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NdM-Glossar Wörter-

verzeichnis der Neuen


deutschen Medien-
macher*innen (NdM)
mit Formulierungs-
hilfen, Erläuterungen
und alternativen
Begriffen für die Be-
richterstattung in der
→ Einwanderungs-
gesellschaft.
Stand 1. Januar 2022

glossar.neuemedienmacher.de
Der Neue deutsche Medienmacher*innen e.V. (NdM) ist ein
gemeinnütziger Verein. Wir engagieren uns bundesweit mit
zahlreichen Projekten für mehr inhaltliche und personelle
Vielfalt in den Medien. Wir freuen uns über die Unterstützung
unserer Arbeit durch eine Mitgliedschaft, eine Spende oder
aktive Mitarbeit.
Infos unter www.neuemedienmacher.de

Das Glossar der Neuen deutschen Medienmacher*innen


ist für Journalist*innen und unsere Vereinsmitglieder kosten-
frei erhältlich. Die Inhalte werden von den NdM größtenteils
ehrenamtlich erstellt.

Danke
Die Neuen deutschen Medienmacher*innen danken allen beteiligten Wissen-
schaftler*innen, Expert*innen und Fachjournalist*innen sehr herzlich für ihre
Hilfsbereitschaft und die fachliche Unterstützung bei der Erstellung des Glossars.

Unser Dank geht an:

Fatih Abay, Prof. Dr. Handan Aksünger, Prof. Dr. Iman Attia, Thomas Baumann, Anna
Brausam, Claudia Dantschke, Merfin Demir, Christina Dinar, Prof. Dr. Naika Foroutan,
Prof. Eric Anton Heuser, Amelie Hoffmann, Gilda Horvath, Anetta Kahane, Bernd
Knopf, Thomas Krüppner, Robert Lüdecke, Viktoria Morasch Yassin Musharbash,
Prof. Dr. Werner Nell, Miltiadis Oulios, Sergej Prokopkin, Timo Reinfrank, Jan Riebe,
Jana Sauer, Dr. Susanne Schmidt, Ulrich Werner Schulze, Sana Shah, Dr. Yasemin
Shooman, Prof. Dr. Riem Spielhaus, Dr. Stefan Vogt, Irene Wachtel, Artur Weigandt,
Andrea Wierich, Melek Yildiz und viele andere.
Inhaltsverzeichnis

Wozu Formulierungshilfen? 4

Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«? 6

Migration 16

Kriminalitätsberichterstattung 21

Juden*Jüdinnen 25
Muslim*innen 32
Schwarze Menschen 41
Sinti*zze und Rom*nja 50

Flucht und Asyl 56

Rechtspopulismus, Rechtsradikale
und -extreme 66

Index 74
Wozu Formulierungshilfen? 4
Als Journalist*innen1 arbeiten wir jeden Tag mit unserem Handwerkszeug, der
Sprache. Unsere Berichte sollten möglichst wertfrei, korrekt und präzise die Sach-
verhalte wiedergeben. Nicht selten passiert es aber, dass beispielsweise Begriffe
wie »Zuwanderung« und »Einwanderung« in einem Beitrag als Synonyme ver-
wendet werden. Worin sie sich jedoch unterscheiden und bei welchen weiteren
Themen ungenau formuliert wird, erläutern wir in diesem Glossar. Alle Inhalte gibt
es auch online mit komfortabler Suchfunktion unter
www.glossar.neuemedienmacher.de.

Die Alternativen, die wir hier anbieten, sollen als Hilfestellung für die tägliche
Redaktionsarbeit dienen. Wir haben sie gemeinsam mit Fachleuten und Prakti-
ker*innen entwickelt. Weil sich Sprache aber ständig verändert und auch wir dazu
lernen, wird das Glossar regelmäßig aktualisiert und erweitert.

Die Vorschläge sind unser Beitrag zu einer laufenden Debatte. Wir stellen sie gern
zur Diskussion und freuen uns über eine Einladung zum Redaktionsgespräch, zur
Blatt- oder Sendungskritik – von Kolleg*in zu Kolleg*in.

Und wir freuen uns über Hinweise oder Kritik: info@neuemedienmacher.de.

1 Obwohl es in den meisten Medien nicht zur gängigen Praxis gehört, gendern wir im NdM-Glossar mit Sternchen *.
Legende 5

→ 
Begriff mit
Erläuterung

 mpfohlener
E
Begriff

→ 
Empfohlener
Begriff mit
Erläuterung
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«? 6
Die deutsche Gesellschaft hat sich verändert, sie ist vielfältiger geworden. Das
sollte sich in der Berichterstattung wiederfinden. Gleichzeitig müssen Journa-
list*innen oft vereinfachen, um komplizierte Sachverhalte kurz und verständlich
darzustellen. Manchmal führt das zu einem Dilemma: Wie beschreibe ich die
Gruppe, der jemand angehört? Wie beschreibe ich die anderen? Und wo ist diese
Trennung wirklich nötig?
Zunächst ist es sinnvoll, die Protagonist*innen zu fragen, wie sie sich selbst
nennen würden. Das ist allerdings nicht immer möglich. Zudem kann man bei der
Beschreibung von Gruppen nicht davon ausgehen, dass alle dieselbe Präferenz
haben.
Bei einer allgemeinen Bezeichnung für Eingewanderte und ihre Nachkommen
läuft man Gefahr, das Bild einer homogenen Gruppe zu erzeugen. Menschen mit
Migrationsgeschichte sind jedoch keineswegs homogen: Aussiedler*innen haben
in der Regel mit Geflüchteten aus dem Libanon so wenig gemeinsam wie kemalis-
tische Türk*innen mit kurdischen Feminist*innen. Dennoch ist es in der Bericht-
erstattung manchmal nötig, eine Gruppe pauschal zu benennen. Die vorliegenden
Erläuterungen dienen der Präzisierung von Begriffen und bieten praktische Vor-
schläge für die differenzierte Bezeichnung von Minderheiten, der Mehrheit und
natürlich auch von beiden.

Allochthone (griech.) wird in den Antislawischer Rassismus bezeich-


Sozialwissenschaften als Bezeichnung net die strukturelle Diskriminierung
von Menschen oder Gruppen mit ge- von Menschen, die vermeintlich oder
bietsfremder Herkunft verwendet. ​ selbstgewählt zur sozial-konstruierten
In den Niederlanden wird der Begriff Gruppe der Slaw*innen gehören, z. B.
zur Beschreibung von Menschen ver- → Russlanddeutsche oder jüdische
wendet, die selbst oder deren Eltern → Kontingentflüchtlinge. Diese Dis-
eingewandert sind. Allochthone ist kriminierungsform kann sich auch
das Gegenteil von → Autochthone. pauschal gegen die Bevölkerung von
Ländern wie Polen, Russland, Ukraine,
Ally (engl. Alliierte*r) ist im politischen Serbien, Bulgarien usw. richten oder
und aktivistischen Sinn eine Person, die gegen Menschen, denen die nationale
sich für die Interessen von diskriminier- oder ethnische Zugehörigkeit zu einem
ten Gruppen einsetzt, zu denen sie selbst dieser Länder zugeschrieben wird. Im
nicht gehört. Gleichgesinnte weiße Nationalsozialismus diente der Antisla-
Verbündete können Allys sein – al- wismus und die rassistische Zuordnung
lerdings nur, wenn diejenigen, die unter- zu einer »slawischen Rasse« der Ab-
stützt werden, sie als solche betrachten. wertung und Entmenschlichung sowie
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
als Begründung für deutsche Kriegs-
und Siedlungspolitik. Antislawischer
meinende, jedoch widersprüch-
liche Bezeichnung für Men-
7
Rassismus ging und geht auch deshalb schen verwendet, die seit vielen
häufig mit → Antisemitismus, Antibol- Jahren hier leben und voraus-
schewismus und Antikommunismus sichtlich bleiben werden. Soll die nicht-
einher. deutsche Staatsbürgerschaft betont
werden, ist ausländische*r Bürger*in
Asiatische Deutsche wird als politische passender, da bei »Mit-Bürger*in« ein
Selbstbezeichnung von vielen asiatisch unnötiges »Othering« stattfindet, d. h.
wahrgenommenen Menschen verwen- ein*e Mitbürger*in ist damit scheinbar
det. Der Begriff bezieht sich explizit anders als ein*e Bürger*in.
nicht auf bestimmte Länder, Kulturen
oder geografische Grenzen. Es ist ein Autochthone Deutsche autochthon
Sammelbegriff, mit dem sich eine Viel- kommt aus dem Griechischen und be-
zahl Asiatischer Deutscher gemein- deutet sinngemäß eingeboren, altein-
sam positionieren und solidarisieren, gesessen. Autochthone Deutsche
um gegen Rassismus und für gesell- könnte dazu dienen, → Deutsche
schaftliche Teilhabe einzutreten. Der ohne Migrationshintergrund zu be-
Antiasiatische Rassismus in Zeiten schreiben, hat allerdings als kaum
der Corona-Pandemie zeigte dabei bekanntes Fremdwort wenig Aussicht,
lediglich eine Facette existierender sich durchzusetzen (siehe auch
Rassismen gegen Asiatisch Deutsche → Allochthone).
Menschen auf. Als politische Selbstbe-
zeichnung wird der Begriff Asiatische Bindestrich-Deutsche wird manch-
Deutsche und das Adjektiv Asiatisch- mal als Selbstbezeichnung von
Deutsch großgeschrieben. → Menschen mit internationaler
Geschichte benutzt. Er spielt auf Be-
Ausländer*in bezeichnet Einwoh- zeichnungen wie → Deutsch-Türk*in
ner*innen ohne deutsche Staatsbürger- an, benennt einerseits ein Zugehörig-
schaft. Als Synonym für → Einwan- keitsgefühl zu mehr als einer Kultur
der*innen ist er dagegen falsch, da die und spiegelt andererseits die Unter-
meisten → Eingewanderten und ihre stellung wider, dass eingewanderte
Nachkommen keine Ausländer*in- Menschen keine »echten« → Deutschen
nen mehr sind, sondern → Deutsche. seien. Siehe dazu → Standard-
Grundsätzlich verortet »Ausländer« Deutsche.
Menschen im Ausland und klingt nicht
nach jemandem, der*die den Lebens- Biodeutsche wurde vor einigen Jahren
mittelpunkt in Deutschland hat. von »Migrationshintergründler*innen«
als Gegenentwurf mit scherzhaft-pro-
Ausländische*r Mitbürger*in wird seit vokantem Unterton in die Debatte
den 1970er Jahren als meistens wohl- gebracht und wird inzwischen aus
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
Mangel an Alternativen mitunter ernst-
haft verwendet. Viele so Bezeichnete
betonen, also Turko-Deutsche
oder Türkei-Deutsche statt
8
lehnen den Begriff ab, weil in ihm die Deutsch-Türken, Greco-Deutsche
Vorstellung von Genetik mitschwingt. statt Deutsch-Griechen, Spanisch-
Die Deutung als Kürzel für Biografisch- Deutsche, Polnisch-Deutsche usw.
Deutsche ist inzwischen verloren ge- Denn bei Wortzusammensetzungen im
gangen. Deutschen steht die Hauptbedeutung
immer am Ende (z. B. Hausschuh). Übri-
Bundesrepublikaner*in kann als Be- gens empfinden sich auch → Einge-
zeichnung für alle Bürger*innen in der wanderte ohne deutschen Pass oft als
Bundesrepublik Deutschland verwendet Teil der deutschen Gesellschaft, also
werden, denn auch diejenigen ohne z. B. als Turko-Deutsche, zudem sind Be-
→ deutsche Staatsangehörigkeit zeichnungen dieser Art gendergerecht.
haben sich für ein Leben in der Bundes-
republik entschieden. Drittstaatsangehörige wird in der
Fachsprache verwendet, um Menschen
Deutsche steht für → deutsche zu beschreiben, die keine Staatsange-
Staatsangehörige. Als Adjektiv oder hörigkeit eines EU-Landes haben. So-
Substantiv sollte der Begriff nicht dazu lange es rechtliche Unterscheidungen
dienen, eine ethnische Zugehörigkeit für diese Gruppen gibt, ist der Begriff
und damit nur die → standarddeutsche unvermeidbar. Beispiel: → Deutsche
Bevölkerung zu beschreiben. Denn: haben allgemeines Wahlrecht, EU-Bür-
Jede*r fünfte Deutsche hat einen ger*innen können in Deutschland bei
→ Migrationshintergrund. Und ihr Kommunalwahlen abstimmen,
Anteil wächst: Seit dem Jahr 2000 Drittstaatsangehörige dürfen in bei-
erhalten in Deutschland geborene den Fällen nicht mit​­­­­wählen.
Kinder von → Ausländer*innen (in
der Regel automatisch die deutsche Einheimische erzeugt ein schiefes Bild,
Staatsangehörigkeit.) weil viele → Eingewanderte und ihre
Nachkommen hier längst heimisch
Deutsche ohne Migrationshintergrund sind. Es weckt die Assoziation von
ist der korrekte Gegensatz zu → Men- fremdländischen → Migrant*innen. In
schen mit Migrationshintergrund. Ist einem lockeren Kontext könnte es mit
nur von → Deutschen die Rede, sind dem Gegensatz verwendet werden: Ein-
Deutsche mit Migrationshintergrund heimische und Mehrheimische.
schließlich selten mitgemeint.
Einwander*innen sind Menschen, die
Deutsch-Türk*in usw. ist eine Möglich- nach Deutschland gekommen sind, um
keit, die Internationalität von Menschen dauerhaft zu bleiben. Derzeit ist in die-
zu beschreiben. Dabei ist es allerdings sem Kontext oft fälschlich die Rede von
sinnvoll, ihren Lebensmittelpunkt zu → Zuwander*innen, Menschen mit Zu-
wanderungsgeschichte und ähnlichem. Fremdarbeiter*in ist eine
Bezeichnung für Arbeits-
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Eingewanderte und ihre (direkten) migrant*innen, die immer noch hin und
Nachkommen wurde von der Fach- wieder in Boulevard-Medien auftaucht
kommission Integrationsfähigkeit1 der – dann allerdings ohne Genderstern.
Bundesregierung eingebracht, um den Sie ist seit der NS-Zeit historisch be-
recht weit gefassten und inzwischen lastet und sollte nur mit einer entspre-
stigmatisierenden Begriff »Migrations- chenden geschichtlichen Einordnung
hintergrund« abzulösen. Eingewan- verwendet werden. Als Alternative
derte und ihre Nachkommen sind dem eignen sich Arbeitseinwander*in,
Vorschlag der Fachkommission nach migrantische*r Arbeiter*in oder
nur Personen, die selbst nach Deutsch- arbeitsmarktbezogene Einwander*in-
land eingewandert sind und ihre nen /Zuwander*innen (Fachsprache),
Kinder, wenn beide Elternteile eigene siehe auch → Gastarbeiter.
Einwanderungserfahrungen haben. Wie
in anderen Einwanderungsländern üb- Gastarbeiter wurden männliche wie
lich, soll ausschlaggebend sein, ob die weibliche Arbeitseinwander*innen
Menschen tatsächlich eingewandert genannt, die seit den 1950er Jahren
sind. Ihre Nationalität ist dabei nach- durch bilaterale Verträge zur Anwer-
rangig (anders als bei → Menschen mit bung von Arbeitskräften aus dem Aus-
Migrationshintergrund). land kamen. Im Wort »Gast« schwang
mit, dass die → Eingewanderten nicht
Ethnie wurde eingeführt als wissen- bleiben sollten. Der Begriff ist
schaftlicher Sammelbegriff für Grup- inzwischen veraltet, wird manchmal
pen, denen unter anderem eine ge- aber noch zur Selbstbezeichnung ge-
meinsame Abstammung zugeschrieben braucht, z. B. als »Gastarbeiterkind«.
wird. Häufig geht es um die Beschrei- Die wissenschaftliche Literatur ist da-
bung von außereuropäischen Gruppen. zu übergegangen, ihn mit dem Zusatz
Der Begriff fungiert umgangssprachlich »sogenannte Gastarbeiter« zu versehen.
als Ersatz für veraltete rassistische Be- Siehe auch → Fremdarbeiter*in.
griffe wie → Stamm oder → Rasse, meint
aber dasselbe Konzept. Korrekter ist es, Herkunftsdeutsche ist umstritten. Wer
konkret zu beschreiben, welche Gruppe allerdings »Deutsche mit türkischer
gemeint ist, zum Beispiel die Hausa Herkunft« sagt, müsste konsequenter-
aus Westafrika. Je nach Kontext kann weise auch Deutsche mit deutscher
es auch um Communitys gehen oder Herkunft, sprich Herkunftsdeutsche
beispielsweise die ghanaische sagen.
→ Diaspora. Vgl. → Kulturkreis.
Indigene sind laut Definition der
Vereinten Nationen die Nachfahren
der Menschen, die ein Gebiet bereits
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
bewohnten, bevor sie von Gruppen aus
anderen Teilen der Welt unterworfen,
keinen historisch aufgeladenen
Kontext und ist im öffentlichen
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untergeordnet oder kolonialisiert wur- Diskurs meist humorvoll konnotiert.
den oder ihr Gebiet Teil eines Staates Trotzdem wird der Begriff von manchen
wurde. Bis heute sind sie nicht maß- als Beleidigung abgelehnt. Siehe auch
geblich an den nationalen Regierungen → Kartoffel-Rassismus.
der Länder beteiligt, in denen sie leben.
Weltweit gibt es schätzungsweise etwa Kinder nichtdeutscher Herkunfts-
370 Millionen Indigene in mehr als 70 sprache (»ndH«) ist ein abstrakter
Staaten. Indigene ist als übergeordne- Fachbegriff, der vor allem im Bildungs-
tete Selbstbezeichung akzeptiert. Eben- bereich für Schüler*innen verwendet
so kann in einem Bericht die bestimmte wird. Er ist der Versuch, bestimmte
Gruppe beim Namen genannt werden, Förderbedürfnisse zu benennen, ohne
z. B. Cherokee, Maya, Tuareg, Kinder einer Herkunftsgruppe zuzuord-
Massai usw. Unangebracht sind Be- nen. Leider verbirgt sich dahinter ein
griffe wie »Ureinwohner«, »Eingebore- defizitorientierter Blick: In der Schul-
ne«, »Naturvolk«, »Indianer« etc. Siehe eingangsuntersuchung wird allein der
auch BIPoC in → People of Color. Frage nachgegangen, ob das Kind als
erste Sprache Deutsch gelernt hat. Ge-
Kanak*in (polynesisch »Kanaka« = nauso geeignet und weniger abstrakt:
Mensch) ist ein Schimpfwort, wird Mehrsprachige Kinder oder Kinder
jedoch manchmal (mit sarkastischem mit internationaler Geschichte.
Unterton) als Selbstzuschreibung ver-
wendet. Wenn Protagonist*innen sie Latinx (sprich: La-tí-nex) ist eine Selbst-
für sich selbst verwenden, kann die bezeichnung von Menschen lateiname-
Selbstbezeichnung in Medienberichten rikanischer Herkunft. Der Begriff hat
übernommen werden, sollte aber als sich als inklusive und geschlechterge-
solche erkennbar sein. rechte Alternative für Latino / Latina im
englischsprachigen Raum entwickelt.
Kartoffel ist ein ironischer, umgangs-
sprachlicher Begriff für → Deutsche Menschen aus eingewanderten
ohne Migrationshintergrund und ist aus Familien beschreibt keine statistische
der Annahme entstanden, in Deutsch- Größe, sondern das, worum es geht: um
land würden besonders viele Kartof- Menschen und ihre Familien, die ein-
feln verzehrt, was nur bedingt stimmt. gewandert sind.
Populär wurde »Kartoffel« als Zuschrei-
bung in der Jugendsprache und Popkul- Menschen mit internationaler Ge-
tur seit den frühen 00er Jahren. Mittler- schichte ist eine weitere Alternativ-
weile haben sich den Begriff vor allem formulierung, die im Workshop »Was
deutsche Rapper als ironische Selbst- heißt hier Migrationshintergrund?«
bezeichnung angeeignet. Kartoffel hat beim Diversity-Day 2014 von Heidel-
berger*innen zusammen mit den NdM
entwickelt wurde. Der Begriff berück-
Migrant*innen werden vom
Statistischen Bundesamt als
11
sichtigt, dass nicht alle Menschen mit Menschen definiert, die nicht auf dem
ihren Familien eingewandert sind. Er Gebiet der heutigen Bundesrepublik,
ist umgekehrt auch verwendbar für sondern im Ausland geboren sind. Rund
→ Standard-Deutsche, also Menschen die Hälfte davon sind → Deutsche, die
ohne internationale Geschichte. andere Hälfte hat eine ausländische
Staatsangehörigkeit. Im Diskurs wird
Menschen mit Migrationshintergrund dieser Begriff häufig irrtümlich als
sind nach statistischer Definition Synonym für → Menschen mit Migra-
• i n Deutschland lebende tionshintergrund verwendet. → Rechts-
Ausländer*innen, radikale und → Rechtsextreme nutzen
• e
 ingebürgerte Deutsche, den Begriff »Migranten« anstatt von
• i n Deutschland geborene Kinder mit → Geflüchteten zu sprechen. Damit
deutschem Pass, bei denen sich der soll suggeriert werden, dass Schutzsu-
Migrationshintergrund von mindes- chende nicht nach Deutschland fliehen,
tens einem Elternteil ableitet, sondern aufgrund einer angeblich
• → Spätaussiedler*innen und ihre freien Entscheidung nach Deutschland
Nachkommen. kommen, also migrieren.
Zunächst wurde »Personen mit Migra-
tionshintergrund« in der Verwaltungs- Migrationsvordergrund eine meist
und Wissenschaftssprache verwendet. augenzwinkernd gemeinte Selbst-
Doch als durch Einbürgerungen und bezeichnung von Menschen, deren
das neue Staatsangehörigkeitsrecht → Migrationshintergrund sichtbar ist.
von 2000 der Begriff → Ausländer*in-
nen nicht mehr zutraf, um → Einge- Mischling ist als Bezeichnung dem
wanderte und ihre Nachkommen zu Tierreich entlehnt und beruht auf der
beschreiben, ging die Formulierung Rassentheorie. Der Begriff sollte nicht
auch in die Umgangssprache ein (siehe auf Menschen übertragen werden.
auch → Einbürgerung und → Doppelte Ist die Information relevant, kann die
Staatsbürgerschaft). Heute wird der Herkunft der Eltern konkret benannt
Begriff oft als stigmatisierend empfun- werden. »Mischling« ist nicht gleichbe-
den, weil damit mittlerweile vor allem deutend mit → mixed.
vermeintliche (muslimische) »Prob-
lemgruppen« assoziiert werden. Das Neubürger*in klingt nach soeben ein-
Statistische Bundesamt erwägt 2022 gewanderten Menschen. Als Synonym
eine neue Kategorie und Bezeichnung für Eingebürgerte ist der Begriff eher
einzuführen. Weitere Alternativen: verwirrend, da er keine Verwurzelung
→ Menschen aus eingewanderten in Deutschland vermuten lässt.
Familien oder → Menschen mit inter-
nationaler Geschichte.
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
Neue Deutsche taucht immer häufiger
auf und wird unterschiedlich ver-
Rasse ist seit dem Nationalso-
zialismus (»Rassengesetze«) ein
12
wendet: Manche gebrauchen den Unwort in Deutschland, das im Sprach-
Begriff synonym für → Menschen mit gebrauch nicht mehr üblich ist. Den-
Migrationshintergrund. Als Selbst- noch existiert es noch in zahlreichen
bezeichnung von → Menschen aus Gesetzestexten wie dem Grundgesetz
eingewanderten Familien soll er den (»Niemand darf wegen ... seiner Rasse ...
Anspruch auf Zugehörigkeit deutlich benachteiligt oder bevorzugt werden.«).
machen. Der Begriff kann aber auch für Derzeit wird in der Politik debattiert,
eine Haltung stehen statt für eine her- den Begriff »Rasse« aus dem Grund-
kunftsbezogene Kategorisierung: Zu den gesetz zu streichen. In der Bericht-
Neuen Deutschen zählen dann alle erstattung taucht er mitunter auf, wenn
Menschen (mit und ohne Migrationshin- Rassismus-Debatten aus den USA
tergrund), die positiv zur Pluralisierung wiedergegeben werden. Doch Begriffe
der Gesellschaft stehen. wie »Rassenunruhen« (race oder ethnic
riots) oder »Rassenbeziehungen« (race
People of Color (PoC) ist eine Selbst- relations) sollten nicht wortwörtlich
bezeichnung von Menschen mit übersetzt werden, weil der Begriff
Rassismuserfahrung, die nicht als → race in den USA anders als »Rasse«
→ weiß, deutsch und westlich wahrge- in Deutschland einen Bedeutungswan-
nommen werden und sich selbst nicht del durchlaufen hat. Alternativen wären
so definieren. PoC (Singular Person auch Rassismus-Unruhen oder Un-
of Color) sind nicht unbedingt Teil der ruhen wegen Rassismus-Vorwurf u. ä.
afrikanischen Diaspora – ursprünglich
ist der Begriff u. a. zur Solidarisierung Russlanddeutsche sind als → Aus-
mit → Schwarzen Menschen ent- siedler*innen / Spätaussiedler*innen
standen. Schwarz, → weiß und PoC sind von 1950 bis heute nach Deutschland
dabei politische Begriffe. Es geht nicht eingewanderte Menschen aus den
um Hautfarben, sondern um die Benen- Nachfolgestaaten der UdSSR. Ihre Vor-
nung von → Rassismus und den Macht- fahren sind deutsche Siedler*innen,
verhältnissen in einer mehrheitlich deshalb können sie eine Statusdeut-
weißen Gesellschaft. Inzwischen wird scheneigenschaft bekommen und wer-
häufiger von → BPoC (Black and People den damit → deutschen Staatsangehö-
of Color) gesprochen. Etwas seltener rigen formal gleichgestellt. Dennoch
kommt hierzulande die Erweiterung sind sie häufig von → antislawischem
BIPoC ( Black, Indigenous and Peo- Rassismus betroffen. Mit 2,49 Millionen2
ple of Color) vor, die explizit auch → in- Menschen mit eigener Wanderungser-
digene Menschen mit einbeziehen soll. fahrung sind sie die zweitgrößte Gruppe
Diese Begriffe werden teils kritisiert, von → Eingewanderten in Deutsch-
weil damit sehr große und unterschied- land. Bezeichnungen wie Deutsch-
liche Gruppen vermengt werden. Russen, Russisch- bzw.
Kasachischstämmige sind für Russ-
landdeutsche inkorrekt und werden oft
→ Deutsche mit Migrations-
hintergrund vermeintlich ab-
13
als diskriminierend wahrgenommen. weichen. Der Begriff wurde durch den
Noch im Etablierungsprozess ist die Migrationspädagogen Paul Mecheril in
Selbstbezeichnung PostOst für Men- die Debatte eingebracht3, der auch den
schen, die selbst oder deren Vorfahren Begriff Copyright-Deutsche prägte.
aus Staaten kommen, die in Deutsch-
land pauschal als sog. »Ostblock« be- Südländer*in ist ein aus der Mode
zeichnet wurden und werden. gekommener Begriff, aber in der Be-
schreibung »südländisches Aussehen«
Schwarz ist eine Eigenbezeichnung, die in manchen Medien noch zu finden.
viele afrodiasporische Menschen und Hier stellt sich die Frage: Was genau
Initiativen verwenden. Sie kommt aus ist gemeint? Geografisch ist der Begriff
dem englischsprachigen Rassismusdis- unspezifisch und verortet Menschen
kurs (»Black«). Auch hier geht es nicht außerhalb von Deutschland, obwohl sie
um Hautfarbe, sondern um den Gegen- hier geboren und aufgewachsen sein
satz zu → weiß (vgl. → PoC). Als politi- könnten. Der Begriff wird auch von
sche Selbstbezeichnung wird Schwarz → rechtsradikalen und → rechts-
groß geschrieben – auch von immer extremen Medien verwendet.
mehr Medien. Seit Juli 2020 hat bspw.
die New York Times die Großschreibung Türkischstämmige (Bürger*innen)
von »Black« in ihren redaktionellen Stil- ersetzt inzwischen die früher gängige
vorschriften festgelegt. Die spezifische Bezeichnung »Türken« und soll berück-
Rassismuserfahrung, die Schwarze sichtigen, dass fast die Hälfte von ihnen
Menschen machen, wird als → Anti- inzwischen deutsche Staatsbürger*in-
Schwarzer Rassismus bezeichnet. Siehe nen sind. Die Alternative → Türkei-
auch im Kapitel »Schwarze Menschen« stämmige drückt aus, dass → Ein-
ab Seite 41. gewanderte aus der Türkei auch
Kurd*innen oder Angehörige anderer
Secondos (f: Secondas) ist in der Minderheiten sind, die sich nicht als
deutschsprachigen Schweiz die gängi- »türkisch« verstehen. Einige von ihnen
ge Selbstbezeichnung von → Menschen lehnen diese verbale Verbindung mit
aus eingewanderten Familien, die ab der Türkei jedoch gänzlich ab.
der zweiten Generation in der Schweiz
leben. Singular: Secondo (m), Se- Weiß Geht es um Zugehörigkeit, Teil-
conda (f). habe und Rassismus, ist immer öfter
von Weißen die Rede. Häufig herrscht
Standard-Deutsche beschreibt das Missverständnis, es ginge dabei um
→ Deutsche ohne Migrationshinter- eine Hautfarbe. Tatsächlich meint
grund und macht aufmerksam auf eine weiß eine gesellschaftspolitische
Normvorstellung, von der Norm und Machtposition und wird
Wer sind »wir«, wer sind »die anderen«?
deshalb in wissenschaftlichen Texten
oft klein und kursiv geschrieben. Der
Zeit vor allem in der Politik
genutzt, um Deutschland
14
Begriff wird als Gegensatz zu → People nicht als → Einwanderungsgesellschaft
of Color und → Schwarzen Menschen zu benennen, sondern nur von (zeitlich
verwendet. Dabei müssen sich z. B. begrenzter) Zuwanderung zu sprechen.
weiße Deutsche nicht selbst als weiß Sprachlich unterstreicht die Vorsilbe
oder privilegiert fühlen. »zu« eher die Nicht-Zugehörigkeit,
ähnlich wie bei beim abgewandelten
Wir kann missverständlich wirken, »Neuzuwanderer«. Menschen, die eine
wenn beispielsweise von »wir Deut- längere Zeit hier leben, sind schlicht
schen« die Rede ist, aber nur → Deut- → Einwander*innen.
sche ohne Migrationshintergrund
gemeint sind. Als Alternative kann
Mehrheitsbevölkerung passender sein
– allerdings nicht überall, in Frank-
furt am Main sind → Menschen mit
Migrationshintergrund bereits in der
Mehrheit (siehe auch → Mehrheits-
gesellschaft, → Aufnahmegesell-
schaft).

