Worten beleidigte und gegen keinen in Wort Die Besetzungsangabe bezeichnet die Chorstim-
Von Itens letzter Zeit als Pfarrer in Auw sind keine Als Todesursache gibt das eingangs zitierte Kapi- oder tun gehässig war. Mit seiner angeborenen men Sopran, Alt, Tenor und Baß und die begleiten-
Einzelheiten berichtet. Er soll als Pfarrer in Sins telbuch «ex Apostemate» an, was vielleicht eine Art menschlichen Wärme zog er die Zuneigung aller den Instrumente: zwei Violinen und zwei Trompe-
und Auw sehr eifrig gewirkt haben und bei der katarrhische Erstickung bedeutet. Seit 1740 muß auf sich, mit seiner großen Intelligenz und außeror- ten. Daß die Mitwirkung der Orgel als General-
Pfarrgemeinde sehr beliebt gewesen sein.84 Der Iten ein Beinleiden gehabt haben, das ihn mehr- dentlich wirksamen Redegabe gewann er jeden der baßinstrument auf der Orgelstimme nicht beson-
Tod ereilte den 56jährigen am S.Januar 1769. fach zu ärztlicher Behandlung nötigte. So etwa bei Gemeinschaft für sich. (...)». (!ü derer Erwähnung bedarf, leuchtet ein. Auch ist sie

100 101
Auf der ersten Seite
der betreffenden
Stimmblätter befin-
den sich die
Bezeichnungen
der Instrumente
am oberen rechten
Rand.
Hier die Original-
bezeichnung
der Trompcten-
instrumentc.
Seltsamerweise ist
das höher liegende
I n s t r u m e n t mit
Tromba I mn und
'~^*+i >>< ^ das tiefere mit
Clarino 2d"
bc/cichnet.
Eis. Mb. Th. 199,36.
Foto Grau AG, Zug

^--r^^

qi _±-±^f--L [. -^_i_
eine stilistische Selbstverständlichkeit. Zur Gene-
ralbaßgruppe gehört in der Barockzeit selbstver-
ständlich auch ein Melodieinstrument in Baßlage,
am häufigsten ein Streichinstrument. Die Violone-
Stimme (Kontrabaß) dieses Meß-Manuskripts
stammt allerdings nicht von Itens Hand und wurde dürfte jeweils unter den wenigen Mönchen 90 kaum
erst später geschrieben. Sie ist aber (mit kleinen, genug Violinisten zur chorischen Besetzung gehabt
unbedeutenden Ausnahmen) eine genaue Kopie haben.
des bezifferten Orgelbasses, also eigentlich eine Eigenartig ist die Bezeichnung der zwei Blasinstru-
ausgeschriebene AufTTihrungspraxis, nichts zusätz- mente in den Stimmen, und damit kommen wir zur
•• r lich «Komponiertes». 89 Notiz auf dem späteren Umschlagblatt. Dort steht
<<: <* k, 1
fejjft'»»!-^
:tzfV^-n-1
r.V " f Von der anzahlmäßigen Besetzung dieser «vier ja, es fehle die Stimme von Clar. I, also von Clarino
b4er.^
V
Tl — -.' j>
»öS^C; — ^VV^^'^Ti^C^
_ »1uj^< * * 1— 4. J -r: i 1 . i | .
-T' Stimmen und vier Instrumente» ist gemäß dem I, von der ersten Trompete. Vielleicht fehlte diese
(T 1
^==* Brauch der Zeit (und gemäß den Mitteln, die zur Stimme tatsächlich zur Zeit dieser Bemerkung,
v^ s-
^fcN
•^ r * at*
' 1 \

T~-fc^gFit
1^ 4»y .'*:r=ä4.
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t ,1 ^rttL \ r«r-^—' 11^— ^ t—— ,
Verfügung standen) anzunehmen, daß der Chor
bei Iten auch tatsächlich chorisch besetzt war und
aber heute ist sie vorhanden. Nur ist sie bezeichnet
mit Tromba I m a , wohingegen die Stimme der zwei-
<r .TT* 'IffagiL- l^-f^-^M•'—-—"-"*
v (T o
A
"v
jj "S rJr )f- .
die Soloaufgaben von einzelnen Chorsängern über- ten Trompete mit Clarino 2do. Beide Ausdrücke
nommen wurden. (Hier meint also die Bezeich- sind italienisch und bedeuten «Trompete». Nur ist
Die erste Seite
nung «4 Stimmen» eigentlich vier Stimmgruppcn ungewöhnlich, daß ausgerechnet die zweite, tiefere
^ »^ »v*' der Orgelstimme in von je etwa drei bis vier Sängern, wobei die hohen Stimme mit jenem Instrument zu spielen sei, wel-
Itens Schrift. Stimmen von Scholaren, von Knaben, gesungen ches als Clarino im 17. und 18. Jahrhundert die
• . .-.»HftStMfR
Die GciuTalbaß/ilfcrn wurden.) Hingegen scheint die Lage bei den Strei- hohe Solotrompete war, und sich durch das engere,
sind über den chern anders gewesen zu sein. Sie waren wohl flache Mundstück von der tieferen Trompete un-
•«-ÄiajüÄ^
Notcnlinicn notiert.
' HIT II II l [»•»•Illl
Eis. Mb. Th. 199,36. in Engelberg in der Regel solistisch besetzt, wie terschied. Wie soll man sich das erklären? Beide
Folo Griiu AG, /.ug dies bei den Bläsern selbstverständlich ist, denn es Stimmen liegen in der Messe im großen ganzen in

102 103
der gleichen Lage, die zweite Stimme oft nur eine Die zweite Seite der Orgelstimme zeigt sehr schön, wie sie dem
Terz unter der ersten. Wollte der Komponist tat- Organisten als Direktionsstimme diente. Die Buchstaben
C., T. und A über dem Schluß der zweiten Notenlinie bezeich-
sächlich die tiefere Stimme mit einem höheren In- nen zum Beispiel die verschobenen Einsätze der Stimmen Sopran
strument gespielt haben? Hat er die Termini ver- (C.[anto]), Tenor (T.fenore]) und Alt (A[lto]) im fünften und
wechselt, oder bedeuteten ihm beide einfach sechsten Takt des Gloria. Der Einsatz der Baß-Stimme und zu-
«Trompete»? gleich der beiden Trompeten und Violinen ist bei Takt 7 mit «tt»
(=Tutti) bezeichnet (erkennbar unter dem «i» der Textmarke
Bei einer heutigen Aufführung scheint es jedenfalls «Gloria»).
ratsam, beide Stimmen mit einer kleinen Trompete Die schwach sichtbaren Taklzahlen (z.B. «39» am Schluß des
Kyrie, unter dem letzten Takt der ersten Notenlinie) wurden
j^V**^ ,/v
in D zu spielen. rp^jr .-T^px—
vermutlich bei Proben eingetragen. Überdies sind deutlich Ge-
brauchsspuren an allen Stimmblättern festzustellen. 5
Die Datierung im nachträglichen Titelvermerk ist
Eis. Mb. Th. 199, 36. Folo Grau AG, Zug
irreführend. Auf den originalen Stimmblättern
steht am Schluß deutlich das Datum 2cl" Febr 1739.
Die Komposition wurde also am 2. Februar abge-
schlossen. Auch die später geschriebene Violone-
Stimme ist datiert (wenn auch nicht sehr gut leser-
lich): 29. (?) N(ovem)ber 1740.

Und nun zur letzten Zeile des Umschlagblattes:


v. Ithen? Stammt diese Messe wirklich von Pater
Wolfgang Iten? Um es gleich vorwegzunehmen:
alles spricht dafür. Und wenn der ursprüngliche Erste Violine, zweite Seite.
Titelumschlag nicht verloren gegangen wäre, gäbe Die Streichungen am Ende der zweiten
und zu Beginn der fünften Linie des Gloria
es darüber vermutlich keinen Zweifel mehr, weil zeigen, daß es sich um Korrekturen handelt,
darauf Itens Name stehen würde. Doch diese These die vermutlich beim Erstellen der Reinschrift
will erläutert sein. Zunächst zu den Äußerlichkei- nötig wurden.
ten: alle Stimmen (außer der Violone) sind von Eis. Mb. Th. 199, 36. FoCo Grau AG, Zug

Itens Hand. Dies geht aus eingehenden Verglei-


chen mit einer großen Anzahl von Kompositionen
hervor, die Iten mit vollem Namenszug signierte.
(Seine Handschrift ist übrigens durch manche Be- vordringlichsten Aufgaben des Kapellmeisters ge- rungsmaterial. Dabei ist jeweils die Generalbaß-
lege, bis hin zum Verkündrodel im Pfarrarchiv zu worden sein. Deuring hatte noch 1735 gleich zwölf Stimme (hier die Orgel) als Direktionsstimme no-
Sins und zum Taufbuch von Auw, eindeutig kurze Messen zu 2, 3 und 4 Stimmen ohne Instru- tiert, auf der die Einsätze der ändern Instrumente
identifizierbar 91 . Auch das Papierformat deckt sich mente komponiert 92 . Aber eine feierliche Messe und Stimmen durch Abkürzungen bezeichnet sind.
mit jenem, welches Iten zum Beispiel für feierliche mit Instrumenten gab es vom Hauskomponisten So ist es auch bei der Messe.
Offertorien in vergleichbarer Besetzung häufig ver- nicht. Es ist nun denkbar, daß Iten schon bald nach
Die Stimmen weisen nur wenige Korrekturen auf.
wendete. Ebenfalls sind die Notationsgewohnhei- der Ernennung zum Kapellmeister sich mit dem
Meistens handelt es sich dabei um ganze Takte, die
ten bis in Details genau die gleichen, wie in gesi- Gedanken einer Meßkomposition befaßte. Und cla
gleich während der Reinschrift wieder mit Tinte
cherten Werken Itens. Dazu kommen die stilisti- es sich bei diesem Werk doch um eine größere
durchgestrichen und neu geschrieben wurden, also
schen Ähnlichkeiten. Arbeit mit fünf Sätzen von insgesamt 487 kompo-
um Korrekturen, die vermutlich durch Fehler beim
Wie muß man sich nun aber die Entstehung dieser nierten Takten handelt, dürfte Iten in der zweiten
Abschreiben von einem Entwurf notwendig wur-
Messe denken und wie kam sie nach Einsiedeln? Jahreshälfte 1738 damit begonnen haben. Von
den.
Nach Itens Ernennung zum Kapellmeister am Itens Arbeitsvorgang beim Komponieren läßt sich
27. Oktober 1737 muß es offiziell seine Aufgabe ge- übrigens nichts Genaues sagen. Von keinem seiner Von einer Messe ist anzunehmen, daß der Chor
wesen sein, seit dem Brand fehlende Kirchenmusik Werke sind Skizzen oder Konzepte, Particelle oder und die Instrumentalisten sich etwas mehr Zeit
neu zu komponieren. Da damals auch viele Messen ganze Partituren vorhanden, sondern lediglich die nahmen für die Einstudierung als etwa bei jenen
verbrannten, dürfte eine neue Messe gar eine der ins Reine geschriebenen Stimmen, also das Auffüh- kürzeren Werken für die Profeß von Maurus Zingg

104 105
oder für Abt Crivelli. Diese Werke lagen erst einen sehen den Klöstern Kompositionen und Auffüh- Schluß des Christe lautet: Kyrie si placet Da Capo. Gehen wir die Messe kurz durch: Der erste Kyrie-
Tag, beziehungsweise drei Tage vor der Auffüh- rungsmaterial hin und her gingen. Der Normal- (Das Da Capo allerdings wegzulassen, wäre nicht Teil wird vom Tutti gespielt, und zwar in Form
rung bereit (vgl. Kapitel 4). Bei der Messe dürfte fall dürfte gewesen sein, entweder daß die jeweils nur liturgisch unrichtig, sondern auch musikalisch einer Adagio-Einleitung. Zuerst intoniert der volle
das anders gewesen sein. Für die Bestimmung der gewünschten oder geschenkten Werke kopiert unsinnig. Das Christe steht nämlich harmonisch in Chor, den man auch Ripieno nennt, nur vom Gene-
Missa brevis Solemnis, falls sie überhaupt auf ein wurden oder daß Unikate nach Gebrauch an den der parallelen Molltonart h-Moll, und die Kompo- ralbaß begleitet; erst dann setzen die übrigen In-
bestimmtes liturgisches Fest hin komponiert wur- Ursprungsort zurückgingen. sition findet ihr Gleichgewicht und ihre Abrun- strumente ein, nacheinander die Violinen und die
de, fällt deshalb wohl Maria Lichtmeß 1739 weg, Daß hingegen eine ganze Messe nicht kopiert wur- dung erst, wenn wieder das D-Dur des Beginns er- Trompeten. Im anschließenden Allegro wechseln
da für die Einstudierung keine Zeit geblieben wäre de, hing vielleicht mit dem Arbeitsaufwand zusam- reicht ist.) Am deutlichsten «brevis» ist Itens Mes- sich bereits Ripieno- und Solo-Stellen des Chores
(?). Vielleicht wurde sie an Ostern jenes Jahres in men. Aus der Datierung der Violonestimme (No- se durch den Umstand, daß die Vertonung des Be- konzertierend ab, dazwischen übernehmen die In-
Engelberg zum ersten Mal aufgeführt. Auf jeden vember 1740) durch den Einsiedler Schreiber kann nedrctus fehlt. Nach dem «Hosanna in excelsis» des strumente tänzerisch bewegte Zwischenspiele.
Fall aber ist anzunehmen, daß die Messe tatsäch- man ersehen, daß die Messe schon bald nach ihrer Sanctus steht in den Stimmen ein deutlicher Dop- Man fühlt sich nicht wesentlich anders als in einem
lich aufgeführt worden ist. Direkte Spuren solcher Entstehung und (vermuteten) Engelberger Auffüh- pelstrich, und ohne Auslassung beginnt gleich auf barocken Concerto grosso. Die Großform des Kyrie
Aufführungen könnten die Taktzahlen sein, die rung auch in Einsiedeln aufgeführt wurde. Wahr- den nächsten Notenlinien das Agnus. Daraus läßt ist dreiteilig: das Christe in der Mitte wird als
sich in den Originalstimmen bei größeren Ab- scheinlich brachte Iten die Messe selbst dorthin, sich mit großer Sicherheit schließen, daß die Messe Sopranarie (Largo) im parallelen h-Moll vertont.
schnitten unter den Notenlinien finden und ver- denn er soll 1740 in Einsiedeln zur Kur gewesen nicht etwa unvollständig geblieben wäre und allen- Das Solo verbreitet im Zwiegespräch mit den Violi-
mutlich nach der Reinschrift eingetragen wurden. sein.98 Warum dann allerdings das Manuskript in falls später noch hätte ein Benedictus eingefügt nen, die hier fast ausschließlich im Unisono spie-
Überdies weisen alle Stimmen eindeutige Ge- Einsiedeln geblieben wäre ist schleierhaft. Viel- werden sollen, sondern daß es bewußt ausgelassen len, eine schlichte, verhaltene Eindringlichkeit.
brauchsspuren auf. leicht ging es auch mehrmals hin und her und blieb ist und dem Priester überlassen bleibt.
Und wie kam die Messe nach Einsiedeln? Iten nach dem Tod Itens in Einsiedeln. Oder es kam Solemnis ist sie in der Besetzung: die Trompeten wa- Das Gloria setzt als froher Jubel mit brillanten
selbst weilte mehrere Male in Einsiedeln, entweder erst später dorthin, bevor Pater Gall Morel 1835 ren ja in Engelberg den hohen Festen vorbehalten. instrumentalen Sechzehntelfiguren ein, die vier
in Behandlung beim Chirurgen Bodenmüller oder seinen Katalog erstellte. 99 Daß sie in Itens Messe ohne die Pauke erscheinen, Takte später von den Sängern nachgeahmt werden.
zur Kur. 93 Selbstverständlich ist anzunehmen, daß ist wohl bloß dem Umstand zuzuschreiben, daß es Nach dem Vivace bis «Glorificamus te» folgt ein
er bei diesen Gelegenheilen jeweils im Kloster Zum Stil der Messe damals im Kloster Engelberg keine solche gab. In Largo «Gratias agimus» ohne Trompeten, das zu-
wohnte. Iten war es auch, der auf Geheiß des Nun- Der Titel Missa brevis Solemnis mag auf den ersten keinem Werk der Engelberger Komponisten im 18. erst als Duo zwischen Sopran und Baß, dann Tenor
tius den Abt von Einsiedeln vom Tod Emanuel Cri- Blick widersprüchlich und ungewohnt sein. Aber Jahrhundert erscheint eine Pauke. 101 Aber auch so und Baß und schließlich Sopran und Alt gebaut ist,
vcllis in Kenntnis setzte. Iten hatte also persönliche beides ist für das 18. Jahrhundert nicht der Fall. entspricht das kleine Orchester mit zwei Violinen bis der ganze Chor in getragenem, homophonem
Kontakte zu Einsiedeln, wo er übrigens als Kind Mit der Bezeichnung Missa brevis ist seit dem und zwei Trompeten durchaus den Anforderungen Satz schließt. Der letzte Teil, das Allegro bei «Qui
gefirm t worden war.94 Auch darf man nicht verges- 16. Jahrhundert eine kurze Messe, in gedrängter einer damaligen Solemnis. Auch in Rathgebers be- tollis», wird zusammen mit den Trompeten eröff-
sen, daß sein Freund Maurus Zingg als Schüler von Fassung gemeint. Der Ausdruck brevis sagt aber reits erwähnter Messe op. 19 Nr. l sind die Pauken net. Wieder ist es ein leicht und festlich dahineilen-
Einsiedeln nach Engelberg gekommen war. über die stimmliche und instrumentale Besetzung «ad libitum» notiert. Und hier dürfte es nicht zu- der Satz. Bei «Altissimus» landet der Sopran auf
In Einsiedeln werden nebst der Messe weitere 31 nichts aus. Hingegen ist die Bezeichnung Missa so- letzt auch der Drucker Lotter in Augsburg gewesen dem höchsten Ton a", auf dem zuvor auch das «tu»
Kompositionen Itens aufbewahrt 95 , von denen der lemnis seit dem 18. Jahrhundert üblich und meint sein, der an alle Land- und kleineren Stadtkirchen gesungen wurde: Du allein der Höchste. Eine leicht
größte Teil durch Iten selbst kopiert wurde. Zum eine feierliche, festliche Meßvertonung mit stark dachte, in denen keine Pauken vorhanden waren. verständliche, naheliegende musikalische Ausdeu-
Beispiel die Motteta de Sponsojesu vom 28. Oktober instrumental geprägtem Ausdruck, üblicherweise Bei ihm, wo überhaupt der größte Anteil von Mes- tung des Textes, wie sie bei Iten die Regel ist. Nach
1739. Von ihr existiert ein Autograph in Engelberg mit Orchester, Trompeten und Pauken. lüü Somit sen im 18. Jahrhundert in Deutschland gedruckt dieser Stelle setzt ein viertaktiges Adagio auf «Jesu
mit vollständigem Titelblatt, Datum und von Iten trifft der Titel Missa brevis Solemnis auf unsere wurden, kamen übrigens auch Sammelwerke mit Christe» eine Zäsur.
signiert. 96 Auch das Einsiedler Exemplar 97 des glei- Messe genau zu, denn: sogenannten Missae breves et sollemnes vor.10'^
chen Stücks stammt von Itens Hand. Iten dürfte es Der Stil, in dem Itens Messe komponiert ist, läßt Was in diesem Adagio harmonisch geschieht, ist im
zum Gebrauch für das Kloster Einsiedeln kopiert Brevis ist sie in ihrer Ausdehnung: ihre Auffüh- sich mit dem zeitgenössischen Theoretiker Johann konstanten D-Dur-Umfeld bereits auffällig. Iten
und dorthin mitgebracht oder geschickt haben. Auf rungsdauer dürfte jene 45 Minuten nicht über- Joseph Fux als «vermischter Stil» bezeichnen. In weicht in die Variante d-Moll aus, wo er die Stim-
diesem kopierten Autograph fehlen aber sowohl schreiten, die Jahrzehnte später auf Geheiß des Bi- der berühmten Schrift Gradus adParnassum von 1725 men über eine sechste Stufe in Grundstellung auf
Itens Namenszug, wie auch ein Datum. Der Titel- schofs von Salzburg die oberste Norm für seine gan- charakterisierte Fux diesen «Stylus mixtus» so, daß die Dominante führt. Da auch diese Dominante in
umschlag ist nicht beschrieben. Vermutlich ist ze Meßfeier inklusive Mozarts Missae breves wer- in ihm «bald eine, zwey, drey und mehrere Stim- Grundstellung erscheint, sind «verbotene» Paralle-
auch hier das originale Titelblatt verloren gegan- den sollten! In Itens Missa kann zum Beispiel das men mit untergemischten Instrumenten concerti- len unvermeidlich. Zwischen Tenor und Baß (im
gen. Unter Itens Werken in Einsiedeln gibt es wei- Da Capo im Kyrie, wo nach dem Christe-Sopran- ren, bald im vollen Chor sich hören lassen, welche Unisono) und der Alt-Stimme entstehen Quinten-
ter auch solche, die nur in einer Fassung existieren. solo liturgisch noch einmal das Kyrie folgen muß, Art der Composition hauptsächlich in den Kirchen parallelen. Solche Ungeschicklichkeiten im Satz
Es ist anzunehmen, daß beim regen Austausch zwi- auch weggelassen werden. Die Anweisung am itzo gebräuchlich ist». lo:i gibt es in der ganzen Messe einige. Es sind die glei-

