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Differenzialdiagnose
bei Luftnot Punkte
3
Dominik Berliner, Nils Schneider, Tobias Welte, Johann Bauersachs
cme
uftnot ist eines der am häufigsten beklagten Symp-
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Dyspnoe ist ein häufiges Symptom, das bis
L tome und betrifft bis zu 25 % der Patienten im am-
bulanten Bereich. Die Ursachen der Dyspnoe sind man-
Teilnahme nur im
Internet möglich:
aerzteblatt.de/cme
zu 25 % der Patienten im ambulanten Bereich betrifft und nigfaltig – einige der zugrundeliegenden Diagnosen kön-
eine große differenzialdiagnostische Breite aufweist. Sie
nen akut auftreten und lebensbedrohlich werden (zum
kann Ausdruck einer lebensbedrohlichen Erkrankung sein.
Beispiel Lungenembolie, akuter Myokardinfarkt). Aus
Methodik: Selektive Literatur- und Leitlinienrecherche in diesem Grund kommt einer schnellen Beurteilung sowie
PubMed. einer zielgerichteten Diagnostik eine zentrale Rolle zu.
Ergebnisse: Unter Dyspnoe werden unterschiedlichste, Gerade aufgrund von Überlappungen und Komorbiditä-
teils auch von der emotionalen Situation beeinflusste sub- ten (zum Beispiel Herzinsuffizienz und chronisch ob-
jektive Wahrnehmungen zusammengefasst. Unterschieden struktive Lungenerkrankungen [COPD]) ist die Diagnos-
wird zwischen akut aufgetretener und chronischer Dys- tik der Dyspnoe eine Herausforderung im klinischen All-
pnoe (über mehr als vier Wochen). Zielführend in der Dia- tag, zumal Dyspnoe subjektiv unterschiedlich erlebt
gnostik sind häufig Anamnese, körperliche Untersuchung wird. Alleine das Vorliegen des Symptoms Dyspnoe stellt
und Beobachtung der Atmung. Trotzdem ist bei 30–50 % bereits einen Prädiktor für eine erhöhte Mortalität dar.
der Patienten eine Diagnosestellung auf dieser Grundlage
nicht möglich und bedarf einer weiteren Diagnostik mittels Lernziele
Biomarkern und apparativer Maßnahmen. Komorbiditäten Nach dem Studium der vorliegenden Arbeit soll der Leser:
erschweren die Diagnosestellung. Neben kardialen (Herz- ● die Problematik der subjektiven Wahrnehmung
insuffizienz, akutes Koronarsyndrom) und pulmonalen Er- von Luftnot bei erwachsenen Patienten kennen
krankungen (Pneumonie, chronisch obstruktive Lungener- ● die wichtigsten diagnostischen Schritte bei der
krankung) kann Luftnot durch eine ganze Reihe weiterer Abklärung von Dyspnoe benennen und
Erkrankungen (Anämie, psychische Störungen) verursacht ● die wichtigsten Differenzialdiagnosen der nicht-trau-
werden. matisch bedingten Luftnot identizifieren können.
Schlussfolgerung: Dyspnoe stellt aufgrund der vielen Ursa-
chen eine Herausforderung in der Diagnostik dar. Zur Sen- Methodik
kung der Mortalität und Krankheitslast kommt einer Selektive Literaturrecherche in PubMed und Bezug auf
schnellstmöglichen Abklärung der Ursache eine besondere aktuelle Leitlinien der Europäischen und Deutschen Ge-
Bedeutung zu. sellschaft für Kardiologie (ESC, DGK) und der Deut-
schen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsme-
►Zitierweise
dizin (DGP) sowie Lehrbücher der Allgemeinmedizin
Berliner D, Schneider N, Welte T, Bauersachs J: The
und der Inneren Medizin. Die Suchbegriffe waren unter
differential diagnosis of dyspnoea. Dtsch Arztebl Int
anderem „dyspnea“, „dyspnea, epidemiology“, „dyspnea,
2016; 113: 834–45. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0834
primary care, prevalence“, „dyspnea, prevalence“, „dys-
pnea, guidelines“, „dyspnea, pathophysiology“, „dys-
pnea, causes“, „dyspnea, general practitioner“, „dyspnea,
primary care“, “dyspnea, acute coronary syndrome”,
„PLATO trial“, „dyspnea, side effect“, „EMS, dyspnea“,
„ED, dyspnea“.