Wurzeln, mit griechischen etc. wird oft


verwendet, um die Herkunft von
→ Menschen mit internationaler
Geschichte zu beschreiben. Weil damit
keine Verortung in Deutschland, son-
dern vielmehr eine Entwurzelung von
→ Eingewanderten und ihren Nach-
kommen mitschwingt, wird die Be-
schreibung teilweise kritisch gesehen.
Alternativ kann z. B. die (ehemalige)
Nationalität der Eltern genannt werden,
sofern es wirklich nötig ist.

Zuwander*innen sind zunächst alle


Menschen, die nach Deutschland
ziehen. Statistisch zählen dazu auch
diejenigen, die nach kurzer Zeit wieder
fortziehen (Abwander*innen). Die Ab-
sicht zu bleiben ist bei Zuwander*innen
nicht gegeben. Der Begriff wurde lange
15

1 Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2016


(Tabelle1 (Personen_mit_Migrationshintergrund),
Zeile 97, Spalte X)
2 Bericht der Fachkommission zu den Rahmen-
bedingungen der Integrationsfähigkeit
»Gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft
gestalten«, 2021,
S. 218 ff.: https://www.fachkommission-
integrationsfaehigkeit.de/fk-int
3 Mecheril, Paul und Thomas Teo (1997, Hrsg.),
Psychologie und Rassismus, Hamburg
Migration 16
Debatten um die deutsche Einwanderungsgesellschaft haben in den vergangenen
Jahren stark zugenommen. Die Begriffe, die wir dabei benutzen und ihre Bedeu-
tung wandeln sich im Laufe der Zeit. So war »Migration« ursprünglich ein Wort
aus der Zoologie (Meyers Konversationslexikon, 1906). Zum Teil verändert auch die
Gesetzgebung unsere Sprache: Nach der Staatsangehörigkeitsreform von 2000 ist
deutsche*r Staatsbürger*in, wer hier geboren ist, nicht mehr nur wer von Deut-
schen abstammt.
Im Folgenden werden alte und neue Begriffe und Regelungen im Einwanderungs-
land Deutschland erläutert. Wo es möglich oder nötig ist, werden alternative For-
mulierungen angeboten, um eine unbewusst negative Konnotation der Sprache in
der Berichterstattung zu vermeiden.

Armutszuwander*in wird in der männ- klärender Zusatz, wie multikulturelle


lichen Form oft als abfällige Bezeich- oder plurale Aufnahmegesellschaft
nung für Menschen aus Südosteuropa wäre sinnvoll, damit deutlich wird: Es
verwendet, teils auch als Synonym für sind die rund 83 Millionen1 Bürger*in-
→ Rom*nja, die im Zuge der EU-Frei- nen in Deutschland gemeint.
zügigkeit nach Deutschland kommen.
Die große Mehrheit der Menschen, Aussiedler*innen / Spätaussiedler*in-
die aus den EU-Mitgliedsstaaten nen sind deutsche »Volkszugehörige«
→ Bulgarien und → Rumänien einge- und mit etwa 4,5 Millionen Menschen
wandert sind, geht jedoch einer Arbeit die größte eingewanderte Gruppe in der
nach oder studiert. Es handelt sich Bundesrepublik. Laut Definition des In-
daher überwiegend um eine – für nenministeriums handelt es sich bei ih-
Deutschland profitable – Arbeitsein- nen um »Personen deutscher Herkunft,
wanderung bzw. Arbeitszuwanderung. die in Ost- und Südosteuropa sowie in
Bei »Armutsmigration« wird vor allem der Sowjetunion unter den Folgen des
eine vermeintliche Einwanderung in Zweiten Weltkrieges gelitten haben
die Sozialsysteme betont, die gesetzlich (und die) noch Jahrzehnte nach Kriegs-
aber ausgeschlossen ist. ende aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit
massiv verfolgt« wurden. In der Bun-
Aufnahmegesellschaft wird häufig als desrepublik können sie die »Statusdeut-
Synonym für → Deutsche ohne Migrati- scheneigenschaft« bekommen, werden
onshintergrund verwendet, wirkt dann damit → deutschen Staatsangehörigen
jedoch ausgrenzend, da → Eingewan- gleichgestellt und sind keine → Auslän-
derte und ihre Nachkommen auch zu der*innen (siehe auch → Vertriebene,
den Aufnehmenden gehören. Ein → Russlanddeutsche).

→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung


Deutsche Staatsangehörigkeit erwer-
ben Menschen mit der Geburt entweder
Abstammungsprinzip auto-
matisch die unterschiedlichen
17
nach dem Abstammungsprinzip, wenn Staatsangehörigkeiten beider Eltern-
sie also als Kind deutscher Eltern ge- teile erhält. Bei → Einbürgerungen in
boren werden, oder seit 2000 auch Deutschland soll Mehrstaatigkeit ver-
nach dem Geburtsortprinzip. Das heißt, mieden werden, es gibt allerdings viele
auch Kinder, deren Eltern keine deut- Ausnahmen: z. B. für EU-Bürger*innen,
sche Staatsangehörigkeit besitzen, Schweizer*innen, US-Amerikaner*in-
erhalten seither in der Regel die deut- nen, Argentinier*innen etc. Seit 2000
sche Staatsbürgerschaft, wenn sie in erhalten auch in Deutschland geborene
Deutschland geboren sind (siehe Kinder von → Ausländer*innen neben
→ doppelte Staatsangehörigkeit, der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern
→ Optionspflicht). Unter bestimmten die deutsche (siehe → Optionspflicht).
Voraussetzungen (u. a. achtjähriger Um Menschen mit doppelter Staats-
Aufenthalt) kann man durch → Ein- bürgerschaft zu benennen, ist es
bürgerung deutsche*r Staatsbürger*in sinnvoll, ihren Lebensmittelpunkt zu
werden. betonen, also z. B. Turko-Deutsche,
oder Türkei-Deutsche statt Deutsch-
Displaced Persons (DPs) engl. für Ver- Türk*innen, Greco-Deutsche, statt
triebene. Die UN bezeichnen Personen Deutsch-Griech*innen etc. ähnlich wie
als displaced people, die wegen bei Russlanddeutschen (siehe
bewaffneter Auseinandersetzungen, → Deutsch-Türk*in).
Menschenrechtsverletzungen, natür-
licher oder menschlich verursachter Einbürgerung ist der Prozess zur Er-
Katastrophen gezwungen wurden, ihren langung der deutschen Staatsbürger-
Heimatort zu verlassen, aber keine schaft. Unterschieden wird zwischen
international anerkannte Staatsgren- Anspruchseinbürgerung und Ermes-
ze überschritten haben; im Sinne der senseinbürgerung. Anspruch auf eine
UN sind DPs Binnenflüchtlinge. Als Einbürgerung hat, wer die gesetz-
historischer Begriff in der deutschen lichen Voraussetzungen dafür erfüllt
Geschichte bezieht er sich vor allem auf (z. B. mindestens acht Jahre Aufent-
ehemalige KZ-Häftlinge, Kriegsgefan- halt, Lebensunterhaltssicherung ohne
gene und Zwangsarbeiter*innen nach Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II, seit
dem Zweiten Weltkrieg (siehe auch 2020 auch eine »Einordnung in deut-
→ Heimatlose Flüchtlinge). sche Lebensverhältnisse«). Sind nicht
alle Voraussetzungen gegeben, kann
Doppelte Staatsangehörigkeit Das eine Einbürgerungsbehörde trotzdem
Fachwort dafür ist Mehrstaatigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft verge-
und beschreibt den Besitz von zwei ben, wenn z. B. ein öffentliches Interes-
oder mehr Staatsangehörigkeiten. Dazu se an der Einbürgerung besteht (bspw.
kommt es z. B., wenn ein Kind nach dem bei Profi-Sportler*innen) und einige
Migration
Mindestanforderungen erfüllt sind
(siehe auch → doppelte Staatsbürger-
Berichterstattung kommen oft
Formulierungen wie → geschei-
18
schaft und → deutsche Staatsangehö- terte oder »gelungene« Integration vor;
rigkeit). ebenso wie bei der Übertragung auf
Personen (→ Integrationsverweiger*in)
Einwanderungsgesellschaft beschreibt werden gesellschaftliche Probleme
Deutschland als Einwanderungsland: dadurch individualisiert und kulturali-
Menschen wandern ein und werden siert. Alternativen: Teilhabe,
Teil der heimischen Bevölkerung. Da Chancengleichheit.
aber längst nicht alle, die kommen, ihr
Leben lang bleiben (wollen) und außer- Integrationsverweiger*in steht für die
dem viele Deutsche ins Ausland ziehen, diffuse Vorstellung, dass → Eingewan-
kann auch von einer Migrationsge- derte die deutsche Gesellschaft, ihre
sellschaft gesprochen werden. Siehe Werte und Gesetze ablehnen würden.
auch → Zuwander*innen. War früher noch die Rede von Men-
schen mit »Integrationsbedarf« und
Gescheiterte Integration wird häufig »Integrationsproblemen«, wurden dar-
als Ursache für Jugendkriminalität aus später »Integrationsunfähige« oder
und andere Probleme genannt. Dabei »Integrationsunwillige« und danach
wird oft unterstellt, dass zum Beispiel »Integrationsverweiger*innen«. Daran
Verstöße gegen Gesetze und Normen wird deutlich, dass → Menschen aus
begangen werden, weil die deutsche eingewanderten Familien oft eine wil-
Gesellschaftsordnung abgelehnt und lentliche und aktive Abgrenzung unter-
stattdessen einer vermeintlich archai- stellt wird, was jedoch sehr selten der
schen Einwandererkultur mit eigenen Fall ist. Studien verweisen dagegen auf
Regeln gefolgt wird. Meist sind jedoch einen Mangel an Chancengleichheit,
andere Ursachen zu finden, wie man- Bildungsgerechtigkeit und fehlende
gelnde Chancengleichheit oder oder erschwerte Möglichkeiten zur
Bildungsgerechtigkeit, soziale Be- Partizipation.
nachteiligung etc.
Mehrheitsgesellschaft ist ein gängiger
Integration ist ein Begriff, der oft im Begriff, der missverständlich ist. Eigent-
Zusammenhang mit → Migrant*innen lich müsste es heißen: Mehrheits-
fällt und als Bringschuld der Ein- bevölkerung, also die von knapp 60
wander*innen gemeint ist. Wissen- Millionen2 → Deutschen ohne Migra-
schaftler*innen dagegen verwenden tionshintergrund. In einem faktischen
ihn, um Sachverhalte zu beschreiben, Einwanderungsland funktionieren
wie Teilhabe und Zugang zu Arbeit Bezeichnungen wie »die deutsche Ge-
oder Bildung. In diesem Sinn ist bspw. sellschaft« oder »die Gesellschaft in
von Integrationspolitik oder Integra- Deutschland« nicht als Synonym für
tionsprojekten die Rede. In Politik und → Deutsche ohne Einwanderungsbezug.
Mischehe beruht als Begriff auf der Ras-
sentheorie und wurde vor allem im
hohen Anteil von Einwan-
der*innen in manchen Stadt-
19
Zuge der »Rassenhygiene« zur Zeit des teilen oft eher der Wohnungsmarkt
Nationalsozialismus verwendet. Gute ursächlich als ein Hang zu innerethni-
Alternativen sind binationale oder schen Nachbarschaften.
ggf. interreligiöse Ehe, vgl. → mixed.
Postmigrantisch wurde von der Berli-
Optionspflicht Seit 2000 erhalten in ner Theaterintendantin Shermin Lang-
Deutschland geborene Kinder von hoff geprägt und setzt sich zunehmend
→ Ausländer*innen neben der ausländi- durch. Postmigrantisch steht für den
schen Staatsangehörigkeit in der Regel Prozess, die Gesellschaft nach erfolgter
auch die deutsche. Dabei wurde jedoch Einwanderung mitzugestalten. Wird
für die Kinder von → Drittstaatsange- Deutschland als → Einwanderungs-
hörigen die Optionspflicht eingeführt: gesellschaft akzeptiert, werden Katego-
Zwischen dem 18. und dem 23. Geburts- rien wie → deutsch / nicht-deutsch be-
tag mussten sie sich für eine der beiden deutungslos. Es gilt, die herrschenden
Staatsangehörigkeiten entscheiden. Mit (Miss-)Verhältnisse gemeinsam neu zu
der Reform des Staatsangehörigkeits- verhandeln.
gesetzes von 2014 entfällt dieser Ent-
scheidungszwang für junge Leute mit Vertriebene sind deutsche Staats-
→ doppelter Staatsangehörigkeit, die angehörige oder sog. deutsche
mindestens acht Jahre in Deutschland »Volkszugehörige« (jur. Bezeichnung,
gelebt haben, oder sechs Jahre hier zur Bundesvertriebenengesetz) und ihre
Schule gingen oder einen Schul- oder Nachkommen, die ihren Wohnsitz im
Berufsabschluss in Deutschland ge- Zusammenhang mit dem Zweiten
macht haben. Es bleibt also kompliziert. Weltkrieg verloren haben. Auch → Aus-
siedler*innen gelten gesetzlich als
Parallelgesellschaft ist ein Schlagwort, Vertriebene. Beide Gruppen haben,
das Anfang der 2000er Jahre in der ebenso wie → Spätaussiedler*innen
Debatte um → Muslim*innen in Deutsch- einen rechtlichen Anspruch darauf, aus
land populär wurde. Der Begriff ist Ländern des ehemaligen Ostblocks in
inhaltlich diffus und wird verbunden Deutschland aufgenommen zu werden.
mit vermeintlich → gescheiterter Inte- In der Bundesrepublik bekommen sie in
gration. Er zeichnet ein Bild homogener der Regel automatisch die sog. Status-
Minderheiten, die sich räumlich, sozial deutscheneigenschaft und sind somit
und kulturell von der → Mehrheits- keine → Ausländer*innen.
gesellschaft abschotten3. Ihnen wird
»Integrationsunwilligkeit« unterstellt, Willkommenskultur ist zur Standard-
ohne zu berücksichtigen, dass für vokabel in Asyldebatten geworden.
→ Integration die gesamte Gesellschaft Gemeint ist meistens das Engagement
verantwortlich ist. Zudem ist für einen der vielen Ehrenamtlichen, die sich
Migration
für → Geflüchtete einsetzen und damit
eine Willkommenskultur schaffen. Vor-
20
her war Willkommenskultur eher ein
politisches Leitbild für die
multikulturelle Aufnahmegesell-
schaft in der Integrationspolitik. So
wurden z. B. in Hamburg oder Stuttgart
städtische »Welcome-Center« für Ein-
wander*innen eröffnet. Kritisiert wurde
der Begriff in diesem Zusammenhang
z. B. vom Medienwissenschaftler Alex-
ander Kissler, der darauf verwies, dass
sich das Wort »Willkommen« nur auf
den kurzen Vorgang des Kommens be-
ziehe, also keinen sich verstetigenden
Zustand bezeichnen könne (siehe auch
→ Einwanderungsgesellschaft,
→ Aufnahmegesellschaft).

Xenophilie ist das Gegenteil von


→ Xenophobie und beschreibt eine
Neigung für fremde Dinge oder Men-
schen. Beides setzt eine Kategorisie-
rung in »fremd« und »nicht fremd«
voraus.

Xenophobie (griech. xeno, fremd)


bezeichnet die ablehnende Haltung 1 Bevölkerungsstand lt. Statistischem Bundesamt
gegenüber einer Gruppe, die als fremd (Stand: Juni 2019): https://www.destatis.de/DE/
wahrgenommen wird, aber nicht auto- Presse/Pressemitteilungen/2019/06/
matisch fremd sein muss, wie zum Bei- PD19_244_12411.html
2 Statistisches Bundesamt: Bevölkerung mit Mig-
spiel → Afrodeutsche oder → deutsche
rationshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus
Muslim*innen. Xenophobie ist eine
2020 (Stand 2022): https://www.destatis.de/DE/
Form der gruppenbezogenen Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Mig-
Menschenfeindlichkeit (siehe auch ration-Integration/Publikationen/_publikationen-
→ Fremdenfeindlichkeit, → Rassis- innen-migrationshintergrund.html

mus). 3 Vgl. »Zuwanderung wird als Bedrohung emp-


funden«: Interview mit Klaus J. Bade mit Spiegel
Online vom 24.11.2014 https://www.spiegel.de/
kultur/gesellschaft/leitkultur-debatte-
zuwanderung-wird-als-bedrohung-empfunden-
a-329285.html
Kriminalitätsberichterstattung 1

21
Die Berichterstattung über Straftaten nimmt in den meisten Medien viel Raum ein.
Dabei herrscht immer noch das Vorurteil, Geflüchtete oder Eingewanderte würden
häufiger straffällig als biografisch Deutsche und ihre Herkunft hätte ursächlich da-
mit zu tun. Die folgenden Erläuterungen und Empfehlungen sollen dazu beitragen,
differenziert und diskriminierungskritisch über Straftaten zu berichten.

Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit Banden wird in der Kriminalitätsbe-


sind als Synonyme für → Rassismus richterstattung häufig als Schlagwort
und rassistische Tatmotive ungenau, verwendet, um mit dem Zusatz »aus
da es selten um tatsächliche Fremde Südosteuropa« einen Hinweis auf
wie etwa Tourist*innen geht. Von der → Rom*nja zu implizieren. Der Begriff
vermeintlichen »Ausländerfeindlich- sollte aber nur verwendet werden, wenn
keit« sind oft deutsche Staatsangehöri- er juristisch angebracht ist. So definiert
ge betroffen. Wer Angriffe auf → BPoC der Bundesgerichtshof eine Bande als
als »Fremdenfeindlichkeit« oder »Aus- »Zusammenschluss von mindestens
länderhass« bezeichnet, übernimmt die drei Personen, die sich mit dem Willen
rassistische Sichtweise der Täter*in- verbunden haben, künftig für eine ge-
nen. Präziser ist es, die Straftaten und wisse Dauer mehrere selbständige, im
Motive als rassistisch, rassistisch Einzelnen noch ungewisse Diebes- oder
motiviert, rechtsextrem, rechts- Raubtaten zu begehen«. Siehe auch
terroristisch oder neonazistisch zu → Clan.
bezeichnen (siehe → Hassverbrechen,
Hasskriminalität). Blutrache bezeichnet ausschließlich
schwere Gewalttaten oder Morde zur
Ausländerkriminalität sollte nicht als Vergeltung der Tötung von Familien-
eine Bezeichnung für alle Straftaten mitgliedern. Mitunter wird Blutrache
verwendet werden, die von → Auslän- zur Beschreibung anderer Straftaten
der*innen begangen werden, sondern verwendet, die von → Eingewanderten
als Oberbegriff für Verstöße, die nur und ihren Nachkommen begangen
von Ausländer*innen begangen werden werden. Dabei handelt es sich aber in
können, wie z. B. Visavergehen oder vielen Fällen schlicht um Rache oder
Verstöße gegen Asylgesetze. Alle an- Racheakte.
deren Straftaten können konkret be-
nannt werden – schließlich ist bei Clan gehört zu den Begriffen, die eben-
Delikten, die Ausländer*innen so wie die Schlagworte »Großfamilie«
seltener begehen (z. B. Steuerflucht) oder »Sippe« auch ohne einen Hinweis
auch nicht von »Deutschen-Kriminali- auf die Herkunft implizieren, dass es
tät« die Rede. in einem Bericht um → Eingewanderte
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
und ihre Nachkommen oder → Rom*nja
geht. Weniger kulturalistisch und
chen Berichten ist es meist auf-
schlussreicher zu erfahren, ob
22
konkreter ist der Begriff kriminelle Behrouz F. in einem Arbeiterkiez oder
Bande, wenn es sich tatsächlich um Nobelviertel wohnt. Formulierungen
eine solche handelt. Siehe → Banden, wie »der Iraner Behrouz F. aus Köln«
→ Clan-Kriminalität. oder »der iranischstämmige Behrouz
F.« hingegen machen eher deutlich,
Clan-Kriminalität ist ein stigmatisie- dass Behrouz F. weder »echter« Kölner
render Begriff, weil damit ganze Fami- noch → Deutscher ist oder sein kann.
lien, auch Kinder, Großeltern und an-
dere Verwandte zu Kriminellen erklärt Der türkischstämmige Tatverdäch-
werden. Häufig knüpft er an kulturras- tige (siehe auch: → türkischstämmig)
sistische Vorstellungen an, etwa, dass Grundsätzlich sollte die Herkunft von
alle → Clan-Mitglieder in archaischen Straftäter*innen oder Verdächtigen nur
Familienstrukturen leben. Alternativ dann genannt werden, wenn ein Bezug
kann man von → organisierter Krimi- zur Tat besteht und die Information
nalität oder von einer kriminellen zum Verständnis notwendig ist. Das
→ Bande sprechen, sofern die fachli- wäre etwa der Fall, wenn ein kultu-
chen Kriterien dafür tatsächlich erfüllt reller oder religiöser Hintergrund bei
sind. der Entscheidung in einem Gerichts-
verfahren berücksichtigt wird. Gibt es
Der*die Gesuchte spricht Deutsch mit keinen sachlichen Bezug zum Tather-
türkischem Akzent ist in fast allen Fäl- gang, wird durch die explizite Nennung
len eine vage Vermutung. Es ist schwer der Herkunft von Straftäter*innen oder
unterscheidbar, ob ein Mensch einen Verdächtigen in der Nachricht ein ver-
türkischen, kurdischen, persischen, meintlich ursächlicher Zusammenhang
berberischen oder anderen Akzent hergestellt. Zum Vergleich: Es ist auch
hat. Entsprechend kann in Meldungen nicht üblich, von deutschstämmigen
zur Fahndungshilfe wahrheitsgemäß Täter*innen zu sprechen.
formuliert werden spricht Deutsch
mit Akzent oder sprach Deutsch mit Ehrenmord definieren Expert*innen für
einem Akzent, der vom Zeugen als das Bundeskriminalamt so: »Tötungs-
türkisch eingeschätzt wurde. delikte, die im Kontext patriarchalisch
geprägter Familienverbände oder Ge-
Der Kölner Behrouz F. bei der Nen- sellschaften vorrangig von Männern
nung von Namen oder Alias-Namen in an Frauen verübt werden, um die aus
Berichten ist eine Verbindung mit dem Tätersicht verletzte Ehre der Familie
Wohnort zu empfehlen. Auch eine Nen- oder des Mannes wiederherzustellen«2.
nung des Wohnbezirks kann sinnvoll Teils wird die Bezeichnung jedoch all-
sein, weil sie oft mehr Aussagekraft hat gemein verwendet, zum Beispiel wenn
als die Herkunft. Vor allem in ausführli- ein türkeistämmiger Mann seine Frau
umbringt. In vielen Fällen würde die
gleiche Tat, begangen in einem → stan-
Wissenschaftlich formuliert
wäre das Motiv gruppenbe-
23
darddeutschen Umfeld, Familientra- zogene Menschenfeindlichkeit.
gödie oder Beziehungstat genannt. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ideologien der Ungleichwertigkeit
verwendet für solche Taten den Begriff sind Weltanschauungen, in denen die
Femizid. Alternative: Frauenmord Gleichwertigkeit und Gleichberech-
(siehe → Mord im Namen einer ver- tigung aller Menschen grundlegend
meintlichen Ehre). abgelehnt werden. Ideologien der Un-
gleichwertigkeit sind u. a. → Rassismus,
Extremismus bezeichnet laut Poli- → Antisemitismus, Sexismus, Sozialdar-
zei und Verfassungsschutz extreme winismus, Chauvinismus oder Homo-
politische Haltungen, mit dem Ziel, und Transfeindlichkeit. Sie können sich
sie gegen die freiheitlich-demokrati- in → Hasskriminalität äußern.
sche Grundordnung durchzusetzen.
Extremist*innen handeln verfassungs- Messereinwanderung ist ein propa-
feindlich, oft auch gewaltsam. Der gandistischer Begriff, den die AfD-Bun-
Begriff ist umstritten, weil er undiffe- destagsfraktion 2018 aufgebracht hat
renziert ist und voraussetzt, dass es und der von einigen Boulevard-Medien
nur einen extremen linken und rechten (»Messer-Angst!«) aufgenommen wurde.
Rand gibt. → Ideologien der Ungleich- Für die Behauptung, Gewalttaten von
wertigkeit und die Ablehnung der → Migranten*innen mit Messern seien
Demokratie finden sich jedoch auch in bundesweit stark angestiegen, gibt es
der Mitte der Gesellschaft. Umgangs- keine seriösen statistischen Belege,
sprachlich wird Extremismus oft irr- u. a. weil Landesbehörden solche Straf-
tümlich mit → Radikalismus gleichge- taten auf sehr unterschiedliche Weise
setzt. Siehe auch → Rechtsextremismus. erfassen.