106 107
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Ada<uo
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Der Ausschnitt aus der für Itens unmittelbar verständliche musikalische Instrumente zweimal das Sanctus: zuerst auf der
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Partitur zeigt, daß die Textausdeutung ist die Stelle bei «descendit de cce- Tonika, dann auf der Dominante. Das «Pleni sunt
Generalbaßbezifferung
- /US De- jw 3e- Oiri - .rfe nicht immer mit den lis». Bei «descendit», das am Schluß noch wieder- cceli» wird in zwei kurze Duos aufgeteilt, das «Ho-
nelajio harmonischen Verhält- holt wird, führen abwärtsfallende Linien auf melo- sanna» wieder bis zum Schluß vom ganzen Chor
J7
nissen der auskompo- dische Tiefpunkte. gemeinsam gesungen. Es wurde bereits gesagt, daß
nierten Stimmen über- Das G-Dur-Adagio bei «Et incarnatus», der zweite, das «Benedictus» nicht vertont ist. Für die Auffüh-
tu f SU Oiri- rfe einstimmt. Die Beziffe-
rung im zweiten Takt
nur von den Violinen begleitete Credo-Abschnitt, rung ist zu empfehlen, an dieser Stelle die einleiten-
des Adagios ist im Ori- spaltet den Chorsatz wieder auf und setzt einzelnen den acht Takte gleichsam als Orchesterritornell zu
S ginal deutlich als Quart- Soli das Ripieno gegenüber. Zwei Dinge fallen hier wiederholen.
ius/4l- 3e- - su öirc-
Sextakkord angegeben. auf: die Personifizierung Gottes im Menschen Jesus
An dieser Stelle erklingt wird durch ein Sopransolo zu Beginn versinnbild- Ähnlich knapp ist auch das Agnus vertont. (Eine
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' 14— — ^ aber im Chorsatz ein
licht. Dies ist eine schlichte und häufige Art der Charakter- oder Tempoangabe fehlt. Aber auf-
7 U i. i. i 1 —NMi 1 3 i— " (an dieser Stelle auch zu grund der Sechzehntelbewegung in den Stimmen
erwartender) vermin- musikalischen Versinnbildlichung (in Rathgebers
[so] • - Im At- tis-si-mus Je- su Je - su Ckri- stt. derter Septakkord. op. 19 Nr. l als Tenorsolo), hier besonders wirk- und aufgrund der harmonischen Fortschreitung
Beide Varianten ändern sam, weil bisher im ersten Credo-Teil der Chor im- über den fast durchgehenden Achteln im Baß ist
aber an den Quinten-
mer als geschlossene Gemeinschaft auftrat. Und wohl am ehesten an ein Andante zu denken.) Die
parallelen von Takt 129 ersten zwei Agnus-Rufe werden je vom Sopran und
zu Takt 130 nichts. das zweite: die Worte «incarnatus» und «natus»
Übertragung werden in der Komposition so übereinandergela- Alt solo gesungen, dann folgt ein Solozwischenspiel
von Jusrpli \ V i l l i m a n i i .
gert, daß nach dem solistischen «incarnatus» der der beiden Geigen, den Gesang ansatzweise imitie-
Ms.'1985.
* Chor mit «natus» gleichsam ein textliches Echo rend. In das dritte Agnus stimmt der ganze Chor
7i•öi 4J. gibt. Diese wiederum einfache und naheliegende ein und schließt mit dem Friedensgebet.
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musikalische Idee sagt aus: Fleisch geworden und Die Missa brevis Solemnis von Pater Wolfgang
- geboren aus Maria ist Jesus im gleichen Augen- Iten bestätigt, was bisher über ihn als Kompo-
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^ » blick.
Als Fortsetzung des langsamen Mittelteils wird das
nisten geurteilt wurde. Huber bemerkte kurz:
«P. Wolfgangs Kompositionen sind, wenn auch
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«Crucifixus» vertont: in vier Zwölfachtel-Takten, nicht tief, so doch flüssig geschrieben.» 106 Cherbu-
Lente vom Solosopran in h-Moll zu singen, nur liez hielt ihn, wie den Lehrer Deuring, für einen
vom Generalbaß begleitet, melodisch fast aus- zwar fruchtbaren Komponisten, der sein Handwerk
schließlich in parallelen Dezimen geführt. Ein aber nicht immer meisterhaft beherrsche. 107
schönes Beispiel für die nicht außerordentlich
eben, wie sie auch bei Itens Lehrer Deuring den Kopf voll machen (der Meyers erstes Opus kunstvolle und keineswegs tiefsinnig spekulative Auf keinen Fall liegt in dieser Meßvertonung ein
erscheinen. 104 Man darf nicht vergessen, daß die drucken sollte). (...) Meyer will schlußendlich Vertonung, aber auch ein Beispiel dafür, wie wirk- genialer Wurf vor uns. Vielmehr der unbeschwerte
Engelberger Komponisten im Vergleich mit den nicht, daß ihm auch nur eine Nota von diesem sam der Komponist innerhalb der bescheidenen Ausdruck ungebrochener Frömmigkeit, zu Papier
Meistern der italienischen Zentren jener Zeit eben <Zwiebelkopf> censuriert werde».101 Möglichkeiten zu differenzieren weiß. gebracht von einem 27jährigen Mönch, für den
doch provinzielle Hauskomponisten waren. In die- Im Gloria von Itens Messe folgt nach diesem Ada- Mit einer breit ausladenden fünftaktigen D-Dur- Musik nur eine jener vielfältigen Formen war, sei-
sem Zusammenhang erstaunt allerdings das Urteil gio-Einschub auf «Cum sancto» ein Fugenversuch, Fanfare eröffnet das von den Trompeten dominier- ner Lebenshaltung Ausdruck zu geben. Entstan-
von Leonti Meyer von Schauensee, der Deuring of- der mit den Choreinsätzen des Themas von Alt, te Orchester den dritten Teil (Allegro) des Credos: den ist daraus ein Werk in lieblicher Schlichtheit
fensichtlich als Rivalen fürchtete. Denn er sagt von Sopran und Baß auch tatsächlich sechs Takte «Et resurrexit». Im Sechsviertel-Takt lösen sich und manchmal auch etwas vordergründig wirken-
Deuring, «daß dieser ein Puritaner (!) der Compo- dauert. Doch dann fällt der Satz sofort wieder in homophone Chorstellen ab mit kurzen imitatori- der Feierlichkeit - jedenfalls für uns, die wir die
sitions-Regel sei und daß ein Componist, der das akkordische, homophone Deklamation, womit er schen Einsätzen, mit Solis und Duos, bis der ganze Musik von Itens Zeitgenosse Johann Sebastian
<cantabile harmonios> ausführen will, unmöglich so auch schließt. Chor in den letzten zwölf Takten vereint die Ge- Bach in den Ohren haben.
sein darf. Er beruft sich auf Fux von Wien, Mathe- Auch das Credo ist in drei großen Teilen vertont. schlossenheit des Volkes Gottes und seine Über- Auch heute aber kann diese Missa brevis Solemnis ein
son von Hamburg und Maichelbeck von Frybourg, Der erste (Vivace) wird vom Orchester- und Chor- zeugung zum Ausdruck bringt, ganz wie zu Beginn. Fest durchaus bereichern.
welche als Männer vom Fach große <distinction in tutti musiziert. Die immer mit «credo» eingeleite- Joseph Willimann
den compositions Reglern machen. Er fürchte sich ten Glaubenssätze werden blockartig vom Chor ge- Das Sanctus (Lente) ist ein kurzer Satz im Zwölf-
vor diesem <Critico> (P. Deuring) nicht im gering- sungen und durch zwei- bis viertaktige instrumen- achtel-Takt. Im gewohnten homophonen Satz in-
sten, doch könnte dieser dem Buchdrucker Samm tale Zwischenspiele getrennt. Ein weiteres Beispiel toniert der Chor nach einer kurzen Einleitung der
10« 109
53 81
ANMERKUNGEN 20
Iten 1965 S. 29 P. Stephane: Wahrscheinlich Agostino Steifen! (1654-1728), Kom- Vgl. P. Ignaz Heß: Die Pfarreigeisllichen von Sins, Auw und Abtwil im
21
ponist, Staatsmann und Bischof; seine Duetti da Camera sind in Er- Kanton Aargau, in: Festschrift Walter Merz, Aarau 1928, S. 98.
Iten 1965 S. 39 findung und Ausführung vollendete Meisterwerke des italienischen
22 Sologesangs (Anm. 4 bei Huber 1914 S. 406). Planiski: Vermutlich 82 Vgl. Cherbuliez 1932 S. 248 f.
beschrieben bei Iten 1965 S. 50 ff. 83
23
Josef Antonin Planicky (1691-1732), von dem 12Solomotettcn Opel- Arioses Terzett oder Musik-Glückwunsch zum Fest und Namenstag
Iten 1965 S. 65 la ecclesiastica, Augsburg 1723, erhalten sind (vgl. Riemann Musik- des hochverehrten Herrn Abtes Maurus
24
Iten 1965 S. 78 lexikon). P. Kolberer: Benediktiner zu Andechs im Anfang des 84
Vgl. Heer Archivalien S. 265
18. Jahrhunderts, der viele Kirchenkompositionen verö'iTentlichte
25
1
Iten 1965 S. 79 (Anm. 5 bei Huber 1914 S. 402). »s Heer Archivalien S. 265
Der lateinische Eintrag findet sich in Actuum Capitularium Tomus IV- 2C 54 86
tus ab A- 1754. mensejunii usque ad A llm 1797. mense Dec., Cod. Iten 1965 S. 80 Buch mit den täglichen Gebeten der Gebetsstunden. Stadier Viri Illustres Cod. 257 S. 287-289. Hier in Anlehnung an
193 Stiftsarchiv Engclberg. 27 55 Huber 1914 S. 419 zitiert, der aber Auslassungen macht.
Iten 1965 S. 82 Huber 1914 S. 411
87
2
In Hubers Studie (1914, vgl. Anm. 6) findet sich lediglich ein Teil- 28 56 Signatur Eis. Mb. Th. 199, 36.
Iten 1965 S. 59 Darüber berichtet P. Ignaz Heß: Der Klosterbau in Engelberg nach dem
druck der Motetta vom 28. Okt. 1738. 88
23 Brande von 1729, in Angelomontana, Blätter aus der Geschichte von Es war der Universalgelehrte und Sammler Pater Gall Morel, der
Iten 1965 S. 81 Anm. 3 Engclberg, Gossau: Cavelti 1914 S. 275-393.
3
Es handelt sich um das Offerlorium Solemne Pro Festo Dedicalionis Eccle- 1835 den ersten Katalog der Einsiedler Musikbibliothek erstellte.
30
sitf- für 4 Stimmen, zwei Violinen, zwei ohiigate Trompeten, Orgel Iten 1965 S. 81 f. 57 (Ich danke Pater Lukas Helg von Einsiedeln für die Auskunft.)
Vgl. Heer 1975 S. 283-307.
31 89
und Kontrabaß, abgeschlossen für den zweiten Oktobersonntag des Iten 1965 S. 81 Anm. 3 58 Die gleiche Hand dieses Einsiedler Schreibers verfertigte in mehre-
Jahres 1748, und um die Motteta de Spiritu Sancto für Sopran Solo, Heer 1975 S. 285.
32 ren Iten-Manuskripten, die noch in Einsiedeln liegen, eine solche
zwei Violinen und zwei Traversfiöten. (Diese Komposition ist nicht «(...) eine wunderbare Leichtigkeit, sich in Wort und Schrift auszu- 59
zit. nach Heß 1914 S. 343. Violone-Stirnme.
datiert, dürfte aber nach 1746 entstanden sein, da Iten bereits als drücken (...)» (zit. nach Huber 1914 S. 419).
Subprior bezeichnet wird.) 33 '» Consuetudines Kap. VIII, zit. nach Huber 1914 S. 404. 9° Vgl. Kapitel 3, Anm. 39
Huber 1914 S. 400
61 91
4
P. Karl Stadier, Descriptio virorum illustrium monaslerii Engelbergensis 34 Cod. 226, S. 4 f.; zit. nach Heer Archivalien S. 264 Vgl. Willimann 1978 S. 16
Am 11. August 1742 wirkte Iten bei der Sekundiz von Kommissar
62
(1787), in Cod. 257 des Stiftsarchivs Engelberg befindet sich eine Andermatt in Staus als Trompeter mit, zusammen mit seinem Schü- Karl Stadier Viri Illustres Cod. 257 S. 288. 92 Vgl. Huber 1914 S. 412
Kopie von der Hand des späteren P. Konrad Christen. ler Frater Leodegar (vgl. Heer, Archivalien S. 265). 63 93
5
Heer Archivalien S. 264 Vgl. Heer Archivalien
Im Calalogus biographicus, 1901 35 64 94
enthalten in Cod. 755 der Stiftsbibliothek und Cod. 229 des Stifts- Heer Archivalien S. 264 Heer Archivalien
6
Die Pflege der Kirchenmusik im Stifte Engelberg während des 17. und archivs. 65 95
18. Jahrhunderts, in: Angelomontana, Blätter aus der Geschichte von zit. bei Heß 1914 S. 345 Musikbibliothek Einsiedeln, Signaturen Th. 213, 8 bis 38.
36
Ars Componendi Musicam (erwähnt bei Karl Stadier in Cod. 257, 66
Engelberg, Gossau: Cavelti 1914, S. 395-429. Cod. 784 Stiftsbibliothek * Engelberg E 02, 15
S. 287)
7 67 97
Vgl. vorderhand: Joseph Willimann: Pater Wolfgang Iten (1712-1769), 37 Alle folgenden Daten aus Heer Archivalien Einsiedeln Eis. Mb. Th. 213, 37
Leben und Werkverzeichnis, Ms. 1978 (Inzwischen sind alle - auch die Consuetudines Angelornonlanae anle incendium observatae, Cod. 202 Stifts-
68 98
dort noch als verschollen registrierten Werke - sichergestellt.) archiv; das Zitat stammt aus dem VII. Kapitel «De horis canoni- Es ist das Diarium oder umbsländliche Beschreibung derfeyrlichen Kirch- Heer Archivalien S. 265
cis», hier zitiert nach Huber 1914 S. 400 weyhungzu Engelberg (...), Cod. 199 Stiftsarchiv. Gedruckt herausge-
8
Die Pflege des Kirchengesanges und der Kirchenmusik in der deutschen katholi- 99 Vgl. oben Anm. 88
38
Straumcycr beschreibt diese Brauche im VIII. Kapitel «De Musica geben von P. Ignaz Heß: Aus dem kirchlichen und bürgerlichen Le-
schen Schweiz, Benziger, 1873 (bei ihm erscheint allerdings Itcns Na- ben im alten Engelberg Bd. 3 ( = Heft 13 der Schriften zur Heimat- '«> Vgl. Karl H. Wörner: Geschichte der Musik, Göttingen 1975, S. 242.
me nur mit einem kurzen Hinweis auf die Kompositionen). Figurali»; hier zusammengefaßt nach der deutschen Übersetzung
kunde von Engelberg) Sarnen: Ehrli 1945.
bei Huber 1914. i"1 Vgl. Huber 1914
9
Antoine-Elisee Cherbuliez: Die Schweiz in der deutschen Musikgeschichte 39 69
Meyer von Schauensee blieb der einzige Schweizer Komponist des
( = Die Schweiz im Deutschen Geistesleben, Bd. 18), Frauenfeld/ Im Jahr 1729 waren dies: 16 Patres, 4 Fratres und 3 Laienbrüder 102 Vgl. Die Messe ( = Musikalische Gattungen in Einzeldarstellungen
(Anm. Hubers S. 402) 18. Jahrhunderts, der schon zu Lebzeiten zu einer einläßlichen Bio- Bd. 2), edition MGG, Kassel 1985, S. 76 f.
Leipzig: Huber 1932. graphie und einem Werkverzeichnis im Ausland und an hervorra-
40
10
Vgl. JosefHcrmann Heß: P. Marianus Rot, Basel: Heß 1927; und Os- Zitiert nach Huber 1914 S. 402 f. gender Stelle kam: Marpurg druckte in seinen «Kritischen Briefen i™ zit. nach Die Messe S. 77 f.
11 über die Tonkunst» (1762,11,477) eine 1757 in Frankfurt und Leip-
kar Eberle: Theatergeschichte der Innerschweiz, Königsberg: Gräfe und Vgl. Heer Archivalien S. 264 UM Vgl. Huber 1914 S. 413: «Die noch vorhandenen Werke Deurings
Unzer 1929 (darin Iten: S. 167-169). 42 zig anonym erschienene Lebensbeschreibung Meyers ab. 1752 wur- zeugen von guter Erfindungsgabe und großer Leichtigkeit irn musi-
Vgl. Heer Archivalien S. 264 de Meyer Organist und Geistlicher an der Hofkirche zu Luzern
" Albert Iten: Die Iten, Talleute zu Ägeri, Zug 1962, (besonders Seite kalischen Satze, der freilich nicht immer korrekt ist. Oft über-
43 (nach Cherbuliez 1932 S. 260 f.).
193-195). Ausführlich beschrieben von P. Gall Heer: Aus der Vergangenheit von raschen recht originelle Gedanken, manches trägt den Stempel der
Kloster und Tal Engelberg 1120-1970, Benediktiner-Kloster Engelberg 70 Gelegenheitskomposition an sich. Deuring war sich aber der Schwä-
12
Albert Iten: Tugium Sacrum II, Die Zugcr Geistlichen der Orden, 1975, S. 280 ff. Vgl. Eugen Koller: Franz Joseph Leonti Meyer von Schauensee, Frauen-
chen mancher seiner Kompositionen bewußt.» Auch Cherbuliez
Kongregationen und Gesellschaften, Zug 1973. feld/Leipzig 1922, S. 21.
44
Albini war gestorben, bevor er sein Projekt hatte ausführen können. übernahm dieses Urteil: «Sein Satz ist nicht ohne dauernde Spuren
71
13
P. Gall Heer: Vorarbeiten für das Profeßbuch des Klosters Engelberg, Heer 1975 S. 307 f. eines gewissen Dilettantismus geblieben, und man findet bei ihm
45
Ms. 1978; hier zitiert mit Heer Archivalien. (Leider kam der inzwi- Schlaftrakt 72 eine eher äußerliche Imitationstechnik, tonmalerische Bestrebun-
gemäß Heer 1975 S. 313 f.
schen verstorbene Verfasser nicht mehr dazu, diese große Arbeit ab- 46
Versammlungsort gen und den melodisch-volkstümlichen Stil des Pergolesezcitalters,
73
zuschließen.) Vgl. Eberlel929S. 166 ff. dasaufHaydn hindeutet.» (l932 S. 248). (Das Gleiche gilt auch Tür
47
Vgl. Hubcr 1914 S. 407 74 Iten. Wobei Hubers Ausdruck «Gelegenheitskomposition» heute
14
Albert Iten: Werden und Wachsen der Pfarrei, in: 250 Jahre Pfarrei, 150 Eberlel929S. 167.
48
Aus Consuetudines, IV. Kapitel «De rebus combustis»; hier zit. mißverständlich ist. In der Tat hat Iten nichts anderes als funktio-
Jahre politische Gemeinde Untcrägcri, Offizin Zürcher, Zug (1964) 75
nach Huber 1914 S. 406 Cod. 294 Stiftsbibliothek nale Musik geschrieben. Das heißt aber nicht, daß er dabei nicht all
S. 7-40, S. 14 f. 7(i seine Fähigkeiten aufwenden wollte.)
15 49
Cod. 215 Stiftsbibliothek (Tragoedia germanica de passionc Domi-
Iten 1964 S. 15 Vgl. Riemann Musiklexikon, Mainz 1967; es ist unwahrscheinlich, ni). '°5 Saladin 1947 S. 112.
daß es sich um den Komponisten Padre Tommaso Graziani handelt 77 106
16
Iten 1964 S. 24 (~ 1553-1634), von dem 1587einedreichörige Messe in Venedig er- Vgl. Josef Hermann Heß: Pater Marianus Rot, Basel 1927, S. 56; vgl. Huber 1914 S. 422.
schien und später noch 5-st. Messen (1599). dort auch Anm. 106. 107
17
Iten 1964 S. 19 Vgl. oben Anm. 104
78
111
50
Riemann Musiklexikon Eberlel929S. 169.
Vgl. dazu Iten 1964 79
51
Wilfried Dotzauer 1981 S. 3 (vgl. folgende Anm.) Zur Zeit von Hubers Werkverzeichnis lag das Autograph noch in
'•' Albert Iten: Aus den Gründungsjahren der Pfarrei Unlerägeri. Barockes Sarnen (vgl. Huber 1914 S. 421).
52
Leben um Pfarrer Fliegauf, Offizin Zürcher, Zug (1965) (Separat- Es handelt sich um die Missa Sanctorum Apostolomm in C-Dur, op. 19 80
druck aus den «Heimat-Klängen») S. 27 f. und 42 f. Nr. l, hrsg. v. Wilfried Dotzauer, Stuttgart: Carus 1981. «Italienisches ABC, d.h. drei Sonaten im neueren italienischen Stil»

110 111
Drei Plastiken von Bruno Scheuermeier

Dichtcrlcben, 1982, 230X50X60 cm.


. Seit es Kunst gibt, ist das menschliche Wesen und kennen, hat der Betrachter auf den ersten Blick den Im Besitz des Kantons Zug
ist das Wesen des Menschen Gegenstand künstleri- Eindruck, entfernt so etwas wie eine menschliche
scher Darstellung, sei es in den Bereichen der Lite- Figur vor sich zu haben. Den Körper gewisserma-
ratur, Malerei oder Plastik. Und immer ging es ßen bilden fünf gleichförmige Holzbretter, wobei
dem darstellenden Künstler nicht bloß um das lediglich das mittlere dieser Bretter eine tragende
platte Abbilden, sondern stets war es auch gleich- Funktion hat und das sozusagen stabile Rückgrat
zeitig ein Deuten seines Gegenstandes. Und da je- der Plastik ist, denn allein dieses Brett ist auf einer
dem Deuten die eigene Wahrnehmung vorausgeht, 28x55 cm großen rostigen Eisenplatte festgemacht
und weil alles Wahrnehmen vorerst ein höchst sub- und mit drei nicht ganz 50 cm langen, horizontal
jektiver Vorgang ist, bleibt die künstlerische Deu- angebrachten, ebenfalls rostigen Eisenröhren ver- und so eine Spannung zwischen Eisenmaterial und
tung immer ein subjektives, an die Person und ihre sehen. Diese links und rechts gleich weit heraus- Farbe erzeugen.
Zeit gebundenes Ereignis. Auch das vom Künstler ragenden Röhren tragen je zwei Bretter, die derart Doch zum Leben erweckt wird diese Plastik durch
geschaffene Werk ist, als neue gegenständliche locker eingeschoben sind, daß sich die jeweiligen Kopf und Hände! In der gleichen Weise wie die
Wirklichkeit, der Erfahrung, Wahrnehmung und Zwischenräume leicht verändern lassen. Mit än- drei horizontalen Rohre sind zuoberst je zwei dün-
Deutung des Betrachters ausgesetzt, der diesen dern Worten, «Dichterleben» ist eine Plastik, die ihr nere, ebenfalls rostige Röhren befestigt, die unver-
Kunstgegenstand beglückt und zustimmend, oft Aussehen und damit ihre Ausstrahlung, ihre Wir- kennbar Schultern, Arme und auf dem Rücken zu-
ratlos und kopfschüttelnd, oder gar ablehnend zur kung auch, ändert, je nach dem, wie diese vier sammengelegte Hände darstellen. Und auf dem
Kenntnis nimmt. Tatsächlich ist die Palette der Holzbretter auf den horizontalen Röhren angeord- mittleren, dem stabilen Holzbrett ist der Kopf auf-
Möglichkeiten figürlicher Darstellung in den ver- net werden. Bei diesen Holzbrettern handelt es sich gesetzt: eine Pflugschar ist's, aus deren beiden Sei-
schiedenen Hochkulturen und nur schon im um natürlich nachgedunkelte Bretter, die bloß tenbacken in wilder Gestik die Haare herausschie-
Abendland von der archaischen Zeit über die grie- leicht geschliffen sind, jedoch durchwegs Holz- ßen.
chische Klassik, das europäische Mittelalter, bis wurmlöcher und Verletzungen, Risse und Bruch- Und so steht dieses »Dichterleben» da, sinnend, die
hin zur Renaissance und den Leistungen des 19. stellen aufweisen und einen verbrauchten Eindruck Hände auf den Rücken gelegt, leicht geneigten
Jahrhunderts derart vielfältig, überraschend und machen - wie die Bretter alter Scheunentüren. Da- Hauptes, still und in sich versunken. Müßte ich sei-
phantasievoll, daß ein ungeduldiger Betrachter bei ist nicht ersichtlich, wozu sie einst gedient ha- ne Ausstrahlung mit einem Wort charakterisieren,
vielleicht etwas zu voreilig an einigen liebgewonne- ben mögen. Genauso unklar ist, betrachtet man dann würde ich sagen, es sei eine gelassene Heiter-
nen Vorstellungen festhält, sie zu seinem alleinigen diese Plastik vorerst für sich allein, ob der Künstler keit, umgarnt von Witz und Ruhe.
Urteilsrahmen erstarren läßt und sich neuen und die Bretter in ihre jetzige Form gebracht, oder ob er Vielleicht mag erstaunen, daß eine derart aus Eisen
ungewohnten Spielarten vorab der Kunst des 20. sie so aufgefunden hat, wie sie zu sehen sind. Diese und Holz zusammengesetzte Figur in einer Art
Jahrhunderts verschließt. Unklarheit gibt dem Gebilde eine eigenartig raffi- charakterisiert wird, als handle es sich um eine ge-
nierte Zweideutigkeit von Absicht und Zufälligkeit. radezu im klassischen Sinn durchgestaltete Plastik.
Der Liebhaber jedoch läßt sich auf das Neue ein Es wäre also zu fragen, was denn dieses unverkenn-
Einzig die Gestaltung der Außenseite der beiden
und versucht, die vorerst vielleicht unverständliche bare «Körpergefühl», was genau die «Haltung»
Bretter macht deutlich, daß der Künstler hier mit
Sprache des Kunstwerkes zu verstehen. Dies kann ausmacht. Es liegt, um es kurz zu sagen, im «Ge-
Bestimmtheit seine Hand im Spiel hatte, ist doch
zu einer Enttäuschung werden, oder aber, wie die rüst».
jede dieser beiden Seiten sichtbar und auf jeweils
Beschäftigung mit Plastiken des Zuger Bildhauers In der historischen Plastik ist das Haltegerüst aus
andere Weise gestaltet. Die linke Seitenfläche ist
Bruno Scheuermeier zeigt, ein gewinnendes Erleb- Metall der eigentliche Kern der Figur. Es hat die
mit drei leicht schräg angebrachten Holzleisten
nis sein. Drei Plastiken sollen vorgestellt werden, Aufgabe, den knetbaren Ton zu tragen, um ein Zu-
versehen, deren zwei mit einer vertikalen Leiste
die, wie mir scheint, in einem engen inneren Zusam- sammensacken zu verhindern. Doch bereits in der
verbunden sind. Die rechte Seitenfläche hingegen
menhang stehen und in der wechselseitigen Erhel- Formung dieses Metallgestells sind der Bewe-
hat acht verschieden breite Holzsegmente, die un-
lung etwas von der künstlerischen Imagination gungsablauf, die «Haltung» der künftigen Figur in
ten eng zusammengeschoben sind und erst nach
ahnen lassen. der Vorstellung verwirklicht, denn im Gerüst liegt
oben sich auflösen und in eine freie Bewegung über-
Das schon rein äußerlich gewichtigste der drei zugehen scheinen. Auf dieser Seite ist schließlich aas, was als Körpergefühl beim Ansehen empfun-
Werke heißt «Dichterleben», ist 1982 entstanden auch die einzige Farbgebung zu sehen: ein langova- den wird. Es allein vermittelt die statische Richtig-
und hat die Abmessungen 230X50X60 cm. Es ist les, mit Stahlwolle gefülltes Gittergebilde, dessen keit, entscheidet über Gleichgewicht und Balance,
im Besitz des Kantons Zug und steht in der Kan- verschieden breite, rote Farbstreifen in fast diago- sei es bei der Statik des Kontrapostes oder der festen
tonsschule Zug. Ohne den überraschenden Titel zu naler Richtung zur Gitterstruktur aufgesetzt sind Statik einer blockhaft auf beiden Beinen stehenden

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Figur aus ägyptischer oder frühgriechischer Zeit — tagecharakter preisgegeben und dem Betrachter sam: der Künstler montiert aus bereits fertigen, oft kretes darstellt, auch keinen Menschen, evoziert sie
oder eben bei der Plastik «Dichterleben» von Bruno ausgesetzt. Und dieses Sichtbarwerden der Mon- serienmäßig hergestellten und ausdrücklich nicht die Vorstellung eines menschenähnlichen Wesens.
Scheuermeier. tage ist ein wichtiges Merkmal der Plastik im 20. als Kunstwerk verstandenen Gebrauchsgegenstän- Diese Aura des Zweideutigen ist, betrachtet man
Es wird deutlich, daß der Eindruck einer in sich ru- Jahrhundert überhaupt. Der Künstler verschweigt den ein Gebilde, das als Materialcollage den An- diese Plastik für sich allein, nicht zu durchbrechen
henden Figur wesentlich nicht durch die Beschaf- nichts, verbirgt nichts, sondern entblößt und legt spruch erhebt, Kunst zu sein. Objekte, die vorher und mag wohl mit ein Grund sein für den besonde-
fenheit ihres Äußeren, sondern durch die Statik ih- Schaffensweise, Ursprünglichkeit des Materials einen bestimmten Zweck erfüllten, sind nun als ren Reiz, der von ihr ausgeht. Wird die Plastik hin-
res inneren Gerüstes vermittelt wird. Dieses Gerüst und Verarbeitung offen dar. Er wagt das riskante Teil eines Kunstwerkes ihrer einstigen Funktion gegen im Kontext anderer Werke Scheuermeiers
ist in der Darstellung der menschlichen Figur, dem Spiel mit dem scheinbar Selbstverständlichen und enthoben und fügen sich ein in die Gesamtheit gesehen, wird deutlich, daß dieser Künstler ganz
zentralen Thema der Plastik bis in die Anfänge des seiner Phantasie. Diesem Wagemut verdanken wir eines absolut zweckfreien ästhetischen Gebildes. bestimmte Formengebilde, Urmuster sozusagen
20. Jahrhunderts, immer als etwas unsichtbar die Objektkunst dieses Jahrhunderts. Von den Da- Die Plastik «Dichterleben», hergestellt aus Stall- seiner Einbildungskraft, variiert und dabei zu der-
Sichtbares anwesend. Hier aber wird es unmittel- daisten begründet, entwickelt diese Kunstgattung brettern, rostigen Röhren, Eisengitter, Stahlwolle art überraschenden Neuschöpfungen kommt, daß
bar sichtbar, das figürliche Wesen ist entblößt, aus- bis in unsere Gegenwart eine Vielzahl von Gestal- und einer Pflugschar, ist demnach der Gattung der eine Verwandtschaft auf den ersten Blick ausge-
gezogen bis auf seinen Kern, ohne Scham der Mon- tungsmöglichkeiten. Allen aber ist eines gemein- Objektkunst zuzuordnen. Obwohl sie nichts Kon- schlossen scheint.
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Gamtmsud, 1984,
21 X6X4,5 cm, Privatbesitz

Die Plastik «Gamba sud», eine Statuette mit den Ende, Schwurfingern gleich, ein vierzackiges Ge-
Abmessungen 21X6X4,5 cm, ist 1984 entstanden. bilde den Kopfüberragt. Als stünde die Figur nicht
Das in die vorliegende Form gebrachte Grundma- so schon fest genug, ist sie mit einem massiven,
terial ist mit der galvanoplastischen Methode be- durch die Füße getriebenen Nagel auf der Sockel-
handelt und hat, nachdem die Oberfläche patiniert flache festgemacht. Doch gerade dieser Nagel er-
worden ist, ein bronzeähnliches Aussehen. Die Pla- weist sich, eben weil er für die Statik der Figur un-
stik stellt einen Torso dar, eine mit Absicht unvollen- nötig ist, als fruchtbarer Ansatz für das Verständ-
det gelassene, also fragmentarische Skulptur. Seit nis des Ganzen. Denn ohne einen anderen Zweck
den unvollendeten Arbeiten Michelangelos und zu haben, bleibt ihm der Bereich des Symboli-

unter dem Einfluß der Kunsttheorie der Romantik sehen. Er ist, als eines der Leidenswerkzeuge, seit
gilt der Torso als eine den vollendeten, klassischen dem Mittelalter vorab im Zusammenhang mit der
Plastiken ebenbürtige Kunstform, die vorab in un- Darstellung der Passion Christi zu finden und ge-
serem Jahrhundert als gültigste Form plastischen hört ganz allgemein in der abendländischen Kunst
Schaffens angesehen wird. zu den Attributen von Heiligen und vieler Märty-
«Gamba sud» ist eine im wörtlichen Sinn zwiespäl- rer. Der Nagel also als Attribut der Gepeinigten
tige, nämlich in zwei Teile gespaltene und die Um- und Leidenden zerstreut alle Zweifel darüber, daß
risse eines Menschen darstellende Figur. Ein auf diese Statuette den gespaltenen, zerstörten, injeder
eng parallel gestellten Füßen stehender, an Kopf Hinsicht unfertigen und zu buchstäblicher Bewe-
und Hals, Brust, Hüfte und Bein andeutungsweise gungslosigkeit schmerzhaft an seinen Ort gebun-
modellierter, jedoch armloser Torso ist mit derart denen Menschen zeigen will. Gesichtslos und also
blankem Schnitt entzweigeteilt, daß eine scharfe blind und stumm verharrt er, schreiend nur mit
Schnittfläche entsteht, die in ihren Umrissen wie den krampfhaft zum Himmel ausgestreckten Fin-
ein Schattenbild eine leicht nach vorn geneigte, je- gern.
doch am Sockel geradezu festgewurzelte mensch- Eines aber läßt sich diesem kreatürlichen Wesen in
liche Figur erkennen läßt. Dabei steht anstelle ihrer seinem Elend nicht nachsagen, nämlich Mangel an
möglichen komplementären zweiten Hälfte ein Haltung. Aufrecht, mit ungebrochenem Rückgrat
senkrecht aufragender roter Eisenstab, an dessen steht es da. Und in dieser Haltungsweise läßt es

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Tal der Könige, 1982,
200X35X8 cm, Privalbcsitz

sich vergleichen mit der Plastik «Dichterleben». War


dort noch unklar, ob die Holzbretter in ihrer Art
bereits so vorgeformt aufgefunden und unverän-
dert für die Plastik übernommen wurden, wirdjetzt
deutlich, daß sie bewußt zu einem in höchstem
Maß stilisierten Körperschnitt geformt worden
sind. In ihrer Statik sozusagen sind sie, wird der
Kopf weggedacht, ein Abbild der Schnittfläche von
«Gamba sud». Dasselbe Urmuster scheint auf.