Diagnostik Luftnot
Die Diagnostik der Dyspnoe ist eine 7 % der Patienten in Notaufnahmen und bis zu
Herausforderung im klinischen Alltag, zumal 60 % der Patienten in pneumologischen
diese subjektiv unterschiedlich erlebt wird. Facharztpraxen geben Dyspnoe an.
Lungenfunktion Magnetresonanztomographie
– FEV1
– FVC
– Tiffeneau-Index
– ggf. Bronchospasmolyse Abklärung extrakardialer
– CO-Diffusion und -pulmonaler Ursachen
Patienten über 50 Jahre) die Spezifität deutlich gestei- erkrankungen, Pneumonien und psychische Störungen
gert werden kann unter Beibehaltung einer Sensitivi- (zum Beispiel Angst- und Panikstörungen, Somatisie-
tät von > 97 % (19, 20). rungsstörungen) (3, 12). Weitere Ursachen sind in eTa-
Kardiale Troponine und natriuretische Peptide belle 2 dargestellt. Allerdings ist gerade bei älteren,
können auch bei einer akuten Lungenarterienembo- multimorbiden Patienten die Zuordnung zu einer singu-
lie mit relevanter Rechtsherzbelastung erhöht sein lären Ursache häufig schwierig.
(19). Das Troponin kann darüber hinaus bei allen Auch hier ist die Anamnese (inklusive Risikofak-
akuten pneumologischen Erkrankungen erhöht sein. toren, Expositionen und Vorerkrankungen, [Tabelle
Ergeben sich Hinweise auf eine relevante Recht- 2, eTabelle 1]) häufig zielführend und hilft, die Dif-
herzbelastung, so sollten die Patienten zeitnah einer ferenzialdiagnosen zumindest einzugrenzen. Trotz-
transthorakalen Echokardiographie zugeführt wer- dem wird die korrekte Diagnose allein aufgrund der
den. Anamnese des Patienten nur in etwa der Hälfte bis
zwei Drittel der Fälle gestellt (21–23). Neben der
Chronische Dyspnoe körperlichen Untersuchung (zum Beispiel Zeichen
Chronische Dyspnoe lässt sich weitgehend auf wenige der pulmonalen Überwässerung, fehlende oder ver-
Ursachen zurückführen: Asthma bronchiale, COPD, stärkte Atemgeräusche) lässt auch die reine Beob-
chronische Herzinsuffizienz, interstitielle Lungen- achtung der Atmung häufig Rückschlüsse auf die zu-
grundeliegende Erkrankung zu. So weisen rasche Bei unklarer Dyspnoe hilft in einigen Fällen nur die
und flache Atemzüge aufgrund der verminderten Kombination verschiedener Tests weiter. Hierzu wurde
Lungencompliance auf interstitielle Lungenerkran- in einer großen Studie an 1969 Patienten ohne bekannte
kungen hin, wohingegen tiefe und langsame Atem- kardiale oder pulmonale Erkrankung untersucht, wel-
züge eher bei Patienten mit COPD zu finden sind che Parameter die beste Information für die weiterfüh-
(24). rende Diagnostik boten (25). Diese untersuchten Para-
meter waren:
Fallbeschreibung – Fortsetzung II ● Messwerte des 12-Kanal-EKG, EKG-Auffällig-
In der körperlichen Untersuchung zeigen sich ein keiten
basal abgeschwächtes Atemgeräusch sowie diskrete ● CT zur Bestimmung des Calcium-Scores der Ko-
Rasselgeräusche ubiquitär. Daneben ist ein 2/6-Sys- ronarien
tolikum über dem Mitralareal auskultierbar. Im Be- ● links- und rechtsventrikuläre Volumina und Aus-
reich der Unterschenkel sind minimale Ödeme wurffraktion
nachweisbar. Im EKG zeigt sich ein Sinusrhythmus ● Parameter der Spirometrie
mit einer Herzfrequenz von 84/min, daneben ist ein ● Prozentanteil der emphysemähnlich veränderten