Hasskriminalität, Hassverbrechen Mord im Namen einer vermeintlichen


deutsch für Hate-Crime, bezeichnet Ehre / Mord im Namen eines altherge-
Gewalt- und Straftaten, die z. B. durch brachten Begriffs von Ehre sind reflek-
→ Rassismus, religiöse Intoleranz, tierte Alternativen für → Ehrenmord,
Trans- oder Homofeindlichkeit und wenn man sich in der Berichterstattung
Ähnlichem motiviert sind. Hasskrimi- vom Motiv der Täter*innen distanzieren
nalität ist sinnvoll zur Benennung von will. Die Weltgesundheitsorganisation
Straftaten, wenn die Betroffenen von (WHO) verwendet für solche Morde den
den Täter*innen als »anders« und nicht politischen Begriff Femizide. Handelt
als gleichwertige Menschen angesehen es sich eindeutig um einen Mord im
werden. In der Kriminologie werden die Namen einer vermeintlichen Ehre, kann
Fachbegriffe Vorurteilskriminalität man der Idee der Istanbuler Initiative
und Vorurteilsverbrechen benutzt. »Kadın Cinayetlerini Durduracagız«
Kriminalitätsberichterstattung
folgen: Die Frauenrechtlerinnen plä-
dieren für den Begriff Frauenmord
dabei aber noch innerhalb der
Grenzen der Verfassung. »Ra-
24
als Synonym, da er die Betroffenen dikale politische Auffassungen haben
und die Tat in den Fokus rückt. Aller- in unserer pluralistischen Gesellschaft
dings zählen zu den Opfern manchmal ihren Platz«, heißt es laut Verfassungs-
auch Männer, die am vermeintlichen schutz3.
»Ehrbruch« beteiligt waren oder nicht
heterosexuell sind.

Opfer ist in der Kriminalitätsbericht-


erstattung gängig als Bezeichnung für
Betroffene von Gewalt oder Diskrimi-
nierung. Mit dem Begriff werden aller-
dings Eigenschaften wie Hilflosigkeit
oder Versagen assoziiert. Eine mögliche
Alternative ist: Betroffene.

Osteuropäischer Herkunft, arabisch-


stämmig etc. sind meist mutmaßliche
Beschreibungen und sollten mit Be-
dacht verwendet werden. Grundsätzlich
sind in Fahndungshilfen nur Formulie-
rungen zu empfehlen, die auf Tatsachen
beruhen und wirklich hilfreich sind. 1 Teile der Erläuterungen im Glossar zur Kriminalitäts-
Die Zuordnung eines Menschen zu berichterstattung sind dem Beitrag entnommen

großen Regionen, wie Arabien, Ost- »... denn sie wissen nicht, was sie tun. Wie Journalis-
mus die Integrationsdebatte beeinflusst«, Konstanti-
europa, Asien etc. sind kaum nützlich
na Vassiliou-Enz, in »Vielfältiges Deutschland«,
für die Fahndung, dafür aber stark Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), 2014
verallgemeinernd (siehe → der*die Ge- (www.neuemedienmacher.de/denn-sie-
suchte spricht Deutsch mit türkischem wissen- nicht-was-sie-tun-wie-journalismus-die-

Akzent). integrationsdebatte-beeinflusst/)
2 Studie »Ehrenmorde in Deutschland 1996 bis 2005«
von der Kriminologischen Abteilung des Max-Planck-
Radikalismus beschreibt radikale
Instituts im Auftrag des Bundeskriminalamts. Inter-
politisch-ideologische Positionen, die view von 2014 dazu: https://mediendienst-
die Grundwerte unserer freiheitlichen integration.de/artikel/von-einem-islamrabatt-kann-
Demokratie nicht generell in Frage stel- nicht-die-rede-sein.html

len. Man kann Radikalismus als eine 3 Bundesamt für Verfassungsschutz, 2015, Glossar
Vgl. Manjana Sold, Radikalisierung und Deradika-
Art legale Vorstufe zum → Extremismus
lisiterung, Bundeszentrale für politische Bildung
betrachten. Radikale haben zum Ziel, (https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/
unsere Gesellschaftsordnung grund- bewegtbild-und-politische-bildung/reflect-your-
legend zu verändern, bewegen sich past/313952/radikalisierung-und-deradikalisierung/)
Juden*Jüdinnen 25
Vor der Machtübertragung an die Nationalsozialist*innen lebten etwa 500.000 bis
600.000 jüdische Bürger*innen in Deutschland – derzeit wird die jüdische Be-
völkerung in Deutschland auf 225.000 Personen geschätzt.1 Unabhängig davon
ist Antisemitismus auch heute noch in allen Bevölkerungsgruppen präsent, wie
zahlreiche Studien2 regelmäßig belegen. Während allerdings der rassistische Anti-
semitismus und der Antijudaismus weniger anschlussfähig an die Mehrheitsbe-
völkerung sind, dominieren mit dem israelbezogenen Antisemitismus und antise-
mitischen Verschwörungsideologien »moderne« Formen der Judenfeindschaft, die
im Folgenden ebenfalls erläutert werden.
Insgesamt gilt auch hier festzuhalten: Es gibt nicht »die Juden«. Der jüdischen
Minderheit gehören vielfältige Menschen mit individuellen Lebensentwürfen
und unterschiedlichen Auslegungen des eigenen Judentums an. Ein einheitliches
Gruppenbild zu schaffen, kann nicht gelingen. Präzise Bezeichnungen und Be-
griffe in der Berichterstattung können aber hilfreich sein, damit ein differenzierte-
res Bild in den Medien entsteht.

Antijudaismus ist kein Synonym für verwendet und löste mit rassistischen
→ Antisemitismus, selbst, wenn die Motiven den religiös begründeten
Motive sich teils überschneiden kön- → Antijudaismus ab; die damaligen Ras-
nen. Antijudaismus steht vielmehr sentheorien waren eine Grundlage der
für die religiös begründete Ablehnung Nazi-Ideologie. Öffentliche antisemi-
des jüdischen Glaubens und seiner An- tische Hetze ist heute in Deutschland
hänger*innen und wird deshalb auch strafbar. Dazu gehört auch die Leugnung
christlicher, historischer oder des → Holocaust (siehe auch → sekundä-
religiöser Antijudaismus genannt rer Antisemitismus, → israelbezogener
(siehe auch → sekundärer Antisemitis- Antisemitismus, → Israelkritik).
mus, → israelbezogener Antisemitis-
mus). Antizionismus richtet sich gegen die
Ideologie des → Zionismus und kann
Antisemitismus ist eine weit verbreitete daher implizit als Ablehnung des
Bezeichnung für Judenfeindschaft. All- Existenzrechts des Staates Israel ver-
gemein werden damit sämtliche Formen standen werden. In diesem Fall kann
von Hass, feindlichen Einstellungen, Äu- man auch von antizionistischem
ßerungen, Handlungen und Vorurteilen Antisemitismus sprechen/schreiben.
beschrieben, die sich gegen Juden*Jü- Gleichzeitig sind nicht alle, die die
dinnen und alle richten, die als jüdisch unterschiedlichen Ideen zionistischer
wahrgenommen werden. Der Begriff Strömungen kritisieren, automatisch
wurde erstmalig im 19. Jh. öffentlich gegen die Existenz Israels. So gibt es
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
im innerisraelischen Diskurs jüdischen
Antizionismus, der nicht antisemi-
allem in Israel, Argentinien und
den USA.
26
tisch ist (siehe auch → israelbezogener
Antisemitismus, → Israelkritik). Davidstern ist ein sechszackiger Stern
aus zwei übereinandergelegten, gleich-
Aschkenasim / Ashkenazim sind seitigen Dreiecken und benannt nach
ursprünglich nord-, mittel- und ost- dem jüdischen König David, der etwa
europäische Juden*Jüdinnen mit 1.000 → v. d. Z. lebte. Ungefähr seit dem
gemeinsamer religiöser Tradition und 18. Jh. ist der Davidstern ein Symbol
Kultur. Der Begriff wurde im 9. Jh. von für das Judentum und schmückt seit
eingewanderten Juden*Jüdinnen für 1948 auch die Flagge des Staates Israel,
das deutschsprachige Gebiet geprägt nachdem er vorher von den National-
und breitete sich von dort aus. Heute sozialist*innen als gelber »Judenstern«
bilden Aschkenasim die größte Gruppe missbraucht wurde, um Juden*Jüdin-
im Judentum (siehe auch nen zu kennzeichnen.
→ Sephardim und → Misrachim).
Holocaust (griech. vollständig ver-
Jüdische Beschneidung von neu- brannt) bezeichnet die systematische,
geborenen Jungen ist in der → Thora massenhafte Ermordung von Juden*Jü-
vorgeschrieben und hat eine große dinnen und anderen Minderheiten
Bedeutung im Judentum. Der heb- durch die Nationalsozialist*innen.
räische Name dafür ist Brit Mila(h) Eingeführt wurde der Begriff 1979 als
(»Bund der Beschneidung«). Das Ritual Titel der amerikanischen Fernsehserie
dient der Aufnahme in die jüdische » Holocaust – Die Geschichte der
Gemeinschaft. In Deutschland ist die Familie Weiß«, die auch in Deutschland
Beschneidung von jüdischen und mus- sehr populär war. Manche Juden*Jü-
limischen Jungen erst seit 2012 gesetz- dinnen lehnen das Wort allerdings ab,
lich geregelt; laut §1631d des BGB ist sie weil das Brandopfer in der → Thora die
erlaubt, wenn sie »nach den Regeln der Obhut Gottes verspricht, und bevorzu-
ärztlichen Kunst durchgeführt« wird gen deswegen den hebräischen Begriff
(siehe auch → Beschneidung im Kapitel Shoa (auch Shoah, Schoa oder
»Muslim*innen«). Schoah), der für »große Katastrophe«
steht. Bis heute gibt es keinen eigenen
Chassidismus ist eine religiösmystische deutschen Begriff für diesen histori-
Bewegung innerhalb des → orthodoxen schen Massenmord.
Judentums, die besonders im 19. Jh. in
Osteuropa verbreitet war. Bedeutend Israelbezogener Antisemitismus be-
dabei sind → kabbalistische Konzepte zeichnet antisemitische Handlungen
und spirituelle Erlebnisse. Heute gibt oder Äußerungen gegenüber oder in
es nur noch einige hunderttausend Bezug auf Israel, dessen Politik oder
chassidische Juden*Jüdinnen, vor Bürger*innen; wenn z. B. dem Staat
Juden*Jüdinnen
Israel unterstellt wird, als heimlicher
Drahtzieher der Weltpolitik zu agieren
Wer von Geburt an jüdisch ist,
ist nicht automatisch religiös;
27
oder, wie im → sekundären Antisemitis- viele Juden*Jüdinnen sind nicht
mus, die israelische Politik gegenüber gläubig, sehen sich aber als Teil der
Palästina mit der des Nationalsozialis- jüdischen Gemeinschaft – teilweise
mus gleichgesetzt wird. Diese Form benennen sie das Judentum als ihre
antisemitischer Gesinnung findet sich kulturelle Identität statt als ihre Reli-
sowohl bei linken und rechten Grup- gion. Einige gläubige Juden*Jüdinnen
pierungen wieder, bei Menschen mit bezeichnen sich als Volk Israel. Es ist
und ohne Migrationshintergrund (siehe aber ein Irrtum, Juden*Jüdinnen, die
auch → Israelkritik, → Antizionismus). in vielen Teilen der Welt leben, mit Is-
rael*innen, also den Bürger*innen des
Israelkritik Mitunter werden Äuße- multiethnischen Staates Israel,
rungen in öffentlichen Debatten als gleichzusetzen (siehe auch → Aschke-
Israelkritik bezeichnet, die weniger auf nasim, → Sephardim).
Fakten als auf antisemitischen Ressen-
timents beruhen und die sich pauschal Kabbala ist eine mystische Tradition
gegen den israelischen Staat und des- im Judentum, bei der spirituelle Erleb-
sen Bürger*innen richten. Generell soll- nisse im Mittelpunkt stehen. Verschie-
ten Aspekte oder Akteur*innen, die im dene kabbalistische Schulen sind welt-
Zusammenhang mit israelischer Politik weit seit dem 13. Jh. entstanden. Heute
kritisiert werden, in der Berichterstat- werden kabbalistische Konzepte vor
tung konkret benannt werden. Wenn allem in → chassidischen Gemeinden in
z. B. wegen der Verfolgung des jüdi- den USA und Israel, aber auch in nicht-
schen Volks höhere moralische Maß- jüdischen Kreisen fortgeführt. So wurde
stäbe an die Politik Israels angelegt in den 1970ern das Kabbalah Center in
werden als an andere Länder, handelt es den USA gegründet, das durch Promi-
sich um → israelbezogenen Antise- nente wie Madonna bekannt wurde.
mitismus, nicht um differenzierte Kritik
(siehe auch → Antizionismus, → Islam- Kaschrut beschreibt die jüdischen Spei-
kritik). segesetze. In ihnen ist festgelegt, welche
Lebensmittel erlaubt (→ koscher) und
Juden*Jüdinnen sind dem rabbini- welche verboten (»treif«/ »trefe«/»treife«)
schen Religionsgesetz nach alle, deren sind (siehe auch → Halal und Haram im
Mutter Jüdin ist. Weil es immer mehr Kapitel »Muslim*innen«).
gemischtkonfessionelle Ehen gibt, gilt
z. B. bei progressiven Strömungen in Kippa / Kippah bezeichnet die Kopf-
den USA auch als jüdisch, wer einen bedeckung, die insbesondere während
jüdischen Vater hat und jüdisch er- des Gebets und Studiums der Heiligen
zogen wird. Ebenso ist es möglich, zum Schriften von männlichen Juden ge-
jüdischen Glauben zu konvertieren. tragen wird, in liberalen Gemeinden
manchmal auch von Frauen. Manche
tragen die Kippa auch im Alltag als
Im Gegensatz zum
→ orthodoxen Judentum sind
28
öffentliches Bekenntnis zum Judentum die Geschlechter im liberalen Judentum
oder aus Demut und Ehrfurcht vor Gott. meistens in allen religiösen Angelegen-
heiten gleichberechtigt: Dies umfasst in
Konservatives Judentum ist eine in den vielen Gemeinden auch die Ordination
USA entstandene Bewegung, deren Ur- von Frauen zu → Rabbinerinnen bzw.
sprünge allerdings in Deutschland lie- Rabba. Durch Auswanderung gelangten
gen. In den Vereinigten Staaten bildet die Kernideen des liberalen Judentums
das konservative Judentum, neben dem im 19. Jh. in die USA, wo sie als Reform-
liberalen Judentum, heute die größte judentum eine andere Entwicklung
Gruppe. Konservative Juden*Jüdinnen nahmen als in Deutschland. In Israel
legen mehr Wert auf Traditionen als ist die liberale jüdische Gemeinde recht
→ liberale, sie passen die Religionsge- klein. Auch in Deutschland verstehen
setze jedoch auch zeitgemäß an. Ähn- sich die meisten Gemeinden als
lich wie im → orthodoxen Judentum → orthodox, in jüngster Zeit entstehen
werden Gesetze wie bspw. die Speise- allerdings auch hier wieder mehr libe-
vorschriften eingehalten, sie werden rale Gemeinden. Das liberale Juden-
aber weniger streng ausgelegt. Zudem tum wird in Europa auch progressives
können Frauen im religiösen Ritus des Judentum genannt.
konservativen Judentums – je nach Ge-
meinde – mehr Rechte haben als in der Misrachim ist eine Fremdbezeichnung
Orthodoxie. Die Begriffe »konservativ«, für nicht → aschkenasische Juden*Jü-
»liberal« oder »orthodox« dürfen also dinnen, also auch für → Sephardim, die
keineswegs mit politischen Richtungs- vor allem von aschkenasischen Ju-
bezeichnungen verwechselt werden. den*Jüdinnen in Israel verwendet wird.
Sie folgen dem sephardischen Juden-
Koscher (hebr. rein, geeignet) ist alles, tum und bezeichnen sich selbst als
das religiösen jüdischen Gesetzen ent- Sephard*innen.
sprechend hergestellt oder zubereitet
wurde. Welche Speisen koscher sind n. d. Z. / nach der Zeitrechnung /
bzw. trefe, also nicht koscher, wird durch Zeitwende bzw. v. d. Z. / vor der
die → Kaschrut-Vorschriften bestimmt. Zeitrechnung / Zeitwende ist eine
Teilweise gelten die Regeln auch für Ma- Formulierung, die der Jahreszählung
terialien, wie Stoffe oder Geschirr (siehe mit Bezug auf die Geburt Jesu Christi
auch → Halal und Haram im Kapitel dient, ohne den christlichen Bezug
»Muslim*innen«). auszudrücken. Diese Bezeichnung ist
nicht nur im Judentum gebräuchlich,
Liberales Judentum bezeichnet eine sondern war zum Beispiel auch in der
Strömung, die im 19. Jh. in Deutschland DDR üblich.
in Abgrenzung zur Orthodoxie entstand.
Juden*Jüdinnen
Neo-Orthodoxie ist hauptsächlich
in Westeuropa, vor allem in England,
Linksliberale abzuwerten (siehe
auch → Xenophilie).
29
Frankreich und Deutschland, als eine
Strömung der Orthodoxie verbreitet. Pogrom (russ.: Verwüstung) benennt
Sie wurde im 19. Jh. in Frankfurt am gewaltsame Ausschreitungen gegen
Main gegründet. Wie beim → ortho- religiöse, politische, ethnische Gruppen
doxen Judentum entspringen ihre oder andere Minderheiten. Geprägt
Grundideen dem traditionellen Juden- wurde der Begriff vor allem durch die
tum, allerdings findet eine Öffnung zur Novemberpogrome 1938, als die
westlichen Kultur statt, indem z. B. am Nazis die organisierte Zerstörung von
öffentlichen Leben teilgenommen wird jüdischen Geschäften, Häusern, Syna-
(siehe auch → Ultraorthodoxie, → Chas- gogen und die Verfolgung von Ju-
sidismus). den*Jüdinnen anordneten. Während
die vom NS-Regime gelenkten Medien
Orthodoxes Judentum ist eine der gro- von der »Judenaktion« oder »Novem-
ßen Strömungen, neben dem → konser- beraktion« schrieben, bezeichnete der
vativen und dem → liberalen Judentum. Volksmund die Novemberpogrome, die
Sowohl in Deutschland als auch in Isra- den Beginn der staatlich organisier-
el ist sie die Einflussreichste. Zentrales ten Judenverfolgung markierten, als
Merkmal ist die strikte Einhaltung der »Reichskristallnacht« – eine verharm-
Vorschriften (hebr.: Mizwot), also der losende Anspielung auf die unzähligen
Gebote und Verbote, die in der → Thora Glasscherben zerstörter jüdischer Ge-
festgelegt sind. Wenn eine Gemeinde schäfte und Synagogen, die nach den
sich als orthodox bezeichnet, bedeutet Pogromen auf den Straßen lagen.
es jedoch nicht, dass alle ihre Mitglie-
der streng orthodox leben. Innerhalb Rabbiner*in (hebr.: Meister, Lehrer) ist
der Orthodoxie existieren verschiedene ein religiöser Titel, der jüdischen Ge-
Richtungen wie → Neo-Orthodoxie, lehrten verliehen wird. Sie werden von
→ Ultraorthodoxie und → Chassidismus. ihrer Gemeinde gewählt und bezahlt. Zu
ihren Aufgaben gehören Seelsorge, in-
Philosemitismus bezeichnet die posi- terkonfessioneller Dialog, Predigen und
tive Neigung zu Juden*Jüdinnen und Lehren. In → liberalen jüdischen Ge-
jüdischer Kultur, die teils wie bei meinden gibt es eine wachsende Zahl
→ Antisemitismus von einem homoge- von Rabbinerinnen. Als Rabbi werden
nen Kollektiv ausgeht, dem bestimmte seit dem Altertum jüdische Gelehrte
Eigenschaften zugeschrieben werden. bezeichnet, die die → Thora auslegen.
Ein Motiv können zum Beispiel Schuld- Heute werden die Begriffe Rabbiner und
gefühle aufgrund der NS-Verbrechen Rabbi oft synonym verwendet.
sein. Der Begriff wurde erstmals im
19. Jh. verwendet, um projüdische Sabbat / Schabbat / Schabbes ist der
siebte Wochentag, an dem, durch die
→ Thora vorgeschrieben, keine Arbeit
verrichtet werden soll. Er beginnt am
(siehe auch → Misrachim).
30
Freitagabend bei Sonnenuntergang und Talmud ist ein Gesetzeskodex und
endet am Samstagabend nach Eintritt nach dem → Tanach das bedeutendste
der Dunkelheit. Schriftwerk des Judentums. Im Talmud
steht, wie die → Thora von den ers-
Sekundärer Antisemitismus äußert ten Rabbis verstanden und ausgelegt
sich bspw. in Forderungen nach einem wurde. Er liegt in zwei Ausgaben vor,
Schlussstrich oder in dem Vorwurf, dem Jerusalemer Talmud und dem
Juden*Jüdinnen hätten eine Mitschuld Babylonischen Talmud. Wenn einfach
an der Verfolgung durch die Nazis oder vom Talmud gesprochen wird, ist in der
zögen einen Vorteil aus dem → Holo- Regel der babylonische gemeint.
caust. Das Phänomen konnte unmittel-
bar nach 1945 erstmalig beobachtet Tanach / Tenach ist die Heilige Schrift
werden. Oft ergibt sich diese Form des des Judentums. Er entstand in einem
→ Antisemitismus aus einem Schuld- 1.200 Jahre andauernden, komplexen
und Schamgefühl wegen der Shoa Prozess als Sammlung unterschied-
(siehe auch → israelbezogener Antise- licher religiöser und profaner jüdischer
mitismus, → Israelkritik). Schriften. Der Tanach wurde etwa 100
→ n. d. Z. in 24 Bücher eingeteilt und
Semit*innen ist ein sprachwissen- kanonisiert. Er erzählt die Geschichte
schaftlicher Begriff für alle, die eine der Schöpfung und des Volkes Israel
semitische Sprache sprechen, wie über einen Zeitraum von 1.300 Jahren.
hebräisch, aramäisch oder arabisch und Das Christentum hat alle Bücher des
steht nicht für eine ethnische Gruppe. Tanach, in etwas anderer Anordnung,
Ende des 19. Jh. benutzten Rassentheo- als Altes Testament übernommen.
retiker*innen den Begriff »Semiten«
synonym und abwertend für → Ju- Thora / Tora / Torah ist der erste Teil
den*Jüdinnen, woraus die Bezeichnung der Heiligen Schrift des Judentums
→ Antisemitimus für deren Ideologie (→ Tanach) und besteht aus fünf Bü-
entstand. Ansonsten ist heute nur noch chern. Sie ist der Grundstein jüdischen
in der Sprachwissenschaft von Se- Glaubens und eine Quelle für jüdisches
mit*innen die Rede. Recht, Ethik und Lebensweise. Daneben
wurde die mündlich überlieferte Lehre
Sephardim sind ursprünglich die später im → Talmud festgehalten.
Nachkommen von Juden*Jüdinnen aus
West- und Südeuropa bzw. den Mittel- Ultraorthodoxe Juden*Jüdinnen ist
meerländern, die im 15. Jh. von dort eine Fremdbezeichnung für all jene
vertrieben wurden. Heute bezeichnen orthodoxen Juden*Jüdinnen, die in
sich alle nicht- → aschkenasischen geschlossenen Gemeinschaften, ge-
Juden*Jüdinnen als Sephardim schlechtergetrennt und nach strengen
Juden*Jüdinnen
Regeln leben. Sie sind nicht berufstätig.
Die Männer studieren lebenslang die
Gründung Israels 1948 wurde
das zionistische Ziel erreicht.
31
→ Thora und werden meistens von Heute wird Zionismus als Ideologie in
Spenden oder in Israel durch den Staat Israel sehr unterschiedlich ausgelegt,
finanziert. Die meisten von ihnen leben so gibt es z. B. liberal-sozialdemokrati-
in den USA und in Israel (siehe auch schen, rechtsnationalen oder national-
→ orthodoxes Judentum, → Neo-Ortho- religiösen Zionismus. Zionismus wird
doxie). teils undifferenziert als Kampfbegriff
gegen Israels Haltung im Nahost-Kon-
Antisemitische Verschwörungsideo- flikt benutzt (siehe auch → Antizionis-
logien haben eine lange Tradition mus, → Israelkritik).
und sind heute vor allem in sozialen
Netzwerken im Umlauf. Schon aus dem
12. Jh. sind Verschwörungsmythen
bekannt, wie Legenden von Ritual-
morden oder Brunnenvergiftungen,
die immer wieder die Verfolgung von
Juden*Jüdinnen auslösten. Mindestens
seit dem Beginn des 19. Jh. existiert der
Verschwörungsglaube von dem Streben
der Juden*Jüdinnen nach der Welt-
herrschaft, welche auf den gefälschten
1 Quelle: Berman Jewish Data Bank, »World Jewish
»Protokollen der Weisen von Zion« Population, 2020«, Seite 73f.
beruht. Noch heute berufen sich → Anti- 2 Vgl. exemplarisch Ulrich, Peter/Decker, Oliver/
semit*innen auf diese Protokolle, an die Kiess, Johannes/Brähler, Elmar: »Judenfeindschaf-

bereits Adolf Hitler glaubte – sie gelten ten – Alte Vorurteile und moderner Antisemitis-
mus«, in: Friedrich-Ebert-Stiftung/ Melzer, Ralf
als Schlüsseldokument einer angebli-
(Hrsg.): »Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme
chen jüdischen Weltverschwörung. Einstellungen in Deutschland 2012«, S. 68ff., Bonn,
2012, (https://www.fes.de/index.php?eID=dumpFi-
Zionismus (von Zion, dem Namen des le&t=f&f=40930&token=ed2192cf762d370ee417f-

Tempelberges in Jerusalem) bezeichnet 413b43ae32ff4ad401f), PewResearchCenter:


»Latest Trends in Religious Restrictions and Hos-
zum einen die historische jüdisch-
tilities«, 2015 (www.pewforum.org/2015/02/26/
nationalistische Bewegung, die einen
religious-hostilities/) und Bundes-
jüdischen Staat gründen wollte, und ministerium des Inneren: »Antisemitismus in
zum anderen gegenwärtige politi- Deutschland – Erscheinungsformen, Bedingun-
sche Strömungen. Entstanden ist der gen, Präventionsansätze. Bericht des unabhän-

Zionismus als Teil des europäischen gigen Expertenkreises Antisemitismus«, Berlin,


2011 (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/
Nationalismus des 19. Jh. Er war gleich-
downloads/DE/publikationen/themen/heimat-in-
zeitig die Gegenbewegung zum tegration/expertenkreis-antisemitismus/antisemi-
→ Antisemitismus, der sich damals tismus-in-deutschland-bericht.pdf?__blob=publi-
immer weiter verbreitete. Mit der cationFile&v=3)
Muslim*innen 32
Wer genau sind eigentlich »die Muslime«? Und gibt es »den Islam« überhaupt?
Tatsächlich ist das Themenfeld viel komplexer als es oft wahrgenommen wird.
Bereits zur Frage, wie viele Muslim*innen in Deutschland leben, gibt es Differen-
zen.1 Die offizielle Angabe von 4,4 bis 5 Millionen2 muslimischen Einwohner*in-
nen in Deutschland ist beispielsweise eine Hochrechnung, bei der vor allem nach
Herkunftsland und nicht nach Religiosität gezählt wird. In jedem Fall aber steht
fest: Die Mehrheit der eingewanderten Menschen in Deutschland kommt nicht aus
islamischen Ländern, sondern aus christlich geprägten.
Trotzdem werden Berichte über Integrationsthemen häufig unreflektiert mit Islam-
debatten verknüpft. Geht es um Religionsfragen von Eingewanderten, steht eben-
falls meist nur »der Islam« im Fokus. Diese Verengung betrachten Kritiker*innen
als problematisch. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, mit den gängigen Begriffen
zum Thema Islam vertraut zu sein.

