Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
November 2004
SPERRVERMERK 2004-11-04 11.00 Uhr
Professor Werner Gramm
Vorsitzender der Jury Es gilt das gesprochene Wort !
Liebe Preisträger,
verehrte Festgäste,
sehr geehrte Präsidenten,
meine Damen und Herren,
Meine Herren,
im Namen der Jury und aller hier anwesenden Gäste beglückwünsche ich Sie herz-
lich zu Ihrer hervorragend gelungenen Transferleistung. Sie haben sich beispielge-
bend und sehr erfolgreich für die wirtschaftliche Umsetzung Ihres wissenschaftlich
erarbeiteten Entwicklungsprojektes eingesetzt; dafür erhalten Sie den Technologie-
transferpreis 2004 der IHK Braunschweig.
Im Folgenden, meine Damen und Herren, werde ich Ihnen die Preisträger in
alphabetischer Reihenfolge vorstellen:
Herr Franke,
wurde 1964 in Dohna geboren. Nach einem fünfjährigen Studium des Maschinen-
baus an der Technischen Universität Dresden war er von 1988 bis 1991 Leiter des
Feinmessraumes der Elbtalwerk GmbH in Heidenau. Seit 1991 ist er Technischer
Angestellter im Fachlabor für Koordinatenmessgeräte der PTB.
Herr Franke ist verheiratet und hat zwei Kinder.
2
Von der technologienehmenden Seite, meine Damen und Herren, habe ich drei
verschiedene Gruppen skizziert, bei denen die hohe kommerzielle Bedeutung des
heute prämierten Technologietransfers liegt:
Der Fachbereich für Koordinatenmesstechnik der PTB beschäftigt sich mit der drei-
dimensionalen Messtechnik, von der Messung ganzer Flugzeuge oder Fahrzeugka-
4
rosserien bis hin zu kleinen und kleinsten Strukturen im Bereich von wenigen zehntel
Millimetern. Schwerpunkte der Entwicklungen, die im Fachbereich häufig in Koopera-
tionsprojekten mit Industrieunternehmen entstehen, sind immer Fragen der Genauig-
keitssteigerung und der Rückführbarkeit von Messungen. Unter Rückführung ver-
steht man den Bezug einer Messgröße auf die internationalen Definitionen der Ein-
heiten, im Falle der dimensionellen Messtechnik auf die Definition des Meters. Dabei
ist die Angabe einer Messunsicherheit unabdingbar.
Eine Messung durchzuführen, ohne eine Vorstellung über die dazugehörige Mess-
genauigkeit zu haben, ist schon im alltäglichen Leben problematisch: So vertrauen
wir im Alltag auf die Genauigkeit der Waage im Supermarkt oder der Messeinrichtung
an der Zapfsäule. Im industriellen Umfeld, z.B. bei der Überwachung von Bauteiltole-
ranzen im Automobilbau oder der Luft- und Raumfahrtechnik, ist die Kenntnis der
Messgenauigkeit aber unverzichtbar. Nur mit einem Messgerät, das deutlich genauer
misst als das Bauteil toleriert ist, kann eine sinnvolle Qualitätssicherung erfolgen.
Das Problem wird um so gravierender, je kleiner die Toleranzen werden. In vielen
Bereichen der Automobilproduktion, z.B. in der Einspritztechnik oder im Karosserie-
bau, wird die erreichbare Messgenauigkeit zum begrenzenden Faktor für die Produk-
tion.
Bevor die Preisträger Ihnen Ihr Transferobjekt "Simulationsverfahren für die Koordi-
natenmesstechnik" vorstellen, möchte ich den Transferverlauf skizzieren:
Der Technologietransfer gestaltete sich anfangs offenbar sehr schwierig. Grund dafür
war vor allem die zögerliche Haltung der Hersteller von Koordinatenmessgeräten bei
der Vermarktung des neuen Systems. Sie fürchteten, dass eine hinsichtlich ihrer
Größe ausdrücklich angegebene Messunsicherheit von ihren Kunden missverstan-
den und eher zu einem Nachteil als zu einem Vorteil gegenüber dem internationalen
Wettbewerb führen würde. Der Begriff der Messunsicherheit ist nämlich zunächst
einmal negativ besetzt; solange der technische Laie sie nicht im Messprotokoll
aufgeführt bekam, nahm er sie implizit als vernachlässigbar an. Durch die neue
Technik wurden dem Kunden die tatsächlichen Grenzen der
Koordinationsmesstechnik erstmals direkt vor Augen geführt ! Hierin bestand die
entscheidende Hürde für einen Technologietransfer.