positiver Sokolow-Index als Hinweis auf eine links- Lunge (CT-Aufnahmen der Lunge)
ventrikuläre Hypertrophie nachweisbar. ● Prozentanteil der Lunge mit interstitiellen Lun-
genauffälligkeiten (anhand der CT-Aufnahmen
Die weiterführende Diagnostik ist individuell unter- der Lunge)
schiedlich – in Studien wurde versucht, einen allge- ● Laborwerte wie Fibrinogen, Kreatinin, CRP, NT-
meingültigen Algorithmus zu implementieren (22). Von proBNP
einigen Autoren wird hier ein mehrstufiges diagnosti- ● Body-mass-Index
sches Testprinzip mit zunehmender Spezifität empfoh- ● Raucherstatus
len, wobei auf den Testergebnissen der vorangegange- ● Blutdruck
nen Tests jeweils die nachfolgende Diagnostik aufbaut. ● Diabetes mellitus
In vielen Fällen ergibt sich bereits aus Anamnese ● Symptome wie Orthopnoe, respiratorische Infekte
und klinischer Untersuchung eine Verdachtsdiagnose. oder saisonale Allergien.
Lässt sich hierdurch die Ursache der Dyspnoesympto- Im Hinblick auf die Diagnosestellung zeigten sich
matik jedoch nicht weiter eingrenzen, stellt die Anwen- bei Patienten mit Dyspnoe die Variablen FEV1, Bestim-
dung einiger Basistests eine schnelle und einfache mung des NT-proBNP und Emphysemgröße in der
Möglichkeit dar, die Anzahl der Differenzialdiagnosen Computertomographie als einzige unabhängige Prädik-
und damit die weitere Diagnostik zu reduzieren (Grafik toren.
1). Die Durchführung einer Spiroergometrie kann hel-
fen, die Ursache herauszuarbeiten, die den Hauptgrund Spezielle Erkrankungen
der Dyspnoe darstellt und zwischen kardial und pulmo- Dyspnoe bei Erkrankungen im Bereich
nal bedingter Dyspnoe zu unterscheiden. des respiratorischen Systems
Im nächsten Schritt kann in Abhängigkeit von den Asthma bronchiale – Ursache ist eine chronische
initialen Ergebnissen eine weiterführende apparative Entzündung der Atemwege, die eine variable Ob-
Diagnostik mit Hilfe der Echokardiographie, Computer- struktion der Atemwege zur Folge hat. Die Patienten
tomographie und invasiv mittels Rechts- und Linksherz- berichten über anfallsartig häufig auch nachts auf-
katheter auch zur Beurteilung der Hämodynamik erfol- tretende Dyspnoe. Oft besteht zusätzlich eine Ato-
gen (Grafik 1). Der Einsatz vor allem der initialen Tests pie. Auslöser können neben Atemwegsreizungen
sollte unter Berücksichtigung der klinischen Wahr- und Allergenexposition auch körperliche Anstren-
scheinlichkeit abgewogen werden. Vorteil dieses Test- gungen, Wetterumschwünge und (Atemwegs-)Infek-
prinzips ist die Vermeidung von überflüssigen dia- tionen sein. Klinisch ist ein exspiratorisches Giemen
gnostischen Schritten. Als Nachteile sind sicherlich die aufgrund der Obstruktion auskultierbar. In der Spi-
verzögerte Diagnostik sowie das Übersehen von mögli- rometrie zeigen sich die Einsekundenkapazität
cherweise pathologischen Befunden bei kombinierten (FEV1) sowie der maximale Atemstrom während der
Ursachen der Dyspnoe. Exspiration („peak exspiratory flow“, [PEF]) ver-
Spiroergometrie COPD
Die Spiroergometrie ist geeignet zur Die COPD ist in der Regel gekennzeichnet durch
Differenzierung zwischen kardial und pulmonal eine fixierte Obstruktion der tiefen Atemwege.