Alevit*innen sind eine eigenständige Eigenschaften zugewiesen werden und


Religionsgemeinschaft, die ihren Glau- die als fremd eingeordnet wird.
ben als Yol (mystischer Weg) bezeichnet.
Das Alevitentum hat sich aus vorislami- Islamische Beschneidung von
schen, schiitischen und mystischen Ele- Jungen (arab. Khitan) wird von vielen
menten in Anatolien entwickelt, sodass Muslim*innen als religiöse Pflicht
unterschiedliche Verständnisse darüber angesehen und ist weitgehend etablier-
existieren. Zahlreiche → Eingewanderte te Praxis. Sie wird im Laufe der Kind-
aus der Türkei sind bspw. Alevit*innen, heit vor der Pubertät durchgeführt.
darunter auch viele Kurd*innen. Mit der Beschneidung werden Jungen
rituell in der islamischen Gemein-
Antimuslimischer Rassismus bezeich- schaft sozialisiert. In Deutschland ist
net die Diskriminierung von Menschen, die Beschneidung seit 2012 gesetzlich
die aufgrund ihrer tatsächlichen oder geregelt; laut § 1631d des BGB ist sie
auch bloß zugeschriebenen Religions- erlaubt, wenn sie »nach den Regeln der
zugehörigkeit als Muslim*innen wahr- ärztlichen Kunst durchgeführt« wird
genommen werden. Im Vergleich zu (siehe auch → Beschneidung im Kapitel
den Begriffen → Islamophobie oder »Juden*Jüdinnen«).
→ Islamfeindlichkeit verweist die
Bezeichnung antimuslimischer Boko Haram ist eine radikal-islamisti-
Rassismus auf das tatsächliche Prob- sche Terrormiliz, die 2009 im Nordosten
lem: eine rassistische Vorstellung von Nigerias gegründet wurde. Offiziell
Muslim*innen als homogene Gruppe, trägt die Terrorgruppe seit 2009 den
der bestimmte (zumeist negative) Namen »Jama‘atu Ahlis Sunna
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
Lidda‘awati wal-Jihad«, der im Deut-
schen »Vereinigung der Sunniten für
Dschihadismus, Dschihadist*in
wird in der Regel im Zusam-
33
den Ruf zum Islam und für den Dschi- menhang mit militanten, gewaltberei-
had« bedeutet. Sie wird im Allgemei- ten → Islamist*innen verwendet, deren
nen jedoch weiterhin Boko Haram Ideologie zufolge der → Dschihad den
genannt, was meist übersetzt wird mit bewaffneten Kampf meint, der je-
»Westliche Bildung ist verboten«. Ent- dem*jeder Muslim*in vorgeschrieben
standen ist sie aus der gleichnamigen sei, solange muslimische Gebiete unter
sektenähnlichen Gruppierung, die seit Besetzung sind oder »Ungläubige«
2002 im Nordosten Nigerias offen als gegen Muslim*innen kämpfen.
eine fundamentalistisch-islamistische
Gemeinschaft operierte. Ziel von Euro-Muslim*innen geht auf den Be-
Boko Haram ist es, einen islamischen griff des Euro-Islam zurück, den der
Gottesstaat nach dem »Recht« der Islamwissenschaftler Bassam Tibi 1991
→ Scharia zu errichten; 2014 rief die Mi- in die wissenschaftliche Diskussion
liz in den von ihr beherrschten Gebie- eingebracht hat. Der Begriff beschreibt
ten im Norden Nigerias ein islamisches eine bestimmte säkularisierte Form des
Kalifat aus, ähnlich wie der → IS kurz Islam, die sich dadurch herausbilden
zuvor im Nordirak. soll, dass in Europa lebende Muslim*in-
nen Pflichten und Prinzipien des Islam
Burka verhüllt den ganzen Körper, den mit Werten der modernen europäischen
Kopf und das Gesicht; die Augen sind Kultur kombinieren. Mittlerweile gibt
von einem Stoffgitter verdeckt; vor es aber auch konservativere Ausle-
allem typisch in Afghanistan und teils gungen eines Euro-Islam, weshalb der
in Pakistan. Burka wird oft falsch ver- Begriff wissenschaftlich umstritten
wendet, wenn eigentlich ein Gesichts- ist. In der Berichterstattung kommt
schleier gemeint ist, der die Augen Euro-Muslim*in vor allem als Selbst-
freilässt, also ein → Niqab (siehe auch bezeichnung vor.
→ Tschador).
Fatwa (arabisch) ist eine Rechtsaus-
Dschihad wird meist mit »Heiliger kunft von einer muslimischen Auto-
Krieg« assoziiert, bedeutet zunächst rität, die auf Anfrage ein religiöses oder
»Anstrengung«, »Mühe« und kann sich rechtliches Problem klärt. Anders als
auch auf einen inneren Auftrag bezie- ein Gerichtsurteil beruht die Fatwa auf
hen, z. B. beim Kampf gegen »das Böse« der persönlichen Interpretation und
im Herzen (großer Dschihad). Der klei- der jeweiligen islamischen Rechtsschu-
ne oder äußere Dschihad hingegen le ihres Verfassers. Somit können Mus-
besteht in jeder Form der zulässigen lim*innen zur gleichen Frage wider-
Verteidigung von Muslim*innen (siehe sprüchliche Fatwas erhalten. Oftmals
auch → Pop-Dschihadismus). werden Fatwas als praktische Lebens-
beratung zu Alltagsfragen erlassen.
Fundamentalist*in stammt aus der
Geschichte der christlichen Kirchen
Hijab / Hidschab bedeutet Ver-
hüllung und wird in Deutsch-
34
und bezeichnete Angehörige einer land oft wie → Kopftuch verwendet. Ge-
Strömung im Protestantismus der USA meint ist ein Tuch, das den Kopf, meist
Anfang des 20. Jh. Inzwischen wird der auch den Hals und teils die Schultern
Begriff auch im politischen Kontext bedeckt, das Gesicht aber freilässt. In-
benutzt. Es ist aber umstritten, ob er spiriert durch Tradition oder Mode gibt
auf bestimmte Strömungen im Islam es viele verschiedene Trageweisen des
anwendbar ist. Alternativ kann man auf Hijab, meist liegt das Tuch relativ eng
Formulierungen zurückgreifen wie an.
rückwärtsgewandte oder konserva-
tive Muslim*innen oder altherkömm- Imam*in ist das arabische Wort für die
lich gläubige Muslim*innen. Handelt Person, die vorne steht/vorsteht. In
es sich bei den zu Bezeichnenden um deutschen Medien ist damit meist die
militante Fundamentalist*innen (jedes religiöse Führung islamischer Gemein-
Glaubens), kann man von Terrorist*in- den oder ein*e Vorbeter*in gemeint,
nen sprechen. obwohl die Vorbeter*innen in türki-
schen Gemeinden i.d.R. Hoca heißen.
Hadith / pl. Ahadith (arab. Bericht, Zu den Aufgaben von Imam*innen in
Erzählung) In den Ahadith wurde das Deutschland gehören, neben dem Vor-
Reden, Handeln oder billigende Schwei- beten und Predigen, die religiöse Unter-
gen des Propheten festgehalten. Die Ge- weisung für Kinder und Erwachsene,
samtheit der Ahadith bildet die Sunna; die Seelsorge und der interreligiöse
neben dem → Koran ist sie die zweite Dialog. Andere Begriffe für dieses Amt
Hauptquelle für islamische Theologie sind Scheikh und Murshid. Frauen
und islamisches Recht sowie Ethik und können z. B. als weibliche Hoca,
Glaubenspraxis. Murshida, Weize oder Sheika
einer islamischen Gemeinde vorstehen
Halal und Haram sind aus dem Arabi- oder Funktionen religiöser Autoritäten
schen stammende Begriffe aus dem Ko- ausüben (Koraninterpretation, Erstel-
ran, wobei Halal »erlaubte« Verhaltens- lung von Rechtsgutachten); Imaminnen
weisen bezeichnet, während Haram beten meistens nur weiblichen Gläubi-
»Unerlaubtes« festlegt. Bei Lebensmitteln gen vor.
sind bspw. Schweinefleisch und Alkohol
haram, wobei viele Muslim*innen mit Islamfeindlichkeit bezeichnet eine
den Nahrungsmittelgeboten eher indivi- generell ablehnende Haltung gegen-
duell umgehen. Auch für die Herstellung über dem Islam und seinen Glaubens-
der Lebensmittel gibt es Regeln, weshalb richtungen, sowie gegenüber Menschen
viele Hersteller mittlerweile mit Halal- muslimischen Glaubens und ihren
Zertifikaten werben (siehe auch religiösen Praktiken. Im Gegensatz zu
→ Koscher im Kapitel »Juden*Jüdinnen«).
Muslim*innen
→ Islamophobie benennt Islamfeind-
lichkeit eine aktive Ablehnung, keine
DEAS / DAES (Türkei), die sich
aus den arabischen Initialen
35
diffuse Angst (Phobie, griechisch: der Gruppe zusammensetzen. Die Terro-
Angst). Synonym kann auch der Begriff rist*innen selbst lehnen diese Namen
→ antimuslimischer Rassismus ver- ab, weil sie im Arabischen negative
wendet werden, weil er verdeutlicht, Bedeutungen haben (siehe auch
dass es dabei weniger um Religionsfra- → Pop-Dschihadismus).
gen geht, sondern vielmehr um Aus-
grenzung. Islamismus, Islamist*in, politischer
Islam Islam und Islamismus sind nicht
Islamisch bezieht sich als Adjektiv dasselbe. Islamismus meint zunächst
nicht auf Menschen, sondern nur auf die Verknüpfung von Islam und Politik,
Objekte mit Islambezug und auf den also den sogenannten politischen
Glauben selbst, z. B. islamische Islam. Islamismus ist daher nicht
Theologie (nicht → muslimische ), gleichzusetzen mit Terrorismus.
islamischer Feiertag, islamischer Islamist*in zu sein bedeutet, islamisti-
Verein oder islamische Länder. scher Gesinnung zu sein – das allein ist
nicht verboten, sondern nur in Verbin-
Islamischer Staat (IS) ist die derzeit dung mit strafbaren Handlungen nicht
gängige Bezeichnung für eine seit 2003 erlaubt (siehe auch → Mutmaßlicher
aktive dschihadistisch-salafistische Islamist).
Terrororganisation. Zuvor nannte sie
sich ISI (Islamischer Staat im Irak), Islamkritik beschreibt die theologische,
änderte ihren Namen 2013 in »al-Daw- ethische oder politische Kritik am Islam
lah al-Islamiyah fi al-Iraq wa al-Sham« und kann eine Form der Religionskritik
(arabisch: Islamischer Staat im Irak sein. In öffentlichen Debatten werden
und der Levante3), dessen Abkürzung jedoch oft auch antimuslimische oder
ISIL von der US-amerikanischen und → islamfeindliche Äußerungen als
der britischen Regierung verwendet Islamkritik bezeichnet, die weniger auf
wird. Die im Deutschen auch gebräuch- Fakten als auf Ressentiments beruhen
liche Bezeichnung ISIS (Islamischer und sich pauschal gegen Muslim*innen
Staat in Irak und Syrien bzw. Großsy- richten (siehe auch → antimuslimi-
rien) vernachlässigt, dass der Macht- scher Rassismus).
anspruch der Gruppe über die beiden
Länder hinausreicht. 2014 änderte Islamophobie entspricht nicht der
die terroristische Organisation sich na- wörtlichen Übersetzung »Islam-Angst«,
mentlich erneut um in IS (Islamischer sondern ist der wissenschaftliche
Staat), um Staatsgrenzen für bedeu- Begriff für die generelle Ablehnung
tungslos zu erklären. Manche Politi- des Islam und von tatsächlichen oder
ker*innen benutzen offiziell die Be- mutmaßlichen Muslim*innen. Dane-
zeichnungen Daesh (Frankreich) oder ben beschreibt Islamophobie auch
die stereotypisierende Darstellung von
Muslim*innen (u. a. auf islamfeind-
Koran / Qur‘an (arab. Lesung,
Rezitation) ist die Heilige
36
lichen Blogs) sowie diskriminierendes Schrift des Islams. Er ist in Reimprosa
Verhalten gegenüber muslimischen abgefasst und enthält gemäß dem Glau-
Menschen bzw. solchen, die dafür ge- ben von → Muslim*innen die wörtliche
halten werden. Gute Alternativen sind: Offenbarung Gottes, die an den
→ Islamfeindlichkeit und → anti- Propheten Mohammed durch den
muslimischer Rassismus. Engel Gabriel herabgesandt wurde.
Der Koran ist die wichtigste Quelle für
Kopftuch kann im Gegensatz zum eher islamische Theologie und islamisches
eng anliegenden → Hijab auch ein lo- Recht sowie Ethik und Glaubenspraxis.
cker um den Kopf geschlungenes Tuch Dennoch umfasst er nicht alle Belange
sein. Je nach Auslegung des Korans, und Fragestellungen von Muslim*in-
politischer Lage und persönlicher Ein- nen. Eine weitere bedeutende Quelle
stellung ist es Musliminnen freigestellt, ist die Sunna (überlieferte Norm) des
sich zu verhüllen, oder gibt es eine Propheten, in der mündlich überlieferte
Pflicht, die Haare zu verdecken. Laut Aussprüche und Taten Mohammeds in
einer Umfrage unter Musliminnen in den → Hadith / pl. Ahadith festgehalten
Deutschland trägt von den stark Gläubi- wurden.
gen unter ihnen jede Zweite nie ein
Kopftuch.4 In Ländern wie Iran, Kulturmuslim*innen beschreibt Mus-
Saudi-Arabien oder den Vereinigten lim*innen, die den Islam zwar nicht
Arabischen Emiraten sind Frauen ge- praktizieren, sich aber einer islami-
setzlich verpflichtet, sich zu bedecken, schen Kultur zugehörig fühlen. Der
wenn sie von nicht verwandten Män- Begriff taucht in der Berichterstattung
nern gesehen werden könnten. meist als Selbstbezeichnung auf (siehe
auch → Pop-Muslim*innen, → Neo-Mus-
Kopftuchträgerin wird oft synonym für lim*innen, → Liberale Muslim*innen,
praktizierende Musliminnen verwen- → Säkulare Muslim*innen).
det. Grundsätzlich ist die Reduzierung
einer Person auf ein äußeres Merkmal Liberale Muslim*innen wurde 2010 durch
problematisch, vor allem bei den ab- die Gründung des Liberal-Islamischen
fällig gemeinten Begriffen »Kopftuch- Bunds (LIB)5 als Begriff etabliert und ist
frau« oder »Kopftuchmädchen«. Diese die Selbstbezeichnung einer Gruppe von
Zuschreibungen sagen wenig über die Muslim*innen, die zeitgemäße Zugänge
vielfältigen Gründe, Weltanschauungen, zum → Koran proklamieren und eine
Auslegungen und Glaubenspraktiken pluralistisch-freiheitliche Auffassung
von Musliminnen aus (siehe → Kopf- des Islam vertreten. Der LIB grenzt sich
tuch und → Säkulare Muslim*innen). bewusst von den → Säkularmuslim*innen
und den islamischen Verbänden (wie
Ditib, Zentralrat der Muslime usw.) ab.
Muslim*innen
Mohammedaner ist ein veralteter Begriff
und als Synonym für → Muslim*innen
islamische. Richtig ist auch
islamische Länder, nicht
37
unpassend, weil sie Mohammed nicht muslimische.
als Gott verehren. In der Regel findet
der Begriff auf einschlägig islamfeindli- Mutmaßlicher Islamist taucht in
chen Blogs Verwendung und ist abfällig Medienberichten häufig auf und ist irre-
gemeint. führend: → Islamist*in zu sein ist nicht
verboten, d. h. die Gesinnung ist nicht
Moslem*in ist eine etwas altmodisch strafbar. Ungesetzlich sind dagegen
klingende und daher seltener gebräuch- islamistisch motivierte Gewalt und
liche Bezeichnung für → Muslim*in- Propaganda für verbotene Organisatio-
nen. nen wie den → IS. Meist sind also nicht
Islamist*innen gemeint, sondern Ter-
Muslim*innen sind Angehörige der rorverdächtige. Zutreffend könnte zum
islamischen Religionsgemeinschaft. Beispiel sein: »Die Polizei nahm einen
Grundsätzlich gilt es zu hinterfragen, Terrorverdächtigen fest. Die Behörden
ob die Zuschreibung einer Religion in vermuten, er habe aus islamistischen
der Berichterstattung relevant und zu- / religiös begründeten Motiven ge-
treffend ist. Beispiel: Warum wurde die handelt.«
Religionszugehörigkeit bei der »ersten
muslimischen CDU-Bundestagsabge- Neo-Muslim*innen beschreibt eine in
ordneten« Cemile Giousouf 2013 so Deutschland sozialisierte und selbst-
stark thematisiert? Häufig wird Mus- bewusste muslimische Generation, in
lim*in auch als Synonym für die auch Konvertit*innen inbegriffen
→ Eingewanderte und ihre Nachkom- sind. Nach Eren Güvercin beziehen
men verwendet, was sachlich falsch ist: sich »Neo-Moslems« auf die fünf
Nur ein Viertel aller → Menschen aus Säulen des Islam (Glaubensbekennt-
eingewanderten Familien in Deutsch- nis, Fasten, tägliches Gebet, Pilgerfahrt
land sind Muslim*innen und es gibt nach Mekka, Abgabe an Bedürftige
deutsche Muslim*innen ohne Migra- und Arme) und sind gesellschaftlich,
tionshintergrund (siehe → Euro- kulturell oder politisch engagiert.
Muslim*innen, → Kulturmuslim*innen, Neo-Muslim*innen ist mehr ein spie-
→ Liberale Muslim*innen, → Neo- lerischer Begriff als eine feste Katego-
Muslim*innen, → Pop-Muslim*innen, rie (siehe auch → Pop-Muslim*innen).
→ Säkulare Muslim*innen).
Niqab ist ein Gesichtsschleier, der nur
Muslimisch wird als Adjektiv in Bezug die Augen freilässt. Ein Niqab wird
auf Menschen verwendet, z. B. mus- teils in Verbindung mit einem langen,
limische Frau, muslimischer Schüler meist schwarzen mantelähnlichen Um-
oder muslimische Bevölkerung, nicht hang getragen (z. B. in Saudi-Arabien,
aber muslimische Religion, sondern Jemen, Oman, Vereinigte Arabische
Emirate, Kuwait, Katar). In anderen
arabischen Ländern heißt dieser Man-
Anhänger*innen des Pop-
Dschihadismus sind Jugendli-
38
tel oder Umhang Abaya, im Iran che aller Schichten und Nationalitäten.
→ Tschador (siehe auch → Burka). Sie werden teils schnell militant und zu
Kämpfern des → IS.
Opferfest Das Opferfest zählt zu den
wichtigsten islamischen Ereignissen. Pop-Muslim*innen bezeichnet meist
Es dauert vier Tage, der Zeitpunkt be- junge Muslim*innen, die konservative
rechnet sich nach dem islamischen Religiosität mit modernem Lebensstil
Mondkalender und verschiebt sich zusammenbringen und ihre Zuge-
jedes Jahr. Wer es sich leisten kann, hörigkeit zur deutschen Gesellschaft
soll laut Brauch ein Tier opfern bzw. betonen. Der Begriff geht zurück auf
schlachten (lassen) und das Fleisch das Buch »Zwischen Pop und Dschihad«
unter den Armen verteilen. Üblich ist von Julia Gerlach (2006). Mitunter wer-
es, das Fleisch im eigenen Umfeld zu den Pop-Muslim*innen als Akteur*in-
verteilen und zum Opferfest zu gratu- nen einer jungen Protestkultur gesehen,
lieren. deren Religiosität zwar zentral ist, aber
vor allem als Mittel zur Provokation und
Pop-Dschihadismus bezeichnet eine Abgrenzung gilt. Daher wird Pop-Mus-
radikale Jugendsubkultur des → Dschi- lim*innen teils eine Nähe zur militant-
hadismus in Einwanderungsländern islamistischen Szene nachgesagt (siehe
wie Deutschland. Charakteristisch sind auch → Kulturmuslim*innen, → Neo-
moderne Elemente der Popkultur, die Muslim*innen, → Pop-Dschihadismus).
für eine eher weltliche und politische
Propaganda genutzt werden, im Unter- Radikaler Islam / radikale Muslim*in-
schied zu den stärker theologisch nen sind problematische Zuschreibun-
fundierten Argumentationsmustern, gen, weil sie pauschalisieren, so wie
etwa im politischen → Salafismus. Ins- »radikales Christentum« oder »radikales
trumente dieser Propaganda sind neue Judentum«. Gerade im Zusammenhang
Medien, Filmclips im Stil von Musikvi- mit Sicherheits- und Terrorismusdebat-
deos oder T-Shirts mit entsprechenden ten werden die Begriffe oft undifferen-
Insignien. Meist männliche Vorbilder ziert verwendet. Passender könnte sein:
vermitteln orientierungslosen Jugend- religiös begründeter oder motivier-
lichen einen neuen Lebenssinn, in dem ter Extremismus.
Gruppenzugehörigkeit, ähnlich wie
bei → Neonazi-Kameradschaften, wich- Ramadan ist der islamische Fastenmo-
tig ist.6 Religiöse Inhalte dienen im nat. Er berechnet sich nach dem isla-
Pop-Dschihadismus nur als Begrün- mischen Mondkalender und verschiebt
dungsmuster, vor allem haben das Para- sich jedes Jahr. Dabei verzichten Mus-
dies-Versprechen und ein vermeintlich lim*innen 29 bis 30 Tage lang, von Mor-
sündenloses Leben große Bedeutung. gendämmerung bis Sonnenuntergang,
Muslim*innen
unter anderem auf Essen und Trinken.
Zum Ende des Fastenmonats wird drei
gewaltbereite Gruppe unter
ihnen als Salafist*innen zu
39
Tage lang das Ramadan-Fest gefeiert – bezeichnen, in Abgrenzung zu un-
auch bekannt als Zuckerfest. politischen Salafit*innen7 oder Salafis.
Militante Salafist*innen sind dement-
Säkulare Muslim*innen ist eine diffe- sprechend gewaltbereite → Islamist*in-
renzierte Beschreibung von Muslim*in- nen (siehe auch → Pop-Dschihadismus,
nen, die für eine Trennung von Staat → Sunnit*innen).
und Relgion sind. Präzise Beschreibun-
gen sind oft mehrdeutig: So kann eine Scharia ist keine Gesetzessammlung
praktizierende Muslimin auch ohne aus dem → Koran, sondern ein Regel-
→ Kopftuch auskommen oder eine Frau, werk, das auf Interpretationen des
die ein Kopftuch trägt, durchaus Koran basiert. Neben radikalen
säkular sein. Im Diskurs der Deut- Scharia-Forderungen gibt es auch
schen Islamkonferenz (DIK) gelten verfassungskonforme, alternative
nicht-organisierte muslimische Teil- Scharia-Konzepte, die Muslim*in-
nehmer*innen als säkulare Muslim*in- nen im Alltag als Richtlinie religiösen
nen, was allerdings suggeriert, dass in Lebens dienen können.
Verbänden organisierte Muslim*innen
automatisch nicht säkular seien. Schiit*innen sind eine der Hauptgrup-
pen unter den vielen Strömungen im
Salafismus, Salafist*innen wird in Islam. Die Spaltung in verschiedene
Deutschland vor allem vom Verfas- Strömungen erfolgte historisch auf-
sungsschutz verwendet. Die so benann- grund der Auseinandersetzungen um
ten Gläubigen sind eine sehr kleine die Frage der rechtmäßigen Führung
Minderheit unter den sunnitischen der Gemeinschaft der Muslim*innen
Muslim*innen und bezeichnen sich nach dem Tod des Propheten Moham-
selbst zum Teil mit dem auch in der med. Schiit*innen folgen nur dem
Islamwissenschaft verwendeten Termi- vierten der Kalifen, Ali ibn Abi Talib.
nus Salafit*innen, mittlerweile ist das Dieser ist auch für die Alevit*innen
arabische Salafis gängiger, weniger der einzig rechtmäßige Nachfolger
üblich ist die weibliche Form Salafi- Mohammeds.
yât. Die Strömung bezieht sich auf
die »Altvorderen« (Salaf) und eine dog- Sunnit*innen stellen mit rund 85 bis
matische Interpretation des → Koran, 90 Prozent weltweit die Mehrheit der
die sie als den »wahren« Islam propa- Muslim*innen. Bei der Frage der
giert. Salafit*innen oder Salafis sind rechtmäßigen Führung der Gemein-
jedoch keine homogene Gruppe und schaft der Muslim*innen nach dem
nicht grundsätzlich gewaltbereit oder Tod des Propheten Mohammed erken-
terroristisch, sondern oft unpolitisch. nen Sunnit*innen die vier Kalifen in
Expert*innen schlagen vor, nur die der Nachfolge Mohammeds als
rechtgeleitete Führer der Umma, der
Gemeinde, an. → Salafismus ist eine
40
antimodernistische Auslegung der Reli-
gion des sunnitischen Islams.

Tschador bedeutet auf Persisch »Zelt«


und ist ein den ganzen Körper bede-
ckender Umhang. Er wird vor allem von
Frauen im Iran getragen.

1 Vgl. Expertise »Wer ist Moslem und wenn ja, wie


viele?« von Riem Spielhaus, Mediendienst Inte-
gration, 2013 (https://mediendienst-integration.
de/fileadmin/Dateien/Muslime_Spielhaus_MDI.
pdf) sowie BAMF-Studie »Wie viele Muslime leben
in Deutschland«, (Stand Dez. 2015) https://www.
bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/
WorkingPapers/wp71-zahl-muslime-deutschland.
pdf?__blob=publicationFile&v=12
2 Vgl. Pew Research Center (2017): »Europe‘s
Growing Muslim Population«, Nov. 2017 (https://
www.pewresearch.org/religion/2017/11/29/appen-
dix-a-methodology-europes-muslim-population/)
sowie BAMF-Studie »Wie viele Muslime leben in
Deutschland«, (Stand Dez. 2015) https://www.
bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/
WorkingPapers/wp71-zahl-muslime-deutschland.
pdf?__blob=publicationFile&v=12
3 Levante ist eine im Deutschen etwas altmodische
Bezeichnung für die Länder des östlichen Mittel-
meeres.
4 Muslimisches Leben in Deutschland, Umfrage im
Auftrag der Deutschen Islam Konferenz (2009):
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/
Forschung/Forschungsberichte/fb06-muslimi-
sches-leben.pdf?__blob=publicationFile&v=11
5 www.lib-ev.de
6 Siehe: »Videoclips aus dem Krieg«, Interview
mit Arabistik- und Islamismus-Expertin Claudia
Dantschke, Süddeutsche Zeitung, 4.11.2014, Seite
6 und www.sueddeutsche.de/politik/islamismus-
videoclips-aus-dem-krieg-1.2202691
7 Salafismus in Deutschland, Thorsten Gerald
Schneiders (Hrsg.), transcript Verlag, Oktober
2014

Muslim*innen
Schwarze Menschen 41
Schwarze Menschen sind eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Interes-
sen, Ansichten und Familiengeschichten. Seit 400 Jahren leben sie in Deutsch-
land, dennoch werden sie ausgegrenzt, ihnen wird ihr Deutschsein abgesprochen,
ihre Perspektiven und Existenz werden meistens ignoriert und sie erleben psychi-
sche und physische Gewalt.
Ende der 1980er-Jahre wurden afrodeutsche Perspektiven in der Öffentlichkeit
sichtbarer. Trotzdem orientieren sich Schwarze Diskurse in Deutschland oft noch
an Debatten in den USA. Deshalb werden viele englische Begriffe auch im deut-
schen Diskurs verwendet. Eine wortwörtliche Übersetzung ist teilweise nicht
möglich oder falsch, weil US-amerikanische Verhältnisse oder Entwicklungen
nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar sind.
Dieses Kapitel wurde aus Schwarzer Perspektive geschrieben, aber natürlich gibt
es nicht die eine universelle Schwarze Stimme. Anti-Schwarzer Rassismus, seine
Mechanismen und seine Struktur sind komplex. Im Folgenden wird über vieles
aufgeklärt, aber es wird Aspekte geben, die (noch) nicht abgedeckt sind. Die Arbeit
an diesem Glossar ist ein laufender Prozess.

