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zu fischen. Auch auf der andern Strassenseite spenden Ahorne Riesbach gereist sind, wo sie sich mittlerweile gut sieben Meter
willkommenen Schatten, eine Reihe Acer capadocicum „Rub- über das Rasenbord erheben. Sie wecken aber auch toskanische
rum“. Assoziationen, denn dorthin führte des Berner Malers letzte
Reise. Auch sind es eigentlich vier Palmen, zwei Stämme sind
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Durchkreuzte Liebe vereint, wie es dem Liebespaar Karl und Lydia (Welti-Escher,
Auf der Lenggstrasse hat man nur eins vor Augen: den ofenfri- Tochter jenes „Eisenbahnkönigs“ und Schwiegertochter jenes
schen Oblatenstapel, das siebengeschossige, beinahe zylin- auch „schweizerischer Bismark“ genannten Bundesrats) nicht
derförmige Forschungszentrum für das Kind. Zum Staunen vergönnt war; dafür sorgte dieser „Landesvater“, er liess die
bleibt kaum Zeit, schon erfordert das Abzweigen in die Karl- beiden getrennt „versorgen“. Diese setzten ihrem auseinander-
Stauffer-Strasse alle Vorsicht, mangels Übersicht, denn hier gerissenen Leben im selben Jahr ein Ende, er in Florenz, darauf
mündet der vielbegangene Fussweg zur Psychiatrischen Univer- sie in Genf.
sitätsklinik, und die Strasse ist auf ihrer ganzen Länge mit soge-
nannt ruhendem Verkehr zugeparkt. Dennoch zieht schon nach Am Ende der Strasse, bevor sie als Buchenweg weitergeführt
wenigen Metern linkerhand ein auffallend ebenmässiges Bukett, wird, stehen vor den Forschungslabors von PUK und Kispi drei
ein fünfstämmiger, pilzköpfiger Spitzahorn, den Blick auf sich. stattliche Schwarzföhren Pinus nigra. Gegenüber, die Ausläufer
Es erinnert, beim eher eintönigen Charme dieser Strasse, an des Ahorn-Eschen-Wäldchens, das vom Wildbach – wie der
den sprichwörtlichen Blumenstrauss, der mehr aus schlechtem Wehrenbach nach Vereinigung mit dem Stöcken- (oder Elefan-
Gewissen, denn aus verliebtem Überschwang in den ehelichen ten-) bach, und nach dem Abfliessen aus Hirslanden nach Ries-
Haushalt gebracht wird. Weiter unten stehen rechterhand fünf bach, genannt wird – den Hang heraufzieht.
Hanfpalmen, die vor dreissig Jahren aus dem Tessin nach
Der Buchenweg führt dem Staketenzaun (mit edler grünlicher
Patina) des Burghölzli (das eigentlich besser Buchhölzli hiesse,
weil da weit und breit keine Burg ist oder erwiesenermassen
war, die Buchen aber unleugbar da stehen; vielleicht hat sich
auch ein alter Kartograph einen Scherz erlaubt). Da begegne ich
frühmorgens auch mal einem Dachs, der es nicht rechtzeitig in
Deckung schafft, nachdem er auf der Burgwies einen ausgiebi-
gen Regenwurmschmaus, oder sich am Waldrand ein Maulvoll
Eicheln genehmigt hat.
Malerische Wynegg
Beim Bärenbrünneli biege ich vorsichtig in die Weineggstrasse
ein, dann da sind auch Ponys, Hortgruppen, auch mal ein paar
Wollferkel und sonstiger Langsamverkehr unterwegs – wobei
die Wollferkel da gar nicht dazu gehören. Schon von weitem setzt
sich die prächtige, 130-jährige Stieleiche Quercus robur am Ende
der Wiese in Szene, unter deren sich schliessendem Blätterdach
im Frühjahr ein dichter Bärlauchteppich wächst, der den Bedarf
des ganzen Weinegg-Quartiers allein decken könnte. Die von
den beiden Charakterbäumen, der Eiche und ihrer Nachbarin,
der 90-jährige Esche dominierte Baumgruppe, zu der sich
ausserdem eine jüngere Eiche, eine Feldulme Ulmus minor und
ein Bergahorn Acer pseudoplatanus gesellen, hätten die Herzen
der Malerfreunde Zünd und Koller geweitet (Stauffer war kein
Hanfpalmen
weg noch ein par andere Knochen, Gelenke, Sehnen und Mus-
keln entrosten, als fahrend. Den Burgweg betritt man durch ein
Tor aus Ahorn, Hasel Corylus avellana und Eiben Taxus baccata.