bedingter Dyspnoe. Die Patienten sind in der Regel über 40 Jahre alt,
nahezu immer besteht ein Nikotinkonsum in der
Anamnese.
mindert (26), beide Werte können jedoch im asymp- genparenchyms und konsekutiver Lungenüberblä-
tomatischen Intervall auch normal sein. Nach inha- hung sowie Abnahme von elastischen Rückstellkräf-
lativer Gabe eines Bronchodilatators (β2-Mimeti- ten. Die COPD ist in der Regel gekennzeichnet durch
kum oder Anticholinergikum) ist eine Besserung der eine fixierte Obstruktion der tiefen Atemwege. Die
Symptomatik und der Obstruktion nachweisbar. Patienten sind in der Regel über 40 Jahre alt, nahezu
Akut auftretende Luftnot wird als Exazerbation be- immer besteht ein Nikotinkonsum in der Anamnese
zeichnet. Tachypnoe, giemende Atemgeräusche und (28–30). Lungenfunktion und Bodyplethysmogra-
ein verlängertes Exspirium sind typische klinische phie helfen diagnostisch weiter. Charakteristisch ist
Befunde (27). ein Tiffeneau-Index von < 0,7 (FEV1/IVC; IVC: in-
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung spiratorische Vitalkapazität), das Residualvolumen
(COPD) – Nach der Definition der Weltgesundheits- kann als Ausdruck der Überblähung erhöht sein. Bei
organisation liegt eine chronische Bronchitis vor, Erniedrigung der CO-Diffusion ergibt sich der Hin-
wenn Husten und Auswurf über wenigstens drei Mo- weis auf ein Emphysem. Röntgenologisch stellen
nate in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jah- sich die Zwerchfelle abgeflacht dar, darüber hinaus
ren bestehen. Bei der COPD kommt es durch eine imponiert häufig eine Gefäßrarefizierung. Das Auf-
chronische Inflammation zur Destruktion des Lun- treten von Exazerbationen mit Notwendigkeit zur
Schweregradabschätzung Pneumonie
Der Schweregrad einer Pneumonie lässt sich mit Pleuraschmerzen, Fieber und Husten stellen
dem CRB-65-Score abschätzen. typische Beschwerden bei einer Pneumonie dar.
Klinisch imponieren Tachypnoe sowie inspiratori-
sche Rasselgeräusche, teils auch Bronchialatmen.
stationären Behandlung ist mit einer schlechten sind unterschiedlich. Eine Abklärung durch einen
Prognose assoziiert. Aufgrund der Risikofaktoren ist Pneumologen ist sinnvoll (29, 35).
eine Koinzidenz mit der Linksherzinsuffizienz häu- Lungenembolie – Das klinische Bild der Lungen-
fig (28, 29). embolie ist häufig durch akut aufgetretene Dyspnoe ge-
Zu beachten ist, dass eine große Anzahl von kennzeichnet. Patienten berichten oft über pleuritische
(Ex-)Rauchern unter COPD-ähnlichen Symptomen Schmerzen, gegebenfalls auch Hämoptysen. Zu beob-
leiden, ohne die klassische Definition zu erfüllen. achten sind eine Schonatmung sowie eine Tachykardie.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie konnte zeigen, Häufig lassen sich Hinweise für eine tiefe Beinvenen-
dass diese symptomatischen Patienten ebenso unter thrombose finden (19).
