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9 771664 989000

#6 Spätsommer 2023 / CHF 9.50

WANDERN
In magischen
Bergtälern

SELBERMACHEN
Glücksbringer
für Strickfans

Geliebter Spätsommer
 EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser

E
s wird noch immer darüber gerätselt, wer den ersten bemannten
­Motorflug absolvierte. Waren es die amerikanischen Brüder Wright
1903, oder war es der Deutsche Gustav Weisskopf 1901? Erwiesen
hingegen ist, dass wir Menschen ohne technische Hilfsmittel nicht fliegen
können. Die einzigen Säuger, die das beherrschen, sind die Flughunde und die
Fledermäuse. Letztere sind sogar mit einem ganz besonderen Ortungssystem
ausgestattet, wie ich in den Sommerferien beobachten konnte. Eines der
flinken Tierchen hatte sich in unsere Ferienwohnung verirrt. Nach einem
kurzen Erkundungsflug und Zwischenstopp am Stubenvorhang flatterte
es zielsicher in die laue Tessiner Nacht hinaus. Ein Glücksfall für
die LandLiebe
Meine Kollegin Corinne Schlatter ist fasziniert von den geheimnisvollen
Seine Cartoons haben uns auf
Tieren. Für ihre Reportage auf Seite 38 besuchte sie die Notpflegestation der Anhieb begeistert. Gerhard
Stiftung Fledermausschutz im Zoo Zürich und begleitete die Wildtierärztin Glück, 1944 in Bad Vilbel gebo­
Katja Schönbächler bei der Pflege verletzter Fledermäuse. Jasmin Huber, ren, ist ein grosser Kari­katurist
unsere wissenschaftliche Zeichnerin, und LandLiebe-­ und ein wunderbarer Maler.
Seine Bilder sind zum Verwei­
Redaktorin Claudia Langenegger haben die Reportage um
len schön, wirken heiter und
eine grosse Schautafel ergänzt (Seite 44). Und falls Sie, als idyllisch, um auf den zweiten
Tierinteressierte, die «Jägerinnen der Nacht» live erleben Blick ihre «liebenswürdige
möchten: Auf Seite 42 verlosen wir zehnmal zwei Tickets für Gnadenlosigkeit» zu offen­
baren, wie die «Neue Zürcher
eine Führung in der Notpflegestation inklusive Vortrag und
Zeitung» einmal schrieb.
Apéro sowie freiem Besuch der Fledermaus-Welt im Zoolino. ­Gerhard Glück zeichnet regel­
FOTOS GETTY IMAGES, IMAGO

mässig für das «NZZ Folio»

Um das Erkunden der Lüfte geht es auch im grossen Porträt
und nun auch für die Schweizer
auf Seite 100. Martin Müller, unser Bildchef, hat uns in einer LandLiebe. Was wir als grossen
Redaktionskonferenz auf Eduard ­Spelterini aufmerksam Glücksfall empfinden. «Glücks
gemacht, einen tollkühnen Ballonfahrer und Schweizer Treffer», seinen ersten Land­
Liebe-Cartoon, finden Sie
Pionier der Luftbildfotografie.
auf Seite 11.
­Spelterini, der am 3. Oktober 1898
Weltberühmter Schweizer: Als der zum ersten Mal in einem mit Wasser-
­Toggenburger Eduard Spelterini
1904 zu einer Ballonfahrt über die stoff gefüllten Ballon die Alpen
Alpen startete, waren nicht nur ­überquerte, wurde zum Wegbereiter
seine Landsleute fasziniert. Auch
die «Berliner Illustrierte Zeitung» weltbekannter Schweizer Luftfoto-
(Ausschnitt) berichtete darüber. grafen: Walter Mittelholzer, Emil
Schulthess, Georg Gerster. Land-
Liebe-Autorin Daniele Muscionico hat das spannende
Porträt des mutigen Überfliegers geschrieben.

Viel Freude beim Entdecken und Lesen

wünscht Ihnen

André Frensch,
Schön, komisch und hintergründig: Gerhard Glück vor und auf
Chefredaktor einem seiner Cartoons, umringt von Touristen in Frankfurt.

Schweizer LandLiebe 3
I N H A LT
LANDLIEBE IM
SPÄTSOMMER
15 Blumenstrauss
Hommage an den Spätsommer –
von der Winterthurer Floristin
Anita Brändli-Mohr
18 Mein Land, meine Liebe
Schlagersängerin Linda Fäh erzählt
von Orten, die ihr Herz eroberten.
GARTEN
20 Garten der Zukunft
Permakultur verstehen: eine
Erkundungstour rund um Schloss
Glarisegg am Bodensee
TIERE
38 Faszinierend flatterhaft
Die Fledermaus, unsere Freundin
und Helferin, hat es nicht leicht mit
uns Menschen: ein Besuch in der
Notpflegestation im Zoo Zürich.
DIE GROSSE SCHAUTAFEL
44 Jägerinnen der Nacht
Echoortung, Flugtechnik, Wochen-
stube, Winterschlaf: Fledermäuse
und ihre Welt im Fokus.
REPORTAGE
48 Renaissance in Rubinrot
Er bereichert das Landschaftsbild
und fördert die Biodiversität:
Der Rote Weinbergpfirsich kehrt
zurück – zum Glück.
ESSEN & TRINKEN
58 Höchste Hirschzeit
Auf dem Probstenberg ob Seehof BE
züchtet Oliver Bürgi Rothirsche –
4 Schweizer LandLiebe
Im Nutzgarten der Zukunft
braucht es nur wenig
­Wasser: Die Gemeinschaft
auf Schloss Glarisegg in
Steckborn TG hat sich der
Permakultur verschrieben
(ab Seite 20).
mit grossem Respekt vor den Tieren
und der Natur.
75 Ran an den Herd!
Belegte Brote in kleine Festessen
verwandeln: Das Bucht «Toast it!»
liefert die Rezepte dazu.
78 Das Backen ist
des Marcels Lust
Knusprig-gesunder Wanderproviant
von und mit Backprofi Marcel Paa Immer wieder
Sommer: Jetzt
ist die beste Zeit,
HAUSBESUCH um Blüten zu
­pressen und in
82 Wie in den Ferien kleine Kunstwerke
Die Designerin Lorine Driot zu verwandeln.
Die Anleitung dazu
hat die Leichtigkeit des Südens in auf Seite 135.
ihr Haus am Genfersee gebracht.
ALTES HANDWERK
92 Alles in Schuss
Bei Tessanda im Val Müstair, der
ältesten Handweberei der Schweiz,
klappern die Webstühle so munter
wie nie zuvor.
PORTRÄT
100 Husar der Lüfte
Eduard Spelterini aus dem Toggen-
burg hat als Erster in einem Ballon
die Alpen überquert – und einen
neuen Blick auf die Welt ermöglicht.
120 Märchenhafte Moorlandschaft
Der Glaubenberg ruft – und wir
WANDERN wandern hin.
110 Meisterwerk der Schöpfung
Wanderer, kommst du ins Murgtal? SELBERMACHEN
Fünfstündige Rundtour in einer
ergreifend schönen Landschaft. 133 Sinnvoll und schön
Altes Papier schöpferisch
116 Im Frühtau durch Täler neu schöpfen
wir ziehn
Vier lohnende Touren durch 136 Ab id Hose!
magische Schweizer Bergtäler. Praktisches und Hübsches für
die Sportskanonen von morgen
Saftige Augenweide: Der Rote Weinbergpfirsich ist eine alte
Frucht mit neuen Chancen. Weshalb, lesen Sie ab Seite 48.
 Ach, so geht das: Bei einer
Führung in der Handweberei
Tessanda im Val Müstair kann
man den Weberinnen über
die Schulter schauen
(ab Seite 92).

Ein bisschen Guguseli:

Provence, Fledermäuse
ein bisschen sind geborene
Riviera: Im Akrobatinnen.
Zuhause von Mehr über die
Lorine Driot Wundertiere: Ein Bissen Herbst im
ist der Süden ab Seite 38. späten Sommer:
omnipräsent: Hirsch-Entrecôte am
ab Seite 82. Knochen mit
Pommes frites aus
zweierlei Kartoffeln.
Das erstklassige
Fleisch kommt vom
Probstenberg
(auf Seite 66).

146 So ein edler Tropfen SERVICE & RUBRIKEN KOLUMNEN

Floristin Evelyn Krebs verwandelt
die Wuscheldolden der Hortensien 6 LandLiebe-Kurse 32 Sabines Garten
in edles Dekor. 10 Impressum 36 Briefe aus dem Schrebergarten
11 Cartoon von Gerhard Glück 56 Sabrinas Weingeschichten
150 Für den Boden nur das Beste 12 Leserbriefe 74 Karins Kostprobe
Das Wundermittel Pflanzenkohle 16 Mundart, Grosis Tipp und 99 Danieles Tierwelt
selbst herstellen. Gaumenschmaus
34 Gartenzeit FOTOS STEFAN WALTER, VERONIKA STUDER,
NIK HUNGER, WINFRIED HEINZE, STIFTUNG
35 Fragen Sie Peter Lippus FLEDERMAUS­S CHUTZ, ANNETTE FISCHER,
109 BergLiebe CATHERINE GAILLOUD

130 Schaufenster
132 Ausflugstipps
154 Lesetipps
156 Auto
159 Land-Termine
170 Tagwerk
Schweizer LandLiebe 5
 KURSE

KREATIVE STUNDEN

Erleben Sie
die LandLiebe!
Der Herbst kommt. Und mit ihm ein attraktives Kursprogramm. Im Land-
Liebe-Haus in Herrliberg zeigt Ihnen Dekorationsexpertin Evelyn Krebs,
FOTOS SABINE WUNDERLIN, ZVG

wie zarte Hortensienblüten zu einem stattlichen Kranz gebunden werden,

und die Bündnerin Heidi Laurent-Domenig lädt Sie ein, Teller, Tassen
und Schalen mit Sgraffiti, bekannt von den Engadiner Hausfassaden, zu Blütenblätter in tiefem
verzieren. Sie schnitzen lieber und mögen Pilze? Dann begleiten Sie uns Blauviolett – die Dolden
auf den Ballenberg in Hofstetten bei Brienz BE. Im dortigen Kurszentrum der Hortensien­
verwandeln Sie mit unserem Experten Paul Fuchs ein Stück Lindenholz in sträucher sind frisch so
einen Fliegen- oder Steinpilz. Wir freuen uns auf Sie! EGS schön wie getrocknet.

6 Schweizer LandLiebe
 LANDLIEBE-KURSE

Hortensienkränze binden
… mit Evelyn Krebs. Ihre zauberhaften Blumenkreationen
haben schon viele Brautpaare glücklich gemacht, aber auch die
Herzen der LandLiebe-Leserinnen und -Leser erobert. Denn die
Meisterfloristin und Inhaberin des Ateliers «Stil und Stiele» in
Zürich gibt regelmässig Kurse im Redaktionshaus in Herrliberg.
Wenn der Sommer zur Neige geht, können Mittwoch, 4. Oktober 2023,
die Blüten der Hortensien geerntet und 9.30–12 Uhr, 13.30–16 Uhr oder
für Innendekorationen genutzt werden. 17–19.30 Uhr
­Gemeinsam mit Evelyn Krebs verwandeln • Kosten Für Abonnenten Fr. 185.–,
Sie die üppigen Dolden des Zierstrauchs in für Nicht-Abonnenten Fr. 215.–
einen klassischen Kranz. Verarbeitet wer- inklusive Material
den sie frisch. Doch Hortensien sind auch • Teilnehmer Maximal 14 Personen
getrocknet eine Augenweide (die Farbe pro Kurs
kann sich im Trocknungsprozess leicht • Ort Schweizer-LandLiebe-Haus,
­verändern). Der Kranz, auf einen Strohreif 8704 Herrliberg
gebunden, hat einen Durchmesser von
circa 38 Zentimetern. Er schmückt Türen, ANMELDUNG
Wände oder auch Ihren Wohnzimmertisch. Web www.shop.landliebe.ch/kurse
E-Mail kurse@landliebe.ch
KURSDATEN UND KURSKOSTEN Post Schweizer LandLiebe,
• Dienstag, 3. Oktober 2023, Kurse, Hasenackerstrasse 86,
13.30–16 Uhr oder 17–19.30 Uhr, oder 8704 Herrliberg
Neuee
Kurs
«Sgrafits» auf Keramik stempeln
… mit Heidi Laurent-Domenig. In der Familienmanufaktur «Butia Schlerin» in
Sent GR dreht sich alles um Keramik und hochwertig gewebte Jacquard-Stoffe.
1995 wurde das kleine Unternehmen gegründet. 2016 haben Heidi Laurent-
Domenig und ihr Team die Marke «Sgrafits Engiadinais» ins Leben gerufen.
Sgraffiti werden die Ornamente, Segens-
sprüche und Symbole genannt, die in Grau-
bünden viele prächtige Häuser zieren. Sie
werden in die noch frische Fassadenputz-
schicht gekratzt («sgraffare» ist das italie-
nische Wort für kratzen). Mit Kursleiterin
Heidi Laurent-Domenig bringen Sie diese
dekorativen Motive in einer von ihr ent­ Jedes Stück ein
wickelten Stempeltechnik auf Keramik. Im Unikat: Teller,
Kurs wählen Sie aus vier verschiedenen Becher, Tasse
Rohlingen (Teller, Tasse, Becher und Müesli- und Müesli-
schale werden
schale) drei aus und verzieren diese mit mit einer speziel-
den Designs von «Sgrafits Engiadinais». So len Stempel­
wird aus jedem Rohling ein handgefertigtes technik verziert.
Unikat – für Sie und Ihre Liebsten.
Samstag, 28. Oktober 2023, • Ort Schweizer-LandLiebe-Haus,
KURSDATEN UND KURSKOSTEN 9.30–12.30 Uhr oder 14–17 Uhr 8704 Herrliberg
• Donnerstag, 5. Oktober 2023, • Kosten Für Abonnenten Fr. 185.–, für
13–16 Uhr oder 17.30–20.30 Uhr, Nicht-Abonnenten Fr. 215.– inklusive drei ANMELDUNG
Freitag, 6. Oktober 2023, Keramikrohlingen, allen benötigten Web www.shop.landliebe.ch/kurse
9.30–12.30 Uhr oder 14–17 Uhr, Materialien, dem Glasieren und Brennen E-Mail kurse@landliebe.ch
Freitag, 27. Oktober 2023, sowie dem anschliessenden Postversand Post Schweizer LandLiebe, Kurse,
13–16 Uhr oder 17.30–20.30 Uhr, oder • Teilnehmer Maximal 12 Personen pro Kurs Hasenackerstrasse 86, 8704 Herrliberg

Schweizer LandLiebe 7
LANDLIEBE-KURSE

Holzbildhauen
zu Besuch auf dem Ballenberg
Kurse

… mit Paul Fuchs. Ob Steinbock oder Murmeli – unter seinen geschickten und
geübten Händen entstehen Schnitzereien, die ein Leben lang Freude bereiten.
Seine Favoriten sind einheimische Wildtiere. Sein neuester Coup für die
Leserinnen und Leser der LandLiebe: handgeschnitze einheimische Pilze.
Es ist wieder «Pilzlizyt». Doch wer einen KURSDATEN UND KURSKOSTEN • Ort Kurszentrum Ballenberg,
Fliegenpilz – Symbol der Freude und des • Montag, 16 .Oktober 2023, oder 3858 Hofstetten bei Brienz
Glücks – oder einen Steinpilz ergattern Dienstag, 17. Oktober 2023,
möchte, muss nicht den Wald danach jeweils 10–13 Uhr oder 14–17 Uhr ANMELDUNG
durchforsten, er oder sie kann ihn in einem • Kosten Für Abonnenten Fr. 170.–, für Web www.shop.landliebe.ch/kurse
unserer Kurse fertigen – aus einem Stück Nicht-Abonnenten Fr. 200.– inklusive E-Mail kurse@landliebe.ch
Lindenholz und unter fachkundiger Anlei- Material und Tageseintritt Freilicht­ Post Schweizer LandLiebe, Kurse,
tung des Holzbildhauerexperten Paul museum Ballenberg im Wert von Fr. 32.– Hasenackerstrasse 86, 8704 Herrliberg
Fuchs. Das Holzstück werden Sie in eine • Teilnehmer Maximal 12 Personen
Hobelbank spannen und sich mit gutem pro Kurs
Werkzeug an die Arbeit machen. Für ein-
mal nicht im LandLiebe-Haus in Herrliberg,
sondern im Kurszentrum Ballenberg in
­Hofstetten bei Brienz BE. Paul Fuchs zeigt
Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie zum
erfolgreichen Pilzschnitzer werden, gibt
nützliche Tipps und greift Ihnen, wann
immer nötig, unter die Arme. So kann (fast)
nichts schiefgehen. Während drei Stunden
fertigen Sie einen der beiden Pilze und
bemalen ihn, sodass er täuschend echt in
ihrer Stube steht. Oder in der Küche.

Vor oder nach dem Kurs bleibt genügend

Zeit für eine Besichtigung des Freilicht­
museums Ballenberg. Auf dem weitläu­
figen Gelände gibt es historische Gebäude
aus allen Schweizer Landesteilen, Bauern-
hoftiere, ursprüngliche Gärten und Felder
zu entdecken. Auch traditionelles Handwerk
wird gezeigt. Infos zum aktuellen Tagespro-
gramm finden Sie unter www.ballenberg.ch.
Der Tageseintritt ist im Kurspreis inbegriffen.
Wir wünschen Ihnen viel Spass – beim Welcher gefällt Ihnen am besten? Sie entscheiden sich für einen der beiden Pilze und
Schnitzen und Entdecken! machen sich ans Handwerk. Paul Fuchs steht Ihnen mit fachkundigem Rat zur Seite.

Unsere beliebten Kurse: Das müssen Sie wissen

FOTOS JEAN-ROBERT SCHAFFTER, SABINE WUNDERLIN

Anmeldung Die Möglichkeiten zur Anmeldung
finden Sie bei den Informationen zu jedem
Kurs. Am einfachsten geht es über den QR-Code
unten. Scannen Sie diesen mit Ihrer Handy­
kamera, und schon gelangen Sie zur Anmeldung.
Orte Die Kurse finden im Schweizer-LandLiebe-
Haus, 8704 Herrliberg oder
im Ballenberg Kurszentrum,
3858 Hofstetten bei Brienz
statt. Die Information zum Kurs-
ort finden Sie bei jedem Kurs.
Treffpunkt Kurse LandLiebe-Haus
Zwanzig Minuten vor Kursbeginn treffen
wir uns am Bahnhof Herrliberg-Feldmeilen
(auf der Seeseite des Bahnhofs). Von dort
fahren wir gemeinsam mit einem Bus zum
LandLiebe-Haus. Nach dem Kurs bringen
wir Sie zurück zum Bahnhof. Eine direkte
und individuelle Anreise ins LandLiebe-
Haus ist leider nicht möglich. Mit
der Teilnahmebestätigung/Rechnung
erhalten Sie alle nötigen Details.
Treffpunkt Kurse Kurszentrum
Ballenberg
Sie reisen individuell und direkt an, und
wir treffen uns vor Ort im Kurszentrum.
Mit der Teilnahmebestätigung/Rechnung
erhalten Sie alle nötigen Details.
Allgemeine Kursbedingungen
Unter www.landliebe.ch/agb können
Sie diese einsehen. Zudem erhalten Sie
sie auch mit der Rechnung zugeschickt.

8 Schweizer LandLiebe
IMPRESSUM

THOMAS SENF, SYLVAN MÜLLER

AUSGABE #6/23 | 24. 8. 2023 BIS 4. 10. 2023

TITELBILD JULIETTE WADE,

Mit Liebe
gemacht von
CEO Ringier Axel Springer Schweiz AG Alexander Theobald
Geschäftsführer Publikumszeitschriften Roland Wahrenberger

REDAKTION
Chefredaktor André Frensch
Stellvertretende Chefredaktorin Corinne Schlatter
Beratung Chefredaktion Hans Jürg Deutsch, Heiko Gebhardt
Bildchef Martin Müller
Ressort Kulinarik Sabrina Glanzmann
Ressort Landwirtschaft / Biologie / Garten Corinne Schlatter
Redaktorin Claudia Langenegger
Autorin Karin Oehmigen
Grafik Martin Müller, Joël Ott, Jean-Robert Schaffter
Fotoredaktion Denise Oechsli
Social Media Manager Ivo Tuchschmid
Projekte / Assistenz Chefredaktion Susanne Eggenberger
Textchefin / Korrektorin Barbara Siegrist

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bettina Bono, Andreas Burri, Sandra Dangel, Susanne Eggenberger, Sarah Fasolin, Andreas Faust,
dieser Ausgabe Sabrina Glanzmann, Roland Grüter, Vera Guala, Claudia Langenegger, Peter Lippus, Anne-Catherine Lüke,
Daniele Muscionico, Karin Oehmigen, Sabine Reber, Isolde Schaffter-Wieland, Ingrid Schindler,
Corinne Schlatter, Andreas Staeger, Susanne-Marie Wrage

Fotografinnen und Fotografen Annette Fischer, Catherine Gailloud, Sven Germann, Winfried Heinze, Nik Hunger, Sylvan Müller,
Vanessa Püntener, Thomas Senf, Veronika Studer, Stefan Walter, Sabine Wunderlin

Illustratorinnen und Illustratoren Sylvia Bespaluk, René Fehr, Reto Flückiger, Gerhard Glück, Peter Gut, Jasmin Huber-Baumann,
Markus Roost

Head of Brand Management Publikumszeitschriften Tatjana Mettler

Brand Managerin Sabrina Fürst

NUTZERMARKT
Leiter Nutzermarkt Print Roland Wahrenberger
Leiter Nutzermarkt Digital Michael Moersch
Produktmarketing Managerin Katrin Stutz
Leiter Produktions-Service Hartmut Schwalm
Auflage 158 000 Exemplare / verbreitete Auflage 145 205 Exemplare
(Quellen: WEMF-Auflagenbulletin 2022, MACH Basic 2022-1 Deutschschweiz)

Redaktion Schweizer LandLiebe Hasenackerstrasse 86, 8704 Herrliberg, Telefon 058 269 20 00, Fax 058 269 26 40,
redaktion@landliebe.ch, www.landliebe.ch

ABONNEMENTSDIENST
Kundenservice Telefon 058 510 73 14, kundenservice@landliebe.ch
Montag–Freitag, 8–12 Uhr und 13–17 Uhr, oder www.online-kiosk.ch, Einzelverkauf verkauf@ringier.ch

Abonnementspreise 1 Jahr mit 7 Ausgaben LandLiebe, Fr. 69.– (inkl. 2,5 % MwSt.)
(inkl. umfangreicher Sommernummer und Weihnachtsnummer),
2 Jahre mit 14 Ausgaben LandLiebe, Fr. 109.– (inkl. 2,5 % MwSt.)
(inkl. zwei umfangreicher Sommernummern und Weihnachtsnummern)
Ausland-Abonnementspreise auf Anfrage: Telefon 062 746 44 28

Verlag Ringier Axel Springer Schweiz AG, Flurstrasse 55, 8048 Zürich,
Telefon 058 269 20 00, verlag@landliebe.ch

Druck Swissprinters AG, 4800 Zofingen, Prepress Ringier Redaktions-Services, Zürich (ISSN-Nr. 1664-9893)

VERMARKTUNG
Managing Director Thomas Passen
Director Sales Luca Schena
Head of Sales Publikumsmedien Claudia Dippel
Director Media Services Print & Digital Sarah Näf
Media Service Print Ruia Rahimi, Telefon 044 259 89 31, ruia.rahimi@ringier.ch
Rubrikeninserate Creative Media GmbH, Telefon 043 322 60 30, landliebe@c-media.ch
Ringier Advertising, Flurstrasse 55, Postfach, 8021 Zürich,
Telefon 058 909 99 62, salesservices@ringier.ch
Anzeigenpreise, AGB www.ringier-advertising.ch
Bekanntgabe von namhaften Beteiligungen i. S. von Art. 322 StGB: GRYPS AG
Der Nachdruck sämtlicher Artikel und Illustrationen ist verboten.
10 Schweizer LandLiebe Für den Verlust nicht verlangter Reportagen kann die Redaktion keine Verantwortung übernehmen.
 GLÜCK S TREFFER

Die Rache der Natur

Schweizer LandLiebe 11
 Wir freuen uns über Post von Ihnen!
Schreiben Sie an Redaktion LandLiebe, Vermerk: Leserbriefe, Hasenackerstrasse 86,
8704 Herrliberg oder per Mail mit Namen und Wohnort an redaktion@landliebe.ch.
Schnitzkunst
Die Reportage in der LandLiebe
4/5 2023 über Martin Weber, der aus
Holz Vögel und Enten schnitzt und sie
bemalt, hat mich über alles gefreut.
Ich bedanke mich herzlich, ihre Zeit-
schrift ist immer wieder ein Geschenk.
Sylvia Müller, Hünibach BE
Spass mit Rätseln
Ihre letzte Ausgabe mit den Sommer-
rätseln hat mich im Spital erreicht,
wo wir auf die Geburt unseres ersten
Sohnes gewartet haben. Die Rätsel
waren ein wunderbarer Zeitvertreib
und haben mir sehr viel Spass
gemacht! Besonders gefallen hat mir,
dass bei vielen Rätseln mehr Fleiss als
Wissen gefragt war. Weiter so, ich freue
mich jedes Mal auf die neue Ausgabe!
Bettina Niederer, Oberembrach ZH
Beerenstarker Zopf
Ich habe einen Aroniazopf nach dem
Rezept in der LandLiebe 4/5 2023
­gebacken – und er war köstlich. Der
zweifarbige Zopf mit Aroniabeeren
lockte auch meine beiden Pferde an.
Martina Stadelmann, Remetschwil AG
Frisch gebackener Zopf: Die Pferde Taki und
Vardak wollten wissen, was da so gut duftet.
12 Schweizer LandLiebe
Alles für den
­Schwalbenschwanz:
Leserin Jolanda Ernst
zieht in ihrem Garten
Schmetterlingsraupen
auf. Hier einer ihrer
geschlüpften Falter.
Flieg, Schmetterling, flieg!
Jedes Jahr sammle ich die Eier des Schwalbenschwanzes ein
und füttere die geschlüpften Raupen mit Fenchelkraut an.
Geschützt in einem Aerarium wachsen diese dann zu wunderschönen
­Raupen heran, bevor sie sich verpuppen. Es gibt Jahre, in denen ich
weit über hundert Falter in die Freiheit fliegen lassen kann.
Jolanda Ernst, Utzenstorf BE
Kreative
Brieffreundschaft
Im September 2021 schrieb ich Ihnen
­einen Leserbrief betreffend «Schnürli-
schrift». Kurz darauf ­erhielt ich ein
­farbiges Couvert, gebastelt aus einer
LandLiebe-Seite, mit ­einem Gruss von
einer mir unbekannten Frau, die sich
vom Thema Handschrift angespro-
chen fühlte. Ich schickte ihr ebenfalls
einen kreativen Gruss. Seither finde
ich in meinem Briefkasten regelmässig
Insektenparadies
originelle Post der über 80-jährigen Vor sieben Jahren haben Sie eine
Frau, die ich selbstverständlich ebenso ­Reportage über den Heilpflanzengarten
kreativ beantworte. Wir freuen uns, von Hans Zaugg in Rohrbachgraben BE
dass diese speziellen Botschaften so publiziert. Dieser Garten besteht immer
getreulich andauern. Sehen Sie nur, noch, und sein Besitzer pflegt ihn mit
was die LandLiebe für wundersame Herzblut. Zur Zeit blüht und summt es
­Geschichten vollbringt! ausgiebig – eine Augenweide.
Brigitta Geissler, Volketswil ZH Elisabeth Gilgen, per E-Mail
 LESERBRIEFE

DAS SAISONGEDICHT

Nun hebt das Jahr die Sense hoch und

mäht die Sommertage wie ein Bauer.
Wer sät, muss mähen.
Und wer mäht, muss säen.
Nichts bleibt, mein Herz.
Und alles ist von Dauer.
Erich Kästner (1899–1974)

Das wohl bekannteste Werk des deutschen Schriftstellers ist

das Kinderbuch «Emil und die Detektive» von 1929. Er verfasste aber Titelblatt in Aquarell: Die letzte Ausgabe
auch Zeitungsartikel, Theaterstücke, Drehbücher, Hörspiele der LandLiebe hat zum Malen angeregt.
und Gedichte wie «Der August» (oben). Kästner ist bekannt für
seinen scharfen und spöttischen Blick auf die Welt. Inspirierendes Heft
So toll, das Titelblatt
der LandLiebe 4/5
Iris in allen Farben Schöne Häuser 2023! Ich musste
Die LandLiebe 3 2023 hat mein Herz Die LandLiebe ist ein so schönes Heft! gleich den ­Malkasten
gleich höherschlagen lassen – ich bin Mir gefallen vor allem die Beiträge über öffnen. ­Einfach nur
eine grosse Liebhaberin der Iris. Das altes Handwerk sowie schöne Häuser schön, Ihre Fotos.
Château de Vullierens mit seinem Iris­ und Gärten. Ich freue mich über jede Diana Grossrieder,
garten habe ich einige Male besucht. Ausgabe. Suzanne Kunz, per E-Mail Toffen BE
Im Garten habe ich nur eine winzige
Fläche, etwa fünfunddreissig Quadrat­
meter, dort ­stehen aber etwa sechsund­
dreissig verschiedene Iris neben vielen
anderen Pflanzen. Die Pflanzung ist
sehr dicht, mein Igel hat viel zu tun bei
der diesjährigen Feuchtigkeit. Ich bringe
es übrigens nicht fertig, die LandLiebe
zu entsorgen, und sammle sie: Es gibt
immer wieder etwas nachzuschlagen.
Iris Erdenbrink-Fricke, Kägiswil OW

Cyanotypie – ein Hit

Der Kurs «Eintauchen in die Cyano­
typie» hat mir sehr gut gefallen. Sonja
Schäffeler hat uns viel Interessantes
gezeigt, und das Resultat hat mich
restlos begeistert! Ich werde sicher
­daheim noch weitere Bilder machen.
Esther Lang, per E-Mail
Kreativ: Das Bild aus der Käferreportage wurde mit einem Foto aus dem Brocki kombiniert.

Ein Bijou! Originelle Collage

Vielen Dank für die schön gestaltete Die LandLiebe 3 2023 hat mich inspi­ gestalten. Ich habe es mit den Käfern
Schokolade zu meinem Geburtstag – sie riert, mal wieder mit Papier, Leim und aus der LandLiebe kombiniert. Was
FOTOS ZVG

passt perfekt zur LandLiebe. Das Heft ist Schere zu basteln. Die Ursprungsidee ­dabei herausgekommen ist, möchte
ein Bijou, alles ist mit viel Liebe gestaltet. war, aus einem bestehenden alten ich Ihnen nicht vorenthalten.
Yvonne Sifrig, Wädenswil ZH Foto aus dem Brocki etwas Neues zu Gaby Möhl, Bern

Schweizer LandLiebe 13
 IM SPÄTSOMMER

DER 75-FRANKEN-STRAUSS

Ein Feuerwerk!
BÜHNE FREI für das Sommerfinale:
In diesem farbintensiven Reigen treffen
gelb leuchtende Schafgarben und Sonnen-
blumen auf knallrote Dahlien und Johan-
niskrautbeeren, edle Blaudisteln sowie
orange Wuschelköpfe der Färberdistel und
FOTOS VANESSA PÜNTENER
Ensemble auf Saisonalität und zeigt auf,
welch prächtige Blumen aus einheimi-
schem Anbau jetzt erhältlich sind. cos
•••
Am 1. September ist der erste Tag der Schwei-
zer Blume. Über zweihundert Floristikgeschäfte

lachsfarbenen Strandflieder. Die aparten
Blüten kontrastieren auf spannende Weise
mit dem satten Grün von Aralien, Shallon-
Scheinbeeren, Lentisco-Ästchen und Euka-
lyptus. Die passionierte Floristin Anita
Brändli-Mohr setzt in ihrem fröhlichen
verteilen frühmorgens in der ganzen Schweiz mit
Blumen gefüllte «Ecopots»-Gefässe. Mit etwas
Glück erhalten auch Sie in Ihrem Dorf oder Quar-
tier eines von über viertausend dieser nachhalti-
gen Blumengeschenke oder eine andere Überra-
schung. Infos unter www.schweizer-blume.ch
Die gelernte Gärtnerin und
­Floristin Anita Brändli-Mohr, 45,
macht mit ihrem Floristik­
geschäft in Winterthur am Tag
der Schweizer Blume mit.

«Flowers & Mohr», Metzggasse 17, 8400 Winterthur, Telefon 052 213 77 86, www.flowers-mohr.ch

Schweizer LandLiebe 15
L A N D L I E B E I M S PÄT S O M M E R

GROSIS TIPP
Gesunde Kraftpakete
Die schwarzen Beeren des Holunders
schmecken fruchtig, enthalten Vita­
min C und stärken das Immunsystem.
Wenn sie im Spätsommer reif sind,
lässt sich daraus ein aromatischer
­Sirup kochen. So gehts: Von 1 kg gewa­
schenen Dolden die Beeren von den
Stielen lösen (ergibt circa 700 g) und
in 1 l Wasser aufkochen. 30 bis 40 Mi­
nuten köcheln lassen und alles durch
ein Tuch giessen. Den Saft über Nacht
ziehen lassen und anderntags mit
­Zucker (500 g auf 5 dl Saft) und 2 EL
­Zitronensaft unter Rühren aufkochen.
Fünf Minuten sprudelnd köcheln las­
sen, den Sirup siedend heiss in saubere
Flaschen füllen, verschliessen. COS

GAUMENSCHMAUS
Zum Auslöffeln gut
Feigensenf zu Käse? Das passt perfekt.
Vorausgesetzt, er wurde aus frischen,
aromatischen Früchten zubereitet.
Wie der, den wir an der Käsetheke von
Flavia Marchi und Hans Stucki auf­
MUNDART
gespürt haben. Die beiden – sie führen

«Drötschgele» – das Quartierlädeli in Zürich Witikon –

sind bekannt für ihre reiche Käseaus­

das nervt!
wahl und ihre hausgemachten Spezia­
litäten, zu denen auch ein «LandLiebe-
Zopf» gehört. Von Mitte August bis

I
Ende Oktober, wenn die besten Feigen
m Berndeutschen gibt es das Verb drötschgele, ursprünglich auf dem Markt sind, weckt Hans Stucki
­gebraucht für «langsam und gemütlich fahren (mit einem Pferde­ sie für die Kundschaft ein. Dafür
fuhrwerk, später vor allem mit dem Auto)», heute auch für «langsam ­püriert er die frischen Früchte, mischt
gehen». So heisst es aus dem Bernbiet über einen langsamen Autofahrer, die Masse mit einem guten Dijon-Senf
der alle hinter sich aufhält: Er drötschgelet oder zöttelet, tschöttelet und schmeckt das Ganze mit Know­
und chettelet zufrieden durchs Land und reisst uns damit den letzten how ab. Wer zu weit von Zürich ent­
Nerv aus. Drötschgele ist gebildet zu schweizerdeutsch Drotschge für fernt wohnt, kann sich den Feigensenf
die Droschke, «leichtes Pferdefahrzeug, Mietkutsche», die vom russischen auch schicken lassen (Fr. 7.40 pro Glas
«dróžki» erst vor gut zweihundert Jahren ins Deutsche gelangt ist. plus Porto). Die Adresse und weitere
Für «(zum Vergnügen) langsam fahren» gibt es zahlreiche Begriffe, Infos auf www.laedelifrau.ch. KOE
die ebenfalls auf -(e)le ausgehen: Wenn auch nur selten ausdrücklich auf
ILLUSTRATION PETER GUT FOTO VERONIKA STUDER

das Auto bezogen, so sind doch mit drötschgele ganz nahe verwandt etwa
­wägele – «(mit einem Fuhrwerk, Automobil) fahren, auch Vergnügungs­
fahrten ­machen» –, schēsele – «in einer Chaise fahren»–, rössele – «nur
zu seinem Vergnügen mit Pferd und Wagen fahren» – und gütschle –
­«Kutsche fahren, zum Selbstzweck». Langsam und mit viel Musse fahren
kann man auch auf dem Wasser (schiffele – «Schifflein fahren»), auf der
Schiene (umetramle – «mit der Strassenbahn herumfahren») und auch
auf zwei Rädern: welöle – «(zum Vergnügen) mit dem Velo herumfahren».
Wie drötschgele gehen auch schēsele (zu französisch «chaise») und
gütschle (zu ungarisch «kotsi») auf ein Fremdwort zurück. Droschke,
Chaise und Kutsche sind im Alltag zwar nicht mehr präsent, doch
­spiegeln sie sich bis heute in Verben, die «langsam fahren» bedeuten. Wird nur mit frischen Früchten zubereitet:
ANDREAS BURRI REDAKTOR «SCHWEIZERISCHES IDIOTIKON» der Feigensenf aus Zürich Witikon.

16 Schweizer LandLiebe
L A N D L I E B E I M S PÄT S O M M E R
3.
«Absolut unvergesslich?
Die Besteigung des Matterhorns»
1. Atemberaubend schön Ich gehe
wahnsinnig gern ins Flumserberg­
gebiet wandern. Da kommen bei mir
Heimatgefühle auf, und der Ausblick
auf den Walensee ist einfach einzig­
artig – seine Farbe magisch. Einer
der schönsten Seen der Schweiz über­
haupt, finde ich.
2. Erfrischende Spritztour Eine meiner
liebsten Warmwetteraktivitäten ist
eine «Böötli»-Tour auf dem Linth­
kanal. Ich lege in Ziegelbrücke ab, aus­
gestiegen wird in Schmerikon. Dabei
schippert man auch durch meine
­Heimatgemeinde Benken. Auf das
Boot packe ich stets ein Picknick und
meine Schlagermusik.
3. Romantisches Dinner Der «Gupf»
im Appenzellerland gehört zu meinen
liebsten Adressen, wenn es darum
geht, erstklassig und trotzdem boden­
ständig zu essen. Mein Mann und ich
18 Schweizer LandLiebe
1.
4.
MEIN LAND, MEINE LIEBE
Die Schlagersängerin
Linda Fäh wurde 2009 als
Miss Schweiz bekannt.
Mittlerweile hat sie ihr fünftes
Album herausgebracht und ist
seit einem halben Jahr Mami.
2.
FOTOS BERGBAHNEN FLUMSERBERG / THOMAS KESSLER, LINTH­V ERWALTUNG, ZVG, ROBERT BÖSCH, RAFFY LOCHER MANAGEMENT
5.
feierten dort zu zweit unsere standes­
amtliche Hochzeit. Mit Blick über den
Bodensee und das Alpsteingebirge –
ein Genuss der Extraklasse. Sogar
übernachten ist möglich. Gerade wenn
die Anfahrt, wie in meinem Fall, doch
etwas weit ist.
4. Familienwanderung Auf dem
­ lüemlisberg hoch über Schwyz liegt
B
mein liebstes Ausflugsziel mit Kindern.
Der «Geissä Wäg» ist eine gemütliche
Wanderung mit interaktiven Posten
zum Thema Geiss und dauert circa
45 Minuten. Auf der Weide des Ziegen­
hofs sind ausserdem über hundert
«Geissli» zu begutachten.
5. Absolutes Highlight Es liegt zwar
bereits elf Jahre zurück, dass ich oben
auf dem Matterhorn stand, doch ­dieses
Gefühl werde ich nie vergessen. Die
­intensive Vorbereitung auf eine solche
Besteigung ist es mehr als wert.
 Garten der
Zukunft
Viel soll angebaut und geerntet werden. Schliesslich gilt es, fast fünfzig Menschen
zu versorgen. Die Betreiberinnen und Betreiber des Permakulturgartens auf
Schloss Glarisegg in Steckborn TG am Bodensee aber wollen weit mehr.
Text Sarah Fasolin Fotos Stefan Walter

20 Schweizer LandLiebe
 GARTEN

Der Tag erwacht, der Boden

ist trocken. Der Garten
beim Schloss Glarisegg ist so
angelegt, dass möglichst wenig
gegossen werden muss. Ganz
ohne geht es nicht – Garten­
leiterin Lisa Buzzi hilft nach.

Schweizer LandLiebe 21
 «Sorge für die
Menschen, die Erde
und die Zukunft»

6
7

22 Schweizer LandLiebe

1. Die Gemeinschaft Schloss
Glarisegg lebt und wirkt im
über ­zweihundertfünfzig Jahre
alten Schloss und den dazu­
gehörenden Nebengebäuden.
Nebst dem Garten betreibt
sie eine eigene Schule und
ein Seminarzentrum.
2. Auf einer ehemaligen
­Obstwiese sind in den letzten
dreizehn Jahren grosse
­Pflanzflächen entstanden.
3. Der Kräutergarten steht an
einer der sonnigsten Stellen
und ist umgeben von wärme­
speichernden Steinmauern.
2
2 4
5
GARTEN
4. Geodome sind in Perma­
kulturgärten beliebt, weil sie
ein gutes Klima schaffen und
sehr stabil sind.
5. In diesem Garten wird
nicht nur gejätet, sondern
auch gekocht, geduscht und
die Gemeinschaft gelebt.
6. Der überdachte, runde
­Sitzplatz ist Ort der Pause und
des Austauschs.
7. Aktuelles Projekt: ein Wald­
garten mit fruchtbringenden
Bäumen und Sträuchern
sowie mehrjährigen essbaren
Stauden am Boden.
Schweizer LandLiebe 23
 Viel Licht und Luft –
so gefällt es den Chilis im
Geodom-Gewächshaus.
Ein Volontär hat dieses
während eines Sommers
selber gebaut.

Die Wolle – als Langzeitdünger

für den Federkohl – hatte der
Nachbar übrig. Das passt zur
Philosophie der Permakultur:
möglichst nichts dazukaufen,
auskommen mit dem, was man
in seiner Umgebung findet.

24 Schweizer LandLiebe
 GARTEN

Nichts hier hat

nur einen Zweck
oder nur ein Ziel

H
Hilde, Oskar, Berta und Zora watscheln
fröhlich schnatternd durch das Gras.
­Soeben haben sie ein paar Runden auf
dem Teich gedreht, jetzt gehts auf
­Erkundungstour durch den Garten. Die
Indischen Laufenten gehören zum
Mit dem Anbauplan zwischen
Bohnen und Lauch. Was kommt
als Nächstes? Lisa Buzzi und
Wolfgang Griss achten
auf Fruchtfolge, Mischkultur
und einen immer schön
­gedeckten Boden.

­Gartenteam auf Schloss Glarisegg. Ihre

Aufgabe: die Schnecken fressen. Das tun
sie. Und sie tragen mit ihrem fröhlichen
Wesen zur guten Stimmung bei. Hilde,
Oskar, Berta und Zora sind ein gutes
­Beispiel für die Philosophie dieses
­Gartens. Hier wird zwar die Selbst­
versorgung der Lebensgemeinschaft im
Schloss angestrebt. Gleichzeitig sollen
aber auch Menschen und Tiere neben­
einanderleben, ökologische Kreisläufe
sich schliessen und Soziales und Gärt­
nerisches miteinander einhergehen.

Voneinander lernen
In diesem Garten hat also nichts nur
­einen Zweck oder ein Ziel. Es wird nicht
nur gejätet und gesetzt, es soll auch ein
Ort sein, an dem man voneinander lernt
und die Gemeinschaft pflegt. Ganz nach
den ethischen Grundsätzen der Perma­
kultur, die sich wie folgt zusammen­
fassen lassen: «Sorge für die Menschen,
sorge für die Erde, sorge für die Zukunft».
Noch bevor am Morgen jemand ein
Werkzeug in die Hand nimmt, setzt sich
die Gartengruppe zusammen und tauscht
sich aus. «Wenn mir einer erzählt, er
habe schlecht geschlafen, weil ihn etwas
sehr beschäftige, dann frage ich mich
später am Tag nicht, wieso er nicht so
viel leistet wie an anderen Tagen», sagt
Lisa Buzzi, Leiterin des Gartens. «Dann

Schweizer LandLiebe 25
 Farbenfroh und gesund.
Der Garten belohnt
die Menschen auf
­Glarisegg jedes Jahr mit
einer grossen Ernte.

26 Schweizer LandLiebe
 GARTEN

Dieser Ort ist

nicht nur für die
Menschen

Kohlrabi darf man ernten,

­ ohnen noch nicht. Mit den
B
roten und grünen «Schildli»
wird kommuniziert, was zur
Ernte freigegeben ist und was
erst noch wachsen muss.
kann ich es einordnen und gehe anders
mit ihm um.»
Lisa Buzzi und Wolfgang Griss arbei-
ten in einem festen Arbeitsverhältnis für
diesen Garten. Die Sozialanthropologin
und der pensionierte Handwerker haben
von der Gemeinschaft Schloss Glarisegg
den Auftrag, möglichst viel ­anzupflanzen
für die vierunddreissig ­Erwachsenen
und vierzehn Kinder, die im Schloss
und in den dazugehörenden Gebäuden
leben. Weil dies zu zweit kaum möglich
ist, suchen sie jede Saison über den
­Europäischen Freiwilligendienst EVS
zwei Freiwillige.