Danach öffnet sich der Blick über einen Abhang auf ein Obst-
gärtlein. Prominent ein mächtiger Birnbaum, der an eine ande-
re Zeit erinnert, Mostbirnen notabene. Sein Nachbar, ein
Artgenosse, nurmehr ein Rudiment, dient er als beliebter Ansitz
für Krähen. Der Birnbaum bietet Star, Specht und Kleiber einen
reich gedeckten Tisch. Bergseitig, vor dem einstigen Gehöft
„Untere Weinegg“ und hangabwärts, vor dem Baumeisterhaus
stehen Linden, deren Duft einem im Frühsommer weithin in die
Nase steigt. Zwischen den Obstbäumen trifft man bisweilen
einige Schafe, mit denen Spaziergänger leicht Kontakt finden.
Der Weg führt dann über dem Wildbach, unter Ahorn- und
Beim Buchenweg
Pleinairist, sondern Portraitmaler und Bildhauer). Die Baum-
gruppe ist auch das liebste der Bilder, die auf der Fahrt in die
Unterstadt an mir vorüberziehen. Sogar ein magisch anmuten-
der Ort. Es wurden vor Jahren hier nachweislich Walpurgis-
nächte gefeiert. Die Feuerstelle am Waldrand ist beliebt bei
Familien, Jugend- und Hort-Gruppen, für letztere auf
SUVA-Empfehlung, nur ohne Feuer.
Burgweg bei der Unteren Weinegg
Auf Höhe des Quartierhofs öffnet sich der Blick auf das Draht-
zug-Areal, über den Wildbach auf Hirslanden, den Züriberg und Eschen-Gehölz direkt dem nördlichen Zaun des Botanischen
weiter bis zum Gubrist. Im hier flachen und lichten Bachtobel Gartens entlang. Dahinter und darüber ist Buchs Buxus sempervi-
fallen vornehmlich Eschen, Linden und Eichen, und auch eine rens- und Eibengebiet. Gerade an heissen Tagen lässt sich hier,
Walnuss Juglans regia, ins Auge. vor dem Abtauchen in die Seefelder Asphaltwüste, nochmals tief
Statt nun die Weineggstrasse runter zu brettern und über die und lustvoll Luft holen. Bis vor drei Jahren ging man hier über
Felsen- und Hammerstrasse zur Höschgasse zu gelangen, die ortsgerechten Kopfstein, vielleicht wurden die portugiesischen
Route, die ich nachts in umgekehrter Richtung befahre – wähle Strassenbauer, die dieses Handwerk noch beherrschen, stand-
ich bei der Talfahrt den bergseitig abzweigenden Burgweg, der ortmarketinghalber für den Erhalt der Biedermeierkitsch-und
an den gleichen Ort führt, aber ein lauschiger Erholungsraum Postkartenzone der Altstadt abgezogen, wo das Kopfsteinpflas-
ist. Aber zu Fuss, versteht sich, denn hier wird gewandert, solo ter genauso wasserdicht ist wie der Asphalt, über den man hier
und in Gruppen, wird gejoggt, werden Kinderwagen gestossen, seither geht. Als Fussgänger ein Velo mitzuführen hat übrigens
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na-Esche, Pennsylvanische Rotesche, Blasenesche Koelreuteria, Flächen über die Kanalisation der ARA zugeleitet, bloss das
Lederhülsenbaum Gleditsia, Parrotia persica, Zerr-Eiche, Gink- Schmutzwasser verdünnt und dadurch dessen Reinigungskosten
go biloba, Japanischer Schnurbaum Sophora, Japanische Zelko- erhöht. Und darum verlangt Art. 7 des Gewässerschutzgesetzes
vie, Südlicher Zürgelbaum, vermehrt an den Strassenrändern vom 24.01.1991 (!) genau dies.