Exazerbationen leiden, eine reduzierte Aktivität im
Alltag aufweisen und Hinweise auf Atemwegsverän- Dyspnoe bei Erkrankungen im Bereich des
derungen bieten (verdickte Wände der Atemwege) kardiovaskulären Systems
wie COPD-Patienten. Obwohl keine Evidenz vor- Herzinsuffizienz – Neben Dyspnoe treten Symp-
liegt, erfolgt häufig eine antiobstruktive Behandlung tome wie Müdigkeit, Leistungsminderung und Flüs-
(31). sigkeitsretention auf (17). Die häufigsten Ursachen
Pneumonie – Führend wird Luftnot vor allem bestehen in fortgeschrittener koronarer Herzerkran-
von Patienten über 65 Jahren berichtet (etwa 80 %) kung, primären Kardiomyopathien, Hypertonie und
(29). Pleuraschmerzen, Fieber und Husten stellen ty- Klappenvitien. Zu unterscheiden ist neben der Herz-
pische Beschwerden dar. Klinisch imponieren Ta- insuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF –
chypnoe sowie inspiratorische Rasselgeräusche, „heart failure with reduced ejection fraction“, LVEF
teils auch Bronchialatmen. Neben Labordiagnostik (linksventrikuläre Ejektionsfraktion) ≤ 40 %) die
(Entzündungswerte, gegebenenfalls Hypoxämie in fast genauso häufige Herzinsuffizienz mit erhaltener
der Blutgasanalyse bei schwerer Erkrankung) ist ei- Pumpfunktion (HFpEF – heart failure with preserved
ne Röntgenaufnahme des Thorax hilfreich – gegebe- ejection fraction, aufgrund von erhöhten kardialen
nenfalls auch eine Computertomographie. Füllungsdrücken, Grafik 2). Eine neue Form – die
Zur Schweregradabschätzung wird der CRB- Herzinsuffizienz mit leicht reduzierter („mid-range“)
65-Score benutzt (jeweils ein Punkt pro vorliegendem Pumpfunktion (HFmrEF; Zeichen der diastolischen
Item; C = Confusion, neu aufgetretene Verwirrung, Dysfunktion und LVEF zwischen 40 und 49 %) wur-
R = Respiratory Rate, Atemfrequenz ≥ 30, B = Blut- de kürzlich neu eingeführt (17). Allen Entitäten ist
druck systolisch < 90 mm Hg, diastolisch ≤ 60 mm Hg, gemein, dass sie mit einer Störung des Schlagvolu-
65 = Alter ≥ 65). Anhand dieses Scores kann die Not- mens und konsekutiv des Herzzeitvolumens einher-
wendigkeit zur stationären Behandlung abgeschätzt gehen.
werden: CRB65 = 0 kann in der Regel ambulant behan- Diagnostisch wegweisend ist die Echokardiogra-
delt werden, CRB65 = 1 bei Hypoxämie und Komorbi- phie. Sie ermöglicht die Beurteilung der systolischen
ditäten stationär, ab CRB65 = 2 sollte immer stationär Funktion und/oder einer eingeschränkten diastolischen
therapiert werden (32, 33). Funktion anhand von Surrogatparametern (Grafik 2)
Interstitielle Lungenerkrankungen – Patienten (36).