Pflege des Bodens – das A und O

Zu tun gibt es stets genug, denn die
­siebentausend Quadratmeter werden
möglichst ohne Maschinen und nur von
Hand bearbeitet, da der Boden geschont
und keine Emissionen erzeugt werden
sollen. Alles, was gejätet oder geschnit-
ten wird, bleibt an Ort und wird kompos-
tiert, damit die Nährstoffe später wieder
dem Boden zugeführt werden können.
Die Pflege des Bodens hat einen hohen
Stellenwert: Mit selbst hergestellter
Pflanzenkohle und selbst vermehrten
Mikroorganismen erhält das Team die
Fruchtbarkeit des Bodens. Gedüngt wird
mit natürlichen Mitteln wie Schafwolle
oder Pflanzenjauchen. Nackte Erde ist
nirgends zu sehen – es wird gemulcht,
um die Feuchtigkeit im Boden zu halten
und den Bodenlebewesen Nahrung zu
verschaffen.
Um die Saison zu verlängern, wer-
den ein Folientunnel, ein aus alten Fens-

Schweizer LandLiebe 27
GARTEN

terscheiben gebautes Gewächshaus und

ein Geodom genutzt. Das kuppelförmige
Gewächshaus aus Holz und Plastikfolie
ist aufgrund seiner Bauweise sehr stabil
und schafft bei Licht und Luft ­optimale
Bedingungen für die Pflanzen. «Das Geo-
dom bewährt sich und hat ­gerade wegen
seiner Form das manchmal stürmische
Wetter hier am See bis jetzt unbescha-
det überstanden», erklärt Lisa Buzzi.
Derzeit wachsen Chilis in verschiedenen
Sorten unter dem Kuppeldach. Chilis
sind in der Lebensgemeinschaft beliebt,
wie auch Tomaten und Gurken. «Davon
haben wir nie zu viel, egal, wie viel wir
anbauen», sagt Wolfgang Griss, der seit
vier Jahren im Schloss lebt und arbeitet.
Als sie hingegen einmal Pak Choi ange-
baut hätten, sei dieser «nicht der Ren-
ner gewesen», erinnert er sich. «Auch
Rettich ist nicht besonders ­gefragt.» Um
den anderen den Vortritt zu lassen,
­erntet das Gartenteam selbst deshalb
vor allem das Gemüse, das sonst wenig
Abnehmer findet.
In der Gartenküche
Mitmachtag für alle wird jeden Tag für alle
gekocht. Immer frisch
Die Leute aus der Lebensgemeinschaft aus dem Gemüsebeet –
dürfen im Garten selber ernten, sobald oft auch «Laden­hüter».
vor dem Gemüse das entsprechende Heute hat W­ olfgang
Schild aufgehängt ist. Rot heisst, bitte Griss Küchendienst.
noch warten. Grün: Jetzt darfst du. Ein
Blick auf die Anbauliste und den Tisch
mit der reichen Ernte zeigt: Die Vielfalt
ist gross. Verschiedenste Früchte, Kräu- Auch Hilde, Oskar, Berta
und Zora haben Dienst:
ter, Gemüse, ja sogar Pilze werden gezo- Schneckenjagd! Darin
gen. «Wir empfinden es jedes Jahr als ein sind sie gut, aber auch
Wunder, was für eine Fülle da ist», sagt im Verbreiten von guter
Lisa Buzzi. Stimmung.
Eine junge Frau mit Löcherbecken
und Messer taucht im Garten auf,
­spaziert zwischen den Beeten hindurch,
schneidet Salat und zupft ein paar ess-
bare Blüten ab. Wie herrlich, denkt man,
einen riesigen Gemüsegarten vor dem
Haus zu haben, in dem man einfach
­ernten kann. Die Menschen in der
­Lebensgemeinschaft gehen verschiede-
nen Tätigkeiten nach. Sie betreiben etwa
die Akademie für Gemeinschaftsbildung

28 Schweizer LandLiebe
 Trotz wachsender
Erfahrung – es bleiben
Fragen offen

Mal Pause machen,

sich austauschen –
darauf wird Wert gelegt:
Marcel Heuer, Volontär
aus Österreich, Wolfgang
Griss und Maria Schwei-
zer aus der Glarisegg-
Gemeinschaft, Garten­
leiterin Lisa Buzzi und
Volontär Felix Martan
(von links) bei Kaffee
und Kuchen.

Schweizer LandLiebe 29
Montag ist Komposttag, es wird umgewälzt und eingeschichtet.
Volontär Marcel Heuer macht sich an die schweisstreibende Arbeit.
mit verschiedenen Angeboten zu einem
erfolgreichen Zusammenleben, ebenso
eine eigene Schule. Damit sie trotzdem
einen Bezug zum Garten haben und auch
mal grössere Ideen realisiert werden
können, findet einmal im Monat ein Mit-
machtag für alle statt.
Kein schönerer Ort
Der Permakulturgarten wurde 2012 auf
einer Obstwiese neben dem in den
1770er-Jahren erbauten Schloss Glaris­
egg angelegt und seither stetig erweitert.
Weil die Gartenbetreiberinnen und Gar-
tenbetreiber möglichst auf Maschinen
verzichten und den Boden nicht stören
möchten, haben sie bei der Erweiterung
des Gartens die Methode der Schicht-
mulchbeete angewendet (siehe rechte
Seite). Neue Beete werden meistens
­entlang der Höhenlinie gezogen – also
­parallel zum Hang –, und dazwischen
werden kleine Gräben ausgehoben. So
fliesst das Regenwasser nicht oberfläch-
lich ab, ­sondern sammelt sich in den
Gräben, den «Swales», und gelangt von
dort in das weiter unten liegende Beet,
wo es die Pflanzen versorgt. In der Regel
wird ­jedes Jahr ein etwas grösseres
­Projekt umgesetzt. 2021 etwa wurde am
30 Schweizer LandLiebe
Die Gartendusche ist zum Glück nicht weit. Nach einem arbeits­
reichen Tag im Garten geniesst Wolfgang Griss die Abkühlung.
Rand des Gartens an sehr sonniger Lage
ein Kräuterbeet gebaut. Eine halbrunde
Steinmauer dient als Sonnenfalle und
erwärmt den Standort zusätzlich. Der
Boden ist in drei Zonen eingeteilt: sehr
mager, mager und humos.
Das neuste Projekt ist ein Waldgar-
ten, der zurzeit aufgebaut wird. Dabei
handelt es sich um eine Pflanzengemein-
schaft, die sich aus grossen Gehölzen
wie Fruchtbäumen und Kiwi, kleineren
Sträuchern wie Johannisbeeren, Aronia
und Kornelkirschen sowie essbaren und
nützlichen Stauden, etwa mehrjährigem
Kohl, mehrjährigem Spinat und Schnitt-
knoblauch, zusammensetzt. Neben den
arbeitsintensiven Gemüsebeeten soll
sich der Waldgarten weitgehend ­selber
regulieren und so die Erntepalette
­ergänzen und bereichern.
Obwohl Lisa Buzzi und Wolfgang
Griss zwar auch für sich, vor allem aber
für andere jäten und pflanzen und ver-
schiedene Menschen ein- und ausgehen,
sind sie beide mit dem Garten eng ver-
bunden. «Das Erschaffen, aber auch das
Erleben hier macht grosse Freude», sagt
Griss. «Einmal traf ich im Garten auf
­einen Fasan und letzthin auf eine Kreuz-
otter – schöne Momente, die zeigen:
­ ieser Ort ist nicht nur für uns.» Wo
D
­immer es etwas zu bauen gibt, sei es ein
Hühnerhaus oder eine Outdoordusche,
ist Wolfgang gefragt. Lisa Buzzi kümmert
sich um Planung und Arbeitseinteilung.
Beide haben jahrelange Erfahrung im
Garten und finden: «Mit jedem Tag
kommt Erfahrung dazu, aber trotzdem
bleiben Fragen offen.» Weshalb derzeit
die Rüebli im vorderen Teil der Reihe
schön wachsen, im hinteren jedoch nur
kümmerlich – das ist im Moment noch
ein Geheimnis.
Jetzt gehts erst einmal ans gemein-
same Mittagessen. Wer vom Gartenteam
Kochdienst hat, macht einen Rundgang
durch den Garten, kommt mit vollem
Becken in die Outdoorküche und kocht
für alle. «Ich liebe diese gemeinsamen
Essen sehr», sagt Lisa Buzzi, «damit fei-
ern wir irgendwie auch, was wir hier tun.»
Und wenn dann noch die Laufenten vor-
beiwatscheln und schnatternd das Welt-
geschehen kommentieren, gibt es fast
keinen schöneren Ort als diesen hier.
•••
Mehr Infos zur Gemeinschaft Schloss Glarisegg
www.schloss-glarisegg.ch
Weitere Infos zur Permakultur und zu Angeboten
in der Schweiz www.permakultur.ch
 GARTENWISSEN

Neues Beet ohne Umgraben

Auf Schloss Glarisegg wird der Garten ohne Maschine, dafür mit Karton und Kompost erweitert.

D
amit aus grossen Wiesenflächen
Gartenbeete werden, muss man
sie entweder von Hand um­
stechen oder mit einer Bodenfräse auf­
brechen. Um den Boden möglichst nicht stirbt die Grasnarbe ab. Nach einem Jahr
umschichten zu müssen, gibt es eine ist der Karton verrottet, der Boden mit
­einfache Methode: das Schichtmulch­ Nährstoffen angereichert und ein neues
beet. Durch die Abdeckung mit Karton Gartenbeet entstanden. FAS

Schritt 1
Die Rasenfläche wird
mit Karton, an dem
es weder Aufdrucke
noch Plastikreste oder
Metallklammern hat,
abgedeckt, und zwar so,
dass er an den Rändern
mindestens 15 Zenti­
meter mehr als die
gewünschte Fläche
abdeckt. Den Karton in
der Folge gut wässern.

Schritt 3
Im Folgejahr wird das Beet bepflanzt. Dazu eignen sich zu Beginn
Kürbisse und Mais sehr gut, Wurzelgemüse aufgrund des aus­
gelegten Kartons im ersten Jahr hingegen noch nicht. Die Würmer
zerfressen nun den Karton. Die Wurzeln der Pflanzen lockern den
Boden – ein fruchtbares und feinkrümeliges Gartenbeet entsteht. ILLUSTRATIONEN SYLVIA BESPALUK

Schritt 2
Der Karton wird nun mit einer mindestens 15 Zentimeter dicken
Schicht aus Kompost, Mist sowie feinfasrigem Pflanzenmaterial
wie Jätgut, Ernteabfällen und Erde bedeckt. Die Schicht zwischen­
durch mit dem Rechen gut andrücken. Die oberste Schicht schön
feinkrümelig rechen und wiederum alles gut giessen.

Schweizer LandLiebe 31
 SABINES GARTEN

Das blaue Wunder

Um die Jahrtausendwende wuchsen in hiesigen Gärten kaum Heidelbeeren.
Seither haben sich die Moorfrüchtchen zu Stars gemausert und begeistern
vom Bauerngarten bis auf den Stadtbalkon mit Geschmack und Vitaminen.
Sabine Reber, Autorin, Gartenberaterin und Bloggerin

W
ilde europäische Heidelbeeren Vac­
cinium myrtillus wachsen an schönen
Orten: in Hochmooren und Moor­
heiden, sauren Eichenmischwäldern, Borstgras­
weiden und Zwergstrauchhainen. Wer im Spät­
sommer von ihren reifen Beeren nascht, weiss, wie
­intensiv sie Finger und Mund violett verfärben.
Im Herbst ziert sich auch ihr Laub mit lodernden
Farben. Moore, Wälder und heidelbeerbewach­
sene Berghänge scheinen dann in Flammen zu
stehen.
Diesen atemberaubenden Anblick und vor
­allem die blauen Beeren möchte man natürlich
auch daheim gerne geniessen. Aber wer irgend­

FOTO STÖH GRÜNIG ILLUSTRATION ALAMY

einen jungen Heidelbeerstrauch im Gartencenter
kauft, wird enttäuscht sein, weil die reifen Beeren
innen gar nicht blau sind. Die meisten Garten­
heidelbeersorten stammen von den amerikani­
schen Blaubeeren Vaccinium corymbosum ab.
Diese haben grössere Früchte mit hellem Fleisch.
Es gibt aber auch bei diesen gute Züchtungen, die
sogar recht viele Vitamine enthalten. Die Sorte
‘Rubel’ ist bis heute der Klassiker mit dem besten
Aroma. Ihre relativ kleinen, tiefblauen Beeren
enthalten dreimal so viele Vitamine wie die
­klassische Supermarktsorte ‘Bluecrop’.
Die meisten Nährstoffe sind in den Schalen
enthalten. Darum sind kleinere Früchte grund­
sätzlich gehaltvoller als grosse. Wilde Heidel­
beeren enthalten bis zu zwanzigmal mehr
­Vitamine als die Beeren aus dem Supermarkt.
Ausserdem sollten die Sträucher biologisch
­kultiviert werden. In der Studie einer Universität
in New Jersey in den USA zeigte sich, dass
­Bio-Heidelbeeren bis zu fünfzig Prozent mehr
­Vitamine und Geschmack enthielten als solche,
die mit künstlichem Dünger gepusht wurden.
Ihre Karriere als Superfood verdanken die
Heidelbeeren ihrem hohen Gehalt an Antioxidan­
tien, die das Immunsystem stärken. Ausserdem
gelten Heidelbeeren als gutes Stärkungsmittel
für von der Bildschirmarbeit müde Augen. Wer
Heidelbeeren gezielt zur Gesundheitsförderung
verwenden will, sollte sie zu Sirup oder Konfitüre
verkochen, damit die Vitamine und Mineralstoffe
aus der Schale herausgelöst werden. Zudem ist
Im Garten werden meist Kulturheidelbeeren angebaut.
Wilde Verwandte findet man in Heiden und im Wald.
man mit eingekochten Wildfrüchten punkto
Fuchsbandwurm auf der sicheren Seite. Auf dem
Balkon hat man dieses Problem natürlich nicht.
Heidelbeeren fühlen sich in Kübeln mit Moor­
beeterde im Halbschatten wohl. Auch in einer
­geschützten Gartenecke können sie gut in grös­
seren Gefässen kultiviert werden. Sie sollten
­einfach nur mit Moorbeetdünger und allenfalls
ein wenig Kompost versorgt werden. Ausserdem
brauchen sie regelmässig Wasser.
Nach einigen Jahren kann es dann sinnvoll
sein, sie zu schneiden. Nach drei bis vier Jahren
lässt die Fruchtmenge meist nach. Ab dann gilt
es, jeden Frühling einige der alten Äste fünfzehn
Zentimeter über dem Boden abzuschneiden, um
die Pflanzen zu verjüngen. So beglücken uns die
dankbaren Sträucher über Jahrzehnte mit ihren
muntermachenden Beeren.

32 Schweizer LandLiebe Mehr Infos www.sabinesgarten.ch, www.hikesandherbs.ch

GARTENZEIT

Robuste Schönheiten
Herbstanemonen sind jetzt eins der
Highlights im Garten oder in Gefässen
auf dem Balkon. Die Farbpalette ihrer
grossen Blüten reicht von Karminrot
über Rosa bis Weiss. Im Bild die Sorte
‘Honorine Jobert’, die vor hundert­
fünfzig Jahren gezüchtet wurde und bis
heute zu den Topsorten zählt. Herbst-
anemonen sind robust und pflegeleicht.
An einem halbschattigen Standort
mit nahrhaftem, tiefgründigem Boden
gedeihen sie über Jahre prächtig. Am
besten pflanzt man sie im Frühling, so
wurzeln sie bis im Herbst gut ein. ZVG
Süsse Früchte – bis im November
Die Beeren- oder Minikiwi Actinidia arguta ist ab Ende August reif. Im
Gegensatz zu grossen Kiwisorten können die kleinen Sorten, sobald sie ein
wenig weich sind, bis im November ab Baum und ohne zu schälen geges-
sen werden. Meine Empfehlung: Ernten Sie einen Teil der Früchte, wenn
sie noch hart sind. Lagern Sie davon je einen Drittel im Keller, im Kühl-
schrank und in einem Plastiksack mit zwei Äpfeln. Diese geben ein Gas ab
und lassen die Kiwis schneller reifen. Durch die verschiedenen Lager­
methoden können Sie zwei Monate lang Kiwis konsumieren. Von den Kiwi-
pflanzen gibt es männliche, weibliche und zwittrige. Letztere sind kleiner,
haben aber auch kleinere Früchte als zweihäusige Pflanzen. Minikiwis
sind ­winterhart und eignen sich auch als Balkon-Topfpflanzen. PETER LIPPUS

GARTENKALENDER

Das alles gibt es jetzt zu tun

Wichtig im August
X Volle Aufmerksamkeit der Schnecken­
bekämpfung, denn jetzt legen sie Eier.
X Letzte Gemüse setzen: Zuckerhut,
­Endivie, Asiensalate, Kohlrabi, Pak Choi
X Radiesli, Schnittsalat, Pak Choi, Spinat,
Nüssler, Portulak, Löffelkraut usw. säen
X Rhabarber teilen oder neue setzen
X Abgetragene Brombeeren am Boden
abschneiden, bei Jungtrieben
­Seitentriebe regelmässig einkürzen
X An den Sommerhimbeeren die Trag­
ruten abschneiden, Jungruten aufbinden
(maximal 10 bis 12 Triebe pro Laufmeter)
X Bei Bedarf Rosen mit Kalidünger düngen
X An den Feigen die langen Triebe
bis zur Frucht zurückschneiden, auf
­Feigenminiermotten kontrollieren
Wichtig im September
X Den Rasen vertikutieren
X Verblühte Stauden teilen und
­vermehren
X Gehölze in Form schneiden
X An den Tomaten die untersten Blätter
entfernen und auf die Erde Nüssler säen
X Winterzwiebeln setzen
X Erdbeeren bei Trockenheit regelmässig
wässern, Ausläufer abschneiden
X Ende Monat erste Zwiebelblumen
wie Osterglocken und Tulpen setzen
X Bei Balkon- und Kübelpflanzen, die
überwintert werden, Düngung reduzie­
ren. Ende Monat ganz einstellen, damit
sie widerstandsfähiger gegen Kälte wer­
den und im Frühling besser austreiben
X Letzte gute Gelegenheit, um Geranien­
stecklinge zu schneiden
X Verblühte Gladiolen und Fresien
aus dem Boden nehmen und frostfrei
überwintern
X Je nach Witterung wärmebedürftige
FOTOS SHUTTERSTOCK (2), ZVG

X 2022 war eine grosse Obsternte – wenn
zu viele Jungtriebe ohne Früchte am
Baum wachsen, jetzt zurückschneiden
X Lavendel, Heiligenkraut und zu grossen
Salbei zurückschneiden
X Stark wachsende Hecken ein zweites
Mal schneiden
Nacktschnecken sind Zwitter und begatten
sich gegenseitig. Sie legen ihre Eier (bis zu
vierhundert pro Tier) klumpenweise ab.
Zimmerpflanzen, die im Garten stehen,
wieder zurück ins Haus stellen
X Gründüngung säen – ideal für den
­Garten ist Phacelia.
X Verblühte Balkonpflanzen durch
­Herbstzauber ersetzen
X Immergrüne Pflanzen versetzen

34 Schweizer LandLiebe

Wie vertreibe ich Ameisen?
LandLiebe-Experte Peter Lippus hilft den Leserinnen und Lesern
bei ihren Gartenfragen. Der diplomierte Gärtnermeister
hat über dreissig Jahre Erfahrung als Fachlehrer Gartenbau.
? Zum achtzigsten Geburtstag hat
mir jemand ein Zitronenbäumli
geschenkt. Wie muss ich es über-
wintern? Ich wohne in einem alten
Bauernhaus mit Kachelofen. Muss
ich das Bäumchen giessen und dün-
gen? Und verliert es seine Blätter?
Hedi Schlüchter, Röthenbach BE
Peter Lippus: Zitronen brauchen für eine
erfolgreiche Überwinterung einen
­optimalen Standort. Ein dunkler Raum
sollte nicht mehr als drei bis fünf Grad
warm sein. Ist es hingegen ganz hell –
etwa im Wintergarten –, sind zwanzig
Grad ideal. Bei hohen Temperaturen
und trockener Luft werden die Pflanzen
oft von Spinnmilben befallen. Diese
sind von Auge sichtbar, und die Blätter
werden unregelmässig gelb. Verlieren
Zitrusbäume indes viele Blätter, stimmt
etwas nicht. Die Ursache sind meis-
tens unregelmässige Wassergaben –
das heisst, für die Pflanze ist es zu nass
oder zu trocken. Geben Sie unten in
den Topf eine Lecca-Schicht, und lassen
Sie im Unterteller nie Wasser stehen.
Auch Standortwechsel vertragen
­Zitrusbäume schlecht. Eine Düngung
im Winter braucht Ihr Bäumchen aber
nicht. Mein Tipp: Wenn Sie den Zitrus-
baum in Ihrem Bauernhaus überwin-
tern, muss er am Fenster stehen. Ideal
wäre ein ungeheiztes, aber frostfreies
­Zimmer, in dem die Temperaturen
stets ungefähr gleich sind.
FOTOS SHUTTERSTOCK, SUZANNE SCHWIERTZ
? Seit über zehn Jahren bin ich
glückliche Gärtnerin in einem
kleinen Schrebergarten. Jedes Jahr
plage ich mich jedoch mit verschie-
denen Ameisenarten ab. Ich versu-
che immer wieder, ihren Nutzen zu
erkennen und sie zu schätzen, ob-
wohl sie Ameisensäure versprühen,
stechen oder beissen. Leider gelingt
es mir nicht immer. Und das auf
F R AG E N S I E P E T E R L I P P U S
In unseren Breiten müssen Zitronen­
bäumchen frostfrei überwintert werden.
­ aturbasis hergestellte Bekämp-
N
fungsmittel hilft nicht. Wie kann ich
sie sonst vertreiben? Anna Magdalena
Vogel-Tarnutzer, Volketswil ZH
Peter Lippus: Ameisen können in grosser
Zahl lästig werden und bei Pflanzen
wie Blumenkohl den «Saft» aussaugen.
Was macht man also im Garten gegen
sie? Dort, wo Läuse anzutreffen sind,
hat es meist auch Ameisen, denn diese
schützen Läuse vor natürlichen Fein-
den. Als «Gegenleistung» ernähren
Läuse die Ameisen mit Zuckerausschei-
dungen. Das erste Gebot lautet also:
Läuse bekämpfen. Zudem: Wenn ich in
meinem Garten Ameisen habe, lege
ich einen Topf über das Nest. So kann
ich es später an einen anderen Ort
bringen. Früher dachte man, dass
man Ameisen mit Waschmittel in die
Flucht schlagen kann, das hilft aber
nur bedingt. Mehr Wirkung hat Laven-
del. Zuver­lässig wirken Mittel aus dem
Handel, sie töten die Ameisen jedoch.
? Entlang der Hauswand des
­Mehrfamilienhauses, in dem
ich wohne, hatte ich schöne Rosen.
Ich musste diese entfernen, weil
die Hauswand neu gestrichen wurde.
Gerne würde ich jetzt Mini-Him­
beeren pflanzen. Stimmt es, dass
ich die Erde auswechseln muss?
Bernhard Zehnder, Suhr AG
Peter Lippus: Es ist tatsächlich nicht
ideal, in einem Beet Himbeeren zu
pflanzen, in dem vorher Rosen
­wuchsen, denn die beiden gehören zur
selben Familie: den Rosengewächsen
Rosaceae. Sie können die Himbeeren
aber in grosse Töpfe setzen und diese
in die Erde eingraben. Allerdings muss
der Wasserabzug gewährleistet sein.
? Mein Knoblauch, den ich letzten
Herbst im Hochbeet gesteckt
habe, war diesen Sommer stark vom
Rostpilz befallen, die Blätter welk-
ten. Die Knollen habe ich schon früh
geerntet, sie waren entsprechend
klein. Was muss ich anders machen?
Olivia Fellmann, Brittnau AG
Peter Lippus: Knoblauch wird häufig von
Rostpilz befallen, vor allem nach einem
nassen Frühling. Weil die Blätter rost-
rot werden und aufgeplatzte Stellen
aufweisen, fehlen der Pflanze die Assi-
milationsflächen. Dadurch bleiben die
Knollen klein. Es kann aber auch sein,
dass Ihrem Knoblauch Dünger gefehlt
hat. Knoblauchpflanzen als Mittel-
bis Starkzehrer brauchen mehr Dünger
als Zwiebeln. Wenn Sie diesen Herbst
wieder Knoblauch stecken, ­machen Sie
dies bitte nicht am gleichen Ort wie
letztes Mal (Fruchtfolge).
Haben Sie Fragen?
Schreiben Sie einfach an Redaktion
LandLiebe, Vermerk: Gartenfrage,
Hasenackerstrasse 86, 8704 Herrli-
berg oder per Mail mit vollem Namen
an meinefrage@landliebe.ch.
Schweizer LandLiebe 35
 BRIE FE AUS DE M SCH RE BE RGARTE N
Ein Engel in meinem Garten
Wenn die Pflicht ruft, die Zeit davonrennt, der Plan ins Wasser fällt
und die Muse mich küsst.
Die Schauspielerin und Autorin Susanne-Marie Wrage im Zwiegespräch mit ihrer verstorbenen Mutter
V
or drei Stunden lief ich im Trab durch das
Wehrenbachtobel hinunter zum Garten,
um zu jäten, zu giessen, zu fegen, den
­Geräteschupppen aufzuräumen, das Hüttli zu
streichen und sein Dach zu reparieren; um zwei
Stunden später im Galopp wieder hochzurennen.
So hätte es sollen sein. Aber so war es nicht.
Herzliebste Mamutschka, ich glaube, heute
bin ich einem Engel begegnet.
Auf halber Strecke nämlich stand ein kleines
Wesen am Rand einer Lichtung und blickte
­konzentriert nach oben in die Baumwipfel am
­anderen Ende der Lichtung. Wunderfitzig wie ich
bin, hielt ich an, stellte mich neben das Wesen
und fragte, was es denn da sähe. «Schau Schatzi,
siehst, da oben die Vögel, da, die weissen, die
sehe ich immer von zu Hause aus, wenn ich auf
dem Balkon stehe.» Ich blinzelte angestrengt in
die Ferne, konnte aber nur zwei weisse Wölkchen
über den Wipfeln sehen.
Das Wesen drehte sich zu mir und schaute
mich aus wunderschönen, hellwachen Augen an.
Es spitzte seinen knallroten Mund, der prächtig
zu seinem roten T-Shirt und seinem silbernen
Haarschopf passte und sprach: «Geh, was bist
denn Du für ein herziges Schatzerl?», und schon
Durch die Blume
sieht selbst das hatte es sich bei mir untergehakt, und wir trippel-
schitterste Häus- ten ein Stück des Wegs zusammen. Das Wesen
chen schön aus. war einen Kopf kleiner als ich und sah sehr flott
36 Schweizer LandLiebe
aus. «Weisst Schatzi, ich bin schon 93, ich war
­bestimmt ein Dreivierteljahr nicht mehr draussen,
dabei hab ich die Natur so lieb. Was machst Du
denn hier?» Ich stellte mich vor und erzählte,
dass meine Tochter bei einem Kindergeburtstag
sei und ich die Zeit zwischen Bringen und Abholen
für einen kurzen Gang in meinen Garten nutzen
wollte. «Früher bin ich hier jeden Tag gelaufen,
stundenlang, nur jetzt bin ich fast immer zu
Hause.» Ich fragte, wo das Zuhause sei, und etwas
vage zeigte das Wesen mit der Hand hinter sich.
Ob es weit sei. «Nein, gleich da hinten, wenn man
über die Brücke geht. Da kam früher immer das
kleine Büsi, das hab ich gestreichelt, mei, war das
schön, aber jetzt kommt es nimmer.» Ich fragte,
ob sie denn in einem Altersheim wohne. «Geh
Schatzi, spinnst? Ich mach alles selber, nie werd
ich in ein Altersheim gehen!» Ob denn jemand
hilft? «Naaaaa, ich hab Selbstdisziplin gelernt, in
Klagenfurt, im Pflichtjahr, ich nehme keine
Hilfe.» Wir trippelten weiter und plauderten, als
würden wir seit Jahren am Sonntagnachmittag
miteinander spazieren gehen. Hinter der Brücke
ging es steil bergan, und ich bangte plötzlich
sehr um das Wesen, das mir gerade buchstäblich
in die Arme gelaufen war.
Nach zwei Stunden, in denen wir etwa einen
Kilometer zurückgelegt hatten, standen wir vor
der Haustür. Das Wesen nahm mich in die Arme
und wollte mich nicht mehr loslassen; ich es
auch nicht. «Jetzt haben wir uns gefunden und
müssen uns schon wieder verlassen, aber das
ist doch fürchterlich!» Ich versprach, ihm zu
schreiben. Wie es denn heisse? «Ach, schreib an
Blümchen, ich heisse Blümchen, keiner nennt
mich Belinde!»
Und jetzt sitze ich in meinem Garten unter
dem Wein und bin noch ganz verzaubert. Zum
FOTOS STÖH GRÜNIG, SABINE WUNDERLIN
ersten Mal tue ich: nichts, das heisst nicht nichts,
ich schreibe, in meinem Garten! Wie schön das
ist. Das Haus streiche ich nächstes Jahr, den Rest
mache ich übermorgen – oder nächste Woche.
Die Trauben und die Feigen verströmen ihren
betörenden Duft, ich schaue auf die Kosmeen
und denke an meinen Engel. Blümchen ist ein
bisschen, wie Du es warst. Wach und neugierig,
­eigensinnig und unbestechlich. Und sehnsüchtig.
Hast Du mir diesen Engel geschickt?
 Faszinierend
flatterhaft
In der Schweiz sind dreissig Fledermausarten heimisch. Davon sind zwei Drittel
FOTO KIM TAYLOR / NATUREPL

potenziell gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Die Stiftung

Fledermausschutz setzt sich für sie ein und unterhält auf dem Areal des Zoos
Zürich eine Notpflegestation. Ein Besuch bei Leiterin Katja Schönbächler.
Text Corinne Schlatter Fotos Nik Hunger

38 Schweizer LandLiebe
 TIERE

Wendiger Flugakrobat: Dank seinen namens­

gebenden grossen Ohren, die fast so lang
sind wie sein Körper, nimmt das Braune
­Langohr Plecotus auritus das ­leiseste Echo
seiner Ultraschallrufe sowie Geräusche
­seiner Beutetiere wahr. Hier trinkt
es im Flug aus einem Seerosenteich.

Schweizer LandLiebe 39
 «Sie leben im Geheimen
und versteckt, aber doch so
nahe bei uns»

In der Dämmerung mit der Wärme­

bildkamera unterwegs. «Es hat mir
den Ärmel reingenommen», sagt
­Tierärztin Katja Schönbächler über
ihre Arbeit mit Fledermäusen.

40 Schweizer LandLiebe
 W
TIERE

Wie zierlich das kleine Wesen doch ist!

So winzig, dass es in eine Zündholz-
schachtel passen würde. Behutsam
nimmt Katja Schönbächler es aus einem
mit Luftlöchern versehenen Karton, es
wirkt zerbrechlich, verharrt regungslos.
Ob es noch lebt? «Ja», sagt die junge
Frau, «aber es ist sehr schwach.» «Powerfood»: Ein Grosser Abendsegler Nyctalus noctula wird mehrmals pro Tag
Ein Spätsommermorgen in der mit Mehlwürmern gefüttert. Er soll schnell wieder zu Kräften kommen.
­Fledermaus-Notpflegestation in Zürich.
Katja Schönbächler flösst dem ge-
schwächten Tierchen mit einer Spritze gend in der Nacht. Sie haben die Fähig- lusten, Lichtverschmutzung und Pesti­
einen kleinen Tropfen einer Flüssigkeit keit, sich mittels Ultraschall zu orientie- ziden. Seit fast fünfzig Jahren tritt die
ein. «Ein Schmerzmittel», erklärt sie und ren (siehe Schaubild auf Seite 44). Stiftung Fledermausschutz gegen die
legt die Fledermaus mit einer Bett­flasche In der Schweiz sind dreissig Fleder- Gefährdung der kleinen Säuger an – mit
in eine Box. «Ein Zwergfledermaus- mausarten heimisch, sie sind somit die Aufklärungs­arbeit und in Form von
männchen, das auf einer Baustelle artenreichste Säugetiergruppe. Als Insek- ­direkter Nothilfe in Pflegestationen wie
­gefunden und zu uns gebracht wurde. tenvertilger erbringen sie eine enorme derjenigen im Zoo Zürich. Dort werden
Es ist stark neurologisch, vielleicht Dienstleistung für das Ökosystem. Ihr seit mehreren Jahren verletzte und
­wegen eines Schädel-Hirn-Traumas», land- und forstwirtschaftlicher Nutzen ­geschwächte Fledermäuse professionell
fügt sie an. Das Tier brauche jetzt Ruhe wird hierzulande auf über eine Viertel- versorgt, aufgefüttert und mit Flugtrai-
und Wärme. «Dann schauen wir weiter.» milliarde Franken im Jahr geschätzt. nings fit gemacht – «stets mit dem Ziel,
Unsere Fledermäuse sind aber auch sie zurück in die Natur zu entlassen»,
Wildtierärztin – ein Traumjob bedroht und daher seit 1966 bundes- ­betont Katja Schönbächler. «Wir halten
Katja Schönbächler ist Tierärztin, genau rechtlich geschützt. Sie dürfen nicht keine Dauerpatienten, sie alle müssen
genommen Wildtierärztin. Seit drei ­getötet, gefangen oder vertrieben und nach absehbarer Zeit wieder flug- und
­Jahren leitet die Schwyzerin die Fleder- ihre Brutstätten dürfen nicht beschädigt jagdtüchtig sein.» Etwa ein Viertel
maus-Notpflegestation, die sich auf dem werden. Trotz des Schutzes sind zwei der dreihundert bis fünfhundertfünfzig
Gelände des Zoos Zürich befindet. Die Drittel der Arten potenziell gefährdet ­Fledermäuse, die hier jährlich versorgt
Einrichtung wird als Gemeinschafts­ oder sogar vom Aussterben bedroht, würden, überlebten nicht, fügt die Vete-
projekt der Stiftung Fledermausschutz, vor allem als Folge von Lebensraumver- rinärin an. Mitunter müsse sie zwischen
des Zürcher Tierschutzes und des Zoos
Zürich betrieben. Letzterer stellt der
­Stiftung zudem Räume für Ausbildung
und die Aktivitäten als Schweizerische
Koordinationsstelle für Fledermaus-
schutz zur Verfügung. «Eine Win-win-
Situation», sagt die 30-Jährige, die sich
seit ihrer Doktorarbeit über die Europäi-
sche Sumpfschildkröte mit Arten- und
Tierschutz befasst. Die geheimnisvolle
FOTO WWW.FLEDERMAUSSCHUTZ.CH

Welt der Fledermäuse, die bis heute

nicht abschliessend erforscht ist, biete
ihr Vertiefungsmöglichkeiten. «Ich lerne
jeden Tag Neues, es ist ein Traumjob.»
Fledermäuse sind zusammen mit
­ihren grösseren Verwandten, den in den Katja Schönbächler auf dem Weg in
Tropen und Subtropen beheimateten die Notpflegestation. Durch das Fenster
können Zoobesucher an manchen Tagen
Flughunden, die einzigen Säugetiere, die Fledermausfütterung mitverfolgen.
die fliegen können. Das tun sie vorwie-

Schweizer LandLiebe 41
TIERE
«Mit Vorurteilen aufräumen»
Eine Katze hat dieser Breitflügelfledermaus Eptesicus serotinus eine
Verletzung der Flughaut zugefügt. Ist der Knochen nicht verletzt …
den Chancen auf Lebensqualität und
­Leiden abwägen. Sei Letzteres zu gross,
schläfere sie ein verletztes Tier ein. Das
sei die traurige Seite ihres Jobs, es gehe
jedoch immer auch um ethische Fragen,
sie trage da eine Verantwortung.
Zurück in die Natur
Am Sitz der Stiftung Fledermausschutz
betreiben Katja Schönbächler und acht
Mitarbeitende rund um die Uhr ein
­Nottelefon. Drei- bis fünftausend Anrufe
aus der ganzen Schweiz gehen jährlich
ein: von Personen, die eine erschöpfte,
­verirrte, verletzte oder noch nicht flug-
fähige Fledermaus gefunden haben. Die
Fachleute beraten die Finderinnen und
Finder, erklären, was mit den scheuen
Wildtieren zu tun ist. Dank sechzig meist
privaten Pflegestationen im Land sowie
einem Netz von circa vierzig Freiwil­
ligen, die in Not geratene Tiere abholen
und transportieren, können verletzte
Fledermäuse schnell versorgt werden.
Die erforderliche Ausbildung erhalten
die engagierten Personen bei der Stif-
tung Fledermausschutz in Zürich, ent-
sprechende Bewilligungen für die Pflege
der Fledermäuse erteilen derweil die
­dafür zuständigen kantonalen Ämter.
Doch zurück zu Katja Schönbächler.
Mehrere Fledermäuse verschiedener
­Arten befinden sich zurzeit in der Obhut
der Tierärztin, die von einem Tier­pfleger
unterstützt wird. Es sind vor allem
­erschöpfte Männchen, die im Spät­
sommer zu pflegen sind. Denn jetzt
zur Paarungszeit neigen die Männchen
dazu, ihre Kräfte zu überschätzen (siehe
Schaubild auf Seite 44). Auch Katzen­
opfer sind oft anzutreffen oder Tiere,
die beim Überfliegen von Strassen durch
Autos erfasst wurden.
42 Schweizer LandLiebe
… sind die Chancen auf vollständige Heilung und Entlassung
in die Natur gut, denn verletzte Flughäute wachsen zusammen.
Die strengste Zeit im Jahr sind aller-
dings Frühsommer und Sommer. «Dann
kommen viele Jungtiere zu uns, die aus
dem Unterschlupf gefallen sind oder
­deren erster Flug in einem Absturz geen-
det hat, weil sie die Wochenstube zu früh
verlassen haben», erklärt die Fachfrau.
Auf der Notpflegestation ­werden die
­Babys alle zwei Stunden mit Katzenwel-
penmilch gefüttert und gross gezogen.
Später folgen Trainings in ­einer Aussen-
voliere, wo Jungtiere, aber auch gene-
sene erwachsene Fledermäuse das
­Fliegen üben und Muskeln aufbauen. Es
fasziniert, ihnen zuzuschauen, wie sie
sich durch Körperzittern auf eine Flug-
temperatur von vierzig Grad aufwärmen.
MIT DER LANDLIEBE IN DEN ZOO ZÜRICH
Besuch der Fledermaus-Notpflegestation
«Nur wer Fledermäuse kennt, kann
Fledermäuse schützen.» Unter
­diesem Motto steht am Samstag,
14. Oktober, 14 bis 16.30 Uhr ein
­exklusiver LandLiebe-Besuch in der
Fledermaus-Notpflegestation und
der Fledermaus-Welt im Zoo Zürich.
Dafür verlosen wir 10 x 2 Tickets.
Programm Vortrag und Kurzfüh­
rung in der Fledermaus-Notpflege­
station durch Manuela Manni Joss,
Biologin und wis­senschaftliche Mit­
arbeiterin der Stiftung Fledermaus­
schutz. Im Anschluss selbstständiger
Besuch der Fledermaus-Welt im
Zoolino und Apéro.
Möchten Sie die einheimischen
Fledermausarten besser kennen­
Dann stossen sie für uns nicht hörbare
Rufe aus, um die Umgebung zu erkun-
den, und plötzlich fliegen sie los. Ent­
lassen werden die fitten Tiere später
möglichst am Fundort. In der Stadt
­Zürich vorkommende Arten können
­indessen von einer Voliere im Dachstock
aus durch eine Klappe selber zurück in
die Natur flattern.
Manchmal ist die Fütterung der
­Fledermauspatienten übrigens öffent-
lich (Termine siehe Webseite in der Fuss-
note). Dann können Zoo-Besucherinnen
und -Besucher durch das grosse Fenster
der Notpflegestation beobachten, wie
den Pfleglingen mit Pipetten Milch oder
mit Pinzetten Mehlwürmer gereicht
lernen und erfahren, wie Sie deren
bedrohte Lebensräume erhalten
können? Schicken Sie eine Postkarte
mit dem Vermerk Fledermaus an
Schweizer LandLiebe,
Hasenackerstrasse 86,
8704 Herrliberg.
Oder scannen Sie
nebenstehenden
QR-Code mit der
Handykamera, und
FOTOS WWW.FLEDERMAUSSCHUTZ.CH
nehmen Sie auf
www.landliebe.ch/verlosung/
fledermaus an der Verlosung teil.
Unter allen Einsendungen verlosen
wir zudem dreissig Familieneintritte
in den Zoo Zürich. Viel Glück!
Einsendeschluss: 24. September
­ erden. Hungrig schlagen die Tiere ihre
w aber viel grösser, wenn sie nachts auf
spitzen Zähnchen in die Futterinsekten
und kauen genüsslich. Man glaubt, sie
durch die Scheibe schmatzen zu hören.
Und wer in ihre Kulleraugen blickt,
­erliegt schnell dem Jö-Effekt.
«Mit öffentlichen Fütterungen wol-
len wir zeigen, wie sympathisch Fleder-
mäuse sind», erklärt Katja Schön­bächler.
Denn durch Vampirmythen, Aberglaube
und Halbwissen sei ihr Image schlecht
und gebe es nach wie vor Ängste vor
Krankheiten. «Während Corona konnte
zum Glück schnell widerlegt werden,
dass die einheimischen Fledermäuse
Überträger des SARS-CoV-2-Virus sind,
das hat uns vorangebracht. Trotzdem
muss weitere Imagearbeit geleistet und
mit Vorurteilen aufgeräumt werden»,
sagt die Fachfrau und verweist auf
­positiv ­besetzte Figuren wie Batman, die
­dabei helfen. Und in China, wo das Wort
für Fledermaus so klingt wie das für
Glück, seien die Flugkünstler Glücks-
bringer. Auch davon erzähle sie gerne.
Es ist spannend, ihr zuzuhören und
viel Wissenswertes zu erfahren. Über
Mausohren etwa, die einst in fast jedem
Kirchendachstock in grossen Wochen-
stubenkolonien lebten, dann aus Unwis-
­Insektenjagd durch die Gärten flattert.
Verwaiste Jungtiere
nach der Fütterung
auf dem sogenannten
Kuschelturm.
sen ausgesperrt und vergiftet wurden.
Heute gibt es schweizweit nicht einmal
mehr hundert Dachstöcke mit Kolonien.
Und haben Sie gewusst, dass Fleder-
mäuse ihre Temperatur während des
Winterschlafs bis auf ein oder zwei Grad
absenken? Dass sie je nach Art über
dreissig Jahre alt werden? Dass ein Weib-
chen nur ein Junges pro Jahr hat? Oder
dass die bei uns häufigste Art die Zwerg-
fledermaus ist? Keine fünf Zentimeter
gross und nur so schwer wie ein Würfel-
zucker. Durch die Flügelspannweite von
fünfundzwanzig Zentimetern wirkt sie
Für viele Fledermausarten sind auf dem
Weg zum Jagdgebiet die unterbrochenen
Flugkorridore eine grosse Herausforde-
rung. «Immer mehr Bäume und Hecken
fehlen, wo sie auf ihrem Weg Schutz
­finden», so Katja Schönbächler. Proble-
matisch seien aber auch die Lichtver-
schmutzung und die Futtersuche, zumal
durch das Insektensterben die spezifi-
sche Nahrung für viele Arten knapper
werde. Darüber zu informieren, ist für
die Mitarbeitenden der Stiftung Fleder-
mausschutz ebenso zentral wie etwa die
Aufklärungsarbeit punkto Hausrenova-
tion. Durch Estrichausbauten zu Wohn-
raum oder Fassadensanierungen gehen
­immer mehr Verstecke und frostfreie
Überwinterungsquartiere verloren. Mit
gezielten Massnahmen kann dies ver-
hindert werden. «Fledermäuse leben im
Geheimen und versteckt und doch so
nahe bei uns», sagt Katja Schönbächler.
«Wir setzen uns ein, damit das so bleibt.»
•••
Am Fledermausschutz-Nottelefon
079 330 60 60 werden Finderinnen und Finder
von in Not geratenen Fledermäusen beraten.
Weitere Infos unter www.fledermausschutz.ch
 Jägerinnen der Nacht
Ihre Echoortung ist einzigartig. Fledermäuse
sind aber auch wahre Flugkünstlerinnen
und jagen mit ausgeklügelten Techniken, um ihre
Beute in absoluter Dunkelheit zu fangen.
Illustrationen Jasmin Huber-Baumann Text Claudia Langenegger

Ultraschallrufe haben
eine Frequenz von
zwanzig Kilohertz und
mehr. Sie sind für den
­Menschen nicht hörbar.
Grosses Mausohr

Viele Fledermausarten
haben einen Tragus
(Ohrdeckel). Er dient Anhand des Echos erkennt
vermutlich der Echo­ die Fledermaus Grösse,
verstärkung. ­Beschaffenheit, Entfernung
akustischen Artennachweisen, Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2020, Abb.8 (verändert)

und Flugrichtung der Beute.

Echoortung
Grafik: Bestimmung von Fledermausrufen und Kriterien für die Wertung von

Fledermäuse können Rufe im Ultraschallbereich erzeugen,

Höhe der Ruftöne in Kilohertz

die für uns Menschen nicht hörbar sind. Die Töne entstehen
im Kehlkopf und werden durch Mund oder Nase ausgestossen.
Anhand des Echos dieser Rufe erkennen Fledermäuse Ent­ Annäherungsphase Zielphase
fernung, Grösse, Form und Oberflächenbeschaffenheit von
kleinsten Objekten – sie können feinste Strukturen von der Hörfeld Fledermaus:
­Dicke eines Haars akustisch erfassen. Ihr Hörbild kommt 50 bis 60 Grad
­unserer optischen Wahrnehmung vermutlich sehr nahe. Tiefe
Ruftöne haben eine grössere Reichweite, höhere Ruftöne Menschlicher Hörbereich
­ergeben ein genaueres Schallbild. Die meist grossen, trichter­
förmigen Ohren der Fledermäuse sind hochsensitiv: Sie nehmen Zeit zwischen den Rufen in Millisekunden
Qualität und Richtung von Geräuschen genauestens wahr. Je näher die Beute, desto schneller und kürzer die Rufe:
­Fledermäuse sind nicht blind: Sie können schwarz-weiss sehen, Fledermäuse stossen bis zu 160 Rufe pro Sekunde aus.
einige Arten erkennen sogar UV-Licht. Ganz kurz vor dem Fang der Beute wird der Rufton tiefer.
Sichtfeld Mensch: Warum, weiss man nicht. Vielleicht, weil Fledermäuse so
180 bis 200 Grad Ressourcen sparen, denn hohe Töne brauchen viel Energie.

