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Educational Dimension. 2020. Issue 2 (54). P. 134–147
УДК 37.091.12:005.963]:[792:811.112.2]
Michaela Kováčová[0000−0002−2529−9470]
Pavol-Jozef-Šafárik-Universität in Košice, 9,
Moyzesova Str., Košice, 04001, Slowakei
michaela.kovacova@upjs.sk
Abstract. In today’s classrooms, teachers are often under great pressure —
they not only have to prove themselves professionally but also as strong
personalities. In teachers-training courses at universities, subject-related and
didactic skills are often built up intensively, but there is a lack of support for
personal and social skills, planning and management skills, and development
skills.
Extracurricular theater projects can compensate for this shortcoming. The
paper presents effects of several years of theater work on teaching students
studying German as a foreign language. Theoretically, the contribution is firstly
underpinned by the approach of the Canadian sociologist Erving Goffman
(2003) about self-portrayal in everyday life, in which he points out a similarity
between acting and social contact [3]. Second, it is based on the understanding
of the “performative competence” by Wolfgang Hallet (2010). Both concepts
are transferred to the social contact between teachers and learners.
The effects of the multi-year theater work on teaching students are qualitatively
assessed in a group discussion with the student amateur actors, whereby
the influences are focused on the promotion of language skills, social and
management skills as well as on intercultural learning.
Keywords: German as a foreign language, theater projects,
teacher training.
© Michaela Kováčová
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3 Ergebnisse
Entsprechend der theoretischen Vorüberlegungen lassen sich die
Aussagen der Befragten den thematischen Bereichen: 1) Sprachkompetenzen,
2) personale Kompetenzen, 3) projektbezogene Kompetenzen — soziale
Kompetenzen und Planungs- und Managementkompetenz zuordnen.
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3.1 Sprachkompetenzen
Der erste von der Gruppe erwähnte Effekt der Theaterprojekte war, dass
sie eine andere Einstellung zur Fremdsprache gewonnen haben. Deutsch
sehen sie nicht mehr nur pragmatisch als eine nützliche aber anspruchsvolle,
schwere Sprache, sondern sie nehmen es als etwas Angenehmes wahr und
erleben Freude an der Spracharbeit. Außerdem hat sich die Sprache für
sie durch das Agieren auf der Bühne „vermenschlicht“ [Gruppendiskussion
(GD) 00:40–01:50]. Diese neue Sichtweise beeinflusst positiv ihre Motivation
Deutsch zu lernen. Diesen Effekt nannten zwei Gesprächsteilnehmer (GTN),
die ihre Sprachkompetenzen als nicht sehr gut einschätzen sowie ein
GTN mit sehr guten Deutschkenntnissen, der das Studium ohne Theater
abbrechen würde.
Die Motivation kann weiterhin durch Gastspielreisen ins Ausland und
die dortige Anwendung der Sprachkenntnisse in realen Situationen erhöht
werden [GD 02:12–02:56]. Diese Folge der Theaterarbeit erwähnte ein
GTN jedoch im Zusammenhang mit seinen vorigen Erfahrungen mit
Theaterprojekten an der Sekundarstufe I.
Eine nicht zu unterschätzende Folge der Teilnahme an Theaterprojekten
ist die bessere Selbsteinschätzung eigener Sprachkompetenzen nicht nur bei
Germanistikstudenten sondern auch bei Studierenden anderer Philologien,
die einmal Deutsch gelernt haben, sich aber in Theaterprojekten als sog.
falsche Anfänger fühlen [GD 05:12–05:25]. Wie es ein Gesprächsteilnehmer
ausdrückte: Beim Theaterspiel erfahre ich, was ich in der Sprache alles
schon kann und was mir noch fehlt, wo noch Verbesserungsbedarf besteht.