Gleichzeitig wurde jedoch der Bedarf einiger Schlüsselanwender nach dieser Tech-
nologie dringender. Insbesondere der Motoren- und Getriebebau benötigte dringend
Verfahren, um die Messunsicherheit von Koordinatenmessungen zu bestimmen, da
man sich mit der Messunsicherheit der verfügbaren Messtechnik z.T. in der Größen-
ordnung der Bauteiltoleranzen bewegte.
wurde von den Industriepartnern selbst getragen; die Arbeit der PTB wurde von den
Industriepartnern finanziell unterstützt.
Das Projekt ging über einen Zeitraum von 2 Jahren. Die Projektpartner investierten
erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen. Die PTB und die Hersteller der
Koordinatenmessgeräte erhielten durch die erstmalige industrielle Anwendung der
Verfahren wichtiges Feedback für die Optimierung des Verfahrens. Die PTB unter-
stützte ihrerseits die größtenteils mittelständischen Partner durch technische Bera-
tung und Training und half beim Aufbau des Qualitätsmanagements für die Akkredi-
tierung. Regelmäßig waren Mitarbeiter des Fachbereiches bei den Partnern vor Ort,
um technische Unterstützung zu leisten und Mitarbeiter zu schulen. Im Rahmen des
Projektes wurden sehr umfangreiche Vergleichsmessungen durchgeführt. Bei Ab-
schluss des Projektes existierte eine Datenbank mit über 10.000 Messungen mit den
zugehörigen Messunsicherheiten.
Zur Zeit sind auch BMW und Volkswagen dabei, in ihrem Hause entsprechende Ka-
pazitäten für ein akkreditiertes Labor aufzubauen. Insbesondere BMW steht kurz vor
der Akkreditierung.
2003 ist auch der Weltmarktführer für Koordinatenmessgeräte Mitutoyo aus Japan an
die PTB herangetreten, um die in der PTB entwickelte Technologie einzukaufen. Ei-
ne entsprechende Zusammenarbeit auf Vollkostenbasis (die Firma Mitutoyo inves-
tierte bisher mindestens EUR 250.000,00 in das Projekt) ist größtenteils abgeschlos-
sen. Die PTB vergab die Softwarelizenz an Mitutoyo, schulte japanische Mitarbeiter
in Deutschland und leistete auch vor Ort in Japan persönliche Unterstützung bei der
Implementierung.
Mittlerweile ist das Verfahren auf Koordinatenmessgeräten der Firma Leitz auch in
den Staatsinstituten in Japan und Australien implementiert, seit kurzem auch in ei-
nem amerikanischen Staatslaboratorium.
Seitens der Preisträger wurde schon frühzeitig über das dem Simulationsverfahren
zugrunde liegende Konzept auf nationalen und internationalen Konferenzen vorge-
tragen. In zahlreichen wissenschaftlichen und technischen Fachartikeln wurden die
Entwicklungsfortschritte national und international publiziert. Dr. Schwenke befasste
sich in seiner Dissertation mit Verallgemeinerung des Verfahrens auf andere Berei-
che der Fertigungsmesstechnik und entwickelte ein modulares Konzept, in dem sich
auch komplexe Messprozesse wie in einem elektrischen Schaltplan darstellen und
anschließend simulieren ließen. Die Gültigkeit der Modellierungen wurde in zahlrei-
chen messtechnischen Untersuchungen dokumentiert.
triellen Umfeld auf eine allgemein abgesicherte Grundlage zu stellen. 2002 erschien
eine wichtige Richtlinie (VDI 2617-7) zur "Ermittlung von Messunsicherheiten von
Koordinatenmessungen durch Simulation". Zur Zeit wird international an einer daran
angelehnten ISO-Norm gearbeitet (ISO TS 15530-4). Anfängliche grundsätzliche
wissenschaftliche Bedenken einiger Metrologen ("das propagierte Verfahren weicht
von dem bisher üblichen Weg des konventionellen Unsicherheitsbudgets ab") konn-
ten mittlerweile entkräftet werden.
Durch diesen Transfer konnten die Preisträger dazu beitragen, die eigentliche indus-
trielle Kalibriertätigkeit in privaten Laboratorien verrichten zu lassen.