eingesetzt und als „Zukunftsbäume“ verheissen (was ja gleich
viel weitsichtiger tönt, als „Neophyt“). Das städtische Webportal verweist auf ein „Alleenkonzept“ und
eine „Fachplanung Stadtbäume“. Wer im Sommer mit offenen
Strassenbäume waren bis nach dem Krieg einheimische Wald- Augen und ohne Display vor der Nase, durch die Strassen geht,
bäume und hatten einfach deshalb eine Zukunft, weil man sie schwitzt und hält vergeblich Ausschau nach alten Bäumen und
am Leben, und den Regen ganz selbstverständlich versickern geht kaum je durch eine Allee, dabei wären dies die letzten Refu-
liess, denn der Kopfstein wurde mit Sand verfugt, heute wird er gien der Artenvielfalt in der Innenstadt. Bäume wären in Frei-
meist wasserdicht verpflästert und damit zur Parodie gemacht. heit bedeutend langlebiger als Menschen – die Oerliker
Die Zwischenräume der Siedlung, die Höfe, waren nicht als „Dorflinde“ ist gerade 300 Jahre alt geworden – aber die Fach-
Parkplätze asphaltiert oder mit Einstellhallen unterbaut, was planung verkehrt das ins Gegenteil: Strassenbäumen werden
den Bäumen das Atmen und eine ausreichende Versorgung über gerade noch 30 Jahre zugestanden. Nicht anders als das Mast-
ein gut ausgebildetes Wurzelwerk ermöglichte, ausserdem lagen vieh, werden sie als Kinder geschlachtet. (AD)
Komfortroute Mühlebachstrasse
Die Einfahrt in die Mühlebachstrasse ist ergonomisch sportlich
gestaltet. Man kann sich geschmeidig in die Kurve legen, aller-
dings führt der Weg über ein Trottoir und um Haaresbreite an
einer Sitzbank samt vorgelagerter Blumenkiste vorbei. Die zwei
Brunnen am Burgweg Hanfpalmen vor der ersten Hausfassade kann man in dieser
Schräglage unmöglich auch noch angemessen würdigen. Sie
den Vorteil, dass es an glitschigen Stellen bestens zum Rollator sind jünger als die mit Karl Stauffer verknüpften, und noch
taugt. Oberhalb der Schwellen im Wildbach kann man regelmä- weniger schlüssig mit dem Strassennamen in Verbindung zu
ssig Graureiher beim Beobachten beobachten, und nur mit viel bringen. Der Mühlebach aber – ein künstlicher Kanal, der sei-
Geduld auch mal beim Zupacken. Nur logisch, die kantonale nerzeit im Bereich der schon erwähnten Hammerstrasse vom
Verwaltung hat es nach einem halben Jahrhundert Planung noch Wildbach weg und über 1,3 Kilometer der „Müli zu Stadelhofen“
immer nicht geschafft, den Gewässerlauf durchgehend fisch- zugeführt wurde, die seit 853 bestand – führte bis 1870 ober-
gängig zurückzubauen. Vor dem sehr populären Brunnen mit und bis 1935 unterirdisch Wasser auf die Mühle.
(Lesen Sie weiter auf Seite 20)
Marianne Klug: "Immer wenn ich an dieser Platane vorbeigehe, bleibe ich kurz stehen und
richte meinen Blick ehrfurchtsvoll empor zur riesigen Krone. Schon seit vielen Generationen
schaut sie Kindern beim Spielen zu und spendet dabei an heissen Tagen erfrischend kühlen
Schatten."
Quizfrage: Wie viele Kindergartenkinder bräuchte es wohl, um ihren mächtigen Stamm zu
umarmen?
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Martin Bräker: "Diese stattliche Blutbuche mit ihrer grossen Krone und den auffälligen roten
Blättern thront erhaben auf der Anhöhe des Seeburgparks. Sie hat die Schleifung der gleichnami-
gen Villa überlebt, die 1970 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion erfolgte. Der schöne Baum tröstet
etwas über diesen Verlust hinweg."
Quizfrage: Wann wurde der Baum gepflanzt: um 1750, um 1850 oder um 1950?
Jonas Landolt: "Der Erhalt der alten Bäume ist wichtig, insbesondere
im Fall der besonders insektenreichen Eichen. Als Daumenregel gilt: Je
älter ein Baum, desto wertvoller ist er aus Biodiversitätssicht. Es
braucht aber auch eine nächste Baumgeneration. Diese Eiche wurde
vermutlich von einem Eichelhäher gepflanzt und wird hoffentlich meh-
rere Menschengenerationen überleben.
Quizfrage: Weshalb haben wir in sehr vielen Wäldern ein Problem mit
fehlender Eicheverjüngung?
Risikoeigenschaften, welche stetige Erträge und ein attraktives Rosskastanie aufhalten. Dann freut sich das Rote und Grüne
Diversifikationspotential bietet.“ Die werden der Eibe bestimmt Zürich am doppelgeschossigen Velokeller.
nichts antun.
Hier endet das Riesbachquartier und damit mein Wegbericht.