Obwohl die Laienschauspieler sich eigener Sprachmängel bewusst sind,
führt eine intensive Auseinandersetzung mit Texten zu einer gesteigerten
Selbstwirksamkeitserwartung [12, S. 199], die sich im Abbau von Angst
vor schwierigen Texten demonstriert und die Bereitschaft zum autonomen
Lernen erhöht. Ein Gesprächsteilnehmer drückte es in folgenden Worten
aus:
Beim Kleist, aber auch bei Lanna, habe ich erfahren, dass ich auch
die Texte, die in einer schweren Sprache geschrieben sind, die heute schon
out ist, meistern kann. Das hat mich motiviert, meine Sprachkenntnisse
auszubauen. Heute lese ich jeden Tag Zeitung — die Süddeutsche oder die
Zeit [GD: 41:22–41:34].
Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass das Ensemble vor einem nicht-
deutschsprachigen Publikum spielt und daher die Originaltexte vereinfachen
muss, ist bei jedem Stück eine intensive Textarbeit im Vorfeld notwendig,
was das Textverstehen verbessert. Nach den Aussagen der Befragten können
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sie das Wesentliche im Text besser erkennen und sich folglich darauf
konzentrieren [GD: 11:28–13:42, 14:22–15:31].
Durch die Arbeit mit dramatischen Texten bekommen die Theaterleute
mehr Sprachinput als im regulären Unterricht. Nach der Selbstbeobachtung
trägt das zu Erweiterung des Wortschatzes und Festigung grammatischer
Strukturen bei, was mit Befunden aus der Sekundärliteratur korrespondiert.
Das Wortschatzlernen wird beim Theaterspielen nicht als stures
Vokabelpauken erlebt, sondern verläuft eher unbewusst. Überdies,
bedingt durch den Inhalt der Stücke (Schifffahrt, Kriminalität), lernen
Studierende Wortfelder, auf die sie im Studium sonst kaum stoßen würden.
Das Wortschatzlernen erfolgt hier im Kontext. Die Laienschauspieler
erwerben in Repliken ganze Chunks, also vorgefertigte Sprachmuster,
die sie in der spontanen Kommunikation als Ganzes abgerufen oder von
Texten, die sie auswendig wissen, filtern sie das gesuchte Lexem heraus
[GD: 40:00–41:22, 42:00–43:16].
Mir passiert z. B. dass, wenn wir an der Uni reden oder auch
untereinander deutsch sprechen, und ich merke, dass mir ein Wort fehlt, da
läuft irgendwo im Hintergrund, in meinem Kopf der Text des Theaterstücks.
Ich höre die Stimme von Paľo und seine Replik. Das geht mir durch den
Kopf und da greife ich mir etwas heraus [GD: 42:00–42:17].
Eine ähnliche Feststellung betraf auch syntaktische Strukturen. Da
diese im Text wiederholt vorkommen und bei den Proben aktiv angewendet
werden, prägen die Darsteller sie sich gut ein und sind folglich imstande
sie in einer alltäglichen Situation problemlos zu gebrauchen oder leicht zu
modifizieren [GD: 46:55–47:10].
Fokussiert man sich auf produktive Sprachkompetenzen, konkret das
Sprechen, wurde als erster wichtiger Schritt Abbau von Sprechangst erwähnt
[GD: 02:57–04:12, 06:45–08:12].
Vor dem Theater hatte ich schreckliche Angst vor der Klasse überhaupt
etwas zu sagen. Mein Deutsch war nicht so katastrophal, aber schon das
Gefühl, dass alle einen anschauen, hat mich so paralysiert, dass ich keinen
zusammenhängenden Satz sagen konnte. Deshalb wollte ich am Anfang
kein Theater spielen, obwohl Patrik wollte, dass ich mich der Theatertruppe
anschließe, aber ich meinte: „Nein, das geht nicht, vor so vielen Menschen zu
stehen, es wird ein riesiger Stress sein.“ Dann bin ich aber doch gekommen
und bereits bei den Proben hat es Spaß gemacht [. . . ] Ich hatte allmählich
die Sprechangst abgebaut. Beim Spielen selbst, bei der Premiere hatte ich
aber Angst: „Was passiert, wenn ich einen Fehler mache? Wenn ich etwas
falsch sage oder falsch zeige“ Doch dann kamen gute Rückmeldungen von
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Zuschauern und ich meinte: „So schrecklich konnte es ja nicht sein“. Seitdem
habe ich auch keine Angst in Seminaren mitzureden [GD: 06:45–08:12].