44 Schweizer LandLiebe
 D I E G R O S S E S C H A U TA F E L D E R F L E D E R M ÄU S E

Jahreszyklus
Weibliche und männliche Fledermäuse haben einen unterschiedlichen Jahreszyklus. Die Grosse
Die Weibchen gebären und ziehen ihre Jungen in Gruppen in sogenannten Wochenstuben Hufeisennase
auf. Diese liegen bei einigen Arten weit weg in Nordosteuropa. Die Männchen sind meist umhüllt ihren
Körper wäh-
Einzelgänger. Wo sie den Sommer verbringen, ist von Art zu Art verschieden, manche rend des Win-
­bleiben in der Nähe der Winterquartiere, andere ziehen ebenfalls in Richtung Nordosten. terschlafs mit
der Flughaut.
WINTERSCHLAF
BALZ UND PAARUNGSZEIT Einheimische Fledermäuse halten von November bis
Ab Mitte August beginnen Balz und etwa Ende März Winterschlaf. Sie ziehen sich dafür
­Paarung. Die Männchen locken mit Balz­ oft in Fels- oder Baumhöhlen, Stollen oder Gebäude
rufen, die für Menschen oft hörbar sind, zurück, wo Temperaturen von zwei bis zwölf Grad
die Weibchen an. Die Paarung kann auch ­herrschen. Die Frequenz des Herzschlags sinkt im
noch später im Winterschlaf stattfinden, ­ interschlaf von bis zu tausend Schlägen pro Minute
W
dafür wecken die Männchen ein Weibchen im Flug auf etwa zehn Schläge pro Minute ab.
mit einem Nackenbiss und begatten es.
Die Weibchen speichern die Spermien ember Janua
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den Winter über im Uterus, erst im
­Frühling kommt es zum Eisprung und r
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damit zur Befruchtung. m
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Weibchen und Männchen die Weibchen den
­überwintern an kühlen, feuchten Eisprung: Es kommt zur
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W g in und frostfreien Orten. Befruchtung. Die Träch-
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rqu tigkeit dauert fünf bis

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ar tier zehn Wochen – je nach

Witterung und Nahrungs-
angebot.
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Wochenstube
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Geburt und
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Jungen

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Nachwuchs erwünscht: Das Graue
Langohr ist in der Schweiz vom Juni
Aussterben bedroht. Die Tiere kom- Juli
men nur für die Paarung zusammen.

WOCHENSTUBE
Für Geburt und Jungenaufzucht
­bilden die Weibchen Wochen­ Die weibliche Rauhautfleder-
maus hält den Streckenrekord:
stubenkolonien. Die meisten Arten Sie legt zwischen Sommer-
bringen ihre Jungen in der ersten und Winterquartier bis über
Illustration Wochenstube nach Foto www.fledermausschutz.ch

Junihälfte zur Welt. Sie werden 1900 Kilometer zurück.

gesäugt. Während die Mütter
nachts auf die Jagd gehen, schlies-
sen sich die Jungen oft zu Gruppen
zusammen, um sich gegenseitig
zu wärmen. Nach vier bis acht
Wochen sind die Jungtiere flügge,
und die Kolonien lösen sich wieder
auf. Ende Sommer kehren
die Weibchen mit ihren Jungen in
die wärmeren Regionen zurück.
MIGRATION
Bei den einheimischen Fledermausarten migrieren
einige ähnlich wie Zugvögel – allerdings nur die
­Weibchen. Sie fliegen im Frühling in den insekten­
reichen Nordosten Europas, um dort ihre Jungen zur
Welt zu bringen und aufzuziehen. Die Zwergfleder-
maus kann dabei mehrere 100 Kilometer zurücklegen,
der Abendsegler über 1000, die Rauhautfledermaus
Das Grosse Mausohr hat wie alle bis über 1900 Kilometer. Migrierende Arten können
Fledermäuse oft nur ein Junges, ganz sich beim Navigieren mithilfe des Magnetsinns am
selten auch Zwillinge. Jungtiere sind bei Magnetfeld der Erde orientieren.
der Geburt nackt, blind und flugunfähig.

Schweizer LandLiebe 45
 Daumen
Oberarm Speiche 2. Strahl: Mittelhand-
und Fingerknochen
3. Strahl

Luftakrobaten
4. Strahl Fledermäuse sind wahre Flugkünstler. Sie können
­Krümmung, Anstellwinkel, Tragflächengrösse, Flügelschlag
und Flügelschlagfrequenz sehr flexibel verändern. Die
5. Strahl Flugsilhouette – die Flügelform bei maximaler Tragfläche –
Elle
zeigt, wo eine Fledermaus jagt. Tiere mit schmalen, langen
­Silhouetten jagen schnell im freien Luftraum. Arten mit
­breiteren Flügeln jagen entlang von Waldrändern oder
Hecken. Tiere mit sehr breiten, abgerundeten Flügeln sind
zu kleinräumigen, wendigen Manövern fähig und finden
ihre Beute in der Vegetation und in Baumkronen.

JAGD IN VEGETATIONSNÄHE
Das Braune Langohr jagt Viele einheimische Fledermausarten jagen fliegende Insekten
in Baumkronen. Es kann
im Rüttelflug an Ort in der Vegetation. Sie sind dabei relativ langsam unterwegs.
­verharren und seine Die Schwierigkeit dieser Jagd besteht darin, bei der Echo­
Beute direkt von Blättern orientierung zwischen Beute und Hintergrund zu unterscheiden.
absammeln. Die breiten Einige Arten erkennen dank langen Rufen kleinste Flügel­
Flügel erlauben sogar bewegungen, andere verbessern die Auflösung ihres Hörbilds
Pirouetten und Loopings.
durch extrem kurze Rufe.

JAGD AM BODEN
Um Insekten wie Käfer oder H ­ euschrecken
zu erbeuten, fliegen Arten wie das Mausohr
weniger als einen halben Meter über
dem Boden. Sie orten ihre Beute meist
ohne Echorufe – nur mit ihrem feinen Gehör:
Ein leises Rascheln oder das Laufgeräusch
eines Insekts reicht, und schon hat die
­Fledermaus ihre Beute entdeckt.

Das Mausohr fliegt knapp über

dem Boden und versucht, ein
krabbelndes Insekt zu fangen …

… hat es keinen Erfolg, verfolgt

es die Beute auch mal zu Fuss.

46 Schweizer LandLiebe
 D I E G R O S S E S C H A U TA F E L D E R F L E D E R M ÄU S E

REKORDVERDÄCHTIGE TIERE

JAGD IM FREIEN LUFTRAUM In der grössten Fledermauskolonie …

Arten mit schmalen Flügeln wie der Abendsegler jagen … der Welt leben 20 Millionen Bulldogg­
am liebsten im freien Luftraum. Hier ist es am einfachsten, fledermäuse: in San Antonio, Texas (USA).
durch die Echoortung Beute zu detektieren, weil kaum … der Schweiz leben 1000 Tiere: in Fläsch
­störende Hintergrundechos entstehen. im nördlichen Graubünden.
Abendsegler
sind hoch über
Baumkronen
oder Gewässern
unterwegs … … und tauchen blitzschnell im
Sturzflug ab, wenn sie eine Beute
orten. Dabei fliegen sie bis zu
50 Kilometer pro Stunde.

85 cm
Die grösste Fledermaus …
… der Welt ist die Grosse Spiessblattnase.
Spannweite: bis zu 1 Meter, Körperlänge:
bis 14 Zentimeter, Gewicht: bis 190 Gramm.
WARTENJAGD … der Schweiz ist der Riesenabendsegler.
Mit der Wartenjagd sparen Fledermäuse Energie: Spannweite: 45 Zentimeter, Körperlänge:
Sie hängen sich an einen Ast und halten echoortend 10 Zentimeter, Gewicht: bis 50 Gramm.
nach Beute Ausschau. Sobald sie Insekten, Käfer
oder Falter entdecken, fliegen sie los und versuchen ihre Die kleinste Fledermaus …
Beute zu fangen. Dann kehren sie zu ihrer Warte zurück. … der Welt ist die
Hummelfledermaus.
Sie ist das kleinste
Die Insekten ­Säugetier überhaupt.
lassen sich mit Gewicht: 2 Gramm,
den Flügeln Körperlänge: rund
Die Grosse Hufeisen- gut fangen.
3 Zentimeter.
nase hängt oft an Ästen
am Waldrand und … der Schweiz ist die
scannt kopfüber mit Mückenfledermaus.
Ultraschallrufen die Gewicht: 3 bis 6 Gramm,
Umgebung ab. Körperlänge: 4 Zentimeter.
Hummelfledermaus
Die schnellste Fledermaus ist gleichzeitig
JAGD ÜBER DEM WASSER
das schnellste Säugetier überhaupt. Die
Wasserfledermäuse jagen wenige Zentimeter über der Wasser­
Mexikanische Bulldoggfledermaus erreicht
oberfläche – meist bei stehenden oder langsam fliessenden
ein Tempo von bis zu 160 Kilometer pro
Gewässern. Objekte auf dem Wasser sind per Echoortung
Stunde und ist damit schneller als ein
­besonders leicht zu entdecken: Nur die auf der Wasseroberfläche
Gepard.
schwimmenden Objekte werfen ein Echo zurück. Ist ein Insekt
­entdeckt, fangen sie dieses mit ihren Füssen oder mit der
Das älteste je gefundene Fossil einer
­Schwanzflughaut auf und führen es zum Mund.
­Fledermaus ist mindestens 52 Millionen
Jahre alt.

Die Fledermaus mit der längsten Zunge

ist die südamerikanische Fledermaus
Anoura fistulata. Die Zunge kann andert­
halbmal so lang werden wie ihr
Körper: bis zu 8,5 Zentimeter.
Echo der Beute Nur so gelangt sie an den
Nektar ihrer Lieblings­
Ablenkung
des Rufs blüte, der Glocken­
blume Centrop-
ogon nigricans.

Beute Schweizer LandLiebe 47

 Ein Hauch Exotik: Rote
Weinbergpfirsiche sind
klein, hart und haben
eine pelzige Haut. Sie
schmecken herb,
begeistern aber durch
intensive Noten und
tiefrotes Fruchtfleisch.

48 Schweizer LandLiebe
 R E P O R TAG E

Förderer und Forscher: Obstfachmann Andi Schmid in seiner Versuchsanlage in Scharans im bündnerischen Domleschg.

Renaissance
in Rubinrot
Lange war der Rote Weinbergpfirsich aus unseren Rebbergen verschwunden.
Nun werden die Obstbäume mit den farbintensiven Früchten vielerorts wieder
kultiviert. Sie bereichern das Landschaftsbild und fördern die Biodiversität.
Text Corinne Schlatter Fotos Annette Fischer

Schweizer LandLiebe 49
R E P O R TAG E

Der Wimmlet hat begonnen:

Fünf­undzwanzig Tonnen
Trauben werden in den
­Rebbergen von Gatluzi
Weinbau in der Bündner
Herrschaft geerntet.
Am Anfang ist jeweils
der ‘Riesling-­Sylvaner’
an der Reihe.

50 Schweizer LandLiebe
 Der Weinbergpfirsich –
ein sensorisches
Gesamterlebnis

Z
Zugegeben! Auf den ersten Blick sehen
sie nicht besonders anmächelig aus,
diese kleinen, runden Früchte mit bräun-
lich-beiger Haut, die von roten Äderchen
durchsetzt und einem mausgrauen Pelz
überzogen sind. Und wer in einen Roten
«Es ist spannend, bei einem
­Forschungsprojekt mitzumachen»:
Winzer Heinz Kunz und seine
Lebenspartnerin Daniela Albertini
inspizieren ihre ersten Roten
­Weinbergpfirsiche.

Weinbergpfirsich beisst, muss sich erst

an das eigenwillige Aroma gewöhnen:
nicht süss, eher herb, mit ausgeprägtem
Säurespiel, aber auch intensiv fruchtig
und mit unverkennbarer Pfirsichnote.
Wird die harte Frucht freilich aufge-
schnitten, isst das Auge sprichwörtlich
mit. In tiefem Rubinrot leuchtet einem
das marmorierte Fruchtfleisch entgegen,
was die Genusserfahrung zum sensori-
schen Gesamterlebnis macht.

Monokulturen durchbrechen
Ein strahlend frischer Septembertag in
der Bündner Herrschaft. Scharf heben
sich die Konturen von Falknis und
­Gonzen vom Spätsommerhimmel ab, die
Luft riecht erdig, süss – ein Tag wie aus
dem Tourismusprospekt. Rund um die
traditionellen Weinbaudörfer zwischen
Malans und Fläsch hat der Wimmlet –
die Weinlese – begonnen. Viele fleissige
Leute stehen in den Rebbergen, schnei-
den Traubendolden von den Stöcken. So
auch in einem der Rebberge von Gatluzi
Weinbau aus Fläsch. Heinz Kunz, studier-
ter Kulturwissenschaftler und gelernter
Winzer, hat den Betrieb vor drei Jahren
von seinen Eltern übernommen. Er
stellte damals auf bio um und führt das
Familienunternehmen nun in der drit-
ten Generation. Unterstützung erhält
er von seiner Lebenspartnerin Daniela
Albertini, Betriebsökonomin, Überset-
zerin und Yogalehrerin, und von seiner
und ihrer Familie sowie von Freunden.
An diesem Morgen treffen wir Kunz
und Albertini bei einem der Gatluzi-­
Rebberge in der Nähe von Maienfeld.
Ein Dutzend Helferinnen und Helfer
­arbeitet dort in den Rebreihen, liest mit
flinken Händen prallreife Riesling-­
Sylvaner-Trauben von den Stauden. Das
Paar erntet derweil von zierlichen Bäu-
men kleine runde Früchte – besagte Rote
Weinbergpfirsiche. «Dieses Jahr tragen
die Bäume zum ersten Mal», sagt der
Winzer, der sie vor drei Jahren am Rand
des Rebbergs gesetzt hat. Es gehe ihm
nicht primär um die Früchte, ­sondern um
Biodiversität, erklärt der 36-Jährige. «Ich
suche stets nach Wegen, um die Mono-
kultur im Rebberg zu durchbrechen.»
Um Lebensräume und Nahrung für
Insekten und Nützlinge zu bieten und
gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit zu
fördern, sät Kunz entlang seiner Rebzei-
len auch vielfältige Pflanzenmischungen
mit Malven, Senfkorn, Ackerbohnen,
Buchweizen, Klee und Kräutern. Die öko-
logische Bewirtschaftung eines Wein-
bergs wirke mitunter unaufgeräumt, sagt
er und zeigt auf Steinhaufen, Hecken und
andere Strukturelemente. «Damit sich
Trauben im Weinkeller, geprägt von Ter-
roir und Witterung, zum perfekten Wein
entwickeln, müssen die Böden, auf denen

Schweizer LandLiebe 51
R E P O R TAG E

Neuentdeckung
von unbekanntem
Altbekannten
52 Schweizer LandLiebe
Weinbergpfirsiche gehörten
einst in jeden Rebberg. Die
Früchte bieten sich weniger
für den Frischverzehr an als für
die Verarbeitung und Veredlung
zu Konfitüren, Kompotten,
Bränden oder Likören.

sie wachsen, schonend bestellt und die

Reben rund ums Jahr behutsam umsorgt
werden», betont er. Sorgfalt und Profes­
sionalität seien unabdingbar, sie hätten
aber nichts mit englischem Rasen zwi­
schen Rebstöcken zu tun. Im Gegenteil.
Um die biologische Vielfalt im Wein­
berg zu steigern, legen die Winzer wei­
ter südlich in Europa zwischen ihren
Rebreihen je länger, je mehr Gemüse­
gärten und Kräuterinseln an und pflan­
zen Mandel-, Oliven- und Zitrusbäume.
So werden Insekten und Mikroorganis­
men als Gegenspieler von Pilzen und
­anderen Rebschädlingen angelockt. In
unseren Breiten ist es für Zitronen oder
Oliven im Winter freilich fast überall zu
frostig. Die kältetoleranteren Weinberg­
pfirsiche eignen sich als sogenannte
­Sekundärkultur derweil gut. Bis vor
­Kurzem waren sie hierzulande fast
­unbekannt, obwohl sie einst weit ver­
breitet waren. Nun werden sie jedoch
wiederentdeckt – im ganzen Land.
Rettung der alten Vielfalt
Pfirsiche wurden in China schon vor über
viertausend Jahren als Nutzpflanzen
kultiviert. Von dort aus verbreiteten sie
sich westwärts Richtung Persien, dem
heutigen Iran – daher der wissenschaft­
liche Name Prunus persica –, und in der
Folge nach Kleinasien, wo die Römer sie
entdeckten und mit Weintrauben nach
Süd- und Mitteleuropa brachten. Im Lauf
der Jahrhunderte züchteten die Men­
schen eine Vielzahl grossfruchtiger,
gelb- und weissfleischiger Kultursorten
für die landwirtschaftliche Produktion.
Gegen tausend Sorten gibt es heute welt­
weit – Pfirsiche gehören zu den wichtigs­
ten Sommerfrüchten überhaupt.
Pfirsichbäume waren aber immer
auch eine Begleitkultur in den Reb­
bergen. In fast allen Weinbauregionen
­Europas zogen die Winzer über die
­Samen in den Kernen kleinfruchtige Sor­
ten, darunter viele rotfleischige, die man
auch Blutpfirsiche nennt. Durch die
gene­rative Vermehrung entstanden
Traditioneller Znüni für die Gatluzi-Erntehelferinnen und -Erntehelfer: feines
­Birnenbrot mit Käse, dazu Lindenblütentee mit einem Schuss Blauburgunder.
Pflanzen, die optimal an spezifische
Standorte angepasst sind und deren
Früchte sich geschmacklich unterschei­
den. In der Schweiz hatten Weinberg­
pfirsiche ab dem sechzehnten Jahrhun­
dert ihren festen Platz in den Rebbergen
und waren bis in die Sechzigerjahre
­untrennbar mit dem hiesigen Weinbau
verbunden. Die Rebleute genossen die
Früchte als Zwischenverpflegung und
als Vitamine und kochten sie für den
Winter ein. Ende des letzten Jahrhun­
derts verschwanden die Bäume jedoch
fast überall aus den Rebbergen – als
Folge der wirtschaftlichen Rationalisie­
rung und der Intensivierung des Wein­
baus. Und auch, weil sich die Früchte
nicht primär für den Verzehr, sondern
mehr für die Verarbeitung eignen (siehe
Interview auf der folgenden Seite).
Damit Weinbergpfirsiche hierzu­
lande nicht vollständig aussterben,
­begann Pro Specie Rara, sich für sie ein­
zusetzen. Die Stiftung zur Erhaltung und
Förderung der genetischen Vielfalt sam­
melte 2009 mittels eines Aufrufs in der
Bevölkerung Sämlinge von Sorten, die
in Rebbergen und Hausgärten überlebt
hatten. Seither wird versucht, diese ­alten
Sorten für künftige Generationen abzu­
sichern. Verantwortlich für diese Erhal­
tungssammlung ist Andi Schmid. Der
Obstfachmann aus Scharans GR hat
fünfzig lokale Sorten geprüft und bisher
gut zwanzig pomologisch beschrieben.
Zudem züchtet er im Rahmen eines vom
Bund finanzierten Projekts robuste und
geschmackvolle Sorten für den Spezia­
litätenmarkt. In seiner Versuchsanlage
im Domleschg gedeihen über zwei Dut­
zend Weinbergpfirsichsorten in allen
Farben. Sein Ziel ist, mehrere Sorten –
darunter meist rotfleischige – heraus­
zuzüchten, die optimal mit hiesigen
­Bedingungen zurechtkommen. Er selek­
tiert nach Geschmack, Krankheitsanfäl­
ligkeit, Trockenheits­toleranz, Blüte- und
Reifezeitpunkt und weiteren Parame­
tern. «Frühblühende Sorten sind frost­
gefährdeter als späte», erklärt er und fügt
an, dass Weinbergpfirsiche ein eher mil­
des Klima brauchen. «Dort, wo Reben
wachsen, ist es auch für sie ideal», sagt
er und erzählt, dass er mit Sorten aus
ganz Europa, Asien oder den USA for­
sche. «Je breiter die genetische Basis ist,

Schweizer LandLiebe 53
R E P O R TAG E

desto grösser ist die Chance, robuste

­Sorten – auch für den biologischen
­Anbau – zu finden oder sie durch Kreu-
zungen zu züchten.»

Damit sich der Kreis schliesst

Mit seiner Frau Sandra Wenger Schmid
baut Andi Schmid auf seinem biolo­
gischen Nebenerwerbsbetrieb auch Rha-
barber und Kulturheidelbeeren sowie
Rosen für Teemischungen an. Im Wei-
teren unterhält das Paar einen grossen
Garten. «Wir leben so weit wie möglich
als Selbstversorger», sagt der Experte,
der ursprünglich Gärtner gelernt hat und
später an der Fachhochschule Wädenswil
Obst- und Weinbau studierte. Seit 2017
arbeitet er selbstständig und betreut
mit seinem Unternehmen «Realisation
Schmid» wissenschaftliche Projekte für
verschiedene Auftraggeber. So hat er vor
drei Jahren das Projekt «Rote Weinberg-
pfirsiche – alte neue Vielfalt für Schwei-
«Ich sehe viel Potenzial»
zer Rebberge» initiiert, das vom Fonds Andi Schmid möchte für den Roten Weinbergpfirsich ein
Landschaft Schweiz finanziert wird. Eldorado schaffen – nach Vorbild der deutschen Moselregion.
Durch Pflanzaktionen sollen die Stein-

obstbäume mit den rotfleischigen Früch-
ten wieder einen festen Platz in den
Schweizer Rebbergen bekommen.
Bis Ende 2022 wurden in hiesigen
Rebbergen mehr als eintausendzwei-
hundert Rote-Weinbergpfirsich-Bäume
gepflanzt. «Winzerinnen und Winzer von
über hundertzwanzig Weingütern haben
Bäume bestellt – von Schaffhausen,
St. Gallen, Thurgau und Graubünden über
Baselland, Aargau, Luzern und Zürich
bis Bern, Neuenburg, Wallis, Waadt und
Genf», erzählt Andi Schmid stolz. Einer
der Winzer war notabene Heinz Kunz.
«Es ist spannend, bei einem Forschungs-
projekt mitzumachen», sagt dieser. Nun
gehe es darum, die Früchte in der brei-
ten Öffentlichkeit bekannt zu machen,
ergänzt Schmid. «Wenn dies gelingt,
schliesst sich der Kreis.»
•••
Mehr zum Roten Weinbergpfirsich unter
www.roterweinbergpfirsich.ch
Für Infos zu Gatluzi Weinbau www.gatluzi.ch
M
it dem Auflebenlassen der
­alten, aber fast vergessenen
Kultivierung des Roten Wein-
bergpfirsichs lässt sich einige Aufmerk-
samkeit in der Öffentlichkeit generie-
ren. Davon ist Andi Schmid, Obstfach-
mann aus Scharans GR, überzeugt. Und
er hat eine klare Vision.
Andi Schmid, Sie sagen, dass sich mit
dem Roten Weinbergpfirsich Positiv-
schlagzeilen für den Weinbau schreiben
lassen. Wie meinen Sie das genau?
Andi Schmid: Rote Weinbergpfirsiche
machen Rebberge attraktiv. Im März und
April – lange bevor an den Rebstöcken
das erste Grün spriesst – sind die Zweige
der Bäume von pinken Blüten übersät.
Das wertet die Landschaftsästhetik auf,
die Bäume sind ein Blickfang, über den
berichtet wird und der Touristen in eine
Region zieht: analog zur Kirschblüte, die
in Regionen wie dem Baselbiet als
­Attraktion Besucher anlockt. Und auch
im Herbst bereichert das rote Laub das
Landschaftsbild, kontrastiert mit dem
Gelb der Reben. Im deutschen Weinbau-
gebiet an der Mosel zum Beispiel erlebt
der Rote Weinbergpfirsich seit mehre-
ren Jahren einen Boom. Hunderte von
Bäumen wurden dort gezielt gepflanzt
und lockern nun die starren Rebreihen
in den stei­len Rebhängen auf. Die Kreis-
stadt Cochem wirbt mit der Renaissance
der alten Obstkultur, nennt sich «Metro-
pole des Mosel-Weinbergpfirsichs». Es
werden Pfirsichköniginnen gekürt, Pfir-
sichmärkte veranstaltet, und nebst dem
Moselwein gehen auch viele Pfirsichpro-
dukte über den Ladentisch der Wein-
händler. Auch bei uns wäre das möglich.
Welche Schweizer Weinbauregion wäre
als eine Art Eldorado des Roten Wein-
bergpfirsichs besonders geeignet?
In den letzten Jahren wurden im ganzen
Land Bäume gepflanzt, der Schwerpunkt
lag aber tendenziell eher in der West-

54 Schweizer LandLiebe
 Andi Schmid, 56, und
seine Frau Sandra
­Wenger Schmid, 52, in
ihrem vielfältigen Haus-
garten in Scharans.
schweiz. Jetzt muss sich weisen, in wel-
cher Region sich die Winzerinnen und
Winzer wirklich engagieren, die Aus-
strahlungskraft des Roten Weinbergpfir-
sichs nutzen und sich ihm verschreiben
wollen sowie noch mehr Bäume pflan-
zen. Möglich wäre dies eigentlich über-
all: vom Wallis bis nach Graubünden,
vom Genfersee bis in die Ostschweiz.
Was hätten die Winzerinnen und Winzer
konkret von einem solchen Bekenntnis?
Rote Weinbergpfirsiche eröffnen als
­Nische neue Absatzmärkte. Aus dem
­intensiv roten Fruchtfleisch lassen sich
innovative Produkte herstellen: farbin-
tensive Konfitüren, aromatische Kom-
potte, Sirup und Chutney sowie Brände,
herbe Liköre, Essig. Analog zum Mosel-
gebiet werden in den kommenden Jah-
ren bestimmt viele neue Pfirsichspezia-
litäten auf den Markt kommen. Damit
können die Winzerinnen und Winzer ihr
Weinportfolio ergänzen und neue Kun-
den in die Weinkeller bringen. Ich sehe
viel Potenzial. Auch die Spitzenköchin
Rebecca Clopath glaubt an die Frucht.
Sie hat spannende Rezepte entwickelt,
etwa einen «Shrub», einen süss-sauren
Pfirsichsirup. Diesen können die Wein-
Es blüht im Rebberg: Weinbergpfirsiche hatten
die ­pinken Blüten des Roten in der Schweiz bisher
Weinbergpfirsichs werten keine wirtschaftliche
im Frühling die Landschaft Bedeutung. Dies soll sich
spektakulär auf. künftig ändern.
produzentinnen und -produzenten nun
selber herstellen oder herstellen lassen
und als Ergänzung zum Wein verkaufen.
Wer vom Roten Weinbergpfirsich redet,
spricht auch von Naturschutz und Biodi-
versität. Was genau ist damit gemeint?
Anders als Tafelpfirsiche, die in Inten-
sivobstanlagen heranreifen, gedeihen
Rote Weinbergpfirsiche als Begleitkul-
tur, das heisst als Einzelbäume oder in
kleinen Gruppen mitten in den Rebber-
gen. Sie tragen zur Harmonisierung des
Ökosystems bei, fördern die genetische
und die biologische Vielfalt in Rebber-
gen. Denn für Flora und Fauna sind Ein-
zelbäume wichtig. Sie bieten verschie-
denen Pflanzen und Tieren Lebensraum
in den sonst eintönigen Reben.
Welche Tiere werden vom Roten
­Weinbergpfirsich speziell gefördert?
Das wohl auffälligste Tier ist der Segel-
falter, ein weiss-schwarz gestreifter
Schmetterling. Seine Raupen ernähren
sich unter anderem von den Blättern
des Roten-Weinbergpfirsich-Baums. Der
Segelfalter steht bei uns auf der Roten
Liste der gefährdeten Arten, das heisst,
er ist vom Aussterben bedroht. cos
 SABRINAS WEINGESCHICHTEN

Toujours Gamay!
Dem Herzog von Burgund war er einst ein Graus, für Kennerinnen und Kenner
ist er aber längst ein Genuss: Gamay passt im Spätsommer und frühen Herbst
herrlich zu Wildgerichten, frischen Fruchtwähen und Zvieri-Plättli.
Sabrina Glanzmann ist Kulinarikchefin der Schweizer LandLiebe.

G
amay, dieser arme Tropf(en)! Er ist Runde geworfen. Insbesondere der in Massen
ein bisschen wie das verschupfte Kind produzierte Beaujolais nouveau, der jeweils im
auf dem Pausenplatz, das meistens November des Erntejahres auf den Markt kommt,
erst als Letztes mitspielen darf. Er ist wie der hat dem Ruf des Gamay immer wieder geschadet
­unscheinbare Bruder der glamourösen Schau- und diesen als wenig spannend, als zu eindimen­
spielerin. Oder wie die kauzige Nachbarin, die sional und geradezu banal erscheinen lasssen.
man im Treppenhaus zwar immer höflich grüsst, Dem schlechten Image entgegen halten
die ­einem aber nicht so richtig geheuer ist. etwa die Cru-Weine aus Appellationen wie
Gamay ist nicht jedermanns Liebling – ­Moulin à Vent, Juliénas oder Fleurie. Aber auch
das war schon vor Gamay aus der
vielen Jahrhun- Schweiz braucht
derten so. Bereits sich überhaupt
seine erste schrift- nicht zu ver­
liche Erwähnung stecken. An der
anno 1395 war Schwelle vom
­wenig rühmlich: Spätsommer zum
Philipp der Kühne frühen Herbst
(1342–1404), Her- ­bestelle ich in der
zog von Burgund, Bergbeiz gerne
verabscheute die ein Glas erdigen
Weine aus dieser Gamay. Für mich
Der Wein Rotweinsorte der- ist er nach einer
Gamay de Branson art, dass er deren mehrstündigen
«Vieilles Vignes», Anbau kurzer- Wanderung
AOC Wallis 2020, hand verbieten der stimmige
­Cave de l’Orlaya, liess. Sämtliche ­Begleiter zu
75 cl, Fr. 19.–, Rebstöcke der ­einem Käse- und
www.orlaya.ch «sehr schlechten Trockenfleisch-
und schädlichen plättli, wenn es
Sorte» mit einer kein Weisswein
«schrecklichen Bitterkeit» wollte der Herzog sein soll – und die pfeffrigen Noten vieler Gamays
so schnell wie möglich vernichtet haben. machen gleich noch die Peffermühle überflüssig.
FOTO SABINE WUNDERLIN ILLUSTRATIONEN MARKUS ROOST

Das war die Steilvorlage für den Siegeszug
des Pinot noir im gesamten Burgund. Doch ganz
von der Rebfläche verschwand der Gamay nicht:
Vielmehr wurde er weiter südlich ins Beaujolais-
Gebiet «verstossen» – zum guten Glück! Die
­kargen, sauren Granitböden begünstigten näm-
lich sein gutes Gedeihen ungemein, was je länger,
je mehr die Qualität verbesserte, ihn komplexer
und körperreicher machte und folglich auch
seine Anhängerschaft vergrösserte. Und dieser
«Umzug» machte es möglich, dass heute auch
in den Kantonen Wallis, Waadt und Genf Gamay
zu den wichtigsten Rotweinsorten gehört.
Klar, launige Sprüche wie «Jamais Gamay!»
werden noch immer gerne in die weinselige
Zu Wild macht er sich auch sehr gut. Und dank
seinem fruchtigen Charakter ist er auch zur
­saftigen Pflaumen- oder Zwetschgenwähe ein
­Gedicht, denn Gleich und Gleich gesellt sich ja
bekanntlich besonders gern.
Ein Tipp für ewige Gamay-Skeptiker: Die
­Winzerin Mathilde Roux aus der Cave de l’Orlaya
in Fully VS macht es allen leicht, die gegenüber
der alten Rotweinsorte noch immer ihre Vor­
behalte haben. Ihr geschmeidiger Gamay de
Branson «Vieilles Vignes», am besten leicht
­gekühlt serviert, dazu ein Stück rezenter Käse
und etwas knuspriges Ruchbrot – und schon wäre
das Sujet für ein Werbeplakat mit dem Slogan
«Toujours Gamay!» perfekt.

56 Schweizer LandLiebe Wann kommt bei Ihnen Gamay auf den Tisch? sabrina.glanzmann@landliebe.ch
 Gesellen sich gerne
zueinander: Das Reich
der Rothirsche von
­Oliver Bürgi auf dem
Probstenberg ob
­Seehof BE besteht aus
sechs verschiedenen
Koppeln auf insgesamt
vierzehn Hektaren
­Weidefläche.

58 Schweizer LandLiebe
 ESSEN & TRINKEN

Höchste
Hirschzeit
Ihr Vater hielt in Seehof BE als einer der ersten Bauern hierzulande Rothirsche.
Die Brüder Oliver und Cäsar Bürgi führen die Tradition weiter. Von der Zucht
über die Hofschlachtung bis zum Metzgen ist alles in ihrer Hand.
Text Sabrina Glanzmann Fotos Winfried Heinze Styling Vera Guala

Nicht nur ein Hirschrücken kann

entzücken: Hirschleberparfait
mit Berglinsen, Blattsalat
und in Randensaft eingelegtem,
pochiertem Ei.

Schweizer LandLiebe 59
ESSEN & TRINKEN

Expertin für fleischlose Köstlichkeiten:

­Profiköchin Tina Küffer ist eine ideen­reiche Was für ein Katzenleben.
Meisterin vegetarischer Gerichte – auch Stracciatella nutzt die Mauer vor
wenn sie mit ihrem­Partner Pablo Bobrik an dem Gästehaus auf ihren Streifzügen
einem Anlass auf dem Probstenberg kocht. als Beobachtungsposten.

Gegenseitiges Vertrauen: Tierärztin

Nadja Blaser streichelt Hirschkuh Jacky.
Zutrauliche Tiere wie dieses bekommen
auf dem Probstenberg einen Namen
und sind Botschafter zwischen den
Menschen und den scheueren Hirschen.

60 Schweizer LandLiebe
 Stolzer Stier: In der
Brunftzeit im September
und Oktober zeigt
der Hirsch mit seinem
Röhren Präsenz.

Respekt vor
Flora und
Fauna
In der hauseigenen Metzgerei
auf Cäsar Bürgis Hof in H
­ olderbank SO

fliesst überall
lernen Luzia Blum und Cécile Zwyssig
(rechts) das Ausbeinen.

mit ein
Frisch verpackt und
beschriftet: Das
Hirschfleisch wird
sofort vakuumiert.
Dann wird es wie die
anderen Lebensmittel
der Bürgis unter der
Marke «Silberdistel»
verkauft.

Feuer ist sein

­Element: Pablo
Bobrik lebt und liebt
die Grillkultur seiner
zweiten Heimat
Argentinien.
An Anlässen gibt er
das ganze Jahr über
sein Können und
Wissen zum Besten.
Schweizer LandLiebe 61
 Tatar vom Hirschherz mit Salbeibutter
auf Buchweizenbaguette
Für 4 Personen

Zutaten Herztatar und Salbeibutter
• ½ Hirschherz, fein gehackt • etwas
geschroteter schwarzer Zitronenpfeffer
(in Gewürzläden und gut sortierten Bioläden
erhältlich) • 4 Eigelb • etwas Salz
• 100 g Butter • 16 Salbeiblätter • etwas Salz
Zubereitung
1. Hirschherz, Zitronenpfeffer, Eigelbe und
Salz in einer Schüssel gut vermischen.
2. Butter und Salbeiblätter in eine Pfanne
geben. Köcheln lassen, bis die Butter
­goldbraun ist. Im Kühlschrank fest werden
lassen. Herausnehmen, 10 Minuten bei
Raumtemperatur stehen lassen. Mi dem
Handmixer aufschlagen, bis die Butter weiss
und ­cremig ist. Mit Salz abschmecken.
Zutaten Buchweizenbaguettes
(2 Stück)
• 500 g Ruchmehl • 50 g Buchweizenmehl
• 3 dl Wasser, lauwarm • 10 g Hefe
• 10 g Salz
Zubereitung
1. Am Vorabend oder 12 Stunden
vor dem Servieren Ruchmehl und
­Buch­weizenmehl in einer Schüssel
mischen. Wasser und Hefe in einem Gefäss
mit einem Schwingbesen vermischen.
2. In der Mehlmischung eine Mulde formen,
Hefewasser und Salz dazugeben. Von Hand
oder mit einer Küchenmaschine kneten.
Abgedeckt 12 Stunden ruhen lassen.
3. Am Backtag Teig in zwei Hälften teilen,
mit Mehl bestäuben und je zu einem
Baguette zwirbeln. 30 Minuten bei
180 Grad Ober- und Unterhitze in einem
Ofen mit Dampffunktion (20 Prozent Dampf)
backen, alternativ eine kleine feuerfeste
Schale mit Wasser mit auf das Blech stellen.

Das feste Muskelfleisch

vom Hirschherz eignet
sich besonders gut für
ein würziges, von Hand
geschnittenes Tatar. Mit
Salbeibutter und selbst
gebackenen Baguettes aus
Buch­weizenmehl wird der
Apérogenuss perfekt.

62 Schweizer LandLiebe
 ESSEN & TRINKEN

Die Verantwortung
für die Produkte von
A bis Z selber tragen

M
Man könnte die Stecknadel fallen
hören. Würde sie in dieser frühen
­Tagesstunde – die Sonne lugt eben erst
hinter den waldigen Hügeln hervor – vor
dem Gästehaus Probstenberg auf den
Kiesboden treffen, wäre es das einzige
Sich Zeit nehmen für ein Glas
und ein Gespräch: Cäsar Bürgi
(links) führt in Holderbank seinen
eigenen Betrieb, ­arbeitet aber eng
mit seinem Bruder Oliver Bürgi
vom Probstenberg zusammen.

Geräusch weit und breit. Diese morgend­

liche Stille ist einer der vielen Trümpfe,
die dieser abgelegene Flecken Erde auf
dem Grat der zweiten Jurakette zu bie­
ten hat. Ein anderer ist die einmalige
Aussicht: Haben Wanderinnen und Wan­
derer den Ort am Rand des Regionalen
Naturparks Thal erreicht, werden sie an
klaren Tagen mit einer Fernsicht bis zu
den französischen Vogesen belohnt.

Hirschzüchter der ersten Stunde

Eine Besonderheit des Probstenbergs
auf 1119 Metern Höhe ist auch, dass hier
Gemeindegebiete des Solothurner Juras
(Welschenrohr) und des Berner Juras
(Seehof) aufeinandertreffen. Genau auf
der Grenze zwischen den beiden Kan­
tonen steht eine über tausendjährige
Trockenmauer, die seit 2008 in Freiwil­
ligenprojekten Abschnitt für Abschnitt
wiederhergestellt wird.
Aber weder reges Restaurierungs­
treiben noch Geplauder von Ausflüglern
durchbrechen an diesem Frühherbsttag
die Stille. Plötzlich durchdringt jedoch
ein tiefer, lang gezogener Ruf die Luft –
ein Ton, der unmissverständlich nach
«Da bin ich!» klingt. Oliver Bürgi, 45, tritt
mit einer Tasse mit dampfendem Kaffee
in der Hand aus seiner Wohnung im
­unteren Stock des Hauses, das übrigens
auf ­Seehofer Boden steht. Er erklärt: «Da

Schweizer LandLiebe 63
ESSEN & TRINKEN
Zur Brunftzeit röhrt der
Hirschstier über die Jurahügel
ist der Hirschstier am Röhren. Wir sind
ja mitten in der Brunftzeit.» Eine weitere
Probstenberger Besonderheit: Hier wer-
den Rothirsche gehalten. Oliver Bürgis
Vater war einer von vier Schweizer Bau-
ern, die vor über vierzig Jahren began-
nen, Hirsche zu züchten. Damals suchte
er nach neuen Möglichkeiten, seine
­steilen Hänge zu bewirtschaften. Dabei
erinnerte er sich an die Hirschzuchten,
die ihm auf Reisen im Ausland begegnet
waren. Mit ersten Tieren aus Schottland
startete er seine eigene Zucht.
Heute sind rund zweihundertdreis-
sig landwirtschaftliche Betriebe Mitglied
in der Schweizerischen Vereinigung
der Hirschhalter, bei der Oliver Bürgi
­Vizepräsident ist. Im 2000 übernahmen
der gelernte Schmied und sein Bruder
Cäsar Bürgi, ausgebildeter Landwirt, den
Betrieb von ihren Eltern. Für die beiden
damals knapp Zwanzigjährigen sei im-
mer klar gewesen, dass sie neben der
Rinder- auch die Hirschzucht weiterfüh-
ren würden. «Seit wir auf der Welt sind,
gehören die Hirsche zu uns. Wir kennen
es gar nicht anders», sagt Oliver Bürgi.
Soziale Rothirsche
Dreizehn Jahre lang führen die Brüder
den Hof auf dem Probstenberg sowie
den auf Ackerbau fokussierten zweiten
Betrieb in Oftringen AG gemeinsam. Ihre
Produkte verkaufen sie unter dem
­Namen «Silberdistel». 2013 haben sie
sich operativ aufgeteilt, die gemeinsame
Marke aber ist geblieben. Oliver Bürgi
und seine Lebenspartnerin Nadja Blaser
betreiben das Gästehaus mit dreissig
Schlafplätzen, das nach dem Umbau des
alten Bauernhauses entstanden ist. Dazu
kommen die Hirschzucht und der Hof
in Oftringen. Cäsar und seine Frau Lena
Bürgi arbeiten in Holderbank SO, wo sie
mit ihren Kindern leben. Im Dorf am
­anderen Ende des Naturparks Thal, etwa
dreissig Auto­minuten von Seehof ent-
fernt, sind sie Pächter der «Obere Wies».
Nach biodynamischen Grundsätzen hal-
ten sie Red-Angus-Rinder, Burenziegen,
64 Schweizer LandLiebe
Geschmortes Hirschragout mit
Tarte Tatin aus roten Zwiebeln
und lauwarmem Chabissalat mit Äpfeln und Baumnüssen
Für 4 Personen
Zutaten Hirschragout
• 700 g Hirschragout • etwas Sonnenblumenöl • 300 g Schalotten, geschält
• 200 g Karotten, geschält • 150 g Lauch • 2 Flaschen kräftiger Merlot
• etwas Alpenchili-Salz • 2 Zweige Rosmarin • 1 TL Salz
Zubereitung
1. Schalotten, Karotten und Lauch in grobe Stücke schneiden.
2. Hirschragout in heisser Gusseisenkasserole in etwas Sonnenblumenöl anbraten.
Gemüse dazugeben und weiter andünsten, dann mit Rotwein ablöschen. Alpen-
chili-Salz, Rosmarin und Salz dazugeben und 1½ Stunden auf kleiner Stufe bei
geschlossenem Deckel schmoren lassen. Währenddessen regelmässig umrühren.
Zutaten Tarte Tatin (ein rundes Backblech von 28 cm Durchmesser verwenden)
• 180 g Butter, kalt • 270 g Pizzamehl • 1 EL Zucker • 1 TL Salz • 80 ml Wasser
• 1 Ei • 3 EL Zucker • Saft von ½ Zitrone • 40 g Butter • 5 bis 7 rote Zwiebeln,
in 1 cm grosse Ringe geschnitten
Zubereitung
1. Butter 10 bis 15 Minuten in den Tiefkühler legen. Mehl, Zucker und Salz
in einer Schüssel mischen.
2. Butter aus dem Tiefkühler nehmen, in kleine Stücke schneiden. Zum Mehl geben
und vermischen. Wasser und Ei dazugeben, mit den Händen schnell zu einem Teig
kneten (möglichst kurz kneten, damit der Teig nicht warm wird). Teig abdecken,
flach drücken und im Kühlschrank circa 1 Stunde ruhen lassen.
3. Für die Tarte-Tatin-Füllung Zucker in einer Bratpfanne caramelisieren,
­Zitronensaft dazugeben, dann die Butter einrühren.
4. Die heisse Caramelmischung ins Backblech giessen. Zwiebeln flach aneinander
darauflegen. Im Ofen bei 180 Grad circa 10 Minuten vorbacken.
5. Teig aus dem Kühlschrank nehmen und rund auswallen (cica 30 Zentimeter
Durchmesser). Backblech aus dem Ofen nehmen, Teig auf die Zwiebeln legen und
den Rand gut runterdrücken.
6. Blech zurück in den Ofen geben und Tarte 20 Minuten fertig backen. Noch heiss
direkt aus dem Ofen stürzen, damit sie sich gut vom Blech löst.
Zutaten lauwarmer Chabissalat mit Äpfeln und Baumnüssen
• ½ Weisskohl • 2 EL Rapsöl • 1 EL Kümmel • etwas Kurkumapulver
• 50 g Baumnüsse, gehackt • etwas Salz • etwas Zucker • 3 EL Apfelessig • 1 Apfel
Zubereitung
1. Weisskohl in feine Streifen schneiden oder hobeln.
2. Rapsöl, Kümmel, Kurkumapulver und Baumnüsse in einer Pfanne bei mittlerer
Hitze anrösten. Kohl dazugeben und kurz mitdünsten. Salz und Zucker dazugeben,
mit Apfelessig ablöschen. Apfel entkernen und in dünne Scheiben schneiden. Cha-
bissalat auf einem Teller zusammen mit den Baumnüssen und den Apfelschnitzen
anrichten. Falls gewünscht mit weiteren Salaten, Sprossen und Kräutern garnieren.
 Geschmort, gebacken,
­gehobelt: Dieses in Rotwein
gekochte Hirschragout, die
Tarte Tatin aus roten Zwiebeln
und der knackige Chabissalat
mit Äpfeln und Baumnüssen
bilden ein Trio, das perfekt
zusammenpasst.