berichten über chronische Dyspnoe und unprodukti-
ven Husten, häufig besteht ein Nikotinkonsum (34). Fallbeschreibung – Fortsetzung III
Bei der körperlichen Untersuchung imponiert inspi- Die genannte Befunde legen bereits eine kardiale
ratorisch ein basal betontes Knisterrasseln, gelegent- Ursache der Dyspnoe nahe. Aufgrund des Nikotin-
lich sind Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel abusus wird noch eine Lungenfunktionsuntersu-
zu beobachten. chung durchgeführt, die eine leichte Obstruktion
In der Lungenfunktionsuntersuchung sind Vital- zeigt (keine Reversibilität nach Bronchospasmoly-
kapazität (VC) und totale Lungenkapazität (TLC) se). In der Echokardiographie zeigt sich bei norma-
vermindert, der Tiffeneau-Index hochnormal und die ler systolischer Funktion eine eingeschränkte dias-
CO-Diffusion vermindert. Die Differenzialdiagnos- tolische Funktion Grad 2 bei linksventrikulärer Hy-
tik interstitieller Lungenerkrankungen ist komplex, pertrophie. Als Korrelat des Systolikums lässt sich
Prognose und Therapie für verschiedene Formen eine leichte Mitralklappeninsuffizienz darstellen.
Das NT-proBNP ist mit 546 ng/mL bei normaler Zeichen der Herzinsuffizienz. Im EKG findet sich
Nierenfunktion deutlich erhöht. Somit ist die Dia- häufig Vorhofflimmern als Folge der Volumenbe-
gnose einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pump- lastung des linken Vorhofs. Auch hier kann die Aus-
funktion (HFpEF) als Hauptursache der Dyspnoe kultation weiterhelfen (Holosystolikum über der
anzusehen, wobei sicherlich auch Trainingsmangel Herzspitze, gegebenenfalls mit Fortleitung in die
(vergleiche BMI 30,1 kg/m²) und Nikotinkonsum mit Axilla). Diagnostisch wegweisend ist die Echokar-
leichter Obstruktion zur Symptomatik beitragen. diographie.
Differenzialdiagnostisch könnte die leichte Obstruk-
tion im Rahmen der chronischen Stauung erklärbar Grundsätzlich in der Diagnostik zu berücksichtigen
sein. Hier sollte nach entsprechender Rekompensa- Zu beachten ist, dass Herz- und Lungenerkrankungen
tion eine erneute Lungenfunktionsprüfung erfolgen. häufig gleichzeitig und nebeneinander bestehen. Des-
halb sollte auch, nachdem eine Ursache für die Dys-
Koronare Herzerkrankung – Auch wenn Dys- pnoe aus einem der beiden Organsysteme gefunden
pnoe nicht das „klassische“ Symptom ist, kann sie wurde, aufgrund der hohen Komorbidität geprüft wer-
auch Ausdruck einer stenosierenden koronaren den, ob nicht zusätzlich eine Erkrankung des anderen
Herzerkrankung sein (37). Einerseits kann sie im Organsystems vorliegt.
Zusammenhang mit Angina pectoris auftreten, an-
dererseits zum Beispiel bei Patienten mit Diabetes Dyspnoe bei Erkrankungen außerhalb des
mellitus als (einziges) Leitsymptom einer korona- respiratorischen und kardiovaskulären Systems
ren Herzkrankheit. Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ei-
Hinweisend ist in vielen Fällen die Anamnese zu ne Anämie definiert als ein Hämoglobin(Hb)-Wert
Situation und Zeitpunkt des Auftretens (Belastung, von < 8,06 mmoL/L (13 g/dL) bei Männern und
Kälte etc.). Patienten mit unklarer Dyspnoe sollten < 7,44 mmoL/L (12 g/dL) bei Frauen. Ein eindeuti-
diesbezüglich evaluiert werden. Neben der klassischen ger „cut-off“, unter dem Luftnot auftritt, ist nicht zu
Ergometrie werden Belastungstests in Kombination definieren. Bei einer Anämie (insbesondere bei ei-
mit bildgebenden Verfahren für die Diagnostik ein- nem Hb < 11 g/dL oder unklarem Hb-Abfall) sollte
gesetzt (zum Beispiel Stress-Echokardiographie, eine weiterführende Diagnostik erfolgen.