In einer geradezu überraschenden Weise wird die-


ses offensichtlich zentrale Formmuster noch einmal
variiert und angewendet bei einer Plastik von
strengster Schlichtheit und höchster Präsenz, die
den ungewöhnlich anmutenden Titel «Tal der Kö-
nige» trägt und 1982 entstanden ist. Auf einer
15x24,5 cm großen Platte ist ein Eisenstab mon-
tiert, der im oberen Viertel aus Armierungseisen
besteht, sich hier leicht nach vorn neigt und eine
Gesamthöhe von 200 cm aufweist. Wie bei der Pla-
stik «Dichterleben» sind horizontale Querstäbe ange-
setzt, die links vier, rechts drei wie Lamellen er-
scheinende Gebilde tragen. Deren Schwärze rührt
daher, daß das im Feuer erhitzte Stahlblech mit
Leinöl behandelt wird und durch die Oberflächen-
Verbrennung des Öls eine rußig matte Farbe ent- Augen, von unsichtbaren Fäden gehalten, ein We- der Beziehung zwischen Volumen, Masse und
steht. Diese aus Stahlblech gebildeten, leicht bom- sen aus mythischer Ferne. Daß die eigentliche Leere. So gesehen versucht der Plastiker auf seine
bierten Elemente nun weisen, nur anders stilisiert, Schwere des Materials auch jetzt nicht ins Gewicht Weise, was der Maler abstrakter Bilder auf der
dasselbe Formmuster auf, wie es schon bei «Dichter- fallt, ist einzig dem Umstand zu verdanken, daß die Leinwand zu zeigen versucht. Ziel der Kunst ist
leben» und «Gamba sud» beobachtet wurde. Der lamellenartigen Elemente von gewissermaßen ge- nicht mehr die Nachahmung der sichtbaren Welt,
Kopf sozusagen übernimmt Formungen einer gengewichtigen Zwischenräumen umgeben sind sondern, wie Paul Klee bemerkt, «etwas sichtbar
Pflugschar. Es ist nicht zu übersehen: bekannte und also ein Gleichgewicht von Masse und Leere zu machen». Damit eröffnet sich dem Plastiker wie
Elemente, Teile einer Grammatik, die wir zu ken- entsteht. dem Maler ein neues Feld unbegrenzter schöpfe-
nen glauben. Doch wie anders ist die Sprache! Wie Mit dieser festgestellten Korrelation von Volumen rischer Möglichkeiten.
neu der Klang, der von diesem Gebilde ausgeht! und Leere wird offenkundig, in welcher Weise diese
Nicht im entferntesten evoziert es die Vorstellung Arbeit im kunsthistorischen Kontext der modernen Es wird deutlich, daß in den hier vorgestellten Wer-
eines auch nur menschenähnlichen Gegenstandes. Plastik des 20. Jahrhunderts steht. Statt der gegen- ken des Bildhauers Bruno Scheuermeier aufjeweils
Aus Distanz präsentiert sich dem Betrachter ein ständlichen Darstellung, wie sie während Jahrhun- höchst unterschiedliche Weise Form- und Gestal-
wie in labilem Gleichgewicht schwebendes Gebil- derten die traditionelle abendländische Skulptur tungsprobleme der modernen Plastik in Erschei-
de, dessen auf den ersten Blick massiveres und vo- geprägt hat, wenden sich die Künstler dem Sicht- nung treten. Insbesondere aber lassen sie etwas
luminöseres Oberteil nur deshalb nicht stürzt, weil barmachen von wesentlichen Grundprinzipien der erahnen von der produktiven Einbildungskraft des
Sockelplatte und Stab sozusagen das optische und Kunst zu. Also nicht mehr Abbilden, oft sogar Künstlers, wie er, ohne sich selbst zu kopieren, ein
quantitative Gegengewicht liefern und so die Ge- «richtiges» Abbilden der Wirklichkeit ist ihr Ziel, Formmuster variiert und ihm so eine eigenständige
samtmasse in der Schwebe bleibt. In unmittelbarer sondern die Lösung ästhetischer Probleme und und überraschend neue Ausdruckskraft und Be-
Nähe hingegen fällt die tragende Stange aus dem Möglichkeiten etwa der Struktur, Deformation, deutung verleiht.
Gesichtsfeld, was bewirkt, als schwebte vor eigenen Transformation, Symbolisierung und, wie gesagt, Fotos: Roben sint.n- Heinz E. Greter

118 119
Drogenabhängigkeit

In diesem Beitrag soll versucht werden, ausgehend gangcnen sechs Jahren mit Drogen, Dicbstahl, usw. und Jeder neue Entzug beinhaltet Entwicklungschan- b) Methadon-Langzeitbehandlung
von einer Suchtkarriere eines Betroffenen, den Pro- als nach fünf Monaten U-Haft nichts besser wurde, be- cen. Nach jedem Therapieabbruch ist ein Abhängi-
antragte ich das Melhadon. Ich nahm Kontakt mit den ger nicht mehr der gleiche wie vorher. Meistens Dabei handelt es sich um die kontrollierte Abgabe
zeß der Motivation und eventuell Therapie eines einer Ersatzdroge. Im Gegensatz zu drogenfreien
Jugendberatcrn auf, suchte mir einen guten Job und seit- braucht es mehrere Schritte, viele Erfahrungen,
Drogenabhängigen darzustellen. Ausgehend von her geht es mir viel besser! Juni 86, S. Programmen (z.B. Therapeutische Gemeinschaft)
diesem Beispiel werden verschiedene Therapie- Enttäuschungen auf dem Weg zur vermehrten
Selbstbestimmung, um aus der Abhängigkeit zu geht es zusammen mit einer begleitenden Therapie
möglichkeiten vorgestellt. Daneben soll aber auch Kommentar (Einzel- oder Familie) darum, die langsame Sozia-
auf die Konsequenzen der kriminalisierenden Dro- finden.
lisierung zu erreichen. Dieses Programm dauert
genpolitik und auf präventive Möglichkeiten hin- Wie aus dem Lebenslauf ersichtlich ist, kam S. über Jahre und wird im Kanton Zug nur für lang-
gewiesen werden. nicht über irgendwelche Verführer zum Heroin, Therapiemöglichkeiten
jährige Heroinkonsumenten ermöglicht. Es schafft
Der folgende Auszug aus einem Lebenslauf eines sondern indem er sein Geld für sich arbeiten ließ. Wie in unserem Beispiel aufgezeigt, führten die ver- Distanz und Unabhängigkeit in bezug auf Heroin-
heute 27jährigen, männlichen Drogenabhängigen Ein Geschäftsgebaren wie es in unserer etablierten, schiedenen Anläufe nicht zur endgültigen Drogen- beschaffung und der damit verbundenen Krimina-
wurde vom Betroffenen im Hinblick auf diesen Ar- legalen Welt gelernt und gefordert wird. S. unter- freiheit, aber zu immer mehr Motivation, um aus lisierung (Konsum, Handel, Einbrüche, Prostitu-
tikel selber geschrieben. Er stammt aus einer ganz scheidet sich nicht von irgend einem jungen, kleve- der Drogenabhängigkeit auszusteigen. Darum sol- tion). Es ist so möglich, wieder einer regelmäßigen
normalen Familie im Kanton Zug. ren Geschäftsmann. Erst mit dem Rollenwechsel len auch im folgenden die verschiedenen Therapie- Arbeit nachzugehen und den oft immensen Schul-
vom «Einander» zum Händler, der seine Ware möglichkeiten nicht für sich als einzige Therapie- denberg zu sanieren. Neue soziale und kulturelle
Lebensabschnitt mit Heroin vom 20. bis 27. Altersjahr: prüft, kommt er in die Abhängigkeit von Heroin. form verstanden werden, sondern als verschiedene Beziehungen müssen aufgebaut werden, um ein
Begonnen hat alles nach einem schweren Autounfall, den Wie viele andere Abhängige auch, sniffte S. anfang- Ansätze, welche unter Umständen nacheinander Leben ohne illegale Drogen zu gestalten.
ich 1979 hatte. Damals hatte ich nach dem Unfall sehr lich Heroin, bis die Menge zu groß, der Stoffzu teuer oder nebeneinander, oder auch integriert miteinan-
viele Schulden und andere Probleme, die ich kaum be- wurde und S. anfing, sich Heroin zu spritzen. der wirken können. Die Therapieansätze schließen c) Familienberatungen
wältigen konnte. Mir blieb nichts anderes übrig, als aus (Beim Spritzen kann mit kleineren Mengen die eu- meist an eine körperliche Entgiftung (14 Tage) an.
der Lehre zu treten, auf den Bau zu gehen und dort mein phorische Wirkung erzielt werden.) Vor allem für jüngere Drogenabhängige oder sol-
Geld zu verdienen. Ich arbeitete ein Jahr wie wahnsinnig Diese Aufzählung ist nicht vollständig, zeigt aber
Der Aufenthalt in Israel wird von vielen Abhängi- Möglichkeiten auf, wie sie im Kanton Zug prakti- che mit relativ kurzer Drogenerfahrung, eventuell
und konnte alle meine Schulden bezahlen. Ein Kollege gen gewählt mit der Hoffnung, damit vom Heroin als Ergänzung zur Methadonbehandlung wie beim
bat mich um Fr. 2000.-. Er versprach mir, daß ich dafür ziert werden:
loszukommen. Oft gelingt dies während des Auf- einführenden Beispiel, bietet sich die Arbeit mit der
das Doppelte bekäme. Eine Woche später erhielt ich die
Fr. 4000.- von meinem Kollegen zurück, und ich begann enthaltes (in Israel gibt es weniger Heroin), viel- a) Therapeutische Gemeinschaß ganzen Familie an. Dabei gilt es, die heilenden
dann, jeden Monat seinen Heroinhandel zu finanzieren, fach findet aber eine Verlagerung der Abhängig- Kräfte in der Familie soweit zu fordern, daß der
bis mein Kollege ins Gefängnis mußte. Dann holte ich keit von Heroin zu Alkohol statt. Am abhängigen Die geleiteten Therapeutischen Gemeinschaften drogenabhängige Jugendliche in seiner Rolle als
das Heroin selber und mußte dieses auch selber probie- Verhalten, an der Lebensbewältigung ändert sich sind durch gruppendynamische Prozesse geprägt, Problemträger entlastet wird. Drogenabhängigkeit
ren (Qualitätskontrolle), bis ich schließlich nach zwei aber nichts. Das Umsteigen auf Heroin in unse- welche die Entwicklung der einzelnen Mitglieder wird als Symptom betrachtet, welches dazu dient,
Jahren meinen ersten Entzug im Kantonsspital machen ermöglichen. Die Gruppe wird zum Experimen- entwicklungshemmende Mechanismen in der Fa-
mußte. Nach zwei Wochen verließ ich das Spital und
ren Regionen ist somit wieder vorprogrammiert.
Einmal mehr ist die innere Enttäuschung des Be- tierfeld für neue Verhaltensweisen und soll die ein- milie aufrecht zu erhalten. In den Beratungen mit
machte ohne zu zögern mit dem Heroin weiter, bis ich
wieder einmal soweit war und einen weiteren Entzug ma- troffenen und seiner Angehörigen da. Dies depri- gefahrenen, abhängigen Verhaltensmuster verän- der ganzen Familie wird versucht, die Blockierun-
chen mußte. Beim zweiten Mal ging ich für vier Monate miert, weckt Versagergefuhle und schwächt das dern. Mit dem Aufbau und Einbezug der Eigenver- gen aufzuheben und die nötigen Strukturen in der
nach Israel und war dort auch vier Monate drogenfrci. Selbstvertrauen. antwortlichkeit jedes Bewohners trägt jeder zuneh- Familie neu aufzubauen, um die Unabhängigkeit
Doch kaum wieder in der Schweiz, begann das Ganze Die Entwicklung innerhalb einer Suchtkarriere mit mend zu Entscheidungsprozessen bei. Die Thera- aller Familienmitglieder zu erreichen. Damit sind
wieder von vorne. Ich suchte zwar einen Job, aber auch illegalen Konsummitteln ist oft ein wiederholter peutischen Gemeinschaften für Fixer weisen durch wieder befriedigende Beziehungen innerhalb und
nur dem Frieden zuliebe bei mir zu Hause. Doch dies die besondere Situation des Opiatabhängigen spe- außerhalb der Familie möglich. Dies wird über die
ging nur zwei Monate gut und dann war es wieder soweit
Versuch, mit dem Suchtmittel aufzuhören, oft und
wiederholt Täuschung «es selber zu schaffen». Gu- zielle Strukturen auf, die oft auf einem Stufenprin- alltägliche Lebensbewältigung angegangen (über
und ich mußte wieder ins Spital und ein halbes Jahr spä-
ter nach Oberwil (Psychiatrische Klinik). Es war aber tes Zureden bewirkt wenig, helfen, schmerzliche zip basieren. Anfänglich herrscht für den Eintre- eine eindeutige Regelung der finanziellen Unter-
nur ein kurzes Aufhören mit dem Heroin, und ich begann Erfahrungen zu vermeiden, bringt höchstens eine tenden eine starke Reglementierung, die sich nach stützung, bzw. Sackgeld). Die gegenseitigen Ver-
wieder von vorne mit «der Scheiße». Dann ging ich zum Verzögerung für alle Beteiligten. Es ist nötig, daß und nach lockert. Nichtbeachtung führt zu Sank- bindlichkeiten und Grenzen werden neu definiert.
zweiten Mal für acht Monate nach Israel, mit einem Kol- alle Beteiligten,die Angehörigen und der Abhängi- tionen bis hin zum Ausschluß. Der Aufenthalt in
legen, der ebenfalls süchtig war. Doch kaum eine Stunde ge zu dem Punkt kommen, für sich Neuentschei- einer Therapeutischen Gemeinschaft dauert zwi-
wieder in der Schweiz, kaufte ich mir Heroin und es ging d) Selbsthilfegruppenfär Eltern
dungen zu treffen. schen einem und zwei Jahren.
weiter, bis mich die Polizei zum ersten Mal länger fest- drogenabhängiger Jugendlicher
In diesem Sinne ist es zu verstehen, daß S. und sei- Dank der aktiven Hilfe der GGZ konnte die Thera-
nahm und ich drei Monate in Untersuchungshaft war.
Anschließend verbrachte ich zwei Monate in einer statio- ne Umwelt diverse Versuche, Anläufe genommen peutische Gemeinschaft «Sennhütte», Zugerberg, Diese Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit,
nären Therapie. Aufgrund dieser Erlebnisse in den ver- haben, um mit der Abhängigkeit klar zu kommen. im letzten Jahr eröffnet werden. über die stets präsenten Zweifel und Ängste zu

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sprechen, welche Eltern beschäftigen. Sie finden kommen. Ein großes Problem stellt die Freizeit dar. Seine Gesundheit ist gefährdet, seine soziale Inte- Wie die Darstellung zeigt, muß Drogenprophylaxe
die gegenseitige Suche nach Unterstützung und Erst mit dem Durcharbeiten der anfallenden gration ist zwangsläufig erschwert, wird sogar un- auf verschiedenen Ebenen ansetzen und wird mög-
den Kontakt zu Mitbetroffenen. Oft gelingt es, Schwierigkeiten ist es S. möglich, sich zusammen terbunden. Mit der Gefahr der Kriminalisierung licherweise in der konkreten Ausführung nicht
trotz Abhängigkeit der Kinder, wieder eigene In- mit seiner Familie zu entwickeln. Immerhin hat es und der Beschaffung von Geld für den eigenen mehr unbedingt mit Drogenkonsum in Verbin-
teressen aufzunehmen und etwas für sich als Eltern S. bis heute fertiggebracht, daß er mit seiner Fami- Konsum muß sich jeder Konsument zwangsläufig dung gebracht; ist aber immer auch Prophylaxe an-
zu tun, unabhängig davon, ob sich ein Jugendlicher lie die ersten Krisen durchgestanden hat, ohne wie- in die Kriminalität hineinbewegen. Die geltende derer selbstschädigender Verhaltensweisen. Dazu
selbst schädigt oder nicht. der Heroin zu konsumieren. Praxis hat gesamtschweizerisch gesehen das Dro- einige Gedanken und Anregungen:
genproblem nicht gelöst. In diesem Zusammen-
e) Überleben Juristische Aspekte hang ist an eine Revision des Betäubungsmittelge- Drogenproblemen kann vorgebeugt werden,
Alle vorher beschriebenen Therapieformen und Wer illegale Drogen nimmt und/oder damit han- setzes zu denken und unsere Drogenpolitik neu zu
überdenken. - wenn wir erkennen, daß nicht nur der deklarierte
weitere nicht speziell erwähnte, gehen davon aus, delt, macht sich strafbar. Der Kleinhandel ist eine Drogenabhängige süchtig ist, sondern wir alle in
daß der abhängige Konsument illegaler Drogen ge- wichtige Finanzierungsmöglichkeit, um den eige- irgend einer Weise von bestimmten Konsumgü-
heilt (drogenfrei, abstinent, evtl. maßvollerer Um- nen Bedarf zu decken. Wem als Händlerkonsument Ursachenorientierte Drogen-Prophylaxe tern oder Verhaltensweisen abhängig sind. So
gang mit Drogen) wird, oder im Heilungsprozeß 12g oder mehr Heroin nachgewiesen werden kann, können wir uns auch solidarisch mit Abhängigen
weiterkommt. Dabei wird oft von Motivation, Lei- gilt als schwerer Fall und kann mit einem Strafmaß Welche Möglichkeiten gibt es, Drogenprobleme zu
verhindern? Während anfänglich in der Drogen- fühlen. Hilfe findet so nicht mehr von oben nach
densdruck, Erhöhung des Leidensdrucks gespro- vergleichbar mit Mord bestraft werden. Im Kan- unten statt, sondern gleichwertig.
chen. Allerdings läßt sich fragen, was wir für jene ton Zug herrscht eine gemäßigte Strafpraxis. Ein prophylaxe von Information und Abschreckung
Abhängige machen, die nicht bereit sind, den müh- Händlerkonsument wird je nach Menge mit einem vor illegalen Drogen ausgegangen wurde, hat sich - Abhängigkeit ist eine Möglichkeit, auf die zu-
samen Prozeß einer Therapie auf sich zu nehmen bis fünf Jahre Zuchthaus bestraft. Häufig wird die Vorbeugung in den letzten Jahren zunehmend nehmend belastenderen Lebensumstände zu
und dem Anspruch der Gesellschaft auf den Kon- von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Strafe an den Ursachen des Drogenkonsums orientiert. reagieren (Isolation, Zukunftsangst, Sinn-Ent-
sumverzicht von illegalen Drogen zu entsprechen. in eine Maßnahme umzuwandeln, so daß jemand Dabei ist man auf die gleichen Ursachen gestoßen, leerung).
Es bleibt keinem Abhängigen verborgen, daß rund an Stelle des Strafvollzugs in eine Therapie eintre- wie bei anderen Sucht- oder selbstschädigenden
- Es bieten sich immer mehr Möglichkeiten an, be-
um ihn legale Drogen (Alkohol, Medikamente) ten kann. In unserem Beispiel entschloß sich S. Verhaltensweisen (legale Drogenabhängigkeit,
lastenden Situationen auszuweichen, statt sich
mißbraucht, oder Verhaltensweisen getätigt wer- während der Untersuchungshaft für eine stationäre Suizid, Depressionen, Kriminalität, usw.).
diesen stellen zu müssen (TV, Freizeitindustrie).
den, auf die wir kaum bereit sind zu verzichten Therapie. Nach dem Abbruch seines Therapieauf- Um es gleich vorwegzunehmen, es ist nach den
(TV, Arbeit, usw.). enthaltes muß er nun das Strafmaß des Gerichtes heutigen Erkenntnissen nicht möglich, jemandem — Wer genießen kann, wird kaum abhängig (nicht
Daß wir vom Abhängigen illegaler Drogen eine abwarten. Unter den gegebenen Umständen kann «die Schuld» zuzuschieben, auch nicht den Eltern. Drogen sind schlecht, sondern die Art, wie wir
enorme Anpassungsleistung fordern, wird deut- er mit dem bedingten Strafvollzug rechnen. Weil er (In der Beratungstellen wir immer wieder fest, daß damit umgehen).
lich. Es ist denkbar, daß wir eine humanere Hal- sich für eine Methadonbehandlung entschlossen häufig Eltern fast erwarten, daß ihnen die Schuld
zugesprochen wird.) Fest steht, daß an Drogenpro- - In der Familie, in der Schule ist es zunehmend
tung gegenüber Heroinkonsumenten entwickeln. hat, wird dies das Strafmaß noch begünstigen. nötig, Konflikte einzuüben, damit wir auf eine
Das einfache Überleben und das Hinauswachsen Im Kanton Zug werden Haschischkonsumenten blemen immer viele verschiedene Ursachenfakto-
ren beteiligt sind. Diese Ursachenfaktoren lassen konstruktive Art und Weise mit belastenden Si-
aus der Heroinabhängigkeit ist zu fordern. Das Ri- kaum systematisch verfolgt. Dies scheint auch tuationen umzugehen lernen. Auch als Erwach-
siko, als Heroinkonsument zu sterben, muß um je- schwierig, hat doch rund ein Viertel aller Jugendli- sich aufteilen in Merkmale der Persönlichkeit, der
sozialen Situation und der Drogen (selbstschädi- sene können wir uns vermehrt wieder Auseinan-
den Preis verhindert werden. Dazu trägt die Abga- cher Erfahrungen mit Haschisch. Eine allfällige dersetzungen stellen und wo nötig aufnehmen.
be steriler Spritzen bei, die Möglichkeit, sich gegen Verzeigung, z. B. über Personenkontrollen, führt gendes Verhalten). Sie bedingen und ergänzen sich
Gelbsucht und andere ansteckende Krankheiten zu einer Einvernahme. Bei geringen Mengen wird gegenseitig. - Wir müssen Bedingungen schaffen, um der
impfen und behandeln zu lassen, sowie politische das Verfahren oft eingestellt. Bei größeren Mengen Persönlichkeit
wachsenden Entfremdung entgegenzuwirken
Maßnahmen, welche die Schwarzmarktbedingun- werden im Kanton Zug Geldbußen ausgesprochen. und eine neue soziale Vernetzung anstreben, da-
gen aufweichen und Kriminalisierung unnötig ma- Es kann also festgestellt werden, daß rund ein Vier- mit es möglich ist, auch mit Schwierigkeiten, die
chen. Es ist zu prüfen, ob die bisherige prohibitive tel aller Jugendlichen sich bereits in der Illegalität uns alle phasenweise beschäftigen, seien sie fi-
Drogenpolitik revidiert werden muß. Es geht dabei bewegt, indem sie mindestens einmal illegale Dro- nanzieller, psychischer oder sozialer Art, mitge-
weniger darum, daß jemand um jeden Preis geheilt gen konsumiert haben. tragen und nicht ausgestoßen zu werden.
wird, sondern daß der Heroinabhängige überleben Bei harten Drogen (Heroin) führt das geltende Be- - Mit Fantasie und Lust kann kaum eine Sucht
kann. täubungsmittelgesetz dazu, daß ein Heroinkonsu- entstehen.
Bei S. ist die Entwicklung nicht abgeschlossen. Auf ment praktisch nur unreinen Stoff erhält, nicht Soziale Situation Drogen
den optimistischen Anfang werden mit Sicherheit weiß, wieviel, welche Dosis er sich injiziert und (selbstschädigendes Für das Ausarbeiten konkreter Projekte mit obigen
Krisen, z.B. bei der Arbeit oder beim Wohnen ständig auf der Suche nach geeignetem Stoff ist. Verhalten) Zielsetzungen mit Jugendlichen, Eltern, Lehrern,

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Waldschäden bedrohen auch den Zuger Wald

Lehrmeistern, Behörden oder Politikern, sind die Der Wald im Zugerland tion sowie die zu erfüllenden, besonderen Wald-
am Schluß erwähnten Institutionen zusammen mit funktionen. Maßgebend sind die vorhandenen Be-
Das Waldareal umfaßt 25 % der Kantonsfläche stände, die natürlichen Standortsgegebenheiten,
Interessierten gerne bereit. (CH 27 %). 60 % der Waldfläche liegen in der aber auch gesamtbetriebliche Überlegungen. Dar-
Bergzone oberhalb 800 mü. M., 24% in der Hügel- aus werden die konkreten, waldbaulichen Maß-
Beratungsmöglichkeiten im Kanton Zug zone und nur 16% in Mittellandlagen. Den
nahmen abgeleitet, etwa auszuführende Durchfor-
Für die individuellen Beratungen bieten sich die Schutzfunktionen kommen auch im Kanton Zug stungen als Pflegeeingriffe oder Auflichtungen und
beiden Jugendberatungsstellen der evang.-ref. Kirch- hohe Bedeutung zu. Davon zeugen die zahlreichen Räumungen zwecks Verjüngung.
gemeinde und der Jugendberatung an der Ägeri- Bachverbauungen in den Wäldern des Zuger Berg-
gebietes, ebenso die großen Unwetterschäden zwi- Bei der Jahresplanung werden die auszuführenden
straße an. Die Beraterinnen stehen unter dem Be-
schen Zug und Baar im vergangenen Sommer oder Schläge nach Art und Dringlichkeit der Maßnah-
rufsgeheimnis und dem Zeugnisverweigerungs- men festgelegt. Erst in zweiter Linie können auch
recht. Sie können daher vollste Diskretion zusi- jene des Jahres 1976 in Ägeri, Menzingen und Neu-
heim. Nicht umsonst entstanden 40% der heutigen Holzmarkteinflüsse berücksichtigt werden.
chern. Beratungen mit einzelnen und Angehörigen
sind kostenlos und basieren auf Freiwilligkeit. Ne- Waldungen durch Aufforstungen in Bacheinzugs- Bei der Holz- oder Schlaganzeichnung werden jene
ben der individuellen Arbeit engagieren sich die und Rutschgebieten, an den Steilhängen des Zu- Bäume bezeichnet, welche zur Erreichung des
beiden Stellen auch im prophylaktischen und gene- gerberges, auf dem Walchwilerberg sowie im Age- waldbaulichen Zieles entfernt werden müssen. Zur
rellen Bereich. rital und am Höhronen. Die meisten Neuauffor- Steuerung der Wachstumsabläufe stehen dem För-
Für betroffene Eltern bietet sich, wie bereits er- stungen wurden noch vor der Jahrhundertwende ster verschiedene Eingriffsarten zur Verfügung:
wähnt, die Selbsthilfegruppe Eltern Drogenabhängiger angelegt. Innerhalb unserer dicht besiedelten aber — Regulierung der Baumartenmischung unter Be-
Jugendlicher (EDJ) Zug an. Im Kanton Zug gibt es auch landwirtschaftlich intensiv genutzten Region rücksichtigung der natürlichen Standortsver-
seit etwa einem Jahr eine neue Gruppe. Eltern kön- kommt den Wäldern, als Natur- und Landschafts- hältnisse.
nen auch ungeniert dort schnuppern. raum, höchste Bedeutung zu. Deshalb sind die Zu-
— Begünstigung von Auslesebäumen, welche vital,
Seit der Gründung des Drogen Forums Zug im März ger Wälder, auch im Flachland, vor Zerstörung zu
bewahren. stabil und qualitativ wertvoll sein sollten.
1984 engagiert sich das DFZ zusammen mit der
— Standraumregulierung, um den zu begünstigen-
Gemeinnützigen Gesellschaft Zug beim Aufbau
Waldareal im Kanton Zug den Bäumen im Kronen- und Wurzelraum gute
der Therapeutischen Gemeinschaft «Sennhütte»
Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen.
und in der Koordination von Drogenprophylaxe. Produktive Andere Übrige Gesamtes Anteil
Daneben wird der Aufbau der Nachbetreuung und
Waldlliiche bestockte
Flächen
I'lacheii Waldareal - Lichtdosierung für den Haupt- und Nebenbe-
Im ha ha stand sowie für die Verjüngung und die Strauch-
Stellungnahme im Zusammenhang mit der Betäu-
bungsmittelgesetzrevision Aufgabe des DFZ sein. ÖfTcntl. Wälder 3963 265 14 4242 71 und Krautschicht.
Privatwald 1740 8 1748 29
Die Kantonale Kommissionßir Suchtprobleme ist ein be- Zur Zeit der ersten Forstgesetzeserlasse (1876,
ratendes Organ des Regierungsrates. Sie macht Gesamthaft 5703 273 14 5990 100 1902, 1908) bestand das Hauptziel in der Schaffung
Anregungen und bearbeitet Stellungnahmen zu neuer Schutzwaldungen sowie im Aufbau der da-
Suchtproblemen im politischen Kontext. Die Waldbewirtschaftung mals ausgeholzten und verlichteten Wälder. Vor-
Für Anliegen und Anregungen sind die genannten sichert die Waldpflege aussetzung war auch die Ausschaltung der schädli-
Gruppierungen offen. Man wende sich an die un- chen Nebennutzungen und der Waldweiden.
tenstehenden Adressen: Förster und Waldbesitzer berücksichtigen seit lan- Im Lauf der vergangenen Jahrzehnte wurden mit
- Jugendberatung der cvang.-rcf. Kirchgemeinde gem nicht bloß wirtschaftliche Motive, sondern der Walderschließung, der besseren beruflichen
des Kantons Zug, Chamerstraße 6, 6300 Zug auch naturschützerische Überlegungen bei ihren Ausbildung des Forstpersonals und der fachlichen
Telefon 042/2l 3202 Entscheidungen. So wird jeder Holzschlag primär Beratung der Waldbesitzer die Grundlagen für eine
- Jugend-, Eltern- und Drogenberatung als waldbauliche Pflege- und Verjüngungsmaß- gute Waldbewirtschaftung geschaffen. Die hohen
Ägeristraße 56, 6300 Zug, Telefon 042 / 25 35 16 nahme aufgefaßt. Dementsprechend erfolgen Pla- Zuwachsverhältnisse in den Zuger Waldungen ge-
- Selbsthilfcgruppe für Eltern drogenabhängiger nung und Ausführung der waldbaulichen Arbei- statten eine intensive Nutzung. Die Nutzungsbe-
Jugendlicher (EDJ), Kontakt-Telefon 042 / 21 16 80
ten: züge pro Hektare erreichen denn auch beinahe den
- Drogen Forum Zug, Aabachstraße l, 6300 Zug
Die längerfristige waldbauliche Planung setzt die Be- doppelten Betrag des schweizerischen Durch-
— Kantonale Kommission für Suchtprobleme
Poststraße 18, 6300 Zug wirtschaftungs- und Pflegeziele, z. B. die angestreb- schnittes. Dabei hat sich seit der Jahrhundertwen-
David Köpßi te Baumartenmischung, die Art der Holzproduk- de der Holzvorrat von 0,9 Mio. m3 auf 2,2 Mio. m3