Schweizer LandLiebe 65
ESSEN & TRINKEN
Hirschfleisch hat
mehr zu bieten als
Pfeffer und Rücken
Hühner und eine selbst gezüchtete
Schweinerasse: Das robuste Bunte Dis­
telschwein gilt als ideal für eine exten­
sive Haltung und Fütterung. In der hof­
eigenen Metzgerei wird das Fleisch der
Tiere beider Betriebe zu Mischpaketen
verarbeitet oder weiterveredelt – etwa
zu Frischwürsten oder Salami.
Auf der Weide röhrt es noch immer.
Wir müssen aber geduldig sein und die
Augen offen halten, um die Hirsche zu
entdecken. Im weitläufigen Gehege blei­
ben wir auf Rat von Oliver Bürgi zusam­
men und gehen ohne Hektik den Zaun
­entlang, um die Tiere nicht unnötig
zu reizen oder zu stören. Der Rothirsch
­Cervus elaphus gilt als soziales Tier, das
gerne im Rudel unterwegs ist. Platz zum
Bewegen haben die siebzig Tiere aus
drei Gene­rationen hier oben: Vierzehn
Hektaren sind in sechs Koppeln auf­
geteilt, die je nach Bedarf unterschied­
lich genutzt werden – ab September
etwa, um die geschlechtsreifen Jung­
tiere voneinander zu trennen.
Tierische Botschafter
Dann erspienzeln wir endlich die Enden
eines Geweihs hinter einem Baum, und
bald streckt der Hirschstier seinen Kopf
in die Höhe – was für eine stolze Erschei­
nung! Neben ihm tummeln sich eine
Gruppe Hirschkühe und ihre Kälber, die
genüsslich fressen. Gras ist ihre Haupt­
mahlzeit, im Winter kommt Mais, Silage
und wenig Heu dazu. Mit uns auf der
Weide ist auch Nadja Blaser. Die Tierärz­
tin nähert sich langsam einer Hirsch­
kuh. «Hallo, Jacky!», sagt sie sanft, und
wir staunen: Das Tier bleibt zufrieden
liegen und lässt sich streicheln. «Rot­
66 Schweizer LandLiebe
Hirsch-Entrecôte am Knochen
in Enzian-Brennnessel-Kruste
mit Pommes frites und Ratatouille
Für 4 Personen
Zutaten Hirsch-Entrecôte
• 4 Hirsch-Entrecôtes mit Knochen • etwas Bratöl • 80 g Butter, weich • 100 g Paniermehl
• 1 Eigelb • ½ TL Enzian, getrocknet, gemahlen • 1 TL getrocknete Brennnesseln • etwas Salz
Zubereitung
1. Hirsch-Entrecôtes beidseitig in einer ofenfesten Pfanne in etwas Bratöl anbraten.
In den auf 85 Grad vorgeheizten Ofen (Umluft) schieben und circa 20 Minuten garen, bis
die Fleischtemperatur 60 Grad beträgt (mit einem Fleischthermometer kontrollieren).
2. Weiche Butter, Paniermehl, Eigelb, Enzian, Brennnesseln und Salz gut in einer Schüssel zu
einer Paste mischen. Hirsch-Entrecôtes aus dem Ofen nehmen und mit der Paste bestreichen.
Ofen auf 200 Grad Oberhitze stellen, dann die Hirsch-Entrecôtes kurz überbacken.
Zutaten Ratatouille
• 350 g Tomaten • 200 g Rüebli • 350 g Hornpeperoni • 4 grosse Radiesli
• 350 g Pak Choi • etwas Sonnenblumenöl • 200 g Zwiebeln, gehackt • 4 Knoblauchzehen,
gepresst • ½ TL Thymian • 1 TL Paprikapulver, edelsüss • 1 TL Paprika geschrotet
• 2 dl Gemüsebouillon • Salz und Pfeffer
Zubereitung
1. Tomaten in Würfeli, Rüebli, Hornpeperoni, Radiesli und Pak Choi in mundgerechte Stücke
schneiden. Sonnenblumenöl in einer Pfanne erhitzen, Zwiebeln und Knoblauch andünsten.
Tomatenwürfeli sowie Rüebli-, Peperoni- und Radieslistücke dazugeben, umrühren.
­Thymian, Paprikapulver und geschroteten Paprika dazugeben, mit Gemüse­bouillon ablöschen
und auf kleiner Stufe so lange köcheln, bis das Gemüse gar, aber noch knackig ist.
2. Zuletzt den geschnittenen Pak Choi dazugeben. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Zutaten Pommes frites
• 600 g Bergkartoffeln (ein Teil davon blaue Sorte) • 100 g Mais- oder Kartoffelstärke ­
• Frittieröl • etwas Paprikapulver, edelsüss • etwas Kräutersalz
Zubereitung
1. Kartoffeln schälen und in 1 x 1 cm dicke Stücke schneiden. Mais- oder Kartoffelstärke
in einen tiefen Teller geben, Kartoffelstücke darin wenden.
2. In einer Fritteuse Frittieröl auf 170 Grad erhitzen und die Kartoffelstücke darin 5 Minuten
vorfrittieren. Herausnehmen, auf einem Backblech mit Haushaltspapier abtropfen lassen.
3. Fritteuse auf 180 Grad umstellen und Pommes frites goldbraun frittieren. Mit Paprika­
pulver und Kräutersalz würzen. Mit dem Ratatouille zu den Hirsch-Entrecôtes servieren.
 Französischer Klassiker
in der Berner-Jura-­
Version: Entrecôte vom
Hirsch am Knochen mit
Pommes frites aus
­zweierlei Kartoffeln und
Ratatouille als Gemüse,
das den Sommer mit dem
Herbst verbindet.

Schweizer LandLiebe 67
 Ein Pastagericht,
das von ­Aromen und
Texturen nur so strotzt:
gebratene Hirschhuft­
streifen mit selbst
gemachten Hanfnudeln,
dazu frittierte Randen­
chips und frischer
­Jungspinat.

Hirschhuftstreifen mit Hanfnudeln,

Jungspinat und Randenchips
Zutaten Für 4 Personen
• 500 g Weissmehl • 185 ml Wasser
• 2 EL gemahlene Hanfsamen • 2 Chioggia-
Randen • 3 dl Frittieröl • etwas Salz
• 480 g Streifen von der Hirschhuft
• etwas geschroteter Orangenpfeffer
(in Gewürzläden und gut sortierten Bioläden
erhältlich) • etwas Salz • 2 EL Bratöl
• 1 dl Gemüsebouillon • 300 g Jungspinat
Zubereitung
1. Mehl, Wasser und Hanfsamen in die
­Pastamaschine geben, kneten lassen.
Anschliessend durch einen Breitbandnudel-
Ring drücken. Wenn keine Pasta­maschine
zur Verfügung steht: Mehl, Wasser und
Hanfsamen zu einem Teig kneten, in
einer Schüssel etwas ruhen lassen. Dann
hauchdünn ausrollen und in Breitbandnudeln
schneiden (circa 0,5 cm dick und 30 cm
lang).
2. In einem Topf Salzwasser zum Kochen
bringen. Nudeln darin al dente kochen,
­herausnehmen und kurz kalt abschrecken.
Beiseitestellen.
3. Für die Randenchips die Randen schälen
und mit einem Handhobel in sehr dünne
Scheiben (0,2 cm) hobeln. Auf Haushalts­
papier legen und abtupfen.
4. Randenscheiben im Frittieröl in einer
­Fritteuse oder in einer kleineren Pfanne
(18 cm Durchmesser und 10 cm Höhe) goldig
frittieren. Herausheben, auf Haushaltspapier
abtropfen lassen und s­ alzen. Beiseitestellen.
5. Huftstreifen in eine Schüssel geben,
­Orangenpfeffer, Salz und Bratöl dazugeben
und alles gut mischen.
6. Eine Bratpfanne heiss werden lassen.
Huftstreifen darin portionenweise anbraten.
Bouillon und die bereits gekochten Hanf­
nudeln in die Pfanne geben, gut rühren.
7. Die Hälfte des Jungspinats sowie die
gebratenen Huftstreifen ebenfalls dazu­
geben. Alles kurz heiss werden lassen,
in Tellern anrichten und mit dem restlichen
Jungspinat und den Randenchips dekorieren.

68 Schweizer LandLiebe
 ESSEN & TRINKEN

Die Seele baumeln lassen:

Im Gemeinschaftsraum des Gäste-
hauses Probstenberg sorgen die
grossen Fenster für eine einmalige
Sicht über die Jurahügel.

hirsche sind eher scheu. Aber manche

Tiere sind von Anfang an richtig zahm
und zutraulich. Sie sind wichtige Bot­
schafter zwischen uns und den scheu­
eren Tieren. Deshalb muss man sich
Zeit nehmen für ein Jungtier, das diesen
­Wesenszug zeigt.» Und dieses Zeitneh­
men führt wiederum dazu, dass manche
Tiere einen Namen haben.
Dass man sich hier gerne Zeit nimmt,
lässt sich immer wieder beobachten: Zeit
für anfallende Arbeiten natürlich, aber
auch Zeit für ein Gespräch hier, für eine
Unterhaltung dort. Gehetze scheint ein
Fremdwort zu sein – das konnten wir
­bereits tags zuvor während unseres
­Besuchs bei Cäsar Bürgi in Holderbank
erleben. «Kein Problem, ich bin den
­ganzen Tag da. Komm einfach, wenn es
passt», sagte er in sein Handy. Sich auch
für die Kundinnen und Kunden genü­
gend Zeit zu nehmen, ist dem Landwirt

Wo Weitblick jeden
ein grosses Anliegen. Anfragen und
­Bestellungen werden telefonisch entge­
gengenommen oder auch mal via Mail.

«Ich kenne die Leute, die unser Fleisch
kaufen, gerne persönlich. Mir liegt viel
an der Begegnung. All diese Online­
geschichten mag ich eher nicht so»,
sagt der 44-Jährige, die Mundwinkel zu
einem Lächeln hochgezogen. Instagram-
Kanal, Facebook-Profil, Shop auf der
Webseite? Gibt es nicht. Auch keinen
Hofladen. Die Strukturen sollen klein
und übersichtlich bleiben.
Pioniere der Hofschlachtung
Das gilt auch für den Teil, der am Ende
der Tierhaltung kommt. Die Tiere auf dem
Weg vom Hof zum Schlachtbetrieb zu
begleiten und den Prozess so stressfrei
wie möglich zu ­gestalten, war für Bürgis
stets selbstverständlich. «Aber es war
trotzdem immer ein Kompromiss und
für uns nie wirklich stimmig», so Cäsar
Bürgi. Die ­Lösung kam 2018, als der
Landwirtschafts­betrieb als einer der Ers­
ten hierzulande eine Spezialbewilligung
für Hoftötung und -schlachtung erhielt.
Jetzt werden die Tiere in Seehof und Hol­
Tag dazugehört
derbank in ihrem gewohnten Umfeld
­getötet und danach in der hofeigenen
Metzgerei ausgeweidet. Seit Juli 2000
ist die Praxis schweizweit Betrieben
­erlaubt, welche die Vorschriften erfüllen
und eine kantonale Bewilligung haben.
Bei unserem Besuch in der «Silber­
distel»-Metzgerei wird gerade hoch­
konzentriert gearbeitet. Die zwei ange­
henden Landwirtinnen Luzia Blum und
Cécile Zwyssig sind dabei, einen Hirsch
auszubeinen – ausgestattet mit Stich­
schutz und begleitet von Cäsar Bürgi.
Auch hier gilt es, sich Zeit zu nehmen –
wer geübt und routiniert ist, braucht
­anderthalb Stunden nur für das Heraus­
lösen der Knochen. Von September bis
November werden jeweils ein bis zwei
Hirsche pro Woche geschlachtet; sie sind
dann um die fünfzehn Monate alt und
haben ein Schlachtgewicht von circa
fünfundvierzig Kilo. Nicht nur viele
­Private, auch Restaurants und Gastro­
unternehmen aus den Regionen Solo­
thurn und Basel sind Stammkunden.
«Weil diese meistens halbe oder ganze
Tiere beziehen und damit auch verar­
beiten, vermitteln sie etwas, was uns
enorm wichtig ist: Es gibt so viel mehr
als nur Hirschpfeffer und Hirsch­
rücken», sagt Cäsar Bürgi.
Zurück zum Gästehaus auf dem
Probstenberg. Pablo Bobrik sitzt im
­geräumigen Gemeinschaftsraum an

Schweizer LandLiebe 69
 2 Hirsch-Cordon-bleu
mit Buchweizenspätzli, Kräuter-
seitlingen und grilliertem Spitzchabis
mit Baumnussbutter
1 3
Für 4 Personen

Zutaten Buchweizenspätzli
• 400 g Weissmehl • 100 g Buchweizenmehl
• 3 Eier • Mineralwasser • Vollmilch • etwas Salz
• etwas Pfeffer • etwas Kräutersalz • etwas
Muskat • 200 g Kräuterseitlinge • etwas Rapsöl
Zubereitung
1. Mehl in einen Schlagkessel geben.
2. Eier in einen Einliter-Massbecher geben. Mit
Mineralwasser und Milch bis zur 0,5 Liter-Marke
4 auffüllen. Mischung zum Mehl geben, Gewürze bis
Muskat ebenfalls dazugeben und alles zu einem
geschmeidigen Teig verrühren.
3. In einem Kochtopf Wasser aufsetzen und zum
Sieden bringen. Spätzli durch ein Spätztlisieb ins
siedende Wasser drücken. Beim Aufschwimmen
abschöpfen und in kaltem Wasser abschrecken.
4. Kräuterseitlinge in Streifen schneiden und in
einer Bratpfanne in Rapsöl goldgelb anbraten.
5 Spätzli dazugeben und kurz mitbraten.

Zutaten grillierter Spitzchabis

mit Baumnussbutter
6 • 1 junger Spitzkabis • 100 g weiche Butter
• 50 g Baumnüsse • etwas Salz
Zubereitung
Eine Auswahl der beliebtesten Stücke
vom Hirsch: 1 Entrecôte 2 Filet 3 Rücken 1. Spitzkabis samt Stotzen vierteln. In einer
4 Nierli 5 Unterspälte (für Schnitzel, ­Bratpfanne oder auf dem Grill rundum anbraten,
Plätzli) 6 Huft dann im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen circa

Stück für Stück

15 Minuten fertig garen.
2. Während der Kabis im Ofen ist, die Butter
­schaumig aufschlagen, bis sie hellweiss ist.

wert- und gehaltvoll

3. Baumnüsse fein hacken und in der Pfanne rösten,
abkühlen lassen und unter die Butter mischen.
Mit Salz abschmecken, über den Spitzkabis geben.

Zutaten Cordon bleus

­ inem der langen Holztische und ­kritzelt
e kumapulver in der Küche. Die 30-Jäh-
etwas auf ein Papier. Er sammelt letzte
Ideen für die Hirschgerichte, die bald in
der Küche entstehen sollen. «Wir könn-
ten noch Randenchips zu den Nudeln
machen, was meinst du?», fragt er Tina
Küffer, die gerade ein Tablett voller Ein-
machgläser bringt. Das eindrückliche
Sammelsurium aus eingelegtem ­Gemüse
in allen Farben und Formen, selbst
­gemachten Saucen und gemörserten
­Gewürzen ist eine Art Schaffenselixier
der beiden Profiköche, die beruflich und
auch privat ein Paar sind. «Randenchips
wären super. Ich mache schon mal den
Chabissalat parat», sagt Tina Küffer und
verschwindet mit einem Döschen Kur-
rige brennt vor allem für pflanzen­
basierte und vegetarische Kreationen.
Pablo Bobrik ist auch für Fleischgerichte
Feuer und Flamme – wortwörtlich.
­Inzwischen steht er draussen am Grill-
ofen und heizt zünftig ein. Aus den bren-
nenden Scheiten stellt der Koch seine
eigene Holzkohle her – er braucht sie für
den Smoker, an dem er später Hirsch-
Entrecôtes am Knochen zubereiten wird.
«Den Grill hier hat Oli selbst geschmie-
det. Es ist einfach eine wahre Freude,­
so zu kochen», sagt der 43-Jährige und
pfeift munter vor sich hin, während er
Kartoffeln für die Pommes frites rüstet.
Unter dem Namen «Biberevents» bietet
• 4 Hirschschnitzel (je circa 200 g ) • 4 Stück «Rêve
du Jura»-Käse (je circa 50 g) • 2 Eier • 100 g Mehl
• etwas Paniermehl • etwas Salz • etwas schwarze
Holunder-Konfi • Bratöl
Zubereitung
1. Für die Cordon bleus Hirschschnitzel mit Messer
seitlich einschneiden. Mit Käse und Holunder-Konfi
füllen, seitlich mit einem Zahnstocher schliessen.
2. Eier in einem tiefen Teller verquirlen. Mehl und
Paniermehl ebenfalls je in einen tiefen Teller geben.
Die Cordon bleus zuerst im Mehl, dann im Ei und
zuletzt im Paniermehl wenden. In einer Bratpfanne
mit genügend Bratöl beidseitig goldgelb ausbacken.
Mit den Spätzli und dem Spitzkabis servieren.
Info Rohe Holunderbeeren sind nicht zum Verzehr
geeignet. Auf dem Bild dienen sie als Dekoration.

70 Schweizer LandLiebe
 ESSEN & TRINKEN

Gemälde zum Essen: Cordon

bleu aus Hirschschnitzel, dazu
ein Stück grillierter Spitzchabis
mit Baumnussbutter und Spätzli
aus Buchweizenmehl, die mit
ein paar gebratenen Kräuter-
seitlingen ­vermengt wurden.

Schweizer LandLiebe 71
ESSEN & TRINKEN
Eine wahre Augen- und
Gaumenweide: Hirschleber-
parfait mit Berglinsen,
Blattsalat und einem mit
Randensaft eingefärbten
pochierten Ei.
der Berner Caterings für die verschie-
densten Anlässe an – auch auf dem
Probstenberg, wenn er für Familienfei-
ern, Hochzeiten oder Geburtstagsfeste
im Gästehaus gebucht ist.
Fleisch, das verbindet
2007 erfuhr Pablo Bobrik erstmals von
Bürgis, als er deren Fleisch durch eine
befreundete Köchin kennenlernte.
«Qualität und Philosophie dahinter ent-
sprachen genau dem, wonach ich lange
gesucht hatte.» Nach der Kochlehre in
einem Hotel habe er sich nach dem Sinn
seiner Arbeit gefragt und wie diese dazu
passen könnte, dass er zu Hause biolo-
gisch kochte und mit nur wenig Fleisch.
«Aber als schweizerisch-argentinischer
Doppelbürger war die Fleischküche
doch auch immer schon ein Teil von mir.
Ich wollte sie aber mit Lebensmitteln
umsetzen, hinter denen ich stehen
kann», sagt Pablo Bobrik. Neun durch-
geführte «Asados» – so heissen die typi-
schen südamerikanischen Grillmahl­
zeiten – und etliche Caterings später ver-
bindet ihn mit Oliver und Cäsar Bürgi
eine enge Freundschaft. Und längst auch
die Überzeugung, dass die vielseitigen
Zubereitungsmöglichkeiten von Hirsch-
fleisch noch etwas mehr Neugierde und
Experimentierfreude verdient hätten.
Unsere Neugierde wird am Ende des
Tages mehr als befriedigt sein, wenn wir
an das Nachtessen aus samtigem Hirsch-
leberparfait zurückdenken, an das raffi-
nierte Tatar aus Hirschherz oder das but-
terzarte Hirschragout. Und als sich die
Sonne hinter den waldigen Jurahügeln
verabschiedet, könnte man sie wieder
fallen hören. Die Stecknadel.
•••
Gästehaus Probstenberg, 2747 Seehof, ­
mail@probstenberg.ch, www.probstenberg.ch
Hof Silberdistel, 4
­ 718 Holderbank,
info@silberdistel-kost.ch, www.silberdistel-kost.ch
«Biberevents» Pablo Bobrik info@biberevents.ch,
Telefon 079 363 76 46, www.biberevents.ch
Mehr Infos zur Hirschzucht Schweizerische
­Vereinigung der Hirschhalter SVH, www.hirsche.ch
72 Schweizer LandLiebe
Hirschleberparfait
mit pochiertem Ei und Berglinsen
Für 4 Personen
Zutaten
• 400 g Hirschleber • 75 g Bratspeck-­
streifen • etwas Thymian­pulver • Salz und
Pfeffer • 50 g Armagnac • 50 g Cognac
• 150 g Rahm, sehr kalt • 300 g Butter, weich
• 250 g Berglinsen • 2 rote Zwiebeln
• etwas Sonnenblumenöl • 1 Zweig Thymian
• etwas Haselnussbalsam (im gut sortierten
Detailhandel erhältlich) • 4 frische Feigen
• etwas Hanföl • etwas Salz • 4 Demeter-
Eier • Eiswürfel • 2 dl Randensaft
• 2 dl Wasser
Zubereitung
1. Am Vortag Backofen auf 150 Grad
­vorheizen (Ober- und Unterhitze). Leber
von allen Sehnen und Äderchen befreien
und in grobe Stücke schneiden.
2. Eine kleine feuerfeste Form mit Speck-
scheiben auskleiden. Leberstücke hinein-
schichten und lagenweise sparsam mit
Thymianpulver, Salz und P­ feffer würzen.
3. Armagnac und Cognac darüberträufeln.
Leber mit einer weiteren Speckscheibe,
die in der Grösse der Form wie ein Deckel
zugeschnitten wird, decken.
4. Die Form in eine grössere Form stellen
und mit so viel kochend heissem Wasser
umgiessen, dass sie etwa zur Hälfte im
Wasserbad steht. Im vorgeheizten Ofen
15 bis 20 Minuten garen (wichtig: die Leber
hin und wieder wenden und kontrollieren;
sie soll noch gut rosa sein und darf auf
­keinen Fall hart werden!).
5. Leber aus der Form nehmen und mit
3 bis 4 Esslöffeln Marinierflüssigkeit und
dem Rahm im Mixer pürieren. Butter
­beifügen und alles n­ ochmals gut mixen.
Masse in eine kleine Terrinenform füllen.
Über Nacht im Kühlschrank fest werden
lassen.
6. Am Serviertag Berglinsen 1 Stunde
in Wasser einlegen, danach kochen
­(bissfest).
7. Zwiebeln in dünne Scheiben schneiden
und mit Sonnenblumenöl andünsten,
­Thymian dazugeben und mit Haselnuss­
balsam ablöschen. Feigen in kleine Würfel
schneiden, unter die Zwiebeln mischen und
mit dem Hanföl und den noch lauwarmen
Berglinsen gut vermischen. Mit Salz
abschmecken.
8 Für die pochierten Eier in einer Pfanne
Wasser zum Sieden bringen, Hitze reduzieren
und knapp unter dem Siedepunkt halten.
Die Eier vorsichtig ins Wasser gleiten
­lassen. Ohne Bewegung 3 bis 4 Minuten im
fast siedenden Wasser lassen.
9. Währenddessen Eiswürfel in eine
­Schüssel mit kaltem Wasser geben.
Mit einer Schaumkelle jedes Ei einzeln
­vorsichtig ins Eisbad heben und so
abschrecken.
10. Randensaft und Wasser in eine
­Schüssel geben. Eier abschütten und in
der Wasser-Randensaft-Mischung
circa 1 Stunde einlegen. Mit den Berglinsen
und dem Hirschparfait servieren.
Tipp Dazu passen saisonaler Blattsalat
nach Wahl, frische Feigen und Essblüten.

Wimmet 2023:
Erntehelfer für einen Tag
Selber bei der Weinlese mitarbeiten und danach mit den Winzern festen:
Swiss Wine lädt zum dritten Mal zur «Am Puls der Ernte»-Teilnahme. Ein Erlebnis!
O
b an einem milden, gol­
denen Herbsttag oder bei
Regen, es macht in jedem
Fall Spass, sich für einen
halben Tag in einen «Weinleselehrling»
zu verwandeln. Die Teilnehmenden
­bekommen eingangs eine Gartenschere
plus Einführung ins Know-how der
Traubenlese. Dann gehts los!
Als Amateur arbeiten Sie Seite an
Seite mit Profis, die gern ihr Wissen wei­
tergeben. Dabei wird es einem inner­
lich und äusserlich warm, auch wenn
Die Schere gehört so selbstverständlich
zur Wimmet wie ein gutes Glas Wein.
IN ZUSAMMENARBEIT MIT
Constantin in Salgesch VS ist
eines der Weingüter, die sich
«Am Puls der Ernte» beteiligen
und Laien zur Lese laden.
sich das Wetter nicht von der besten
Seite zeigen sollte. Warm ums Herz und
warm von der anstrengenden Arbeit.
Dafür erleben Sie einen unvergess­
lichen Tag in der Natur und sind live
beim krönenden Ereignis im Weinjahr
dabei: der Ernte und dem anschlies­
senden geselligen Beisammensein. Ein
schmackhaftes Essen bringt am Schluss
alle Akteure rund um den Schweizer
Nach der Arbeit das Vergnügen: Der Tag
Wein zusammen. «Am Puls der Ernte» schliesst mit einem Essen in geselliger Runde.
lautet der Titel der Veranstaltung, bei
der Sie sich über den komplexen Pro­ Weingütern und mehr als achthundert
zess der Weinproduktion von der Rebe «Leselehrlingen» war «Am Puls der
bis zum Keller schlau machen können. Ernte» jeweils ein grosser Erfolg. Neu
findet der Event an vier Tagen statt: am
«Am Puls der Ernte» dabei sein 23., 24. und 30. September sowie am
Wenn die Trauben voll Zucker sind und 1. Oktober 2023. Melden Sie sich rasch
sich die Rebberge golden verfärben, ist an, die Plätze sind begehrt.
Zeit für die Lese. Swiss Wine führt die
Veranstaltung, die Swiss Wine Valais www.ampulsderernte.ch
vor fünf Jahren ins Leben gerufen
hat, 2023 zum dritten Mal landesweit
durch. Mit über sechzig teilnehmenden Wein massvoll geniessen
 K A R I N S KO S T P R O B E

Spaghetti Karinara
Italiens kulinarischer Ruf ist in Gefahr. Nun will es eine Taskforce gründen,
um die Authentizität seiner Produkte im Ausland zu prüfen. Die Frage ist nur:
Was genau ist original italienisch?
Karin Oehmigen ist Autorin bei der Schweizer LandLiebe. Ihre Carbonara-Sauce bereitet sie mit Rahm und Schinken zu.

D
ie Spaghetti sind beinah al dente, da
läutet es an meiner Tür. Wer kann das
sein – jetzt, zur heiligen Abendessens­
zeit? Ich öffne und stehe vier streng dreinblicken­
den Frauen gegenüber. Eine – sie sieht aus wie
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni –
lupft die Nasenflügel, als wollte sie erschnuppern,
was es zu essen gibt. «Uns ist zu Ohren gekommen,
dass Sie sich nicht an die Originalrezepte der
­italienischen Küche halten», schnauzt sie mich
ohne Begrüssung an. «Ihre Spaghetti alla carbo­
nara bereiten Sie mit Schinken statt mit Speck
und mit Rahm statt mit Eigelb zu. Das ist gegen
die Tradition! Packen Sie Ihre Schürze ein, und
folgen Sie uns!» Ich öffne den Mund, um Meloni
und ihrer Entourage den Marsch zu blasen, da
greift sie nach meinem Handgelenk, und als
ich aushole, um ihr mit dem Kochlöffel eins über­
zubraten, wache ich auf. Schweissgebadet.
Gopferdeckel! Seit ich in der «Süddeutschen
Zeitung» ein Interview mit Alberto Grandi
­gelesen habe, träume ich ständig solch komische
Sachen. Grandi ist Professor für Lebensmittel­
geschichte an der Universität von Parma und der
Mann, den seine Landsleute am liebsten zu Pesto
verarbeiten würden. Der Grund: Er hat publik Pecorino Romano und Pfeffer. Alles andere gilt
­gemacht, dass viele der als uritalienisch geltenden als Blasphemie und soll in Zukunft mit einer
Speisen Erfindungen jüngeren Datums sind. Wie Taskforce geahndet werden.
die Salsa bolognese, die Pizza, der Panettone, der Va bene! Bis die bei mir auf der Matte steht,
Parmesankäse und – ein Schock für alle Römerin­ werde ich meine Carbonara-Sauce ungeniert mit
nen und Römer – die Spaghetti carbonara. Rahm verfeinern. Den Tipp habe ich übrigens
Ausgerechnet die, angeblich in den Pfannen von einer Italienerin: Virginia Cerabolini, einst
eines römischen Köhlers geboren, sind in Wahr­ Mitglied der Accademia Italiana della Cucina und
heit einigen hungrigen amerikanischen Soldaten Mitautorin von Marianne Kaltenbachs Kochbuch
zu verdanken. Weiss Grandi. 1944, als die US- «Aus Italiens Küchen». Auch in Virginias Familie
ILLUSTRATION RENÉ FEHR

Truppen den adriatischen Sektor besetzten, war
ein gewisser Renato Gualandi Küchenchef in
Riccione bei Rimini. Der kochte auch für die
Soldaten und verwendete, was deren Lebensmit­
telrationen hergaben: Speck, Eipulver, Rahm –
vermutlich aus der Büchse –, Pfeffer und Nudeln.
Rahm! Als die italienischen Puristen das
FOTO DANNIEL SANER
wurde die Carbonara bisweilen mit Rahm zube­
reitet. Doch bevor der ins Spiel respektive in die
Sauce kommt, schneide ich gekochten Schinken –
Speck ist mir zu dominant – in kleine Würfel,
brate sie an, lösche mit etwas Weisswein und
Bouillon ab, rühre Halbrahm und zwei Esslöffel
Crème fraîche darunter und lasse das Ganze zu

hörten, bedachten sie den armen Professore
Grandi mit allen nur erdenklichen Flüchen. Für
sie darf eine Carbonara-Sauce nur aus den heili­
gen vier Zutaten bestehen: Guanciale – ungeräu­
chertem Speck von der Schweinsbacke –, Eigelb,
einer sämigen Sauce einköcheln. Die schmecke
ich mit schwarzem Pfeffer, etwas gemahlenem
Chili und Pecorino ab und ziehe die al dente
­gekochten Spaghetti darunter. Schmeckt «fan­
tastico» – Meloni bekommt nichts davon ab!

74 Schweizer LandLiebe Marianne Kaltenbachs Kochbuch ist im Herbst 2023 wieder zu haben. www.echtzeit.ch
 ESSEN & TRINKEN

RAN AN DEN HERD!

Brot und Genussspiele

In «Toast it!» verwandelt Autorin Prue Leith belegte Brote, Sandwiches und Toasts in herrliche
kleine Festessen. So wie ein Chilibrot, das sie mit Balsamico-Auberginen und Kürbiskernen krönt.
«Glückseligkeit auf Toast» lautet
der Titel der englischen Originalausgabe
«Toast it!» übersetzt. Glückselig dürften
auch alle Fans von Toasts, Sandwiches oder
belegten Brötli lächeln, wenn sie Prue Leiths
Kochbuch durchblättern. Das neuste Werk
der südafrikanischen Gastronomin, Kulina-
rikautorin und Moderatorin – 83-jährig und
in ihrer Wahlheimat England längst eine
Legende – ist im DK-Verlag auf Deutsch
erschienen. In fünfundsiebzig Rezepten
­liefert die Expertin inspirierende Ideen und
hilfreiche Tipps, wie das immer gleiche
Käsesandwich oder das längst langweilige
Salamibrötli endlich einen kreativeren
Zuwachs bekommt. Dazu gehören auch
viele vegane oder vegetarische Variationen –
darunter dieses zum Reinbeissen feine,
gemüsig belegte Chilibrot. SAG
FOTOS HAARALA HAMILTON / DK VERLAG REZEPTE: PRUE LEITH
Zutaten Für 2 Personen
• 2 TL Kürbiskerne • 1 mittelgrosse
­Aubergine • circa 2 EL Balsamico-Creme
• 2 EL Olivenöl, plus mehr für die Pfanne
• 2 EL Mayonnaise • 1 EL Tomatenmark
• 2 Knoblauchzehen, zerdrückt • ½ roter
Chili, fein gehackt, oder 1 Prise Chiliflocken
(nach Belieben, falls Sie kein Chilibrot
­finden) • 2 Scheiben Chilibrot (oder
­anderes Brot nach Wahl) • 1 EL frisch
gehackter Oregano • Meersalzflocken
• frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Zubereitung
1. Kürbiskerne in einer Pfanne ohne Fett
unter Rühren rösten. Sie platzen und sprin-
gen hoch. Auf eine kalte Untertasse geben.
2. Die Aubergine in 6 dicke Scheiben
schneiden.
3. Balsamico-Creme und Öl in einer
­kleinen, flachen Schale verquirlen.
Die Auberginen darin wenden und
10 Minuten marinieren.
4. Eine Grillpfanne erhitzen.
Die Auberginenscheiben darin braten,
bis sie unten braun und durchgebraten
sind. Die zweite Seite muss nicht extra
gebraten werden.
5. Die Mayonnaise mit Tomatenmark,
Knoblauch und Chili (falls verwendet)
­verrühren.
6. Das Brot rösten und dick mit der
­Mayonnaise bestreichen. Mit der Hälfte
des Oreganos bestreuen. Die warmen
Auberginenscheiben mit der gebräunten
Seite nach oben darauflegen, salzen und
pfeffern. Mit Kürbiskernen und restlichem
Oregano bestreuen.

Bücher zu gewinnen!
«Toast it! Krosse Brotscheiben üppig belegt»
von Prue Leith, DK-Verlag, 2023, 192 Seiten, circa Fr. 25.90
Gewinnen Sie eines von drei Exemplaren. Schreiben Sie
per Mail an redaktion@landliebe.ch, Vermerk: Toast, per Post an
­Redaktion Schweizer LandLiebe, Vermerk: Toast,
­Hasenackerstrasse 86, 8704 Herrliberg, oder scannen
Sie den nebenstehenden QR-Code.
Einsendeschluss ist der 29. September 2023.
Schweizer LandLiebe 75

UrDinkel in
geistreicher Form
Hundert Prozent Schweiz – vom Samenkorn bis ins Glas: In Muhen AG
­produziert Urs Lüthy authentischen Whisky – auch aus UrDinkel.
E
s hört sich an wie ein Naturkonzert:
Leise plätschert ein Brunnen, beglei-
tet von Vogelgezwitscher und dem
­leisen Summen der Bienen und Hummeln.
Mitten in dieser Idylle liegen Bauernhof
und (Whisky-)Brennerei von Urs Lüthy.
«Willkommen in Muhen im schönen
Suhrental», begrüsst uns Urs Lüthy
freundlich mit Handschlag, schultert
­einen grossen, langstieligen Hammer und
schnappt sich ein ovales Schild, das an
­einem Pfahl befestigt ist. «Wollen Sie mich
begleiten?», fragt er mit auffordernder
Geste. Klar wollen wir, allein schon, um
zu erfahren, was er mit Schild und Ham-
mer vorhat. Nach wenigen Minuten Fuss-
marsch stehen wir am Rand eines riesi-
gen Felds. «Hier habe ich UrDinkel ange-
baut», erzählt Urs Lüthy. «Es ist Pflicht,
Chornfelder gut sichtbar auszuschildern.»
Sagts und haut das, wie wir jetzt sehen,
mit «UrDinkel» beschriftete Schild mit
einem kräftigen Schlag in die Erde. «Schon
die ­alten Römer haben hier Ackerbau
­betrieben», erzählt er, «wir haben sehr
fruchtbaren Boden.»
Wieder zurück auf dem Hof führt uns
der Meisterlandwirt in den alten Kuhstall.
Vier hohe, kupferne Brennöfen glänzen
hier um die Wette – sie sind das Herzstück
der Brennerei von Urs Lüthy. Seine Spe-
zialität – nebst Gin, Obstbränden, Single
Schweizer ­Getreidekultur
Seit 1995 setzen sich Landwirte, Mül-
ler und Bäcker der IG Dinkel für die
Erhaltung dieser einzigartigen Getrei-
dekultur ein. Unter dem Gütesie­gel
«UrDinkel» b­ auen sie unter anderem
die Sorte «Oberkulmer Rotkorn» an,
die vor über hundert Jahren im aargau-
ischen Oberkulm gezüchtet w ­ urde.
Von 8. bis 10. September feiert
­Oberkulm die Sorte mit einem Fest.
www.oberkulmer-rotkorn.ch
Urs Lüthy produziert
­verschiedene Whisky-Sorten.
Die aus UrDinkel ist
aber mit keinem anderen
Whisky vergleichbar.
Malt (Gerste), «Böörbon Pure Swiss Corn
(Mais) Whiskey» (nach amerikanischem
Vorbild) oder «Pure Swiss Rye (Roggen)
Whisky» – ist der «UrDinkel Spelt
Whisky», für den er an der nationalen
Prämierung der besten in der Schweiz pro-
duzierten Spirituosen Distisuisse 2021/22
ausgezeichnet wurde.
Wie lange hat er an dieser UrDinkel-
Kreation getüftelt? «Es hat schon ein paar
Anläufe gebraucht, bis wir so weit waren
und sagen konnten, dass wir mit der Qua-
lität zufrieden sind. Die ersten Versuche
gingen ziemlich in die Hose», verrät er
und lacht herzlich. Mindestens drei Jahre
und einen Tag lagert der UrDinkel-
Whisky in alten Eichenfässern, bevorzugt
in ehemaligen Blauburgunderfässern.
­«Wegen der Farbe und dem Geschmack»,
FOTOS RENÉ RUIS
erklärt der Whisky-Brenner. Je älter, desto
besser? «Das ist relativ, denn es ist reine
­Geschmackssache. Was hingegen zutrifft:
je älter, desto teurer», sagt der 52-Jährige

Der UrDinkel ist ein Spelzgetreide.
Jede Fese (Ähre) trägt zwei Körner.
Ein letzter Kontrollblick in den
­Brennofen, und der Prozess beginnt.
Der Whisky lagert in alten Blau­
burgunderfässern aus Eichenholz.
UrDinkel-Felder sind mit
Schildern gekennzeichnet.
mit breitem Grinsen. «Whisky muss
­übrigens mindestens 40 Prozent Alkohol-
volumen haben. Mein ‹UrDinkel spelt
Whisky› kommt auf 43 Prozent.»
Wer sich für die Kunst des Brennens
interessiert, dem zeigt Urs Lüthy sein
Handwerk gern nach vorhergehender
­Anmeldung (www.brennerei-luethy.ch).
IN ZUSAMMENARBEIT MIT
UrDinkel-Whisky-Gewürzroulade
Zutaten Biskuit Für circa 15 Stück
• 5 Eiweiss • 1 Prise Salz • 90 g Zucker
• 1 TL Vanillezucker • 5 Eigelb
• 110 g UrDinkel-Halbweissmehl oder
-Weissmehl • Backpapier für das Blech
Zutaten Füllung
• 1 bis 1½ dl UrDinkel-Whisky
• 250 g Ricotta • 3 bis 4 EL Rohzucker
• 1 TL Sandelholzpulver • 1 TL Zimt
• ½ TL Ingwerpulver • 1 Päckchen Vanille-
zucker • Puderzucker für die Garnitur
Zubereitung
1. Backofen auf 200 Grad Heissluft/
Umluft (220 Grad Ober- und Unterhitze)
vorheizen. Blechrücken mit Backpapier
belegen.
2. Biskuit: Eiweisse mit dem Salz steif
schlagen. Zucker einrieseln lassen,
­weiterschlagen, bis die Masse glänzt.
Vanillezucker und Eigelbe beifügen, nur
UrDinkel-Pesto-Knäckebrot
Zutaten Für circa 60 Stück
• 200 g UrDinkel-Vollkornmehl • 2 Msp
Salz • frisch gemahlener Pfeffer • 1 EL fein
gehackte Rosmarinnadeln • 50 g Butter,
in Stückchen • 3 EL Tomatenpesto • circa
½ dl Wasser • Backpapier für die Bleche
kurz darunterrühren. Mehl dazusieben,
sorgfältig mit dem Gummischaber
­darunterziehen und auf dem mit Back­
papier belegten Blechrücken circa 1 cm
dick ausstreichen. Sofort in der Mitte
des vorgeheizten Ofens 6 bis 8 Minuten
hellbraun backen.
3. Biskuit samt Backpapier auf eine
­hitzestabile Fläche gleiten lassen, Biskuit
mit dem heissen Blech zudecken und
­auskühlen lassen.
4. Biskuit auf ein neues Backpapier
­stürzen, oberes Backpapier abziehen.
5. Füllung: Biskuit mit dem Whisky
beträufeln. Ricotta darauf verstreichen.
Zucker mit den Gewürzen mischen.
1 Teelöffel davon für die Garnitur
­beiseitestellen. Gewürzzucker auf dem
Ricotta verteilen. Biskuit satt aufrollen
und bis zum Servieren kühl stellen.
6. Die Roulade kurz vor dem Servieren
mit Puderzucker und dem restlichen
Gewürzzucker bestreuen.
Zubereitung
1. Mehl, Salz, Pfeffer und Rosmarin
mischen, Butter zugeben und mit den
Händen feinkrümelig reiben. Tomaten-
pesto und Wasser zugeben, zu einem
weichen, glatten Teig zusammenfügen,
nicht kneten. Zugedeckt 1 Stunde
kühl stellen. Backofen auf 180 Grad
­vorheizen.
2. Teig portionieren und 2 mm dünn
­ausrollen, in beliebige Formen schneiden
oder in Formen ausstechen und auf mit
Backpapier belegte Bleche legen. Nach
Belieben mit einer Gabel mehrmals
­einstechen.
3. Blech in der Mitte in den Ofen
­schieben, Knäckebrot bei 180 Grad 8 bis
12 Minuten backen, auf einem Gitter
­auskühlen lassen.
ESSEN & TRINKEN

Hat ein glückliches

Händchen für Teig:
Bäckermeister,
­Youtube-Star und
Buchautor Marcel Paa
aus Sins AG.

Das Backen ist

des Marcels Lust
Über Stock und Stein läuft es sich mit Wanderbrötli im Rucksack noch besser.
Backprofi Marcel Paa kennt das Rezept für den knusprig-gesunden Proviant.
Text Sabrina Glanzmann Fotos und Styling Veronika Studer

A
uf dem Gipfel über die ein­malige
Aussicht staunen, sich auf dem
Seeuferweg über das glitzernde
Wasser freuen oder ein paar erfrischende
Momente in der kühlen Schlucht genies­
sen: Eine Wanderung hält so manchen
Höhepunkt bereit. Für Marcel Paa ist
sonnenklar: «Auch die richtige Ver­
pflegung soll ein solcher Höhepunkt
sein.» Mit ein paar Wanderstunden in
den Beinen gebe es schliesslich nichts
Besseres, als eine verdiente Pause ein­
zulegen und Energie zu tanken – Ener­
gie, die auch durch den Magen geht. Der
Bäckermeister aus Sins AG schwört auf
Brötli aus einem Teig aus Vollkornmehl,
Haferflocken, getrockneten Aprikosen,
Nüssen. Mit dieser geballten Ladung
an Ballaststoffen machen sie müde Wan­
dervögel wieder munter, und dank ihrer
praktischen rechteckigen Form finden
sie garantiert in jedem Rucksack ein
Plätzchen.
Nicht ohne Joghurt und Apfel
Zwei Zutaten sorgen bei den Wander­
brötli für noch mehr des gewissen
­Extras: «Joghurt macht den Teig noch
geschmeidiger, feiner und nicht zuletzt
auch aromatischer. Und der geraffelte,
frische Apfel gibt dem Ganzen zusätz­
lich Feuchtigkeit», sagt der Profibäcker.
Die Brötli sind dank der leichten Süsse
des Apfels und den getrockneten Apri­
kosen herrlich zu würzigem (Vegi-)Land­
jäger und eine ideale Grundlage für alle
Käsesandwiches (Tipp: mit Blauschim­
melkäse versuchen).
Keine Frage: Die Vorfreude auf die
nächste Tour ist ab sofort noch grösser.
•••
Marcel Paas Rezepte und Videos rund
ums Backen auf @marcelpaa_einfachbacken
und www.marcelpaa.com
Marcel Paa beim Backen
der Wanderbrötli
­zuschauen: Mit dem
­ R-Code gehts zum Video.
Q

78 Schweizer LandLiebe
 Mach mal Pause:­
Mit selbst gebackenen
Brötli und anderen
Leckereien nach Wahl
bringt man sich und sein
­Wandergrüppli ganz
sicher nicht vom rechten
Weg ab – zumindest
kulinarisch nicht.

Schweizer LandLiebe 79
ESSEN & TRINKEN

Gesund mit
­fruchtig-knackiger
Note: die Zutaten
für Marcel Paas
­Wanderbrötli auf
einen Blick.

Wanderbrötli
Ergibt 12 Stück
Zutaten Quellstück
• 1 Apfel mit der Schale, entkernt (circa
100 g) • 30 g Haferflocken • 140 g griechi-
scher Joghurt nature (Alternative: Mager-
quark oder Skyr) • 20 g Honig oder
20 g Zuckerersatz «Hello Sweety»
Zubereitung Quellstück
Am Vortag Apfel raffeln und mit
­Haferflocken und Joghurt in einer Schüssel
mischen. Zudecken und über Nacht in
den Kühlschrank stellen.
Zutaten Hauptteig
• Quellstück • 500 g Weizenvollkorn-
mehl • 14 g Salz • 10 g Frischhefe
• 50 g Sauerteig (optional) • 300 g Wasser
• 40 g M
­ andeln, Haselnüsse oder andere
Nüsse nach Wahl, geröstet • 140 g getrock-
nete Aprikosen • 30 g Rosinen
Zubereitung Hauptteig
1. Am Backtag Alle Zutaten bis und mit
Wasser zu einem Teig kneten (schonend
und nicht länger als 15 Minuten).
2. Nüsse hacken, die getrockneten
­Aprikosen in kleine Stücke schneiden.
Am Ende der Knetzeit beides gleichmässig
unter den Teig mischen.
3. Teig in eine rechteckige Teigwanne oder
ein rechteckiges Gefäss geben (ideal ist zum
Beispiel ein Kunststoffgefäss von circa 24 x
18 Zentimetern, im Detailhandel erhältlich)
und 1 Stunde bei Raumtempe­ratur gehen
lassen. Dann zugedeckt über Nacht in den
Kühlschrank stellen (maximal 16 Stunden).
Alternative: Teig für 3 bis 4 Stunden bei
Raumtemperatur gehen lassen, während-
dessen 1- bis 2-mal dehnen und falten.
Zutaten Formen und Dekorieren
• etwas Weizenvollkornmehl zum
­Bemehlen • 50 g Haferflocken
• 50 g Mandeln, sehr fein gehackt
Formen, Dekorieren und Backen
1. Arbeitsfläche bemehlen, Teig aus dem
Gefäss nehmen und mit feuchten Händen
flach zu einem Rechteck von circa 3­ 0 x
20 x 3 cm drücken (A). Mit Wasser
bestreichen (B) und mit gehackten Man-
deln und Haferflocken bestreuen (C).
2. Teig in 12 Stücke teilen. Dafür mit einem
­Messer oder Teigabstecher zuerst von
­beiden Seiten her halbieren, also ein Kreuz
schneiden, dann die zwei entstandenen
Streifen in je sechs circa gleich grosse Stücke
schneiden (D). Teiglinge nebeneinander
auf ein mit Backpapier belegtes Backblech
legen. Jedes Stück sollte circa 9 x 6 cm
gross sein – bei Bedarf zu lange Stücke von
Hand leicht zusammenstossen (E). 40 bis
50 Minuten gehen lassen.
3. Ofen auf 230 Grad Ober- und Unterhitze
vorheizen. Backblech in den Ofen geben
und mit Dampf 5 Minuten anbacken (bei
Öfen ohne Dampffunktion: eine backfeste
Schüssel mit Wasser bereits beim Vorheizen
mit aufs Backblech stellen). Temperatur auf
220 Grad reduzieren und die Brötchen für
weitere 20 Minuten fertig backen.
Tipps Dinkelvollkornmehl verwenden
und die Wassermenge auf 250 Gramm
reduzieren. Dem Quellstück noch Leinsamen
und Sonnenblumenkerne beimischen.
Hinweis Bei der Teigzubereitung mit der
Wassermenge vorsichtig umgehen, weil sie
die Konsistenz beeinflussen kann. Eine
gute Methode ist, zunächst 10 bis 15 Pro-
zent der Wassermenge (30 bis 45 Gramm)
zurückzuhalten und bei Bedarf nach und
nach mehr beizufügen. So lässt sich die
Teigfestigkeit besser kontrollieren.