Ferner hat ein bilingualer Befragter konstatiert, dass er sich das Murmeln
abgewöhnt hätte und nun auf eine deutliche Aussprache achte [GD: 37:44–
38:32].
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wir beim Theaterspielen lernen vor Menschen auftreten und erfahren, dass
wir eine Macht haben, andere zu beeinflussen [GD: 36:14–37:10].
Im weiteren Gespräch wurde eine Ähnlichkeit zwischen dem
Theaterspielen und der Psychohygiene im Lehrerberuf konstatiert.
Ebenso wie die Schauspieler eine Rolle im Theater einnehmen, nach
der Vorstellung aber abgeben können/müssen, sind auch für die Lehrer
die Rollendistanz, Unterscheidung zwischen Privatem und Beruflichem
sowie die Fähigkeit, sich gegenüber den schulischen Problemen nach dem
Arbeitsengagement zu distanzieren ein Zeichen der Professionalität [GD:
53:15–54:49] und können als Strategien zur Stressbewältigung aufgefasst
werden [12, S. 228]. In dieser Art der Betrachtung des Lehrerberufs kann
man auch eine Transferleistung erkennen.
Neben der performativen Kompetenz verbesserten sich dank der
Teilnahme an Theaterprojekten auch andere personale Kompetenzen
wie die Stressresistenz, Improvisationsfähigkeit und Schlagfertigkeit [GD
31:53–32:12]. Diese Kompetenzen wenden die Gruppenteilnehmer auch
im Studium an, sie helfen ihnen z. B. beim Vortragen von Referaten.
Insbesondere die Schüchternen beobachten bei sich eine Entwicklung in dem
Bereich [GD 83:06–84:02]. In Bezug auf den Lehrerberuf wurde referiert,
dass die erworbene Improvisationsfähigkeit sich v. a. bei Reaktionen auf
unerwartete Schülerfragen als nützlich erwies [GD: 85:10–85:46].
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil des Theaterspielens für junge
Menschen, die an der Bildung der eigenen Identität arbeiten, ist die
Möglichkeit, andere Lebensentwürfe bzw. Identitäten auszuprobieren und
dadurch neue, bisher nicht ausgelebte Merkmale ihrer Persönlichkeit
kennenzulernen. Eine klare Vorstellung von sich selbst, von eigenen Gaben
und Fähigkeiten hilft das Verhaltensrepertoire zu erweitern. Ein Beispiel
dafür lieferten die Befragten im folgenden Dialog:
— Diejenigen, die Theater spielen, können mehrere Leben, Situationen,
Berufe ausprobieren.
— Vielleicht nicht nur Berufe — wenn ich dich ergänzen darf — sondern
auch Emotionen. [. . . ] Jetzt hast du erfahren wie es ist, ein Brandstifter
zu sein, wie es ist, ein Arschloch zu sein. [. . . ] Vielleicht ist es auch gut,
diese Seite kennenzulernen und es zu verstehen. [. . . ]
— Ich glaube dem Patrik hat es sehr geholfen, dass er jetzt eine negative
Figur spielte. Er war immer so unterwürfig, immer hilfsbereit. Jetzt kann
er auch Nein sagen, kann sich besser durchsetzen. Auch im Schulpraktikum,
das war an einer Fachschule, wo die Schüler, lauter Jungs, null Interesse
an Deutsch haben, konnte sich Patrik durchsetzen. Er strahlte Autorität
aus [GD: 59:03–61:44].