124 125
' ohne Schadenmcrkmale

schwach geschädigt

mittelstark geschädigt

stark geschädigt
oder abgestorben

mehr als verdoppelt, obwohl die Waldfläche im Waldschäden auch im Kanton Zug Entwicklung der Waldschäden
Kanton Zug nur noch um etwa 12 % zugenommen KANTON ZUG SCHWEIZ
hat. In derselben Zeit konnten gesamthaft trotz- Waldschäden sind auch in unseren Wäldern un-
dem 2,6 Mio. m:i Holz genutzt werden. übersehbar. Zerstreut über das ganze Waldgebiet Laubholz Fichte Tanne Alle Alle
Baumartcn Baumarlen Baumartcn
finden sich Bäume mit verlichteten Kronen, ver- Anteile % 25 46 26
Holznutzung pro Jahr (1976-1985) gilbten Nadeln oder anderen ungewöhnlichen Er- 100%

Zug Schweiz scheinungsformen. Als wichtigste, sichtbare Scha-


m3 denmerkmale gelten:
80%
Im öffentlichen Wald 35250 3,005 Mio. - Verminderte Anzahl von Nadeljahrgängen
Im Privatwald 7250 1,037 Mio. - Geringere Belaubungsdichte,
Gesamtnutzung 42500 4,042 Mio. eventuell vorzeitiger Laubfall
Nutzung pro Hektare 7,5 4,1 60% :
- Kleine Nadeln oder Blätter
Sortimenlsanteile % %
- Kurze Jahrestriebe
Nadelholz 79 73 40%
Laubholz 21 27 — Geringe Fächerung der Laubholzzweige
Stammholz 75 66 - Zu häufige Folge der Fruktifikation
Industrieholz 15 17 — Verfärbung und Vergilbung von Nadeln
Brennholz 10 17
und Blättern
Die Waldpflegearbeiten wurden ständig verbes- — Klebäste an Tannen, Buchen und Eichen
sert. Die Zuwachsverhältnisse und die nachhaltige Die Schadenansprache erfordert eine gute Beob- 83 84 85 86 83 84 85 86 83 84 85 86
Zusammensetzung der Wälder sind mitbestim- achtung. Insbesondere müssen die Schäden mit be-
mend bei der Planung von Pflege und Verjüngung. kannten Ursachen, z. B. Insektenbefall oder Pilz-
Deshalb besteht das Problem der physiologischen einwirkung, getrennt erhoben werden von Wald-
Überalterung in den Zuger Waldungen nicht. In schäden, deren Ursachen nicht offensichtlich sind stehende Bäume in gelichteten Beständen erschei- angezeichnet werden, wenn sie höchst wahrschein-
den höher gelegenen Wäldern entspricht die und Luftverunreinigungen nicht ausgeschlossen nen häufiger geschädigt, als solche im Bestandes- lich zwei Jahre nicht überleben werden und Sekun-
Baumartenmischung den natürlichen Gegebenhei- werden können. Unter Berücksichtigung der schluß. därschäden durch Insekten oder Pilze zu befürch-
ten, während in den Mittellandwäldern der Laub- Merkmale werden vier Schadstufen gebildet. ten sind. Diese Einschränkungen sollen voreilige
holzanteil weiter erhöht werden muß. Auflichtungen der Wälder durch präventive Holz-
Bodenbearbeitung und Düngung gehören nicht Zuordnung der Bäume zu Schadstufen schläge und damit zusätzliche Risiken und Wert-
Zwangsnutzung durch Waldschäden
zum schweizerischen Waldbaubetrieb. Im Ver- Schad- Bezeichnung Nadd-/
verluste verhindern. Denn die Erfahrung zeigt, daß
gleich mit der Landwirtschaft erntet die Waldwirt- stufe Blattverlust Eine Prognose über den künftigen Schadenverlauf unter günstigen Voraussetzungen selbst stark ge-
schaft nur einen Bruchteil der gesamten Biomasse, 0 ohne Schadenmerkmale 0- 10% gesund ist äußerst schwierig. Denn die Entwicklung ist je schädigte Bäume sich wieder erholen können. Er-
nämlich das Stammholz und stärkere Äste. Gerade 1 schwach geschädigt 1 1 - 25 % kränkelnd nach Baumart, ja selbst von Baum zu Baum unter- reichen die Nadel- oder Blattverluste aber über
die mit Mineralstoffen angereicherten Baumteile — 2 mittelstark geschädigt 26 - 60 % krank schiedlich. Daher wurden die Förster angewiesen, Dreiviertel gegenüber dem Normalzustand, so
Wurzeln, Zweige, Rinde sowie Blätter und Nadeln 3 stark geschädigt über 60% absterbend bei den Holzschlaganzeichnungen für jeden Baum wird eine Regeneration immer unwahrscheinli-
4 abgestorben tot
— bleiben im Wald zurück und stehen der nächsten den Anzeichnungsgrund zu protokollieren. Die cher.
Baumgeneration wieder zur Verfügung. Die Erhal- Fragestellung lautet dabei: Wird der Baum aus rein Trotz der genannten Zurückhaltung wurden im
tung der Bodenstruktur sichert die biologische Bo- Die nebenstehende Darstellung zeigt, daß der An- waldbaulichen Gründen, zwecks Bestandespflege Kanton Zug unter dem Titel «Waldsterben» fol-
denaktivität. In den langen Wachstums- und Pro- teil geschädigter Bäume im Kanton Zug 1983 bis oder Verjüngung entnommen oder handelt es sich gende Zwangsnutzungen angezeichnet:
duktionszeiträumen des Waldes sind die zahllosen 1986 von 14% auf 43% angestiegen ist. Diese Ent- um die Zwangsnutzung eines geschädigten Bau-
Bodenlebewesen, darunter mikroskopisch kleine wicklung entspricht auch den Ergebnissen der ge- mes? Trifft letzteres zu, ist auch die Schadenursa- Volumeiiiinteil nac:h Bnumarlen (%)
Tiere und Pflanzen, dauernd an der Arbeit. Sie samtschweizerischen Waldschadeninventur. Der che anzugeben. Als «Zwangsnutzungen durch Im- Jahr Slamm-
zahl
Volumen Ficlilc Tanne Buche andere

bauen Pflanzenteile ab, belüften den Boden und Kanton Zug liegt in jenem Gebiet, wo die schweize- missionsschäden oder Waldsterben» dürfen nur
schichten ihn um, binden Stoffe und machen diese rische Schadenkarte die Übergänge von mittlerer! solche Bäume notiert werden, bei denen andere 1983/84 3500 5560 25 51 2 22
für die Pflanzen verfügbar. Diese Aktivität macht zu hohen Schadenanteilen ausweist. Exponierte Schadeneinwirkungen nicht offensichtlich sind; ge- 1984/85 3690 6060 44 55 1 0,3
1985/86 4690 6990 34 43 15 8
schließlich das Waldleben möglich. Bäume auf Kreten und an Waldrändern sowie frei- schädigte, aber noch lebende Bäume dürfen nur

126 127
Diese Zwangsnutzungen betragen etwa 13—16% Andererseits muß vermieden werden, daß die Be- Die Waldforschung muß die vernetzten Zusammen-
einer durchschnittlichen Jahresnutzung. Sie sind stände vorzeitig gelichtet werden, weil dadurch in hänge auf breiter Front angehen. Es ist einleuch-
an denselben Orten lokalisiert wie die Bestandes- Schadengebieten der Schadenfortschritt beschleu- tend, daß sich ein Gesamtverständnis nur mühsam
schäden. nigt wird. Die waldbauliche Entscheidungsfreiheit und schrittweise erarbeiten läßt:
Die üblichen Zwangsnutzungen sind in den obigen ist daher bereits eingeschränkt. Denn Durchfor- - Mit Hilfe statistischer Methoden wird in Wald-
Werten nicht eingerechnet. Solche entstehen jähr- stungen sind nun sehr zurückhaltend, vorwiegend schadeninventuren die Ausbreitung und Ent-
lich durch Wind, Schneebruch, Blitzschläge, In- in jüngeren Beständen, auszuführen. Bei Verjün- wicklung der Schäden erfaßt. Durch Verbindung
sekten, Pilze und andere meist bekannte Ursachen gungsmaßnahmen ist noch größere Vorsicht nötig. dieser Kenntnisse mit verschiedenen Einfiuß-
etwa im Ausmaß von 10% der Jahresnutzung. faktoren, lassen sich Hinweise auf die Ursachen
Über Jahrzehnte hinweg gerechnet verursachen Waldschadenforschung ist komplex ableiten. In Baden-Württemberg laufen solche
die einzelnen großen Sturmereignisse Zwangsnut- Aufnahmen seit 1983 und in der Schweiz im Pro-
zungen in derselben Größenordnung.
und aufwendig
jekt «Sanasilva» seit 1984.
Das weitverzweigte Beziehungsgefüge des Waldes
- Seit dreißig Jahren befassen sich die Forscher
und die zahlreichen Außeneinflüsse, wie sie die
systematisch mit experimentellen Untersuchun-
Beeinträchtigung der Waldbewirtschaftung Darstellung schematisch aufzeigt, setzen dem mo-
gen über die Auswirkungen von Luftschadstof-
nokausalen Denken unüberwindliche Grenzen.
Geschädigte Bäume drosseln das Wachstum lange fen auf Wald und Pflanzen.
Natürliche Faktoren und die menschlichen Tätig-
bevor die Schadensymptome sichtbar werden. Die keiten in verschiedensten Bereichen, wirken in - In Dauerbeobachtungsflächen versucht man,
Zuwachseinbuße am Einzelbaum kann durch Jahr- zahllosen Kombinationen auf den Wald ein. Diese Aufschluß zu erhalten über die verschiedensten
ringmessungen relativ einfach bestimmt werden. Die Tatsache bereitet auch dem Förster bei der Scha- natürlichen und künstlichen Einwirkungen auf
Ermittlung der gesamten Zuwachsverminderung dendiagnose immer wieder Schwierigkeiten. Die die Wälder. An solchen Arbeiten ist auch der
des Waldes ist aber mit großen methodischen naturwissenschaftliche Forschung war bisher fixiert Kanton Zug beteiligt.
Schwierigkeiten verbunden. Bei der nächsten auf die Ursache-Wirkungsketten. Heute muß sie
Waldinventur im Kanton Zug wird dieses Problem sich den Erkenntnisfragen gegenüber der leben- Einzelkenntnisse über Schadenursachen
auch untersucht werden. Aus dem Zuwachsrück- digen Welt stellen. Ernsthafte Wissenschafter
gang resultiert keine Qualitätseinbuße, welche die bezweifeln nämlich, ob die jetzige Methodik der - Jahrzehntelange Beobachtungen beweisen die
technische Verwendbarkeit des Holzes einschrän- Naturwissenschaft überhaupt befähigt ist, einen Schädlichkeit von Rauchgasen. Früher traten
ken würde. Holz absterbender Bäume weist aber Organismus als Ganzes oder die Biosphäre voll zu Waldschäden meist im begrenzten Einflußbe- B
reich bestimmter Betriebe auf. Verursacher und f C
andere Feuchtigkeitswerte auf als Holz von gesun- verstehen.
den Bäumen. Unterschiede im Trocknungsvor- Emissionsart waren bekannt. Die Kausalzusam-
Wichtigste Faktoren, die sich gegenseitig Zweigwachstum bei Buchen als Vitalitätsmerkmal
gang der gefällten Stämme können die Befalls- menhänge sind dort somit eindeutig. Man
möglichkeiten durch Pilze und Insekten verändern. beeinflussen und zu Waldschäden führen können: sprach von «Rauchschäden». Geht man den al- Vitalität und Gesundheit von Buchen können am Längenwachs-
tum und an der Verzweigung der Aste beurteilt werden. Der
Bei sachgerechter Lagerung und rechtzeitigem nach Dr. Theo Keller, EAFV ten Berichten über solche Schäden nach, erwei- Übergang von einem Jahrestrieb zum anderen ist durch Quer-
Einschnitt in der Sägerei sind keine Schäden zu sen sich die Befunde absolut vergleichbar mit striche markiert.
Luftverunreinigungen
erwarten. Art, Dauer, Konzentration, Synergismen den heutigen Beobachtungen. Sie sind auch mit A Normaler Buchenzweig, fächerartig verzweigt
Die Holzqualität verschlechtert sich dann, wenn Fotodokumentationen belegt. B Haupttrieb mit verringertem Wachstum und kurzen Seiten-
die geschädigten Bäume stehend absterben und - Die weiträumige Luftverschmutzung ist heute trieben
erst als sogenannte Dürrständer geerntet werden. unbestritten. In neuerer Zeit suchte man die C Das Wachstum des Haupttricbes stagniert und Seitcntriebe
Die Einbußen sind beispielsweise beim Laubholz ständig zunehmenden Abgasmengen mit immer werden nicht mehr gebildet.
und bei Föhren besonders groß. Deshalb ist es höheren Kaminen aus den Agglomerationen und
wichtig, die absterbenden Bäume noch rechtzeitig Industriegebieten in entfernte Gebiete zu ver- Rohstoffreserven, welche vor 200 bis 300 Millio-
zu nutzen. In gut erschlossenen Wäldern war dies frachten. Die gewaltige Zunahme des fossilen nen Jahren gebildet wurden, innert weniger Ge-
bisher möglich. Brennstoffverbrauches für Verkehr, Feuerung nerationen zu verbrauchen. Mit den technischen
Die Schadenentwicklung verursacht schon heute und Industrie machte aber den Verdünnungsef- Verbrennungsprozessen werden nämlich in um-
eine große Unsicherheit bei der Holzschlagdisposi- fekt wieder zunichte. Die massive Beeinflussung gekehrter Richtung, beinahe explosionsartig,
Krankheitsanlalligkeit der Umwelt ergibt sich aus der Tatsache, daß die jene Stoffe wieder freigesetzt, zu deren Anreiche-
tion und bei den konkreten Holzanzeichnungen. Pilze, Insekten, Viren
Einerseits müssen die Wälder gepflegt werden. Menschheit seit der Industrialisierung daran ist, rung die Natur Millionen von Jahren benötigte.

128 129
Zweig einer geschädigten Tanne

- Seh
- Stickuxiclc
- Schwcrmct;
- Fluor
- Chemische t ' i n w ; i i i (

Luft. Ein Baum setzt derart große Luftmengen Die Luftverunreinigungen wirken
- unmittelbar über die Luft auf Nadeln
um, daß der Grad der Luftverschmutzung nicht und Blätter
gleichgültig ist. - direkt über Regen und Nebel auf die
Experimentelle Untersuchungen, auch an Wald- Blattorgane
- über Regen und Nebel auf Boden und
pflanzen, haben zahlreiche Fremdstoffe in der Wurzeln
Luft einwandfrei als pflanzenschädigend nach- - durch Veränderung der Lebens-
gewiesen. Zum Beispiel Schwefeldioxid SO^, bedingungen für Parasiten (Pilze,
Stickstoffdioxid NO 2 , Ozon O3. Es wurde festge- Insekten, Mikroben).
stellt, daß durch gleichzeitige Einwirkung ver- (aus dem Bericht «Waldstcrben und Luft-
verschmutzung» des EDI, Bern, 1984)
schiedener Stoffe und Verbindungen, bereits bei
geringen Dosierungen, die Reaktionen der Pflan-
zen erheblich verstärkt werden (Synergismusef-
fekt). Zuwachsverluste und innere Zellschädi-
Eine vitale Tanne kann bis zehn Nadel Jahrgänge aufweisen. Die-
ser Zweig eines geschädigten Baumes hat nur noch einen voll- gungen, verursacht durch Giftstoffe, können auf-
ständigen Nadeljahrgang. Die Jahrgänge zwei und drei sind ge- treten, lange bevor äußere Schadenmerkmale
lichtet und die älteren fehlen ganz. sichtbar werden.
Die Baumkronen filtern zum eigenen Nachteil
Die Luftströme verbreiten sich unkontrolliert große Schadstoffmengen aus. Die schädigenden
und über alle Grenzen hinweg. Sie finden Einwirkungen erfolgen über die Spaltöffnungen
Zugang zu den Wäldern ohne Rücksicht auf de- der Blätter und Nadeln. Ätzende Säuren zerstö-
ren Pflegezustand, Bewirtschaftungsform oder ren die schützenden Wachsschichten und drin- Zusätzlich zu den toxischen Einwirkungen ver- hang mit der dichten Besiedlung, der Industrie
lokale Standortbedingungen. gen direkt in die Blätter ein. Die Auswaschung mindern die Luftschadstoffe die Resistenz der und dem großen Verkehrsaufkommen, also
- In der Atmosphäre gehen zahlreiche Luftfremd- wichtiger Nährstoffe aus den lebenden Zellen ist Bäume gegen Temperaturextreme und Trocken- einem hohen Energieverbrauch, ist gegeben.
stoffe wechselnde, chemische Verbindungen ein. an den Verfärbungen im Blatt- und Nadelwerk heit. Sonst erträgliche Witterungsverhältnisse
So entsteht beispielsweise durch Reaktion der zu erkennen und im Stammabfluß zu messen. können daher bei vorbelasteten Bäumen große
Stickoxyde mit dem LuftsauerstofT, unter Ein- Zellschädigungen beeinträchtigen oder verun- Schäden anrichten.
Folgerungen
wirkung des Sonnenlichtes, Ozon. Ist die Abgas- möglichen dann die Assimilation sowie die Was- Den Klimafaktoren mit ihren ständigen, großen Der strenge Kausalbeweis, die Luftverschmutzung
konzentration zu hoch, resultieren unstabile ser- und Nährstoffversorgung, also die wesent- Schwankungen sind die Wälder immer ausge- führe zum Waldsterben, ist wohl nicht erbracht. Es
Verbindungen. In ländlichen Gebieten und in lichen Lebensfunktionen des Baumes. setzt und vielfach daran angepaßt. Sie vermögen sprechen aber so viele Indizien dafür, daß es leicht-
höheren Lagen wird die Bildung von Ozon und In der agglomerationsnahen Probefläche im den Schadengang zu beeinflussen, können aber sinnig wäre, die großen Risiken, die unseren Lebens-
anderen, pflanzenschädigenden Photooxydan- Kanton Zug wurden im Buchenlaub und in den nach den bisherigen Untersuchungen nicht als raum bedrohen, zu verkennen.
tien durch die intensive Einstrahlung begünstigt. Fichtennadeln erhöhte Schadstoffgehalte fest- Hauptursache des Waldsterbens gelten. Förster und Waldbesitzer allein sind nicht in der
Infolge der weiträumigen Verlagerung der Luft- gestellt. Diese Schlußfolgerung lassen auch die bisheri- Lage, das Waldsterben zu verhindern, Die Bedro-
massen entstehen daher auch Waldschäden in Analog zur Übersäuerung der Seen wurden auch gen Untersuchungen auf Zuger Probeflächen zu. hung kann nur gebannt werden, wenn alle Gesell-
großer Entfernung von den Emittenten. Auch in Bodenveränderungen festgestellt. Fremdstoffe, Nach den Auswertungen der Waldschadenin- schaftskreise wirksam zur Umweltentlastung bei-
den Probedächen des Kantons Zug wurden hohe wie Schwefel- und Salpetersäure, gelangen mit venturen haben auch Bestandeszusammenset- tragen. Die Ökologie muß im wirtschaftlichen
Luftschadstoflkonzentrationen gemessen, im den Niederschlägen in die Erde. Dort verur- zung und Pflegezustand der Wälder nur einen Bereich als «Langzeitökonomie» entsprechend be-
Sommer vor allem Ozon und im Winter Stick- sachen sie die Nährstoffauswaschung, und bei geringen Einfluß auf die Schädigung. achtet werden.
oxyde. genügender Konzentration zerstören sie die Pilze und Insekten sind als Sekundärschädlinge Werner Giß
- Die tiefgreifende Veränderung des Lufthaus- Bodenlebewesen, die Wurzelpilze und die Fein- auf geschwächten Bäumen seit langem bekannt.
QUELLENHINWEIS:
haltes kann nicht ohne Wirkung auf zahlreiche wurzeln. Damit werden Wasser- und Nährstoff- Ob allenfalls die Immissionseinwirkungen deren
natürliche Lebensabläufe bleiben. Daß die aufnahme der Bäume empfindlich gestört und Verhalten ändert, ist eine offene Frage. Publikationen der Eidg. Anstalt für das forstliche Versuchswescn, Bir-
mensdorf (EAFV), die Auswertungen der Waldschadeninventuren der
Pflanzen, insbesondere die langlebige Baumve- schließlich die Verankerung im Boden ver- Das Waldschadenphänomen, das uns bedroht, Schwci/ (Sanasilva) und von Baden-Württemberg, Schweizerische
getation, davon zuerst betroffen werden, ist ein- schlechtert. ist verbreitet in weiten Gebieten Mitteleuropas, Zeitschrift ftir Forstwesen, Bulletins des Schweizerischen Forstvereins,
Holz/cntralblatt, Forstwisscnschftl. Ccntralblalt, Allgemeine Forst-
leuchtend, beziehen sie doch den Hauptbestand- Die ersten Untersuchungen auf Zuger Probeflä- in Nordamerika, in Japan und in Ballungsräu- zeitschrifl. Untersuchungen des Instituts für angewandte Pflanzenbio-
teil ihrer Nahrung, den Kohlenstoff, aus der chen weisen auf Probleme hin. men der Entwicklungsländer. Der Zusammen- logic, Schönenbuch, im Auftrag des Kantons Zug.

130 131
Serie von Kronenbildern

Aufgenommen und zur Verfügung gestellt durch die EAFV

Fichte Fichte Fichte Fichte Tanne Tanne Tanne Tanne


gesund und voll benudclt schwach geschädigt, mittelstark geschädigt, stark geschädigt, mit beginnender Verlichtung, mit Verlichtung im mittleren noch zu 50 % benadelt. nur noch zu 25 % benadelt,
Benadelung 75 % Benadelung 55 % Benadelung 25 % Benadelung 75 % Kroncnbereich, Durch das reduzierte Längen- stark geschädigt
Benadelung 70%. wachstum der Zweige erscheint
Das Triebwachstum erscheint der Gipfel als «Storchennest».
noch gut.

Buche Buche Buche Buche iiche Eiche Eiche Eiche


beginnende Verlichtung in mit Kronenverlichtung aber mit kurzen Seitentrieben. stark verlichtet mit sehr kurzen oll belaubt und vital mit beginnender Verlichtung 70 % belaubt, stark geschädigt, mit toten
der Kronenperipherie noch guter Verzweigung Belaubung 55 % Seitentrieben. Belaubung 25 % der Krone. Bclaubung 75 % geringe Verzweigung, Blätter Ästen. Belaubung noch 25 %
der Äste. Belaubung 65 % büschelweise angeordnet

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1986: Bemerkenswertes

Erinnerungsbilder

Zug. Einfamilienhaus Weinbergstraße 4


Das bescheidene Einfamilienhaus aus den zwanziger
Jahren war architektonisch ausgezeichnet durch einen
originellen talseitigen Balkonausbau. Für die jüngere
Zuger Kunstgeschichte hatte es Bedeutung als ehemali-
ges Wohnhaus des Bildhauers Fritz Wotruba in den Jah-
ren 1938-1945; in dieser Zeit war das Haus nicht nur Ort
des künstlerischen Schaffens, sondern auch Treffpunkt
bedeutender Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur
und Kunst (vgl. Josef Brunner: Der Bildhauer Fritz Wo-
truba in Zug 1938-1945 in ZNB1 1975).