«Backen mit weniger Zucker» von Marcel Paa bestellen

Lust auf weitere raffinierte Backrezepte von Amaretti rustici bis Zwetschgenkuchen?
«Backen mit weniger Zucker» von Marcel Paa, LandLiebe-Verlag, 172 Seiten, Fr. 48.–
(für Abonnentinnen und Abonnenten Fr. 38.– ). S­ cannen Sie mit Ihrem Handy
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80 Schweizer LandLiebe
 Bevor der
Berg ruft, ruft der
Backofen
A

«Ich packe in meine Brotdose …»: Marcel Paa legt

seine Wanderbrötli und ein paar Äpfel bereit.

Sanfte Massage: Nachdem der Teig genügend lange ruhen konnte,

mit angefeuchteten Händen leicht flach drücken.

B C

Unsichtbarer Anstrich: das Teigrechteck mit Wasser bepinseln, Grosszügige Dekoration: den ganzen Teig komplett mit den
damit die Nüsse und die Haferflocken dann gut haften. sehr fein gehackten Nüssen und den Haferflocken bestreuen.

D E

Halbe Portionen: Das Teigrechteck von beiden Seiten in der Mitte Letztes Büscheln: Sollten die Teiglinge zu unterschiedlich lang sein,
anschneiden, dann in zwölf gleich grosse Stücke teilen. diese vor dem Backen von Hand in eine ähnliche Grösse bringen.

Schweizer LandLiebe 81
 Hoher Wohlfühlfaktor:
Der Wintergarten
im Parterre ist der
­perfekte Ort für ruhige
Stunden. Tochter Ines
hat es sich, wie so oft,
mit einem Buch
­gemütlich gemacht.

82 Schweizer LandLiebe
 HAUSBESUCH

Wie in den Ferien

Luftig, fröhlich, gemustert: Die Designerin Lorine Driot hat die Leichtigkeit
des Südens in ihr Daheim in Collonge-Bellerive GE am Genfersee geholt.
Text Claudia Langenegger Fotos Catherine Gailloud

Schweizer LandLiebe 83
HAUSBESUCH

«Das Einrichten
ist meine
Leidenschaft»

B
Bei Lorine Driot sitzt man im Wohnzim-
mer mitten im Grünen – zumindest fühlt
es sich so an: Ein grosser, halbrunder
Wintergarten mit Wänden und Decke
aus Glas erstreckt sich fast über die ganze
Breite des Hauses und erweitert das
­Parterre um einen einzigartigen Raum.
Man sieht in den Garten, der von einer
hohen Hecke und Bäumen umgeben ist.
«Wir verbringen viel Zeit hier. Besonders
gemütlich ist es im Herbst, wenn es zu
kühl wird, um draussen zu sitzen», sagt
Lorine Driot. Platz hat es für die ganze
Familie genug.
Vor zwölf Jahren ist die Wahl­genferin
mit ihrem Mann und den beiden ­Kindern
hierhergezogen, in dieses beschauliche
Villenviertel in Collonge-Bellerive am Alt und neu geschickt kombiniert: Die Vintage-Lampe neben dem französischen
Genfersee. Unweit von ihrem Haus führt Designermöbel hat Lorine Driot auf dem Flohmarkt Saint-Ouen in Paris gefunden.
ein Pfad zu einem kleinen öffentlichen
Strand hinab. Lorine Driot, die auch
schon in Grossstädten und der Karibik
gelebt hat, möchte hier nicht mehr weg. Bambusrohr. Das Erstaunliche bei der mir freie Hand, er mag meinen Stil. Ich
«Die Gegend ist sehr sicher, die Leute ganzen Vielfalt an Farben, Materia- kann also auch mal ein rosa Möbelstück
sind viel freundlicher als anderswo, und lien und Mustern – alles passt perfekt wählen – wie die Kommode im Schlaf-
die Lebensqualität ist hoch.» zusammen. zimmer oder das Sofa im Parterre», sagt
Der frische Duft des Spätsommer- Leichtfüssig führt die 44-Jährige sie mit einem ­Augenzwinkern.
morgens strömt durch die offenen durchs Haus und erzählt, wo sie die Einen Blick ins Grüne hat man nicht
­Verandatüren. Im Haus herrscht eine ­Möbel und Accessoires aufgespürt hat. nur vom Wintergarten aus, sondern auch
unbeschwerte Leichtigkeit. Stühle und Die Kommoden, Tapeten und Tische von der Küche auf der Hinterseite des
Sessel sind vielfältig gemustert, auf sind fast alle aus franzö­sischen und bri- Hauses: Fenster und Decke sind hier
­einem Teppich wachsen Blumen, auf tischen Designhäusern, es hat Teppiche ebenfalls durchgehend aus Glas. Wenn
­einem anderen scheinen Vogelfedern aus dem zentralasiatischen Usbekistan Lorine Driot nach der Arbeit ihre beiden
zu liegen, der Marmor des Couchtischs und aus Marokko, Lampen aus Paris, Kinder von der Schule abgeholt hat,
leuchtet in Türkis, ein Beistelltisch in ­Geschirr aus Dubai und Ibiza. Die bei- ­bereitet sie hier das Abendessen für die
fröhlichem Gelb, das Sofa trägt sanftes den Sessel hat sie im Möbel- und Pols- Familie zu. Es gibt bei ihr ­ausschliesslich
Rosa, und Vogelmasken gucken von tergeschäft einer Freundin in Genf vegetarische Kost. «Es ist unnötig, jeden
der Wand. Immer wieder entdeckt man ­erstanden. «Ich liebe das ­Einrichten, es Tag Fleisch zu essen. Weniger Fleisch
Elemente aus exotisch anmutendem ist meine Leidenschaft. Mein Mann lässt ist gesünder und besser für die Umwelt.

84 Schweizer LandLiebe
 Ein Duft wie am
­Mittelmeer. Auf der
Terrasse wachsen
­Rosmarinsträucher
und ein grosser Oliven-
baum. Hier bleibt es an
heissen Sommertagen
auch tagsüber
schattig und kühl.

Farbenfrohe Fernseh-
ecke: Vor dem flauschi-
gen rosa Sofa steht ein
­türkis Marmortisch mit
­Bambusfuss. Schweizer LandLiebe 85
Bunt, vielfältig und heiter: Lorine
Driot wählt beim Einrichten meist
zuerst Stoffe und Muster aus,
danach kommen die Möbel dazu.
Der Teppich ist ein Einzelstück
aus Usbekistan.

86 Schweizer LandLiebe
 HAUSBESUCH

«Die
Atlantik-
küste hat
mich
geprägt»

Fleisch und Fisch essen wir nur noch im

Restaurant.» Wenn immer möglich deckt
sie auf der Terrasse auf. Mit dem Oliven-
baum und den hohen Rosmarinsträu-
chern fühlt es sich hier an, als wäre man
in den Ferien am Mittelmeer. «Ich liebe
das mediterrane Flair», sagt sie.

In der weiten Welt daheim

Lorines Liebe zum Süden kommt nicht
von ungefähr. Aufgewachsen in einer
gut situierten Familie im französischen
Bordeaux, hat sie in ihrer Kindheit und
Jugend viel Zeit in den endlosen Dünen
der Atlantikküste verbracht, die bloss
ein Katzensprung entfernt war. «Das hat
mich geprägt. Ich mag die Dünenland-
schaft, die wilde Vegetation, das Meer
und das Surferfeeling.»
So sehr, dass sie in jungen Jahren
auf die Karibikinsel Saint-Barthélemy
gezogen ist. «Doch nach einem Jahr war
genug, ich brauche die Jahreszeiten»,
erinnert sie sich lachend. Sie sehnte sich
auch nach der Normalität des Lebens
und nach der Grossstadt. «Ich liebe
eben auch das quirlige ­Stadtleben, die
Betriebsamkeit von Metro­polen mit
­ihrer Kunst, Mode und Kultur.»
Nach ihrem Studium in Wirtschafts-
recht lebte und arbeitete sie in Paris,
­danach mit ihrem Mann, der im Finanz-
sektor tätig ist, sieben Jahre in London.
Als er wegen seiner Arbeit nach Genf
­ziehen musste, war sie unsicher, ob ihr
das Leben in der beschaulichen Schweiz
gefallen würde. Doch nun fühlt sich
­Lorine Driot auch abseits allen Trubels
wohl. Und wenn ihr die Grossstadt fehlt,
Den Sommer im Gesicht: Sohn Andréa, 14, und Tochter Ines, 11, mit «Maman»
auf der Terrasse. Sie trägt am liebsten Kleider und Sandalen ihrer eigenen Marke.
packt sie ihren Koffer und reist los: Der Farben spielen lassen: Für das Flecht-
Flughafen ist nur zwanzig Minuten von werk der Stühle in der Küche hat sie
ihrem Wohnort entfernt, und vom Bahn- ­Elfenbein, Aquamarin, Altrosa und
hof Genf ist sie mit dem Zug in bloss drei ­Bordeaux kombiniert, für die Terrasse
Stunden in Paris. Dort besucht sie jeweils ein blaugrünes Zickzackmuster gewählt.
den Marché aux Puces de Saint-Ouen – Ebenfalls eine Hommage an die franzö-
das ist ihr Lieblingsflohmarkt und der sische Metropole ist das Badezimmer im
grösste Flohmarkt weltweit. Die Vintage- ersten Stock: Die weissen, rechteckigen
Lampen in ihrem Zuhause hat sie alle Fliesen sind den alten Pariser Metro­
dort aufgestöbert. stationen nachempfunden, die Spiegel
Die französische Metropole hat sie und Lampen sind Vintage-Stücke vom
auch anderweitig in ihr Daheim geholt. Flohmarkt.
Die Bistrostühle in der Küche und auf «Ich habe Glück», sagt Lorine Driot,
der Terrasse stammen aus einer Pariser «ich habe die Möglichkeit, viel zu reisen.
Manufaktur, die bereits 1885 die ersten Die Reisen sind wie Nahrung für mich.
Stühle für Strassencafés herstellte. Auch
hier hat Lorine Driot ihre Freude an den Fortsetzung Lesen Sie weiter auf Seite 90

Schweizer LandLiebe 87
Ein Hauch französische
Metropole am Genfersee:
Die weissen Fliesen sind
historischen Pariser Metro-
stationen nachempfunden.
Der Teppich ist Handarbeit
aus Marokko, die Decken-
lampe stammt aus einer
Manufaktur in England.

Im Badezimmer
in den Pariser Chic
eintauchen

88 Schweizer LandLiebe
 HAUSBESUCH

Farbenfroh unter dem Olivenbaum: Hier schmeckt das Essen besonders gut. Rings um den Tisch stehen Bistrostühle aus Paris.

Kochen mit Aussicht: draussen knalliges, drinnen sanftes Grün. Die Küchenausstattung ist eine Massanfertigung aus Lausanne.

Schweizer LandLiebe 89
HAUSBESUCH
Im luftigen Boho-Style
schlafen und arbeiten
Lesen Sie weiter Fortsetzung von Seite 87
Sie bringen mich auf neue Ideen.»
­Unterwegs in fernen Ländern hält sie
stets nach schönen Stoffen Ausschau.
«Ich liebe Textilien und Muster. Sie kom­
men beim Einrichten als Erstes, danach
kommt der Rest.»
Vom Handwerk inspiriert
Ihre Reisen und die Faszination für
­Textilien haben sie vor gut zehn Jahren
auf die Idee gebracht, Sommersandalen
mit handgefertigten Textilbändern aus
aller Welt zu kreieren. Vor neun Jahren
­gab sie ihren Job auf und gründete
ihr Label Nupié. Bei diesem setzt sie
90 Schweizer LandLiebe
voll auf Handarbeit: Die Ledersohlen
der Sandalen lässt sie in einem Familien­
betrieb in der Toskana produzieren,
die farbigen Bänder werden von tradi­
tionellen Textilarbeiterinnen auf der
ganzen Welt hergestellt. Lorine Driot hat
die Stoffbänder bei Weberinnen in Thai­
land und Myanmar in Südostasien, im
zentralamerikanischen Guatemala und
in Mexiko entdeckt. «Ich bin begeistert
von den Fertigkeiten dieser Frauen. Ihre
­Arbeiten sind unglaublich, so fantasie­
voll und farbenfroh.»
Die Textilbänder kauft Lorine Driot
jeweils direkt bei den Arbeiterinnen vor
Ort. Bei ihren Sandalen geht es ihr nicht
nur um Mode, sie will damit auch loka­
Schlafzimmer einer
Globetrotterin: Die
palmengeschmückte
Tapete erinnert an
die üppige Natur in
tropischen Gefilden.
les, alteingesessenes Handwerk unter­
stützen. «Wir müssen dafür sorgen, dass
es erhalten bleibt.» Ihre farbenfrohen
Sandalen wurden schnell ein Erfolg,
sie laufen so gut, dass sie mittlerweile
auch Blusen, Hemden und Röcke für ihr
Label designt.
Bald wird es in der Schweiz zu kalt
sein, um den ganzen Tag in Sandalen
­herumzulaufen. Doch die Globetrotte­
rin wird einen warmen Ort finden, an
dem sie das Sommergefühl in Sandalen
verlängern kann.
•••
Die handgefertigten Sandalen und
Sommerkleider vertreibt Lorine Driot online
unter www.nupie.fr.
 Lorine Driot in ihrem ­Element:
Die Sommersandalen sind
ihre Erfindung. Die Stoffbänder
kauft sie bei traditionellen
Weberinnen in der ganzen Welt.
Die Fotos an der Wand hat
ihr Mann ausgesucht – er ist
ein Fan von Oldtimern und
schnellen Autos.

Schweizer LandLiebe 91
A LT E S H A N D W E R K

92 Schweizer LandLiebe
 Konzentration und Leiden-
schaft: Wenn Rebecca Frei
am Webstuhl sitzt, vergisst
sie die Welt um sich herum.
Das gleichmässige «Klick,
klack, wumm», wie die Schrift-
stellerin und Nachbarin Donna
Leon den Klang der Webstühle
beschreibt, ist bis auf
die Strasse hinaus zu hören.

Alles in Schuss
Bei Tessanda, der ältesten Handweberei der Schweiz, klappern die Webstühle
so munter wie nie zuvor. Die Manufaktur, seit fünfundneunzig Jahren in
Santa Maria Val Müstair GR zu Hause, ist auf Erfolgskurs. Dank den Frauen,
die das alte Handwerk am Leben erhalten und an seine Zukunft glauben.
Text Karin Oehmigen Fotos Nik Hunger

Schweizer LandLiebe 93
 Zeigt her eure
Füsse, zeigt her
eure Schuh

Versierte Fussarbeit: Durch das

Treten des Pedals öffnet die
Weberin einen Schaft im
Webstuhl. Nun ist der Weg frei
für den Faden, den sie mithilfe
eines Schiffchens durch die
Längsfäden schiesst. Bis zu zwölf
Pedale muss sie beherrschen.

94 Schweizer LandLiebe

G
Glück gehabt! Der Postautochauffeur
konnte gerade noch rechtzeitig ­bremsen.
Eine junge Frau springt erschrocken zur
Seite. Statt auf den Verkehr zu achten –
die Strasse durch Santa Maria verlangt
Aufmerksamkeit –, hat sie nur Augen
für den Schal einer Passantin. Der textil
gewordene Traum mit einem Muster in
zartem Lindgrün «würde wunderbar zu
meiner Leinenbluse passen», denkt die
Frau, und die Passantin scheint ihren
Gedanken erraten zu haben. «Dort drü-
ben habe ich ihn gekauft», sagt sie und
deutet auf ein blassrosa Haus. ­«Tessanda
Val Müstair Webstube» steht in Sgraffito-
Schrift auf der Fassade. Im Erdgeschoss
gebe es einen sehr hübschen Shop. «Aber
passen Sie bitte gut auf sich auf!»
Mit ihrem Rat hat die Passantin nicht
nur die verkehrsreiche Strasse gemeint.
Tessanda, die älteste und grösste der
­raren Handwebereien der Schweiz, ist ein
Paradies für alle, die Freude an exklusi-
ven Textilien haben. Im modern gestal-
teten Laden ist schon so mancher und
manche in einen Kaufrausch geraten.
Selbst Alltägliches wie der «Sdradsch»,
rätoromanisch für Lumpen, ist ein
kunstvoll gewobenes Objekt, das man
am liebsten in allen fünfzehn ­Farben
­besitzen würde. Ganz zu schweigen von
den leinenen Küchentüchern, den Ser-
vietten, Tischläufern, Hand­taschen und
den nach Mass gefertigten Teppichen.
«Tac-tac, tac-tac, tac-tac» – das
rhythmische Klappern der Webstühle
ist bis auf die Strasse hinaus zu hören.
Siebenundzwanzig dieser von Hand
­betriebenen Maschinen – sie sind
A LT E S H A N D W E R K
Ja, das wird schön: Webleiterin Alexandra Salvett (rechts) und Geschäftsfüh­
rerin Maya Repele (Mitte) diskutieren mit Weberin Rebecca Frei über die Farb­
varianten eines für Etuis entworfenen Gewebes. Sie kommen neu ins Sortiment.
z­ wischen fünfzig und hundertzwanzig komme, kann ich hören, wer gerade an
Jahre alt – stehen in den Stuben des drei- der Arbeit ist.»
geschossigen Gebäudes. Schreiner aus Tessanda, 1928 gegründet, 1955 in
dem Val Müstair haben sie gezimmert, eine Stiftung umgewandelt, ist ein
die Weberinnen haben ihnen Namen ­Frauenhaus im wahrsten und besten
­gegeben: «Mammut», «Nepomuk», «Tre- Sinn. Siebzehn Mitarbeiterinnen gehö-
deschin» oder «Donna Veglia». Nicht ren zum Team. Maya Repele ist seit 2019
nur, um sie bei der Arbeit klar benennen Geschäftsleiterin, seit 2017 sitzt sie im
zu können – «Bist du heute am ‹Nepo- ebenfalls weiblichen Stiftungsrat. Für
muk›?» –, Nomen ist immer auch Omen. sie ergibt es Sinn, dass die Männer hier
«Mammut», benannt nach dem Eiszeit- nicht das ­Sagen haben. Im Val Müstair
tier, ist so gross, dass man sie nur zu hat es Tradition, dass die Frauen am
zweit bedienen kann, «Tredeschin» singt Webstuhl sitzen. Nicht zuletzt der Aus-
schön wie die kleine Engadiner Mär- steuer wegen, die einst Voraussetzung
chenfigur, und «Donna Veglia» ist ein für eine Heirat war. Wer keine besass,
bisweilen schon etwas zickig tuendes musste sich als Magd verdingen. Die
Grosi. Kein Webstuhl gleiche dem ande- Chance, einen Beruf zu erlernen, hatten
ren, sagt Alexandra Salvett, Webleiterin die Münstertalerinnen nicht.
und verantwortlich für die Ausbildung
der jungen Lernenden. «Genau wie Vor dem Ruin gerettet
die Menschen, die ihn bedienen.» Jede Bis ein mutiges Trio sich für sie stark
Weberin habe ihren eigenen Stil und machte: der Dorfpfarrer, eine Web-
Rhythmus. «Wenn ich morgens ins Haus und eine Handarbeitslehrerin. Um den
Schweizer LandLiebe 95
 Ohne Vorbereitung kein Stoff: Hille Steh-
meier, Lernende bei Tessanda, bereitet
die Kettfäden am Zettelbaum vor. Bis zu
dreitausend werden daran aufgewickelt.
Jeder ist bis zu fünfundachtzig Meter lang.

Bitte nicht verzetteln! Das gilt

beim Weben wie im Leben
Frauen eine achtbare Arbeit und eine sichtbar zu machen. Klappern gehört Schiffchen hin und her – in ihm befin-
Ausbildung als Handweberin zu ermög- bekanntlich zum Handwerk. det sich die Spule mit dem Faden – und
lichen, gründeten sie die «Stüva da tes- Wie leicht das Weben aussieht, wenn dirigieren es mit geübtem Schwung mal
ser». Und hatten Erfolg – weit über das die Frauen, Gehörschutz auf dem Kopf von rechts, mal von links durch die
Bündner Tal hinaus. Bis Textilien aus und Schläppchen an den Füssen, den Längsfäden, im Webjargon Kettfäden
Billiglohnländern den Markt über- Stoff unter den Händen entstehen lassen! ­genannt. Das tun sie bis zu achtzigmal
schwemmten und das traditionelle «Tac-tac, tac-tac, tac-tac.» Schneller, als in der Minute und bis zu dreissigtausend-
Handwerk verdrängten. Die Weberinnen das Auge folgen kann, schiessen sie ein mal am Tag. Doch damit nicht genug:
gaben alles, um die Tessanda vor dem
Ruin zu bewahren. Mehrmals hing ihre
Existenz an einem seidenen Faden. Doch
für ein Überleben im abgelegenen Tal
braucht es mehr als Wille und Perfek-
tion: neue Strategien und frische Ideen,
ein gutes Marketingkonzept und eine
Person, die es umzusetzen versteht.

Klappern gehört zum Handwerk

Maya Repele, Marketingprofi aus Zürich,
war die Richtige im rechten Moment. Sie
war fasziniert von der Leistung der
Frauen und beschloss: «Dieses Hand-
werk muss erhalten bleiben!» Zusam-
men mit dem Team optimierte sie
die Arbeitsabläufe, modernisierte das
Sortiment, kreierte eine Webseite und
richtete einen Showroom ein, um die Gleich fertig: Der handgewebte Teppich ist eine Massanfertigung für die Stiftung Ferien
anspruchsvolle Arbeit der Weberinnen im Baudenkmal. Heute liegt er in Ernen VS, in der Stube der frisch restaurierten Kaplanei.

96 Schweizer LandLiebe
 A LT E S H A N D W E R K

Um den Faden gleichmässig festzuschla-

gen, ziehen sie immer wieder die Kamm-
lade zu sich heran, während sie mit den
Füssen wie Organistinnen auf den Peda-
len tänzeln. Mit jedem Tritt öffnet sich
im Webstuhl ein Schaft, der Schuss­faden
wird durch die jeweilige Öffnung gelei-
tet, und das geplante Muster entsteht.
Doch was so leichtfüssig aussieht,
verlangt Kraft, Ausdauer, Konzentration
und Präzision. Unregelmässigkeiten sind
ein No-Go. Drei Jahre – so lange dauert
die Ausbildung zur Gewebe­gestalterin,
wie der Beruf heute heisst – reichen nicht,
um alle Aufgaben einer Top-Weberin zu
meistern. «Sieben Jahre braucht es min-
destens», sagt Chefin Repele. Zumal sich
die Arbeit nicht aufs Weben beschränkt.
Stoffe und ­deren Muster wollen entwor-
fen und erprobt sein. Und was kein Laie
ahnt: Allein das Einrichten des Web-
stuhls dauert bis zu vierzig Stunden.
Erster Akt: das Aufspulen der Längs-
respektive Kettfäden am Zettelbaum –
bis zu dreitausend an der Zahl und jeder
bis zu fünfundachtzig Meter lang. Eine
Aufgabe, bei der man sich keinesfalls
verzetteln darf. Ein einziger Rechenfeh-
ler genügt, und die Textilie ist verloren. Vorsicht Kaufrausch: Im Laden von Tessanda ist jedes Stück ein Habenmuss – sogar
Nach dem Aufwickeln werden die Fäden der Putzlumpen namens «Tea fondada» (oben). Er ist in fünfzehn Farben erhältlich.
zu Zöpfen geflochten und am Webstuhl
platziert. Auch das verlangt Geduld und
uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Die denen sich die Handweberei einen dem die Tessanda-Frauen die schönsten
Fäden müssen durch die richtigen Lit- ­Namen machen konnte. Eines dieser Küchentücher weben. «Striblas ad Ögl»
zen geführt und die Pedale, Tritte sagen Meisterstücke wird gerade von seinem heisst eines, das zum 95-Jahr-Jubiläum
die Weberinnen, mit den Schäften ver- Webstuhl gehoben. Es reist nach Ernen entworfen wurde. Das Muster – farbige
schnürt werden. Erst wenn alles sitzt, ins Wallis und kommt in die Stube der Streifen in unregelmässigen Abständen –
kann mit dem Weben begonnen werden. einstigen Kaplanei, heute ein Ferienhaus erlaubt den Weberinnen, für einmal ganz
der Stiftung Ferien im Baudenkmal. spontan zu arbeiten. Muster wollen
Synthetik ist tabu Wie alle Produkte von Tessanda ­üblicherweise fadengenau geplant und
Trotz alledem und alledem: Für die wurde auch der Teppich aus einem umgesetzt werden.
Frauen bei Tessanda zählt ihr Beruf zu ­Naturmaterial gewoben: aus Schafwolle. Patin für «Striblas ad Ögl» stand ein
den schönsten der Welt. Weben sei Auch Kaschmir, Seide und Baumwolle handgewebtes Tuch aus der Sammlung
«Geschichten erzählen mit Farbe und kommen zum Einsatz. «Nur Synthetik einer berühmten Wahlmünsterländerin:
Faden», sagt Hille Stehmeier, eine der ist tabu», sagt Maya Repele. Dank einem Donna Leon, Schriftstellerin, Autorin
beiden Lernenden. Geschichten, die in Wiederanbauprojekt zusammen mit der Commissario-Brunetti-Romane und
der Zeit der Massenware eine neue Wert- dem Naturpark Biosfera Val Müstair soll ein erklärter Fan von Tessanda.
schätzung erfahren. «Unsere Auftrags- auch der Flachs ins Tal zurückkehren. •••
bücher sind voll», sagt Maya Repele. Das Wie vor hundert Jahren. Aus ihm wird Webshop und alle Infos zur Stiftung Manufactura
gilt vor allem für die Massteppiche, mit Leinen gewonnen – das Material, aus Tessanda Val Müstair www.tessanda.ch

Schweizer LandLiebe 97
 DA N I E L E S T I E R W E LT

Reinwolliges Glück
Walliser Schwarznasenschafe sind in Mode. Zu Recht. Sie sind gutmütig
und sozial. Das kann so weit gehen, dass sie sogar Leben retten.
Daniele Muscionico lebt mit Tieren und ist überzeugt, dass jedes Tier eine Persönlichkeit ist.

D
as Schaf sitzt auf meinem Schoss. Wie
kam es dahin? Ich kann es mir nicht
­erklären, es ging überraschend schnell.
Erst zogen wir gemeinsam das schwere Tier,
packten es an den wundervoll gedrehten Hör­
nern, später schoben wir es von hinten an – und
schon sass das Walliser Schwarznasenschaf auf
meinen Knien. Sein Rücken an meiner Brust,
meine Hände an seinen Hörnern. Sicher ist
­sicher! Es duftet herrlich nach Heu und fühlt
sich an wie reinwolliges Glück.
Hätte man das Tier gefragt, es hätte sich wohl
gegen den Hochsitz entschieden. Trotzdem verhält
es sich mustergültig ruhig. Es weiss, meine Kollegin
kennt kein Pardon. Wenn Christine ihren Schafen
die Klauen schneidet, was sie alle drei Monate
macht, gibts kein Gezicke. Idealerweise ist das
Tier dazu auf Arbeitshöhe, auf Hüfthöhe, auf der
Höhe meiner Hüften dieses Mal. So werde ich
zur stolzen Besitzerin eines Schwarznasenschafs,

FOTOS ALAMY, ZVG

besser gesagt, das Schwarznasenschaf besitzt
mich. Dank der Hilfe von Christine natürlich.
Meine Bekannte ist eine Frau der Tat. Sie hält
nebst anderen Tieren eine gemischte Herde
von Schafen, kleine bretonische Ouessants, eine
Heidschnucke und mächtige Walliser Schwarz­
nasen. «Wegwerftiere» nennt sie sie, dreizehn
­Böcke, die niemand wollte und die sie vor der
Schlachtung bewahrt hat. Von ihr weiss ich:
«Meine» Schwarznase ist nicht reinrassig und
­zudem jung. Ein ausgewachsener Walliser wiegt
bis zu hundert Kilogramm. Keine Chance, selbst
für eine ehemalige Leistungssportlerin wie
­Christine, einen solchen Pfundskerl zu stemmen.
Die Schwarznase ist ihr Lieblingsschaf. Lange
bevor die Rasse zum Mythos wurde, weil unsere
Bundesrätin Baume-Schneider vergan­genen
­Dezember mit zwei Rassetieren für einen «Blick»-
Fotografen posierte. «Schwarznasen sind extrem
gutmütig, zutraulich, menschen­bezogen, sie
­haben ein Verhalten fast wie ein Hund», sagt
Christine. Sie hörneln nicht, steigen nicht,
­reagieren auf ihren Namen und kommen sofort,
wenn die Besitzerin sie ruft.
Vor allem Nepomuk, bereits elf Jahre alt,
«mein grosses Streichelschaf», ist eine Persön­
lichkeit, die selbst Fachleute erstaunt. Soll in die
Herde ein neues, junges Schaf integriert werden,
kommt er zum Zug und vermittelt. Er stellt sich
den Neuankömmlingen vor «wie ein guter, lebens­
erfahrener Onkel», als Bindeglied ­zwischen dem
Neuzuzüger und den Altvorderen; er strahlt eine
tiefe Ruhe aus, die sich auf die ganze Situation
überträgt.
Nepomuk spendete bereits dreimal Blut für
kranke Tiere aus der Herde. Stoisch stand er eine
halbe Stunde im Tierspital und liess sich acht
­Deziliter abzapfen. Die Mitarbeitenden staunten:
«Das ist ein Wahnsinnsschaf!» Christine meint,
verschmitzt: «Nepomuk ist mein einziges Nutz­
tier.» Sie hat sein Leben gerettet, er rettet andere.

Schweizer LandLiebe 99
 Teufelsflieger und
Hexenmeister:
Am 3. Oktober 1898
besteigen Eduard
­Spelterini und seine
Mitreisenden in Sitten
den Ballon «Wega»,
der noch auf der Place
d’armes du Planta
­vertäut ist.

100 Schweizer LandLiebe

 P O R T R ÄT

FOTOS ZVG, DDP

Eduard Spelterinis Bilder erlauben
einen anderen Blick auf die Welt:
Im September 1904 überquert der
Luftfotograf die Jungfrau. Wegen
des schlechten Wetters muss die
Ballonfahrt abgebrochen werden.

Husar der Lüfte

Er stammte aus dem Toggenburg, war todesmutig und wurde
weltberühmt. Vor 125 Jahren hat der Luftschiffer Eduard Spelterini
(1852–1931) als Erster mit einem Ballon die Alpen überquert.
Text Daniele Muscionico

Schweizer LandLiebe 101

 FOTOS KEYSTONE, HELVETIC ARCHIVES

Eduard Spelterini vor dem Start mit dem Ballon «Sirius» in Mürren BE am
12. August 1910: Er war nicht nur ein König der Lüfte, er führte sich auch wie ein
König auf. Eduard Schweizer, wie er eigentlich hiess, legte sich den fremdländisch
klingenden Namen Spelterini zu. Er kleidete sich in Fantasieuniform und -kostüme.
Für die Journalisten wurde der extravagante Abenteurer zur Lieblingsfigur.

D
Elf Jahre nach seiner
­historischen Alpen­
überquerung fotografierte
Eduard Spelterini 1909
den ­grössten ­Gletscher
­Frankreichs, das Mer de
Glace bei Chamonix
im Mont-Blanc-Gebiet.
Heute liefert die frühe
­Aufnahme wichtige
­Informationen für die
­Klimaforscher.

Die Menschen sind kleine Punkte, dann
verschwinden sie. Weit unten dröhnen
noch die Fanfaren und rühren emsig die
Trommler. Dann wird es still. Das Wal-
liser Städtchen Sitten liegt den Abenteu-
rern zu Füssen. Höher und immer höher
steigt der Ballon von Eduard Spelterini. zirkulation die «Wega» wieder zurück-
Die Winde treiben ihn in Richtung der treiben wird.
Diablerets-Gipfel. Wird das Gefährt die Sie täuschen sich! Der Ballon über-
Berge überqueren können? Die Kritiker quert das Gebirge leicht. Der befürch-
des halsbrecherischen Unternehmens tete Fallwind tangiert ihn nicht. Später
haben vorhergesehen, dass die Luft­ treibt die «Wega» ins Schweizer Mittel-

102 Schweizer LandLiebe


land, in den Jura, nach Frankreich. Sie
landet nach 230 Kilometern und einer
Flugzeit von 5 Stunden und 44 Minuten
auf einer Wiese bei Besançon. Am 3. Ok-
tober vor 125 Jahren wird das Unerhörte
wahr. Dem brevetierten Luftschiffer und
Toggenburger Spelterini glückt mit vier
weiteren todesmutigen Passagieren der
erste Flug über die Alpen.
Eine Alpenüberquerung, ein Rekord.
Einer, der dabei war, hat die Anekdoten
dieses Abenteuers aufgeschrieben, dank
P O R T R ÄT
ihm kennt man den Verlauf. Mit an Bord,
und Spelterini vertrauensvoll ausgelie-
fert, war der Zürcher ETH-Professor und
weltbekannte Geologe Albert Heim. Als
Experte mit Reputation war er Garant
für den wissenschaftlichen Nutzen des
Schweizer LandLiebe 103
 Die Starts des Luft-
fahrtpioniers waren
ein Spektakel: Überall
wurde Spelterini als
Held gefeiert. Bereits
1893, fünf Jahre bevor
er über den Alpen
Geschichte schrieb,
stieg der Kapitän auf
dem Z ­ ürcher Kaser-
nenplatz zu einer
­seiner halsbrecheri-
schen Fahrten auf.
­Insgesamt wurden es
sechshundert.
104 Schweizer LandLiebe
teuren Unternehmens. Ihm war es auch
zuzuschreiben, dass sich das Unter­
fangen finanzierte, Heim bewarb es als
Forschungsprojekt und fand so private
Spender. Seine Erinnerung an den Flug
hinterliess er in seinem Buch «Die Fahrt
der ‹Wega› über Alpen und Jura». Ver­
fasser sind drei der Passagiere: Heim,
Steuermann Eduard Spelterini und der
Deutsche Julius Maurer, der ­sieben
Jahre später Direktor der Meteorologi­
schen Anstalt wurde.
Ein Höhenflug der Moderne
Teufelskerl Spelterini, was für ein Mann!
Es reichte ihm nicht, der Erste zu sein,
der in einem mit Wasserstoff gefüllten
Ballon die Alpenkette überwindet. Dort,
wo der Wind der Moderne wehte, schien
dieser Hexenmeister noch weiter an die
Grenze gehen und experimentieren zu
wollen. Der Ballonfahrer wollte nicht nur
FOTOS ETH-BIBLIOTHEK ZÜRICH, HELVETIC ARCHIVES
in die Luft, er wollte von dort aus seine
Sicht auch dokumentieren. Der Zweck
sollte ein wissenschaftlicher sein und
Geld einbringen: Eduard Spelterini
­fotografierte! Seit 1893 nannte er sich
Luftfotograf, er war einer der ersten des
Landes und ohne Zweifel der spekta­
kulärste. Zwei Jahre später überquerte
er den Vesuv, fotografierte auch hier und
wurde nun sogar in der internationalen
Presse ­erwähnt. Seine Bilder erlaubten
den Menschen ­seiner Zeit einen ande­
ren, weiteren, selbstbewussteren Blick
auf die Welt. Aus der Vogelperspektive.
Sechs fotografische Apparaturen mit
Glasplatten, Gesamtgewicht dreissig
­Kilogramm, hatte er für seinen ersten
­Alpenflug in den Weidenkorb gepackt.
Als Luftfotograf begründete er ein Genre,
 P O R T R ÄT

Eduard Spelterins Luftaufnahmen

sind historische Dokumente: Für die
Stadtentwicklung im Gebiet der
­Zürcher Bahnhofstrasse (rechts im
Bild vor 1910) und des Rennwegs sind
seine Bilder bis heute von Interesse.

Schweizer LandLiebe 105

Am 3. Oktober 1898 mit dem Ballon «Wega» über den Alpen: Als Erster hat der Fotograf aus höchster Höhe
­Aufnahmen gemacht. Dafür hievte er sechs fotografische Apparaturen mit Glasplatten in den engen Weidenkorb.
eine Kunstform. Und nicht als einer der
Ersten, sondern als Erster überhaupt
machte er aus höchsten Höhen Auf­
nahmen, die auch heute noch für ihre
technischen – und künstlerischen – Qua­
litäten bewundert werden. Die Ausbeute
des ersten Alpenflugs von 1898 und der
rund sechshundert weiteren Flüge wird
im Eidgenössischen Archiv für Denk­
malpflege aufbewahrt. Die Fotoabzüge
(Vintage-Prints), Glasnegative und Glas­
diapositive sind ein unbezahlbarer
Schatz für die Wissenschaft. Verglichen
mit Spelterini ist Google Earth heute
überraschungslos.
Teufelsflieger, Scharlatan
Wie zum Teufel hielt er den Ballon so
still in der Luft, dass seine Aufnahmen
meist scharf waren? Wie verhext konnte
er mit seinem Gefährt in Höhen an
die siebentausend Meter steigen, ohne
zusätzlichen Sauerstoff für sich und die
anderen Passagiere zu benötigen? War
er vielleicht doch ein grosser Schwind­
ler, wie notorische Skeptiker mutmass­
ten? Die Zeitgenossen bejubelten ihn,
verehrten ihn als einen Freiheitshelden,
Anarchisten, der sich mit Gottes Geset­
106 Schweizer LandLiebe
zen anlegte – oder aber sie lehnten ihn
rigoros ab. Ein einzigartiger Könner war
er gewiss: Ob er während seiner Flüge in
der Schweiz und später in ganz Europa,
in Afrika oder im Nahen Osten foto­
grafierte, seine Bilder haben eine hohe
­Suggestivkraft, sind detailreich, histo­
risch informativ und überaus ästhetisch.
Eduard Spelterini genoss, was er
tat, und er liess auch andere sein Tun
geniessen. Wenn er startete – mehrere
Tage brauchte die riesige Ballonhülle,
um befüllt zu werden –, war da stets ein
Volksauflauf, ein Jahrmarktsspektakel.
Seine Reisen waren medial orchestriert,
sie setzten horrende Flugpreise voraus,
die sich nur wenige leisten konnten.
Und stets war für seine Kundschaft und
ihn selbst eine Kiste edler Champagner
mit an Bord. Das Spektakelprogramm
umfasste am Anfang auch eine bizarre
­Sonderleistung. Eine Trapezkünstlerin
flog mit, leicht bekleidet, und bot den­
Herren Passagieren (von Damen ist in
den Quellen nichts bekannt) in dünner
Luft ein erotisches Vergnügen. Doch das
Hauptereignis war stets er: der Kapitän,
Regisseur und Hauptdarsteller der
­Spelterini-Schwebeshow. Als Gast in den
Die Schweiz war
Eduard Spelterini
bald zu eng:
1904 flog er über
die Pyramiden
von Gizeh. Die
Aufnahme zeigt,
dass er nicht nur
technisch brillant
fotografieren
konnte, sondern
mit der Kamera
auch künstle­risch
ein Virtuose war.
teuersten Hotels der Welt trug er eine
blaue Fantasieuniform. Im Korb seiner
Ballone desgleichen. Er war ein ­schräger
Vogel. Und sichteten ihn die Bauern am
Himmel, legten sie die Arbeit nieder –
und den Karabiner an. Spelterini im
­Fadenkreuz. Der Gotteslästerer musste
vom Himmel geschossen werden!
Doch wer den Mann zu fassen
­bekommen will, auch rückblickend,
greift in die Luft. Schriftsteller, Regis­
seure haben es erfolglos versucht. Spel­
terini ist nicht nur ein Mensch, der sich
über seine Zeit erhoben hat. Er hat sich

auch über die Realität erhoben: Als
­Husar der Lüfte hat er seine Biografie
nach Belieben nachpoliert. Stilisiert hat
er auch seinen Familiennamen. Als ein-
fachen «Schweizer» kannte man ihn im
sanktgallischen Toggenburg, er selbst
gab sich den abenteuerlichen Künstler-
namen Spelterini.
Eduard, der Luftfahrer, brach die
Grenzen seiner Zeit und foutierte sich
um die Gepflogenheiten. Er widersprach
der Ansicht, dass das Leben in einer
­vorbestimmten, «erdschweren» Bahn zu
leben sei. Er gab den Menschen eine
neue Perspektive, ein neues Sehen, eine
neue Freiheit.
Doch das Schicksal war schliesslich
gegen ihn. Nach dem Ersten Weltkrieg
und mit dem Aufkommen der Motor-
flugzeuge war seine Erfindung zu nie-
mandes Nutzen mehr. Das Interesse an
ihm und seinen Bildern verlor sich. Nun
lebte er in Coppet bei Genf. Und hier
fehlte es ihm an allen Ecken und Enden
an Geld. Der Name Spelterini verblasste.
Soll man von seinem Ende tatsächlich
detailliert berichten? Seine Landung in
der Realität war hart und schmerzhaft.
P O R T R ÄT
FOTOS ETH-BIBLIOTHEK ZÜRICH, HELVETIC ARCHIVES
Mit seiner Frau, die seine Tochter hätte
sein können, zog er sich schliesslich, als
Misserfolg sich an Misserfolg reihte, in
die Anonymität eines kleinen Dorfs in
Österreich zurück. Krankheiten verun-
möglichten weitere Ballonfahrten, die
Kräfte schwanden. Finanziert haben ihn
schliesslich seine Hühner. Über drei-
hundert Tiere soll er in seinem Zuhause
gehalten haben, die Eier, von seiner Frau
auf den Markt getragen, garantierten ein
Auskommen. Geflügel hielt den Flieger
am Leben. Tiere, die wie er zum Schluss
vom Fliegen bestenfalls träumten. •
Schweizer LandLiebe 107
 Und nachts Millionen Sterne
Die Skihütte Feldis ist auch in der Wandersaison ein Ort zum Einkehren und Verweilen.

A
ch, hätten wir doch mehr
Zeit mitgebracht! Wie die
beiden Wanderinnen, die
beim Wirtequartett der Skihütte
­Feldis – Lea, Manuela, Moritz und
Elsa – die Alpjurte gebucht und nun
Zeit für ein Gläschen auf der Ter-
rasse haben. Wir hingegen müssen
zur Sesselbahn eilen; unter der
­Woche fährt sie nur bis 16 Uhr. Bei
gemütlicher Fahrt Richtung Tal
­stellen wir uns vor, wie es jetzt wäre,
hoch oben in unberührter Natur
­einen kreativen Hüttenznacht zu
­geniessen, sich unter Millionen von
Sternen schlafen zu legen und nach
einem feinen Zmorge die Wander-
schuhe zu schnüren. Das Bergrestau-
rant Skihütte Feldis liegt auf einem
Hochplateau, 2000 Meter über Meer,
und ist Ausgangspunkt schöner
­Touren. Die einfachste führt hinunter
ins Dorf Feldis GR; im Winter kann
man den Schlitten nehmen. Die
­anspruchsvollste ist die Gratwande-
rung über die Stätzerhornkette nach
Lenzerheide. Die Rundtour, für die
wir uns entschieden haben, dauert
dreieinhalb Stunden, startet bei der
Gipfelstation der Sesselbahn Feldis-
Mutta und führt zum Dreibünden­
stein, dem gemeinsamen Grenzpunkt
der ehemaligen rätischen Bünde.
Doch statt die Direttissima zu neh-
men – der Weg ist kürzer, aber unan-
genehm steil –, biegen wir bei der
Skihütte Term Bel links ab und folgen
dem Wanderweg, der zum Gedenk-
stein der «Lady Patricia» weist.
So hiess der amerikanische Bomber,
der 1944 am Berg zerschellte. Eine
­Dreiviertelstunde später erreichen
wir den Dreibündenstein, machen
eine Rast mit einmaliger 360-Grad-
Aussicht und setzen unseren Weg
Richtung Windegga fort. Den steilen
Abstieg Richtung Feldis meiden
wir. Bei Punkt 2115 nehmen wir den
Abzweiger rechts zur Alp dil Plaun
und erreichen schliesslich die Ski-
hütte Feldis. Sollte die Alpjurte (2 bis
4 Personen) ausgebucht sein – Grup-
pen (2 bis 14 Personen) können auch
im Haus übernachten. KARIN OEHMIGEN

Sommers wie winters

eine Einkehr wert: das Berg-
restaurant Skihütte Feldis.
In der Alpjurte hinter dem
Haus können bis vier
Personen übernachten.

FOTO ZVG ILLUSTRATION RETO FLÜCKIGER KARTE SWISSTOPO

INFOS ZUR WANDERUNG GR

Start und Ziel Von der Gipfelstation 2008 m
der Sesselbahn Feldis-Mutta via Furggabüel
ne 2174 m
­Gedenkstein «Lady Patricia» und Dreibün- R hô Tgom‘
Le Mutta Aulta 2159 m
denstein zur Skihütte Feldis (3,5 Stunden, 1971 m Drei-
530 Meter auf- und abwärts) 2084 m bünden-
stein
Einkehr und Übernachtung In der Feldis
1953 m 2115 m
­Skihütte Feldis (www.skihuette-feldis.ch): Skihütte
gute regionale Küche, bis 18 Schlafplätze Feldis 1 km

Schweizer LandLiebe 109

 Meisterwerk
der Schöpfung
Rauschende Wasserfälle, schattige Arvenwälder,
schroffe Felswände und im Talgrund ein Bergsee so blau wie ein Saphir.
Das Murgtal bietet eine ergreifend schöne Landschaft.
Text Andreas Staeger Fotos Thomas Senf

110 Schweizer LandLiebe

 WA N D E R N

Blaue Perle zwischen den

Bergen: Der spiegelglatte untere
Murgsee ist von hohen Gipfeln
­eingerahmt. In der Mitte das
­Hochmättli (2252 m), rechts der
Mütschüelergulmen (2316 m).