Myokardszintigraphie, Stress-Magnetresonanztomogra- Erkrankungen aus dem Bereich der Hals-Nasen-
phie). Bei auffälligen Befunden sollte eine invasive Ohrenheilkunde, die die Atemwege betreffen, kön-
Koronardiagnostik erfolgen (37). nen ebenfalls für Dyspnoe verantwortlich sein. Ne-
Typischer ist das Auftreten von Dyspnoe im Zu- ben der Dyspnoesymptomatik ist bei Erkrankungen
sammenhang mit einem akuten Koronarsyndrom, der oberen Luftwege Stridor das wichtigste Leit-
Myokardinfarkt beziehungsweise auch im kardio- symptom (exspiratorisch bei broncho-pulmonalen
genen Schock als Zeichen des reduzierten Herzzeit- Engstellen, inspiratorisch bei supraglottischen Ver-
volumens (18, 39). engungen, biphasisch bei einer Enge im glottisch-
Valvuläre Herzerkrankungen – Gerade in hö- subglottischen Bereich). Als grobe Faustregel gilt,
herem Lebensalter stellen Klappenvitien eine wei- dass bei Verminderung des Atemzugvolumens um et-
tere mögliche Ursache für Luftnot dar. Die häufigs- wa 30 % Dyspnoe auftritt (e1). Als mögliche Ursa-
ten Klappenerkrankungen sind Aortenklappenste- chen kommen kongenitale Fehlbildungen, Infektio-
nose und Mitralklappeninsuffizienz (40). Typische nen, Traumata, Neoplasien aber auch neurogene Ur-
Befunde bei Aortenklappenstenose sind Leistungs- sachen in Betracht.
minderung, Kollapsereignisse, Synkopen und Neuromuskuläre Erkrankungen im Zusammen-
Schwindelsymptomatik sowie gelegentlich auch hang mit Luftnot umfassen Muskelerkrankungen,
pektanginöse Beschwerden. Bei der körperlichen zum Beispiel Muskeldystrophie Duchenne, Myasthe-
Untersuchung ist häufig der Auskultationsbefund nien, Motoneuronerkrankungen wie die Amyotrophe
wegweisend (raues Systolikum mit punctum maxi- Lateralsklerose und Neuropathien wie das Guillain-
mum über dem 2. Interkostalraum parasternal Barré-Syndrom (e1). Zumeist bestehen bei diesen Er-
rechts mit Fortleitung in die Carotiden). Patienten krankungen jedoch weitere neurologische Sympto-
mit Mitralklappeninsuffizienz präsentieren sich mit me.
Psychische Erkrankungen wie Angst- und Panikstö- 7. Charles J, Ng A, Britt H: Presentations of shortness of breath in
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Zuletzt muss auf medikamentöse Ursachen der Dys- medizin und Familienmedizin: Stuttgart: Thieme-Verlag 2012;
pnoe hingewiesen werden. Zu nennen sind nichtselekti- 320–3.
ve Betablocker, die insbesondere über die β2-blockie- 10. Barfod C, Lauritzen MMP, Danker JK, et al.: Abnormal vital signs are
rende Wirkung Bronchospasmen und somit Anfälle von strong predictors for intensive care unit admission and in-hospital
Dyspnoe verursachen können. Nichtsteroidale Anti- mortality in adults triaged in the emergency department – a pro-
spective cohort study. Scand J Trauma Resusc Emerg Med 2012;
phlogistika führen als Hemmer der Cyclooxigenase-1
20: 1–10.
dazu, dass Arachidonsäure vermehrt über die Lipoxy-
11. Strauß R, Ewig S, Richter K, König T, Heller G, Bauer TT: The prog-
genase in Leukotriene umgewandelt werden, die eine nostic significance of respiratory rate in patients with pneumonia: a
Bronchokonstriktion verursachen können. Acetylsali- retrospective analysis of data from 705,928 hospitalized patients in
cylsäure als Vertreter dieser Medikamentengruppe kann Germany from 2010–2012. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 503–8.
darüber hinaus in toxischen Dosierungen auch Dys- 12. Ray P, Birolleau S, Lefort Y, et al.: Acute respiratory failure in the el-
pnoe über zentrale Rezeptoren auslösen. Eine im klini- derly: etiology, emergency diagnosis and prognosis. Critical care
schen Alltag sicherlich etwas seltenere Ursache für 2006; 10: R82.