Zug. Haus Ägerislraße 98 Zug. Haus Vorstadt 26


ISMHE
Das Haus war ein typischer Vertreter jener schmucklo- Das «Vorstädtli» war noch eine — weitherurn die letzte —
sen, jedoch gut proportionierten spätbiedermeicrlichen Wirtschaft, wie sie unsere Väter und Großväter kannten.
Unterägeri. Ehemaliges Kindersanatorium «Theresia» Wohnbauten, wie sie an den in der ersten Hälfte des 19. Das alte Haus war ursprünglich im späten 16. Jahrhun-
Die Gebäudegruppe an der Seestraße, bestehend aus Jahrhunderts angelegten städtischen Ausfallstraßen - in dert entstanden, in den Jahren 1895-1897 aber durch-
dem aus den 1840er Jahren stammenden, spätbieder- diesem Fall derjenigen nach Ägeri und Menzingen — au- greifend umgebaut worden. Aus dieser Zeit stammte
meierlichen Haupthaus, Liegehalle und weiteren Neben- ßerhalb des alten Stadtbercichs allenthalben entstanden. auch die Fassade und das Mansardcndach. Es war zu-
bauten sowie Badehaus, beherbergte zunächst die «Dur- So bescheiden das Haus sich gab, so gepflegt war seine nächst vorgesehen, wenigstens die Fassade zu erhalten,
rer'sche Kuranstalt», bevor sie der Pionier der Tuberku- Innenausstattung bis in die Details. Als zeitweiliges was jedoch aus bautcchnischen Gründen dann unterlas-
losebekämpfung Dr. med. Josef Hürlimann (1851—1911) Wohnhaus des Bildhauers August Weckbecker-Schö- sen wurde. Das neue Haus hat große Ähnlichkeit mit
übernahm und in ihnen ab 1881 das erste Kindcrsanato- nenbcrgcr, dessen in Zug bekanntestes Werk der Hochal- dem abgebrochenen und integriert sich gut in die Häu-
rium im Ägerital schuf. tar der Oswaldskirche ist, war es Teil der Erinnerung an serzeile. Der Baubestand der Vorstadt besteht bald zur
Die Anstalt wurde zu diesem Zwecke in jene Form ge- diesen mit Zug eng verbundenen Münchener Künstler. Hälfte aus in dieser Weise integrierten neuen Häusern.
bracht, in der sie bis 1986 aufrechtstand. Mit dem Haus
verschwand also auch ein Stück schweizerischer Medi-
zingeschichte.
Von der alten zur neuen Bibliothek
Mit der Neueröffnung im vergangenen Herbst heißt die sondere als Freihandbibliothek nahe an den Benutzer
Stadtbibliothek nun Stadt- und Kantonsbibliothek, nachdem herankommt, im weiteren ein Lesesaal mit einem gut
ihre Aufgaben neu festgelegt worden sind. Eine Zusam- ausgebauten Bestand von Nachschlagewerken und ande-
Cham. Bootshütte des Ruderclubs
menarbeit mit dem Kanton ergab sich schon im Jahre ren Informationsmittcln, die Tugiensia als Sammlung
Ein unscheinbares Stück alt Cham ist mit der alten 1941, als die Bände der Kantonsbibliothck in der Stadt- des zugerischen Schrifttums sowie die Bibliothek als
Schiffshüttc verschwunden. Ursprünglich Lagerhaus der hibliolhck deponiert wurden. Im wesentlichen wurden Koordinationsstelle für andere Bibliotheken, vorab für
Milchsiederei, wurde sie 1920 dem zwei Jahre zuvor ge- für das gemeinsame Projekt die Empfehlungen der «Bi- den interbibliothekarischen Leihverkehr.
gründeten Ruderclub von der «Nestle» zur Verfügung bliotheksplanung im Kanton Zug» aus dem Jahre 1974 Die alte Bibliothek befand sich im ehemaligen städti-
gestellt, bis sie 1946 in sein Eigentum überging. übernommen, die von einer durch die Regierung einge- schen Zeughaus, in dem sie seit dem Jahre 1910 einge-
Bleibt zu hoffen, der Erfolg sei den Chamer Ruderern setzten Arbeitsgruppe erarbeitet worden waren. richtet war. Vorher war die Stadtbibliothek seit 1838 im
auch im neuen Bootshaus - Hütte wird man es kaum Die Hauptaufgaben sind das Ausleihen von Büchern und Zurlaubcnpfrunclhaus am Burgbach untergebracht. Vor
mehr nennen dürfen — weiterhin treu. anderer Medien in der öffentlichen Bibliothek, die insbe- 150 Jahren, anno 1836, wurde die gemeinsam geführte

134 135
im Jahre 1976 neu vorgeschlagen und diente bald der all- Es war ein erklärtes Ziel der jetzigen Restauration, die
gemeinen Zielsetzung, nachdem verschiedene Abklärun- Originalsteine wenn immer möglich zu schonen, zu er-
gen durch Fachleute die Eignung des historischen Ge- halten. Nur an den ursprünglichen Steinen spüren wir
bäudes bestätigten. Im Bericht aus dem Jahre 1980 der die Intention des damaligen Steinhauers, erkennen wir
vom Rcgierungsrat und vom Stadtrat eingesetzten pari- die angewandte Technik und die Behandlung. Beides ist
tätischen Kommission wurden das gemeinsame Projekt, für den Ausdruck eines Gebäudes wichtig, wenn wir
der Standort im Kornhaus und eine finanzielle Beteili- nicht mit «Theatcrkulissen» vorlieb nehmen wollen. Aus
gung des Kantons zu einem Drittel am Bau und am Be- diesen Gründen sind denn nur sehr sparsam Steinaus-
trieb empfohlen. Hierauf wurde anfangs 1981 ein Projek- wechslungen vorgenommen worden. Alle sichtbar be-
tierungskredit durch den Großen Gemeinderat beschlos- schädigten Stellen wurden mit Mörtel geflickt und die
sen. Die Rücksicht auf die bestehende Bausubstanz und Schalen mit Kunststoffharz an den Kern zurückgcklebt.
mit ihr die Dispositionsmöglichkeitcn erforderten eine Zum Schutz gegen die rasante Zerstörung kam die be-
anspruchsvolle Planung. Der Große Gcmcindcrat und reits 1974 an der Westseite bei den Portalen angewandte
das Volk beschlossen Ende 1983 mit großem Mehr die Methode der Steinverfestigung zur Anwendung. Die
neue Bibliothek, ebenso der Kantonsrat in der Folge die Streben erhielten gegen eindringendes Wasser eine Blei-
Partnerschaft des Kantons. Im Jahre 1984 beschloß der abdcckung. Trotz einer sorgfältigen Behandlung können
Große Gcmeinderat zusätzlich einen Kredit für die Ak- Umweltbeschädigungen nicht gänzlich vermieden wer-
tualisierung des Bücherbestandes. Damit wurde es mög- den. Wir versuchen, unsern Nachkommen eine gut erhal-
Bibliothek in einen religiös-geistlichen und einen weltli- lich, daß statt 18000 nun gegen 30000 aktuelle Bücher
chen Bücherbestand aufgeteilt. Die theologischen Werke tene, kulturgeschichtlich aussagekräftige Oswalds-Kir-
zur Verfügung stehen. che zu übergeben.
verblieben in der Pfarrbibliothek, die übrigen Bände bil- Die Unbequemlichkeiten im alten Zeughaus sind nun
deten den Grundstock der Stadlbibliothck. Derselbe Grundgedanke galt auch bei den Umbauten
vorbei. Als Trost mag die heimelige Atmosphäre des und Veränderungen im Innern der Kirche. Den eigentli-
Einen Durchbruch im doppelten Sinne gab es, als die Hauses und das gemütliche Knarren der Stiegen in Erin-
Verwaltung der Bibliothek im Jahre 1974 in das Nach- chen Anlaß bildete die gänzlich unbefriedigende Warm-
nerung bleiben, über die unzählige Bücher getragen wer- luftheizung. Für jedermann war die starke Verschmut-
barhaus verlagert werden konnte. Damit wurde ein grö- den mußten. Als neuer Standort erstrahlt nun das Koni-
ßerer Raum für eine Freihandbibliothek frei. Die Benüt- zung sichtbar. Die Fachleute bemerkten zusätzlich den
haus in alter Schönheit. Das häßliche Treppenhaus ist schädlichen Einfluß der raschen Wechselwirkung von
zerzahl erhöhte sich darauf ruckartig, ebenso auch mit nach historischem Vorbild durch einen Turm ersetzt
der Einfuhrung der Gratisausleihc im Jahre 1978. Waren trockener und feuchter Luft auf das Orgelwerk und die
worden. Die Freihandbibliothek mit einer eigenen Ju- bemalte hölzerne Ausstattung. Den physikalischen Ge-
es 1973 knapp 27 000 Ausleihen, stiegen sie im Jahre 1984 gendabtcilung wurde leicht zugänglich und übersichtlich
auf rund 131000, eine Zunahme, die alle anderen setzen entsprechend wärmte sich der Kirchcnraum von
gestaltet. Eine EDV-Anlage erleichtert die Ausleihe und oben nach unten, was bis 6° Celsius Unterschied mit sich
Schweizerischen Bibliotheken übertraf. Die räumlichen vermittelt dem Benutzer einen Überblick über das Me-
Verhältnisse im alten Zeughaus wurden bei dieser er- brachte. Die veraltete Heizungsanlage wurde nach län-
dienangebot. gerem Abwägen durch eine Fußbodenheizung ersetzt.
freulichen Benützung prekär und erforderten vom Be- Somit konnte das Kornhaus aus dem Jahre 1530, das den
nutzer wie vom Bibliothekspersonal Anpassungsvermö- Drei wesentliche Eigenschaften führten zu diesem Ent-
körperlichen Bedürfnissen diente, sich gewissermaßen scheid: l.Die Wärme wird dort abgegeben, wo sie auch
gen und besondere Rücksichtnahme. selbst verwirklichen, indem es nun den Geist ernährt.
Die neue Bibliothek befindet sich nun im alten Korn- benötigt wird — beim Menschen. 2. Die Temperaturen
haus, der nachmaligen Kaserne. Dieser Standort wurde Olhmar Kamer, Stadtpräsident können tief, d.h. bei 12.-14 °C gehalten werden, was ge-
nügt. 3. Der Energieverbrauch wird gesenkt, eine wichti-
ge Aufgabe unserer Zeit. Das Aufbringen von Isolations-
wolle auf alle Gewölbe sowie die doppelte Verglasung der
Fenster sind weitere Energiesparmaßnahmen. Die von
Einige Gedanken zur Restaurierung der St.-Oswalcls-Kirche 1935 stammenden Glasgemälde im Chor wurden so
montiert, daß sie in einem Katastrophenfall schnellstens
demontiert und geschützt werden könnten.
Wie verschieden reagiert doch der Besucher auf die bald Beschädigungen auf. Warum? Die verschmutzte Luft, Eine ganz besondere Wertschätzung zollten wir der Ge-
zu Ende geführte Instandstcllung der «Ooslete»; der eine kombiniert mit Regenwasser und Nebclfeuchtigkeit ver- wölbebemalung. Die fantasiereichen, handwerklich erst-
bemerkt nur wenig Veränderung, der andere entdeckt sie ändert und löst den Kalk im Sandstein. Der Stein körnt klassig aufgemalten Blumengcbinde erforderten eine
in vielfältiger Art. Bestimmt, der innere Bezug zu diesem aus, zerbröckelt oder schält sich; er beginnt, seine Kontu- sorgfältige Freilegung und bedürfen heute einer entspre-
Gotteshaus spielt hier mit. Es ist ja nicht unwichtig, was ren zu verlieren und wird nach und nach unkenntlich. chenden Pflege. Dieses wichtige Anliegen findet in der
für Erlebnisse, Eindrücke und Wertungen den Betrach- Diesem Zerslörungsprozcß sollte soweit wie möglich neuen Heizung, die über die gesamte Raumhöhc dieselbe
ter prägen und begleiten. Deshalb scheint ein Wort über Einhalt geboten werden. Aber wie? Früher wurden — Wärme ausstrahlt, die gewünschte Antwort. Somit ist ein
dir Zielsetzung und Umgestaltung unerläßlich. vielerorts auch heute noch - alle ruinierten Steine samt maximaler Schutz gegeben und eine bestmögliche Erhal-
Beginnen wir außen. Beinahe sämtliches Stein-Bildwerk, und sonders durch neue Werkstücke ersetzt. Betrachten tung der Innenausstattung gewährleistet.
alle Streben, eine enorme Menge einzelner Steine und wir die Oswalcls-Kirchc , so spüren wir diesen letzten
auch größere Flächenpartien wiesen kleinere bis starke derartigen Eingriff außergewöhnlich stark. Arlur Schweranann

136 137
125-Jahr-Feier der Kantonsschule Zug bau, Zug um 1860, Relief und OL-Karten, Freizeitsport penkonzert. Die größte Überraschung und die schönste
1961-1986, Zuger Musiklandschaft, 60 Jahre Kolina, Freude bereitete uns die Vereinigung ehemaliger Kan-
Das Schuljahr 1985/86 stand ganz im Zeichen unserer Engadin 1985 und Seeüberquerung 1985, geographische tonsschüler (VEK), die uns an ihrer Generalversamm-
125-Jahr-Feier. Seit längerer Zeit bereitete eine Projckt- Verteilung der Kanti-Schüler, Workwcek in England, lung den «Phänomcna-Kugelbrunnen» schenkte.
gruppe, bestehend aus Lehrern und Schülern, die Jubi- Vivre le francais au Languedoc, Aspekte zum Zugersee, Ein Festgottesdicnst mit anschließendem Festakt — es
läumsanlässe sorgfältig vor. Jürg Iten, der umsichtige Kanti läuft um den Erdball. sprach unser Erzichungsdircktor Dr. Anton Scherer —
OK-Präsident, prägte mit den Kennworten «Marsch- Die Außenwand des Hauptgebäudes zierte eine fortlau- umrahmte das Jubiläum.
halt» und «Durchzug» die Leitideen unserer Bemühun- fende Zeichnung. Mclallfigurcn, Farbpyramide und pla- Den Abschluß bildete die Matura- und Diplomfcier. In
gen. Beschönigung war nicht gemeint, sondern Analyse tonischen Körpern begegnete man in den Außenanlagen. einer gemeinsamen Feier konnten die Rektoren des
und Auseinandersetzung. Wir wollten Erinnerungen Da uns (noch) eine Aula fehlt, wurde für 1000 Personen Obergymnasiums und des Wirtschaftsgymnasiums im
wachrufen und alte Urteile überprüfen. ein Festzelt aufgestellt. Hier konnten sich Schüler, Leh- Festzclt 249 Schülerinnen und Schülern das Matura-
rer und Gäste tagsüber verpflegen und sich am Abend und Diplomzeugnis aushändigen.
am Jazztanz, Jazzkonzert und am Schüler/.irkus erfreu- Das Jubiläum der Kantonsschule mit seinen Hauptsäu-
Marschhall
en. Ein großer Fackclzug durch die Stadt mit anschlie- len «Marschhalt» und «Durchzug» gehört der Vergan-
ßender Brandrede von Rektor W.Zürcher bildete den genheit an. Die Verantwortlichen hoffen, daß das Erleb-
1961 - zur Zentenarfeier der Kantonsschule - erschien Auftakt zu einem Lehrer- und Schülerfest. nis bei vielen Lehrern und Schülern nachwirken und
die Festschrift von Dr. Albert Renner, in welcher die Ge- Die Verbundenheit mit der Kantonsschule bekundete neue Impulse schaffen wird.
schichte der Schule in den ersten hundert Jahren darge- die Kadettenmusik der Stadt Zug mit einem Frühschop- Hans Schüler
stellt wurde. Sie gibt uns das Bild einer kontinuierlichen,
organischen Entwicklung von 1861 bis 1961. viele Dokumente und Fotos, sowie die Schüler- und Leh-
Nur ein Vierteljahrhundert ist seither verstrichen, aber rerbeiträge zur 125-Jahr-Feicr.
in diesen letzten 25 Jahren hat sich die Kantonsschule ge- Große Beachtung in der Öffentlichkeit fand auch der im
radezu stürmisch verändert. Nicht nur die Schüler- und Verlaufe des Schuljahres durchgeführte Vortragszyklus 300 Jahre Zunft und Bruderschaft der Müller, Bäcker und Zuckerbäcker der Stadt Zug
Lehrerzahlen sind sprunghaft angestiegen, was umfang- «Lehrer sind nicht nur Lehrer». Verschiedene Kollegen
reiche und kostspielige Neubauten /ur Folge hatte. Auch berichteten über ihre außerschulischen Tätigkeiten. Das
im Innern erlebte die Schule einen bedeutenden Erneue- Angebot war vielfältig und erstreckte sich von Pädagogik Jubiläen müssen gefeiert werden. Bei solchen Festivitä- wenn wir in alten Quellen immer wieder auf die enge
rungsprozeß. Mit Reformen versuchte sie sich den Be- über Philosophie — Sprache — Biologie — Musik - Ethnolo- ten stehen die altehrwürdigen Zünfte nie an letzter Stelle. Verbindung von Zunft und religiöser Bruderschaft hin-
dürfnissen der Zeit anzupassen. Unsere beiden Haupt- gie — Religion — Literatur — bis hin zur Mikroelektronik. 300 Jahre sind keine Kleinigkeit. Schließlich hat man gewiesen werden, so daß die Bruderschaften, in die oft
lehrcr, Dr.Aimc Wilhelm und Dr. Heinz Greter, erklär- Der Kantonsschulral bewilligte — als Versuch — fächcr- sich schon 1886 mit großem Pomp und Umzug des 200. auch ganze Familien einbezogcn wurden, als religiös-
ten sich spontan bereit, diese letzten 25 Jahre in einer übergreifende Wahlpflichtfachkurse für die Maturan- Jahres angenommen, wobei damals noch in der Gewiß- kirchliche Verbände geradezu als die Urform der Zünfte
Festschrift darzustellen. Der umfangreiche Stoff zwang dcn. Im Team Tcaching wurden «Philosophie/Mathe- heit gefeiert wurde, daß die Jahreszahl stimme. Heule angesehen werden können. «Zunft und Bruderschaft»
uns, zwei Bände herauszugeben: Band l (Dr. A. Wil- matik» und «Biologie/Turnen» unterrichtet. Die ge- sind mehr als berechtigte Zweifel aufgekommen. Eine ge- heißt es deshalb noch heute bei der Bäckerzunft. Und so
helm) zeigt treffend die gesamtgesellschaftlichen Verän- machten Erfahrungen mit dem interdisziplinären Unter- nauere Prüfung der «Zunfturkunde» läßt nämlich erken- hatte denn jede Zunft ihren Heiligen als Schutzpatron
derungen auf, welche sich prägend auch auf unsern richt sind sehr ermutigend und sollten zukünftig in unse- nen, daß 1688 das wahrscheinlichere Gründungsdatum mit eigenem Altar, mit gestifteten Jahrzeiten, Seelenmes-
Schulalltag auswirkten. Band 2 (Dr. H. Greter) enthält rem Fächerangebot nicht mehr fehlen. ist. Aber was soll's: die Vorbereitungen waren im Gang, sen, Wachs- und Lichtopfern. Die Bäcker hatten die hei-
und die Bäckcrzunft ist ja ohnehin viel älter; denn die lige Agatha zu ihrer Schutzpatronin gewählt, auf daß sie
Zunftartikel von 1688 besagen mit aller Deutlichkeit, daß bei der Feucrgcfährlichkeit ihres Berufes von ihr vorzeit-
Durchzog es sich damals nicht um die Gründung handelte, sondern lichem und ewigem Feuer bewahrt würden. Ihr galten
Während des ganzen Schuljahres bereiteten sich Lehrer um eine Erneuerung der «Uhr-Alten Bruderschafft der denn auch die ersten Artikel der Zunfturkunde. In weite-
und Schüler für die Festwoche vor. Der Unterricht wurde Heiligen Jungfrauen und Martyrin Agathae». So bese- ren Artikeln wurden dann noch eine ganze Reihe bcrufs-
vom 18. bis 23. J u n i eingestellt, um der interessierten Zu- hen, sind zwei Jahre Differenz eine Kleinigkeit. spe/.ifischer Interessen geregelt.
ger Bevölkerung das Erarbeitete zeigen zu können. Der Zünfte spielten bekanntlich schon im Mittelalter eine be- Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich dann bei den Zünf-
Kantichor (Kurt Ernst) und die Theatergruppe achtliche Rolle in den städtischen Gemeinwesen, die ten manche Wandlung vollzogen. Wenn wir auch davon
(Dr.Jürg Scheuzger und Hanspcter Gnos) begeisterten nicht von Selbstversorgung leben konnten, sondern auf absehen, daß bei der Bäckcrzunft der Stadt Zug die Mül-
in Zug und in einigen Außengemcinden ein sachverstän- Handel und Gewerbe angewiesen waren. Gegen die allen ler, Bäcker und Konditoren heute noch Meister, die übri-
diges Publikum. An der Kantonsschule wurden, koordi- kirchlichen und weltlichen Feudalherrschaften ging es gen Mitglieder aber Mitbrüder heißen, so spielt das Bc-
niert von Martin Grischott, die Klassenarbeiten mittels der selbstbewußten Bürgerschaft - Stadtluft macht frei - rufständische nur noch eine untergeordnete Rolle, das
Film, Ton und Bild dargestellt. Das Untcrgymnasium darum, die politischen, militärischen, wirtschaftlichen Freundschaftlich-Gesellschaftliche dominiert, wobei
verwandelte sich zum Forum Tugicnsc: junge und «älte- und gesellschaftlichen Belange in eigener Regie zu re- Tradition und Brauchtum, Solidarität und vaterländi-
re» Römer deklamierten alte Weisheiten. Im Ncutrakt geln. Dabei spielten die Zünfte weithcrum eine entschei- sche Gesinnung die belebende Hefe bilden. Im übrigen
konnte der Besucher Ausstellungen und Vorführungen dende Rolle, — auch in Zug, wenn hier auch nicht wie et- ist auch die Bäckerzunft kein esoterisches Konventikel,
genießen: Zuger Wirtschaftscntwicklung, Zugcr Raum- wa in Zürich von einem Zunftregiment gesprochen wer- sondern volksverbunden. Der Bäckermöhli-Ruf ertönt
planung, Zahlungs- und Finanzierungsinstrumentc, Vi- den kann. Und da damals alles menschliche Tun auch schließlich jedes Jahr immer wieder in den Kindergärten
deos, Tagesschau, Krimi- und Agentenlilme, Modell- auf das Religiöse ausgerichtet war, so erstaunt es nicht, und in den Gassen der Stadt Zug, wenn Mulschli, Biber-

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li, Orangen und Würstli ausgeworfen und verteilt wer- bäcker der Stadt Zug anhand der Biographien aller Mei- Tcilzeitverhältnis (80%) und sind hauptsächlich wäh- In der Zwischenzeit hat das Übergangswohnheim seinen
den, und von den berühmten Chlausfeiern weiß auch ster und Brüder: 1686-1986». Ein einzigartiges Werk; rend der Freizeit der Bewohner und Bewohnerinnen im «Betrieb» aufgenommen und wir dürfen feststellen, daß
manch Außenstehender viel belachte Episödchen zu er- denn es werden darin nicht in chronologischer Folge all Einsatz, so an den Abenden und an den Wochenenden. die gesteckten Hoffnungen der Stiftungsleitung in das
zählen. die Ereignisse des Zunftlcbens von der Gründung bis Während der Nacht ist keine Betreuungspcrson anwe- Heim bis jetzt weitgehend erfüllt worden sind.
Zur Jubiläumsfeier: diese wurde am Sonntag, 26. Okto- heute dargestellt, sondern die Zunftgeschichte wird ein- send, wobei aber für Notsituationen entsprechende Re-
ber 1986 abgehalten. Nach dem Gottesdienst in der gebettet in die Lebensgeschichte der jeweiligen Obmän- gelungen getroffen sind. Paul Zürcher, Präsident
St.-Oswald-Kirche versammelten sich die «ehrsamen» ner und Zünfter, so daß neben dem rein Zünftischen eine
Zünfter, Gemahlinnen und Gäste im Gotischen Saal des genealogische Darstellung bekanntester Zuger Ge-
Rathauses der Bürgcrgcmcinde zum feierlichen Festakt, schlechter dargeboten wird. Das zweite Buch, mit Farb- Erweiterung der ZUWEBE
worauf der Festzug zum Casino und zu einem lukulli- photographien geschmückt, hat Dr. Paul Stadiin verfaßt:
schen Bankett führte. «Ein Jahr im Leben der Zunft». Es ist keine trockencjah- Im gesamten Werkstattbereich können wir zurzeit den Invalidenrente einen ihrem Leistungsvermögen ange-
Zur Jubiläumsfeier hat die Bäckcrzunft zwei Schriften reschronologic, sondern geschrieben aus der lebendigen behinderten Mitarbeitern folgende Arbeitsmöglichkeiten paßten Lohn.
herausgegeben. Die eine wurde von Dr. Paul Aschwan- Gegenwart mit einfühlender Anschaulichkeit und fein- bieten: In der Beschäftigung finden Mehrfach- und Schwerbehin-
den t und Dr. Albert Müller verfaßt: «Geschichte der ster Ironie, - sicher ein kostbares Andenken. derte Aufnahme, welche zufolge ihres geringen Lei-
Zunft und Bruderschaft der Müller, Bäcker und Zucker- Johann Brändle — Metall- und Kuststoffverarbeilung stungsvermögens auch in der geschützten Werkstättc
(Bohren, Drehen, Fräsen, Schleifen, Biegen, usw.) nicht eingegliedert werden können. Es ist das oberste Ge-
- Montagcarbeiten an Elementen und Apparaten, bot der Beschäftigungstherapie, denjenigen Behinder-
einfache Lötarbeiten ten, die die entsprechenden Voraussetzungen mitbrin-
- allgemeine Industrie- und Verpackungsarbeiten gen, die Aufnahme in die geschützte Wcrkstätte zu er-
Eröffnung des Übergangswohnheims der Stiftung Phönix an der Chamerstraße l in Zug (Konfektionieren, Blistern, Schrumpfen, usw.) möglichen. Die Behinderten in der Beschäftigung erhal-
- Mitarbeit im Großhaushalt ten im Gegensatz zu den Mitarbeitern in der geschützten
(Hausdienst, Wäscherei, Küche, Technischer Dienst) Werkstatt keinen Lohn.
Aus der Erkenntnis, daß im Kanton Zug Übcrgangsein- In zweiter Linie dient das Übergangswohnheim als Ab-
richtungen für psychisch Behinderte fehlten, wurde am klärungs- und Kriseninterventionsstellc, besonders für Der Hauswirtschaßsbereich bietet Behinderten Ausbil-
10. Februar 1978 die Stiftung Phönix gegründet. Die Stif- die in den Wohngemeinschaften der Stiftung Phönix un- Ungefähr sechzig vorwiegend im Kanton Zug ansässige dungs- und Arbeitsplätze an. Das gelernte Fachpersonal
tung Phönix will gemäß Stiftungsstatuten Angebote zur tergebrachten Bewohner. Firmen sind die Auftraggeber. in Küche, Speisesaal, Rcinigungsdienst und Lingerie
schrittweisen Wiedereingliederung von psychisch Behin- Da die normale Persönlichkcitsentwicklung für den gei- wird durch Mitarbeiter der Haushaltungsgruppe unter-
derten schaffen. Soziale Rehabilitation: Die Bewohner lernen, sich einen ge- stig Behinderten nur schwer, oft aber gar nicht erreich- stützt und ergänzt.
Ende 1982 konnte mit der Stadt Zug erfolgreich über eine regelten Tagesablauf zu geben und üben ihre Fähigkeiten bar ist, fallt seiner Ausbildung besondere Bedeutung zu. In In unserem Wohnheim werden Behinderte aufgenommen,
für ein Übergangswohnheim geeignete Liegenschaft ver- im Verrichten der alltäglichen Haushaltarbeiten und im die infolge ihres Gebrechens nicht extern wohnen kön-
der Werkstatt wird der Benachteiligte durch besonders
handelt und ein entsprechendes Projekt ausgearbeitet Umgang mit ihren Finanzen. Sie werden angeleitet, ihre geschulte Fachkräfte aufsein künftiges Berufsleben vor- nen, aber auch solche, die in der Privatwirtschaft arbei-
werden. Freizeit befriedigend zu gestalten, der Pflege von Außcn- bereitet. In Ergänzung zur handwerklichen Ausbildung ten und in der Freizeit betreut werden. Sie alle finden im
Im Juni 1985 haben die Stimmbürger der Stadt Zug die kontaktcn zu Bekannten und Freunden soll besondere wird auch der schulischen Förderung und körperlichen ZUWEBE-Wohnheim während der Woche ein Zuhause.
Umbau- und Finanzierungsvorlagc mit großem Mehr Beachtung geschenkt werden, da es sich für die Heimbe- Ertüchtigung große Beachtung geschenkt. Die Wochenenden werden nur in Ausnahmefallen im
genehmigt und im gleichen Jahr haben ebenfalls der Re- wohner um eine Übergangssituation handelt. Nach dem Heim verbracht.
Aufenthalt sollten sie in der Lage sein, in einer privaten Neben der erstmaligen beruflichen Ausbildung kennt die
gierungsrat und der Kantonsrat den Beiträgen zuge- Eidgenössische Invalidenversicherung (IV) weitere In jeder der vier Wohngruppcn leben zehn Pensionäre.
stimmt. Wohnsituation zu leben, Kontakte zu Mitmenschen zu
finden und ihre Freizeit sinnvoll auszufüllen. Maßnahmen zur Eingliederung, wie Umschulung (z.B. Sie werden im praktischen Leben gefördert und zur
Das Heim wurde am Freitag, den 13. Juni 1986, eröffnet. für Unfallgeschädigte), Abklärung (Feststellen der Ar- Selbständigkeit geführt. Ein ausgewogenes Angebot an
Aufnahme finden 13 psychisch behinderte Frauen und Berufliche Rehabilitation: Die berufliche Rehabilitation der beitsmöglichkeitcn) und Arbeitstraining, welche im Auf- Aktivitäten wie Schwimmen, Turnen, Werken, aber
Männer aus den Kantonen Zug, Schwyz und Uri, welche psychisch Behinderten wird in enger Zusammenarbeit trag der IV in der ZUWEBE durchgeführt werden. auch Spaziergänge, verbunden mit Besuchen von kultu-
keine Intcnsivpflegc in einer Klinik benötigen, aufgrund mit den IV-Regionalstcllcn geklärt und — wo nötig — neu rellen und geselligen Anlässen, soll jedem Pensionär eine
ihrer Behinderung und damit verbundenen Beeinträchti- aufgebaut. Ungefähr ein Drittel der Bewohner wird vor- Grundsätzliches Ziel der IV-Bestrcbungcn ist die Ein-
gliederung der Behinderten in die Privatwirtschaft oder sinnvolle Freizeit ermöglichen.
gung im Berufs- und Gesellschaftlichen aber auf eine übergehend meistens als erste Phase einer beruflichen
vorübergehende, geschützte Wohnsituation angewiesen Rehabilitation, im Hausdienst, in der Küche und im mindestens in eine geschützte Werkstätte. Daher werden Die gezielte Gruppen- und Freizcitbetreuung verlangt
sind. Das Übergangswohnheim will den Betroffenen er- Garten zur Arbeit angeleitet. Für Behinderte aus geeig- alle erforderlichen Maßnahmen durch die IV finanziert heilpädagogisches, erzieherisches und therapeutisches
möglichen, ihre berufliche und soziale Eigenständigkeit neten Berufen wird intern eine Abklärung oder Umschu- und überwacht. Können, welches sich die Gruppenleiter in Hcimcrzie-
wieder neu zu erlangen. lung im kaufmännischen Bereich angeboten. Alle ande- In der geschützten Werkstätte finden 18 bis 62- bzw. GSjähri- hcrschulen oder bcrufsbegleitendcn Kursen erworben
In erster Linie dient das Übergangswohnheim jener Pa- ge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Arbeitsplatz, haben.
ren werden externe Abklärungs-, Ausbildungs- und Um-
tientengruppe, von der angenommen werden darf, daß schulungsplätze oder geschützte Arbeitsplätze, z.B. in die zufolge ihrer Behinderung den Anforderungen in der
Filiale Göbli
der Sclbständigkeitsgrad im beruflichen oder sozialen der ZUWEBE, belegen. Ziel bleibt jedoch die Integra- Privatwirtschaft nicht gewachsen sind. Betreut von ei-
Bereich durch eine gezielte Rchabilitationsmaßnahme tion im offenen Slellenmarkt. nem berufsspczifisch ausgebildeten Gruppenleiter wer- Die ZUWEBE beschäftigt gegenwärtig 127 Behinderte
innerhalb von zwei Jahren merklich verbessert werden Die Bewohner des Übergangswohnheimes werden durch den die Behinderten in Gruppen von 10 bis 15 Personen im Arbeitsbereich. Ungefähr ein viertel davon wurde in-
kann. Damit kann dem dieser Patientengruppe drohen- drei Leitungsteammitarbeiterinnen und -mitarbciter be- an einem für sie günstigen Arbeitsplatz angeleitet. Alle folge einer psychischen Behinderung in unsere Institu-
den Hospitalismus begegnet werden. treut. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im bei uns arbeitenden Behinderten erhalten neben einer tion aufgenommen.