Afrika ist nach Asien der zweitgrößte Unabhängig vom Geburtsort der Eltern
Kontinent und entspricht mit einer oder Großeltern sind sie Teil der
Fläche von 30,2 Mio qm 22% der ge- → Schwarzen Diaspora. Um deutlich zu
samten Landfläche der Erde. Es leben machen, dass → Afrika kein Land, son-
dort 1,3 Mrd. Menschen in 55 Nationen dern ein Kontinent ist, bezeichnen sich
mit tausenden Sprachen und Kulturen. manche auch als Afroeuropäer*in.
Trotzdem wird der Erdteil oft einem
Land gleichgesetzt (»Rita kommt aus Afrohaare Oberbegriff für Haare
Deutschland, Kofi aus Afrika.«). Korrek- Schwarzer Menschen. Ihre Struktur
ter ist es, die gemeinten Länder (z. B. variiert von kleinen, spiralförmigen
Ghana, Sudan, Algerien) oder Locken (»kinky«, »coily«) bis zu größer
Regionen (z. B. Nordafrika, Westafri- geformten Locken (»curly«). Afro-
ka, südliches Afrika) zu nennen. Vgl. haare werden in verschiedenen Frisu-
→ Schwarzafrika. ren getragen (z. B. als Flechtfrisur,
→ Dreadlocks oder toupiert als
Afrodeutsche ist eine Selbstbezeich- Afro) und können ein politisches
nung von → Schwarzen Menschen in Statement sein, siehe → Black Hair
Deutschland, die sich Ende der 80er- Politics.
Jahre entwickelt hat. Afrodeutsche
haben nicht zwingend eine afrikani- Anti-Schwarzer Rassismus richtet sich
sche Einwanderungsgeschichte. spezifisch gegen Schwarze Menschen
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
und entstand systematisch mit der
Versklavung sowie der Ausbeutung des
Schwarzer Menschen von Wei-
ßen mit angemaltem Gesicht
42
afrikanischen Kontinents und seiner und übertrieben dicken roten Lippen
Bewohner*innen. Um die brutale Kolo- karikiert.1 In Deutschland
nialisierung zu legitimieren, erklärten gibt es erst seit wenigen Jahren eine
Europäer*innen, darunter auch Wissen- öffentliche Debatte über Fälle von
schaftler*innen, Schwarze zu min- Blackfacing. Der Bund der Deutschen
derwertigen Menschen. Das geschah Katholischen Jugend (BDKJ) empfiehlt,
besonders anhand physischer Eigen- dass Sternsinger beim Dreikönigssin-
schaften, zum Beispiel der Körperform gen keine schwarze Schminke mehr be-
oder von → Afrohaaren. Anti-Schwar- nutzen sollten.2 In der Faschings- und
zer Rassismus führt aufgrund dieser Karnevalszeit ist Blackfacing jedoch
Sichtbarkeit des Schwarzseins, insbe- nach wie vor üblich. Asiatische Men-
sondere bei → dark-skinned Personen, schen sehen sich durch Yellowfacing
zu regelmäßigen psychischen und phy- ähnlicher Diskriminierung ausgesetzt.
sischen Gewalterfahrungen im privaten
und öffentlichen Raum. Blackfishing ist, wenn nicht-Schwarze
Menschen sich optisch verändern, um
Black Hair Politics ist ein Fachbegriff als Schwarze wahrgenommen zu wer-
für die politische Bedeutung von den. Manche Frauen schminken sich
→ Afrohaaren. Schwarze Menschen etwa dunkle Haut, überzeichnen Lippen
erfahren seit der Kolonialzeit aufgrund und Nase oder tragen ihre Haare wie
ihrer Afrohaare rassistische Diskrimi- Schwarze Menschen. Blackfishing ist
nierung – in Deutschland zum Beispiel eine Zusammensetzung aus dem Begriff
auf dem Arbeitsmarkt. In den USA war »catfishing«, der beschreibt, dass eine
das Tragen von → Dreadlocks im Militär Person auf Social Media eine andere
oder auf manchen Schulen verboten. Identität vortäuscht, und → Blackfacing.
Erst seit 2019 gibt es Gesetze gegen die- Siehe auch → kulturelle Aneignung.
se Verbote. Schwarze Menschen tragen
ihre natürlichen Haare teilweise als BPoC ist das Akronym für Black and
politisches Statement und nehmen die → People of Color. Die erweiterte
damit einhergehende Diskriminierung Selbstbezeichnung BPoC soll
in Kauf. Siehe auch → Texturism. → Schwarze Menschen mit Rassismus-
erfahrungen mit einschliessen und
Blackfacing ist eine rassistische und sie explizit benennen. Der Begriff wird
koloniale Bühnenpraxis, bei der meist jedoch kritisiert, weil darin sehr hetero-
→ weiße Darsteller*innen Karikaturen gene Gruppen ohne Differenzierung
Schwarzer Menschen spielen. Das Kon- vermengt werden. Siehe → People of
zept geht zurück auf US-amerikanische Color.
»Minstrel Shows« des 18. und 19. Jh.
Dabei wurden Sprache, Tanz und Musik
Schwarze Menschen
Colorism beschreibt eine spezifische
Diskriminierungsform, die Schwarze
diskriminiert. Dreadlocks
→ weißer Menschen werden als
43
mit dunklem Hautton (→ dark-skin- → kulturelle Aneignung kritisiert.
ned) abwertet. Colorism folgt einer Siehe auch → Black Hair Politics.
kolonialen Farbhierarchie von dunkel
nach hell, also von dark-skinned über Dunkelhäutig ist eine deutsche Fremd-
→ light-skinned bis → weißgelesen. beschreibung für Schwarze Menschen
Dark-skinned Schwarze sind stärker und PoC, die von den so Bezeichneten
von → Rassismus betroffen und medial häufig abgelehnt wird (vgl. → farbig).
weit weniger sichtbar. Colorism gibt es Der Begriff ist nicht gleichbedeutend
ebenso bei Menschen mit dunkleren mit der englischen Selbstbezeichnung
oder helleren Hauttönen in Südasien → dark-skinned.
oder in arabischen Ländern.
Exotismus Wenn → Schwarze Men-
Dark-skinned beschreibt eine Schwarze schen und → PoC oder andere Men-
Person mit dunklem Hautton. Der eng- schen, die nicht der → weißen »Norm«
lische Begriff ist nicht gleichbedeutend entsprechen wegen ihrer »Andersartig-
mit der deutschen Übersetzung keit« zur Schau gestellt oder beäugt
→ dunkelhäutig (siehe dazu → farbig). werden, ist das Exotismus. So fanden
Dark-skinned Schwarze Menschen zwischen 1870 und 1940 »Völkerschau-
sind laut Studien3 häufiger betroffen en« in deutschen Zoos statt. Exotismus
von rassistischer Gewalt und struktu- beruht auf einer rassistischen Sicht-
rellem Rassismus als → light-skinned weise auf das »Fremde« aus einer euro-
Personen. Vgl. → Colorism. zentrischen → weißen Position. Dabei
schwingt oft der Wunsch des
Dreadlocks, auch kurz Locks ge- Besitzenwollens oder ein sexuelles Be-
nannt, ist eine Frisur, bei der Haar- gehren mit.
strähnen gedreht und so bearbeitet
werden, dass sie dauerhaft verfilzen. Farbig / Farbige ist eine koloniale
Gefilzte Haare waren in verschiedenen Fremdbezeichnung, die Schwarze
Kulturen weltweit üblich, werden heute Menschen und People of Color als
aber vor allem mit Rastafaris in Verbin- Abweichung von der → weißen »Norm«
dung gebracht. Sie tragen Dreadlocks betrachtet und eine vermeintliche
aus religiösen Gründen und um sich → Hautfarbe beschreibt. Als rassisti-
bewusst gegen koloniale Schönheits- sche Bezeichnung wird sie von vielen
normen abzugrenzen. Die Abkürzung deshalb ebenso abgelehnt, wie der
»Dreads« ist problematisch, weil der Begriff → Dunkelhäutige. Zudem meint
Begriff (engl. dread) übersetzt »Furcht« »Farbige« im Deutschen nicht das
bedeutet und der Verunglimpfung der Gleiche, wie in den englischen Selbst-
Rastafari-Bewegung diente. Heute noch bezeichnungen People of Color oder
werden Schwarze Menschen mit Locks → Black and People of Color (BPoC)
ausgesagt wird und ist deshalb nicht
synonym verwendbar.
Territorien anderer Kontinente
eingenommen und eine Kolo-
44
nialherrschaft errichtet haben. Viele
Featurism zeigt sich, wenn optische Regionen und ihre Bewohner*innen
Merkmale, wie zum Beispiel eine breite- wurden in Besitz genommen, ausgebeu-
re Nasenform, abgewertet werden, weil tet und verdrängt. Die kolonialisierte
sie nicht einer → weißen »Norm« ent- Bevölkerung in → Afrika, Asien oder den
sprechen. Ähnlich wie bei → Texturism Amerikas wurde unterdrückt, versklavt
wirken in Featurism die kolonialen oder getötet. Legitimiert wurde dies
Schönheitsideale nach und sorgen auch mit pseudo-wissenschaftlichen Ras-
in Schwarzen Communitys für Aus- sentheorien und dem Glauben an die
grenzung. Siehe auch → Colorism. eigene kulturelle Überlegenheit. Eine
einheitliche Definition von Kolonialis-
Hautfarbe unterscheidet sich je nach mus ist ungenau, weil die Kolonial-
Melaningehalt. In Farben von Bunt- mächte unterschiedlich herrschten.
stiften oder Feinstrumpfhosen findet Konkreter lassen sich beispielsweise
sich in der Regel jedoch nur die Haut- der deutsche oder französische Ko-
farbe → weißer Menschen wieder. lonialismus fassen. Der Begriff Kolonia-
Eine Beschreibung von Hautfarben ist lismus beschreibt außerdem historisch
inhaltlich selten nötig, vor allem sollte das Zeitalter des Kolonialismus, das
auf die Verbindung mit Lebensmitteln mit Christoph Kolumbus 1492 begann
oder Gegenständen verzichtet werden und bis ins 20. Jahrhundert reichte. Ab
(»kohlrabenschwarz«, »schokobraun«). den 1950er Jahren setzte die sogenann-
Geht es im Bericht um → Rassismus te Dekolonialisierung ein, in der die
oder → Colorism, kann benannt werden, kolonialisierten Nationen ihre Unab-
dass Betroffene → Schwarz sind. In hängigkeit erkämpften. Kritiker*innen
keinem Fall wird eine Person zum Bei- sprechen jedoch von einem bis heute
spiel »wegen ihrer*seiner Hautfarbe« wirksamen → Neokolonialismus. Siehe
angegriffen oder »weil sie*er Schwarz auch → Postkolonialismus.
ist«, sondern ein Angriff geschieht aus
rassistischen Gründen und die betrof- Kulturelle Aneignung (engl. Cultural
fene Person ist Schwarz. Bei rassisti- Appropriation) beschreibt die Kritik
schen Erfahrungen spielen → Featurism an → weißen Menschen, die kulturelle
oder → Texturism ebenfalls eine Rolle. Errungenschaften von rassistisch dis-
Gleichzeitig können → light-skinned kriminierten Gruppen kopieren oder
Personen oder → Weißgelesene auch sich zu eigen machen, ohne selbst dafür
Rassismus erleben. ​​ diskriminiert zu werden. So sind etwa
→ Dreadlocks ein Symbol der antiko-
Kolonialismus (lat. für Niederlassung, lonialen Religion der Rastafari-Bewe-
Ansiedelung) beschreibt, dass europä- gung, wenn Weiße sie aber aus modi-
ische Kolonialmächte seit dem 15. Jh. schen Gründen tragen, gilt das als
Schwarze Menschen
kulturelle Aneignung. Siehe auch
→ Blackfishing.
→ Schwarze Eltern oder Großel-
tern haben. Der Begriff mixed
45
beschreibt Personen, die von → weißen
Light-skinned beschreibt eine Privilegien der Eltern oder eigenen
→ Schwarze Person mit vergleichs- → light-skinned Privilegien profitieren
weise hellem Hautton. Light-skinned können, beispielsweise der deutschen
Schwarze Menschen sind im Gegensatz Staatsangehörigkeit. Es ist falsch,
zu → dark-skinned Personen struktu- mixed mit → Mischling zu übersetzen.
rell weniger stark benachteiligt. Sie Die Debatte um die Bezeichnung von
profitieren von → Colorism, trotzdem Menschen mit weißen und Schwar-
können auch sie Rassismus erleben. zen Eltern ist in Deutschland allerdings
noch im Gange. Siehe auch → Colorism.
M-Wort ist seit dem 17. Jh. eine Fremd-
bezeichnung für Schwarze Menschen N-Wort ist ein → kolonial-rassistischer
und wurde zunächst mit dem Bild Begriff für → Schwarze Menschen.
einer Person verbunden, die → weiße Im Sprachgebrauch findet er sich noch
Menschen bedient und aus Marok- als N.-Kuss, vor allem aber als All-
ko oder Mauretanien stammt. Später tagsbeleidigung. In (Kinder-)Literatur
tauchte das M-Wort als Bezeichnung kommt er beispielsweise als N-Sklave
für Schwarze Menschen auch in der oder N-König vor, wie in (älteren) Aufla-
Rassenlehre auf. Der Begriff hält eine gen von Astrid Lindgrens Büchern. Die
rassistisch-romantisierte koloniale Er- Abkürzung N-Wort dient dazu, den
innerungskultur am Leben, mit der Fan- rassistischen Begriff nicht zu repro-
tasie des Schwarzen Dieners als Eigen- duzieren. Der Begriff sollte nicht ausge-
tum von weißen Menschen. Er existiert sprochen oder ausgeschrieben werden,
heute noch in Namen von Apotheken da er nie neutral gemeint war, sondern
oder Gaststätten, als Bild in Stadt- in Rassentheorien sowie der Verskla-
wappen, auf Lebensmitteln, in Stra- vung Schwarzer Menschen verwurzelt
ßennamen, als Karnevalsverkleidung, ist und Schwarze entwürdigt. Auch in
im christlichen Krippenspiel und bei Zitaten sollte darauf verzichtet werden
Sternsingern (vgl. → Blackfacing). Das oder eine Triggerwarnung vorangestellt
M-Wort sollte, wie das → N-Wort werden: »Wir zeigen ein Archiv-Stück,
nicht ausgeschrieben oder ausgespro- in dem rassistische Begriffe vor-
chen werden. Mögliche Beschreibungen kommen. Sie können verletzend oder
sind Schwarzer Mensch in dienender retraumatisierend sein«. Das N-Wort
Haltung, Darstellung eines Schwar- nicht auszuformulieren zeigt, dass die
zen Dieners, rassistisch überzeichne- Bedürfnisse Betroffener im Publikum
te Figur einer Schwarzen Person. ernst genommen werden. Siehe auch
→ M-Wort, → Anti-Schwarzer Rassis-
Mixed ist eine Selbstbezeichnung für mus.
Menschen, die → weiße und
Neo-Kolonialismus bezeichnet fort-
wirkende oder neue Formen von Ab-
schen mit) Rassismuserfah-
rungen, von → Schwarzer
46
hängigkeit und Ausbeutung nach dem Diaspora oder vom Schwarzsein die
Ende des formalen → Kolonialismus. Rede sein. Siehe auch → Ethnie.
Demnach werden ehemals kolonisierte
Gebiete heute mit neokolonialisti- Racial Profiling ist die Praxis, Men-
schen Mitteln indirekt von ehemaligen schen allein aufgrund von rassistischen
Kolonialmächten beherrscht, u. a. durch oder anderen diskriminierenden Vor-
finanzielle (z. B. durch Kredite), aber urteilen polizeilich zu kontrollieren.
auch politische, technologische, militä- Obwohl Racial Profiling gesetzlich
rische oder kulturelle Abhängigkeiten. verboten ist, belegen wissenschaftliche
Studien4, dass weiterhin solche »anlass-
Postkolonialismus (engl. Postcolonial und verdachtsunabhängigen Personen-
Studies) ist eine Forschungsrichtung, kontrollen« praktiziert werden. Häufig
die davon ausgeht, dass die Geschichte übt auch Sicherheitspersonal Racial
des → Kolonialismus mit den histori- Profiling aus, wenn → Schwarzen Men-
schen Unabhängigkeitserklärungen schen oder → PoC Zugänge verwehrt
nicht vorbei ist. Untersucht werden die werden, wie zu Diskotheken.
Folgen von bis heute fortbestehenden
kolonialen Denk- und Handlungsmus- Schwarzafrika wird als Synonym für
tern. Ebenso stellt Postkolonialismus afrikanische Länder südlich der
die Frage nach Reparationen, beispiels- Sahara genutzt. Darin schwingt eine ko-
weise in Debatten um die Rückgabe loniale Vorstellung von Nordafrika als
kolonialer Raubgüter in deutschen Mu- dem hochentwickelten weißeren Teil
seen. Siehe auch → Neokolonialismus. des afrikanischen Kontinents mit (ehe-
mals »Weißafrika«) und der vermeint-
Race wird oft fälschlich mit lich unterentwickelten, von → Schwar-
→ Rasse übersetzt. Der Begriff zen Menschen bewohnten Region.
race hat im englischsprachigen Präziser ist es, die Länder zu benennen,
Raum, besonders durch die US-ame- die gemeint sind, oder die Region als
rikanische Bürgerrechtsbewegung, südliches Afrika zu bezeichnen. Siehe
einen Bedeutungswandel vollzogen. auch → Kolonialismus.
Er beinhaltet das Wissen, dass es zwar
keine Menschenrassen gibt, aber sehr Schwarzafrikaner*in ist eine rassistische
wohl Rassismus aufgrund einer Kate- Fremdbezeichnung für → Schwarze
gorisierung in vermeintliche »Rassen«. Menschen. Bezeichnungen wie »Afrika-
Im Deutschen verweist der Begriff ner*in« sind geografisch ungenau. Es
hingegen auf angeblich biologische empfiehlt sich, konkrete Herkunftslän-
Unterschiede zwischen → weißen und der zu benennen – sofern die Nationali-
→ Schwarzen Menschen. Je nach Zu- tät inhaltlich relevant ist. In Beiträgen
sammenhang könnte von (Men- über Südafrika kann von Schwarzen
Schwarze Menschen
Südafrikaner*innen und weißen Süd-
afrikaner*innen gesprochen werden.
wurden Gruppen auf dem
afrikanischen und amerikani-
47
schen Kontinent einfach als »Stämme«
Schwarze Diaspora (altgriechisch »Zer- pauschalisiert. Die Diversität → Afrikas
streuen«). Diaspora benennt vertriebene und Amerikas blieb unsichtbar und dies
jüdische Gruppen. Abgeleitet davon wirkt bis heute nach. Sinnvoller ist es,
steht Schwarze Diaspora für Schwar- die zahlreichen Selbstbezeichnungen
ze Menschen, die nicht in den Her- zu benutzen, wie zum Beispiel für die
kunftsregionen ihrer Vorfahren leben. Gruppe der Fulbe aus Westafrika oder
Außerdem gibt es nationale Diaspora- die Kayapó aus dem Amazonasbe-
Gruppen, zum Beispiel bezeichnen sich cken.
Menschen mit ghanaischer Migrations-
biografie in Deutschland als ghanai- Texturism ist die Hierarchisierung
sche Diaspora. Der Begriff wird von unterschiedlicher Typen von → Afro-
vielen Gruppen Ausgewanderter oder haaren. Haare, die eher dem weißen
von Glaubensgemeinschaften verwen- Schönheitsideal entsprechen, wie zum
det; so gibt es die polnische Diaspora, Beispiel größere Afrolocken, werden als
die alevitische Diaspora etc. »good hair« aufgewertet und gegenüber
engen kleinen Locken (»bad hair«, »nap-
Schwarze Menschen, Schwarze*r ​ist py hair«) bevorzugt. Schwarze Personen
eine Selbstbezeichnung von Menschen mit enger gelocktem Haar sind oft stär-
mit beispielsweise afrikanischen, kari- ker von → Anti-Schwarzem Rassismus
bischen oder afro-US-amerikanischen betroffen. Meistens ist Texturism mit
Vorfahren. Schwarz wird in diesem → Colorism verbunden.
Zusammenhang immer groß geschrie-
ben, um deutlich zu machen, dass da- Token beschreibt eine*n Vertreter*in
mit keine Hautfarbe beschrieben wird. einer diskriminierten Gruppe, der*die
Schwarz ist vielmehr eine politische benutzt wird, um nach außen Vielfalt
Selbstbezeichnung, die gemeinsame vorzutäuschen oder diskriminierende
Erfahrungen sowie die gesellschaftspo- Haltungen zu legitimieren. Muss also
litische Position und die Lebensrealität zum Beispiel auf der Firmenwebseite
von Menschen beschreibt, die von die einzige Schwarze Mitarbeiterin
→ Anti-Schwarzem Rassismus betroffen ganz vorn aufs Teamfoto oder wer-
sind. Siehe auch → BPoC oder den Schwarze Schauspieler*innen in
→ People of Color. Filmen ausschließlich auf Nebenrollen
reduziert, fungieren sie als Tokens.
Stamm Im → Kolonialismus orientierten In ähnlichen Zusammenhängen ist
Europäer*innen sich oft an Begriffen, Deutschland manchmal von »Quoten-
die in Zusammenhang mit der Antike migranten«, »-Schwarzen« oder »-frau-
und dem Frühmittelalter standen. In en« die Rede.
Anlehnung an germanische Völker
Weiße Privilegien sind gesellschaftli-
che Vorteile, die damit einhergehen,
Situationen äußern. Siehe auch
→ White Tears.
48
→ weiß zu sein, allen voran das Privi-
leg, nicht → rassistisch diskriminiert zu White Savior (engl. weiße*r Retter*in)
werden. wird eine → weiße Person genannt, die
nicht-weißen Menschen auf eigennüt-
Weiß gelesen (engl. White Passing) ist zige Weise Hilfe leistet, um sich selbst
eine Person mit meistens sehr heller aufzuwerten. Die oft unbeabsichtigte,
Haut (→ light-skinned) und/oder wenig aber reale Folge ist eine Abwertung ar-
gelockten Haaren, die → Schwarze mer, nicht-weißer Menschen. Beispiel-
Eltern oder Großeltern hat, und als haft dafür sind Fotos oder Reiseberichte
→ weiß, also ohne afrodiasporische von Weißen und ihren Begegnungen
Migrationsgeschichte wahrgenommen mit Kindern in Armut. White
wird. In ähnlichen Fällen können auch Saviorism wird häufig bei internationa-
→ People of Color als weiß gelesen len Charity-Projekten kritisiert.
werden. Historisch konnte es große
Vorteile bringen, für weiß gehalten White Tears (engl. weiße Tränen) Wenn
zu werden und auch heute noch sind → weiße Menschen mit → Rassimus und
damit Privilegien verbunden (→ weiße ihrem Weißsein konfrontiert werden,
Privilegien). Aber auch Weißgelese- fühlen sie sich oft ungerecht behandelt
ne können beispielsweise aufgrund und lenken mit den eigenen Emotionen
ihrer Schwarzen Familie → Rassismus von den Betroffenen ab. Dieses Verhal-
erleben. Teilweise bezeichnen sie sich ten wird als White Tears beschrieben.
deshalb ebenfalls als Schwarz, PoC oder
nicht-weiß.

Weiße Fragilität (engl. »white fragility«)


beschreibt die Reaktion vieler
→ weißer Menschen, wenn → Ras-
sismus, ihr Weißsein und die damit
verbundenen → weißen Privilegien zur
Sprache kommen. Dass weiße Men-
schen in der Gesellschaft besonderen
Schutz und Sicherheit genießen, führt
laut der Soziologin Robin Di Angelo5
zu einer fehlenden Notwendigkeit und
Fähigkeit, sich (selbst-)kritisch mit
Rassismus auseinanderzusetzen. Das
wiederum hat typische Abwehrmecha-
nismen zur Folge, wie Wut, Angst oder
Schuld und Scham, die sich in solchen
Schwarze Menschen
49

1 Meyer, Tania. Gegenstimmbildung.


transcript-Verlag, 2016, S. 153.
2 BDKJ. Aktion Dreikönigssingen, Segen bringen -
Segen sein, https://www.bdkj.de/aktionen/aktion-
dreikoenigssingen
3 White, Karletta M. The salience of skin tone:
Effects on the exercise of police enforcement
authority. Ethnic and Racial Studies, 38.6, 2015,
S. 993-1010. Gonzales-Barrera, Ana. Hispanics
with darker skin are more likely to experience
discrimination than those with lighter skin. Pew
Research Center, 2019. https://www.pewresearch.
org/fact-tank/2019/07/02/hispanics-with-darker-
skin-are-more-likely-to-experience-discrimination-
than-those-with-lighter-skin/
4 Thompson, Vanessa Eileen. »Racial Profiling«,
institutioneller Rassismus und Interventions-
möglichkeiten. Bundeszentrale für politische
Bildung, 27.04.2020. https://www.bpb.de/themen/
migration-integration/kurzdossiers/migration-
und-sicherheit/308350/racial-profiling-institutio-
neller-rassismus-und-interventionsmoeglichkei-
ten/#footnode2-2;
Hunold, Daniela und Maren Wegner. Rassismus
und Polizei: Zum Stand der Forschung. APuZ,
09.10.2020. https://www.bpb.de/shop/zeitschrif-
ten/apuz/antirassismus-2020/316766/rassismus-
und-polizei-zum-stand-der-forschung/
5 DiAngelo, Robin. White Fragility. International
Journal of Critical Pedagogy, 3.3, 2011, S. 54-70.
https://libjournal.uncg.edu/ijcp/article/viewFi-
le/249/116
Sinti*zze und Rom*nja 50
Mit etwa zehn bis zwölf Millionen Mitgliedern sind die Angehörigen der verschie-
denen Roma-Gruppen heute eine sehr große und damit sehr diverse Minderheit
in Europa. Sie ist wie kaum eine andere Ziel rassistischer Zuschreibungen und
Stereotypisierungen. Damit einher geht eine große Unwissenheit: So berichten
Vertreter*innen von Roma-Selbstorganisationen, dass sie beispielsweise immer
wieder gefragt werden, ob es eine eigene »Roma-Religion« gebe.
Auch die Berichterstattung in den deutschen Medien über Sinti*zze und Rom*nja
ist häufig negativ konnotiert, wie mehrere Studien belegen1. Hier kann kenntnisrei-
cher und präziser Journalismus aufklärend wirken. Deshalb werden im vorliegen-
den Glossarkapitel bewusst auch Begriffe erläutert, die zur Stigmatisierung beitra-
gen (bspw. »Z***«.) und Journalist*innen bei der Recherche begegnen können.