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Downtown (Das Schicksal jenes Bachs wäre übrigens eine Zolliker-Ge-
Mittlerweile habe ich die beiden juvenilen Japanischen Schnur- schichte.) An Bäumigem zu kurz kamen die Hecken: zur Zier,
bäume vor der Kreuzstrasse passiert und die Strasse heil gequert. zum Sichtschutz, oder zur Wegbarriere verdichtete und zurecht-
Rechterhand wachsen vor zwei Wohnblöcken aus den Sechzigern gestutzte Bäume und Sträucher: Hagebuche, Liguster, Sand-
je eine kräftige Hainbuche dem Strassenraum entgegen, damals dorn, Berberitze, Thuja, Buchs und Eibe, und auch Kirschlorbeer.
viel zu nah an die Fassaden gepflanzt, aber heute durch den Sie haben streckenweise meinen Weg gesäumt und teilweise
schrägen Wuchs attraktive Elemente in der hier augenfällig belebt. Auf dem weiteren Weg durch die Innenstadt fehlen sie
klotziger werdenden Umgebung. quasi gänzlich. Dabei wären sie – ausgenommen letztgenannter
Kurz vor Ende, postalisch dem Anfang der Strasse, hat der Aus- – gerade dort letzte Refugien der dort spärlichen Kleintierwelt.
senraumgestalter eines hier ansässigen Ingenieur-Unterneh- Aber sie stören den Tiefbau, wie die Bäume auch.
mens ein Design der Nullerjahre zelebriert, rostige
quaderförmige Wasserbehälter, gesäumt von Buchs und robus- Nachwort
ten südlichen Zwerglinden. Etwas sehr zen-mässig modisch, Was die Mühlebachstrasse selber angeht, aus der kommend ich
aber bestimmt in Ordnung für Rauchpausen. Ich bin downtown mich mit artistischem Geschick und fast immer freundlich und
angekommen. zuvorkommend durch die Mischzone Stadelhofer-Platz durch-
arbeite, besteht – zu Zeiten von „Fachplanung Hitzeminderung“,
Die scheussliche Fassade des Geschäftshauses unmittelbar vor Biodiversitätsstrategie und Nettonull-Ziel – weder Bedarf nach
dem „Commercio“, ist eine Verhöhnung dieses bedeutenden einer Veloexpress-, noch einer Vorzugs- oder gar Komfort-Rou-
Gewerbestandorts mit über 1000-jähriger Geschichte. Die Sta- te. Für Komfort sorgen, selbst an Hundstagen, die erwähnten
delhofer Mühle mit ihrem markanten Treppengiebel wurde und unerwähnten Gartenbäume und für Express sind Gluteus
1970 abgerissen. maximus und Biceps femoris zuständig, im Idealfall gut vernetzt
Der Baum, der mich vom Mühlebachquartier verabschiedet, mit ein paar schnellen Neuronen. Oder wie mein Kinderarzt vor
steht gegenüber. Eine noch jugendliche Rosskastanie ist gerade langer Zeit dem Taxichauffeur zu sagen pflegte, wenn er wegen
zur Randfigur einer Grossbaustelle geworden. Eine grosse Ver- blosser Unpässlichkeit zwar nicht selber fahren, aber dennoch
sicherung durfte neben dem Bahnhof den beim Amt für Städte- nicht von dringenden Hausbesuchen absehen wollte: „Faared
bau noch vor kurzem als «kulturhistorisches Bauwerk erster Sie langsam, `s pressiert!“
Güte» geführten ehemaligen Landsitz aus der Barockzeit
abreissen. Frühere Abbruchpläne für das Haus «zum Falken», Dem Leben der Platanen auf dem Stadelhofer-Platz – die ältes-
in dessen Parterre einigen Generationen das Café Mandarin ein ten unter ihnen sind 135 Jahre alt – und dem Leben unter und
Begriff war, scheiterten stets am Denkmalschutz. Dann kam ein auf ihnen – es ist unter den Gefiederten, aus leicht ersichtlichen
Versicherungskonzern auf die Idee, dort vier Dutzend Millionen Gründen, das Reich der Spatzen, Tauben und Krähen – müsste
Franken anzulegen, also möglichst monumental zu verbauen, ein eigener Bericht gewidmet werden.
und machte damit die Streichung vom Inventar schützenswerter Wie es den Nordamerikanischen Roteichen und Tulpenbäumen
Bauten zur Formsache. auf dem Sechseläutenplatz ergeht, den ich anschliessend über-
Der Baumstamm ist nun gut mit Schalbrettern eingepackt, das quere – zumindest an veranstaltungsfreien Tagen – muss hier
Bauamt demonstriert damit dem willfährigen Gemeinderat und ebenfalls unerwähnt bleiben, denn sie kämpfen ausserhalb des
den besorgten Passanten, dass es keine Mühe scheut, selbst betrachteten Perimeters auf der millionenteuren Intensivstati-
einen nicht unter Schutz stehenden Baum vor Kratzern zu schüt- on, die eigens um sie herum, d.h. um die Überlebenden unter
zen. Ob auch die Wurzeln den Bau überleben, wird sich später ihnen, herum gebaut wurde, um ihre Existenz.
zeigen. Und welcher Kleingeist will sich bei den Eröffnungsfei-
erlichkeiten eines Calatrava-Monumentalbaus mit einer Andreas Diethelm ist Biologe und Umweltberater.