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Chronik des Kantons Zug vom i. juii 1935 bis so. juni 1986

Unsere bisherige Erfahrung zeigt, daß die «Behinderten» Im Gewerbezentrum «Göbli» finden seit November 1986 in JULI 1985 5. Nach wie vor erlebt der Kanton Zug einen Wohn-
nicht eine einheitliche Gruppe darstellen. Gruppenfüh- neuen, hellen Räumen ca. 40 Behinderte einen Arbeits- bauboom. Gemäß Statistik der Gebäudeversiche-
rungsproblcme ergeben sich hauptsächlich aus der un- platz. Wie in den Werkstätten Inwil werden in der «Filia- 1. Zufrieden zeigt sich der Stadtrat mit dem Ausgang rung sind 1160 Wohnungen im Bau. Steigende
terschiedlichen Art - geistig-, körperlich-, psychischbe- le Göbli» die Bereiche Ausbildung, Abklärung, geschütz- verschiedener Abstimmungen. Mit deutlichen Tendenz weist auch die Nachfrage nach Rcnova-
hindert. Dies hat dazu geführt, daß wir die schwächeren te Werkstätte und Beschäftigung geführt. Mehrheiten beschließt der Souverän die Aufhe- tionskrediten auf.
und verhaltensaufTälligcn Gcistigbehindcrtcn zu einer Institutionen wie die bestehende und die neue Werkstät- bung der Billetlsteuer, einen Beitrag an die Sa- An der erstmals ausgetragenen «Tour de Sol» von
separaten Gruppe zusammengezogen haben. Der nor- te der ZUWEBE decken einen wichtigen Bereich im Le- nierung der Kunsteisbahn Zug und den Bau von Romanshorn bis Genf beteiligten sich auch ver-
malintelligente psychisch Behinderte bedarf einer än- ben des Behinderten ab. Sie ermöglichen eine ihm ange- 32 Alterswohnungen in der Mühlcmatt, Oberwil. schiedene Teams aus dem Kanton Zug. Am erfolg-
dern Betreuung als der geistig Behinderte. paßte Umgebung, seinen Möglichkeiten entsprechende Genehmigt wird von den Stimmbürgern auch ein reichsten war das Team des Menzingers Hans Wei-
Die Tatsache, daß die Beschäftigung von Psychischbe- Arbeitsplätze und Betreuung durch besonders geschultes Kredit von 4,785 Millionen Franken für die Neuge- bel. Mit dem selbstgebauten dreirädrigen Solarmo-
hinderten unter vorwiegend Geistigbehinderten keine Personal. Eine Institution kann bestehende Beziehungen . staltung des Landsgemeindeplatzes. bil konnte der fünfte Rang herausgefahren werden.
geeignete Lösung ist und das Platzangebot der ZUWE- nicht ersetzen und darf nicht mit diesen konkurrenzieren, Das Straßcnunterhalts- und Forstpersonal im Kan-
denn der Behinderte gehört als Mensch in die Gesell- Viele Notfälle führen in Zuger Spitälern zu einem
BE ab Herbst 1984 trotz verschiedener Erweiterungen ton Zug muß künftig nur noch 43 Stunden die Wo- Betten-Engpaß. Im Kantonsspital ist kein Bett
kaum mehr Neuaufnahmen zuläßt, führte zum folgenden schaft. Die neu zu schaffenden Arbeitsplätze erfüllen che arbeiten. In einem Jahr erfolgt eine weitere Sen-
ihren Dienst am Behinderten nur in Zusammenarbeit mehr frei, Viererzimmer müssen mit fünf Betten be-
Entschluß: kung auf 42 Stunden. legt werden. Hohe Belegungen melden aber auch
mit einer Öffentlichkeit, die sich bemüht, Menschen in
«In Absprache mit der Stiftung Phönix wird ein ZUWE- einer besonderen Situation mit Verständnis zu begeg- Erstmals wird die am 28. Oktober 1984 in Betrieb die Spitäler in Cham und Baar.
BE-Filialbetrieb dnsbesondere für Psychischbehindcrto nen. genommene neue Standseilbahn von der Schönegg Ein Schlußstrich wird unter die Polizciaffäre gezo-
realisiert.» Urs Heß zum Zugerberg außer Betrieb gesetzt. Es müssen gen, die in den Jahren 1981 und 1982 im Kanton zu
am Geleise Nachkramparbeitcn ausgeführt wer- reden gab. Alle Verfahren in Sachen Disziplin sind
den. abgeschlossen worden.
Werk- und Weiterbildungsbeiträge an junge Zuger Künstler 1986
Redaktorenwechsel bei den Zuger Nachrichten. Als Eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit meldet die Be-
Folge des Wegzuges von Chefrcdaktor Cäsar Rossi ringer-Hydraulik in Neuheim. Für das erste Halb-
Das Gesetz über die Förderung des kulturellen Lebens Weiterbildungsbeiträge geben Alfred Trütsch und Marc Höchli ihre Kündi- jahr stieg der Umsatz um 15 Prozent, zehn neue
sieht vor, daß der Kanton die Weiterbildung begabter gung bekannt. Nach nur einem Monat verläßt auch Arbeitsplätze konnten eingerichtet werden.
Zuger Künstler außerhalb des ordentlichen Studiums Musik — Stefan Buri, Musiker, Zug Chefrcdaktor Ruggero Vcrcellone die Zuger Nach-
fördert. In diesem Sinne gewährt der Rcgierungsrat seit richten. Den erfolgreichen Absolventen der kaufmänni-
- Monica Ehrsam, Musikerin, Fribourg schen Berufsschule Zug werden im Casino Zug die
mehreren Jahren Beiträge an Künstler bis zu einem - Heidrun Fähndrich, Sängerin, Kriens
Höchstaltcr von 35 Jahren, die Zuger Kantonsbürger Die Gemeindeversammlung Neuheim genehmigt Fähigkeitszeugnisse überreicht. Rektor Arnold
sind oder seit mindestens 5 Jahren Wohnsitz im Kanton einen Beitrag von 1,5 Millionen Franken für die Breitenmoser kann über keine absoluten Spitzcnre-
Theater - Maja Heer, Schauspielerin, Zürich Alterswohnungen-Stiftungen. Auch die Bürger- sultate, aber über eine breite Spitze mit guten bis
Zug haben oder zu einem früheren Zeitpunkt mindestens
15 Jahre Wohnsitz im Kanton Zug hatten. Seit 1978 gemeinde ist an diesem Vorhaben beteiligt. sehr guten Resultaten berichten.
konnte 83 Bewerbern in den Bereichen Angewandte und Werkbeiträge 2. Im Kanton Zug wurden im Jahre 1984 1,03 Mil-
Bildende Künste, Musik, Literatur, Theater, Film und 6. Im Kanton Zug erinnert man sich daran, daß vor
Angewandte und Bildende Künste lionen Tonnen Kies abgebaut, 2,5 Prozent weniger genau 250 Jahren der «Schwarze Schumacher» im
Foto Beiträge von insgesamt Fr. 379500.- gewährt wer- als im Jahr zuvor. Rund die Hälfte des abgebauten
den. Exil verstarb. Der ehemalige oberste Magistrat des
— Marguerite Annen, Künstlerin, Luzern Kieses wurde im Kanton Zug auch verbaut. Standes Zug starb als Galeerensträfling im fernen
Anfangs dieses Jahres erfolgte in der Presse des Kantons - Antonia Bisig, Künstlerin, Berlin
Zug und der Region Innerschweiz die Ausschreibung für Der Große Gemeinderat der Stadt Zug spricht sich Turin.
- Urs Steinhauser, Künstler, Zug
die Beiträge 1986. Insgesamt bewarben sich 36 Künstler, - Franziska Zumbach, Künstlerin, Zürich gegen eine Urncnabstimmung über verkehrsarme Walchwil kann das neue Seebad in Betrieb neh-
was ungefähr der Zahl des Vorjahres entspricht. Die kan- Vorstadt oder Bahnhofstraße aus. Vor solchen men, das die Gemeinde insgesamt 645000 Franken
tonale Kommission zur Förderung des kulturellen Le- Musik — Ensemble Bumbacher und Karlen, Musiker, Maßnahmen soll der Stadtrat das gesamte Zugcr gekostet hat.
bens beurteilte aufgrund von Jury-Berichten als beraten- Zug und Hausen am Albis Zentrums-Konzcpt vorlegen.
des Organ des Regierungsrates die eingereichten Unter- 7. Bei den Rudcrmeistcrschaften auf dem Rotsee er-
Erstmals und im Sinne einer Ausnahme kann das ringt die Chamerin Alexandra Feller den Schwci-
lagen. Einziges Kriterium war dabei die Fördcrungswür- Film — Peter Arnold, Amateurfilmer, Unterägeri Zugcr Lokalradio «Sunshine» live über eine Sit-
digkeit, wobei allerdings der finanzielle Rahmen bei ca. - Markus Keusch, Künstler, Berlin zermeistertitcl im Skiff. Im «Kreuz» in Cham wird
zung des Großen Gemeinderates berichten. die erfolgreiche Ruderin des Ruderclub Cham ge-
Fr. 50000.- gesteckt war. Die Förderungsbeiträge wur-
den als Weiterbildungsbciträge im Anschluß an die In der Zwischenzeit hat der Regierungsrat die Summe 4. Der Kanton Zug steht vor einer reichen Kirschen- feiert.
künstlerische Grundausbildung oder als Werkbeiträge der Werk- und Weiterbildungsbeiträge auf Fr. 75000.- ernte. Laut Prognosen des Obstverbandes ist mit
zur Unterstützung des freien künstlerischen Schaffens erhöht. 8. Die vier Sozialarbeiter und der Psychiater des So-
einer Million Kilo «Chriesi» zu rechnen.
vorgeschlagen. Der Rcgierungsrat gewährte schließlich zialmedizinischen Dienstes halfen im Jahre 1984
Beiträge zwischen Fr. 3000.- und Fr. 8000.- pro Bewer- Die nächsten Werk- und Weitcrbildungsbeiträge werden 1665 Unterschriften trägt die von der SP des Kan- 120 psychisch Kranken. Die angeschlossene Ju-
ber, wobei sich der Gesamtbetrag auf Fr. 58000.- belief. voraussichtlich im Frühjahr 1987 ausgeschrieben. tons lancierte Initiative zur Herabsetzung der Bus- gendbcratungsstelle betreut seit drei Jahren auch
Folgende Bewerber konnten berücksichtigt werden: Claudia Hüppi larife im Kanton Zug. die Gassenarbeit.

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8. Der Historiker Walter Anderau wird hauptamt- 20. In strömendem Regen gezündet werden muß in l. Chrigcl und Annelies Kauer verwöhnen künftig die 11. Nach viel Fronarbeit kann der Fußballclub Baar
licher Direktor der in Zug angesiedelten CH91- Oberägeri das Feuerwerk im Rahmen des Dorf- Wanderer als Wirte auf dem Wildspitz, dem sein Clubhaus einweihen. Der Bau kostete 1,3 Mil-
Direktion. Sein interimistischer Vorgänger, der und Seefestes. höchstgelegencn Punkt im Kanton Zug. lionen Franken, 330000 Franken hatte der Club an
Walchwiler Dr. Alois Hürlimann, nimmt sich ver- Das Spital Cham meldet einen Rückgang der Pfle- Die Feiern zum l. August in den Zuger Gemeinden Eigenleistungen aufzubringen.
mehrt der thematischen Belange der GH 91 an. getage um 928 Einheiten. Steigende Tendenzen zei- leiden unter dem schlechten Wetter. Auf offizielle Das Umweltschutz-Abo in Neuheim erweist sich
9. Gegen die vom Regierungsrat genehmigte Wasser- gen sich bei den Säuglingstagen und bei den Privat- Feiern verzichtet haben die Gemeinden Ncuhcim, als Erfolg. Auf der Strecke Neuheim-Baar konnte
skianlage in der Chamcr Bucht reichen die Korpo- patienten. Menzingen und Oberägeri. seit Einführung des Abonnements eine Steigerung
ration Zug, die Natur- und Heimatschutzkommis- der Frequenz um 79 Prozent festgestellt werden.
sion, der Naturschutzbund und der WWF Be- 22. In Samedan stirbt Gottfried Sträub, ehemaliger 4. Beträchtlicher Schaden an Gebäude und Einrich-
schwerde beim Verwaltungsgericht ein. Präsident der L&G-Holding und Vizepräsident des tung richtet der Brand in der Zuger Gewürzmühle
L&G-Verwaltungsrates an den Folgen eines Herz- _ Fridlin an. 13. Auf großes Interesse stößt die Dissertation des Zu-
Die Denkmalpflege präsentiert interessante Funde, infarktes. ger Historikers Gerhard Matter «Der Kanton Zug
die bei Bauuntersuchungen an der Zeughausgasse Novität in der Schweizerischen Fußballszenc. Erst- auf dem Weg zu seiner Verfassung von 1876». Das
19 in Zug zu Tage getreten sind. Ein Holzdöschen 80 Motionen liegen beim Regicrungsrat zur Beant- mals spielen die beiden Zugcr Clubs in der Natio- Werk erscheint in der Reihe «Beiträge zur Zuger
mit einem kleinen Silberschatz wird im Museum in wortung auf dem Tisch. Die älteste Motion aus dem nalliga B. Der SC Zug gewinnt gegen Laufen, der Geschichte» des Zuger Vereins für Heimatge-
der Burg aufbewahrt. Kantonsrat stammt aus dem Jahre 1973. FC Zug verliert in Genf. Ende Saison muß der FC schichte.
Zug nach nur einem Jahr wieder absteigen.
10. ZVB, ZBB und SGZ melden gute Frequenzen. Im 24. Der Stiftungsrat des Theater Casino Zug spricht Der Regierungsrat beschließt die Einführung einer
ersten Halbjahr konnten zwischen 6,2 und 14,5 von einer in finanzieller Hinsicht befriedigenden Si- 5. Im Kanton Zug geht der Boden, der der Landwirt- Gelbphase bei den Lichtsignalanlagen. Diese Um-
Prozent mehr Passagiere befördert werden. tuation. An Zuger Veranstalter konnten 226000 schaft zur Verfügung steht, stetig zurück. Innert weltschutzmaßnahmc kostet rund 120000 Fran-
Mit dem Wihelrain entsteht in Walchwil ein neues Franken als Rabatte und Umsatzbeteiligungen ver- Jahresfrist sank dieser Anteil um 0,1 auf 48,8 Pro- ken.
Quartier. Bereits die Aufrichte macht das große In- gütet werden. zent der Gesamtfläche. - Der Weinskandal um die Glykol- oder Frostschutz-
teresse für die 19 Einfamilienhäuser deutlich. weine erfaßt auch den Kanton Zug. Das Kantonale
28. An seiner 70. Generalversammlung wählt der in 8. 400 Goldwingfahrcr aus aller Welt treffen sich auf Laboratorium konfisziert 1366 Flaschen mit Frost-
11. Mit einer zweibändigen Sonderausgabe zur Ur- den letzten Jahren von Krisen geschüttelte Sport- dem Zuger Stierenmarktareal. Höhepunkt des
und Frühgeschichte der Kantone Luzcrn und Zug schutzwein.
club Zug Peter Baumann auf den Präsidentenstuhl. Treffens ist der Corso der feudalen Motorräder
im Rahmen der Reihe «helvetia archaeologica» Zur finanziellen Sanierung wird von jedem Club- durch die Stadt Zug. Bei den Arbeiten am Innern der Zuger Oswaldskir-
wird der Zugcr Dr. Josef Speck zu dessen 65. Ge- mitglied während drei Jahren ein zusätzlicher Bei- Erstmals seit vier Jahren ist das Gut «Freudcn- che stoßen die Restauratoren auf die ursprüngliche
burtstag geehrt. trag von 200 Franken erwartet. berg» bei Risch nicht Ferienresidcnz der britischen Ornamentik von 1556. Es werden Darstellungen
Mit den letzten Helikopterflügen kann die Sanie- Nach dem unentschiedenen Schlußgang gegen Jo- Premierministerin Margaret Thatcher. von Blumen und Früchten freigelegt.
rung der Ruine Wildenburg abgeschlossen werden. sef Burch gewinnt Favorit Leo Betschart den tradi- Das Kantonsspital beschäftigt 501 Personen, davon
Für die Ausführung der Arbeiten waren 3500 Ar- tionellen Zugcrbcrg-Schwinget. 14. Im Ennetsee wartet man auf den Chamer Saalbau.
stehen 100 noch in Ausbildung. Die Zahl der statio- Trotz der ungünstigen räumlichen Verhältnisse
beitsstunden, 500 Tonnen Material und 1000 Hcli- när behandelten Patienten sank um 56 auf 4984, die
kopterflüge notwendig. 31. Verbessert wird die Arbeitsvermittlung im Kanton präsentiert der Kulturzyklus Cham-Hünenberg ein
Zahl der Pflegetage ging von 63645 auf 61 386 zu- vielseitiges Programm.
Bei der Restaurierung der Baucrnhausgruppe Zug. Dank dem Einsatz von EDV-Informationssy- rück.
Sennweid in Baar wird ein gut erhaltener Sodbrun- stemen können Stellensuche und Stellenvermitt- Die 18. Spielzeit im Zuger Kleintheater «Burg-
nen entdeckt. lung über die Kantonsgrenze hinaus gewährleistet Alex Nußbaumer, seit 1979 Geschiehtslehrer an der bachkcllcr» wird von Cabarct-Höhepunkten domi-
Im «Choller» klären Naturschutztafeln Wanderer, werden. Kantonsschule Zug, wird mit einem dreijährigen niert.
Spaziergänger und Badende über den schonenden Die Zukunft des Zugcr Rcgionalfernsehens scheint Lehrauftrag an die German Swiss International
Umgang mit der Natur auf. gesichert. Nach den Gemeinden sagt auch der Kan- School in Hongkong berufen.
16. Endgültig in der Zugcr Kulturszcne etabliert hat
ton dem ZRF finanzielle Unterstützung zu. sich das von Dr. Rolf Keller geführte Museum in
15. Kirschcngroße Hagelkörner setzen in Teilen des 9. Großauftrag für die LGZ. Der Zuger Elektrokon-
Für den zurücktretenden Josef Güntensberger der Burg. Das Museum ist nun fast fertig eingerich-
Kantons Zug den Obstkulturen arg zu. Bei den nimmt Willy Tresch neu Einsitz in der CVP-Frak- zern kann ein komplettes Rundsteuersystem nach
Kirschen sind teilweise verheerende Schäden zu re- Singapur liefern. Der größte Teil des Auftragsvolu- tet. Das vergangene Jahr brachte weniger Besu-
tion des Großen Gcmeindcratcs. cher, aber zahlreiche Führungen.
gistrieren. mens betrifft das Werk Zug, Arbeit gibt es aber
Die Zimmerei Xaver Keiser, ein bekannter Zuger auch für das Werk Einsiedcln.
Handwerksbetrieb, feiert ihr SOjähriges Bestehen. Seit 1983 fährt der ungarische Flüchtling Gabor 17. Baar ist Startort zum 15. GP Teil, dem Mchretap-
AUGUST 1985
Zsigmondi mit seinem Fahrrad durch Europa und penrennen für Radamateure. Die Baarer nutzen
16. Die Zuger Studentin Ursula Keller erhält ein USA- dies für ein Volksfest.
1. Neuerungen für die Stadtzugcr: Veranstaler müs- versucht, eine Arbcits- und Aufenthaltsbewilligung
Stipendium, welches ihr erlaubt, an der Stanford Probleme mit «Fahrenden» hat ein Baarer Bauer.
sen künftig keine Billettsteuer mehr entrichten. in einem westeuropäischen Land zu erhalten. Sein
University in Kalifornien in Physik zu doktorieren. Die «Gäste», die sich für knapp eine Woche auf
Zudem gilt eine neue Gemeindeordnung mit der Weg führt ihn auch nach Zug.
19. Eine Feuersbrunst zerstört die Scheune auf dem Bevölkerungsentwicklung angepaßten Minimal- Baarer Boden niedergelassen haben, hinterlassen
Hof Kemmatten in Hünenberg. Das Feuer wird zahlen an Unterschriften für Initiativen und Refe- 11. Zahlreiche Besucher zieht das 20. Walchwiler Berge von Unrat und einen Schaden von mehreren
nach dem Strohmahlen entdeckt. renden. Bergfest beim Buschenchappeli an. Tausend Franken.

144 145
19. Im Kanton Zug beginnt das neue Schuljahr. Dieser SEPTEMBER 7. In Walchwil absolvieren 80 Real- und Sekundar- 21. Zu Ehren von Ständeratspräsident Markus Kündig
1985
Tag ist für die Zuger Kantonsschule im Vorfeld ih- schüler eine Projektwoche. Der Unterricht in den führt die diesjährige «Schulreise» des Ständerates
res 125jährigen Bestehens mit Neuerungen verbun- 2. Die Zentralstelle für Berufsberatung im Kanton gewählten Interessengebieten findet außerhalb der in den Kanton Zug. Aufdcm Programm stehen eine
den. Erstmals wird am neusprachlichen Gymna- Zug untersuchte die Berufs- und Schulwahl von Schulzimmer statt. Themen sind Surfen und Flie- Besichtigung der V-Zug AG und der Empfang
sium (Typus B) unterrichtet. Neues gibt es auch 1072 Burschen und Mädchen nach dem achten und gerei, Kunst und Kunsthandwerk, aber auch Wald durch Vertreter von Stadt und Kanton Zug.
beim Informatik-, Wirtschafts- und Rechtskun- neunten Schuljahr. Die Schüler tun sich mit der Be- und Wasser.
22. Deutlich stimmen die Zuger Stimmbürger dem
deunterricht und im Zuge der Schulerweiterung rufswahl immer schwerer, bereits jeder Vierte der
14. Die 98. Generalversammlung der Metallwaren Kredit von 4, l Millionen Franken für die Sanierung
können weitere Räume bezogen werden. Befragten wählte ein Zwischenjahr.
Holding AG Zug kann von einem guten Geschäfts- des Burgbach-Schulhauses zu.
Für 595 Lehrlinge geht der erste Teil der Berufsaus- Die Nachbarschaft Lorzen hat sich zum Ziel ge- gang Kenntnis nehmen. Die Dividende wird von 28. Die Schülerzahlen weisen im Kanton Zug weiter-
bildung zu Ende. An der Schlußfeier der 168. ge- setzt, die 1804 auf dem ehemaligen Richtplatz er- sechs auf sieben Prozent erhöht. hin sinkende Tendenz auf. Die Schülcrzahl ging in-
werblichen Lehrabschlußprüfungen können 74 stellte Schutzengelkapelle an der Zugcr Chamer-
Der Vereine «Pro Wildenburg» schenkt die sanierte nert Jahresfrist um 3,7 Prozent oder 329 auf 8489
Lehrlinge für herausragende Leistungen ausge- straße zu erneuern. Die Arbeiten, die 470000 Fran-
Burgruine dem Kanton Zug. Dies erklärt Vereins- Schüler zurück. Mit 532 Schulklassen ist eine Zu-
zeichnet werden. ken kosten, sollen spätestens auf die CH91 hin voll-
präsidcnt Landammann Andreas Iten bei einem nahme um eine Klasse zu verzeichnen.
zogen sein.
Die Theater- und Musikgcscllschaft Zug (TMGZ) Augenschein auf dem sanierten Wildenburg-Ge- Mit der Wiedergabe von Mozarts Krönungsmesse
präsentiert ihr Programm für die Saison 1985/86. 3. An der Sonderschule Hagendorn wurden 1984 43 lände. in der Sl.-Martins-Kirche feiert der Kirchenchor
Neben einer Eigeninszenierung gibt es auch Neue- Kinder unterrichtet, darunter 31 aus dem Kanton In Baar werden aus Anlaß des «Jahr der Musik» Baar sein ISOjähriges Bestehen.
rungen im Abonnementbereich. Zug. Der Ausbau des Kinderheimes konnte abge- Pausenplatzkonzcrtc durchgeführt. Ziel ist es, der
schlossen werden. Die Narrenzunft der «Letzibutzäli» kann in Zu-
Jugend den Zugang zur Musik zu erleichtern. sammenarbeit mit der Nachbarschaft Zug-West
20. Der Regierungsrat setzt den Staatsanwalt Dr. Ru-
4. Die Milch bereitet den Bauern nach wie vor große Nach einer viermonatigen Bauzeit erstrahlt die ein Zunftlokal und eine Bastelwerkstätte in Betrieb
dolf Mosimann wieder in sein Amt ein. Im Zusam-
Sorgen. Dies macht die Versammlung des Inner- St.-Nikolaus-Kapelle auf Langenegg in Oberägeri nehmen.
menhang mit der Marc-Rich-Angelcgenhcit war
schweizer Bauernbundes am Rande des 95. Sticren- in neuem Glanz. Der Betrag von 20000 Franken
Mosimann vor zwei Jahren suspendiert worden. 29. Der vom Zuger Beat Aklin präsidierte Metzgermei-
marktes in Zug deutlich. kam vornehmlich durch Spenden zusammen.
sterverband des Kantons Zug feiert sein 75jähriges
24. An der Ägeristraße in Zug eröffnet die Migros- 5. Mit 36 gegen 25 Stimmen lehnt der Kantonsrat die Der Baarer Künstler Elso Schiavo gestaltet im Bestehen. In den Metzgereien des Kantons werden
Bank ihre 18. Geschäftsstelle. Im ersten Jahr wird «Verstaatlichung» der Kaufmännischen Berufs- Schulhaus Allcnwinden ein Wandbild mit den Aus- Jubiläumssteaks feilgeboten.
eine Bilanzsumme von 50 Millionen Franken er- schule ab. maßen von zehn auf viereinhalb Meter.
Mit einem Cortege durch die Zuger Altstadt, ange-
wartet. 7. Einen Tag lang steht die Liegenschaft «Hof im führt durch die zunfteigenc Musik, feiert die Zunft
18. Der Kanton Zug ist zum zweiten Mal Organisator
Zu den Akten gelegt hat man in Walchwil vorerst Dorf» in Zug im Zeichen der Drachen. Die Kunst- der Schweizer Schulsporttage. Dieser Anlaß bringt der Schreiner, Drechsler und Küfer ihr 400jähriges
die Pläne für ein Altersheim. gesellschaft, die hier in Zusammenarbeit mit der 3000 Schülerinnen und Schüler der Oberstufe nach Bestehen.
Stiftung der Freunde des Zuger Kunsthauses das Baar und Zug.
Zwei Tage lang steht Zug im Zeichen des 139. Zen- neue Kunsthaus einrichten will, lädt zum Fest und
tralfestes des Schweizerischen Studentcnvcreins. öffnet erstmals die Pforten der Liegenschaft «Hof Sechs Geburtstagskinder fuhren in Rotkreuz den
OKTOBER 1985
Höhepunkte sind der Fackclzug, das Altstadtfest, im Dorf». Allein die Kunstauktion bringt einen ersten Spatenstich für die Oberstufenschulanlage
der Festumzug und die Festansprache von alt Bun- Reinerlös von 130000 Franken. aus, die 1987 bezugsbereit sein soll. Man rechnet
1. Um neun Prozent schlägt der Strompreis auf. Diese
desrat Dr. Hans Hürlimann. mit Kosten von 10,9 Millionen Franken.
In Baar stellen Gestalter Eugen Hotz und Dr. Leo Erhöhung hat in Baar, Risch und Menzingen hö-
Der Zuger Bürgerrat organisiert aus Anlaß des Stu- Langenegger, Präsident der Heimatbuchkommis- 21. Der von Otto Oeschger präsidierte Unteroffiziers- here Tarife zur Folge, andere Gemeinden werden
dentenfestes am Fischmarkt einen Bürgertrunk. sion, die 19. Auflage des Heimatbuches vor. verein Zug (UOVZ) feiert sein lOOjähriges Beste- erst später mehr bezahlen müssen.
Daraus soll eine Tradition der Bürgerlandsgcmein- Im Zuger Feuerwehrgebäude wird die Atemschutz- hen. Im Mittelpunkt stehen die Totenehrung, die Das Zuger Regionalfernsehen (ZRF) darf seinen
de erwachsen. übungspiste eingeweiht. Diese Anlage gehört zu Fahnenweihe, der Festakt und die Ansprache von Versuchsbetrieb bis Ende 1988 weiterführen. Der
den modernsten ihrer Art und kostete 564000 Fran- alt Bundesrat Dr. Hans Hürlimann und alt Divisio- Bundesrat stimmte zudem der Erweiterung des
Im Rahmen einer 24-Stunden-Americaine legen
ken. när Dr. Hans Rapold. Versorgungsgebietes zu und bewilligt die Einfüh-
auf der Finnenbahn in Unterägeri über 150 Teil-
Aus Anlaß seines 85jährigen Bestehens kann das rung des lokalen Bildschirmtcxt-Dicnstes.
nehmer 3649 Runden oder 1460 Kilometer zurück. Der Zugerberg ist für zwei Tage Treffpunkt von 950
Jugendlichen aus der ganzen Schweiz. Eine Tessi- Elektrokorps der FFZ seine im Kloster Gubel gefer- Die Zugerland Verkehrsbetriebe AG (ZVB) planen
30. In großer Zahl beteiligen sich die Zuger auf Ein- ner Gruppe gewinnt den vom Kantonalverband der tigte Standarte einweihen. die Erweiterung ihres Streckennetzes. Aus diesem
ladung des von Dr. Paul Kälin geleiteten Cho- Zuger Pfadfinder organisierten Wettkampf um das Bei einem Unfall im Rahmen eines RS-Besuchs- Grunde und als Ersatz für alte Busse werden fünf
res «Audite nova» am offenen Singen auf dem Roverschwert. tages verliert Dr. Norbert Fable sein Leben. Er war mögliche Busmodelle im praktischen Einsatz er-
Fischmarkt. Rektor des Untergymnasiums an der Kantonsschule probt.
Der 75jährige Sportclub Cham kann die Sportan-
Bezüglich der neuerstellten Wohnungen pro Ein- lage Eizmoos in Betrieb nehmen. Zug. 2. Das Kloster Menzingen macht sein Museum mit
wohner belegt der Kanton Zug hinter Nidwaiden In Baar feiert das Pikett der Gemeindefeuerwehr Ein Künstler aus Küsnacht erneuert die Schnitze- Kult- und Kunstgegenständen der Öffentlichkeit
den zweiten Platz. 1984 wurden 938 neue Wohnun- sein SOjähriges Bestehen mit einer Rettungsdemon- reien im Gotischen Saal des Zuger Rathauses. Die zugänglich. Die Menzinger Schwestern sind seit
gen gebaut. stration. Erneuerung kostet 35000 Franken. 1883 in überseeischen Missionsgebieten tätig.