Antiromaismus beschreibt → Ras- Vorurteile auf einer rassistischen Pau-


sismus gegen Rom*nja und Sinti*zze schalisierung, siehe dazu → Philoziga-
ohne das Schimpfwort → Z*** zu repro- nismus. Der Begriff Antiziganismus
duzieren und wird deshalb von einigen ist etabliert, aber zum Teil umstritten.
Betroffenen bevorzugt. Der Begriff ist Siehe auch → Gadje-Rassismus und
allerdings in der Kritik, weil er aussagt, → Antiromaismus.
dass Menschen diskriminiert werden,
weil sie Rom*nja sind. Ursächlich dafür Balkan meint geografisch die Halbinsel
sind aber rassistische Einstellungen Südosteuropas, zu der bspw. auch Grie-
der → Mehrheitsbevölkerung. Etablier- chenland gehört. Oft wird der Begriff in
ter ist → Antiziganismus. Siehe auch Zusammenhang mit Rom*nja gebracht,
→ Gadje-Rassismus. die in mehreren Ländern in Südost-
europa eine große ethnische Minder-
Antiziganismus ist der spezifische heit sind. Er ist dann negativ besetzt
→ Rassismus gegen Rom*nja und und wird recht ungenau als Synonym
Sinti*zze sowie Menschen, die als sol- für → Bulgarien und → Rumänien
che wahrgenommen werden. Jahrhun- benutzt. In der Berichterstattung wird
dertealte und tief verankerte Stereo- der Begriff zudem häufig im Kontext
type führen bis heute zu Diffamierung, mit → Armutszuwander*innen und
Ausgrenzung, Entrechtung und Gewalt. → Asylmissbrauch verwendet.
Angehörige der Roma-Minderheiten
sind auf individueller und institutio- Bekenntnisfreiheit wird durch das
neller bzw. struktureller Ebene davon Rahmenübereinkommen zum Schutz
betroffen. Antiziganistische Klischees → nationaler Minderheiten des Europa-
werden zum Teil romantisiert, dabei rates garantiert. Sie besagt, dass alle
beruhen auch vermeintlich positive Angehörigen einer nationalen Minder-
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
heit selbst wählen dürfen, ob sie sich
dieser Minderheit zugehörig fühlen
Deutsche Sinti*zze und
Rom*nja sind eine
51
oder nicht. Dieses Bekenntnis ist frei, → nationale Minderheit. Sprach-
ein Nachweis der Gruppenzugehörig- forscher*innen verorten ihre ur-
keit darf also nicht verlangt werden. sprüngliche Herkunft in Indien und
Sinti*zze und Rom*nja sind in Deutsch- dem heutigen Pakistan. Derzeit leben
land seit 1998 als → nationale Minder- zwischen 70.000 und 150.000 Sinti*zze
heit anerkannt. und Rom*nja in Deutschland.2 Neben
Deutsch sprechen sie als zweite Mutter-
Bulgarien Hier sind die Rom*nja (wie sprache häufig → Romanes. Oft
in → Rumänien) nach Türk*innen die werden in der aktuellen Diskussion
zweitgrößte Minderheit. Neben → Einwander*innen aus → Rumänien,
→ Rumänien, der Slowakei, Ungarn und → Bulgarien oder Serbien irrtümlicher-
der Tschechischen Republik gehört weise als »Sinti und Roma« bezeichnet.
Bulgarien zu den fünf Ländern, die von Auf sie würde gegebenenfalls nur die
der Europäischen Kommission 2013 Bezeichnung Rom*nja zutreffen. Bei bei
länderspezifische Empfehlungen zur der Einwanderung nach Deutschland
Umsetzung nationaler Roma- wird jedoch nur die Staatsangehörig-
Integrationsstrategien erhielten. Sie keit erfasst – es ist also nicht bekannt,
sind Teil des von den EU-Staats- und welche Eingewanderten Angehörige der
Regierungschefs 2011 unterzeichneten Minderheit sind3 (siehe auch
EU-Rahmens (IP/11/789) zur Integration → Deutsche Rom*nja).
der Rom*nja in den Mitgliedsstaaten.
Roma-Selbstorganisationen kritisieren, Gadje / Gadsche (Singular Gadjo /
dass die Verteilung der Gelder nicht Gadscho) ist auf → Romanes die Be-
ausreichend kontrolliert werde. zeichnung für Nicht-Rom*nja. Die Min-
derheit nutzt den Begriff, um sich von
Deutsche Rom*nja sind diejenigen den Nicht-Rom*nja abzugrenzen. Der
Rom*nja, die nach Aufhebung der genaue Wortursprung ist umstritten.
Leibeigenschaft in Ost- und Südost-
europa ab Mitte des 19. Jahrhunderts Gadje-Rassismus ist als Synonym von
nach Deutschland eingewandert sind. → Antiziganismus im deutsch-
Weitere Roma-Gruppen sind in den sprachigen Raum verbreitet und betont,
1960er Jahren als → Gastarbeiter*innen dass Rassismus gegen Rom*nja
und in den 1990er Jahren, nach dem und Sinti*zze von → Gadje (→ weiße
Zerfall Jugoslawiens, als → Flüchtlinge Menschen auf → Romanes) ausgeht.
nach Deutschland gekommen (siehe Der Begriff wird kontrovers diskutiert,
auch → Deutsche Sinti*zze & Rom*nja, weil er ausblendet, dass auch → People
→ Sinti*zze). of Color antiziganistische Vorurteile
haben.
Gypsy leitet sich vom englischen Wort
»Egyptian« ab und ist eine englische
in Deutschland durch Bund
und Länder einen besonderen
52
Fremdbezeichnung, mit der nomadi- Schutz und eine spezifische Förderung
sche Gruppen beschrieben werden. erhalten. Neben den → deutschen
Ähnlich wie das deutsche → Z*** ist Sinti*zze und Rom*nja sind auch die
auch dieser Begriff negativ konnotiert. Lausitzer Sorb*innen, die dänische
Er wird in englischsprachigen Ländern Minderheit und die friesische Volks-
noch häufig verwendet. In Deutschland gruppe als nationale Minderheit
hält der Begriff in der Popkultur Einzug. anerkannt. Angehörige der nationalen
Dabei wird ein romantisierendes Bild Minderheiten sind → deutsche Staats-
von Angehörigen der Roma- angehörige, unterscheiden sich aber
Minderheiten propagiert (siehe auch von der Mehrheitsbevölkerung durch
→ Antiziganismus, → Antiromaismus, eine eigene Sprache, Kultur, Geschichte
→ Philoziganismus). und Identität, die sie bewahren. Im Ge-
gensatz zu den anderen Gruppen leben
Minderheitenrat setzt sich für die die deutschen Sinti*zze und Rom*nja
Förderung und den Schutz der vier nicht in angestammten Siedlungsgebie-
→ nationalen Minderheiten in ten, sondern im ganzen Bundesgebiet
Deutschland ein und vertritt ihre Inter- (siehe auch → Bekenntnisfreiheit,
essen gegenüber der Bundesregierung. → Minderheitenrat, → Minderheiten-
Der Zentralrat Deutscher Sinti und sekretariat).
Roma gehört ihm an. Der Minderheiten-
rat soll den Informationsfluss zwischen Nationalsozialistischer Genozid
den vier Minderheiten abstimmen Sinti*zze und Rom*nja waren während
und fördern, aber auch gemeinsame des Nationalsozialismus Verfolgung
Stellungnahmen zu aktuellen Schwer- und Völkermord ausgesetzt.5 Auf
punktthemen verfassen. → Romanes gibt es dafür die Begriffe
Porajmos oder Samudaripen
Minderheitensekretariat wurde 2005 (deutsch »das große Töten«). Der Tag der
für die Verbände der → nationalen Min- Erinnerung an die Opfer des nationalso-
derheiten in Deutschland eingerichtet. zialistischen Genozids an den Rom*nja
Das Minderheitensekretariat unter- ist der 2. August. Mindestens 500.000
stützt die Arbeit des → Minderheitenra- europäische Sinti*zze und Rom*nja
tes inhaltlich und organisatorisch als wurden durch Nationalsozialist*innen
eine Verbindungsstelle zwischen den oder mit ihnen verbündete Regierungen
Verbänden der anerkannten Minder- und Bewegungen systematisch ermor-
heiten und Bundestag, Bundesregierung det, was erst 1982 von der Bundesrepu-
und Bundesrat. blik offiziell als Völkermord anerkannt
wurde. Dieser wurde in der Geschichts-
Nationale Minderheit beschreibt schreibung nach wie vor noch nicht
jene Gruppen der Bevölkerung, die vollständig aufgearbeitet.
Sinti*zze und Rom*nja
Nomad*innen oder auch »Fahrendes
Volk« beruhen wie alle Begriffe, die
die sich in Sprachen, Religio-
nen und Gewohnheiten vonein-
53
→ Sinti*zze und → Rom*nja als ander unterscheiden, bspw.
permanent in Bewegung lebende Grup- Kalderasch / Kalderaš / Kaldera-
pen darstellen, auf jahrhundertealten ra, Kalé / Kale / Cale oder Lova-
Klischees und werden von vielen Grup- ra / Lowara. Im weiblichen Singular
penangehörigen als verletzend empfun- spricht man von Romni (Plural:
den. Historisch gesehen diente das Bild Romnja), im männlichen von Rom
umherziehender Außenseiter*innen (Plural: Roma).
dazu, Diskriminierung und gesetzliche
Restriktionen zu legitimieren. Migra- Roma Day / Weltromatag (8. April)
tionsbewegungen durch Sinti*zze und ist ein internationaler Aktionstag, der
Rom*nja beruhten in der Vergangenheit ein Bewusstsein für die Belange der
oft weniger auf einem selbstgewählten Sinti*zze und Rom*nja schaffen sowie
Lebenswandel als auf ökonomischen auf deren anhaltende Verfolgung und
Zwängen und politischer Verfolgung. Diskriminierung aufmerksam machen
Zudem gab es jahrhundertelang Nieder- will. Der Weltromatag erinnert darüber
lassungsverbote für sie. Aktuelle Stu- hinaus an die Anfänge der Bürgerrechts-
dien belegen, dass über 90 Prozent der bewegung, die am 8. April 1971 in London
europäischen Rom*nja sesshaft sind.4 bei einem Treffen internationaler Ver-
treter*innen der Roma-Minderheiten
Philoziganismus beschreibt eine posi- ihren Lauf nahm. Auf dem Kongress
tive Neigung zu Sinti*zze und Rom*nja, haben sich die Teilnehmer*innen nicht
die teils wie bei → Antiziganismus von nur für die Eigenbezeichnung Rom*nja
einer homogenen Gruppe ausgeht und entschieden, sondern auch eine gemein-
den Angehörigen der Roma-Minderhei- same Flagge und Hymne als Symbole
ten romantisierende Stereotype zu- der Bewegung gewählt.
schreibt (siehe auch → Xenophilie,
→ Philosemitismus, → Gypsy, → Z***). Romanes (Alternativbezeichnung:
Roman, Romani) ist die Sprache
Rom*nja ist sowohl Selbstbezeichnung der Rom*nja. Im Laufe der Jahrhun-
als auch allgemeiner Sammelbegriff für derte haben sich in den jeweiligen
eine heterogene Gruppe von Menschen, Heimatländern unterschiedliche
die vor gut 1000 Jahren aus Indien und Romanes-Sprachen entwickelt. In
dem heutigen Pakistan nach Europa Deutschland ist die Minderheitenspra-
gekommen sind.2 Sie bilden die größte che Romanes neben Deutsch häufig
ethnische Minderheit in Europa. Ex- die zweite Muttersprache der Angehö-
pert*innen sprechen häufig von rigen der Minderheit und ein wesent-
Roma-Gruppen oder Angehörigen licher Teil ihrer kulturellen Identität.
der Roma-Minderheiten, da es zahl- Das Romanes ist mit der altindischen
reiche verschiedene Untergruppen gibt, Hochsprache Sanskrit verwandt. Durch
die Verfolgung im Nationalsozialismus,
durch Zwangsassimilierung in anderen
Traveller So benannte Gruppen
in Irland, Großbritannien und
54
Ländern und die fortgesetzte Diskri- den USA wählen als Selbstbezeichnung
minierung nach 1945 ist das Romanes meist den Begriff Pavee. Sie haben
heute in seinem Fortbestand gefährdet. eine andere Herkunft, Siedlungsge-
schichte und Sprache als die europäi-
In Rumänien bilden die Rom*nja nach schen Rom*nja und sprechen nicht
den Ungar*innen die zweitgrößte Min- → Romanes, sondern Shelta. Dies weist
derheit. Zwar gibt es keine konkreten zwar Merkmale des Romanes auf, be-
Zahlen, schätzungsweise leben dort ruht aber auf der irischen (gälischen)
aber zwischen zwei und fünf Millionen Sprache und dem Englischen. Ihre
Rom*nja. Sie erfahren seit vielen Jah- Diskriminierungsgeschichte ist der der
ren schwere Repressionen, so waren europäischen Rom*nja sehr ähnlich.
Rom*nja bis ins 19. Jahrhundert in
Rumänien versklavt. Bis heute sind sie Xoraxaia / Horahane ist ein Religio-
betroffen von Übergriffen und körper- nym, also eine auf der Religion beru-
licher Gewalt sowie einer generellen hende Benennung eines Volkes, und
Ausgrenzung aus den Sozialsystemen bezeichnet → Rom*nja muslimischen
– die ohnehin kaum vorhanden sind Glaubens.
(siehe auch → Bulgarien).
Z*** ist eine Fremdbezeichnung und
Sinti*zze ist die Bezeichnung für wird von Angehörigen der Roma-
Nachfahren der Roma-Gruppen, die Minderheiten abgelehnt. Die ver-
bereits im 14. und 15. Jahrhundert in unglimpfende Bezeichnung ist Jahr-
den deutschsprachigen Raum einge- tausende alt und hält sich bis heute
wandert sind. Sinti*zze sind die in hartnäckig im öffentlichen Sprachge-
West- und Mitteleuropa beheimateten brauch. Der Begriff schreibt der di-
Angehörigen der Minderheit. Die Be- versen Minderheit negative, teilweise
zeichnung wird jedoch nur in Deutsch- romantisierende und in jedem Fall
land, Österreich und Teilen Norditaliens rassistische Stereotype zu. Sogar Soßen
verwendet. Außerhalb des deutschen und Schnitzel werden noch nach dem
Sprachraums wird → Rom*nja als Name Schimpfwort benannt. Und das, ob-
für die gesamte Minderheit genutzt. Der wohl hunderttausende Sinti*zze und
weibliche Singular ist Sintizza (Plural: Rom*nja im Nationalsozialismus mit
Sintizze), der männliche Singular ist »Z« markiert und in Konzentrationsla-
Sinto (Plural: Sinti). Eine Untergrup- gern umgebracht wurden. Das ist auch
pe der Sinti*zze sind die Manouche, der Grund, warum viele Angehörige der
die vorwiegend in Frankreich leben. Minderheit die Abkürzung »Z-Wort«
(analog zu N-Wort) ablehnen. Übrigens
sind Sinti*zze und Rom*nja schon seit
Jahrhunderten in Deutschland zuhause,
Sinti*zze und Rom*nja
viele Angehörige der Minderheit sind
→ autochthone Deutsche und keine
55
→ Menschen mit Migrationshintergrund
(siehe auch → Antiziganismus,
→ Antiromaismus, → Philoziganismus).

1 Vgl. exemplarisch Markus End: »Antiziganismus


in der deutschen Öffentlichkeit. Strategie und
Mechanismen medialer Kommunikation«, Studie
für das Dokumentations- und Kulturzentrum Deut-
scher Sinti und Roma, Heidelberg 2014
2 Bundeszentrale für politische Bildung; Ein un-
bekanntes Volk? Daten, Fakten und Zahlen: Zur
Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma
in Europa: www.bpb.de/internationales/europa/
sinti-und-roma-in-europa/179536/ein-unbekann-
tes-volk-daten-fakten-und-zahlen?p=0
3 Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher
Sinti und Roma: www.sintiundroma.de/sinti-roma.
html
4 Rombase, didaktisch aufbereitete Informationen
über Roma, Nomadisch und sesshaft, http://
rombase.uni-graz.at/cgi-bin/art.cgi?src=data/
ethn/topics/nomadic.de.xml
Flucht und Asyl 56
Asylpolitik war eines der beherrschenden Medienthemen der vergangenen Jahre.
Weil Regelungen und Vorhaben sich laufend ändern, versuchen wir im Folgenden,
vor allem längerfristig gültige Begriffserläuterungen anzubieten.
Generell sind Asylrecht und -politik sehr komplexe Themen, bei denen in der
Berichterstattung einiges durcheinander geraten kann. Was zum Beispiel ist der
rechtliche Unterschied zwischen Asyl und Flüchtlingsschutz? Zudem ist der
Themenkomplex emotional aufgeladen: In vielen Begriffen schwingen politische
Haltungen oder Forderungen mit. Im Glossar erläutern wir die Hintergründe und
warum es zum Beispiel sinnvoll ist, neutral klingende Schlagwörter wie »Flücht-
lingskrise« zu überdenken.