Schweizer LandLiebe 111

WA N D E R N

U
Unser Taxifahrer heisst Ralf und stammt
aus Berlin. In der Grossstadt habe er es
nicht mehr ausgehalten, sagt er. Darum
kam er 2007 in die Schweiz. Jetzt lebt
und arbeitet er am Walensee. Heute fährt
er mit uns ins Murgtal. Das sei seine
liebste Strecke, wegen der wunderschö­
nen Landschaft.
Mit dem Taxi zum Wanderweg? Die
Tour, die wir heute vorhaben, beginnt
an einem der wenigen Wanderstart­
punkte in der Schweiz, die nicht mit
­öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar
sind. Und weil ich selber keinen Fahr­
ausweis habe (als Fussgänger und Wan­
derer braucht man ja keinen) und das
Auto meines Wanderkollegen Thomas
im Service ist, fahren wir mit Ralf.
Unser Chauffeur lässt uns beim
­Parkplatz Merlen aussteigen und ver­
spricht, uns dort am Nachmittag wieder
abzuholen. Eigentlich könnte er uns
noch ein paar hundert Meter weiter zur Wegverzweigung Schwarzton, wo es Tiefe, davor erstreckt sich ein grosses
hochfahren, bis zum Parkplatz Mornen, richtig stotzig wird. Moorgebiet mit einem idyllischen See,
erklärt er. Das sei aber keine Strasse Auf einem gut ausgebauten Kiesweg, der von einem stattlichen Arvenbestand
mehr, sondern ein Kiesweg mit spitzen später auf einem mit grossen Natur­ umgeben ist. Die Dramaturgie der ­Natur
Steinen. Schon zweimal sei ihm dort ein steinen gepflästerten Pfad gewinnen wir erweist sich wieder einmal als unschlag­
Pneu geplatzt. rasch an Höhe. Ein Blick zurück zeigt bar – kein Filmregisseur könnte sich
uns ein malerisches Bild: Zwischen den ­einen solchen Szenenwechsel besser
Grossartiger Szenenwechsel ebenmässig geformten dunklen Flanken ausdenken.
Ein Trassee, das sich für Gummireifen des Murgtals breitet sich in der Ferne die Beim Bergsee handelt es sich um den
nicht mehr eignet? Umso besser passt Churfirstenkette aus. unteren Murgsee. Er ist der erste von drei
es für Wanderschuhe – unsere Tour kann Langsam lichtet sich der Wald. Die Seelein, die miteinander verbunden
beginnen! Der Auftakt ist ideal zum Auf­ Steigung macht kurz Pause, der Bergweg sind. Der Bergweg zieht sich an erhöh­
wärmen. Nur leicht ansteigend wandern durchzieht Blockschuttgebiet mit mäch­ ter Lage durch den Hang, was uns ­immer
wir unweit des rauschenden Murgbachs tigen Felsblöcken auf den Alpweiden. wieder schöne Tiefblicke zum See
taleinwärts. Beim Parkplatz Mornen Nach einer weiteren Geländestufe ­öffnet ­erlaubt. Dessen Ufer verläuft nicht etwa
nimmt die Steigung diskret zu. An der sich vor uns eine grandiose Arena. Hin­ gradlinig, sondern bildet mit vielen
Alphütte Mornen vorüber gelangen wir ten stürzt ein grosser Wasserfall in die ­kleinen, grasüberwachsenen Inseln ein

112 Schweizer LandLiebe

 Auch ein Blick
zurück lohnt sich,
denn ebenso schön
wie das Murgtal
ist die Sicht hinaus
zu den Churfirsten.

anmutiges Mosaik von Festland und

Wasser. Darüber ragen trutzig die Fels-
halden und Flühe des Hochmättli in den
Himmel. Der 2252 Meter hohe Gipfel aus
Verrucano-Gestein ist gewissermassen
die Achse, um die wir uns auf der Tour
drehen: Auf unserer Rundwanderung
begleitet er uns stets rechter Hand.
Am Wasserfall des Murgbachs vorü-
ber steigen wir eine letzte Geländestufe
hoch und gelangen auf eine Hochebene,
die vom Bach mäanderartig durchzogen
wird. Schon bald erreichen wir den mitt-
leren Murgsee. Der Wanderweg führt uns
direkt dem Wasser entlang. Dahinter,
nur wenig höher, liegt der obere Murg-
see. Er ist der grösste der drei Bergseen,
die unsere Route säumen. Nur ein paar
Meter vom Ufer entfernt, mit freier Sicht
aufs Wasser, liegt die Murgseehütte. Sie

An einer solchen
ist die einzige Einkehrmöglichkeit, die
uns heute zur Verfügung steht. Daher
wollen wir diese Gelegenheit nicht

Aussicht kann man

­ungenutzt verstreichen lassen.

Imbiss auf der Hüttenterrasse

sich kaum sattsehen

Wir haben zwar noch nicht die Hälfte
der Tour hinter uns und müssen auch
nochmals einen Aufstieg angehen. Der
ist allerdings deutlich geringer als der,
den wir bereits bewältigt haben. Jeden-
falls finden wir, es sei jetzt durchaus
­angezeigt, den Durst zu löschen und
ein Plättli mit Alpkäse zu schnausen.
­Unseren Imbiss geniessen wir auf der
Terrasse vor der Hütte.
Über Alpweiden steigen wir danach
zur Mürtschenfurgglen auf. Mit seinen
1985 Metern Höhe ist der passartige
Übergang der Kulminationspunkt unse-
rer Wanderung. Was die Aussicht anbe-
langt, ist er zugleich deren Höhepunkt.
Gegen Süden können wir nochmals den
Blick zum oberen Murgsee auskosten,
der sich in die weite Mulde am Fuss
des Bützistocks schmiegt. Nach Norden
­hingegen öffnet sich nun die Sicht ins
Mürtschental. Weite Karstfelder, grüne
Alpweiden und lichte Arvenwälder
Tosende Augenweide: durchziehen den Talboden und seine
Bei Rietli stürzt der
Murgbach über eine
hohe Felswand hinab. Schweizer LandLiebe 113
 Kein Mobilfunk, dafür
eine Beiz: Zuhinterst im
Murgtal und direkt am
oberen Murgsee liegt
die Murgseehütte.

Der untere Murgsee ist

der schönste der drei
Bergseen im Murgtal:
Er ist umgeben von
uralten Arven und
Moorgebieten.

114 Schweizer LandLiebe

 WA N D E R N

Felsen, Seen und

Arven: Das Murgtal
ist Wildnis pur
Flanken. Über dem Tal wacht gebiete-
risch der Mürtschenstock, ein Berg wie
aus dem Bilderbuch: Seine tieferliegen-
den Hangpartien sind nur mässig steil
und bilden eine harmonisch ruhende
Basis für die abschüssigen Felswände,
die sich darüber auftürmen und sich
forsch in den Himmel recken.

Ein Bach versteckt sich

Wir treten nun eine lange, aber sehr
schöne und abwechslungsreiche Tal-
wanderung an. Der Abstieg beginnt hap-
pig steil, um nach einer anstrengenden
halben Stunde sanft zur Alp Ober Mürt-
schen auszulaufen. Auch im weiteren
Verlauf folgt unsere Route nicht einem
regelmässigen Höhenverlauf. Mehrmals
wechseln sich Abschnitte, auf denen wir
über Felstritte und steinige Wege zügig
Höhe abbauen, mit längeren Passagen
ab, auf denen wir nahezu ebenen Weges
marschieren. Manche dieser flachen
Teilstücke verlaufen durch Moorgebiete, Nach über sechshundert Metern Aufstieg ist die Stärkung bei der Murgseehütte verdient.
andere auf kiesigen Schwemmböden, in
denen das Wasser des Mürtschenbachs

ILLUSTRATION RETO FLÜCKIGER KARTE SWISSTOPO

nach einer Weile versickert, um am SG Unter Mürtschen h Merlen
Fuss der nächsten Geländestufe erneut Gsponba c
GL 1494 m 1141 m
n b a ch

aus einer Karstquelle hervorzubrechen. SG

Mehrmals spielt der unverbaute Wild-
e
ch

bach so eine Art Versteckspiel.

rts

Ober Mürtschenalp
b a ch

Richtig steil wird es nochmals

Mü

Hochmättli Mornen
zum Abschluss unserer Wanderung. Im 1721 m
2252 m 1379 m
urg

abschüssigen Steilhang neben dem GL

M

Gsponbachfall windet sich ein schma- Schwarzton

ler Pfad zackig nach Merlen hinunter. Mürtschenfurgglen Murgseehütte
Dort erwartet uns bereits Ralf. «Das ist
1985 m 1820 m Unterer
Oberer Murgsee Murgsee 1683 m
doch wirklich ein Paradies hier, nicht 2 km
1819 m Mittlerer Murgsee
wahr?», fragt er rhetorisch und ergänzt:
«Wenn ich hier hinauffahre, würde ich
am liebsten gleich bleiben.» Nur zu gut STECKBRIEF Murgseen-Rundweg
können wir ihn verstehen. Wir steigen Start und Ziel Mit dem Alpentaxi ab Murg oder Walenstadt zum
ein und lassen uns von unserem Chauf- Parkplatz Merlen (1141 m), via Mornen (1379 m) zum oberen Murgsee (1819 m)
feur zum Walensee hinunterfahren. und zur Mürtschenfurgglen (1985 m), über die Ober Mürtschenalp (1721 m)
Schweren Herzens lassen wir das Murg- und ­Zwischbäch (1554 m) zurück zum Parkplatz Merlen
tal hinter uns.
Distanz 14,1 km Gehzeit 5 h Höhenmeter 890 auf- und abwärts
•••
Einkehr In der Murgseehütte
Unser Fotograf Thomas Senf war vom Murgtal
begeistert. Besonders angetan haben es ihm
die alten Arven und das tiefe Blau der Bergseen.
TECHNIK KONDITION

Schweizer LandLiebe 115

 Im Frühtau durch Täler wir ziehn
Ob wild und eng oder lieblich und weit: In der Schweiz gibt es eine unglaubliche Vielfalt
an Tälern. Unser Wanderautor Andreas Staeger schlägt vier lohnende Touren vor.
Gältebachtal, Lauenen BE
«Gälteschutz» – so heisst im örtlichen Berner Oberländer Dialekt
der Wasserfall des Gältebachs. Wenn man vom Louwenesee
­südwärts aufsteigt, hat man ihn fast ständig vor Augen. Am oberen
Ende der Felsstufe, über die er in die Tiefe donnert, weitet sich das
Tal zu einem riesigen Felskessel. Mittendrin liegt die Geltenhütte.
Die Anhöhe oberhalb davon bietet einen grandiosen Ausblick auf
das ganze Louwenetal, das von der Wispile und den Zwillings­
gipfeln Louwenehore und Giferspitz eingerahmt wird. Durch
­teilweise etwas exponierte, mit Drahtseilen gesicherte Steilhänge
geht es über die Usseri Gälte und die Alp Chüetungel zurück zum
Louwenesee.
Distanz und Gehzeit 8,1 km, 3 h 50 min
Höhenmeter 730 auf- und abwärts
Einkehr In der Geltenhütte oder am Louwenesee
Tipp Sehr schön und lohnend ist die einstündige Zusatzrunde auf
dem nicht offiziell signalisierten, aber mit gelben Quadraten
gekennzeichneten Rundweg von der Geltenhütte ins Furggetäli.
TECHNIK
KONDITION
116 Schweizer LandLiebe
FOTOS TOTOA.GRAFIE / ADOBE STOCK, ANDREAS STAEGER (3)
Baltschiedertal, Baltschieder VS
Gnadenlos brennt im Sommer die Sonne auf das Wallis. Nicht von
ungefähr heissen die Südhänge oberhalb Visp «Sonnige Halden».
Kaum ein Grashalm vermöchte hier zu gedeihen, wenn nicht der
Mensch seit dem Mittelalter Gletscherwasser aus den Seitentälern
auf die Hänge leiten würde. Eine ausgeklügelte Technik und kühne
Bauten prägen das System der «Suonen», wie sie auf Walliserdeutsch
heissen. Viel Luft unter den Sohlen hat man beispielsweise entlang
der Niwärch-Suone im Baltschiedertal, die Schmelzwasser vom
Baltschiedergletscher zu den Weiden von Ausserberg bringt.
­Weniger exponiert, aber nicht minder schön ist die Gorperi-Suone
auf der gegenüberliegenden Talseite.
Start und Ziel Von der Bahnstation Ausserberg (931 m)
via Niwärch (1185 m) und Stolleneingang (1265 m) nach Ze Steinu
(1283 m), via Eggen (1045 m) zur Bahnstation Eggerberg (862 m)
Distanz und Gehzeit 12,5 km, 3 h 50 min
Höhenmeter 450 aufwärts, 520 abwärts
Einkehr In Ausserberg oder in Eggerberg
Tipp Wer nicht schwindelfrei ist, kann die exponierte
­Niwärch-Suone durch einen 1,5 km langen Tunnel umgehen.
Taschenlampe nicht vergessen!
TECHNIK
KONDITION
 M E H R WA N D E R U N G E N D U R C H M AG I S C H E B E R G TÄ L E R

Maggiatal, Maggia TI
Das Maggiatal ist in der Deutschschweiz wegen seiner vielen
­reizvollen Badeplätzchen am Talfluss Maggia bekannt. Doch auch
Wanderer kommen dort auf ihre Kosten. So flach der Talboden
auch erscheinen mag – die Talwanderung von Maggia nach Ponte
Brolla weist etliche Auf- und Abstiege auf, die sich zu beachtlichen
Werten summieren. Auch einige knackige Herausforderungen
gibt es zu bewältigen, so etwa eine steile, mit Ketten gesicherte
Abstiegspassage durch ein Couloir auf der Höhe von Gordevio.
Deshalb ist die Route denn auch weiss-rot-weiss signalisiert – und
damit der am tiefsten gelegene Bergwanderweg der Schweiz.
Start und Ziel Von der Busstation «Maggia, Centro» (333 m)
via Moghegno (317 m) und Aurigeno (339 m) zur Hängebrücke
bei Avegno (289 m), weiterhin auf der westlichen Seite der Maggia
via Croppi (294 m) zur Bahn-/Busstation «Ponte Brolla» (254 m)
Distanz und Gehzeit 10,5 km, 3 h 15 min
Höhenmeter 410 aufwärts, 490 abwärts
Einkehr In Aurigeno oder in Ponte Brolla
TECHNIK
KONDITION
Maderanertal, Bristen UR
Eine Welt für sich ist das Maderanertal, ein Seitental des Urner
Reusstals. Der in Ost-West-Richtung verlaufende Einschnitt
ist so tief, dass im Talgrund während fünf Monaten im Jahr kein
­Sonnenstrahl hinkommt. Umso sonniger liegt dafür die nur
per Seilbahn erreichbare Höhenterrasse von Golzern. Sie lässt sich
auf einer sehr schönen Rundwanderung erkunden: Dem steilen
Aufstieg zum Alpstafel Oberchäseren folgt eine aussichtsreiche
Höhenwanderung zur Windgällenhütte; im Abstieg winkt ein
­erfrischendes Bad im malerisch gelegenen Golzerensee.
Start und Ziel Von der Seilbahn-Bergstation «Golzern» (1395 m)
via Oberchäseren (1923 m) zur Windgällenhütte (2034 m),
via Seewen (1423 m, beim Golzerensee) zurück nach Golzern
Distanz und Gehzeit 8,3 km, 4 h
Höhenmeter 770 auf- und abwärts
Einkehr In der Windgällenhütte oder am Golzerensee
TECHNIK
KONDITION

DER REISE TIPP IN ZUSAMMENARBEIT MIT

Wanderreise auf La Palma

Wanderung auf dem
Roque de los Muchachos.
Entdecken Sie die «Isla Bonita» und deren neuen
Vulkan zu Fuss mit einer Wander- & Reiseleitung.
La Palma ist die nordwestlichste besonderes Highlight ist die
der sieben grossen Kanareninseln geführte Wanderung auf den *Nicole Binkert
und besticht mit eindrucksvoller neuen Vulkan Tajogaite, der beim Imbach Wander- &
Landschaft und zahlreichen Natur- Ausbruch des Cumbre Vieja Ende Reiseleiterin
schätzen. Sie ist keine typische 2021 entstanden ist und ein neues
Badeinsel, macht dem Wanderer Terrain mit atemberaubender
­
dafür besonders mit ihrer facet- Landschaft geschaffen hat. Wan-
tenreichen Vegetation und dem dern Sie mit, und erkunden Sie
Pflanzenreichtum Eindruck. Die diese einzigartige Insel!
gesamte Insel wurde von der
Unesco zum Biosphärenreservat 12.–19. November 2023* und
erklärt und verfügt über insgesamt 10.–17. Dezember 2023
neunzehn Naturschutzgebiete. Ein www.imbach.ch/wapalm1
WA N D E R N

Was für ein idyllischer Bergsee!

Am Weg vom Fürstein zum Glau-
benbergpass liegt das Sewenseeli
(1689 m) mit Rastplatz und Kapelle.

120 Schweizer LandLiebe

Märchenhafte
Moorlandschaft
Die Zentralschweiz ist reich an farbenprächtigen Moorgebieten.
Eines der schönsten liegt am Glaubenberg. Die Bergwanderung zum Gipfel
des Fürstein führt quer durch eine zauberhafte Landschaft.
Text Andreas Staeger Fotos Thomas Senf

Schweizer LandLiebe 121

WA N D E R N

122 Schweizer LandLiebe

Die frühe Sonne
bietet ein stilles
Schauspiel

Unwirklich schön: Noch

zieht ein Wolkenband
über die Alpengipfel.
Doch da und dort setzt
sich die Sonne schon
durch und verheisst uns
einen unvergesslichen
Wandertag.

Schweizer LandLiebe 123

WA N D E R N
S
Saftig schmatzt der Boden unter ­unseren
Sohlen, während wir im Wald gegen den
Rickhubel aufsteigen. Es sind bereits
drei Tage her, seit es das letzte Mal
­geregnet hat, doch die Erde zeigt sich
wie ein nasser Schwamm. Mit dem
­Postauto sind wir auf den Glaubenberg­
pass gefahren, von dort zuerst ein paar
hundert Schritte auf einem Asphalt­
strässchen marschiert und dann auf den
Naturpfad abgezweigt, der sich nun
­zwischen Nadelbäumen und Riedgras­
flächen den Hang hochzieht.
Wo auch immer wir den Schuh
­hinsetzen, füllen sich die Fussabdrücke
­sogleich mit Wasser. Der Boden ist zwar
nicht gerade glitschig, trotzdem sind wir
froh, dass wir das nasse Wegstück nicht
im Abstieg zu bewältigen haben. Es ist
eine typische Eigenschaft von Moor­
gebieten: Regenwasser fliesst dort nicht
in tiefere Bodenschichten ab, sondern
verbleibt nahe an der Oberfläche. Dies
führt zu ganz speziellen Lebensbedin­
gungen: In einem Moor können abge­
storbene Pflanzen nicht zu Humus
­abgebaut werden, sondern zersetzen
sich zu Torf. Dadurch vergrössert sich
das Volumen des Moors. Das geht jedoch
extrem langsam vor sich: Die Torfschicht
wächst bloss um einen Millimeter pro
Jahr. Bis sie um einen Meter zunimmt,
dauert es also ein volles Jahrtausend.
Wertvolle Lebensräume
Moore zählen zu den wertvollsten Lebens­
räumen der Schweiz, denn sie beherber­
gen eine Vielzahl gefährdeter Tier- und
124 Schweizer LandLiebe
Nach tausend Jahren
ist die Torfschicht nur
einen Meter dicker
Pflanzenarten. Weil sie als ­unproduktive
Böden galten, wurden sie seit Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts vielerorts
grossflächig entwässert und damit blei­
bend zerstört. Der Torf wurde teilweise
in industriellem Ausmass abgebaut und
als Brennstoff sowie zur Bodenverbes­
serung im Gartenbau genutzt.
Heute jedoch sind Moorgebiete zum
Glück streng geschützt. Ermöglicht hat
dies die Armee, allerdings ungewollt: In
den Achtzigerjahren hielten ihre Planer
hartnäckig am Projekt eines Waffen­
platzes in Rothenthurm SZ fest. Das Vor­
haben hätte die dortigen ausgedehnten
Moore stark beeinträchtigt. Um dies zu
verhindern, lancierten Natur- und Land­
schaftsschutzkreise eine Volksinitiative.
In der Abstimmung wurde das Begeh­
ren überraschend klar angenommen.
Seither werden Moore nicht nur in
Rothenthurm, sondern auch in vielen
anderen Gegenden der Schweiz vor
­jeglichen Eingriffen bewahrt. Das Gebiet
Langis-Glaubenberg zwischen Sarner­
see und Entlebuch gehört ebenfalls
dazu. Mit seiner Fläche von hundert­
dreissig Quadratkilometern – mehr als
Der Höhepunkt rückt näher:
Vom Rickhubel wirkt der Gipfel
des Fürstein (2040 m, links im
Bild) bereits zum Greifen nah.
die Fläche des Vierwaldstättersees –
gilt es als grösste Moorlandschaft der
Schweiz. Mittendrin liegt der 2040 Me­
ter hohe Gipfel des Fürstein, der höchste
Punkt unserer Tour.
Wir gewinnen zügig an Höhe. Schon
bald lassen wir den Wald hinter uns,
­betreten Alpweiden und geniessen ­einen
wunderschönen Ausblick: Mitten im
Weideland steht eine kleine Alphütte,
dahinter zeichnen sich die Silhouetten
grosser Tannen dunkel gegen den Hori­
zont ab. Der Himmel ist noch bewölkt,
doch über den Alpengipfeln reisst
die Wolkenschicht bereits auf. Erste
­Sonnenstrahlen beleuchten da und dort
die Berge und bieten uns ein stilles, aber
eindrückliches Schauspiel.
Erstes Gipfelerlebnis
Nun auf trockenem Boden geht es
­weiterhin ordentlich steil aufwärts.
Lichte Bestände von Bergföhren säumen
unseren Weg. Als wir die Kuppe des
­Rickhubels erreichen, geniessen wir ein
­erstes Gipfelerlebnis: Zu unseren Füssen
öffnet sich eine weite Aussicht zu den
Urner, Obwaldner und Berner Alpen.
Föhrenwald und Alpensicht:
Über das Sewenseeli und
den Miesen­stock geht
der Blick in die Berner und
die Innerschweizer Alpen.
Neugierige Zaun-
gäste: Zur Rast Moorlandschaft aus dem Bilderbuch:
gibt es Besuch von Der Sewenbach schlängelt sich
den Bergdohlen. ­gemächlich talwärts.

Jetzt tritt auch der Fürstein in Erschei­

Eine Wohltat:
Weitsicht hoch über
nung. Sein Gipfel liegt noch einmal
gut hundert Meter höher. Wir können
den Pfad erkennen, der uns hinauffüh­

dem Alltag
ren wird.
In einem grossen Bogen durch­
queren wir den oberen Teil der Alp Ober-
Sewen und damit eine prächtige Moor­
landschaft. Vor uns breiten sich Gras­
flächen aus, die von kleinen Hügeln mit LU 1 km
Wacholder- und Heidelbeersträuchern

ILLUSTRATION RETO FLÜCKIGER KARTE SWISSTOPO

durchzogen sind. Linker Hand senken Fürstein Rickhubel
sie sich in eine weite bewaldete Mulde. 2040 m 1943 m Glaubenberg
Auf dem ganzen Abschnitt bis zum Gip­
fel haben wir das wunderschöne Moor­ 1543 m
gebiet vor Augen. Zugleich öffnet sich
gegen Norden hin die Sicht ins Tal der 1719 m
Sewenalp
Entle und zur Pilatuskette. Wir genies­ Sewenegg
sen somit beidseits unseres Wegs eine
fantastische Aussicht. OW
Vollends uneingeschränkt ist das OW Schnabel
1600 m
­Panorama auf dem Fürstein. Eine ein­ 1741 m
fache Holzbank auf dem Gipfel lädt zur
Rast. Während des Picknicks können wir
uns kaum sattsehen am reichhaltigen STECKBRIEF Glaubenberg–Fürstein
Gipfelkranz, der sich am Horizont aus­ Start und Ziel Mit dem Postauto auf den Glaubenbergpass (1543 m),
breitet: Die Sicht reicht vom Säntis über via Rickhubel (1943 m) auf den Fürstein (2040 m), von dort Abstieg zur Sewenalp
die Glarner und Urner Alpen bis zu ­Eiger, (1719 m) und via Sewenegg (1741 m) zurück zum Glaubenbergpass
Mönch und Jungfrau. Westlich davon
Distanz 9 km Gehzeit 3 h 25 min Höhenmeter 620 auf- und abwärts Einkehr
blicken wir ins Tal der Waldemme, das
Auf dem Glaubenbergpass Hinweis Bei Schiessbetrieb (Montag bis Freitag) sind im
von Brienzer Rothorn und Schrattenfluh
­Wanderwegnetz am Glaubenberg Umleitungen möglich. Infos: Telefon 058 481 32 32
umschlossen ist. Im Vordergrund zeigt
sich das anmutige Ensemble von Ried­
flächen und Bergföhren, das sich in die
TECHNIK KONDITION

Verdiente Rast auf dem Gipfel
des Fürstein. Am Horizont
recken sich die Berner Alpen
in den ­Himmel.­
Südflanke des Fürstein schmiegt. Mit-
tendrin liegt das Sewenseeli. Der Berg-
see ist unser nächstes Zwischenziel.
Traumbild oder Wirklichkeit?
In steilem Abstieg gelangen wir in den
Sattel, der sich zum benachbarten Chli
Fürstei senkt, und wandern dem Sewen-
bach entlang abwärts. Unverbaut schlän-
gelt sich der Wasserlauf zwischen Stein-
blöcken, knorrigen Bäumen und gras-
überwachsenen kleinen Hügeln ­talwärts.
Bei der Alphütte von Ober-Sewen
­öffnet sich vor unseren Augen ein fast
unwirklich schönes Bild: Wald und Wei-
deland umgeben den kleinen Moorsee,
davor steht eine zierliche Kapelle. Die
Sewenalp war einst ein Höhenkurort mit
Kurhaus und verschiedenen Neben­
gebäuden. 1974 verkaufte die Älpler­
familie das Grundstück ans Militär.
­Wenig später wurden die Gebäude abge-
brochen, einzig die Kapelle blieb stehen.
Etwas oberhalb des Sees gelangen
wir zur Sewenegg. Die letzte halbe Stunde
unserer Tour verläuft sanft ­absteigend
auf einem Strässchen, das uns an ­Föhren
in allen Formen und ­Grössen vorbei-
WA N D E R N
führt. Manche davon sind klein und
­verwachsen, andere stämmig und rie-
sengross. Wie manchen Sturm mögen
die ältesten dieser Bäume wohl schon
überstanden haben? Zum Abschluss
überqueren wir nochmals eine Moor­
fläche, diesmal völlig trockenen Fusses:
Auf einem Holzbohlenweg gelangen wir
zurück zum Glaubenbergpass.
•••
Unser Wanderautor Andreas Staeger hat
im Aufstieg zum Fürsteingipfel eine köstliche
Zwischenverpflegung entdeckt: Am Wegrand
leuchteten ihm knallrote Preiselbeeren entgegen.
 Der Imker Jachen
­ uorger erzählt im
P
«­Cuntrasts»-Film von
­seinen Erfahrungen mit
der Dunklen Biene.

Das Geheimnis
der Dunklen Biene Text Philipp Gurt Fotos Fabian Trüb, Casper Nicca

H
onig – «mel d’avieuls» ... das
ist wohl das Erste, was uns
in den Sinn kommt, wenn wir
an Bienen denken. Dann viel-
leicht das bekannte Summen der Bienen
oder der eine oder andere schmerzhafte
Stich. Heute möchten wir uns allerdings
nicht den Stichen widmen, sondern der
Geschichte der Dunklen Biene, der Apis
mellifera mellifera. Durch die Einfüh-
rung auswärtiger Rassen wurde sie in
den letzten hundert Jahren aus vielen
Regionen verdrängt.
Arten von Honigbienen. Eine davon der Schweiz. Die Dunkle Biene ist d ­ afür
ist die Dunkle Biene, die sich vor bekannt, dass sie kältetolerant und aus-
etwa achttausend Jahren als Einzige in gesprochen winterhart ist. Eine Biene
unseren Breitengraden entwickelt hat. für die Berge – heute ist ihre Art jedoch
Sie war einst die einzige Honigbiene in ­gefährdet.
Einst war die Dunkle Biene
in der Schweiz die einzige
Honigbiene. In den letzten
hundert Jahren wurde sie aus
vielen Regionen verdrängt.

Über 20 000 Bienenarten

Wussten Sie, dass es weltweit über
20 000 Bienenarten gibt – allein in
­Europa deren 2000 und 615 in der
Schweiz? Da fragt man sich doch, wo
sie denn alle sind – denn meistens hat
man das Gefühl, nur einzelne Arten
­anzutreffen. Die grosse Vielfalt erstaunt
tatsächlich, und doch gibt es nur vier

«CUNTRASTS»
Dokumentarfilme
aus Graubünden
Die RTR-Filmreihe «Cuntrasts»
erzählt Geschichten, so einzigartig
wie das Leben. Jeden Sonntag kön-
nen Sie die RTR-Dokumentarfilme
um 17.25 Uhr auf SRF1 verfolgen
oder jederzeit online unter rtr.ch/
cuntrasts. Autorinnen und Autoren
sind RTR-Mitarbeitende oder freie
Filmschaffende, die mit ihrer Kamera
das Leben in Graubünden und der
rätoromanischen Schweiz in allen
Facetten einfangen. Alle Filme
­werden mit deutschen Untertiteln
gezeigt. Entdecken Sie hier einige
Highlights.
«Da Mustér a Müstair – ein Aben-
teuer quer durch Graubünden»
Acht Tage, 250 Kilometer und
15 000 Höhenmeter. Eine Reise
über Stock und Stein mit unter­
haltsamen Überraschungen.
«In siemi mez nar ‹Bain Bun›»
Janic Andrin Spinnler hat einen
Lebenstraum – er will seinen eige-
nen Hof führen. Mit nur 21 Jahren
kauft er einen Hof im Val Müstair
mit 400 Hühnern und einigen
­Mutterkühen.
«Auf der Suche
nach der
Dunklen Biene»
Der Bündner Casper Nicca ist Imker und
Filmemacher bei RTR Radiotelevisiun
Svizra Rumantscha, dem rätoromanischen
Medienhaus in Chur. Für die wöchentliche
Dokumentationssendung «Cuntrasts»
hat er sich auf die Suche nach der Dunklen
Biene gemacht und einen 25-minütigen
Dokumentarfilm realisiert. Den
­«Cuntrasts»-Film mit deutschen
Untertiteln können Sie jederzeit
auf rtr.ch/cuntrasts oder in
der App Play RTR anschauen.
Bun divertiment!
IN ZUSAMMENARBEIT MIT
«L’avieul nair -
ina specia rara»
Mit seiner Kamera hat der Filmemacher einige Imker in
Graubünden besucht, welche die einheimische Bienenart halten.
Der 55-jährige Rätoromane
Casper Nicca arbeitet bei
RTR Radiotelevisiun Svizra
Rumantscha und lebt in
der Gemeinde Muntogna da
Schons in Graubünden.
Casper Nicca, wieso interessieren
Sie sich für die Dunkle Biene?
Casper Nicca: «Bienen machen
Honig, und Biene ist gleich Biene»,
dachte ich, bevor ich Imker wurde.
Als ich die ersten Bienenvölker hatte,
wurde ich eines Besseren belehrt. Ich
merkte, dass alles viel komplizierter
und interessanter ist als gedacht. Ich
fand heraus, dass es eine einheimische
Bienenart gibt: die Dunkle Biene, die
Mellifera mellifera. Sie sei nicht ganz
verschwunden, und es gebe noch
Imker und Imkerinnen in Graubünden,
welche die Dunkle Biene hielten,
erfuhr ich. Meine Neugier war
geweckt. Ich machte mich auf die
Suche nach den letzten Völkern der
Dunklen Biene in Graubünden. Und
von dieser Annäherung an unsere
alte Bienenrasse handelt mein
­«Cuntrasts»-Film. Ich traf das kleine,
schwarze Insekt, das schon vor
­Tausenden von Jahren den Nektar in
den Alpen sammelte: Die Dunkle
Biene lebt – aber es ist ein Kampf.
Was ist die grösste Herausforderung
für die Dunkle Biene?
Ihr Problem sind die Vorurteile wie
zum Beispiel, dass sie weniger Honig
produziere und weniger friedlich sei
als andere Bienenarten. Wobei ich
während meiner Recherchen mit der
Kamera gemerkt habe, dass dies der
Dunklen Biene wohl eher von Imkern
anderer Rassen nachgesagt wird,
denn wirklich belegen lässt es sich
nicht. Und die Bienen der Imker, die
ich besucht habe, sind so friedlich,
dass viele Imker ohne Schleier imkern.
Wie fleissig ist eine Honigbiene?
Tatsächlich fleissig und zudem auch
beeindruckend kräftig. Für ein Kilo
Honig legen Schweizer Bienen rund
100 000 Kilometer zurück. Die fleissi-
gen Tierchen sammeln dafür drei Kilo
Nektar, fliegen 100 000-mal aus ihrem
Stock und besuchen über 150 Millio-
nen Blüten. Pro Flug kann eine Biene
rund vierzig Milligramm Nektar und
zwanzig Milligramm Pollen (Eiweiss-
futter für Bienenmaden) transportie-
ren. Eine unglaubliche Meisterleistung,
wenn man bedenkt, dass eine Arbei-
terin ein Fliegengewicht von gerade
mal hundert Milligramm hat.
 SommerZugabe!
Wie wärs mit einem Waldspaziergang, einem Picknick am Wasser oder
einer Biketour über Stock und Stein? Ob aktiv oder entspannt – jetzt wird
nochmals Energie getankt, um motiviert in den Herbst zu starten.
Text Isolde Schaffter-Wieland

Schatzsuche Nachtschwärmer
Geniessbar oder Licht an: Tagsüber spendet
­giftig: Der «Pilzführer er Schatten, abends lädt er
Schweiz» von Markus zum gemütlichen Zusammen-
Flück ist ein wertvolles sein ein – der Sonnenschirm
Standardwerk für «Fortello» mit LED-Beleuch-
Sammler oder solche, tung, Glatz, ab Fr. 2195.–.
die es werden wollen. Wer bereits einen Schirm hat,
304 Seiten, 550 Fotos, kann diesen mit mobilen
circa Fr. 40.–, ­LED-Spots zum Leuchten
www.haupt.ch bringen. «Osyrion»-Spot LED
Akku-Licht, 4 Stück, Glatz,
Fr. 265.–, www.hunn.ch

Santé!
Sie vereint Eleganz
und Klang: Pfadfinder
die Cocktailschale Handliches Familien-
aus der Zwiesel-­ Navi mit tollen Funkti-
Kollektion «Echo», die onen: Das «GPS eTrex
mit dem IF-Design- Touch 35» eignet sich
Preis 2023 ausge- für alle, die aktiv in der
zeichnet wurde. Natur unterwegs sind.
Das Glas veredelt Inklusive Fahrradhal-
jeden Drink und terung, «TopoActive»-
sorgt für prickelnde Karte Europa und
Sommerlaune. 250 000 Geocaches
Fr. 55.80, 4 Stück, für Anfänger.
www.zwiesel-glas.com Garmin, Fr. 274.50,
www.brack.ch

Spielmacher
Fast wie Boule oder Boccia: Das in Deutschland
entwickelte Wurfspiel Stakk ist noch etwas kniff­
liger. Die Holzwürfel sorgen am Strand, im Garten
oder Park bei Gross und Klein für viel Spass. Sport
Thieme, 2 bis 8 Spieler, Fr. 69.–, www.galaxus.ch

Wanderkumpel Nothelferin
Perfekte Passform,
­Zehenfreiheit und ein Allzeit bereit:
­innovatives Sohlenkonzept: Arnica montana –
Zum ­hundertsten Geburts- die Heilpflanze
tag von Lowa erscheint wird auch Berg-
der ­stylische «Renegade wohlverleih
100 GTX MID» in hoch­ genannt – lindert
wertigem Nubukleder als Schmerzen,
limitierte Jubiläumsedition. ­Entzündungen
Fr. 259.90, www.lowa.ch und sogar Muskel-
kater. Similisan,
60 Tabletten,
Fr. 18.90, www.
130 Schweizer LandLiebe coopvitality.ch
 SCHAU FE NSTE R

Gipfelstürmer
Erfunden von einem Schweizer Bergsportler: Der stabile
­Wanderstock «Clever Stick» aus 3K Carbon verwandelt sich
mit wenigen Klicks in Stuhl, Selfiestick oder Kamerastativ.
Das Set gibts in zwei Längen, Fr. 159.90, www.cleverstick.swiss

Tischleindeckdich
Flaschenhalter und Outdoordecke im Huckepack:
Der «Sunflora»-Picknick-Rucksack verfügt unter
anderem über ein Gedeck für vier, Plastik-Weingläser
und ein Schneidebrett. Die Isolation hält Heisses
warm und Kaltes frisch. Fr. 139.–, www.galaxus.ch

Scharfmacher
Würze für Grilliertes:
«BBQ Smokey» von
Coop enthält nebst
geräuchertem Salz und
Pfeffer auch ein Bou-
quet von geräuchertem
Paprika, Kreuzkümmel,
Koriandersamen,
Ingwer, Knoblauch,
Rosmarin, Thymian
sowie Orangenschalen.
Fr. 3.95, www.coop.ch

Schmeichler
Effektvolles Flammengarn:
Der flauschige, grobmaschige
­Pullunder ist genau richtig für
­kühlere Sommertage. Hergestellt in
der Strickmanufaktur Erwin Kremer.
Blaue Stunde: Der LED-Sonnenschirm In drei verschiedenen Farben,
­«Fortello» setzt einen ­romantischen Licht- Fr. 119.–, www.walbusch.ch
punkt und verlängert laue Sommertage.

Alleskönner
Sammelobjekt mit
neun Funktionen:
Das Taschenmesser
«Pioneer X Alox»,
Limited Edition
2023, stammt
aus der Schwei- Feuerball
zer Manufaktur Kompakter Kohlegrill mit Hand-
Victorinox. Liegen griff: «Grillino» lässt sich bequem
gelassen wird es zur Strandparty oder zum Cam-
dank seinem leuch- pen mitnehmen und ist sinnvoller
tenden «Electric als ein Wegwerfgrill. Der Grillrost
Yellow» kaum. Fr. 69.–, des kleinen Dreibeiners hat einen
FOTOS ZVG

www.victorinox.com Durchmesser von 29,5 cm.

Erhältlich in Rosa oder Grün,
Koor, Fr. 39.95, www.manor.ch Schweizer LandLiebe 131
AUSFLUGSTIPPS

Die Perle des Toggenburgs:

Lichtensteig ist Wakker-
preis-Trägerin 2023. Auch
weil sich seine Bevölke-
rung wacker schlägt.

SUSANNE STAUSS / TEXTILMUSEUM ST. GALLEN

FOTOS CHRISTIAN BEUTLER / KEYSTONE,
LICHTENSTEIG TG ERKUNDEN

Grosser Preis für eine kleine Stadt

K
ennen Sie Lichtensteig – seine denkmalgeschützte
Altstadt, seine Geschichte und Geschichten? Falls
nicht: Der Zeitpunkt, das Toggenburger Städtli zu
erkunden, könnte besser nicht sein. Lichtensteig wurde
mit dem Wakkerpreis 2023 geehrt – für sein neu erwachtes
Selbstbewusstsein und für «seinen Mut, die leer stehenden
Räume innovativ zu beleben». Es war in den Siebzigerjahren,
als das einst wohlhabende Zentrum im ländlichen Kanton
wirtschaftlich ins Straucheln geriet. Hunderte von Arbeits-
plätzen gingen verloren, die Zahl der Einwohnerinnen und
Einwohner schrumpfte kontinuierlich. Bis Politik, Bevöl­
kerung und Wirtschaft beschlossen, sich für die Wieder­
belebung ihrer Stadt zu engagieren. Jetzt gehts wieder obsi,
und auch die Führungen, von fachkundigen Guides mit
neuer Leidenschaft zusammengestellt, sind wieder gefragt.
Wer lieber selbstständig erkundet, findet auf der Webseite
der Gemeinde (siehe unten) einen Routenplan mit Beschrei-
bungen der historisch wertvollen Gebäude. Darunter das
ehemalige Schmalzhaus, in dem sich heute die Gall’sche
­Offizin befindet, eine Handsetzerei und Handpressdruckerei
(Besichtigung: jeden letzten Samstag im Monat, 13.30 bis
16 Uhr, oder nach Voranmeldung). KARIN OEHMIGEN
Alle Infos www.lichtensteig.ch

AUSSTELLUNG IN ST. GALLEN

Ganz in Weiss
Die Farbe der Wolken, des Schnees und
der Sauberkeit spielt auch in der Mode
eine bedeutende Rolle. Weiss
schmückt die Braut, das Tauf- und das
Kommunionkind.
Es ist die Farbe
der Ärzte, war
lange Zeit die des
Tennissports und
der Mehrbesseren,
die sich mit ihrer
Kleidung von
der Arbeiterklasse
­unterscheiden Textilmuseum St. Gallen:
wollten. Die Aus­ alles so schön weiss hier!
stellung «100 Shades
of White» im Textilmuseum
St. Gallen zeigt die Mode- und
Kulturgeschichte einer lichten Farbe,
die auch schwarze Schatten wirft.
Auf ­keinen Fall verpassen! KOE

Bis 10. 9. 2023. www.textilmuseum.ch


HANDGESCHÖPFTES PAPIER
Sinnvoll und schön
Ob als Deko, zum Briefeschreiben oder zum Schmuckschäch­
telchen gefaltet: Handgeschöpftes Papier ist edel und ein
apartes Geschenk mit individueller Note. Für das besondere
Etwas sorgen die unregelmässige Struktur der Papierbögen
und eingearbeitete Blüten, Kräuter, Teeblättchen oder
andere Gestaltungselemente. Wer es bunt mag, färbt den
­Zellulosebrei, aus dem die Blätter geschöpft werden, mit
­farbigen Servietten oder Wasserfarbe ein. Das Ausgangs­
material für die dekorativen Papiere sind alte Rechnungen,
Kopien oder Zeitungen, was die Bastelarbeit zum sinnvollen
Sandra Dangel, 58,
arbeitete in der­
­Lehrerinnen- und
­Lehrerausbildung
im Bereich Design
und Technik. Sie lebt
mit ihrer Familie
und ihren Tieren im
­Kanton Zürich.
Upcycling-Projekt macht. Der für die Papierherstellung nötige
Schöpfrahmen lässt sich aus zwei gleich grossen Bilderrahmen
einfach herstellen. Wichtig ist, sich für alle Schritte genug
Zeit zu nehmen. Und achten Sie darauf, dass Sie die nach dem
Papierschöpfvorgang nötigen Handtücher und Windelein­
lagen vorgängig vorbereitet haben. Nach dem Pressen (siehe
Seite 135) können Sie die einzelnen Papierbögen zusammen
mit der Windeleinlage an eine Wäscheleine hängen, später
abziehen und bügeln. Tipp: Schreiben Sie auf handgeschöpftem
Papier nur mit Kugelschreiber oder Farbstift, Tinte verläuft.
Schweizer LandLiebe 133
S E L B E R M AC H E N

Materialliste
Für mehrere Blätter handgeschöpftes Papier
• Altpapier wie Rechnungen, Brief- und Kopierpapier,
geschreddert oder in Streifen geschnitten
• Farbige Papierservietten aus Zellulose
zum Färben
• Dekomaterial wie gepresste Sonnenblumenblüten-
blätter (ein Teil davon zerkleinert) und weitere
kleine Blüten, Kräuter sowie fein gehackte Gewürze
(Dill, Majoran und andere) oder Teeblättchen
• 2 gleich grosse Bilderrahmen
• Strumpfhose aus Polyamid
• Schaumstoffdichtung für Fenster und Türen,
selbstklebend
• Rechteckiges Plastikbecken, ungefär doppelt so
gross wie die Bilderrahmen
• Stabmixer oder Pürierstab
• 2 Frotteetücher, Windeleinlagen, Schwammtuch
• Brett, mindestens so gross wie die Bilderrahmen

1
VORBEREITUNG Glas und Rückwand
der Bilderrahmen entfernen. Einen der Rah-
men in eine alte Strumpfhose packen, diese
straff spannen, abschneiden, verknoten.

2 3
BEGRENZUNG Entlang der inneren PULPE Zur Herstellung des Zellulosefaserbreis – der Pulpe – die Papierschnitzel mit
Kanten des zweiten Rahmens Dichtungs- ­warmem Wasser übergiessen und am besten über Nacht einweichen lassen. Dann mit dem
streifen kleben. Dadurch zerfleddert das Stabmixer oder Pürierstab pürieren. Durch die Druckerschwärze wird die Pulpe grau. Sie
geschöpfte Papier an den Rändern nicht. kann durch Beigabe von Fötzeli farbiger Papierservietten portionenweise gefärbt werden.

134 Schweizer LandLiebe

 5
GAUTSCHEN Oberen Rahmen ent­
fernen und das geschöpfte Papier auf ein
Frotteetuch mit Windeleinlage stürzen.
Gut abtupfen, den Rahmen vorsichtig lösen.

4 6
SCHÖPFEN Um Papierbögen zu schöpfen, sollte die Pulpe wie Buttermilch sein. Ist sie FINISH Auf stets neue Windeleinlagen
zu dick oder zu dünn, Wasser zugeben oder abgiessen. Blüten und Gewürze einstreuen und weitere geschöpfte Papierbögen stürzen,
Rahmen aufeinanderlegen (denjenigen im Strumpf unten), schräg in die Pulpe tauchen, gut abtupfen. Die Beige auf ein Tuch legen,
in die Waagrechte drehen, langsam anheben, herausziehen und Wasser abtropfen lassen. mit Brett decken, draufstehen und pressen.

Herzliche Grüsse!
Jetzt ist eine gute Zeit, um am Wegrand oder im
Garten Sonnenblumenblütenblätter, Mädchen­
augen oder Glockenblumen sowie Gräser zu
­sammeln und in einem Buch zwischen Lösch­
papieren zu pressen. Aufgepasst: Der Trocknungs-
und Pressvorgang dauert zwei bis drei Wochen.
Danach lassen sich die Naturtrouvaillen, kombi­
niert mit Kopien von Seiten alter Biologiebücher
und Musiknoten, mit Weissleim auf Grusskarten
kleben und kleine Kunstwerke kreieren. Tipp:
Verwenden Sie gelbbräunliches Kopierpapier,
um einen nostalgischen Touch zu erzeugen.

Idee und Umsetzung Sandra Dangel Fotos Veronika Studer Text Corinne Schlatter

Schweizer LandLiebe 135

Haben Sie Fragen oder Anregungen für unsere Strick-
expertin? Anne-Catherine Lüke freut sich über Ihre
Zuschriften. Sie erreichen sie unter www.knit-kit.ch.

136 Schweizer LandLiebe

 S E L B E R M AC H E N

Überflieger von morgen?

Das Dreieckstuch ist ein Loop,
auch Schlauchschal genannt.
Es sitzt und bleibt am Hals,
selbst wenn man die wildesten
Sprünge mit ihm macht.