146 147
5. Die Mitglieder der Zuger Zentrumskommission 22. 195 Zuger Bürger wählen den Finanzfachmann 30. 276 Zuger Volksschullehrcr gründen den Lehrer- 7. Die Hofgruppc «Sennweid» in Baar wird unter den
lassen sich auf ihrer Badcnfahrt darüber informie- Beat Landtwing neu in den Zuger Bürgcrrat. Er verein des Kantons Zug. Dieser bildet den Zusam- kantonalen Denkmalschutz gestellt.
ren, wie die City mit einer konsequenten Verkehrs- folgt dort auf Willy Waller, der dem Rat seit 1961 menschluß der seit 1894 bestehenden Sektion Zug
des Schweizerischen Lehrervereins und des 1917 11. Der Kanton Zug richtet an zehn Gemeinden Fi-
entlastung aufgewertet werden kann. angehört hat. Im Amt des Bürgerpräsidenten folgt
gegründeten Zuger Kantonalen Lchrervereins. Er- nanzausgleichs-Zahlungcn in Höhe von 19 Millio-
Das Zuger Blasorchester gibt ein vielbeachtetes auf Waller Dr. Peter Spillmann.
ster Präsident ist Reallehrcr Arthur Walker, Unter- nen Franken aus. Leer geht die Stadt Zug aus, die in
Konzert mit fünf Uraufführungen von Zuger Kom- die Kasse des Finanzausgleichs 3,357 Millionen
23. Auf einen sehr guten «85er» freuen sich die Walch- ägeri.
ponisten. Zur Aufführung gelangen im Casino Zug Franken zu bezahlen hat.
Werke von Hans Hassler, Carl Rütti, Jürg Iten, wiler Hobbywinzer. Zwar liegt der «Weiße» quan-
Hans Hürlimann und Paul Sarbach. titativ hinter den Erwartungen zurück, beim «Ro- NOVEMBER 1985 12. Das neue Zuger Kunsthaus in der Liegenschaft
ten» werden aber gute Öchsle-Grade gemessen. «Hof im Dorf» soll 1988 eröffnet werden können.
7. Aus der Truppenübung «Tornado» mit Beteiligung 2. - Cham besitzt nun einen Dorfbus. Die Strecke Pfad-
Auf Einladung des Zuger Vereins für Hcimatge- Die Umbauarbeiten werden mit 3,65 Millionen
des Zuger Geb Füs Bat 48 berichtet das Zuger Re- Cham-Hagendorn erschließt wichtige Wohnge-
schichte gibt Hermann Steiner einen Überblick Franken angegeben. An die Baukosten will die Stif-
gionalfernsehen (ZRF) in täglichen Sendungen. biete für den öffentlichen Verkehr.
über die Gemeinde Cham. Er macht deutlich, daß tung der Freunde des Zugcr Kunsthauses eine Mil-
Von den 41800 im Kanton Zug immatrikulierten lion Franken beitragen.
die Industrie dieser Ennetseer Gemeinde im letzten 4. Im Schutzengel, im nördlichen Teil von Baar, ent-
Motorfahrzeugen verfügen trotz Steuerbefreiung
Jahrhundert das Geprägc gegeben hat. steht eine Überbauung mit Dorfcharakter. Gebaut 13. Der erste Schnee, früh und reichlich gefallen, be-
erst deren 265 über einen Katalysator.
werden 80 Wohnungen in einfamilienhausähnli- deckt den ganzen Kanton mit einem weißen Über-
9. Mit ihren Hunden standen die beiden Zuger Peter 24. Der Kanton Zug ist aktiv in Sachen Umweltschutz. chem Stil. zug.
Reding und Stefan Grunder bei den Rettungsarbei- Ein erster Heizungskatalysator steht für die Zuger
5. In Anwesenheit einer großen Gästeschar wird die Der Verein für Kranken- und Wochenpflege im
ten im Anschluß an die Erdbebenkatastrophe in Burg und für das kantonale Zeughaus in Betrieb.
Lorzentobelbrücke dem Verkehr übergeben. Die Kanton Zug feiert sein 75jähriges Bestehen mit
Mexico City im Einsatz.
570 Meter lange Brücke hat insgesamt Kosten von einem Festakt im Theater Casino Zug. Dieser von
25. Beim Fischereimuseum wird eine Gedenktafel ent- 20,3 Millionen Franken verursacht. Stadtrat Dr. Markus Frigo präsidierte Verein ist
10. Mit seinem Projekt «Dialog» gewinnt der 26jährige
hüllt, die an den Untergang der niedrigen Gasse Träger der Klinik Liebfrauenhof.
Architekturstudent Urs Zumbühl aus Zug den Pro- Der Zuger Kirsch soll noch effizienter für die Re-
erinnert. Im März 1435 verloren 60 der damals
jektwettbewerb zur Zuger Secufergestaltung. Das gion Zug werben. Zu diesem Zwecke hat der Zuger
rund 500 Bewohner der Stadt Zug ihr Leben. 14. Für die Unterbringung und Betreuung der Asylan-
Projekt wird in einer Überarbeitung zur Realisie- Künstler Walter F. Haettenschwciler eine reprä-
rungsrcife gebracht. sentative Zytturm-Flasche geschaffen, in der künf- ten im kommenden Jahr rechnet der Zuger Regie-
26. Mit der Fahnenabgabe auf der Schützenmatte ver- rungsrat mit Kosten von 736000 Franken. 480000
Bei den Bauarbeiten an der Kirche St. Vit, Haupt- tig die gebrannten Kirschen der Traditionsdistille-
abschieden sich die Zuger Milizen nicht nur vom Franken werden in Form von Rückerstattungen
see, in Oberägeri werden Fundamente der Kapelle rie Etter angeboten werden.
diesjährigen WK, sondern auch von ihrem Kom- vom Bund und von den Gemeinden erwartet.
von 1727/28 entdeckt. mandanten Major Heinz Aschmann. Das Kom- Der Verkehrs- und Verschönerungsverein der
Stadt Zug ergänzt den attraktiven Zuger Stadtfüh- An der Tagung der Bürgergemcinden spricht sich
17. Im «Burgbachkeller» erlebt «Lieder(licher) mando wechselt an Walter Weber, also wieder an der Zuger Staatsarchivar Dr. Peter Hoppe für eine
einen Zuger. rer um eine Übersetzung in französischer und engli-
Abend», das neueste Programm des Zugcr Cabrie- vermehrte Zusammenarbeit der Gemeinden bei der
scher Sprache.
tistcn Osy Zimmermann, seine Erstaufführung. In Niderwil, der Ortschaft zwischen Hagendorn Aufarbeitung ihrer Archive aus. Zu den Aufgaben
In Cham stirbt im Alter von 72 Jahren Dr. Gerold der Bürgcrgcmeindcn gehört die Förderung der
19. In Steinhausen wird eine neue Quartierzentralc und Steinhausen, wird das für 530000 Franken re-
Meier. Der Jurist war von 1960 bis 1976 Land- Heimatverbundenheit.
und ein Netzgruppenhauptamt in Betrieb genom- novierte Schulhaus eingeweiht.
schreiber des Kantons Zug. 1977 wurde er für vier
men. Dies bedeutet, daß sich rund 3000 Zugcr an Jahre zum ersten Präsidenten des neu geschaffenen
27. Die 14. Zuger Herbstmesse schließt ihre Pforten. 15. An der traditionellen Morgartcn-Schlachtfeier
ihre neue Telefonnummer gewöhnen müssen. Verwaltungsgcrichtcs gewählt.
Mit 49699 Besuchern konnte der Rekord des Vor- spricht der Zuger Landammann Andreas Iten. An
In Zug eröffnet Ständeratspräsident Markus Kün- der 670. Jahrzcit der Schlacht spricht der Zugcr Re-
jahres zwar um 5000 Personen verbessert, die 6. Auf dem Bahnhof Rotkreuz brennt die zweitletzte
dig die 14. Zuger Herbstmesse. In zehn Hallen zei- gicrungsrat von einer historischen Entscheidung,
Wunschzahl von 50000 Eintritten aber nicht ganz Komposition des einst legendären «Roten Pfeils»
gen 209 Aussteller Waren und Dienstleistungen al- die für den Weiterbesland der Eidgenossenschaft
erreicht werden. Im kommenden Jahr soll die aus. Auch der Einsatz von 20 Feuerwehrleuten
ler Art. Bereits am ersten Wochenende werden über lebenswichtig war.
Herbstmesse um eine Lehrlingsschau erweitert kann den einstigen Luxuszug der SBB nicht mehr
10000 Besucher registriert. Die 40. Generalversammlung der Zuger Raiffeisen-
werden. retten.
Mit der Rekordbeteiligung von 1000 Wehrmän- kassen kann von positiven Zahlen Kenntnis neh-
nern finden im Gebiet der Korporation Walchwil An der Video-Tagung in Lugano erreicht die ZRF- 7. Künftig soll der Zuger Kehricht nicht mehr auf der men. Die Bilanzsumme stieg um 11,7 Prozent auf
und Unterägeri die Meisterschaften der Geb Div 9 Reportage über die Kantonale landwirtschaftliche Straße, sondern per Bahn zur Verbrennung nach 392,4 Millionen Franken, jene der Mitglieder um
statt. Schule Schluechthof in Cham einen ersten Preis. Winterthur gebracht werden. Der Zugcr Kantons- 6,5 Prozent auf 5546 Genossenschafter.
Diesen ZRF-Beitrag realisierte Schluechthof-Schü- rat beschließt dies mit 42 zu 20 Stimmen.
Der öffentliche Verkehr ist Gast bei der Zuger ler Peter Hurni.
Herbstmesse. Verschiedene Verkehrsunterneh- An der Kantonsschule in der Luegctcn kann die er- 16. Auf dem Zugerberg können Korporation Zug und
mungen unter Führung der ZVB informieren in Josef Mühlefluh wird Neuheimer Ehrenbürger. Die ste Ausbauetappc eingeweiht werden. Dies betrifft Stadt Zug beim Vordergcißbodcn das neue Mehr-
einem separaten Pavillon über den Stand und die Bürgergcmeinde ehrt damit das Wirken des Politi- die Turnhalle, die Musikräume und den dreige- zweckgebäude einweihen. An den Kosten von 1,04
Ausbaupläne des öffentlichen Verkehrs im Kanton kers, der seit elf Jahren Gemeindepräsident ist und schossigen Anbau am Obergymnasium. Diese Aus- Millionen Franken beteiligt sich die Stadt Zug mit
Zug. seit 16 Jahren das Schulamt präsidiert. bauetappe kostete insgesamt 13,1 Mio. Franken. 695000 Franken.

148 149
16. Menzingen feiert das 50jährige Bestehen seines Ski- 13. Die Metro International AG - ein bedeutendes Un- JANUAR 1986
DEZEMBER 1985 ternehmen - verlegt ihren Sitz von Zug nach Baar.
klubs. Bei der Feier können von den bisher 13 Ver-
einspräsidentcn deren acht geehrt werden. Die Firma kam 1974 nach Zug. Das für 300 Mitar- 1. Zeitungsjubiläum im Kanton Zug. Vor 125 Jahren
1. Zum Großerfolg wird die zweite Auflage des von
beiter konzipierte Gebäude wird derzeit von rund erschien erstmals das «Zugerische Volks-Blatt»,
17. In der Liebfrauenkapelle in der Zuger Altstadt wird der «Pro Zug» organisierten «Märli-Sunntig». Der
220 Personen belegt. 1966 erblickte das «Zuger Tagblatt» das Licht der
die für 95 000 Franken erneuerte Bossart-Orgcl ein- Zuger Stadtpräsidcnt Dr. Othmar Kamer und
seine Gattin amtcn als Zuger Prinzenpaar. Welt.
geweiht. Das 1737 geschaffene Instrument stammt 14. Im Casino Zug erlebt «Di chlyHäx», eine Eigenins-
aus der bekannten Baarer Orgelbauer-Dynastie der Deutlich lehnen die Stimmbürger im Kanton Zug 5. Mit der «Grindufhänket» der Oberägerer Legoren
zenierung der Theater- und Musikgcsellschaft Zug
Bossart. die Ausrichtung von Mictzinszuschüsscn ab. beginnt auch im Kanton Zug die närrische Zeit.
(TMGZ), eine erfolgreiche Premiere.
An der Urne werden erste Weichen zur Verkchrs- Die Legoren steigen bereits in die 151. Fasnacht.
19. Der Regierungsrat genehmigt die neuen Spitalta-
entlastung der Stadt Zug gestellt. Mit 11 185 zu 21 Techniker absolvieren mit Erfolg den fünften
xen für das Kantonsspital, die Klinik Liebfrauen- 8. «Entwürdigend» wird von der katholischen Kirch-
14265 Stimmen wird der Projektierungskredit für Lehrgang der LG-Technikerschule.
hof und für die Spitäler Baar und Cham. gemeinde der Stadt Zug das Vorhaben des Kir-
die Gutschrankabfahrt abgelehnt. Mit 13315 zu Aus Anlaß des 400. Jahrestages der Aufnahme ins chenrates bezeichnet, unter der Gut-Hirt-Kirchc
21. Bei den Bauarbeiten an der ehemaligen Sust in der 12276 Stimmen wird dagegen der Kredit für die Baarer Bürgerrecht erscheint eine Familienge- eine Autoeinstellhallc einzurichten. Genehmigt
Zuger Altstadt stößt die Denkmalpflege auf Sied- Projektierung des Stadttunnels gutgeheißen. schichte der Hotz von Baar. Das Vorwort schrieb wird dagegen ein Kredit von 1,3237 Millionen
lungsrcste aus dem ersten Jahrtausend v. Chr. Un-
Bei Grabarbeiten am Kolinplatz stößt die Denk- Bürgerpräsident Dr. Alois Hotz, die Redaktion be- Franken für die Sanierung von Turm, Kirche und
ter dem Täfer des frühen 20. Jahrhunderts kommt sorgte Gcmeindeschrciber Josef Wyß und die grafi-
malpflege in der Nähe des Zytturms auf die Reste Pfarrhaus Gut Hirt.
die Wandverkleidung mit Malereien des 19. Jahr- sche Gestaltung Eugen Hotz.
einer gemauerten Brücke. Dieses Bauwerk muß 10. Die von Hans-Martin Oehri präsidierte Militär-
hunderts zum Vorschein.
schon vor 1770 abgebrochen worden sein. Motorfahrer-Gesellschaft des Kantons Zug feiert
23. In seinem Buch «Frühling in Sant' Angelo» erin- 16. Die erste Ausgabe von «Tugium» wird vorgestellt. ihr 20jähriges Bestehen. Der MMGZ gehören be-
nert Fabrizio Colonelli an die Hilfe der Zuger, die 5. 4425 Unterschriften trägt die Volksinitiative zur Diese Dokumentation soll künftig jedes Jahr reits 856 Mitglieder an.
dem Erdbcbcngebiet in Italien nach den Zerstörun- Erhaltung der alten Lorzentobelbrücke.
erscheinen. Das kantonale Werk informiert über Dr. Hugo Bütler, geborener Hünenberger und
gen vom 25. April 1981 gewährt wurde. Der dort ge- Archive, Archäologie, Denkmalpflege und Museen.
baute Pavillon umfaßt sechs Schulzimmer, eine 6. Dr. Ucli Ess wird neuer Rektor für das Untergym- Chefrcdaktor der «Neuen Zürcher Zeitung», wird
modern eingerichtete Küche und einen Mehr- nasium an der Kantonsschule Zug. Stiftungspräsident der mit 20 Millionen Franken
zweckraum für 120 Personen. 19. Die Stadtpolizci Zug will sich im kommenden Jahr dotierten Stiftung Landis & Gyr. Seit der Grün-
7. In Rotkreuz vermag der Umzug der Klausengesell- dung im Jahre 1971 hat die Stiftung 7,1 Millionen
vermehrt im Kampf gegen Wohnungscinbrüche
25. In 600 Stunden Fronarbeit werden die ersten 40 schaft traditionsgemäß zahlreiche Besucher anzu- Franken ausgegeben.
und Drogen einsetzen.
Sterne für die Weihnachtsbeleuchtung im Ägerital locken.
25 Jahre sind es her, seit in Obcrwil ein Bilderstreit
hergestellt. Die Matcrialkosten werden aus der Ge- um die Kirchenbilder von Ferdinand Gehr ent-
10. Auf 80 Prozent gesenkt wird der Steuerfuß für das 21. Der 106 Jahre alte erste Löschzug der Freiwilligen
meindekasse gedeckt. brannt war. Heute werden die Bilder als Kunst-
kommende Jahr in der Stadt Zug. Feuerwehr der Stadt Zug, die eigentliche Feuer-
30. Zug erweitert die Oberstufenschulanlagc Loreto wehr der Altstadt, kann in der Liebfrauenkapelle werk anerkannt und geschätzt.
um eine Mediothek und eine Finnenbahn. 11. Im Kanton Zug gibt es 81 362 künstlich belüftete eine neue Standarte weihen. 14. Im Werk Zug der Landis & Gyr wird die l 000000.
Zivil-Schutzplätze in 3353 Schutzräumcn.
Eine Ausstellung in der Eingangshalle des Zuger Der Stadtrat verteilt den «Frauenthal»-Lebkuchen Quarz-Schaltuhr hergestellt. Diese Schaltuhrcn
Rathauses ist dem künstlerischen Schaffen von 12. Die Gemeinde Stcinhausen beteiligt sich mit einem an im Sozialbcrcich tätige Personen. Der Lebku- werden seit 1977 in die Sigrnagyr-Heizungsregler
Emil Dill (1861-1938) gewidmet. Dill unterrichtete Baubeitrag von 8,5 Millionen Franken am Bau chen wird Jahr für Jahr vom Kloster Fraucnthal ge- eingebaut.
40 Jahre lang an der Kantonsschule Zug. Künstler- einer Alterssiedlung, der von einer Stiftung reali- spendet, in Fortführung einer alten Tradition aber 16. Im Kanton Zug herrscht tiefster Winter. Jeweils ab
tochter Margaretha Dill schenkt der Stadt Zug te- siert wird. auch aus Dankbarkeit für den Beitrag der Stadt an dem 1. November steht im Kanton ein Pikcttdienst
stamentarisch den künstlerischen Nachlaß ihres die Renovationskosten des Klosterkomplexes. rund um die Uhr zur Verfügung, um die Straßen
Landis & Gyr kann über ein ausgezeichnetes Ge-
Vaters. Im neuen Kunsthaus wird die Einrichtung von der weißen Pracht zu befreien. Der Winter-
schäftsjahr berichten. Der Cash-flow des Konzerns
eines Dill-Kabinetts geprüft. dienst auf den Zuger Kantonsstraßen kostet
stieg im Geschäftsjahr 1985 um 11,7 Prozent auf 22. In Baar wird am 4. Adventssonntag der Brauch des
In Rotkreuz wird der Rohbau des künftigen Ge- 143 Millionen Franken, der Gesamtertrag um 24,8 Currende-Singens gepflegt. 100 Sänger lassen 450000 Franken im Jahr.
meindezentrums besichtigt. Das Zentrum soll im Prozent auf 75,5 Millionen Franken. Wcihnachtslieder in mehreren Sprachen erklingen. Im vergangenen Jahr verloren zwölf Menschen bei
November 1986 bezogen werden können. Die Ein- Verkehrsunfällen ihr Leben, einer mehr als im Jahr
Der Zustand der Zuger Wälder hat sich weiter ver- 25 der 55 Mitglieder des erst vor zwei Jahren ge-
wohnergemeinde sprach für dieses Vorhaben einen zuvor. 467 (473) Verkchrsunfälle ereigneten sich
schlechtert. Auffallend ist der schlechte Zustand gründeten Gcwcrbevcreins Neuheim beteiligen
Kredit von 14,25 Millionen Franken, die Katholi- innerorts und 363 (366) außerorts. Der Sachscha-
der Laubbäume. Die Zunahme der Schadenmerk- sich an der Gewerbeausstellung.
sche Kirchgemeinde einen solchen von 2,5 Millio- den beziffert sich auf 4,9 Millionen Franken.
male im Zuger Wald beträgt acht Prozent. Die
nen Franken. Baumschäden liegen über dem schweizerischen
Der Kantonalverband der Zugcr Pfadfinderinnen 30. Die Bürgergemcinde Zug verabschiedet Willy Wal- 20. Im kulturellen Leben des Ägcritales nimmt die Bi-
Durchschnitt.
und der Pfadcrkantonalverband Zug wollen fusio- ler. Er gehörte dem Rat seit 25 Jahren an und präsi- bliothek Unterägcri einen wichtigen Platz ein. In
nieren. Im Herbst 1986 soll endgültig darüber ent- 13. Der Kanton Zug gewährt der Stiftung CH 91 an die dierte ihn ab 1973. Der Demissionär erhält eine ihrem zweiten Betriebsjahr konnte der Bücherbe-
schieden werden, ob die 250 Mädchen und 1000 Kosten der Projektorganisation ein Darlehen von Wappenscheibe aus dem Rathaus aus dem Jahr stand um 2040 auf 7763 Bände gesteigert werden.
Burschen künftig gemeinsame Sache machen. 250000 Franken. 1552 mit Widmung zum Geschenk. Unter den 1608 Benutzern sind 685 Kinder.