Abschiebung bezeichnet die unter AnkER-Zentrum abgekürzt für Ankunft,


Zwang erfolgende Ausreise von Entscheidung und Rückführung. → Ge-
→ Ausländer*innen aus Deutschland. In flüchtete müssen in diesen Lagern so
vielen Fällen findet sie unter Anwen- lange wohnen, bis ihre → Asylverfahren
dung von polizeilicher Gewalt sowie endgültig abgeschlossen sind. Danach
in Begleitung von Polizeibeamt*innen sollen sie auf zugewiesene Wohnorte
statt. Behörden verwenden dafür den verteilt oder direkt → abgeschoben
Begriff »Rückführung«, der von Hilfs- werden können. Es wird kritisiert, dass
organisationen für Geflüchtete als Asylverfahren oft viele Monate lang
euphemistisch kritisiert wird. dauern und die Menschen sich in dieser
Zeit nicht frei bewegen können. Auch
Abschiebungsverbot Wird kein Asyl sei in diesen Einrichtungen keine un-
und keine Eigenschaft als → Flüchtling abhängige Verfahrens- und Rechtsbera-
zuerkannt, kann für → Asylsuchende tung gewährleistet.
ein sogenanntes zielstaatsbezogenes
Abschiebungsverbot erteilt werden, Armuts- oder Wirtschaftsflüchtlinge
wenn Gefahr für Leib, Leben und Frei- sind abwertende Bezeichnungen, die
heit nach einer → Abschiebung besteht. aussagen sollen, dass → Asylsuchen-
So → geschützte Personen erhalten de vor allem aus wirtschaftlicher Not
den nationalen → subsidiären Schutz, fliehen und damit das Grundrecht auf
mit einer Aufenthaltserlaubnis in der Asyl ausnutzen würden. Besonders
Regel für ein Jahr, haben aber weniger oft werden Menschen aus den
Rechte als anerkannte Flüchtlinge → Maghreb-Staaten sowie → Rom*nja
sowie subsidiär Schutzberechtigte nach als vermeintliche Armutsflüchtlinge
europäischem Recht (siehe → Asyl und bezeichnet, die jedoch oft fliehen, weil
Flüchtlingsschutz). sie starker Diskriminierung ausgesetzt
sind. Wenn Menschen tatsächlich aus
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
wirtschaftlichen Gründen einreisen,
kann auch von Arbeitseinwanderung
trophen gleichgesetzt. Wie
die Parole »Das Boot ist voll«
57
gesprochen werden (siehe auch werden die oben genannten Begriffe als
→ Armutszuwander*in, → Asylmiss- populistische Floskeln und emotional
brauch, → Asylbetrüger*in). aufgeladene Angstmacherei kritisiert.
Inzwischen werden oft die Varianten
Asyl Deutschland ist eines der wenigen → Flüchtlingsstrom oder »Flüchtlings-
Länder, in dem das Recht auf Asyl in welle« gebraucht, die dieselben Assozi-
der Verfassung festgeschrieben ist: »Po- ationen wecken. Ein neutrales Schlag-
litisch Verfolgte genießen Asylrecht«, wort wäre z. B. Fluchtmigration.
heißt es in § 16a Grundgesetz. Doch
dieses Recht wurde 1993, nach einer Asylbetrüger*in Während »Scheinasy-
Welle rassistischer Gewalttaten, mit lant« und »Asylschmarotzer« heutzu-
dem sogenannten »Asylkompromiss« tage vor allem Begrifflichkeiten der
stark eingeschränkt und ist weitgehend → rechtsextremen Szene sind, findet
vom EU-Recht abgelöst. Lediglich ein sich die Bezeichnung »Asylbetrüger«
bis zwei Prozent der → Asylbewer- teilweise auch in journalistischen
ber*innen erhalten in Deutschland Asyl Medien. So wurden bspw. → Geflüch-
nach dem Grundgesetz (»Asylberechtig- tete bezeichnet, die sich angeblich als
te«), weil sie durch den Herkunftsstaat Syrer*innen ausgeben würden, um ihre
oder staatsähnliche Akteure verfolgt Chance auf Asyl zu erhöhen. Bundes-
werden.1 innenminister Thomas de Maizière
behauptete im Oktober 2015, 30 Prozent
Asylant*in ist negativ konnotiert. Der aller Flüchtlinge, die sich als Syrer*in-
Begriff wird (eher in der männlichen nen ausgeben würden, seien gar keine.
Form) häufig dann verwendet, wenn Für diese Zahl fehlte allerdings jegli-
→ Geflüchtete als Bedrohung oder cher Beleg (siehe auch → Armutsflücht-
Belastung betrachtet werden und nicht linge, → Asylmissbrauch).
als Schutzsuchende. Weitere Alter-
nativen: → Asylsuchende, exilierte Asylbewerber*innen sind juristisch
Menschen, je nach Status auch Asyl- gesehen Personen, die einen Antrag auf
berechtigte, → geschützte Personen Anerkennung als politisch Verfolgte
uvm. gestellt haben, deren Verfahren beim
Bundesamt für Migration und Flücht-
Asylantenschwemme, Asylantenflut linge aber noch nicht abgeschlossen
oder Asylantenstrom sind Metaphern, sind. Bis zum Antrag gilt man für die
die vor allem in den 1980er und 1990er Behörden als »Asylbegehrender« oder
Jahren verbreitet waren. Sie suggerie- → Asylsuchende*r. Allerdings ist der
ren, dass es notwendig sei, die Aufnah- Begriff »Asylbewerber« irreführend,
me von → Geflüchteten zu verhindern weil ein Grundrecht auf Asyl besteht;
– diese werden deshalb Naturkatas- Menschen bewerben sich aber nicht
um Grundrechte, sie haben sie einfach.
Alternative Begriffe: → Geflüchtete
nur im Zusammenhang mit
Einzelfällen zu verwenden. Ein
58
oder Schutzsuchende. Recht einzufordern bzw. zu beantragen,
ist kein Missbrauch, selbst wenn das
Asylkritiker*in / Asylgegner*in wären Begehren erfolglos bleibt. Missbräuch-
im eigentlichen Wortsinn eher Kriti- lich ist erst der Betrugsversuch (siehe
ker*innen der Asylgesetzgebung, wie auch → Asylbetrüger*in).
z. B. der → Residenzpflicht für Geflüch-
tete. Tatsächlich sind »Asylkritiker*in« Asylsuchende wird in der Öffentlich-
oder »-gegner*in« oft Euphemismen für keit oft synonym zum Begriff → Flücht-
diejenigen, die sich → rechtsextrem, linge gebraucht. Im Sprachgebrauch
→ rechtsradikal oder rassistisch gegen des UNHCR ist ein*e Asylsuchende*r
Geflüchtete äußern. Die Begriffe werden aber eine Person, die einen Antrag auf
häufig als Selbstbezeichnungen von Anerkennung als politisch Verfolg-
→ Rechtsextremen, → Rechtsra- te*r gestellt hat, den Status als
dikalen oder → Rechtspopulist*innen → Flüchtling oder Asylberechtigte*r
benutzt. Da das Recht auf → Asyl im aber noch nicht erhalten hat.
Grundgesetz niedergeschrieben ist,
kann dessen vollkommene Ablehnung Asyl und Flüchtlingsschutz sind keine
als verfassungsfeindlich eingestuft Synonyme, sondern unterschiedliche
werden. In der Berichterstattung kön- rechtliche Schutzformen. Einen An-
nen Menschen mit rechtsextremen spruch auf → Asyl haben nur politisch
Positionen als Rechtsextreme be- verfolgte Geflüchtete in Deutschland,
zeichnet werden. Die Nachrichtenagen- gemäß Art. 16 a im Grundgesetz. Der
tur dpa verwendet die Begriffe Asyl- → Flüchtlingsschutz dagegen wird nach
kritiker/Asylgegner seit Juli 2015 nicht der → Genfer Flüchtlingskonvention
mehr, weil sie beschönigend sind. gewährt. Außerdem gibt es auch
→ Abschiebungsverbote auf Grundlage
Asylmissbrauch ist ein politisches der Antifolterkonvention der Vereinten
Schlagwort, das seit den 1980er Jahren Nationen, der Europäischen Menschen-
vor allem dann verwendet wird, wenn rechtskonvention und anderer interna-
es um eine Einschränkung des Asyl- tionaler Abkommen.
rechts geht, ähnlich wie die Begriffe
»Asyltourismus« oder »Sozialtouris- Ausweisung ist ein Verwaltungsakt und
mus«. Gleichzeitig handelt es sich um betrifft → Geflüchtete, deren Antrag auf
einen Kampfbegriff von → Rechtsra- → Asyl rechtskräftig abgelehnt wurde
dikalen oder → Rechtsextremen, die oder → Ausländer*innen, die Straftaten
das Recht auf → Asyl an sich infrage begangen haben oder die als Gefahr
stellen wollen. Bereits 2001 wurde im für die Sicherheit in Deutschland ein-
Zuwanderungsbericht des Bundesin- gestuft werden. Menschen, die nach
nenministeriums gefordert, den Begriff Erhalt des Ausweisungsbescheids nicht
Flucht und Asyl
freiwillig gehen, droht die → Abschie-
bung.
kein Rechtsbegriff, taucht aber
hin und wieder auf, meistens
59
für Personen, denen aus humanitären
Bleibeperspektive Der Begriff soll die Gründen die Rückkehr in ihr Heimat-
Kategorisierung von → Asylsuchenden land nicht zumutbar ist (z. B. wegen
in solche mit guter/günstiger Bleibe- drohender Todesstrafe oder Folter im
perspektive und jene mit schlechter/ Herkunftsland), siehe auch → Duldung.
geringer Bleibeperspektive zulassen.
Letztere sind Menschen aus Ländern Dritte Welt ist ein veralteter Begriff
mit einer relativ hohen Anzahl von für Länder und Regionen, die aus einer
Asylsuchenden bei zugleich niedri- europäischen Sicht als unterentwi-
ger → Schutzquote. Geflüchtete mit ckelt gelten. Zur Zweiten Welt gehörten
guter Bleibeperspektive erhalten einen demnach sogenannte Schwellenländer,
schnelleren Zugang zu Sprach- und die Erste Welt sind hochentwickelte
Integrationskursen. Die Einteilung in Industrieländer. Diese Hierarchie wird
»gute« und »schlechte« Schutzsuchende kritisiert, auch weil sie verschleiert,
läuft einem Grundgedanken des Asyl- welche Länder verantwortlich für diese
rechts, der individuellen Prüfung der Ungleichheit sind. Geeigneter sind
Fluchtgründe, zuwider. die Begriffe Globaler Süden und
Globaler Norden. Sie sind nicht geo-
Bleiberecht bezeichnet die Aufent- grafisch zu verstehen (auch Australien
haltserlaubnis für → Ausländer*innen, liegt im Süden), sondern beschreiben
die sich schon länger ohne Aufent- eine benachteiligte oder privilegierte
haltstitel in Deutschland aufhalten, Position in einer globalisierten Welt.
weil sie zum Beispiel als abgelehnte Siehe auch → Neokolonialismus und
Asylsuchende geduldet wurden. In → Postkolonialismus.
Deutschland wird der Begriff auch als
politische Forderung und synonym zum Dublin-Verfahren Im Dublin-Verfahren
international gebräuchlicheren Begriff wird der für die Prüfung eines Asyl-
Legalisierung verwendet. Vorausset- antrags zuständige europäische Staat
zungen für die sog. gesetzliche Bleibe- festgestellt. Grundlage dafür ist ein
rechts- und Altfallregelung sind unter völkerrechtlicher Vertrag zwischen
anderem objektive Abschiebehinder- den EU-Mitgliedsstaaten, Norwegen,
nisse, ein mehrjähriger Aufenthalt in Island, Liechtenstein und der Schweiz
Deutschland, eine Arbeitsstelle sowie (Dublin-Staaten). Die wichtigste Regel
Integrationsnachweise. darin besagt, dass Schutzsuchende
in dem europäischen Staat Asyl bean-
De-facto-Flüchtlinge haben entweder tragen müssen, in den sie nach-
keinen Antrag auf Asyl gestellt oder weislich zuerst eingereist sind. Nur
ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Die → unbegleitete Minderjährige haben
Bezeichnung De-facto-Flüchtling ist das Recht, zu ihrer Familie zu gehen
oder dort aufgenommen zu werden, wo
sie sich aufhalten. Kritik an diesem
ausreichender Wohnraum und
die Möglichkeit, den Lebens-
60
Verfahren gibt es, weil dadurch vor unterhalt für die Familie sichern zu
allem die ärmeren süd- und osteuro- können. Nachziehende Ehepartner*in-
päischen Staaten für die Asylverfahren nen müssen in der Regel einfache
verantwortlich gemacht werden (siehe Deutschkenntnisse nachweisen. Mit
auch → sichere Drittstaaten). dem sog. Asylpaket II, das Anfang 2016
in Kraft trat, wurde der Familiennach-
Duldung betrifft Menschen ohne Auf- zug allerdings stark eingeschränkt.
enthaltstitel, von deren → Abschiebung
jedoch vorübergehend abgesehen wird, Flüchtlinge sind laut → Genfer Flücht-
weil ihnen eine erhebliche Gefahr für lingskonvention von 1951 Personen, die
Leib und Leben droht oder eine Ab- aus begründeter Furcht vor der Verfol-
schiebung nicht möglich ist (zum gung ihrer Person wegen ihrer »Rasse«,
Beispiel, weil im Herkunftsland Krieg Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit
herrscht oder sie keine Papiere haben). zu einer bestimmten sozialen Gruppe
Durch die Duldung wird der Aufenthalt Schutz in einem anderen Land suchen.
zwar nicht rechtmäßig, aber es entfällt In amtlichen Statistiken gelten die Be-
die Strafbarkeit wegen »illegalen Auf- zeichnungen Flüchtlinge und
enthalts« (siehe auch → Illegale Mig- Asylberechtigte nur für Menschen,
rant*innen). die schon Schutzstatus besitzen: Asyl-
berechtigte werden nach dem Asylrecht
Exilierte kann als alternative Be- im Grundgesetz anerkannt, Flüchtlin-
zeichnung für → Flüchtlinge benutzt gen wird → Flüchtlingsschutz nach der
werden. Der Begriff Exilierte betont, Genfer Konvention gewährt. Sprachlich
dass geflüchtete Menschen sich ist der Begriff »Flüchtling« umstritten.
dazu gezwungen sehen, ihre Heimat So sind Worte mit dem Ableitungssuffix
aufgrund von lebensbedrohlichen oder »-ling« im Deutschen verkleinernd und
menschenunwürdigen Verhältnissen teils negativ konnotiert (bspw. Eindring-
zu verlassen, auch wenn sie nicht von ling, Schönling, Schädling etc.). Dazu
staatlicher Seite des Landes verwiesen kommt, dass der Begriff kein Geschlecht
werden. hat und die Menschen außerdem auf
einen kleinen Teil ihrer Biografie, also
Familiennachzug ist ein feststehender nur auf ihre Flucht, reduziert werden.
Begriff im Asylverfahren. Er besagt, Alternative Begriffe: → Geflüchtete,
dass anerkannte → Flüchtlinge Schutzsuchende oder ggf. → Ge-
(→ Geschützte Personen) ihre Ehepart- schützte Personen (siehe → Asyl und
ner*innen und Kinder nach Deutsch- Flüchtlingsschutz).
land holen können und diese dann
ebenfalls ein Aufenthaltsrecht bekom- Flüchtlingskrise ist ein häufig benutztes
men. Voraussetzungen dafür sind z. B. Schlagwort in der Asyldebatte. Es
Flucht und Asyl
sagt aus, dass es eine Krise wegen
→ geflüchteten Menschen gebe und
Freiwillige Ausreise / Rück-
kehr ist ein beschönigender Be-
61
weist die Verantwortung den Schutz- griff für die Ausreise bzw. Rückkehr, die
suchenden zu, anstatt die Ursachen für Asylsuchenden nahegelegt wird, deren
Probleme z. B. im Versagen deutscher Asylantrag abgelehnt wurde. Lehnen
Politik oder Strukturen zu suchen. Ent- sie ab, muss nach spätestens 30 Tagen
sprechend kann stattdessen von einer die → Abschiebung erfolgen.
Krise der Asylpolitik oder neutraler
von Fluchtmigration oder Fluchtbe- Geflüchtete wird als Alternativbegriff
wegung die Rede sein. für → Flüchtlinge verwendet, weil damit
die als kleinmachend und teils ab-
Flüchtlingsschutz wird nach der wertend empfundene Endung »-ling«
→ Genfer Flüchtlingskonvention umgangen wird. Da es sich um keinen
gewährt. Darüber hinaus gibt es juristischen Begriff handelt, ist er bei
→ subsidiären Schutz und → Abschie- der Berichterstattung in vielen Fällen
bungsverbote für Geflüchtete. Einen einsetzbar: geflüchtete Menschen
Rechtsanspruch auf Asyl in Deutsch- können auch jene sein, die keinen offi-
land haben nur politisch Verfolgte, so ziellen Flüchtlingsstatus haben. Weite-
wäre z. B. ein Bürgerkrieg allein kein re Alternativen: Schutzsuchende,
Asylgrund, aber ein Grund für → sub- → Exilierte, → Asylsuchende (ggf.
sidiären Schutz (siehe auch → Asyl → Geschützte Personen).
und Flüchtlingsschutz, → Kontingent-
flüchtlinge). Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist
die wichtigste völkerrechtliche Verein-
Flüchtlingsstrom, -zustrom, Flücht- barung darüber, wer als → Flüchtling
lingswelle sind Metaphern, mit denen anerkannt wird und damit internatio-
die Einreise von → Geflüchteten be- nalen Schutz genießt. Das »Abkommen
schrieben wird. Sie vermitteln das Bild über die Rechtsstellung der Flüchtlin-
eines Naturphänomens, das sich seinen ge«, wie die GFK eigentlich heißt, wurde
Weg nach Deutschland bahnt oder das 1951 verabschiedet. Mittlerweile haben
Land überschwemmt. Der Begriff sug- über 100 Staaten die GFK unterzeichnet,
geriert, dass die Politik machtlos einer darunter auch Deutschland. Im deut-
Naturgewalt ausgesetzt ist und weist schen Aufenthaltsrecht ist festgelegt,
damit den Schutzsuchenden selbst die dass nicht abgeschoben werden darf,
Verantwortung für asylpolitische oder wer die Flüchtlingsdefinition der GFK
strukturelle Probleme bei ihrer Aufnah- erfüllt (siehe auch → Asyl und Flücht-
me in Deutschland zu. Journalistisch lingsschutz, → Flüchtlingsschutz).
angemessener ist es, konkrete Zahlen zu
nennen oder neutral von Fluchtmigra- Geschützte Personen bezeichnet alle
tion zu sprechen (siehe auch → Asylan- Menschen, die unter → Asylschutz,
tenstrom). → Flüchtlingsschutz, → Subsidiärem
Flucht und Asyl
Schutz und → Abschiebungsverbot
stehen.
Flüchtlingen in die Bundeslän-
der regelt. Mit ihm wird jährlich
62
neu festgelegt, wie viele Schutzsuchen-
Heimatlose Flüchtlinge auf Englisch de ein Bundesland aufnimmt. Die Ver-
→ Displaced Persons (DPs) genannt, teilung richtet sich nach den Steuerein-
sind Menschen und ihre Nachkom- nahmen (2/3 Anteil bei der Bewertung)
men, die während des Zweiten Welt- und der Bevölkerungszahl (1/3 Anteil
kriegs verschleppt wurden, nach 1945 bei der Bewertung).
aber nicht mehr in ihre Heimatländer
zurückkehren konnten, zum Beispiel Kontingentflüchtlinge sind → Ge-
aufgrund veränderter Landesgrenzen. flüchtete aus Krisenregionen, die im
Die meisten von ihnen sind ehemalige Rahmen nationaler oder internationaler
Zwangsarbeiter*innen aus Ost- und Hilfsaktionen staatlich aufgenommen
Südosteuropa, die während des Zweiten werden. Kontingentflüchtlinge durch-
Weltkriegs in deutschen Industriebe- laufen nicht das Asylverfahren und
trieben arbeiten mussten. erhalten vorübergehend Schutz in
Deutschland. Als Kontingentflüchtlin-
Illegale Migrant*innen wurde eine Zeit ge wurden zum Beispiel auch jüdische
lang (in der männlichen Form) von der Emigrant*innen aus der ehemaligen
Bundesregierung oder in EU-Rechts- UdSSR bezeichnet. Oft wird heutzutage
akten für Menschen verwendet, die von → Flüchtlingen gesprochen, die in
ohne Genehmigung einreisen oder festgelegter Anzahl aus humanitären
sich ohne gültige Papiere in einem Gründen aufgenommen werden (das
Land aufhalten. Gängiger ist es, von galt z. B. für Menschen aus Syrien).
illegaler oder irregulärer Migration
zu sprechen; eine bekannte Parole von Maghreb-Staaten (arabisch: Westen,
Menschenrechtsorganisationen lautet wörtlich: Ort, wo die Sonne untergeht)
»Kein Mensch ist illegal«, d. h. nur ist die zusammenfassende Bezeich-
Handlungen können ungesetzlich sein. nung für die drei nordafrikanischen
Die Nachrichtenagentur Associated Staaten Tunesien, Algerien und Marok-
Press (AP) hat deshalb bereits 2013 be- ko. Teilweise werden auch Libyen
schlossen, den Terminus nicht mehr zu und Mauretanien dazugezählt. Im Mai
verwenden. In Frankreich ist die Selbst- 2016 wurden Tunesien, Algerien und
bezeichnung Sans Papiers üblich, Marokko per Bundestagsabstimmung
papierlose Migrant*innen. Weitere Al- zu → sicheren Herkunftsländern erklärt,
ternativen: illegalisierte Migrant*in- was die Abschiebung von Geflüchteten
nen, irreguläre Migrant*innen oder aus diesen Ländern erleichtert. Men-
undokumentierte Migration. schenrechtsorganisationen kritisieren,
dass dies für keines der drei Länder
Königsteiner Schlüssel ist ein Vertei- zutrifft.
lungsschlüssel, der die Aufteilung von
Flucht und Asyl
Menschenschmuggel Viele Schutz-
suchende sind auf Menschenschmugg-
sie diesen Bereich verlassen,
müssen sie zuvor schriftlich
63
ler*innen angewiesen, wenn sie nach um Erlaubnis bitten. Diese Restriktion
Europa gelangen wollen (andere mit dem positiv konnotierten Verb »re-
Bezeichnungen sind → Schlepper*in- sidieren« zu umschreiben, ist beschöni-
nen oder → Schleuser*innen). In der gend. Zudem steht eine solche Pflicht in
Debatte wird Menschenschmuggel oft Widerspruch zum Grundsatz der Freizü-
fälschlicherweise mit Menschenhan- gigkeit gemäß Artikel 26 der → Genfer
del gleichgesetzt. Menschenhandel ist Flüchtlingskonvention. Anfang 2015
jedoch eine andere Straftat. Menschen- wurde die Residenzpflicht (§ 56 Asyl-
händler*innen verdienen nicht in erster gesetz) gelockert: Seitdem dürfen sich
Linie am Transport der Betroffenen, Schutzsuchende in der Regel, nach Ab-
sondern an der anschließenden Aus- lauf von drei Monaten, frei im Bundes-
beutung. gebiet bewegen. Asylbewerber*innen
und Geduldete, deren Lebensunterhalt
Obergrenze ist ein politisches Schlag- nicht gesichert ist, wird der Wohnsitz
wort. Es suggeriert, das Recht auf Asyl weiter durch eine Auflage (Wohnsitz-
in Deutschland könne auf eine bestimm- auflage) eingeschränkt. Im Integra-
te Anzahl von Personen beschränkt tionsgesetz wurde Mitte 2016 zudem
werden. Anfang 2018 einigte sich die der § 12a AufenthG eingeführt, der unter
Regierungskoalition auf die Formulie- bestimmten Bedingungen eine Wohn-
rung: künftig könne eine »Spanne von sitzauflage für anerkannte
jährlich 180.000 bis 220.000« nicht über- → Flüchtlinge festlegt.
stiegen werden. Der Begriff Obergrenze
wurde dabei vermieden, weil eine solche Schlepper*innen / Schleuser*innen
Begrenzung rechtlich nicht zulässig ist. Fluchthelfer*innen werden in der Be-
Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht richterstattung oft mit Schlepper*innen
und hat Verfassungsrang. oder Schleuser*innen gleichgesetzt,
obwohl die Begriffe unterschiedliche
Prinzip der Nicht-Zurückweisung Bedeutungen haben: Fluchthelfer*in ist
bezeichnet nach internationalem Recht die wertfreie Bezeichnung für jeman-
das Prinzip, nach dem Geflüchtete nicht den, der*die anderen zur Flucht verhilft.
in einen unsicheren Staat ausgewiesen Geht es nicht um Hilfe, sondern vor
werden dürfen. allem um Profit, sind Schlepper*in oder
Schleuser*in die angemessenen Be-
Residenzpflicht bezeichnet die Ver- zeichnungen, da sie laut Duden jeman-
pflichtung von Asylsuchenden und Ge- den beschreiben, der*die andere »gegen
duldeten, ihren Wohnsitz in der Stadt, Bezahlung illegal von einem Land in
dem Landkreis oder dem Bundesland zu ein anderes bringt«. Der juristisch kor-
nehmen, in dem sich die für sie zustän- rekte Begriff dafür lautet → Menschen-
dige Ausländerbehörde befindet. Wollen schmuggel.
Flucht und Asyl
Schutzquote bezeichnet den Anteil
aller Asylanerkennungen, Gewäh-
»sicheren Drittstaat« einreist,
kann sich lt. § 26a Asylgesetz
64
rungen von → Flüchtlingsschutz und nicht mehr auf das Grundrecht auf Asyl
Feststellungen eines → Abschiebungs- berufen. Die gleiche Regel gilt auch im
verbotes innerhalb eines Zeitraums, → Dublin-Verfahren für die oben ge-
bezogen auf die Gesamtzahl dieser Ent- nannten Länder sowie Island und
scheidungen im betreffenden Zeitraum. Liechtenstein.
Außerdem gibt es den Fachbegriff
Gesamtschutzqote. Damit wird der pro- Sichere Herkunftsländer sind Länder,
zentuale Anteil solcher Entscheidungen bei denen aufgrund der allgemeinen
über Personen aus einem bestimmten politischen Verhältnisse angenommen
Herkunftsland im einem festgelegten wird, »dass dort weder politische Verfol-
Zeitraum beschrieben. In den Medien gung noch unmenschliche oder ernied-
ist oft nur von einer »Schutzquote« die rigende Bestrafung oder Behandlung
Rede. Dieser Begriff ist unscharf, weil stattfindet« (Art. 16a GG). Die Einstufung
er sich sowohl auf die Gesamtschutz- erfolgt nicht einheitlich durch die
quote als auch auf die Asylanerken- EU, sondern nur durch die jeweiligen
nungsquote beziehen kann. Regierungen der EU-Staaten und fällt
unterschiedlich aus. Deshalb wäre
Sekundärmigration beschreibt die Be- durch die Bundesregierung als
wegung von Geflüchteten von einem sicher eingestufte Herkunftsländer
Mitgliedsstaat der EU zu einem ande- eine zwar lange, aber treffendere Be-
ren. Im Europäischen Parlament wird zeichnung. Asylgesuche von Geflüch-
der Terminus »Secondary Migration / teten aus Ländern, die als sicher gelten,
Movement« benutzt, im Deutschen ist werden schneller bearbeitet und in der
Binnenmigration verständlicher. Der Regel abgelehnt. Asylsuchende haben
Gegenbegriff von Sekundärmigration ist nur eine Woche Zeit, Widerspruch ein-
Primärmigration, also eine Fluchtmi- zulegen und können innerhalb von vier
gration in Länder an der europäischen Wochen ab Antragstellung abgescho-
Außengrenze. ben werden. Siehe → Abschiebung.

Sichere Drittstaaten sind die EU-Staa- Subsidiärer Schutz kann von Geflüch-
ten sowie Norwegen und die Schweiz, teten nach der Europäischen Men-
in denen Asylsuchenden »nach den schenrechtskonvention in Anspruch
verfassungsrechtlichen Vorgaben« alle genommen werden, wenn ihr Asylan-
Rechte auf Grundlage der → Genfer trag vom Bundesamt für Migration und
Flüchtlingskonvention zugestanden Flüchtlinge abgelehnt wurde. Sie wer-
werden sollten. Haben Schutzsuchen- den als subsidiär Schutzberechtigte
de sichere Drittstaaten erreicht, wird anerkannt, wenn sie den Behörden
ihnen die Einreise nach Deutschland an stichhaltige Gründe dafür vorbringen
der Grenze verweigert; wer aus einem können, dass ihnen im Herkunftsland
Flucht und Asyl
ein ernsthafter Schaden droht. Dann
wird ein einjähriger Schutz gewährt,
65
mit Möglichkeit zur Verlängerung auf
drei Jahre.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlin-


ge (umF) Bezeichnung für Schutz-
suchende, die noch nicht volljährig
sind und ohne sorgeberechtigte Beglei-
tung aus ihrem Heimatland fliehen.
Von den weltweit knapp 60 Millionen
Geflüchteten, die es 2015 gab, sind
laut UN-Flüchtlingshilfe etwa 50 Pro-
zent unter 18 Jahre alt. Europäisches
Recht schreibt vor, dass unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge besonders
geschützt werden, wozu etwa der
gesetzlich garantierte sofortige Zugang
zu Schule und Ausbildung gehört. In
der Praxis wird allerdings Kindern in
Erstaufnahmeeinrichtungen der Schul-
besuch teils monatelang verwehrt. Seit
Ende 2015 werden allein geflüchtete
Kinder und Jugendliche – wie Er-
wachsene – über eine Quotenregelung
bundesweit verteilt. Grundlage dafür
ist das »Gesetz zur Verbesserung der
Unterbringung, Versorgung und Betreu-
ung ausländischer Kinder und Jugend-
licher«, in dem bspw. die umstrittenen
medizinischen Verfahren zur Alters-
einschätzung weiterhin als Möglichkeit
zur Schätzung des Alters vorgesehen
sind.

1 Die Erklärung zum Begriff wurde in Teilen der


Begriffsliste »Flüchtlingsdebatte: Die wichtigsten
Begriffe für den Journalisten-Alltag« vom Medien-
dienst Integration entnommen (Stand Juli 2016):
https://mediendienst-integration.de/fileadmin/
Dateien/Informationspapier_Begriffe_Asyldebat-
te.pdf

Flucht und Asyl


Rechtspopulismus, Rechtsradikale 66
und -extreme
Populist*innen machen sich die klassischen Mechanismen des Journalismus zu-
nutze, indem sie sprachliche Tabus brechen – allein die Berichterstattung darüber
dient ihren Zwecken. Wenn Medienschaffende vermeiden wollen, sich instrumen-
talisieren zu lassen, sollten sie rassistische oder demokratiefeindliche Sprache als
solche benennen, falls sie in Berichten wiedergegeben werden muss.
Im Folgenden werden deshalb Begriffe aufgeführt, die dazu dienen, strukturell
benachteiligte Gruppen herabzuwürdigen, aber auch, um verfassungsfeindliche
Einstellungen zu verschleiern und salonfähig zu machen. Die zugehörigen Erläu-
terungen und alternativen Vorschläge sind als Hilfestellung und Impulse für alle
gedacht, die ihrem journalistischen Auftrag für aufklärende und kritische Bericht-
erstattung gerecht werden wollen.

Ausländer*innen mit deutschem Pass Folgen für sie hat, waren in Politik und
taucht – kaum in gegenderter Form Medien weniger präsent. Entsprechend
– aber als »Ausländer mit deutschem kann von den unterschiedlichen
Pass« erstaunlicherweise immer wieder Sorgen aller Bürger*innen berichtet
auf, ist sachlich falsch und als diskri- werden oder von den Einstellungen
minierender Widerspruch zu sehen. → islamfeindlicher Bürger*innen bzw.
Vermutlich sind damit Deutsche mit von → antimuslimischem Rassismus.
internationaler Geschichte, also mit
eigener Einwanderungserfahrung oder Bürgerlich (konservativ) wird zum Teil
→ Migrationshintergrund gemeint. als beschönigende Beschreibung illi-
Siehe auch → Passdeutsche. beraler Haltungen verwendet. Bürgerli-
cher Konservativismus in Deutschland
Besorgte*r Bürger*in ist 2014 im Zuge ist freiheitlich-demokratisch geprägt
der ersten Pegida-Demonstrationen in und nicht → radikal – anders als viele
Dresden als Euphemismus für Men- politische Positionen rechter Kreise, die
schen mit → islamfeindlichen Ein- sich selbst als bürgerlich bezeichnen.
stellungen aufgekommen. Es entstand
eine Debatte, ob »besorgte Bürger« zu Christlich-jüdisch Als solche → Leit-
selten gehört würden. Deren »Sorgen« kultur oder solches Abendland wird oft
prägten, flankiert von Sarrazins Buch eine in Deutschland vorherrschende
»Deutschland schafft sich ab« (2010), kulturelle Ordnung bezeichnet. Die
allerdings schon seit Jahren, den Dis- Verbindung dieser beiden Begriffe ist
kurs. Die Ängste der Betroffenen davor, historisch falsch (siehe → Antijudais-
dass → Rassismus in Deutschland mus) und dient häufig der Abgrenzung
allmählich salonfähig wird und reale gegenüber → Muslim*innen. Alternativ
→ Begriff mit Erläuterung Empfohlener Begriff → Empfohlener Begriff mit Erläuterung
können z. B. verfassungsgemäße
Werte genannt werden, zu denen sich
Grenze des Sagbaren wird in
der Berichterstattung oft im
67
Gläubige aller Religionen, wie auch Kontext von gezielten sprachlichen
nicht gläubige Menschen in Deutsch- Tabubrüchen durch → Rechtsradikale
land bekennen sollten. und → Rechtsextreme erwähnt. Meist
geht es um die Frage, ob sich eine
Deutschenfeindlichkeit wird in rechts- Grenze dahin verschoben hat, dass
radikalen und -extremen Kreisen menschenfeindliche und verhetzende
benutzt, um zu behaupten, → weiße Aussagen nun sagbar seien. Allein die
Deutsche seien von → Rassismus durch Frage kommt einem Zugeständnis an
eingewanderte Menschen, insbesonde- diejenigen gleich, die versuchen, solche
re Muslim*innen betroffen. Da diesen Aussagen in die Mitte des gesellschaft-
Minderheiten strukturelle Macht in lichen und medialen Diskurses zu ho-
Deutschland fehlt, trifft der Vorwurf len. Siehe auch → Political Correctness.
nicht zu, wenn es etwa zu Beleidigun-
gen oder Mobbing kommt. Der ideo- Heimat beschreibt, als persönlich
logisch aufgeladene Begriff relativiert definierter Begriff, den Ort, an dem
tatsächlich existierenden Rassismus, Menschen sich heimisch fühlen, egal
es findet eine Täter-Opfer-Umkehr ob sie dort geboren sind oder nicht.
statt. Trotzdem taucht der umstrittene Entsprechend können → Menschen mit
Begriff seit 2020 als eigene Kategorie internationaler Geschichte eine Ver-
»deutschfeindliche Straftaten« in der bundenheit zu mehreren Heimaten
Statistik des Innenministeriums über empfinden. Politisch wird der Heimat-
politisch motivierte Kriminalität auf. begriff teils weiterhin nationalistisch
Siehe auch → Kartoffel-Rassismus. interpretiert (vgl. → Volk). Eine der we-
nigen Äußerungen des ersten Bundes-
Ethnopluralismus ist eine rassistische heimatministers Seehofer (CSU) dazu
Theorie der → Neuen Rechten, die lautete »Heimatpolitik ist stets eine
davon ausgeht, es gäbe unveränderte Politik der Vielfalt«.1 Siehe auch
kulturelle Identitäten verschiedener → Einwanderungsgesellschaft.
Völker und → Kulturkreise, die vor
Fremden zu schützen seien, um eine Heimatschutz bezieht sich heute teils
»Reinhaltung« der Kulturen zu errei- auf den Denkmalschutz (Schweiz)
chen. Ein solches Apartheids-System und ist ebenso ein militärischer Begriff.
ist in einer globalisierten Welt nicht Er ist belastet, weil → Neonazis ihn
realistisch. Darüber hinaus wurde die häufig nutzen (aus der neonazistischen
Weiterentwicklung aller Kulturen der Vereinigung »Thüringer Heimatschutz«
Welt vor allem durch Austausch be- ist der NSU entstanden). Zudem wird
fördert. Heimatschutz von → Rechtsradikalen
und → Rechtsextremen auch als Argu-
ment für mehr Umweltschutz und
daraus folgend gegen Einwanderung
vorgebracht, um die »deutsche Natur«
Eigenschaft hin. Weiße Men-
schen wurden zu keiner Zeit
68
zu erhalten. unterdrückt, weil sie weiß sind.