Ab id Hose!
Gestrickte Hosen waren früher der blanke Horror. Weil sie wie verrückt
gebissen haben. Heute aber, mit den weichen Garnen, möchten die Kids sie nie
mehr ausziehen. Für Sportskanonen gibt es einen passenden Dreiecksloop.
Und für die Sporttasche der künftigen Champions ein Maskottchen.
Idee, Realisation, Anleitungen Anne-Catherine Lüke Fotos Sylvan Müller

Schweizer LandLiebe 137

Gestrickte Jogginghose Strickanleitung
Schwierigkeit Mittel Diese Hose kann man für 2-, 3- bis 4-, 5-
bis 6- und 7- bis 8-jährige Kinder stricken.
Strick ist chic. Und viel persönlicher als die maschinell Überprüfen Sie die Massangaben auf der
gefertigten Allerwelts-Jogginghosen. Skizze. Die Grösse entspricht circa der
Höhe des Kindes von 92 bis 98, 104 bis
110, 116 bis 122, 128 bis 134 cm. Die Mass-
angaben werden in der Anleitung dem­
entsprechend hintereinander aufgeführt.

Die Hose wird in Runden glatt rechts

gestrickt. Das heisst, es werden in jeder
Runde rechte Maschen gestrickt. Dann
werden die Maschen aufgeteilt, und jedes
Bein wird einzeln fertig gestrickt. Die
Maschenprobe beträgt auf 10 x 10 cm
24 Maschen und 36 Reihen. Ansonsten
passen Sie die Nadelstärke an.

Taillenbund und Knöchelbünde werden

im Bündchenmuster gestrickt. Hier wird
1 Masche rechts und 1 Masche links
abwechselnd gestrickt.
Tipp Sie können nach dem Taillenbund
seitlich, entlang der Hosenbeine, ein
­einfaches Muster einstricken. Dieses ist
13 Maschen breit und besteht aus rechten
und linken Maschen (Skizze A).

A 6 cm
2/3-4/5-6/7-8 Jahre
28/30/32/34 cm
18/19 cm
16/17/

Strickrichtung
37/38/40/42 cm
50/59/67/75 cm

16/17/
23/31/38/45 cm

18/19 cm

Materialliste
• 250/250/250/300 g Wolle,
5 cm

zum Beispiel «Merino 120» von Lang Yarns

oder eine vergleichbare Wolle mit einer
Lauflänge von 50 g/120 m
• Stricknadelspiel Nummer 3 und 4 11
• Rundstricknadel Nummer 3 und 4, 10

40 cm lang 9
8
• Maschenmarkierer
Rapport

• Schere 6
5
• Wollnähnadel 4

• Etwa 50 cm Hilfsfaden 3
2
• Dampfbügeleisen 1

• Eventuell Gummifaden 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

• Massband rechte Masche linke Masche

138 Schweizer LandLiebe

 S E L B E R M AC H E N

1 2
X Rundstricknadel Nummer 4 nehmen und
136/144/152/164 Maschen anschlagen.
X Wenden und mit der Rundstricknadel
Nummer 3 1 Reihe linke Maschen stricken.
X Wenden, die Maschen zum Kreis
­schliessen und in Runden mit dem Bünd­
chenmuster beginnen (1 Masche rechts,
1 Masche links abwechselnd stricken).
­Darauf achten, dass sich die Maschen auf
der Rundstricknadel nicht verdrehen.
X 6 cm im Bündchenmuster stricken.
Beim Rundenbeginn den Markierer auf
die Nadel hängen (Bild 1). Dies bezeichnet
die hintere Mitte der Hose. Der Markierer wird zwischen zwei Maschen Verkürzte Reihen mit Doppelmasche Nach
X Rundstricknadel Nummer 4 nehmen und auf die Stricknadel gehängt. Weiterstricken dem Wenden die 1. Masche links abheben.
1 Runde rechte Maschen stricken. und in der nächsten Runde den Ring auf die Dann den Arbeitsfaden über die rechte
X Für eine gute Passform wird die Hose rechte Nadel umhängen, so läuft die Mar­ Nadel ziehen, bis sich zwei Maschenglieder
kierung beim Stricken mit. über die Nadel legen.
hinten höher gestrickt als vorne. Dafür wer­
den verkürzte Reihen mit Doppelmaschen

(Bild 2 und 3) gestrickt: Beim Runden­
beginn anfangen und 8/9/9/10 Maschen
rechts stricken.
X Die Arbeit auf die Rückseite wenden,
Doppelmasche (Bild 2), 15/17/17/19
Maschen links stricken.
X Wenden, auf der Vorderseite: Doppel­
masche, 23/26/26/29 Maschen rechts
stricken, dabei die Doppelmasche der
­Vorrunde rechts abstricken (Bild 3).
X Wenden, auf der Rückseite: Doppelma­
sche, 31/35/35/39 Maschen links stricken,
dabei die Doppelmasche links abstricken.
X Wenden, auf der Vorderseite: Doppel­
masche, 39/44/44/49 Maschen rechts
stricken, dabei die Doppelmasche rechts
abstricken.
X Wenden, auf der Rückseite: Doppelma­
sche, 47/53/53/59 Maschen links stricken,
dabei die Doppelmasche links abstricken.
X Wenden, auf der Vorderseite: Doppel­
masche, 55/62/62/69 Maschen rechts
stricken, dabei die Doppelmasche rechts
abstricken.
X Wenden, auf der Rückseite: Doppelma­
sche, 63/71/71/79 Maschen links stricken,
dabei die Doppelmasche links abstricken.
X Wenden, auf der Vorderseite: Doppel­
masche rechts bis zum Markierer der
­hinteren Mitte stricken.
X 1 Runde stricken, dabei die Doppel­
maschen rechts abstricken.
X In der nächsten Runde nach
68/72/76/82 Maschen einen weiteren
Markierer für die vordere Mitte anbringen.
Nun ist 1 Markierer an der hinteren Mitte
(Rundenbeginn) und 1 Markierer an der
vorderen Mitte.
X Falls Sie das Muster (Skizze A) ein­
stricken möchten, wie folgt mit der 1. Reihe
des Rapports beginnen: 28/30/32/35
Maschen rechts stricken, 13 Maschen links
3 4
Doppelmasche abstricken Dafür sticht
man in beide Maschenglieder gleichzeitig
und strickt sie als eine rechte Masche (Bild)
oder eine linke Masche ab.
stricken, 27/29/31/34 Maschen rechts,
Markierer einhängen, 27/29/31/34
Maschen rechts, 13 Maschen links und
28/30/32/35 Maschen rechts stricken.
Den Rapport beidseitig bis zum Knöchel­
bund wiederholen. Das wird in der Anlei­
tung nicht mehr erwähnt.
X Weiterstricken, bis ab Anschlagrand
(entlang der vorderen Mitte gemessen)
16/17/18/19 cm erreicht sind.
X Nun werden 4 Maschen zugenommen:
2 Maschen stricken, 1 Masche zunehmen
(Bild 4), bis 2 Maschen vor der vorderen
Mitte stricken, 1 Masche zunehmen,
4 Maschen stricken, 1 Masche zunehmen,
bis 2 Maschen vor der hinteren Mitte
­stricken, 1 Masche zunehmen, 2 Maschen
stricken = 140/148/156/168 Maschen.
X 1 Runde stricken.
X Die oberen zwei Punkte insgesamt
10 x stricken = 176/184/192/204 Maschen.
Masche zunehmen Dafür das Verbin­
dungsglied aufnehmen, das von der Masche
auf der linken Nadel zur Masche auf der
rechten Nadel führt. Dieses auf die linke
Nadel legen und verdreht zu einer neuen
Masche abstricken.
X Vom Anschlagrand aus entlang der
v­ orderen Mitte nachmessen, ob eine
Länge von 22/23/24/25 cm gestrickt ist.
Ansonsten bis zur angegebenen Länge
­weiterstricken.
X In der nächsten Runde wie folgt arbeiten:
5 Maschen abketten, 78/82/86/92
Maschen stricken, 10 Maschen an der
­vorderen Mitte abketten, 78/82/86/92
Maschen stricken und die restlichen
5 Maschen abketten. Den Faden bei
circa 30 cm abschneiden und durch die
letzte Schlaufe ziehen. Dieser Faden wird
später für das Zusammennähen benützt.
X Den Hilfsfaden in eine Wollnadel fädeln
und damit die Maschen für ein Bein auf­
fädeln und so stilllegen.
X Das Stricknadelspiel Nummer 4 nehmen
und die Maschen des anderen Beins auf
4 Nadeln verteilt aufnehmen. Dabei einen
Markierer an der Innenseite des Beins

Schweizer LandLiebe 139

 5 Dreiecksloop
Schwierigkeit Mittel
Einen solchen Schal wollten Sie schon immer haben?
Kein Problem. Die Grösse können Sie frei wählen und für Babys,
Kinder und Erwachsene berechnen.

Überzogenes Abnehmen 1 Masche

rechts abheben und auf die rechte Nadel
nehmen, 1 Masche rechts stricken und
die abgehobene Masche darüberziehen.

anbringen, um damit den Rundenbeginn

zu markieren.
X 2 cm stricken.
X Nun wird an der Innenseite des Beins
mit der Beinschrägung begonnen: 1 Masche
stricken, 2 Maschen zusammenstricken,
bis 3 Maschen vor dem Markierer stricken,
1 überzogenes Abnehmen (Bild 5),
1 Masche stricken = 76/80/84/90
Maschen.
X In dieser Weise alle 2/2,5/3/3,5 cm
­insgesamt 10/11/11/12 Mal abnehmen
= 58/60/64/68 Maschen.
X Bei einer Beinlänge von 23/31/38/45 cm
Sieht einfach aus, braucht
das Nadelspiel Nummer 3 nehmen und aber ein wenig Übung:
5 cm im Bündchenmuster stricken. der Loop, ein mit kurzer
X Locker abketten, den Faden bei Rundnadel gestrickter
circa 15 cm abschneiden und durch «Rundumeli»-Schal.
die letzte Schlaufe ziehen.
X Nun die stillgelegten Maschen des
­anderen Beins auf das Nadelspiel
Nummer 4 nehmen und gleich wie das
erste Bein stricken.
X Die abgeketteten Maschen zwischen Materialliste
den Beinen zusammennähen.
X Alle Fäden auf der Innenseite vernähen. • Circa 100 g Wolle, zum Beispiel • Wollnähnadel
X Die Hose dämpfen, dabei das Bügeleisen «Merino 120» von Lang Yarns • Stecknadeln
circa 1 bis 2 cm vom Gestrick weghalten. oder eine vergleichbare Wolle mit • Dampfbügeleisen
Die Bündchen beim Dämpfen nicht ­dehnen, einer Lauflänge von 50 g/120 m
damit sie die Form behalten. • Kurze Rundstricknadel, passend
Tipp Wenn Sie dem Taillenbund mehr zur Wolle, zum Beispiel Nummer 4,
Halt geben möchten, können Sie auf 40 cm lang
der Innenseite Gummifäden einziehen. • Kurze Rundstricknadel, ½ Nummer
Dabei nur die rechten Maschen auffassen ­kleiner, zum Beispiel Nummer 3,5,
und 1 Runde beim Anschlag, 1 Runde 40 cm lang, für das Bündchen
am Ende des Bündchens und 2 Reihen • 1 separate Stricknadel, passend
dazwischen durchfädeln. Anfang und Ende zur Wolle, zum Beispiel Nummer 4,
des Fadens verknoten. als Hilfsnadel
• 3 Maschenmarkierer zum Öffnen
• Massband
• Notizmaterial
• Schere

140 Schweizer LandLiebe


Strickanleitung
Diesen Schal beginnt man an der Spitze.
Zunächst wird in Reihen hin und her
gestrickt. Dabei werden seitlich Maschen
zugenommen. Wenn die gewünschte Breite
erreicht ist, legt man die Spitze zum Kreis.
Dann wird das Halsteil in Runden fertig
gestrickt.
Material und Grösse können Sie frei wählen
und für Babys, Kinder und Erwachsene
berechnen. Stricken Sie dafür eine Maschen-
probe. Die Maschenprobe aus unserem
­Beispiel glatt rechts gestrickt beträgt auf
10 x 10 cm 24 Maschen und 36 Reihen.
Der Schal wird mit einer kurzen Rundstrick-
nadel gestrickt. Das Muster ist glatt rechts
gearbeitet: Bei der Spitze werden die
Maschen auf der Vorderseite rechts und
auf der Rückseite links gestrickt. Dafür wird
die Rundstricknadel nach jeder Reihe
gewendet. Das Halsteil wird in Runden aus
rechten Maschen gestrickt und mit einem
Bündchen im Rippenmuster beendet.
MODEL: VALENTIN. HERZLICHEN DANK AN DIE FAMILIE Z‘ROTZ UND VON HOLZEN VOM HOF MURMATT. WWW.HOFMURMATT.CH
Randmaschen (Spitze) Die Ränder
sollten sich nicht einrollen und elastisch
bleiben. Dafür arbeitet man pro Seite mit
2 Randmaschen. Auf der Vorderseite
die 1. Masche rechts abheben, 1 Masche
links stricken, bis zur 2.-letzten Masche
stricken, 1 Masche links stricken und
die letzte Masche rechts abheben. Auf der
Rückseite alle Maschen links stricken.
SPITZE
X Eine Maschenprobe stricken.
X Den Kopfumfang messen und davon
3 cm abziehen. Anhand der Maschenprobe
die Anzahl der Maschen berechnen
(gerade Zahl). In unserem Beispiel sind
das für 50 cm 120 Maschen.
X 6 Maschen anschlagen und wenden.
X Rückseite: alle Maschen rechts stricken
und wenden.
X Vorderseite: die 1. Masche rechts
­abheben, bis zur letzten Masche rechts
stricken, die letzte Masche rechts abheben
und wenden.
X Rückseite: alle Maschen links stricken
und wenden.
X Vorderseite: die 1. Masche rechts
­abheben, 1 Masche links stricken, 1 doppel-
tes Zunehmen (Bild 1), bis zur 2.-letzten
Masche stricken, 1 doppeltes Zunehmen,
1 Masche links, die letzte Masche rechts
abheben und wenden.
1 2
1 doppeltes Zunehmen Das Verbindungs-
glied zwischen den Maschen von vorne
her auf die linke Nadel aufnehmen. Daraus
eine rechte Masche stricken, ohne das
­Verbindungsglied von der linken Nadel zu
nehmen. Dann mit der rechten Nadel von
hinten in das Verbindungsglied einstechen
(Bild), daraus eine Masche rechts stricken
und alles auf die rechte Nadel nehmen.
3 4
2 Maschen zusammen abstricken Dafür
mit der rechten Nadel gleichzeitig in
die Masche der vorderen und der hinteren
Nadel einstechen und die Maschen zusam-
men abstricken.
X Rückseite: alle Maschen links stricken
und wenden.
X Die letzten zwei Punkte so lange wieder-
holen, bis Ihre berechnete Maschenzahl
erreicht ist. Mit einer fertig gestrickten
Rückseite enden.
X Die fertig gestrickte Spitze mit der
­Rundstricknadel auf eine Bügelunterlage
stecken und vorsichtig in Form dämpfen.
Dabei das Bügeleisen 1 bis 2 cm vom
Gestrick weghalten.
Tipp Falls die Rundstricknadel zu kurz
ist, kann man die Maschen auf einen Hilfs-
faden auffädeln.
HALSTEIL
X Nun wird die Arbeit zu einem Kreis
geschlossen. Die ersten 6 Maschen über-
lappen sich und verhindern ein Ausdehnen
S E L B E R M AC H E N
Übergang Mit der separaten Stricknadel
die letzten 6 Maschen über die nächsten
6 Maschen der linken Nadel legen.
Mitte
1. Markierung 2. Markierung
Abnahmen im Nacken sorgen dafür, dass
der Schal besser anliegt. Dafür werden in
jeder 2. Runde links und rechts der hinteren
Mitte Maschen abgenommen.
des Übergangs. Dafür die Arbeit mit der
rechten Seite nach aussen zu einem Kreis
legen. Die letzten 6 Maschen auf der rechts
liegenden Nadelspitze auf eine separate
Stricknadel zurückstechen. Diese Nadel
parallel vor die linke Nadelspitze legen, den
Faden zwischen den Nadeln nach hinten
nehmen (Bild 2).
X 3 Mal jeweils 2 Maschen zusammen
abstricken, einen Maschenmarkierer für
die hintere Mitte auf die Nadel hängen
(Bild 3), 3 Maschen zusammen abstricken.
Die Hilfsnadel wird nun nicht mehr
gebraucht. Jetzt die Runde bis zur Markie-
rung der hinteren Mitte rechts stricken.
Von jetzt an wird in Runden aus rechten
Maschen gestrickt.
X Im Nacken werden insgesamt
20 Maschen abgenommen (Bild 4).
Schweizer LandLiebe 141
S E L B E R M AC H E N

5 6
Um die Abnahmestellen zu bezeichnen,
die Arbeit vor sich hinlegen und von
der h­ interen Mitte aus jeweils 10 Maschen
nach rechts und nach links abzählen.
­Zwischen der 10. und der 11. Masche
je einen Markierer auf die Nadel hängen.
Nun sind 3 Markierungen auf der Nadel.
Mitte
X Bis 2 Maschen vor der 1. Markierung
2. Markierung
­stricken, 2 Maschen rechts zusammen­
stricken, die Markierung umhängen, bis zur
2. Markierung stricken, die Markierung
umhängen, 1 überzogenes Abnehmen
(Bild 5) und bis zur hinteren Mitte stricken.
X 1 Runde rechts stricken. Überzogenes Abnehmen 1 Masche Elastisch abketten («isländisch abketten»)
rechts abheben und auf die rechte Nadel 2 Maschen rechts stricken. Mit der linken
X Die oberen zwei Punkte insgesamt
nehmen, 1 Masche rechts stricken und Nadel von links nach rechts in die 2 Maschen
10 x stricken. die abgehobene Masche darüberziehen. der rechten Nadel einstechen. Dabei liegt
X Für Kinder und Erwachsene: weitere 5 bis die linke Nadel vorne (Bild). Den Faden mit
6 cm stricken. Für Babys und Kleinkinder: der rechten Nadel holen und durch beide
weitere 2 bis 4 cm stricken. Maschen zusammen rechts abstricken. Nun
liegt eine Masche auf der rechten Nadel.
Tipp Hier können Sie die Höhe des Die nächste Masche rechts stricken und
­Halsteils individuell anpassen. diese 2 Maschen wieder zusammen rechts
X In der folgenden Runde werden Maschen abstricken.
abgenommen: 2 Maschen zusammen­
stricken, 8 Maschen rechts stricken, bis X Damit das schmale Bündchen weniger X Die ½ Nummer kleinere Rundstricknadel
zum Ende der Runde wiederholen. stark kippen kann, wird die 1. Reihe noch nehmen, weitere 4 Runden im Rippenmus­
Tipp Falls die Wiederholung am Ende der mit der normalen Nadelgrösse gestrickt: ter stricken und elastisch abketten (Bild 6).
Runde nicht aufgeht, dürfen es auch weniger 1 Masche rechts, 1 Masche links abwech­ X Die Fäden auf der Innenseite vernähen.
als 8 Maschen bis zur hinteren Mitte sein. selnd stricken. X Das Halsteil ebenfalls dämpfen.
 Maskottchen
Schwierigkeit Einfach
Es bringt Glück – oder spendet Trost, wenn der Gegner gewinnt. Oder der Elfmeter
in die Hose ging. Jeder Sportler und jede Sportlerin braucht ein Maskottchen. Mit dem kleinen
Karabiner ist es rasch angehängt. Und so immer mit dabei.

Waschbär, Bär, Fuchs

und Katze: Sind sie nicht
zum Knuddeln? Und mit
Anne-Catherine Lükes
Anleitung können Sie
auch andere Tiere
stricken.
Materialliste
• Woll- oder Garnreste in mittlerer
Stärke. Unsere Beispiele sind
aus «Merino 120» von Lang Yarns
mit einer Lauflänge von 50 g/120 m
• Stricknadeln passend zur Wolle,
zum Beispiel Nummer 4
• Schere
• Wollnähnadel
• Karabinerhaken
• Füllmaterial
• Häkelnadel, passend zur Wolle,
zum Beispiel Nummer 3 oder 4

Schweizer LandLiebe 143

Strickanleitung
Die Stofftierchen sind einfach und schnell
gestrickt. Sie eignen sich bestens, um
­Wollreste aufzubrauchen oder das Stricken
zu üben. Wir zeigen Fuchs, Katze, Bär und
Waschbär. Doch mit dieser Anleitung kön-
nen Sie viele weitere Tiere herstellen. Es
wird in Reihen glatt rechts gestrickt: dafür
auf der Vorderseite rechte Maschen und
auf der Rückseite linke Maschen stricken.
Tipp Falls Sie rundstricken möchten, können
Sie mit einem Stricknadelspiel arbeiten.
So stricken Sie nur rechte Maschen, und
das Zunähen der Rückennaht erübrigt sich.
Randmaschen Die 1. Masche rechts
a­ bheben und die letzte rechts stricken.
Das ergibt einen Knötchenrand. Diese
Randmaschen werden in der Anleitung
nicht erwähnt.
Eine Maschenprobe mit einem ähnlichen
Material ist nicht nötig. Es sollte jedoch
nicht zu locker gestrickt werden, damit das
Füllmaterial versteckt bleibt.
Die Farben werden immer am Anfang
einer Vorderseite gewechselt. Dafür wird
die 1. Masche (Randmasche) mit dem
neuen Faden gestrickt.
Tipp Lassen Sie beim Anschlag, beim
Abketten und beim Farbwechsel Garnreste
X Auf der Vorderseite alle Maschen
a­ bketten, den Faden bei circa 40 cm
abschneiden und durch die letzte Schlaufe
ziehen.
BÄR
X 36 Maschen anschlagen.
X 17 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 2 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 2 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 2 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 2 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 2 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 2 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 18 Reihen stricken.
X Vorderseite: *2 Maschen stricken,
2 Maschen zusammenstricken*, von * bis *
insgesamt 9 Mal arbeiten = 27 Maschen.
X Rückseite stricken.
X Vorderseite: 2 Maschen stricken,
*2 Maschen zusammenstricken, 1 Masche
stricken*, von * bis * insgesamt 8 Mal
arbeiten, 1 Masche stricken = 19 Maschen.
X Den Faden bei circa 40 cm abschneiden
und in eine Wollnähnadel fädeln. Damit
alle Maschen von der Nadel auffädeln.
X Ein weiteres Mal durch die Maschen
fädeln, am Faden ziehen und damit die
Maschen zum Kreis schliessen.
WASCHBÄR
X 36 Maschen anschlagen.
X 17 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 12 Reihen stricken.
X Modell B Mit dem Faden vom Zusam-
menziehen die Rückennaht schliessen
(Bild 2).
X Modell A und B Einen Faden beim Hals
nehmen, in die Wollnähnadel fädeln und
rundherum durchfädeln (Bild 3).
X Den Kopf mit Füllwatte füllen.
X Beim durchgezogenen Faden ziehen,
bis die Maschen beim Hals eng liegen. Mit
einem Doppelstich im Rücken fixieren und
vernähen.
X Den restlichen Körper füllen.
X Mit dem Faden des Anschlags die untere
Kante (Füsse) zunähen.
X Beine und Arme abnähen (Skizze B).
Dafür die Wollnähnadel senkrecht durch
alle Lagen stechen. Mit einem Doppelstich
sichern und auf der Rückseite vernähen.
X Die Ohren abnähen. Dafür die Füllwatte
in den Kopf schieben.
X Gesicht, Augen, Nase aufsticken (Skizze A).
X Alle Fadenenden vernähen.
X Eine enge Luftmaschenkette von
circa 20 Luftmaschen häkeln.
X Die Luftmaschenkette gut am Oberkopf
annähen und dabei den Karabinerhaken
einhängen.
X Alle Fäden auf der Rückseite vernähen.
Seiten / Rückennaht
Abkettrand /

Oh
r

stehen. Diese kann man zuletzt für das X Farbe wechseln und 4 Reihen stricken.
Oh

Kopfnaht

Zusammennähen benützen.
Modell A Fuchs und Katze werden als
Rechteck gestrickt. Modell B Beim Bären
und beim Waschbären werden am Ende
Maschen abgenommen, damit Kopf und
Ohren runder werden (Skizze A).
r
X Farbe wechseln und 6 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 4 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 4 Reihen stricken.
X Vorderseite: *2 Maschen stricken,
2 Maschen zusammenstricken*, von * bis * Hals
insgesamt 9 Mal arbeiten = 27 Maschen.
X Rückseite stricken.
X Vorderseite: 2 Maschen stricken,
Strickrichtung

Arm

Arm

FUCHS *2 Maschen zusammenstricken, 1 Masche

X 36 Maschen anschlagen.
X 3 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 14 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 12 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 8 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 12 Reihen stricken.
X Auf der Vorderseite alle Maschen ab-
stricken*, von * bis * insgesamt 8 Mal
arbeiten, 1 Masche stricken = 19 Maschen.
X Den Faden bei circa 40 cm abschneiden
und in eine Wollnähnadel fädeln. Damit
alle Maschen von der Nadel auffädeln.
X Ein weiteres Mal durch die Maschen
fädeln, am Faden ziehen und damit die
Beine

ketten, den Faden bei circa 40 cm abschnei-
den und durch die letzte Schlaufe ziehen.
KATZE
X 36 Maschen anschlagen.
X 3 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 14 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 12 Reihen stricken.
X Farbe wechseln und 20 Reihen stricken.
Maschen zum Kreis schliessen.
NÄHEN
X Modell A Die Maschen des Abkett-
rands übereinanderlegen, die Seiten der
Rückennaht liegen dabei mittig. Die Kopf- Anschlag / Füsse
naht nähen (Skizze B, Bild 1). Dann mit
B
dem gleichen Faden die Rückennaht
schliessen (Bild 2).

144 Schweizer LandLiebe

 S E L B E R M AC H E N

1 2 3

Kanten wie bei der Kopfnaht und bei den Rückennaht Nur die Knötchen des Rands Kopf abnähen Rundherum mit der Nadel
Füssen können mit Überwindlingsstichen auffassen. Die Fadenenden, die man zum jeweils ein Maschenglied auffassen.
genäht werden. Nähen braucht, aussen lassen. Die restlichen
Fadenenden verknoten und in das Innere
legen.

Maschen abketten VS Maschen abketten VS

49 49
48 VS 48 VS
47 47
46 VS 46 VS
45 45

12 R. 44
43
VS 44
43
VS

42 VS 42 VS
41 41
40 VS 40 VS
39 39
38 VS 20 R. 38 VS
37 37
36 VS 36 VS
35 35

8 R. 34
33
VS 34
33
VS

32 VS 32 VS
31 31
30
29
Hals VS 30
29
Hals VS

28 VS 28 VS
27 27
26 VS 26 VS
25 25

12 R. 24
23
VS 12 R. 24
23
VS

22 VS 22 VS
21 21
20 VS 20 VS
19 19
18 VS 18 VS
17 17
16 VS 16 VS
15 15
14 VS 14 VS
13 13
12 VS 12 VS
14 R. 11
10 VS
14 R. 11
10 VS
9 9
8
7
6
Fuchs VS

VS
8
7
6
Katze
VS

VS
5 5
4 VS 4 VS
3 3

3 R. 2 VS 3 R. 2 VS
1 1

36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Maschen auffädeln Maschen auffädeln

50 VS 50 VS
49 49
48 VS 48 VS
47 47
46
45
VS
4 R. 46
45
VS

44 VS 44 VS
43 43
VS VS
4 R.
42 42
41 41
40 VS 40 VS
18 R. 39
38 VS
39
38 VS
6 R.
37 37
36 VS 36 VS
35 35
34 VS 34 VS
33 33

VS
32
31
4 R. 32
31
VS

30
Hals VS 30

Hals
VS
2 R. 29
28 VS
29
28 VS
2 R. 27
26 VS
27
26 VS
2 R. 25
24 VS 12 R.
25
24 VS
2 R. 23
22 VS
23
22 VS
2 R. 21
20 VS
21
20 VS
2 R. 19
18 VS
19
18 VS
17 17
16 VS 16 VS
15 15
14 VS 14 VS
13 13
12 VS 12 VS
11 11
10 VS 10 VS
17 R. 9

VS 17 R. 9

Bär
8 8 VS
7
6
5
VS
7
6
5
Waschbär VS

4 VS 4 VS
3 3
2 VS 2 VS
1 1

36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

A
Schweizer LandLiebe 145
D E KO

Hortensien betreiben viel Aufwand,

um bestäubende Insekten anzulocken.
Ihre eigentlichen Blüten sind winzig.
Die Dolden und Rispen, die wir bewundern,
setzen sich aus Scheinblüten zusammen.
Sie sollen Aufmerksamkeit erregen.

So ein
KUCHEN & MACARONS LILLI RIZZO / WWW.RIZZO.CH

edler Tropfen
Eine Symphonie in Lila: Aus den Blüten der Hortensien lassen sich
Schmuckstücke herstellen, die voller Poesie und Anmut sind.
Idee und Styling Evelyn Krebs Text Roland Grüter Fotos Veronika Studer

146 Schweizer LandLiebe

 Werden die Hortensienblüten
frisch verarbeitet, gilt es,
sie möglichst spät vom Strauch
zu schneiden. Dann sind sie
robuster und behalten ihre
Farbe besser und länger.

Schweizer LandLiebe 147


Hortensienblüten lassen sich auch zu Tischschmuck formen. Basis dieses Werks ist eine Kugel aus getrocknetem Moos. Sie wird mit Draht
umwickelt, die Blütenteile werden mit Metallagraffen daran befestigt. Die Blütenkugel verströmt Romantik – eine rundum schöne Sache.
E
Es gibt wenige Pflanzen, deren Blüten
auch nach dem Verwelken betörend
schön bleiben. Die Familie der Horten-
sien Hydrangea, die siebzig bis achtzig
Arten umfasst und seit Ende des acht-
zehnten Jahrhunderts fester Bestand-
teil unserer Gartenkultur ist, gehört zu
diesem erlesenen Kreis. Ob geschnitten
oder am Strauch belassen: Die wusche-
ligen Dolden, Kugeln oder Teller behal-
ten ihre Schönheit bis in den Winter
­hinein, auch wenn deren Blust meist
schon im September endet. Denn Fülle
und Farbenpracht lassen sich problem-
148 Schweizer LandLiebe
Die Wuschelblüten
bleiben schön – bis in
alle Ewigkeit
los erhalten – vorausgesetzt, man trock-
net die Blüten sorgfältig an der Luft,
gut geschützt vor der Wucht der Sonne.
­Dadurch bekommen sie ein zweites
­Leben: als dekorative «Staunstücke» –
egal, ob als Kranz, Kugel oder tropfen-
förmiger Wandschmuck.
Schutz vor bösen Mächten
Unsere Floralkünstlerin Evelyn Krebs ist
KURSANGEBOT
vor allem von der Sinnlichkeit und der
Fülle der Hortensienblüten begeistert. «Hortensienkränze
Die Werke, die sie daraus gestaltet, sol- binden»
len nicht davon ablenken. Sie verzichtet
deshalb konsequent auf Chichi, lässt die Möchten Sie lernen, wie sich
Pracht möglichst naturbelassen wirken. die zarten Blüten der Hortensie zu
Der Blütentropfen, den sie hier kreiert, einem klassischen Kranz binden
ist trotzdem ein spektakulärer Blickfang. lassen?
Übrigens: Hängt man das filigrane Werk Die Dekorationsexpertin
an eine Tür, schützt es die Menschen, Evelyn Krebs zeigt Ihnen
die dahinter leben, vor bösen Mächten. dies Schritt für Schritt in
Daran glaubten schon die alten Griechen unserem neuen Kurs im
und Römer. Und wahrer Zauber vergeht LandLiebe-Haus. Alle Infos
nie – das beweisen auch die Wuschel der dazu gibt es auf Seite 7.
Hortensien.

1 2
SCHABLONE Die gewünschte Tropfen­
form als Schablone aus festem Papier oder
Halbkarton ausschneiden. Eine feste Schnur
auf die gewünschte Länge zuschneiden –
in der Mitte der Vorlage abmessen.
4 5
PUZZELN Um die Tropfenform beizu­
behalten, die Schnur immer wieder auf
die Schablone legen. Zum Spitz hin immer
kleinere Hortensienstücke wählen und an
der Schnur festbinden.
D E KO
Materialliste
Für 1 Blütentropfen von circa 20 x 60 cm
• 5 bis 7 Hortensiendolden
• Kleine Zange
• Baum- und Bandschere
• Festes Papier
• Drahtschnur
• Dicke Schnur, zum Beispiel Kokosschnur
• Satinband
Natürlich schön: Der
Wand- oder Türschmuck
aus Hortensienblüten
lässt sich mit wenig
Materialien und geringem
­Aufwand gestalten.
3
ABSCHLÜSSE Am oberen Schnurende ANBINDEN Hortensienblüten in
eine Drahtschlaufe als Aufhänger befestigen. ­passende Stücke schneiden und von unten
Das andere Schnurende mit Drahtschnur zum Spitz hin mit Wickeldraht stimmig
umwickeln und knüpfen, damit die Blüten­ an die Schnur binden. Die grössten Teile
teile später nicht abrutschen. kommen im unteren Teil zum Einsatz.
FINISH Das letzte Blütenstück an der
Spitze in der Gegenrichtung an die Schnur
knüpfen. Übergang mit einem Satinband
abdecken und dieses zur Schlaufe binden.
An der Drahtschlaufe aufhängen. Fertig!
Die Floristin Evelyn Krebs schafft
mit ihren Kreationen einen Bezug
zur Symbolik von Formen und
Pflanzen. Die Tropfenform steht
für Klarheit und Erneuerung.
 Für den Boden
nur das Beste
Pflanzenkohle gilt als Wundermittel für bessere Böden.
Wer richtig feuert, kann sie auch selber herstellen. Der Experte
Stephan Gutzwiller aus Basel zeigt, wie es geht.
Text Sarah Fasolin Fotos Nik Hunger

S
tephan Gutzwiller nimmt eine
Handvoll Erde aus seinem
Gemüsebeet und eine Hand­
voll Erde irgendwo aus dem
Garten und hält sie neben­
einander. In der einen Hand liegt leh­
mige, feste Erde. Das Substrat hingegen,
das er dem Gemüsebeet entnommen
hat, ist feinkrümelig, dunkel und locker.
Erde, wie man sie sich wünscht für den
Anbau von Gemüse. «Als wir hier vor
zehn Jahren eingezogen sind, war die
Erde im ganzen Garten tonig und
schwer», erklärt Gutzwiller.
Damals steckte er einen Bereich
für den Gemüsegarten ab und fing an,
dessen Boden mit Kompost und Pflan­
zenkohle anzureichern. Mit jedem Jahr
wurde dieser besser. Der Vergleich ist
eindrücklich, und der fruchtbare Boden
gibt ihm recht. Mittlerweile gibt es auch
zahlreiche Studien, die belegen, dass
Pflanzenkohle den Boden in vielerlei
Hinsicht verbessert: Sie kann Nährstoffe Der Unterschied ist deutlich
zu sehen. Die seit zehn Jahren mit
binden sowie Wasser speichern und Pflanzenkohle und Kompost
­fördert das Bodenleben. Ausserdem hat ­angereicherte Erde (links) neben der
Pflanzenkohle auch im Zusammenhang Erde im «Originalzustand».
mit dem Klimawandel eine positive Wo wächst das Gemüse wohl besser?
­Eigenschaft (siehe Box letzte Seite).

Willkommenes Nebenprodukt
Nach seinem Studium als Umweltnatur­
wissenschaftler an der ETH Zürich
­beschäftigte sich Gutzwiller zunächst
mit Energiesystemen. Über die energe­
tische Nutzung der Abwärme von Pyro­
lyseanlagen kam er 2010 in Kontakt mit
Pflanzenkohle – und seither nicht mehr
davon los. Er hat verschiedene Systeme
entwickelt, mit denen man Pflanzen­
kohle möglichst effizient herstellen
kann – ohne dass dabei unerwünschte
Emissionen entstehen, wie dies bei
­offenem Feuer immer der Fall ist. Gutz­
willer hat zudem eine Vision. «Überall,
wo ein Feuer brennt, soll künftig nicht
Asche, sondern Pflanzenkohle entste­
hen», sagt er. Wer also zu Hause im
­Garten grilliert, kann dies – ­anstatt mit
importierter Kohle – mit einheimischem
Holz tun und bei richtiger Feuerung als
Nebenprodukt gleichzeitig Pflanzen­
kohle herstellen. In seinem Garten in
­Basel gibt Gutzwiller der LandLiebe Ein­
blick in das Geheimnis der Produktion
von Pflanzenkohle mit der sogenannten
Kon-Tiki-Methode. Dabei wird in einer
konischen Form – entweder einer Feu­
erschale oder einer entsprechenden Ver­
tiefung in der Erde – ein Feuer entfacht.

150 Schweizer LandLiebe

 S E L B E R M AC H E N

Kohle ist seine L­ eidenschaft.

Wenn Stephan Gutzwiller
einheizt, dann richtig.
Sodass nicht Asche, sondern
Pflanzenkohle entsteht.

Schweizer LandLiebe 151

1 2
DAS FEUER VORBEREITEN
Am besten eignet sich eine Feuerschale, die halb so tief ist
wie ihr Durchmesser oben. Sie wird mit ein paar groben,
­trockenen Scheiten gefüllt, und diese werden mit feinerem Holz
und einer Anfeuerhilfe überdeckt. Jetzt wird angezündet. Ein gutes
Startfeuer ist wichtig, damit schnell hohe Temperaturen erreicht
werden. Bei 280 bis 300 Grad setzt die Verkohlung ein – diese
Hitze muss erst produziert werden.
HOLZ NACHLEGEN
Sobald das Feuer schön brennt, wird nach und nach das­
jenige Holz hinzugelegt, das verkohlt werden soll. Das geht
bei dieser Methode am besten mit fingerdicken, trockenen Ästen.
Gutzwiller achtet darauf, dass er die Holzstücke als flache Schicht
hinlegt. Das Feuer soll oben schön brennen, die darunterliegenden
Holzstücke sollen nicht mehr zu viel Sauerstoff bekommen (sonst
würden sie zu Asche), sondern langsam verkohlen. Da die Schale
konisch ist, nimmt Gutzwiller bei jeder Schicht längere Stücke.

4 3
LÖSCHEN
Jetzt muss der
Verbrennungs­
vorgang beendet und das
Feuer gelöscht werden.
Dazu wird langsam vom
Rand her Wasser ein­
gegossen – so gibt es am
wenigsten Aschewurf.
Das Wasser löst die
dünne Ascheschicht rund
um das Holz, und die
Kohlestücke können her­
ausgenommen werden.
GRILLIEREN
Zum Schluss soll es nochmals richtig schön brennen,
damit sich der Sauerstoff auf die oberste Schicht konzentriert
und das Holz darunter konserviert bleibt und nicht zu Asche ver­
brennt. Wenn die Flammen immer kürzer werden, ist der richtige
Moment zum Grillieren. Empfehlenswert ist Grillgut, das nicht allzu
lange braucht, bis es gar ist – damit das Holz nicht verbrennt. Jetzt
­können auch dickere Holzstücke, die noch nicht vollständig ver­
kohlt sind (feststellbar, wenn man sie mit der Grillzange anhebt
und sie nicht auseinanderfallen), nach oben geholt und verkleinert
werden, damit sie noch fertig verkohlen.

5
TROCKNEN
Die Pflanzenkohle ist nun fertig, muss
aber noch getrocknet werden. Dafür
verteilt man sie am besten auf Asphalt oder
Steinplatten. Es dauert mehrere Stunden an
der Sonne, bis die Kohle komplett trocken ist.
 S E L B E R M AC H E N

6
ZERKLEINERN
Damit sich die Pflanzenkohle später möglichst gut mit
der Erde verbindet, sollte sie nun zerkleinert werden.

7
­Stephan Gutzwiller hat für diesen Arbeitsschritt eine Obstpresse
umfunktioniert. Möglich ist es auch, die Kohle mit einer Walze zu MIT KOMPOST VERMISCHEN
zerkleinern oder mit einem Stock in einem Kessel zu zerstampfen. Die Kohle kann im Boden ihre guten Dienste nur leisten,
wenn sie zuerst mit Nährstoffen aufgeladen wird. Am
­einfachsten geht dies, wenn sie dem Kompost beigegeben wird:
Auf zehn Teile Kompost kommt ein Teil Pflanzenkohle. Während
des Verrottungsprozesses bindet die Pflanzenkohle Nährstoffe,
die später im Gartenbeet wieder den Pflanzen abgegeben werden.
Der mit Pflanzenkohle vermischte Kompost wird nach vollendetem
Rotteprozess gesiebt und im Garten ausgebracht.

PYROLYTISCHE ZERSETZUNG DANK SPEZIELLEM KOHLEOFEN

Wer mit offenem Feuer Pflanzenkohle Minuten – nachdem die Flamme von
herstellt, produziert immer auch andere selbst erloschen ist – bleibt Pflanzen-
Emissionen. Um dies zu verhindern kohle übrig. Grillkohle ist übrigens
und mit wenig Aufwand Holz selber zu nicht identisch mit Pflanzenkohle,
verkohlen, hat Stephan Gutzwiller einen da die Herkunft des Ausgangsmaterials
speziellen Ofen entwickelt. Dieser ist bei Grillkohle oft unklar ist und diese
so konstruiert, dass das Holz mit mög- Kohle meistens nicht vollständig
lichst wenig Sauerstoff optimal verkohlt ­durchgekohlt ist und daher mit giftigen
und nur das entstehende Holzgas in polyzyklischen aromatischen
einer sauberen Flamme verbrannt wird. ­Kohlenwasserstoffen (PAK) belastet
Dieser Pyrolyseofen wird mit Häcksel sein kann. Weitere Informationen:
befüllt und enzündet. Nach rund vierzig www.kaskad-e.ch

PFLANZENKOHLE UND KLIMA

2021 publizierte Agroscope, das Kom­
petenzzentrum des Bundes für Forschung
in der Landwirtschaft, eine Studie zum
Potenzial der Pflanzenkohle in der Land-
wirtschaft. Die Resultate sind durchwegs
positiv und belegen wissenschaftlich,
was Praktikerinnen und Praktiker bereits
erfahren haben: Ihre für den Boden
­nützlichen Eigenschaften erhält die Pflan-
zenkohle bei ihrem Herstellungsprozess.
Dieses Material wird nicht verbrannt,
­sondern verkohlt. Während des Prozesses
wird die Biomasse ohne Sauerstoffzufuhr
auf mindestens 400 Grad erhitzt. Bei
d­ ieser sogenannten Pyrolyse wird
das Ausgangsmaterial schwarz, sieht
aber noch fast gleich aus, die chemischen
Eigenschaften haben sich durch die
­Verkohlung aber komplett verändert:
Das Material enthält nun vor allem
­Kohlenstoff, aber auch Kalium, Kalzium,
Phosphor, Magnesium und andere
­Elemente.
Die organischen Schadstoffe –
etwa Antibiotika oder Pestizide – in den
­Pflanzen sind weitestgehend zerstört,
die anorganischen – wie Schwermetalle –
bleiben meist erhalten. Daher ist der
E­ insatz von möglichst naturbelassenem
Material wichtig.
Ein sehr willkommener Nebeneffekt
bei diesem Prozess: Das CO2, das die
Pflanze für ihr Wachstum der Atmosphäre
entnommen hat, wird bei der Pyrolyse
nur teilweise freigesetzt, es bleibt zu
circa sechzig Prozent in der Pflanzenkohle
gebunden. Stirbt hingegen eine Pflanze
normal ab oder wird verbrannt, kehrt
­normalerweise alles CO2 in die Atmo-
sphäre zurück. Das heisst: Die Herstellung
von Pflanzenkohle ist auch gut fürs
Klima.

