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1 Erziehungssysteme

1.1 Allgemeiner Teil


Die Produktionsbedingungen und damit auch die Produktionsziele haben sich in den letzten
100 Jahren stark verändert. Die wichtigsten Unterschiede sind in der folgenden Tabelle
aufgeführt und erklären, warum früher die Stickelreben das ideale Erziehungssystem waren,
heute jedoch fast ausschliesslich Direktzuganlagen mit Drahtrahmen erstellt werden.

Produktionsziele vor 100 Jahren und Heute

Möglichst viel Traubengut Optimale Qualität


(bis zu 2 kg pro m2) (800g pro m2 bei Blauburgunder und 90 bis 95°Oe)

Möglichst geringe Fremdkosten Erreichen des Produktionsziels mit möglichst


 Keine Arbeit von dritten geringen Kosten:
 Kein Materialkauf (Stickel und  Handarbeit reduzieren
Anbindematerialien wurden im Winter  Einsatz von Maschinen
selber hergestellt)  Hilfsmaterialien (Unterstützungs-
 Kaum Kapital eingesetzt vorrichtung etc.) und die Jungreben
 Verjüngung der Reben durch Ableger werden zugekauft

Evtl. Zweitnutzung der Fläche (Pergola am Monokultur


Alpensüdhang)

→ Stickelreben → Direktzuganlagen mit Drahtrahmen

Abgrenzung zwischen Kultursystem und Erziehungssystem


Eigenschaften Beispiele

Kultursystem • Gassenbreite • Stickelanbau


• Stockabstand • Querterrassen
• Direktzug
• Weitraumanlagen

Erziehungssystem • Gerüstelemente • Einfachstrecker


Stamm und mehrjährige • Kordonerziehung
Verzweigungen (Cordons, • Lyra
Schenkel, Hörner) • Etc.

• Stammhöhe

• Fruchtholz
(Strecker und/oder Zapfen)

• Laubwandhöhe
Erziehungssysteme im Weinbau

Erziehung Abstände Vorteile Nachteile

Strecker Stock- • Einfachster und schneller • Mehr Pflanzmaterial


(Guyot) abstand Rebschnitt • Wenn Fruchtholz zu lang
0.8 - 1m • Biegearbeit schnell ist: Depression in Mitte
• Gute Triebverteilung • Mechanische Unterstock-
Gassen-
breite • Einheitliche Traubenzone pflege schwieriger
1.8 - 2m • Regelmässige Reife • Bruchgefahr beim An-
• Geringe Stockbelastung* binden bei sprödem Holz
(Befall mit Schwarz-
• Geringe Gefahr, dass zu flecken oder anfällige
viele Augen angeschnitten Sorten wie Müller-
werden Thurgau)
Doppelstrecker Stock- • Gute Verteilung der • Schnitt nicht so einfach
abstand Triebe (ausser in der wie Strecker (Gefahr, dass
1.2 – 1.3m Stockmitte) Stammkopf steigt)
• Einheitliche Traubenzone • Höhere Stockbelastung
Gassen-
• mechanische • Erschwertes Biegen
breite
Unterstockpflege (Abbrechen)
1.8 - 2m
einfacher
Doppelbogen- Stock- Siehe Doppelstrecker, ausser: siehe Doppelstrecker, ausser:
erziehung abstand • Anschnitt von mehr • Traubenzone nicht
1.2 – 1.3m Augen möglich bei Sorten einheitlich
mit geringer Fruchtbarkeit • Laubarbeit erschwert, vor
Gassen- • Gleichmässigerer Aus- allem Auslauben
breite
1.8 – 2.4m
trieb, auch in der Mitte • Biegen weniger
• Günstig für die problematisch als bei
maschinelle Lese Strecker
Kordon Stock- Siehe Doppelstrecker, ausser: • Schnitt anspruchsvoller
(Cordon Royat, abstand • weite Stockabstände • Nicht geeignet für Sorten
Zapfenschnitt) 1.2 – 1.3m möglich (mechanische mit geringer Fruchtbarkeit
Unterstockpflege der Basisaugen
Gassen- einfacher) • Mehr Aufwand beim
breite • mechanisches Erlesen
1.8 - 2m Vorschneiden möglich • Stockaufbau aufwändiger
• Schneller Schnitt • Probleme bei starkem
• Kein Anbinden nötig Schwarzfleckenbefall
• Mehr Altholz als Strecker • Nach 5 bis 10 Jahren muss
• Holzreife des Frucht- Cordon oft neu aufgebaut
holzes nicht so wichtig werden
• Anschnitt vieler Augen, • Traubenverteilung
auch bei grossen schlechter
Gassenweiten
Stickel Stock- • Hohe Pflanzdichte → • sehr viel Pflanzmaterial
• Rundbogen abstand geringere Stockbelastung nötig
1 – 1.2m • Viele Augen können • sehr grosser
angeschnitten werden pro Handarbeitsaufwand
Gassen- m2 • Kaum Mechanisierung
breite • Wenig Material für möglich
1 – 1.2m Unterstützungsvorrichtung • Mühsames Arbeiten, weil
• Ideal für extrem steile und Stammkopf tief liegt
• Zapfen kleine Parzellen
• Eher schwieriger Schnitt
• Querbegehung möglich
• Bewirtschaftung der
Begrünung aufwendig
ausser bei Einsatz von
Herbizid