Islamisierung ist ursprünglich ein Kulturbereicherer ist zynisch gemeint


historischer Begriff (analog zur Chris- und stammt aus der → rechtsextremen
tianisierung). Re-Islamisierung ist der Szene. Der Begriff bezeichnet männli-
Fachbegriff für eine wachsende Bedeu- che → Geflüchtete. Er soll die radi-
tung islamischer Religionen in der heu- kale Ablehnung von → Menschen mit
tigen Zeit. Als politisches Schlagwort internationaler Geschichte ausdrücken
verwendet, wird »Islamisierung« mit und ist die zynische Auslegung eines
→ Radikalisierung assoziiert. Dabei wird Zitats von Sigmar Gabriel (SPD), der
→ Muslim*innen unterstellt, den Islam 2015 von einer kulturellen Bereicherung
generell → radikal auszulegen oder durch Geflüchtete sprach.
→ extremistisch zu agieren. Nicht nur
in → rechtspopulistischen Kreisen ist Kulturkreis stammt aus der Völkerkunde
der Begriff verbreitet, um vor einer ver- (19. Jh.) und war eine rassistische Vor-
meintlichen → Überfremdung durch stellung homogener Ethnien, die in sich
den Islam und seinen (mutmaßlichen) abgeschlossen in bestimmten Regionen
Anhänger*innen zu warnen. Der alar- leben (siehe auch → Ehtnopluralismus).
mistische Begriff sollte in der Bericht- Diese Lehre ist längst widerlegt. In einer
erstattung nicht unreflektiert benutzt globalisierten Welt kann von geschlos-
werden. Auf Deutschland bezogen wäre senen Kulturkreisen nicht ausgegangen
2
eine solche Gefahr durch die rund 6% werden. Anstatt bspw. von einem un-
Muslim*innen, die hier leben, vollkom- bestimmten »islamischen Kulturkreis«
men unrealistisch. zu sprechen, bietet es sich an, präziser
zu formulieren und stattdessen z. B.
Kartoffel-Rassismus ist ein Begriff, den Muslim*innen arabischer Länder zu
die BILD-Zeitung 2021 nach einer Kon- benennen.3
troverse um den Begriff »Süßkartoffel«
prägte. Er impliziert, das Wort → Kartof- Leitkultur wurde als Begriff vom Göt-
fel sei ein Ausdruck von → Rassismus tinger Politologen Bassam Tibi geprägt,
gegen → weiße Deutsche, ähnlich wie dem zufolge sich → Menschen mit
→ Deutschenfeindlichkeit. Tatsächlich Migrationshintergrund in heterogenen
kann »Kartoffel« durchaus als Be- → Einwanderungsgesellschaften den
leidigung verwendet und empfunden herrschenden kulturellen Normen an-
werden, dennoch ist der Begriff nicht zupassen hätten, ohne die eigene Kultur
rassistisch. Er hat keinen Bezug zu aufgeben zu müssen. Der Begriff wurde
strukturell verankerter Benachteiligung 2000 vom damaligen CDU-General-
und weist nicht auf eine historisch ge- sekretär Friedrich Merz übernommen,
wachsene, diskriminierend verwendete der bemängelte, es gebe keine deutsche
Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme
Leitkultur mehr. Dabei ging es nicht
um gemeinsame Werte, sondern um
Neonazi Kurzform von Neo-Na-
tionalsozialist*in. Neonazis
69
einen Katalog dessen, was Eingewan- beziehen sich geistig, politisch sowie in
derte sich zu eigen machen sollten, der Symbolik und den Aktionsformen
wollten sie in Deutschland leben. Der auf den Nationalsozialismus. Die neo-
Begriff wird im Zuge der Asyldebatte als nazistische Szene pflegt das NS-Erbe
Schlagwort in der → bürgerlichen Mitte sowie Traditionen von SA- und SS-Ver-
benutzt, kursiert aber auch unter bänden. Neonazismus ist die radi-
→ Rechtsradikalen und →-extremen. kalste und aggressivste Variante des
heutigen → Rechtsextremismus. Jeder
Lügenpresse ist ein politisches Schlag- Neonazi ist rechtsextrem, aber nicht
wort zur Diffamierung der Medien. jeder Rechtsextreme ist Neonazi.
Ab den 2000er Jahren nutzten es vor Viele Rechtsextreme beziehen sich
allem → Neonazis und → Rechtsex- nicht mehr auf den Nationalsozialis-
treme, es wurde bei Pegida-Demos mus und sind auch nicht mehr an den
häufig skandiert, heute hetzen auch typischen Symbolen der 1990er Jahre
→ rechtsradikale und -extreme Politi- zu erkennen (Glatze, Stiefel, Bomber-
ker*innen mit diesem oder ähnlichen jacke). Rassistische oder rechtsextreme
Begriffen gegen journalistische Ideologien können in allen Spektren der
Medien. Dahinter steht die Verschwö- Gesellschaft herrschen, z. B. bei selbst-
rungstheorie, dass in den Medien, ernannten → Asylgegner*innen.
vermeintlich planmäßig und gesteu-
ert, Desinformation betrieben würde. Neue Rechte beschreibt lt. Verfas-
Entsprechend werden verächtlich sungsschutz → Rechtsextreme, die
gemeinte Chiffren, wie → Staatsfunk, sich seit den 70er Jahren gegen Ideen
»System-« oder »Mainstream-Medien«, der Aufklärung und der Gleichheit der
benutzt. »Lügenpresse« war 2014 das Menschen richten. Sie beabsichtigten
Unwort des Jahres.4 eine Intellektualisierung des Rechtsex-
tremismus, mit dem Ziel, das politische
Meinungsdiktatur herrscht in Deutsch- System in Deutschland grundlegend zu
land zwar nicht (Art. 5 GG Meinungs- verändern. Wissenschaftlich betrachtet
freiheit), in rechten Kreisen wird trotz- zählt die AfD mangels Intellektuali-
dem oft behauptet, man könne seine tät nicht dazu5, obwohl die Partei teils
Meinung nicht mehr äußern. Dahinter als parlamentarischer Arm der Neuen
steckt meistens die Strategie, rassisti- Rechten gesehen wird.
sche Aussagen zu relativieren und Fort-
schritte in Sachen sensibler Sprache zu Passdeutsche stammt aus dem Vo-
diskreditieren. Siehe auch kabular von → Rechtsextremen und
→ Sprachpolizei und → Zensur. wurde zum Beispiel in Texten der NPD
verwendet: Dort gibt es → Deutsche
und »Passdeutsche« (also nicht richtige
Deutsche). Letztere sollen damit als
»undeutsch« abgewertet werden.
verankerte Gleichheit der
Menschen richten und uni-
70
verselle Menschenrechte ablehnen. Die
Political Correctness (engl. politische ethnische Zugehörigkeit von Menschen
Korrektheit) kurz: PC, entstand in den wird in einem verfassungsfeindlichen,
1970er Jahren in den USA und bezeich- rechtsextremen Weltbild höher be-
nete die Forderung nach diskriminie- wertet und individuelle Rechte treten
rungsfreier Sprache. Seit den 1990er zugunsten »volksgemeinschaftlicher«
Jahren wird der Begriff von → Rechts- Konstrukte zurück. Weitere wesentliche
extremen, → Rechtsradikalen und Bestandteile sind neben → Rassismus
→ Rechtspopulist*innen strategisch auch → Antisemitismus und ein autori-
umgedeutet und dient als politischer täres Staatsverständnis7. Oft wird damit
Kampfbegriff, um öffentlichkeitswirk- lediglich das veraltete Bild typischer
sam eine angebliche → Meinungsdik- → Neonazis der 1990er Jahre (Glatze,
tatur und → Zensur zu behaupten. Ziel Stiefel, Bomberjacke) verbunden. Es gibt
ist es, das Bestreben um diskrimi- aber auch in der Mitte der Gesellschaft
nierungskritische Sprache und Hand- Menschen mit rechtsextremer und/oder
lungen sowie differenzierte Bericht- neonazistischer Gesinnung. So können
erstattung zu diffamieren. Siehe auch mit dem verallgemeinernden Begriff
→ Grenze des Sagbaren. Rechtsextreme auch → Asylgeg-
ner*innen gemeint sein. Ebenfalls kön-
Rassismus ist, wenn strukturell be- nen manche Aussagen von Politker*in-
nachteiligte Gruppen oder einzelne nen als rechtsextrem eingeschätzt
Menschen aufgrund tatsächlicher werden. Siehe auch → Rechtsradikal,
oder vermeintlicher körperlicher oder → Neue Rechte, → Extremismus.
kultureller Merkmale (z. B. Hautfarbe,
Herkunft, Sprache, Religion) pauschal Rechtspopulismus dient oft als Be-
abgewertet und ausgegrenzt werden. schreibung für die Politik rassistischer
Beim klassischen Rassismus wird Protestparteien. In der Forschung ist
eine Ungleichheit und Ungleichwertig- umstritten, ob es sich bei Rechtspopu-
keit wegen vermeintlicher biologischer lismus um eine Ideologie handelt oder
Unterschiede behauptet. Beim Kultur- um einen Politikstil von Parteien der
rassismus wird die Ungleichheit und radikalen Rechten (vgl. → rechtsra-
Ungleichwertigkeit mit angeblichen dikal). Der Soziologe Wilhelm Heitmey-
Unterschieden zwischen den »Kultu- er kritisiert den Begriff »Rechtspopulis-
ren« zu begründen versucht6 (siehe mus« als verharmlosend und spricht
auch → Hasskriminalität). von einem autoritären Nationalradi-
kalimus8. Fest steht: Rechtspopulist*in-
Rechtsextremismus benennt lt. nen arbeiten mit Gegensätzen, die
Verfassungsschutz Bestrebungen, von einem »reinen → Volk« sowie
die sich gegen die im Grundgesetz einer »korrupten (politischen) Elite«
Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme
ausgehen und mit einem Nationalis-
mus, bei dem → Eingewanderte, insbe-
es sei ein geplanter »Bevöl-
kerungsaustausch« oder eine
71
sondere → Geflüchtete, als Eindringlin- »Umvolkung« im Gange, die umgekehrt
ge und Bedrohung dargestellt werden. werden müsste. Siehe auch → Ethno-
Vertreter*innen des Rechtspopulismus pluralismus.
bzw. Rechtsradikale treten oft als
vermeintliche Hüter*innen der demo- Sprachpolizei ist ein Begriff, der in
kratischen Ordnung auf. rechten Kreisen oft verwendet wird,
wenn Betroffene sich kritisch über he-
Rechtsradikal beschreibt eine zum rabwürdigende Bezeichnungen äußern,
Extremen neigende politisch-ideologi- wie z. B. dem → N-Wort10. Da in Deutsch-
sche Einstellung, weit rechts der Mitte land Meinungsfreiheit herrscht (Art. 5
des politischen Spektrums. Oft verfol- GG), ist es beiden Seiten unbenommen,
gen radikale Rechte nationalistische Kritik zu äußern. Vgl. → Meinungs-
und anti-liberale Ziele, um echte oder diktatur und → Zensur.
angebliche Probleme zu beseitigen
und gesellschaftliche Verhältnisse Staatsfunk ist eine diffamierende und
grundlegend zu ändern9. Dabei stellen faktisch falsche Bezeichnung für den
Rechtsradikale die Grundwerte un- öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In
serer freiheitlichen Demokratie nicht Deutschland wird der öffentlich-rechtli-
generell in Frage7 – im Gegensatz zu che Rundfunk nach dem Solidarprinzip
→ Rechtsextremen, die klar verfas- durch Rundfunkgebühren finanziert,
sungsfeindlich sind (vgl. → Radikalis- um seinen Informationsauftrag un-
mus, → Extremismus). Entsprechend abhängig von Staat und Regierung zu
kann man beispielsweise von der AfD erfüllen.
als einer rechtsradikalen Partei
sprechen oder konkreter von einer Überfremdung ist ein politisches
autoritären nationalradikalen Partei, Schlagwort, das von → Rechtsextremen
die in Teilen rechtsextrem ist. Siehe und teils auch in der Politik verwen-
→ Rechtspopulismus. det wird. Es dient meist als Argument
gegen die multikulturelle Gesellschaft
Remigration meint als populistische in Deutschland, z. B. in Debatten um
Parole die → Ausweisung oder den Bau von Moscheen. Dahinter steckt
→ Abschiebung von → Menschen mit häufig eine → völkisch-nationalistische
Migrationshintergrund oder → Geflüch- Vorstellung, in der als nicht deutsch
teten aus Deutschland. Die Forderung empfundene Menschen und ihre Kultur
wird von → Rechtsradikalen und eine Gefahr für die »deutsche Identität«,
→ Rechtsextremen erhoben, als Mittel das » → Volk « oder die innere Sicherheit
gegen die pluralistische → Einwan- Deutschlands sind. Dass die Bundes-
derungsgesellschaft. Dahinter steht republik bspw. wirtschaftlich von
oftmals die Verschwörungstheorie, Einwanderung profitiert und sie sich
demografisch positiv auswirkt, wird
dabei ausgeblendet. »Überfremdung«
Umgangsformen plädiert wird.
Tatsächlich ist das lediglich ein
72
wurde bereits 1993 zum Unwort des Ausdruck guter Manieren und der
Jahres gewählt.11 Meinungsvielfalt im demokrati-
schen Diskurs. Vgl. → Sprachpolizei,
Volk meint im politischen Sinn die → Meinungsdiktatur.
gesamte Bevölkerung eines Landes.
Heute wird der Begriff von → Rechtsra-
dikalen und → Rechtsextremen meis-
tens darüber definiert, wer nicht dazu
gehört – i. d. R. sind es → Muslim*innen
(auch die deutschen) und → Auslän-
der*innen. Bundeskanzlerin Merkel
drückte es 2016 dagegen sehr simpel
aus, sie befand: »Alle sind das Volk.«12

Völkisch ist ein belasteter histori-


scher Begriff und begründet die Zuge-
hörigkeit zum deutschen Volk durch
Rassentheorien (NS-Sprache: »Volks-
gemeinschaft«). Er wurde während der
Nazi-Zeit oft als Synonym für national-
sozialistisch verwendet. Versuche von
→ Rechtsradikalen, die Begriffe »völ-
kisch« und »Volksgemeinschaft« positiv
zu besetzen, sind bislang gescheitert.

Zensur wäre im Sinne des Grundge-


setzes eine staatliche Kontrolle von Me-
dien, vor ihrer Veröffentlichung (Vor-
zensur) und ist in Deutschland verboten
(Art. 5 GG). Die Meinungsfreiheit hat
dort ihre Grenzen, wo andere Rechte
verletzt werden, z. B. durch Volksver-
hetzung. Werden strafbare Inhalte im
Internet nachträglich gelöscht, ge-
schieht das im Rahmen der Strafver-
folgung und/oder des Netzwerkdurch-
setzungsgesetzes, NetzDG. Teilweise
wird eine »Zensur« beklagt, wenn gegen
rassistische Äußerungen und für zivile
Rechtspopulismus, Rechtsradikale und -extreme
73
1 Horst Seehofer »Warum Heimatverlust
die Menschen so umtreibt«, Gastbei-
trag, FAZ vom 29.04.2018 (http://www.
faz.net/aktuell/politik/inland/innenminister-horst-
seehofer-zum-thema-heimat-15565980.html)
2 Vgl. Pew Research Center (2017): »Europe’s Gro-
wing Muslim Population «, Nov. 2017 (https://www.
pewresearch.org/religion/2017/11/29/europes-
growing-muslim-population/) sowie BAMF-Stu-
die »Wie viele Muslime leben in Deutschland«,
Stand: Dez. 2016 (https://www.bamf.de/Shared-
Docs/Anlagen/DE/Forschung/WorkingPapers/
wp71-zahl-muslime-deutschland.pdf;jsessio-
nid=A14E0199CDE8361FE1770113E18472F2.intra-
net262?__blob=publicationFile&v=12)
3 Erläuterung von Prof. Eric Anton Heuser, verkürzte
Fassung des Gastbeitrags »Hasswort: Kulturkreis«,
11.11.2016, https://uebermedien.de/9357/hasswort-
kulturkreis-eric-anton-heuser/
4 Sprachkritische Aktion, Unwort des Jahres 2014
https://www.unwortdesjahres.net/unwort/das-un-
wort-seit-1991/2010-2019/)
5 Samuel Salzborn: Angriff der Antidemokraten.
Die völkische Rebellion der Neuen Rechten, Beltz
Juventa, 2017
6 Angelehnt an die Erläuterung im Glossar des
Informations- und Dokumentationszentrums für
Antirassismusarbeit e.V.: https://www.idaev.de/
recherchetools/glossar/?no_cache=1
7 Bundesamt für Verfassungsschutz, Glossar
»Rechtsextremismus« (https://www.verfassungs-
schutz.de/DE/service/glossar/Functions/glossar.
html?cms_lv2=678616)
8 Wilhelm Heitmeyer, Autoritäre Versuchungen,
Suhrkamp, 2018
9 Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier
Rechtsextremismus (http://www.bpb.de/politik/
extremismus/rechtsextremismus/173908/glos-
sar?p=52)
10 Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier
Afrikanische Diaspora (http://www.bpb.de/gesell-
schaft/migration/afrikanische-diaspora/59448/
das-nwort)
11 Sprachkritische Aktion, Unwort des Jahres 1993
(https://www.unwortdesjahres.net/unwort/das-un-
wort-seit-1991/1991-1999/)
12 Videobotschaft zum Tag der deutschen Einheit
2016, (https://www.reuters.com/article/fl-chtlinge-
deutschland-merkelww-idDEKCN12135M)
Index Aufnahmegesellschaft 16
Ausländer*in 7
Ausländer*innen mit deutschem Pass 66
Ausländerhass,
Fremdenfeindlichkeit 21
Ausländerkriminalität 21
A Ausländische*r Mitbürger*in 7
Abaya → Niqab 37 Aussiedler*innen /
Abschiebung  56 Spätaussiedler*innen 16
Abschiebungsverbot 56 Ausweisung 58
Afrika 41 Autochthone Deutsche 7
Afrodeutsche 41
Afrohaare 41
Ahadith 27 B
Alevit*innen 32 Balkan 50
Allochthone 6 Banden 21
Ally 6 Bekenntnisfreiheit 50
AnkER-Zentrum 56 Beschneidung, islamische 32
Antiasiatischer Rassismus → Beschneidung, jüdische 26
Asiatische Deutsche 7 Besorgte Bürger*innen 66
Antijudaismus 25 Bindestrich-Deutsche 7
Antimuslimischer Rassismus 32 Biodeutsche 7
Anti-Schwarzer Rassismus 41 BIPoC → People of Color 12
Antiromaismus 50 BPoC 42
Antisemitismus 25 Black Hair Politics 42
Antiziganismus 50 Blackfacing 42
Antislawischer Rassismus 6 Blackfishing 42
Antizionismus 25 Bleibeperspektive 59
Armuts- / Wirtschaftsflüchtlinge 56 Bleiberecht 59
Armutszuwander*in 16 Blutrache 21
Aschkenasim / Ashkenazim 26 Boko Haram 32
Asiatische Deutsche 7 Bürgerlich (konservativ) 66
Asyl 57 Bulgarien 51
Asyl und Flüchtlingsschutz 58 Bundesrepublikaner*in 8
Asylant*in 57 Burka 33
Asylantenschwemme, -flut, -strom 57
Asylbetrüger*in 57
Asylbewerber*innen 57 C
Asylkritiker*in / Asylgegner*in 58 Chassidismus 26
Asylmissbrauch 58 Christlich-jüdisch 66
Asylsuchende 58 Clan 21
Clan-Kriminalität 22 Ethnopluralismus 67
Colorism 43 Ethnie 9
Euro-Muslim*innen 33
Exilierte 60
D Extremismus 23
Dark-skinned 43 Exotismus 43
Davidstern 26
De-facto-Flüchtlinge 59
Der*die Gesuchte spricht Deutsch F
mit türkischem Akzent 22 Familiennachzug 60
Der Kölner Behrouz F. 22 Farbig / Farbige 43
Der türkischstämmige Fatwa 33
Tatverdächtige 22 Featurism 44
Deutsch-Türk*in 8 Flüchtlinge 60
Deutsche 8 Flüchtlingskrise 60
Deutschenfeindlichkeit 67 Flüchtlingsschutz 61
Deutsche ohne Flüchtlingsstrom, -zustrom, -welle 61
Migrationshintergrund 8 Freiwillige Ausreise / Rückkehr 61
Deutsche Rom*nja 51 Fremdarbeiter*in 9
Deutsche Sinti*zze und Rom*nja 51 Fremdenfeindlichkeit 21
Deutsche Staatsangehörigkeit 17 Fundamentalist*in 34
Displaced Persons 17
Doppelte Staatsangehörigkeit 17
Dreadlocks 43 G
Dritte Welt 59 Gadje / Gadsche 51
Drittstaatsangehörige 8 Gadje-Rassismus 51
Dschihad 33 Gastarbeiter 9
Dschihadismus, Dschihadist*in 33 Geflüchtete 61
Dublin-Verfahren 59 Genfer Flüchtlingskonvention 61
Duldung 60 Gescheiterte Integration 18
Dunkelhäutig 43 Geschützte Personen 61
Grenze des Sagbaren 67
Gypsy 52
E
Ehrenmord 22
Einbürgerung 17 H
Einheimische 8 Hadith 34
Einwander*innen 8 Halal und Haram 34
Eingewanderte und Hasskriminalität, Hassverbrechen 23
ihre (direkten) Nachkommen 9 Hautfarbe 44
Einwanderungsgesellschaft 18 Heimat 67
Heimatlose Flüchtlinge 62 Konservatives Judentum 28
Heimatschutz 67 Kontingentflüchtlinge 62
Herkunftsdeutsche 9 Kopftuch 36
Hijab / Hidschab 34 Kopftuchträgerin 36
Holocaust 26 Koran / Qur’an 36
Horahane 45 Koscher 28
Kulturbereicherer 68
I Kulturelle Aneignung 44
Ideologien der Ungleichwertigkeit 23 Kulturkreis 68
Illegale Migrant*innen 62 Kulturmuslim*innen 36
Imam*in 34
Indigene 9
Integration 18 L
Integrationsverweigerer*in 18 Latinx 10
Islamfeindlichkeit 34 Leitkultur 68
Islamisch 35 Liberale Muslim*innen 36
Islamischer Staat 35 Liberales Judentum 28
Islamisierung 68 Lügenpresse 69
Islamismus, Islamist, Light-skinned 45
politischer Islam 35
Islamkritik 35
Islamophobie 35
Israelbezogener Antisemitismus 26 M
Israelkritik 27 M-Wort 45
Maghreb-Staaten 62
Mehrheitsgesellschaft 18
J Meinungsdiktatur 69
Juden*Jüdinnen 27 Menschen aus
eingewanderten Familien 10
Menschen mit internationaler
K Geschichte 10
Kabbala 27 Menschen mit Migrations-
Kanak*in 10 hintergrund 11
Kartoffel 10 Menschenschmuggel 63
Kartoffel-Rassismus 68 Messereinwanderung 23
Kaschrut 27 Migrant*innen 11
Kinder nichtdeutscher Migrationsvordergrund 11
Herkunftssprache 10 Minderheitenrat 52
Kippa / Kippah 27 Minderheitensekretariat 52
Königsteiner Schlüssel 62 Mischehe 19
Kolonialismus 44 Mischling 11
Misrachim 28 People of Color 12
Mixed 45 Philosemitismus 29
Mohammedaner 37 Philoziganismus 53
Mord im Namen einer Pogrom 29
vermeintlichen Ehre 23 Political Correctness 70
Moslem*in 37 Pop-Dschihadismus 38
Muslim*innen 37 Pop-Muslim*innen 38
Muslimisch 37 Postkolonialismus 46
Mutmaßlicher Islamist 37 Postmigrantisch 19
PostOst → Russlanddeutsche 12
Prinzip der Nicht-Zurückweisung 63
N
n. d. Z. / nach der Zeitrechnung /
Zeitwende 28 R
N-Wort 45 Rabbiner*in 29
Nationale Minderheit 52 Race 46
Nationalsozialistischer Genozid 52 Racial Profiling 46
Neo-Muslim*innen 37 Radikaler Islam / rad. Muslim*innen 38
Neo-Kolonialismus 46 Radikalismus 24
Neo-Orthodoxie 29 Ramadan 38
Neonazi 69 Rasse 12
Neubürger*in 11 Rassismus 70
Neue Deutsche 12 Rechtsextremismus 70
Neue Rechte 69 Rechtspopulismus 70
Niqab 37 Rechtsradikal 71
Nomad*innen 53 Remigration 71
Residenzpflicht 63
Rom*nja 53
O Roma Day / Weltromatag 53
Obergrenze 63 Romanes 53
Opfer 24 Rumänien 54
Opferfest 38 Russlanddeutsche 12
Optionspflicht 19
Orthodoxes Judentum 29
Osteuropäischer Herkunft, S
arabischstämmig 24 Sabbat / Schabbat / Schabbes 29
Säkulare Muslim*innen 39
Salafismus, Salafist*innen 39
P Scharia 39
Parallelgesellschaft 19 Schiit*innen 39
Passdeutsche 69 Schlepper*innen / Schleuser*innen 63
Schutzquote 64 Unbegleitete minderjährige
Schwarzafrika 46 Flüchtlinge 65
Schwarzafrikaner*in 46 Ureinwohner → Indigene 9
Schwarze Menschen/Schwarze*r 47
Schwarz 13
Schwarze Diaspora 47 V
Secondos / Secondas 13 v. d. Z. / vor der Zeitrechnung /
Sekundärer Antisemitismus 30 Zeitwende 37
Sekundärmigration 64 Verschwörungsideologien,
Semit*innen 30 antisemitische 31
Sephardim 30 Vertriebene 19
Shoa → Holocaust 35 Volk 72
Sichere Drittstaaten 64 Völkisch 72
Sichere Herkunftsländer 64
Sinti*zze 54
Spätaussiedler*innen 16 W
Sprachpolizei 71 Weiß 13
Staatsfunk 71 Weiß gelesen 48
Stamm 47 Weiße Fragilität 48
Standard-Deutsche 13 Weiße Privilegien 48
Subsidiärer Schutz 64 White Savior 48
Südländer*in 13 White Tears 48
Sunnit*innen 39 Willkommenskultur 19
Wir 14
Wirtschafts-/ Armutsflüchtling 47
T Wurzeln, mit griechischen etc. 14
Talmud 30
Tanach / Tenach 30
Texturism 47 X
Thora / Tora / Torah 30 Xenophilie 20
Token 47 Xenophobie 20
Traveller 54 Xoraxaia / Horahane 54
Tschador 40
Türkischstämmige 13
Z
Z*** 54
U Zensur 72
Überfremdung 71 Zionismus 31
Ultraorthodoxe Juden*Jüdinnen 30 Zuckerfest → Ramadan 31
Zuwander*innen 14
Wir danken dem Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge für die Übernahme der
Layout- und Druckkosten einer Teilauflage
der vorliegenden Fassung des Glossars.

Inhalte des Glossars dürfen ohne schriftliche Einwilligung der Neuen deutschen
Medienmacher*innen nicht und in keiner Form, auch nicht für Lehr- und Unter-
richtszwecke, reproduziert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
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Einwilligung der Neuen deutschen Medienmacher*innen nicht gestattet.

Impressum
© 2022, 11. Auflage, Januar 2022

Herausgebende
Neue deutsche Medienmacher*innen e.V.
Potsdamer Straße 99
10785 Berlin

Redaktion
Konstantina Vassiliou-Enz,
Alice Lanzke

Wir bedanken uns für die Mitarbeit


an einzelnen Kapiteln des Glossars bei:
Aisha Camara, Anne Chebu, Julian Dörr
Shion Kumai und Sina Laubenstein.

Gestaltung
www.renk.studio.de
Die Neuen deutschen Medienmacher*innen
(NdM) sind ein bundesweiter Zusammenschluss
von Medienschaffenden mit und ohne Migra-
tionsgeschichte, die sich im gemeinnützigen
Verein seit 2009 für mehr Vielfalt in den Medien
und Einwanderungsperspektiven im öffentlichen
Diskurs einsetzen. Das Netzwerk ist politisch
unabhängig, nationalitäten- und konfessions-
übergreifend. Zu den NdM zählen sich mehr als
zweitausend Medienschaffende aus ganz
Deutschland. Sie arbeiten als feste und freie
Journalist*innen für deutsche Medien – in Print,
Online, TV und Hörfunk.

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