Dyspnoe kann die Einnahme des Thrombozytenaggre- 13. Maisel AS, Krishnaswamy P, Nowak RM, et al.: Rapid measurement
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gationshemmers Ticagrelor darstellen. In der initialen
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Weitere Informationen zu cme of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2012; 33: 2569–619.
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Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- adult. Nat Rev Cardiol 2011; 8: 162–72.
und Weiterbildung zertifiziert. Die erworbenen Fortbildungspunkte können
mit Hilfe der Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) verwaltet werden.
Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik „Persönliche Daten“ und Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Dominik Berliner
bei der Registrierung die EFN in das entsprechende Feld eingegeben werden Klinik für Kardiologie und Angiologie
und durch Bestätigen der Einverständniserklärung aktiviert werden. Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover
Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis. berliner.dominik@mh-hannover.de
Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage
ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.
Frage Nr. 7
Frage Nr. 2 Welche Untersuchung sollte bei Verdacht auf pulmonal bedingte
Wieviele Patienten geben in der Allgemeinarztpraxis an, Dyspnoesymptomatik grundsätzlich durchgeführt werden?
dass Dyspnoe bei stärkerer Belastung besteht? a) Rechtsherzkatheter
a) etwa 5 % b) Stressechokardiographie
b) etwa 12 % c) Spiroergometrie
c) etwa 25 % d) Lungenfunktionsprüfung
d) etwa 37 % e) Bronchoskopie
e) etwa 50 %
Frage Nr. 8
Frage Nr. 3 Welches diagnostische Verfahren ist am ehesten
Welcher Biomarker ist zum Ausschluss einer geeignet, um zwischen kardial und pulmonal bedingter
relevanten Herzinsuffizienz etabliert? Dyspnoe zu differenzieren?
a) D-Dimere a) Spiroergometrie
b) NT-proBNP b) CT des Thorax
c) Troponin T c) Myokardszintigraphie
d) Copeptin d) Pleurapunktion
e) CA125 e) Stressechokardiographie
Frage Nr. 10
Frage Nr. 5 Für welche Differenzialdiagnose ist das Begleitsymptom Stridor
Was sind typische Beschwerden einer Pneumonie? bei der Dyspnoe richtungsweisend?
a) Flatulenz, Wahrnehmungsstörungen, Hyperventilation a) Pneumothorax
b) Angstzustände, Schüttelfrost, Unruhe b) Azidose
c) Giemen, Neuropathien, Koliken c) Trachealstenose
d) Schnarchen, Hyperaktivität, Hitzewallungen d) Mitralklappeninsuffizienz
e) Fieber, Husten, Pleuraschmerzen e) COPD
Zusatzmaterial zu:
Differenzialdiagnose bei Luftnot
Dominik Berliner, Nils Schneider, Tobias Welte, Johann Bauersachs
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 834–45. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0834
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eTABELLE 1
Begleitsymptome, die in der Differenzialdiagnose der Luftnot richtungweisend sein können (modifiziert nach [3, e4–e6])
eTABELLE 2
COPD, Chronisch obstruktive Lungenerkrankung); HFrEF, Herzinsuffizienz mit reduzierter systolischer Funktion,
HFpEF, Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer Funktion
eTABELLE 3
Wells-Score zur Abschätzung des Risikos des Vorliegens einer Lungenembolie inklusive der
jeweiligen Wahrscheinlichkeit (modifiziert nach [19, e7])