150 151
20. Wichtige Funde macht die Denkmalpflege am Zu- 27. Die Gemeindeversammlung Walchwil genehmigt 8. In einer komfortablen Situation befinden sich die 24. Zum zehntenmal in ununterbrochener Reihe
ger Fischmarkt. Das Hechttor dürfte im 15. Jahr- einen Kredit von 13,5 Millionen Franken für den Lehrlinge im Kanton Zug. Die angehenden Berufs- spricht der Wirtschaftsprognostiker Dr. Peter G.
hundert errichtet worden sein. Hallstättischc Kera- Bau des Oberstufcn-Schulhauses. Erstellt werden leute können ihren künftigen Beruf auswählen. Die Rogge im Theater Casino über «internationale und
mikfragmente belegen eine vorchristliche Besied- soll auch ein Saal für 400 Personen. Lage auf dem Lehrstcllenmarkl hat sich weiter ent- schweizerische Wirtschaftsperspektiven». Der
lung von Zug. spannt, vier von zehn Lehrstellen sind unbesetzt, Schweizer Wirtschaft prophezeit er für das laufende
28. Um acht Prozent auf 40,8 Millionen Franken stei- dies ein halbes Jahr vor dem Schulaustritt. Jahr eine positive Entwicklung.
21. Ein gutes Geschäftsjahr verzeichnet die Zuger gern konnte die Spinnerei an der Lorze Baar ihren Das Fasnachtsgeschchen wirft trotz ungünstigem Die Stadtzuger lieben das Sachbuch als Lektüre.
Kantonalbank (ZKB). Bei einem Reingewinn von Umsatz. Pro Aktie wird eine erhöhte Dividende von Wetter an diesem Wochenende fast überall im 1985 wurden von der Stadtbibliothek 126905 Bü-
9,23 Millionen Franken konnte die Bilanzsumme 240 Franken ausgeschüttet. Kanton Zug hohe Wellen. Höhepunkte bilden die cher und Medien ausgelichcn, das Sachbuch weist
um 9,2 Prozent auf 3,61 Milliarden Franken erhöht Peter Hofmann wird als Nachfolger des aus gesund- Umzüge in Wylägcri und in Baar. steigende Beliebtheit auf.
werden. heitlichen Gründen zurücktretenden Arnold Brei- Das Restaurant Taube in der Zuger Altstadt er-
tenmoser auf den Beginn des Schuljahres 1986/87 10. Bei Ausgrabungen in der Schützenmattc in Zug
werden die Reste einer 4500 Jahre alten Pfahlbau- strahlt in neuem Glanz. Der Taube wurde von der
22. Über die Lebensqualität der Bäuerin im Landwirt- zum Rektor der Kaufmännischen Berufsschule Zug
.- Siedlung entdeckt. Gefunden werden Pfahle, Klin- Zuger Obrigkeit bereits 1721 das Tavernenrecht
schaftsbetrieb informieren ließen sich die 300 Teil- gewählt. zugesprochen.
nehmerinnen am von Käthi Langenegger präsi- gen und Tonscherben der Horgener Kultur.
dierten Bäuerinnentag. 29. Im Rahmen des traditionellen Bäckermöhli be-
schenkt die Bäckerzunft die Stadlzuger Kinder mit 11. Um der Bedeutung des Wirtschaftsplatzes Zug ge- 27. Vor 500 Zuhörerinnen und Zuhörer befürwortet
23. Die Zugcr Projektskizze für die CH 91 wird der Öf- Wurst und Brot. Die Zunft der Müller, Bäcker und recht zu werden, bedarf es Anpassungen bei der Po- Bundesrätin Elisabeth Kopp im Theater Casino
fentlichkeit vorgestellt. Das Konzept beinhaltet den Zuckerbäcker kann dieses Jahr ihr SOOjähriges Be- lizei. Die Polizeigruppc «Wirtschaftskriminalität» Zug den UNO-Beitritt - bei der Abstimmung sagte
«Arbeitspfad» in Zug, kulturelle Werkstätten in stehen feiern. soll personell und ausbildungsmäßig verstärkt wer- der Souverän dann an der Urne deutlich nein.
den Gemeinden, den Weg durch den Kanton Zug, den. Auch auf Gesetzesebene werden Anpassungen
geprüft. 28. Bruno Tschofcn übernimmt von Walter Marti das
das Projekt Okopolis in Cham und verschiedene FEBRUAR 1986
Präsidium des Verbandes der kantonalen Beamten
Feste und Feiern. 12. Ein gutes Geschäftsjahr meldet die V-Zug AG. Der
2. Mit einem Umzug feiert die Eichezunft Hünenberg und Angestellten.
Für die geplante Erweiterung der Psychiatrischen Umsatz konnte um sieben Prozent auf 150 Millio-
Klinik «Franziskusheim» Oberwil sind die ersten ihr zehnjähriges Bestehen. nen Franken gesteigert werden. Die Budgcterwar-
Würfel gefallen. Die Architektengemeinschaft Ro- tungen wurden deutlich übertroffen.
4. An der Kantonsschulc Zug wird ein Versuch mit MÄRZ 1986
bert Mächler, Küßnacht; Riccardo Notari und Teamtcaching über zwei Jahre gestartet. Die cinsc- 13. Die Kälte hat im Kanton Zug Einzug gehalten.
Carl Notier, Steinhausen; Fred Schaepe und Land- mcstrigen Freifachkurse Biologie-, Physik- und 1. Das Hagelwetter vom 15. Juli 1985 belastet die
Dies führt dazu, daß der Steinhauser Waldweiher
schaftsarchitekt Dölf Zürcher, Oberwil, wird mit Chemiepraktikum werden von je zwei Lehrern ge- eine 15 Zentimeter dicke Eisschicht aufweist und Rechnung 1985 der Gebäudeversicherung des
der Weiterbearbcitung ihres Projektentwurfes be- meinsam geleitet. betreten werden darf. Kantons Zug beträchtlich. Die Zahl der Elemen-
auftragt. tarschäden stieg von 236 auf 882 und die Schaden-
Aufwärtstrend bei der Gemeindebibliothek Stein-
24. Der in Zug aufgewachsene Dirigent Mario Ven- hausen. 36000 Bücher oder 125 im Tagesdurch- 14. Die neugcgründete Zugcr Theatergruppc «Zuger summe von 477312 Franken auf 3,154 Millionen
zago wird zum Generalmusikdirektor der Stadt schnitt wurden ausgeliehen. 1467 Personen bilden Komödianten» feiert im Zuger Burgbachkcller Pre- Franken.
Heidelberg gewählt. Er wird für den Opernbetrieb den regelmäßigen Benutzerkreis der Bibliothek. miere. Das Programm «Treffpunkt Zug» soll an die
In Sachen Asylantcn übt der Kanton Zug Solida-
und für die Sinfonickonzcrte verantwortlich sein. alte Zuger Kabarett-Tradition anknüpfen.
rität gegenüber den anderen Kantonen. In nächster
Venzago war seit 1979 Dirigent des Stadtorchestcrs 5. In der Stadt Zug fährt jeder 20. Automobilist zu
Das Fernsehen DRS strahlt die Sendung «Music- Zeit werden vom stark betroffenen Kanton Frei-
Wintcrthur. schnell. Dies macht der Rechenschaftsbericht der
land» erstmals live aus dem Theater Casino Zug burg 30 Asylanten übernommen. Diese werden vor-
Stadtpolizei deutlich. Bei Geschwindigkeitskon-
aus. erst im Übergangswohnheim in Steinhausen Auf-
25. Aus Anlaß ihrer 107. Generalversammlung, ver- trollen stieg die Quote der Verzeigungen von 4,7
nahme finden.
bunden mit dem traditionellen Fackelzug durch die auf 5,1 Prozent. Die Stadtpolizei mußte 149 Mal 15. Bei der Baarer Feuerwehr prüft man die Inbetrieb-
Stadt, läßt die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Zug alarmmäßig ausrücken, brachte neun Boote sicher nahme einer Computeranlage. Das von Major 5. Die 72. ordentliche Generalversammlung der Ak-
(FFZ) im Rahmen eines Tages der offenen Tür hin- an Land, nahm 280000 Franken an Parkgebühren Hanspetcr Kaiser kommandierte Korps mußte tionäre erhöht das L&G-Aktienkapital von 138 auf
ter die Kulisse blicken. Das Interesse der Bevölke- ein und unterrichtete 2536 Schüler über verkehrs- 1985 zu 62 Einsätzen ausrücken. 153 Millionen Franken. Die Dividende beträgt
rung an Geräten, Fahrzeugen und an der Atcm- gerechtes Verhalten. Elfmal mußte die 120 Mann starke Feuerwehr Hü- zehn Prozent.
schutzübungspiste ist groß. nenberg ausrücken, viermal war es Fehlalarm.
6. Das Jahr 1985 dürfte für die Zugcr Wirtschaft zu
27. Die Wohnbevölkerung im Kanton Zug ist um 1,67 den besten des letzten Jahrzehnts gehören. Die 7. Die Gemeindeweibel und ihre Stellvertreter grün-
22. Von Josef Wyß übernimmt Guido Heinrich das den den Verband der Gemeindeweibel und ihrer
Prozent oder um 1322 Personen auf 80399 Perso- Kennzahlen der zugerischen Wirtschaft liegen, Kommando der Feuerwehr Obcrägeri. Das Korps
nen gestiegen. Mit 5,57 Prozent weist Hünenberg auch dank günstigen Rahmenbedingungen, über Stellvertreter im Kanton Zug. Zum ersten Präsi-
mußte 1985 zu 21 Ernstfalleinsätzen ausrücken. denten gewählt wird der Stadtweibel von Zug,
die stärkste Zuwachsrate auf. dem schweizerischen Mittel.
24. Erstmals wird in der Stadt Zug wie an 31 anderen Werner Binzegger.
Mit dunkelblauer Hose, weißer Jacke, Ceinturon, Mit einem attraktiven Programm wartet die Kul-
blauem Hemd und weiß-blauer Schirmmütze wer- turkommission Unlerägcri auf. Die Palette reicht Orten in der Schweiz eine Auswahlschau der Solo- Mit der Generalversammlung in Oberägeri eröffnet
den die in drei Gruppen eingeteilten 17 Mann der vom Vortrag, über die Ausstellung bis zum Kon- thurncr Filmtage gezeigt. Zu sehen sind insgesamt der Gewerbeverein Agerital die Festivitäten zu
kantonalen Hilfspolizci neu eingekleidet. zert des Orchestervereins und des Kantichores. 16 Schweizer Filme. seinem 150jährigen Bestehen.

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8. Das altehrwürdige Theresiahcim in Untcrägeri ist 20. In Zug wird ein Bauforum für Architekten und In- 1. Eine Karte der Schweizerischen Hagel-Versiche- 19. In Zug treffen sich über 70 Namensträger zum Bos-
dem Untergang geweiht. Das Gebäude widersteht genieure aus der Taufe gehoben. Erster Präsident rungs-Gesellschaft macht es deutlich: Der Kanton sard-Tag. Im Mittelpunkt steht der Vortrag von
aber vorerst zwei Sprengversuchen von Zürcher ist der Zugcr Peter Kamm. Der Satz «Es wird von Zug gehört zu den hagelgefährdeten Gebieten der Dr. Carl Bossard, Oberkirch, über Dekan Johann
Luftschutzsoldaten. den Mitgliedern verlangt, anständig zu bauen» aus Schweiz. Die Hagelversicherung hatte 1985 im Konrad Bossard (1765 bis 1830).
Mit dem Mittefaslenfeuer, einer alten, frühzeitli- dem alten Bern bildet den Leitsatz der jungen Ver- Kanton Zug 1,767 Millionen Franken zu zahlen. «Maler im Agerital» heißt die von der Kulturkom-
chen Kulthandlung, verabschieden die Oberägerer einigung, die bezüglich CH91 dem Wunsch nach mission und vom Bürgerrat Unterägeri organisierte
«zugcrischem Geist» Ausdruck verleiht. 2. Bei Grabarbeiten im Zuge der Umgestaltung des
Legoren die Fasnacht endgültig und begrüßen den Ausstellung. Insgesamt zehn Künstlerinnen und
Frühling. Landsgemeindeplatzes werden Teile der alten
Stadtmauer entdeckt. Künstler zeigen Ausschnitte aus ihrem Schaffen.
10. Rückläufige Tendenz weist die Arbeitslosenzahl im 21. In der Kant. Landwirtschaftsschule Schluechthof
in Cham beenden 23 Jungbauern mit der Fähig- Der Zivilschutz im Kanton Zug kann das Bestan-
Kanton Zug auf. Innert Monatsfrist ging die Zahl 21. Der Stadtrat setzt eine Arbeitsgruppe «Jugend-
keitsprüfung ihre Grundausbildung. dcssoll von 7166 Dienstpflichtigen noch nicht er- politik der Stadt Zug» ein. Sie soll den Stadtrat in
der Arbeitslosen von 163 auf 152 Personen zurück, reichen. Derzeit sind 5335 Zivilschutzpflichtige ein-
252 Stellen sind unbesetzt. allen Fragen beraten, die die Belange der Jugend
geteilt.
22. In Walchwil kann die Fernsehgenossenschaft einen betreffen.
l l. Die Restauration der Zuger Burg kostet 7,431 Mil- " Viel zu tun gab es für die Securitaswächter im ver-
Schlußstrich unter den Aufbau des Kabelfernseh- Im Zugersee wird die Rohrleitung verlegt, die die
lionen Franken. 132000 Franken gingen an Schen- gangenen Jahr. Es wurden 50978 Meldungen er- Zuger Fernheizzentrale beim Theater Casino mit
netzes ziehen. Mit Investitionen von l ,25 Millionen stattet, oft bestand akute Feuer- oder Diebstahlge-
kungen und 834100 Franken als Bundesbeitrag ein. Franken konnten 644 Abonnenten an das Netz an- Seewasser versorgen soll. Im Endausbau sollen 600
fahr. Kubikmeter Seewasser pro Minute die Energie für
14. Im Kanton Zug ist man auf dem besten Weg, die geschlossen werden.
8. Das Bauernhaus und der Speicher in Kemmatten die Beheizung der Altstadt liefern.
Buchstabenseuche- Rinderseuche IBR/IPV-end- In Anwesenheit der Künstlcrgattin Jutta Bossard Hünenberg gelten als Baudenkmäler von regiona-
gültig ausmerzen zu können. Seit 1981 wurden im wird im Museum in der Burg und im Zuger Kunst- ler Bedeutung. Sie werden unter kantonalen Schutz 23. Auf dem Braunviehzuchtareal findet die Bruna 86,
Kanton für Tierentschädigungen 2,24 Millionen haus die Gedächtnisausstellung «Ein Leben für das gestellt. die nationale Braunviehausstellung, statt. Das Pro-
Franken aufgewendet. Gesamtkunstwerk» eröffnet. Gezeigt werden Wer-
10. Die Tcgimenta, die in Rotkreuz domizilierte Toch- gramm umfaßt Tierbeurteilung und Tiervorfüh-
Im Sonnenberg in Baar leben 72 Sehbehinderte ke aus dem Schaffen des in Zug aufgewachsenen rung.
und Blinde. Sechs der Sonnenberg-Schülcr kom- Künstlers Johann Michael Bossard (1874 bis tergesellschaft der Hoffmann-La Röche, expan-
men aus dem Kanton Zug. 1950), der in der Lüncburger Heide gelebt und ge- diert. Die Firma kam 1969 in den Kanton Zug. Mit Der Zugcr Verein für Heimatgeschichte ernennt
arbeitet hat. Investitionen von zehn Millionen Franken soll die Dr. Josef Speck zu seinem Ehrenmitglied. Josef
Die Feuerwehren von Zug und Baar proben im Al- Speck hat sich um die Zuger Heimatgeschichte
bistunnel den Ernstfall. In der Nacht auf Samstag Zahl der Arbeitsplätze auf 800 verdoppelt werden.
Steigende Frequenzen und einen höheren Ertrag während seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Kan-
werden die Feuerwehrleute mit der Situation eines zur Kenntnis nehmen kann die 89. Generalver- 14. Das Zuger Regionalfernsehen (ZRF) will professio- tonsarchäologe große Verdienste erworben.
Zugunfalles im 3,3 Kilometer langen Albistunnel sammlung der Schiffahrtsgcscllschaft für den Zu- neller werden. Diesem Zweck dient auch die neue
zwischen Baar und Sihlbrugg konfrontiert. 250 Per- gersee (SGZ). Geprüft wird die Anschaffung eines Einspeisestelle im Theater Casino, die vor allem bei
sonen stehen im Einsatz. 25. Mit einer offiziellen Feier wird am Kolinplatz in
dritten Schiffes. Live-Sendungen von Vorteil ist. Zug das Zollhaus seiner Bestimmung übergeben.
Der Zuger Stadtarchivar Dr. Christian Raschle 17. Die Stadtzuger äuffnen ihr Pro-Kopf-Vcrmögen Es dient künftig als Sitz von Polizeiamt und Polizei-
präsentiert die von ihm verfaßte Broschüre «Nach- 24. Ein ungewöhnlich starker Sturmwind zieht über weiter. Es beträgt nun 2986 Franken. Das Finanz- kommando der Stadtpolizei.
barschaft Lorzen und Schutzengelkapelle». den Kanton Zug hinweg. Schäden werden vor al- vermögen wird mit 125,069 Millionen Franken aus-
lem aus dem Ennctsee gemeldet, in Zug wird die gewiesen. 27. Mit der Einsegnung durch Domherr Hans Stäublc
15. Präsidentenwechsel beim Verband der Musikvcr- findet die Renovation der Kapelle Holzhäusern
cinc des Kantons Zug. Auf Max W. Schnurrenberger, Hafcnmole beschädigt. Die 94. Generalversammlung der Aktionäre der ihren Abschluß. Der Sakralbau bekam wieder sein
der zusammen mit Kassier Josef Landolt zum Eh- Der Kanton Zug unterstützt zwölf junge Zuger Wasserwerke Zug AG (WWZ) gibt ihre grundsätz- Aussehendes 19. Jahrhunderts.
renmitglied ernannt wird, folgt Peter Itlcnsohn. Künstler mit Werk- und Weitcrbildungsbciträgcn liche Zustimmung zur Einführung von Erdgas in
Von den 25 Neulehrern, die im Lehrerseminar zwischen 3000 und 8000 Franken. Für die Beiträge der Region Zug. Zu diesem Zwecke wird ein Kredit 28. In Zug wird die Zuger Treuhänder-Vereinigung
St. Michael Zug patentiert werden, sind noch deren in Höhe von 58000 Franken mußten 36 Gesuche von 28 Millionen Franken gesprochen. Vorbehal- ins Leben gerufen. Erster Präsident ist Guido
fünf auf Stellensuche. beurteilt werden. Seit 1978 wurden 83 Bewerber ten bleibt das Engagement von Industrie und Ge- Rensch. Die Vereinigung hat Standesregeln für die
mit insgesamt 379500 Franken unterstützt. meinden. im Kanton Zug tätigen Treuhänder ausgearbeitet.
Mit einem festlichen Gottesdienst feiern die Stadt-
zuger Katholiken den Wiedercinzug in die Os- 18. Das Barriercnzeitalter gehört in Zug mit einer Aus- Man erhofft sich positive Auswirkungen auf das
waldskirche. Die Renovation, an der 300 Arbeiter nahme der Vergangenheit an. Die Barriere in der Image des Wirtschaftsplatzes Zug.
beteiligt waren, kostet 4,835 Millionen Franken. APRIL 1986 Kollcrmühlc wird mit einer kleinen Feier außer Be-
trieb gesetzt, an ihre Stelle treten neugestaltete 29. Der Zuger Dr. Hermann Stocker, Brigadier außer
16. An der Urne lehnen die Stimmbürger des Kantons Der Um- und Neubau am Theater Casino Zug Bahnunterführungen, die 2,8 Millionen Franken Dienst, wird zum Präsidenten der Schweizer Mis-
die Volksinitiativen von SP und SAP zum öffentli- kann auch in finanzieller Hinsicht positiv abge- sions-Verkchrs-Aktion (MIVA) gewählt. Ziel der
kosten.
chen Verkehr ab. Am 22. Juni kommt es zu einer schlossen werden. Bei einem verfügbaren Kredit 1965 gegründeten MIVA ist die Beschaffung von
zweiten Abstimmung, der Gegenvorschlag des von 20,7 Millionen Franken muß eine Kostenüber- 19. Trotz schlechtem Wetter beteiligen sich über 1000 angepaßten Verkehrsmitteln verschiedenster Art
Kantonsrates zu den Initiativen wird dem Status schreitung von lediglich 142000 Franken oder 0,69 Teilnehmer am Marsch um den Zugersee, der be- zur Unterstützung der pastoralen, sozialen, medizi-
quo gegenübergestellt. Prozent in Kauf genommen werden. reits zum 18. Mal durchgeführt wird. nischen und erzieherischen Arbeit.

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MAI 1986 13. Mit der Wärme steigt auch die Gefahr für die Wäl- 7. Das Konzert des Orchestervereins Unterägeri, der 21. Festtag in Menzingen. Die Musikgesellschaft feiert
der, von den Borkenkäfern heimgesucht zu werden. Diliganten Consortcn und der Kirchenchöre von die Neu-Uniformicrung und das 175jährigc Beste-
1. Die Erforschung der Zurlauben-Aktcn schreitet Die Forstdirektion läßt wieder mit Duftstoffen ver- Unter- und Oberägeri ist dem Schaffen von Joseph hen. Gefeiert werden kann auch das Bestehen einer
planmäßig voran. Die von alt Bundcsrat Dr. Hans sehene Käferfallen in den Waldungen plazieren. Haydn gewidmet. Zur Aufführung gelangen die 25jährigen Freundschaft mit der Gemeinde Men-
Hürlimann präsidierte Zurlauben-Kommission Missa brevis in hon. Sti. Joannis de Deo in B-Dur, zingen in der BRD.
14. Der Gewerbeverband des Kantons Zug kann auf Musik für eine Flötenuhr, das Konzert in D-Dur für
kann feststellen, daß die Finanzierung der For- ein gutes Jahr zurückblicken. Im Baugewerbe Zu seinem 75jährigen Bestehen gibt der Orchcster-
schungsarbeiten weiterhin gesichert ist. Klavier und Orchester (Solist: Richard Hafner) verein Baar unter Leitung von Peter Tschudi ein
macht ein ruinöser Preiskampf zu schaffen, das Ge- und der Schluß-Chor «Singet dem Herrn alle Stim-
werbe ist der CH91 gegenüber positiv eingestellt. Konzert. Uraufgeführt wird «Das Gold der Sonne»,
2. Die beiden Schwesternschulen beim Kantonsspilal men» aus der Schöpfung. komponiert von Carl Rütti und mit dem Text von
Die Bauarbciten am Haus Graben 12 in Zug brin- Beatrice van Dongen-Rütti.
und bei der Klinik Liebfrauenhof werden einge- 8. Einen ausgezeichneten Eindruck macht die Feld-
gen Wandmalereien im Renaissance-Stil mit spät-
weiht. Eine Inschrift erinnert an die großen Ver- gotischen Einflüssen ans Tageslicht. Die Malereien musik Baar beim 28. Eidgenössischen Musikfest in Die Festansprache zum 125jährigcn Bestehen der
dienste von Dr. Hubert Mäder im Dienste der Winterthur. Beim «Marschieren mit Evolution» er- Zugcr Kantonsschulc hält im Theater Casino Zug
dürften um 1600 entstanden sein.
Krankcnbctrcuung und der Schwesternausbil- ringt die Feldmusik Baar mit Dirigent Peter Lüssi Erzichungsdirektor Dr. Anton Scherer. Er spricht
dung. 17. Großer Tag für Cham — im Ennetsee kann der 96 von 100 möglichen Punkten. von der dynamischen Entwicklung der Zuger Mit-
10000 Einwohner gefeiert werden. Gemeindepräsi- 13. In der Liegenschaft Chamerstr. l in Zug kann die telschule in den letzten Jahren.
3. Die Zuger Kantonalbank feiert im Jahre 1992 ihr dent Alois Steiner beschenkt die Eltern des Säug-
lOOjähriges Bestehen. Im Hinblick auf dieses Jubi- Stiftung Phönix das Übergangswohnhcim für psy- «Tropical» heißt das Motto des Festes der Vereini-
lings David Nußbaumer. Die Chamcr feiern ihr chisch Behinderte in Betrieb nehmen. Das Wohn-
läum stellt sie der Schiffahrtsgesellschaft drei Mil- gung ehemaliger Kantonsschüler (VEK), organi-
«Stadtfest» erst im August 1987. heim soll helfen, die Brücke zwischen Klinikaufent-
lionen Franken für den Kauf eines dritten Zuger- siert aus Anlaß des Kantonsschuljubiläums im
seeschiffes zur Verfügung. Die von 1741 Aktionären 22. Der Reaktorunfall von Tschernobyl zeigt auch im halt und Alltag leichter begehbar zu machen. Theater Casino.
besuchte Generalversammlung spricht sich für eine Kanton Zug Folgen. Zur Untersuchung und Mes- 14. In Anwesenheit von Delegationen des Zuger Stadt-
Dividende von zehn Prozent auf dem Aktienkapital sung radioaktiver oder chemischer Verseuchungen 22. Die Stimmbürger des Kantons Zug sprechen sich
rates und des Großen Gcmeinderates wird im Ur- an der Urne für die Erhaltung der alten Lorzento-
von 60 Millionen Franken aus. von Lebensmitteln soll ein permanentes Laborato- ner Bergdorf Isenthal die Kleintalstraße einge-
rium eingerichtet werden. belbrücke aus. In Sachen öffentlicher Verkehr wird
weiht. Damit kann das vorläufig letzte Vorhaben dem Vorschlag des Kantonsratcs gegenüber dem
5. Sieben Jahre nach der Grundsteinlegung kann der 24. Auf großes Echo stößt der Schweizerische Stromtag realisiert werden, das von der Stadt Zug finanziell Status quo der Vorzug gegeben.
Neubau der Schweizerischen Kreditanstalt an der im Kanton Zug. Die WWZ präsentieren die Bc- unterstützt worden ist.
Bahnhofstraße in Zug fertiggestellt werden. SKA- triebszentrale in Zug, das Unterwerk Altgasse in 17. Das wohl schlimmste Unwetter der letzten 20 Jahre 23. Nicht weniger als 249 Absolventen der Zuger Kan-
Direktor Bernhard Bächer kann von Architekt Baar und das Grundwasserpumpwerk Reifflimatt zieht über den Kanton Zug hinweg. Erdrutsche, be- tonsschule können zum Abschluß der Jubiläums-
Walter Flüeler die Schlüssel übernehmen. in Oberwil. schädigte Autos, umgestürzte Bäume, überflutete fcicrlichkeiten Maturazeugnis, bzw. Handels-
26. Der Zugcr Rinaldo Rossi übernimmt als Nachfol- Keller und unbewohnbar gewordene Wohnungen diplom in Empfang nehmen.
6. Auf 112 Seiten vermittelt ein neuer Ortsführer al- ger von Gerold Hcgncr das Präsidium des Zuger sind die traurige Bilanz eines «Jahrhundertgewit-
lerlei Wissenswertes über die Stadt Zug. Indus trievcrbandes. ters». Für die Gebäudeversicherung resultieren 25. Aus Altersgründen gibt Sanitätsdirektor Thomas
Millionenschäden. Fraefel seinen Rücktritt bekannt. Er wird bei den
8. Auffahrt, der Tag der Zuger Landeswallfahrt ins 31. Das Defizit 1985 der Klinik Liebfrauenhof liegt mit Regicrungsratswahlcn vom Herbst nicht mehr kan-
Klostcrdorf Maria Einsiedeln. «Die Zuger kom- «Suramo» heißt das mobile Studio, mit dem der
3,114 Millionen Franken im budgetierten Bereich. didieren.
men, es regnet» schrieb ein Wallfahrtsbcrichter- Rotkreuzcr Radiosendcr «Sunshine» künftig in der
Die Statistik meldet sinkende Patientenzahl und Region unterwegs ist. Dieses mobile Studio ermög-
statter vor Jahrhunderten in sein Tagebuch. Auch kürzere Aufenthaltsdauer. 27. Für drei Tage steht die Stadt Zug im Zeichen des
diesmal sind wechselnde Wetterlaunen Begleiter licht eine Verstärkung von Live-Sendungcn. 41. Zentralschweizcrischen Jodlerfcstcs. 900 Helfer
Der Kulturvcrein Menzingen organisiert eine Aus-
der Hundertschaften von pilgernden Zugern. stellung mit Werken von Berufs- und Freizeitkünst- 18. Die Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Zug sorgen für einen reibungslosen Aufenthalt der 2000
lern aus dem Dorf. (GGZ) will in mehreren Etappen die Höhcnklinik Teilnehmer.
9. In Zug hat der Frühling Einzug gehalten. Die Kir- Adelheid in Unterägeri sanieren. Der Kostenauf-
schenbäume, eines der Wahrzeichen der Zuger wand wird auf 8,461 Millionen Franken geschätzt. 28. Aus Altersgründen gibt der Baarcr Ständerat Dr.
Landschaft, stehen in voller Blüte. Bewährt hat sich das neue Konzept der GGZ für die Othmar Anclermatt den Verzicht auf eine erneute
JUNI 1986 Waldschule Horbach. Kandidatur bei den Ständeratswahlen vom 9. No-
10. Das Zuger Tagesheim plagen Geldsorgen. Künftig vember bekannt.
sollen pauschale Monatsbciträge zur Gesundung 1. Mit dem heutigen Tag gilt auf dem gesamten Bus- 19. Mit einem Fackelzug und der Brandrede von Rek-
der Finanzen beitragen. Zugelassen werden sollen tor Walter Zürcher finden die Veranstaltungen Im Zeichen des Rokoko steht die Serenade der Ca-
netz von ZVB und ZBB ein übertragbares Umwelt- mcrata Zug. Beim Auftritt vor der Liebfrauenka-
auch Kinder von Verheirateten, die in besonderen abonnement. zum 125jährigen Bestehen der Zuger Kantonsschule
Verhältnissen leben. einen ersten Höhepunkt. pelle entführen die Musiker als «Orchester des Für-
sten von Esterhäzy» die Zuhörer musikalisch ins
Der Stadtrat und der Große Gemeindcrat statten 4. Alter und Resignation nennt Baudircktor Dr. Hein- 21. Die Firma Landis & Gyr will ihre Parzelle «Grafcn- 18. Jahrhundert.
dem Kloster Frauenthal einen Besuch ab. Vor 600 rich Baumgartncr als Gründe für seine Demission. au» in der Stadt Zug überbauen. Vier der sechs
Jahren wurde das Kloster unter die Schutz- und Er wird bei den Regicrungsratswahlcn vom Herbst Projckticrungsaufträge gehen an Zugcr Architek-
Schirmherrschaft der Stadt Zug gestellt. nicht mehr kandidieren. ten. Die erste Etappe soll vor 1991 realisiert sein. Eugen Müller jun.

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Impressum

Herausgeberin:
Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Zug

Neujahrsblattkommission
Hansruedi Kühn (Präsident)
Josef Grünenfelder
Erich Kalt
Karl Landtwing
Christa Mosimann-Stadlin
Margrit Opprecht-Zellweger
Christian Raschle
Redaktion
Heinz E. Greter

Autoren Fotografen
John F. Ammann, dipl. Ing. ETH/SIA, Ing.-Geologe, Hänibühl 2, Zug Foto Grau AG, Zug
Othmar Birkner, dipl. Architekt, Hauptstraße 141, Arisdorf Martin Grischott, Zug
Dr. Johann Brändlc, Guggitalring 3, Zug Kant. Denkmalpflege, Zug
Christof Buri, stud. phil., Fadcnstraße 41 b, Zug Christian Lanz, Pfaffhausen
Werner Giß, Kantonsfbrster, Ageristraße 56, Zug Foto Studio Räber, Zug
Dr. Heinz E. Greter, Hof, Zug Fotoswissair, Zürich
Dr. Josef Grünenfeldcr, Seehofstraße 14, Cham T. Richard, Männcdorf (1887)
Urs Heß, Geschäftsführer ZUWEBE, Baar/Inwil Hans Spillmann, Zug
Dr. Claudio Hüppi, St.-Wolfgang-Straße 85, Hüncnberg Xaver Zürcher-Spichtig, Zug (1886)
Dr. Othmar Kamer, Stadtpräsident, Löbernstraße 30, Zug
David Köpfli, Jugendberater, SMD, Ageristraße 56, Zug
Eugen Müller jun., Kolinplatz 9, Zug Archiv-Materialien
Dr. Christian Raschle, Chamcrstraße 94, Zug
Hans Schüler, Direktor Kantonsschulc, Maihofwcg 12d, Hünenberg Fotoarchiv Walter Nigg, Baar
Artur Schwerzmann, Architekt, Bellcvucwcg 20, Zug Fotoarchiv Werner Spillmann, Zug
Joseph Willimann, Wolfsmattstraße l, Dietikon Musikbibliothek Engelberg
Paul Zürcher, Sihlbruggstraßc, Neuheim Musikbibliothek Stift Einsiedeln
Staatsarchiv Zug
Stadtarchiv Zug
Stiftsarchiv Engclberg

Layout: Arthur Bisig, Zug


Lithos: Kreicnbühl AG, Luzern
Einband: Bäschlin & Co. AG, Zürich
Druck und Auslieferung:
Das Zuger Neujahrsblatt kann im Abonnement bezogen werden beim Kalt-Zehnder-Druck, Zug
Sekretariat der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Zug,
Golthardstraßc 27, 6300 Zug, Telefon 042/21 19 74. © Copyright: bei den Autoren •

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