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4 Fazit
Die festgestellten Effekte korrespondieren mit den Ergebnissen anderer
Untersuchungen über den Einsatz von Inszenierungsmethoden im Unterricht.
Allerdings wurden außerdem auch einige neue, bisher unerwähnte Vorteile
wie bessere Selbsteinschätzung eigener Sprachkompetenzen und eine erhöhte
Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf das Meistern von sprachlichen
Herausforderungen eruiert. Infolgedessen, dass die letzte Inszenierung von
Studierenden eigenständig vorbereitet und gemanagt wurde, konnten noch
weitere positive Effekte in Form von Projektkompetenzen erzielt werden,
die bei Evaluationen dramapädagogischer Verfahren nicht genannt wurden.
Alle drei ermittelten Bereiche — Sprachkompetenzen, personale
Kompetenzen sowie Managementkompetenzen — haben einen Bezug zum
Beruf des Sprachlehrers [5]. Leider berichteten die Diskussionsteilnehmer nur
selten über den Transfer der Theaterkompetenzen in die Unterrichtspraxis.
Diese Tatsache kann man als Beweis für die Schwierigkeit des Transfers
zwischen diesen zwei Feldern interpretieren, sie könnte aber auch als
Indiz dafür gesehen werden, dass die Transferleistung braucht, durch
einen expliziten Hinweis auf die Ähnlichkeit des Theaterspiels und der
Lehrerarbeit angeleitet zu werden. Ein anderer Grund, warum die Befragten
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nur wenige Transferfälle nannten, könnte auch darin liegen, dass sie wenig
Berufserfahrung haben und als Lehrer ein paar Stunden leiteten. Dennoch
gibt es Beispiele, dass die erworbene performative Kompetenz, antrainierte
Improvisationsfähigkeit und Assertivität auch im Schulalltag angewendet
werden.
Um die Aussagekraft der Ergebnisse richtig einzuschätzen ist noch
wichtig zu bemerken, dass die Gesprächsteilenehmer sich auf die eigene
Entwicklung fokussierten, sich aber nicht mit ihren Kommilitonen verglichen.
Daher kann keine eindeutige ungestörte Kausalitätsbeziehung zwischen
dem Theaterprojekt der subjektiv erlebten Steigerung der beschriebenen
Kompetenzen hergestellt werden. Es muss jedoch zugestanden werden, dass
die Erklärungen der Gruppenteilnehmer plausibel klingen und deshalb
erlauben einen kausalen Zusammenhang anzunehmen. Mehr Sicherheit
in dieser Frage bringt die Einbeziehung der Fremdeinschätzung von den
Betreuern der Schulpraktika. Aus ihnen lässt sich auch ein Vergleich
zwischen der Ziel- (studentische Laienschauspieler) und der Kontrollgruppe
(Studierende ohne Theatererfahrung) ableiten.
Literatur
1. Fedáková, K.: Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung in die
Fachdidaktik und -methodik. Košice 2015.
2. Folprechtová, J.: Dramapedagogické postupy při výuce cizı́ch jazyků, in:
Pedagogika v praxi. Olomouc 2012, S. 60–90.
3. Goffman, E.: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag.
München 2003.
4. Hallet, W.: Performative Kompetenz und Fremdsprachenunterricht,
in: Scenario. Journal for Drama and Theater in Foreign
and Second Language Education IV (2010)/1, S. 5–14. URL:
http://research.ucc.ie/scenario/2010/01/hallet/02/de (Zugriff am
8.3.2020).
5. Helmke, A.: Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose,
Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze 2010.
6. Lenčová, I.: Gestaltpädagogische Ansätze im Fremdsprachen-unterricht,
In: Janı́k, T.; Knecht, P. (Hgg.): New Pathways in the Professional
Development of Teachers/ Neue Wege in der Professionalisierung von
Lehrer/-inne/n. Münster 2010, S. 134–140.
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