• Goblet

Umkehr- Stock- • Kein Anbinden • Schwieriger Schnitt


erziehung abstand • Keine oder sehr wenig • Laubglockenbildung
1 – 1.4m Laubarbeit fördert Pilzkrankheiten
• Grosser Anteil Altholz • problematischer
Gassen-
breite • Extensive Bodenpflege Pflanzenschutz (für
möglich Pilzwiderstandsfähige
2 – 2.8m
• Ermöglicht sehr extensive Sorten geeigneter)
Bewirtschaftung (weniger • Aufwendige Ernte (keine
als 100Ah pro ha) einheitliche Traubenzone)
• Bis 6 Jahre für den
Aufbau der Stöcke
Offene Leier Stock- • optimales Blatt-Frucht- • nur bedingt
(Lyra) abstand Verhältnis (für mechanisierbar
0.8 – 1.3m Spitzenqualität) • aufwändige
• optimale Exposition der Unterstützungsanlage
Gassen- Laubfläche • Pflanzenschutz
breite
• grosse Gassenbreiten schwieriger, stärkerer
2 – 2.8m
möglich Druck Pilzkrankheiten

* geringe Stockbelastung bei hohen Pflanzdichten (vor allem bei Stickel, aber auch bei
Strecker) ermöglichen einen höheren Ertrag bei gleicher Qualität
1.2 Traditionelle Erziehungssysteme
Quelle der historischen Zeichnungen: Von Babo, A., Fehr, Mach, E., 1910. HANDBUCH DES WEINBAUS UND DER
KELLERWIRTSCHAFT. Erster Band, 3. Auflage. Paul Parey, Berlin.

Der Bockschnitt oder die Buschrebenerziehung


Der wichtigste Vorteil dieser Erziehungssysteme liegt darin, dass keine
Unterstützungsvorrichtung benötigt wird. Beim Bockschnitt wird nur beim Aufbau des
Stockes in den ersten Jahren ein Stickel für die Stabilisierung verwendet. In Südfrankreich ist
der Bockschnitt (dort als Gobelet bezeichnet) noch stark verbreitet. Diese Erziehungssysteme
eignen sich vor allem für Sommertrockene Gebiete, wo das Wachstum wegen der Trockenheit
eingestellt wird und daher die Triebe nicht aufgebunden werden müssen.
„Baum“-Erziehung
Früher wurden auch tote Bäume als Unterstützungsvorrichtung verwendet.
Quelle: Von Babo, A., 1910
Pfahlerziehung (Stickelbau)
In der Schweiz waren früher der Rundbogen (Ostschweiz) und der Gobelet (Westschweiz)
verbreitet.
Quelle: Von Babo, A., 1910
1.3 Heute übliche Erziehungssysteme
Einfachstrecker (langes Fruchtholz, das zweite Jahr ist nicht dargestellt)
Quelle: Eggenberger et al. (1990), abgeändert und ergänzt

Schwacher Wuchs im Pflanzjahr Kräftiger Wuchs im Pflanzjahr

Kein Ertrag im 1. Jahr

1/3-Ertrag im 2. Jahr

120 – 140 cm

0.8 – 0-9 m 80 cm

2/3-Ertrag im 3. Jahr Vollertrag im 4. Jahr


Doppelstrecker

Cordon
Gobelet
Quelle: Von Babo, A., 1910
Rundbogen
Quelle: Von Babo, A., 1910
Sylvozerziehung

Umkehrerziehung

Trier Rebenerziehung
Spalier/Pergola

Senkrechter Cordon

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