Schweizer LandLiebe 153

LESETIPPS
Ein Denkmal
für die Vorreiterin
Geballte Geschichte: Der über sechshundert Seiten starke Band «Cyanotypes»
vereint erstmals die wichtigsten Werke von Fotografiepionierin Anna Atkins.
B
ei schönem Wetter zog es Anna
Atkins jeweils auf den Vorplatz
von Halstead Place. Damals,
mitten im viktorianischen Zeitalter,
stellte sie vor dem Landhaus in der
englischen Grafschaft Kent ihre
Kopier­rahmen auf Holzgestelle. In die
mit Glasscheiben versehenen Rahmen
spannte sie fotochemisch beschich­
tetes Papier. Darauf legte sie Farne und
Algen und setzte das Ganze ein paar
Minuten der Sonne aus. Und siehe da:
FOTOS PAUL SEEWER (5), ZVG
Das Licht hielt die Umrisse der Pflan­
zen fest, während sich der Rest des
­Papiers intensiv blau verfärbte. Fast
Zehntausende solcher Bilder erschuf
die britische Botanikerin mit dem
­sogenannten Cyanotypie-Verfahren,
auch Eisenblaudruck, Blueprint oder
154 Schweizer LandLiebe
Sunprint genannt (siehe Fotoessay
über Anna Atkins, LandLiebe 3 2023).
Damit erschuf sie ein so wissenschaft­
lich bedeutendes wie kreativ-künst­
lerisches Werk, das einen wichtigen
Teil der frühen Fotografiegeschichte
ausmacht.
Mit «Cyanotypes» ist nun ein Buch
erschienen, das einen Überblick über
das fotografische Schaffen von Anna
Atkins gibt. Der Band vereint ihre bei­
den Hauptwerke: das Album «British
Algae» (1843–1853) und das Buch
­«Cyanotypes of British and Foreign
Ferns» (1853), das sie zusammen mit
ihrer Freundin Anne Dixon veröffent­
lichte. Damit sind über fünfhundert­
fünfzig ihrer Cyanotypien erstmals in
einem Buch abgedruckt. Ergänzt wer­
den die fotografischen Bilder durch die
Texte des Literaturhistorikers Peter
Walther. Dessen Recherchen erzählen
von Anna Atkins’ eindrücklichem Wer­
degang und ordnen ihn geschichtlich
ein – warum etwa die «Botanophilie»
in den bürgerlichen Schichten damals
so ausgeprägt war.
Eine umfassende Würdigung einer
echten Pionierin. SABRINA GLANZMANN
«Anna Atkins.
Cyanotypes»,
herausgegeben
von Peter Wal-
ther, Taschen-
Verlag, 2023,
660 Seiten,
circa Fr. 130.–
 Sachbücher
Vielseitige Dokumentaristin
Ob Bundesräte, Kämpferinnen für Frauenrechte oder
Künstler und Unternehmerinnen: Sabine Wunderlin
Sabine Wunderlin
hatte sie alle vor der Linse. Die gebürtige Fricktalerin
Zwischen Stein,
Bundeshaus & arbeitete dreiunddreissig Jahre als eine der wenigen
Pudding Palace
festangestellten Pressefotografinnen der Schweiz für
↑
Fotografin in einer
Umbruchzeit
Ringier. Diese Monografie mit einordnenden Texten
zeigt, wie sie von Politik bis Showbusiness Umbrüche
begleitete und den Balanceakt zwischen Dokumentation und Inszenierung
meisterte. Ein eindrücklicher Blick auf viele Jahre Schweizer Geschichte. SAG
«Zwischen Stein, Bundeshaus & Pudding Palace» von Sabine Wunderlin,
­Verlag Rüffer & Rub, erscheint im August 2023, 304 Seiten, circa Fr. 48.–
Gärtnerglück für alle
Beim Pflanzen und Gärtnern Lernprozesse auszulösen –
emotionale, kognitive, körperliche oder soziale –, darum
geht es in der Gartenagogik. Dieses Buch vermittelt
praxisnah und anschaulich, wie Menschen mit Beein-
trächtigung im Garten und in der Natur begleitet
­werden können. Neben gärtnerischen und agogischen
Fachpersonen dient es auch Laien als Anleitung für
agogisches Gärtnern – dies nicht zuletzt dank einer detaillierten Einführung in
die Grundlagen der Gartenagogik und nützlichen Praxisbeispielen. SAG
«Praxisbuch Gartenagogik. Menschen mit Pflanzen begleiten» von Thomas
Pfister und Fides Auf der Maur, Haupt-Verlag, 2023, 352 Seiten, circa Fr. 45.–
Parfums des Lebens
Wenn der Geruch von Bodenwichse an die Schulzeit
erinnert, der Duft des Schwimmrings einen in die
­Familienferien in Italien zurückkatapultiert oder die
schwefligen Schwaden aus der Käpsli-Pistole ein
­«Räuber und Poli»-Kopfkino auslösen: In ihrem Parfum-
Atelier in Bern hört Brigitte Witschi täglich witzige und
­berührende Geschichten rund um die Macht des Dufts.
­Wetten, dass die liebevoll zusammengetragene Sammlung von Anekdoten
auch jede Leserin und jeden Leser in vergangene Zeiten zurückversetzt? SAG
«Duftende Erinnerungen. Von der Magie der Gerüche» von Brigitte Witschi,
Lokwort-Verlag, erscheint Ende August 2023, 96 Seiten, circa Fr. 32.–
Hörbuch
Zürcher Krimistunde
Wieder ein rätselhafter Mord, wieder Zürich als Schau-
platz, wieder eingebettet in die beruflichen und privaten
Irrungen und Wirrungen von Seepolizistin Rosa Zambrano:
Das Buch von Seraina Kobler ist für alle, die den ersten
­Zürich-Krimi «Tiefes, dunkles Blau» der Autorin nur so verschlungen haben,
wie ein Heimkommen voller Vorfreude und Neugierde. Der neue Fall, der
­gewaltsame Tod von Architektentochter Iva Schwarz, ist dank der packenden
Stimme von Rose Vischer gerade auch als Hörbuch empfehlenswert. SAG
«Nachtschein. Ein Zürich-Krimi», von Seraina Kobler, Diogenes-Verlag, 2023,
Hörbuch-Download, Hörbuchdauer 7 h 8 min, circa Fr. 16.–
Stilvolle
­ erführung
V
Gelungene Mischung aus
Rezepten, Porträts und
Fachwissen rund um Pilze.
Manchmal wild, manchmal kultiviert und
immer faszinierend: Wer einmal die
mannigfaltige Welt der Pilze für sich
entdeckt hat, den lässt sie meistens
nicht mehr los. Das gilt auch für die
Fotografen Martina Meier und Gerry
Amstutz, die ihre Idee für ein kulinari-
sches Buchprojekt rund um Pilze stil-
voll und stimmig umgesetzt haben.
Zusammen mit den originellen Rezep-
ten von Koch und Gärtner Maurice
Maggi (wir sagen nur Waldpilzrisotto
mit wilden Heidelbeeren!), der Einfüh-
rung von Biologin Franziska Witschi
und den vielen Infos zu Speisewerten
und Besonderheiten der einzelnen
Pilze von Pilzkontrolleurin Marionna
Schlatter ein Muss für jede Küche. SAG
«Pilze aus Wald & Stadt» von Martina
Meier, Gerry Amstutz, Maurice Maggi und
Marionna Schlatter, AT-Verlag, erscheint
Ende August 2023, 192 Seiten, circa Fr. 42.–
Herbst
Herbstsalat mit Nüssen
und gemischten Pilzen
1 Schüssel Blattsalat
4 EL Obstessig
4 EL Baumnussöl (Walnussöl) oder
Sonnenblumenöl + Öl zum Braten
1 Thymianzweig
1 Bund Radieschen
Salz, Pfeffer aus der Mühle
1 – 2 Handvoll ganze Baumnüsse (Walnüsse)
Pilze nach Wahl (z. B. Maronenröhrlinge,
Krause Glucke und Steinpilze)
Den Salat putzen, waschen, in mundgerechte Stücke zupfen und gut abtrop-
fen lassen oder schleudern.
In einer Schüssel aus dem Obstessig und dem Öl eine Marinade anrühren.
Die Thymianblätter abzupfen, die Radieschen in dünne Scheiben schneiden
und beides zugeben. Mit Salz und Pfeffer würzen.
Die Nüsse bei kleiner Hitze in einer Bratpfanne oder im Ofen anrösten und
leicht salzen, dann beiseitestellen. Die Pilze säubern und in mundgerechte
Stücke zupfen oder schneiden. In wenig Öl gute 10 Minuten andünsten, dabei
stetig wenden. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Den gut abgetropften Salat zur Sauce geben und mischen. Die Nüsse und
die sautierten Pilze über den Salat verteilen und sofort servieren.
Porträts auf Seiten 40, 68, 75
128 129
Saisonaler Leckerbissen: Herbstsalat
mit Nüssen und gemischten Pilzen.
Schweizer LandLiebe 155
AUTO

Wie ein Fisch I

m Sommer ziehts die Schweiz ans
Wasser – und oft gleich mit einem
Sprung hinein. Rund tausendfünf­
hundert Seen und Weiher lassen uns

im Wasser
die Hitze vergessen und werden zum
kühlen Zufluchtsort, wann immer die
Temperaturen steigen. Der Hallwiler­
see, idyllisch gelegen auf der Grenze
zwischen den Kantonen Aargau und
Boote und Badespass locken an die Schweizer Luzern, avanciert jeweils am ersten

Gewässer. Mit dem sparsamen und geräumigen Wochenende im September zusätzlich

Suzuki Across lässt sich beides sogar verbinden.
Text Andreas Faust Fotos Sven Germann
zum Sportbecken. Zum 53. Mal startet
am 2. September das Hallwilersee­
schwimmen quer über den See –
der Jahreshöhepunkt für die lokale
Sektion der Schweizerischen
Lebensrettungs-­Gesellschaft SLRG.

156 Schweizer LandLiebe


Seit neunzig Jahren sorgen deren
­Wasserretter ehrenamtlich überall in
der Schweiz dafür, dass wir bei allem
­Badespass auch in ernsten Situationen
wieder ans sichere Ufer gelangen.
Mit dem Strom ans Wasser
Gut, wenn sich der Notfall vermeiden
lässt. Denn lieber schwimmen die
SLRG-Mitglieder am Hallwilersee die
«Seequerete». Zum Training treffen sie
sich am Anleger in Aesch LU, an dem
das Rettungsboot «Fin» von April bis
Oktober auf seinen Einsatz wartet.
Auch Suzuki ist am Wasser zu
Hause. Denn neben Fahrzeugen mit
zwei oder vier Rädern liefert der japa-
Quer übers Wasser oder rundherum:
In Aesch LU trainieren die Rettungs­
schwimmer fürs Hallwilerseeschwimmen;
der neue Suzuki Across müsste dagegen
die Uferstrasse nehmen. Wer wohl länger
brauchen würde?
nische Autobauer unter anderem auch
Aussenbordmotoren und versetzt uns FAKTEN Suzuki Across
so auf und am Wasser in Bewegung.
Motor Plug-in-Hybrid, 306 PS
Im Fall des frisch überarbeiteten SUV
(225 kW), Allradantrieb, Akku 18, 1 kWh
Across mit Plug-in-Hybridantrieb sogar
Fahrleistung 0–100 km/h in 6,0 s,
rein elektrisch bis zu 75 Kilometer weit.
Reichweite 75 km Umwelt 1,0 l/
Für den Badeplausch bietet er zwischen
100 km = 22 g/km CO2, Energie B
490 und 1168 Liter Ladevolumen für
Preis Ab 57 990 Franken
Laken, Kühltaschen und Schwimm-
tiere. Und bei 1,5 Tonnen Anhänge-
last lässt sich locker auch noch ein
Schlauchboot anhängen. Nicht jeder
ist schliesslich so fit wie die Rettungs-
schwimmer vom Hallwilersee.
www.suzuki.ch,
www.hallwilerseeschwimmen.ch
Schweizer LandLiebe 157
AUTO
Der europäische Traum
Mit dem kleinen Elektro-SUV Avenger wagt sich Jeep für einmal in ganz neue Gefilde.
D
ie amerikanischste aller Auto-
marken zieht den Cowboyhut
ab und hängt das Holzfäller-
hemd an den Nagel. Schluss mit dem
Raubein-Image – und damit auch mit
den fetten Benzinmotoren von früher.
Jeeps Naturburschen-Nummer passt
eben nicht mehr zum ersten Stromer
der Marke namens Avenger. Der in
­Europa entwickelte Jeep soll vor allem
weibliche Kundschaft locken und
seine Geländewagen-Talente an Park-
hausrampen und Randsteinkanten
ausspielen. Doch nimmt man die
­Klischeebrille einmal ab, erkennt man:
Der Fünfplätzer ist vor allem ein
schlau konzipierter City-SUV für
­Eltern plus zwei Kinder. Auf knapp
über vier Metern Länge wird kein Zen-
FAKTEN Jeep Avenger
Motor Elektro, 156 PS (115 kW),
1-Gang-Getriebe, Frontantrieb,
Batterie 51 kWh (netto)
Fahrleistung 0–100 km/h in 9,0 s,
Spitze 150 km/h
Umwelt 12,5 kWh/100 km = 0 g/km CO2
lokal, Reichweite 400 km, Energie A
Preis Ab 39 490 Franken
158 Schweizer LandLiebe
timeter verschenkt, bleiben 355 Liter
Ladevolumen und eine Kindersitz-
taugliche Rückbank. Dem Nachwuchs
werden auch die versteckten Gim-
micks gefallen – vom Marienkäferli auf
dem Dach bis zum kleinen Sternen­
gucker in der Frontscheibe.
Lieber Stadt statt Steppe
Anstelle einer teuren Riesenbatterie
liefert der Akku vernünftige 400 Kilo-
meter Reichweite. Und die zögerliche
Ladeleistung von 100 Kilowatt am
Schnelllader lässt sich verschmerzen.
Nur beim Namen Avenger, übersetzt
Rächer, bleibt Jeep raubeinig. Dabei
sind wir doch nicht im Wilden Westen.
www.jeep.ch, www.tcs.ch
Kleinster Jeep aller
Zeiten: Der neue
elektrische Avenger
passt besser ins Park-
haus als in die Prärie.
FOTOS SABINE WUNDERLIN, ZVG (2)
DER TCS-EXPERTE
Geduldig fährt
es sich am sichersten
Herr Suter, Trak­
toren, Velos und
Cars verstopfen im
Sommer die Stras­
sen. Wie kann ich
sicher überholen?
Im Zweifel nie! Überlegen Sie sich gut,
ob der Überholvorgang rentiert. Die
Tempodifferenz sollte mindestens
20 km/h betragen, um sicher über­
holen zu können. Deshalb ist es nicht
sinnvoll, innerorts Traktoren zu über-
holen. Wer mit Tempo 80 ein 70 km/h
schnelles Auto überholt, braucht Mini-
mum 400 Meter freie Strasse. Vor
dem Überholen nicht dicht auffahren –
das ist verboten und nimmt die Sicht.
In den Rückspiegel schauen und, wenn
es hinten frei ist, blinken, zügig über-
holen und dabei das erlaubte Tempo
einhalten. Mit Abstand wieder ein-
scheren. Durchgezogene Linien dürfen
dabei auf keinen Fall berührt werden!
Adrian Suter, 48, Leiter Bildung und
Entwicklung, TCS Training und Events
 Die LandLiebe sagt, wo Sie Wissenswertes über die Natur erfahren,
wo altes Handwerk erlernt, wo Brauchtum gepflegt und wo gefestet wird.
FOTO WERNER BISCHOF ESTATE / MAGNUM PHOTOS

AUSSTELLUNG
Rosellina Mandel
1947 als Fürsorge­
helferin mit Kindern
am Strand von
Rimini. Die Foto­
stiftung Schweiz in
Winterthur ZH
würdigt ihr Wirken
als Förderin der
Schweizer Fotografie.

August QUILT-KUNSTWERKE IN SENT GR

SCHWEIZER TAG DER OFFENEN GÄRTEN
26./27. 8. 2023
Einladung in private Gärten
Lassen Sie sich inspirieren von den Garten­
profis. Die Mitglieder von acht Organisa­
tionen aus dem Gartenbereich öffnen für
die Aktion «Offener Garten» ihre Tore.
Ein willkommener Anlass zum Erfahrungs­
austausch oder einfach zum Flanieren und
Geniessen. Adressen der teilnehmenden
offenen Gärten siehe Webseite.
X Ganze Schweiz, diverse Orte
X www.offenergarten.ch
26. 8. BIS 10. 9. 2023
Werke von Beatrice Lanter
Die Quilterin Beatrice Lanter spielt virtuos
mit Farben, Transparenz und Oberflächen­
strukturen. Sie fügt kleinste Teile kunstvoll
zu einem subtilen Ganzen. Nach zehn Jah­
ren, in denen zwanzig Textilkünstlerinnen
zahlreiche Besucherinnen und Besucher
mit ihren Werken beeindruckten, ist dies
die letzte Ausstellung in Beatrice Lanters
Galerie Art Textil Sent im Engadin.
­Vernissage Samstag, 26. August, 14 Uhr.
X Sent GR, Galerie Art Textil Sent,
Stron 277, Di–So 12–18 Uhr
X www.beatrice–lanter.ch
FASZINATION STEIN IN STANS NW
26. 8. BIS 1. 10. 2023
Fotografie und Skulptur im Dialog
Zwei Künstler, bei denen sich alles um
Steine dreht, zeigen ihre Werke. Während
der Fotograf Daniel Bühler hohe Berge
erklimmt, um Felsen und Gletscher genaus­
tens abzubilden, horcht der Bildhauer
Pi Ledergerber in den Stein, um daraus eine
abstrakte Form zu bilden. Die Ausstellung
der beiden ist ein spannender Dialog. Die
Vernissage findet am Samstag, 26. August,
15–18 Uhr, statt.
X Stans NW, Galerie Stans, Dorfplatz 11,
Do/Fr 15–18 Uhr, Sa/So 13–16 Uhr
X www.galeriestans.ch

Schweizer LandLiebe 159

 FOTOSTIFTUNG SCHWEIZ
26. 8. 2023 BIS 21. 1. 2024
Rosellina – Leben für die Fotografie
Während das Fotomuseum in Winterthur
wegen Umbau geschlossen ist, eröffnet die
Fotostiftung nebenan zwei neue Ausstel-
lungen rund um die Fotografendynastie
Bischof. «Unseen Colour» zeigt erstmals
farbige Bilder von Werner Bischof (1916–
1954). Die zweite Ausstellung würdigt die
zentrale Rolle von Rosellina Burri-Bischof,
geborene Mandel (1925–1986), in der
­Vermittlung und Förderung der Schweizer
Fotografie. Sie leitete die Zürcher Niederlas-
sung der renommierten Agentur Magnum
Photos und war mit den Fotografenlegenden
­Werner Bischof und René Burri (1933–2014)
verheiratet. Ihr Sohn Marco Bischof präsen-
tiert Dokumente aus dem Archiv.
X Winterthur ZH, Fotostiftung Schweiz,
Grüzenstrasse 45, Di–So 11–18 Uhr,
Mi 11–20 Uhr (ab 17 Uhr freier Eintritt)
X www.fotostiftung.ch
PASSMARKT OBERALP
27. 8. 2023
Kulinarische Schätze der Region
Es ist der krönende Abschluss der Pass-
märkte dieses Sommers, veranstaltet von
Alpinavera. Die Organisation für hand-
werkliche und kulinarische Erzeugnisse der
Bergkantone Uri, Glarus, Graubünden und
Tessin bietet jeweils auf verschiedenen
Pässen regionale Spezialitäten an. Wer den
Sonntagsmarkt auf dem Oberalppass
­verpasst, hat an zwei Samstagen im
­September noch Gelegenheit, die Schätze
des Tessins kennenzulernen: Ascona TI,
19. September, 11–19 Uhr, und Locarno TI,
30. September, 9–17 Uhr.
X Oberalp-Passhöhe zwischen Sedrun GR
und Andermatt UR, 10–16 Uhr
X www.alpinavera.ch
SIMONGARDEN RAPPERSWIL-JONA
BIS 3 .9. 2023
Rosen- und Staudenzauber
Margrit Simon öffnet ihren zauberhaften
Garten – auch am «Tag der offenen Gärten»
am 26./27. August (weitere teilnehmende
Gärten unter www.offenergarten.ch).
Nebst Staudenzauber sind Rosen in voller
Blüte zu bewundern. Zudem kann man
sich inspirieren lassen für die kommende
Gartensaison. Im Atelier sind blumenver-
zierte Karten und andere dekorierte Dinge
rund um Haus und Garten zu erstehen.
X Rapperswil–Jona SG, Simoncards
Simongarden, Johannisbergstrasse 25,
Mi–Sa 13–17 Uhr
X www.simongarden.ch
160 Schweizer LandLiebe
SKULPTUREN IM OBSTGARTEN
BIS 17. 9. 2023
Bed and Breakfast mit Kunst
Rund um das sanft renovierte Försterhaus
in Möriken ist auch diesen Sommer Kunst
im idyllischen Obstgarten zu bewundern.
Aktuell sind es Skulpturen von Kathrin
Küng. Das Anwesen ist auch ein Bed and
Breakfast, doch man muss kein Zimmer
mieten, um die Ausstellung zu besuchen.
Die Lage am Südfuss des Chestenbergs
ist auch ein idealer Ausgangspunkt für
Wanderungen und Velotouren, den Besuch
von Thermalbädern sowie der Schlösser
Wildegg, Lenzburg und Hallwyl.
X Möriken AG, Försterhaus,
Helena Lüpold, Dörnlerweg 30,
täglich 10–20 Uhr
X www.bnb.ch/foersterhaus-1667/
VIOLINISTIN MALWINA SOSNOWSKI
BIS 23. 9. 2023
Konzerte unter dem Sternenhimmel
Die Basler Kulturpreisträgerin und Violinis-
tin Malwina Sosnowski spielt zusammen
mit weiteren Interpretinnen und Inter­
preten Kammermusik in privaten Gärten
im Raum Basel und Bern. Darunter
ein Überraschungskonzert mit Blick auf
die Basler Altstadt und den Rhein oder
ein Familienkonzert zum Mitmachen.
Für Termine und Tickets siehe Webseite.
X Tickets 15/30/50 Franken, Kinder gratis
X Basel und Bern, diverse Orte
X www.gartenkonzerte.ch
LAUSCHIGE LITERATURLESUNGEN
BIS 24. 9. 2023
«Schreckmümpfeli» im Park
Winterthurs lauschige Literaturanlässe
in der Natur haben diesen Sommer
­prominente Autorinnen und Autoren auf-
geboten. Auch die verbleibenden Anlässe
versprechen hohen Unterhaltungswert.
Etwa die schaurig-lauschige Theaterauffüh-
rung des «Schreckmümpfelis» von Radio
SRF vom 10. September. Detailprogramm
und Ticketbestellung siehe Webseite.
X Winterthur ZH, diverse Orte
X www.lauschig.ch
SONNTAGSAUSFLUG ZUM GOTTHARD
BIS 30. 9. 2023
Museo Nazionale del San Gottardo
Am neu gestalteten Standort des Alpinen
Museums der Schweiz auf der Gotthard–
Passhöhe erzählt die Sonderausstellung
«Der Sonntagsausflug» vom noch
­ungetrübten Glück des Autofahrens. Sie
zeigt Amateurfilmbilder von Passausflügen
und Picknickpausen in den Zwanziger- bis
Achtzigerjahren, als selbst der Stau als
Erlebnis wahrgenommen wurde. Infos und
Ticketpreise auf der Webseite.
X Gotthard-Passhöhe, Airolo TI, täglich
9–18 Uhr (wenn der Pass offen ist)
X www.museonazionalesangottardo.ch
STADTMUSEUM AARAU
BIS 8. 10. 2023
Fotografin in Zeiten des Umbruchs
Sabine Wunderlin, 1953 geboren, arbeitete
als eine der ersten Schweizer Pressefoto-
grafinnen in einer Festanstellung. Dreiund-
dreissig Jahre lang war sie für das Medien-
unternehmen Ringier tätig. Die Ausstellung
widerspiegelt vier Jahrzehnte Fotojourna-
lismus und präsentiert die persönlichen
und politisch engagierten Langzeitprojekte
der Fotografin. Am 16. September um
15 Uhr steht eine Führung auf dem
­Programm, anschliessend um 16 Uhr der
Talk «Sichtbar und gleichgestellt? Frauen
im Fotojournalismus». Bei beidem ist
Sabine Wunderlin anwesend.
X Aarau, Stadtmuseum, Schlossplatz 23,
Di/Mi/Fr 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr,
Sa/So 11–17 Uhr
X www.stadtmuseum.ch
NATURMUSEUM WINTERTHUR
BIS 22. 10. 2023
Stadttauben – verehrt und verpönt
Vom Friedenssymbol zur Plage, Dreck-
schleuder und gefürchteten Krankheits-
überträgerin. Die Sonderausstellung über
Stadttauben beleuchtet alle Aspekte, die
das enge Zusammenleben dieser Vögel
und der Menschen seit Jahrtausenden
mit sich bringt. Dazu gibt es Workshops,
­Führungen und Vorträge. Oder – am
29. August von 18.30 bis 19.30 Uhr –
eine Abendexkursion mit Rolf Hug vom
Spezialdienst der Stadtpolizei Winterthur.
Detailliertes ­Programm auf der Webseite.
X Winterthur ZH, Naturmuseum,
Museumstrasse 52, Di 10–20 Uhr,
Mi–So 10–17 Uhr
X www.natur.winterthur.ch
LANDESMUSEUM ZÜRICH
BIS 12. 11. 2023
«Rote Zora» und «Schwarze Brüder»
Zwei Jugendbücher aus den Vierziger­
jahren bewegten Generationen Leserinnen
und Leser. Und sie berühren bis heute:
«Die rote Zora und ihre Bande» und
«Die Schwarzen Brüder», verfasst vom
deutschen Autorenpaar Lisa Tetzner und
Kurt Kläber, das nach der Machtüber-
nahme der Nationalsozialisten ins Tessin
geflüchtet war. Die beiden haben in ihren

Kursbuch
für Wissensdurstige
HERBSTERNTE IM WALD
2. 9. 2023
Achtsam Wildpflanzen sammeln
Kräuterpädagogin Carmen Ehrat führt durch
den Wald. Sie weiss aus Erfahrung: Eine
Fülle von wildem Obst wartet, Kirschpflau-
men, Wildäpfel. Beeren der Eberesche oder
des Gemeinen Schneeballs leuchten orange-
rot in der Septembersonne. Späte Wildblü-
ten zieren nach dieser Ernte in der Natur
nochmals die Teller, süss eingekocht schme-
cken sie gar wie Honig. Auch der Feld-
Majoran wartet darauf, zu Pesto verarbeitet
zu werden, ein willkommener Vorrat für
kargere Zeiten. Wildkräuter sind Überlebens-
künstler, sie passen sich den Jahreszeiten
an, speichern Wasser in Regenperioden
oder verlangsamen ihr Wachstum während
Hitzetagen. Erst bei optimalen Bedingun-
gen schiessen sie aus dem Boden. Der Kurs
findet ab sechs Teilnehmenden statt.
X Kosten Fr. 30.–, für Mitglieder des Vereins
Imwald Fr. 25.–. Anmeldeschluss: 30. 8.
X Sigigen LU, Besammlung Parkplatz
­Restaurant Pony, Sigigen LU, 10–
12.30 Uhr
X www.imwald.ch
NATURSCHULE ST. GALLEN
6. 9. 2023
Pilzkurs für Kinder
Die Naturschule St. Gallen bietet jedes
Jahr eine breite Palette an Kursen für natur-
interessierte Erwachsene und Kinder – von
STEINBILDHAUEN Die Kurse mit dem einheimischen Peccia-­Marmor in der
FOTO ZVG
unverfälschten Natur bilden das Herzstück der Tessiner Skulpturenschule. Anfänger,
Fortgeschrittene oder Profis finden vielfältige Angebote und Themen.
Salben herstellen, mit Bäumen s­ prechen,
Wildkräuter sammeln und kochen bis zu
Pilze sammeln. Dieser Kurs mit Pilzkontrol-
leurin Judith Vogler richtet sich an Kinder
von der ersten bis zur fünften Klasse. Ihr
Blick für die Besonderheiten der Pilze soll
geschärft und ein achtsamer Umgang mit
der Natur gefördert werden (waldtaugliche
Kleidung). Die Teilnehmerzahl ist auf fünf-
zehn Kinder beschränkt, der Kurs wird nur
durchgeführt mit mehr als sechs Kindern.
X Kosten Fr. 40.–
X St. Gallen, Naturschule,
­Spiltrücklistrasse 19a, 14–16 Uhr
X www.naturschule.ch
SCHNUPPERWOCHE STEINBILDHAUEN
10. BIS 15. 9. 2023
Steine meisseln im Tessin
Wie hart ist ein Stein? Braucht es Bären-
kräfte, um eigene Ideen in Stein zu meisseln?
Im Schnupperkurs der Scuola di Scultura in
Peccia lehrt Thomas Hunziker auf Deutsch
die Grundlagen des Steinbearbeitens:
das Arbeiten am Stein, die Handhabung
des Werkzeugs, die Schlagtechnik, das
Gestalten einer Skulptur. Nebst dem
­Peccia-Marmor stehen weichere Arten wie
Muschelkalk oder Alabaster zur Verfügung.
Anmeldung auf der Webseite.
X Kosten Fr. 800.–
X Peccia TI
X www.scultura.ch
AG E N DA
Werken auch ihr persönliches Schicksal
­verarbeitet und damit Themen wie Armut
und soziale Ungleichheit in die Zimmer
der Jugendlichen getragen. Die Ausstellung
folgt den Spuren des Autorenpaars in
­Deutschland und der Schweiz und ergründet
den Erfolg ihrer Jugendbücher.
X Zürich, Landesmuseum,
Museumstrasse 2, Di/Mi 10–17 Uhr,
Do 10–19 Uhr, Fr–So 10–17 Uh
X www.nationalmusem.ch
CENTRE DÜRRENMATT NEUCHÂTEL
BIS 10. 12. 2023
Ein Rebell und seine Rebellenfiguren
Der für seine Theaterstücke und Romane
bekannte Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt
(1921–1990) hat sein Leben lang auch leiden-
schaftlich gemalt und gezeichnet. Das Centre
Dürrenmatt Neuchâtel (CDN) zeigt in einer
Dauerausstellung seine Bilder im Dialog mit
seinem literarischen Werk. Ergänzend läuft
aktuell die Ausstellung «Rebellenfiguren».
Das Motiv des Aufbegehrens zieht sich auf
­verschiedene Weise durch die Werke von
­Dürrenmatt, der selber ein Rebell war. Infos zu
Anlässen und Führungen auf der Webseite.
X Neuchâtel, Centre Dürrrenmatt,
Pertuis-du-Sault 74, Mi–So 11–17 Uhr
X www.cdn.ch
September
TAG DER OFFENEN TÜR
2. 9. 2023
100 Jahre Naturmedizin A. Vogel
Dass seine Arzneimittel aus Heilpflanzen der-
einst auf der ganzen Welt gefragt sein würden,
konnte Alfred Vogel (1902–1996) kaum ahnen,
als er am 1. Januar 1923 sein erstes Reformhaus
in Basel eröffnete. Obschon der Naturheilkunde-
pionier bereits in jungen Jahren überzeugt war
von Bio-Qualität, was Nahrung und Heilmittel
angeht. Auf der Suche nach profundem Wissen
war er stets in Kontakt mit führenden innova­
tiven Forschern seiner Zeit. Dieser zukunfts­
gerichtete Geist prägt die grösste Herstellerin
von Phytotherapeutika der Schweiz noch immer.
X Roggwil TG, A. Vogel AG, Grünaustrasse 4,
10–16 Uhr
X www.avogel.ch
IKONENMUSEUM SCHWEIZ IN LENZBURG
3. 9. BIS 26. 11. 2023
«Herausragende Pilze»
Im Rahmen der Sonderausstellung «Schatz-
kammer Wald» zeigt das Museum Burghalde
die grossformatigen Pilztafeln des Lenz­burger
Schweizer LandLiebe 161
AG E N DA
Künstlers und Pilzforschers Hans Walty
(1868–1948). Für das «Schweizerische
­Pilzkompendium» während Jahrzehnten
akribischer Arbeit geschaffen, beein­
drucken die Originalaquarelle mit
­Farbstärke und Detailtreue. Später gab der
­Verband Schweizerischer Vereine für
­Pilzkunde drei Bände mit Darstellungen
und Kommentaren von Walty heraus.
Heute werden vierhundert Aquarelle in der
Landesbibliothek in Bern und neunund­
sechzig Tafeln in der Kantonsbibliothek
Graubünden in Chur aufbewahrt.
X Lenzburg AG, Museum Burghalde,
­Ikonenmuseum Schweiz, Schloss-
gasse 23, Di–Sa 14–17, So 11–17 Uhr
X www.museumburghalde.ch
KULINARISCHE ZUKUNFT
7. BIS 17. 9. 2023
Food Zurich – mehr als ein Festival
Lustvoll aufbereitet regen zehn Fokus-­
themen während des internationalen
Events «Food Zurich» zum Denken an und
wecken den Appetit auf Neues. Dazu
HÜHNER IM ATELIER Der Künstler
Charly Bühler findet seine Inspirationen
im Zusammenleben von Menschen und
Hühnern. Seine Beobachtungen überra-
schen, und die Bilder zeigen verblüffende
Gemeinsamkeiten der beiden Welten.
162 Schweizer LandLiebe
f­ inden über hundert Anlässe zu Stichwor­
ten wie «Plant based», «Foodsave», «Brutal
Lokal», «Daheim kochen» oder «Über den
Tellerrand» statt. Sie werden an verschie­
denen Orten, bei Abendessen in speziellen
Locations, an Kochkursen, bei Degustatio­
nen oder Küchenschlachten, von urbanen
Gärtnerinnen oder während Führungen
durch die Zürcher Gastronomielandschaft
beleuchtet. Details auf der Webseite.
X Zürich, diverse Standorte
X www.foodzurich.com
SYMPOSIUM SOIL TO SOUL
14. BIS 16. 9. 2023
Gesunde Böden – gesunde Menschen
«Erde und Seele» stehen im Mittelpunkt
des Symposiums «Soil to Soul», das natio­
nale und internationale Fachleute zu den
Themen Bodenbewirtschaftung, Genuss
und Verdauung versammelt. Ein Fazit lau­
tet: Gesunde Böden binden C02, speichern
Wasser und helfen dem Klima, während
unser Essen darauf wächst. Die wieder­
entdeckte Technik des Fermentierens deckt
dies idealtypisch ab. Das Haltbarmachen
von nachhaltig erarbeiteten Lebensmitteln
tut somit dem Boden, dem Genuss und der
Gesundheit der Menschen gleichermassen
gut. Daher liegt der Fokus auf diesem
Thema, zu dem namhafte Fermentierprofis
ihr Wissen in Theorie und Praxis teilen.
­Termine für Vorträge und Events sowie
Tickets auf der Webseite.
X Zürich, Mühle Tiefenbrunnen
X www.sotoso.com
KERAMIKMARKT UND MEHR
14. BIS 24. 9. 2023
«Rund um Keramik 23» in Zürich
Ein Programm rund um die Handwerks­
kunst des Töpferns hat der Event «Rund
um Keramik 23» im Zürcher Niederdorf zu
bieten. Zum einen gibt es das Keramik-
Café, dann die Präsentationen von zwanzig
Künstlerinnen und Künstlern in zwanzig
Ladengeschäften, eine Ausstellung zum
Thema «Keramik – Handwerk oder Kunst»
in der Wasserkirche, Führungen, Work­
shops sowie einen Keramikmarkt auf dem
Hechtplatz. Da ist für alle etwas dabei,
zum Schauen, Mitmachen und Kaufen.
Detailliertes Programm mit allen Terminen
und Standorten auf der Webseite.
X Zürich, Niederdorf, diverse Standorte
X www.rundumkeramik.ch
HERBSTLICHER PFLANZENMARKT
16. 9. 2023
«Aquilegia – Im Garten zuhause»
In Hettlingen im Zürcher Weinland liegt
das Pflanzencenter der Winterthurer
­Gartengestalter Aquilegia. Die Baumschule
und Staudengärtnerei lädt einmal mehr
zum reichhaltigen Herbstmarkt. Nebst vielen
Pflanzenspezialitäten warten diverse Stände
mit Kunsthandwerk auf die Besucherinnen
und Besucher. Auch für Kulinarisches und
die Unterhaltung der Kinder ist gesorgt.
X Hettlingen ZH, Aquilegia Pflanzen­
center, Oberwilerstrasse 6, 9–17 Uhr
X www.pflanzencenter.ch
KONZERTCHOR OBERARGAU
16./17. 9. 2023
Mozart, Jenkins, Trachsel
Der Konzertchor Oberaargau mit neunzig
Sängerinnen und Sängern veranstaltet ein
anspruchsvolles Chorkonzert mit namhaften
Solistinnen und Solisten und wird dabei
von professionellen Orchestern begleitet.
An zwei Tagen werden zwei gegensätzliche
FOTO GERI BORN
Kompositionen aufgeführt. Zwischen den
Werken liegen mehr als zwei Jahrhunderte.
Mozarts Krönungsmesse, komponiert für
Kaiser- und Königskrönungen, gehört zu
den beliebtesten Kirchenmusikwerken.
Das «Te Deum» von Karl Jenkins kam 2008
erstmals zur Aufführung, als Liverpool
­Kulturhauptstadt Europas war. Beide
Werke werden als «erhebend und feierlich»
bezeichnet. Das gilt auch für das «Ave
Maria» von Thomas Trachsel. Detailliertes
Programm und Tickets auf der Webseite.
X Herzogenbuchsee BE, Reformierte
Kirche, Sa 19 Uhr
X St. Urban LU, Klosterkirche, So 17 Uhr
X www.konzertchoroberaargau.ch
VON HÜHNERN UND MENSCHEN
16. 9. BIS 1. 10. 2023
Charly Bühlers Bilderwelten
Der als Hühnermaler bekannte Künstler
Charly Bühler öffnet sein Atelier für Besu-
cherinnen und Besucher. Die Inspiration für
seine Bilder findet er im Hühnerhof, aber
auch beim Beobachten von Menschen. In
der Kombination der beiden Welten gibt es
für ihn einen verblüffenden Spiegel unseres
menschlichen Zusammenlebens. So ent-
standen überraschende Stilleben und
menschliche Hühnerbilder. Vernissage am
Samstag, 16. September, 14–18 Uhr.
X Schalchen ZH, Atelier Charly Bühler,
Frohwies 1, Do–So 14–18 Uhr
X www.charly-buehler.ch
EXPERIMENTELLE GASTRONOMIE
19. BIS 21. 9. 2023
Gourmetspass in den Merian Gärten
Eigens für diesen Anlass kreieren die
­Spitzenköchinnen Zizi Hattab und Karime
López ein pflanzliches Menü mit biologi-
schen Erzeugnissen aus der Region.
«Gemüse ist die Zukunft», sagt Zizi Hattab,
die in Zürich die Restaurants Kle und Dar
betreibt. Für ihre pflanzenbasierte Fine-
Dining-Küche wurde sie als erste vegane
Köchin der Schweiz mit einem Michelin-
Stern ausgezeichnet. Die «Experimentelle
Gastronomie» ist eine Kollaboration mit
Künstlerinnen und Künstlern, die Besteck
und Geschirr auf nachhaltige Art neu inter-
pretieren. Die Basler Merian Gärten bilden
den Rahmen dieses hochkarätigen Zusam-
mentreffens. Reservation erforderlich,
siehe Webseite.
X Basel, Merian Gärten, Vorder Brüglingen
5, jeweils 18.30 Uhr
X www.steinbeisser.org,
www.meriangaerten.ch
MESSE BAUEN & MODERNISIEREN
21. BIS 24. 9. 2023
Wo man schaut, bevor man baut
Vor jedem Baubeginn gilt es zu planen und
sich über Materialien für Küche, Bad und
Böden zu informieren. Die Messe «Bauen &
Modernisieren» ist die jährliche Inspirations-
quelle beim Neu- und Umbau eines Eigen-
heims – mit Sonderschauen und grossem
Fachvortragsangebot. Tipps für die Anreise
und Tickets auf der Webseite. Eintritt am
Donnerstag kostenlos.
X Zürich, MCH Messe Schweiz (Zürich) AG,
Wallisellenstrasse 49,
Do–So 10–17 Uhr
X www.bautrends.ch/bauen–modernisieren
BIO-GENUSS IN MURTEN
22./23. 9. 2023
Markt vor historischer Kulisse
An zwei Abenden lässt sich die biologische
Vielfalt der Region Murtensee auf einem
kulinarischen Rundgang entdecken. Dabei
bereiten lokale Küchenchefs Gourmet-
menüs aus natürlichen Erzeugnissen zu.
Daneben bieten zwölf Stände viele Köst-
lichkeiten aus nachhaltiger Landwirtschaft
an, darunter Bio-Gemüse aus dem Seeland
oder Weine aus Vully. Detaillierte Infos auf
der Webseite.
X Murten FR, Altstadt, Fr 16.30–23 Uhr,
Sa 15.30–23 Uhr
X www.biogenussimstedtli.ch
FREILICHTMUSEUM BALLENBERG
23. BIS 24. 9. 2023
Grosser Herbstmarkt
Die Zeit des Schlenderns durch herbstliche
Märkte ist gekommen. An den Ständen
auf dem Ballenberg stehen eine Menge
hausgemachte und handwerkliche Produkte
zum Verkauf – von Apfelküchlein über
Naturkosmetik bis zu Edelweisshemden.
Es finden Handwerksvorführungen statt,
eine Mostpresse und eine Schnapsbrenne-
rei sind in Betrieb. Infos auf der Webseite.
X Hofstetten und Brienzwiler BE,
Freilichtmuseum Ballenberg, 10–17 Uhr
X www.ballenberg.ch
MARKT DER REGIONALEN PRODUKTE
23. BIS 24. 9. 2023
Preisgekrönte Produzenten
Die Siegerinnen und Sieger im diesjährigen
Wettbewerb der Regionalprodukte präsen-
tieren ihre preisgekrönten Produkte auf
dem Markt im jurassischen Courtemelon.
Rund vierhundert Produzentinnen und
­Produzenten nahmen mit über eintausend
Erzeugnissen teil. Rahmenprogramm mit
Workshops, Gastronomie, Unterhaltung für
Gross und Klein, Pferdewagenfahrten und
vieles mehr. Details auf der Webseite.
X Courtemelon/Delémont JU,
Sa 11–18 Uhr, So 9–17 Uhr
X www.concours-terroir.ch
PHOTOFLOHMARKT IN LICHTENSTEIG
24. 9. 2023
Trouvaillen im Toggenburg
Der Schweizerische Photoflohmarkt mitten
im Toggenburger Städtchen Lichtensteig
geniesst in der Schweiz und auch im
­Ausland ein beachtliches Ansehen. Bereits
seit 1976 wird der Anlass durchgeführt.
Unzählige Raritäten und Sammlerstücke
aller Epochen sowie einzigartige Occasio-
nen werden an Dutzenden Ständen an-
geboten und lassen das Herz der zahl­
reichen Foto- und Filmfans höherschlagen.
Für Besucherinnen und Besucher mit
­längerer Anreise lohnt sich die Ankunft am
Samstag, um früh genug am Markt zu sein.
Details auf der Webseite.
X Lichtensteig SG, Photoflohmarkt,
9–16 Uhr
X www.photoflohmarkt.ch
BRÄCHETE IN ZÄZIWIL
27. 9. 2023
Vom Flachs zum Leinenstoff
Den Leinenstoff für ihre Aussteuer
­mussten sich die jungen Emmentalerinnen
zu ­Gotthelfs Zeiten hart erarbeiten. Die
Ernte der Flachspflanze gipfelte in der
beliebten «Brächete», an der jeweils das
ganze Dorf mitmachte und mit «Brächete-
Brönnts» feierte. Mit dem Ende des
­Flachsanbaus starb dieser Brauch aus.
Die Handweberei Zäziwil liess ihn wieder
aufleben, mit allen Arbeitsschritten
vom Flachs bis zum f­ ertigen Stoff.
Inklusive Marktbetrieb mit über hundert
Ständen und Spezialitäten aus der
Region.
X Zäziwil BE, Dorfzentrum, 9–17.30 Uhr
X www.zaeziwil.ch
SCHREIBEN SIE UNS
Redaktion LandLiebe
Vermerk: Agenda, Hasenackerstrasse 86,
8704 Herrliberg, oder per Mail an
agenda@landliebe.ch
Einsendeschluss: 4. September
am 5. Oktober an
Ihrem Kiosk!
Schweizer LandLiebe 163
TAG W E R K
FOTO HOLZBAU SCHWEIZ
«Am liebsten auf dem Dach»
Lara Zwiefelhofer reist als Zimmerin on Tour rund ein halbes Jahr durch die Schweiz. Sie arbeitet
«
in Zimmereien und auf Baustellen mit und bringt Schulklassen ihr Handwerk näher.
Warum ich Zimmerin gewor-
den bin? Das fragen mich
­immer alle. Weil ich anpacken
kann, gerne im Freien arbeite und am
Ende des Tages sehe, was ich gemacht
habe. Das macht mich zufrieden
und stolz. Vor allem liebe ich Holz, es
riecht gut und ist enorm vielfältig.
Man kann damit eigentlich alles
bauen. Am Flughafen Zürich wird ein
neues Dock aus Holz und in Winter-
thur ein Hochhaus aus Holz gebaut.
Am liebsten arbeite ich auf dem Dach –
wegen der Aussicht natürlich! Im
Ernst: Ich mag die frische Luft, arbeite
am liebsten draussen und bin gerne
in der Höhe. Zimmerin ist ein so cooler
Beruf! Das Handwerk ist dermassen
vielfältig, kein Arbeitstag ist gleich
wie der andere. Es ist zwar körperlich
anstrengend, aber machbar. Gegen-
über Frauen gibt es zum Teil nach
wie vor Vorurteile – dass sie sich nicht
durchsetzen können und zu wenig
Kraft haben. Als Frau muss ich mich
halt mit Taten beweisen. Sobald man
mich arbeiten sieht, verfliegen jeden-
falls alle Vorurteile.
Die Tour ist superspannend, jede
Woche bin ich in einer neuen Firma,
lerne unterschiedlichste Arten des
Handwerks kennen, kann überall
­mitarbeiten und reise dabei durch
die halbe Schweiz. Jede Baustelle
170 Schweizer LandLiebe
ist anders: Mal ist es eine Fitnesshalle,
dann ein Rossstall, im Emmental
wurde ein altes Bauernhaus restau-
riert, im Appenzell eine traditionelle
Fassade. In Savognin konnte ich
beim Modulbau mithelfen: Da werden
ganze Räume und Tiny-Häuser in der
Halle gezimmert und in kürzester Zeit
aufgestellt. Die Woche im Tessin war
auch ganz cool. Ich ­spreche zwar kein
Italienisch, und wir mussten uns mit
Händen, Füssen und ein paar Brocken
Englisch verständigen – haben dabei
aber viel gelacht!
Ich lebe nun seit einem halben Jahr
im Wohnmobil. Ich habe mich auch
deshalb beim Branchenverband Holz-
bau Schweiz als Zimmerin on Tour
­beworben. Der Camper ist einmalig:
Ich bin flexibel, lebe reduziert und
habe doch immer alles dabei – auch
mein Fahrrad. Am Feierabend fahre
ich jeweils los und erkunde die Gegend.
Früh ins Bett gehe ich selten, obwohl
ich um sechs Uhr aufstehen muss.
Kurz vor sieben bin ich in der Firma,
trinke einen Kaffee und beginne mit
der Arbeit. So kurze Arbeitswege hatte
ich noch nie: Ich parkiere den Camper
jeweils beim Betrieb.
Ich besuche auf der Tour auch
Schulklassen und erzähle von meinem
Beruf. Oft zimmern wir etwas mit den
Schülerinnen und Schülern. Die meis-
Lara Zwiefelhofer, 25,
aus Liechtenstein: Bis
Ende Herbst ist sie auf
einer modernen Walz.
ten sind begeistert, mal mit den Hän-
den arbeiten zu können. Der Schul­
besuch in Herisau im Appenzell ist mir
besonders geblieben. Ich habe mit
Sechstklässlern aus Holzklötzen ein
überdimensioniertes Jenga-Spiel
­hergestellt. Alle Kinder sagten danach,
dies sei der beste Schultag ihres
­Lebens gewesen! So etwas geht voll
ins Herz.
Einige Schüler folgen mir nun auf
Social Media, ich poste regelmässig.
Ein paar haben mir mitgeteilt, dass sie
in einem Holzbaubetrieb schnuppern
gehen oder sich für eine Zimmer-
mannslehre bewerben wollen!
Die Wochenenden verbringe ich
meist auf einem Campingplatz, nur
selten fahre ich nach Hause nach
­Gamprin im Liechtensteinischen. Das
ist als Berufsbotschafterin anders als
auf der Walz, bei der man drei Jahre
und einen Tag nicht an seinen Wohn-
ort zurückkehren darf. Besonders cool
war es auf dem Camping in Engelberg.
Ein superschöner Ort, es kamen
Freunde zu Besuch, wir haben grilliert
und am nächsten Tag einen Ausflug
auf den Titlis gemacht.
Das grösste Highlight der Tour ist
aber ein anderes, nämlich dass ich
überall supersympathische und
­bodenständige Leute kennenlerne.»
Aufgezeichnet von Claudia Langenegger
Mehr Infos www.holzbau-schweiz.ch/zot
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