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Friedrich-Alexander-Universität

Institut für Politische Wissenschaft

Einführung in die
Geschichte der politischen Ideen

Vorlesung Wintersemester 2023/24 – FAU


Sebastian Huhnholz
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

1. Politikwissenschaftliches Propädeutikum:
Was ist das Politische? ü
2. Griechische Verfassungslehre(n): Die antike Polis ü
3. Römisches Lernen? Die Mischverfassung ü
4. Vom Gottesstaat über die Universalmonarchie zur
Demokratie? Spätantike und Mittelalter ü
5. Renaissance der Antike? Die frühe Neuzeit u. Machiavelli
6. Kontraktualismus I: Hobbes und der Absolutismus
7. Kontraktualismus II: Locke und die Liberalisierung des
Liberalismus
8. Kontraktualismus III: Rousseau u. d. Französische Rev.
Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 2 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Lessons learned (Sitzung 4)

Augustinus De civitate Dei


Methode: christianisierter Manichäismus
Theoretische theologische Widerlegung von Ciceros Gerechtigkeits-
Leistung: idee; Stärkung der Prädestinationslehre
Normative Abschied von antiken Politiklehren wie zyklischer
Orientierung: Geschichtsphilosophie u.a.
Pol. Ideal: Ungestörtes Warten auf das Weltende
Konsequenz: Entpolitisierung des Politischen

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 3 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

I. Die Renaissance
II. Die Idee der Staatsräson: Machiavelli und IL PRINCIPE
III. Der Republikanismus und die DISCORSI
IV. Die Souveränitätsidee: Jean Bodin
V. Lessons learned

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 4 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

I. Die Renaissance
II. Die Idee der Staatsräson: Machiavelli und IL PRINCIPE
III. Der Republikanismus und die DISCORSI
IV. Die Souveränitätsidee: Jean Bodin
V. Lessons learned

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 5 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Lektüreleitende Fragen für Sitzung 5: „Renaissance der Antike?


Die Frühe Neuzeit und Machiavelli“

(1) Welche sozialen, politischen und gesellschaftlichen Voraus-setzungen


begründen die Rede von einer „Renaissance“ im ausgehenden 14.
Jahrhundert?
(2) Wer war Machiavelli?
(3) Welche Verfassungsformen benennt Machiavelli, wie charakterisiert
er sie und inwiefern beerbt und inwiefern erneuert er damit das
antike Verfassungsschema?
(4) Worin unterscheiden sich Machiavellis Discorsi und sein Principe?
(5) Was versteht Jean Bodin unter „Souveränität“?

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 6 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Jacob Burckhardt (1818-1897):


Die Kultur der Renaissance in Italien (1860).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 7 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Andrea del Verrocchio: Bartolomeo Colleoni (1483 (Auftrag) - 1496


(Fertigstellung, posthum)), Reiterdenkmal des Condottiere vor der Santi Giovanni e Paolo; Venedig).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 8 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Leonardo da Vinci (1452-1519):


Der vitruvianische Mensch (1492).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 9 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Leonardo da Vinci (1452-1519):


Anatomische Studie (o.J.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 10 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Leonardo da Vinci (1452-1519):


Der vitruvianische Mensch (1492).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 11 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Giovanni Stradano (Jan van der Straet): Weihungsfest auf der Piazza vor der Loggia
de Lanci, links der Palazzoecchio bzw. Palazzo della Signoria (o.J., Palazzo Veccio,
Raum Éléonore; Florenz).

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5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Friedrich von Gärtner: Feldherrnhalle (1841-1844, Odeonsplatz; München).

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5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Das kulturelle Leben der Stadt blühte [(…) Lorenzo scharte] die bedeutendsten
Köpfe des italienischen Humanismus um sich und gab ihnen mit der Florentiner
Akademie, dem geistigen Zentrum des Neuplatonismus, einen institutionellen
Rückhalt. […] Sandro Botticello brachte[] die Florentiner Malerei, […] Andrea del
Verrocchio die Skulptur der Toskana zu neuem Ruhm. […]
Vor allem aber herrschte Frieden in Italien, denn das von Lorenzos Großvater
Cosimo de’Medici entworfene System des Gleichgewichts zwischen den fünf
italienischen Teilstaaten, den Republiken Venedig und Florenz, dem Herzogtum
Mailand, dem Königreich Neapel und dem Kirchstaat, sorgte dafür, daß keiner
dieser Staaten erwarten durfte, er könne eine politisch-militärische Hegemonie
auf der Halbinsel erringen, weswegen auch kein anderer fürchten mußte, er
könne politisch-militärisch unterworfen werden, und deswegen auch nicht, um
dies zu verhindern, auswärtige Mächte ins Land rufen mußte.“
Herfried Münkler: Einleitung, in: N. Machiavelli: Politische Schriften,
(1990), S. 15.
Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 14 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Andrea del Verrocchio: Bartolomeo Colleoni (1483 (Auftrag) - 1496


(Fertigstellung, posthum)), Reiterdenkmal des Condottiere vor der Santi Giovanni e Paolo; Venedig).

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5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Sacco di Roma vom 6. Mai 1527 (nach Francisco J. Amérigo, 1884).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 16 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

I. Die Renaissance
II. Die Idee der Staatsräson: Machiavelli und IL PRINCIPE
III. Der Republikanismus und die DISCORSI
IV. Die Souveränitätsidee: Jean Bodin
V. Lessons learned

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 17 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Friedrich II. „der Große“ (1712-1786):


Anti-Machiavel (1740).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 18 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Niccolò Machiavelli
(1469 - 1527)

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5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Niccolò Machiavelli: Discorsi, Niccolò Machiavelli, Il Principe,


(1531, Druck von 1532). (1513, Druck von 1550).
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5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

William Shakespeare's Richard III.


(Poster von Dom McKenzie, o.J.)

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5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Es ist also nicht nöXg, daß ein Fürst alle […] Tugenden
besitzt, sondern es ist hinlänglich, wenn er sie nur zu
besitzen scheint. […] Ein Fürst muß gnädig, rechtschaffen,
leutselig, aufrichXg und go`esfürchXg scheinen und
gleichwohl so ganz Herr über sich sein, daß er im Noball
gerade das Gegenteil von dem allen tun kann.“
Machiavelli: Der Fürst, XVIII,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 22 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Es ist ein so außerordentlicher Unterschied zwischen der Art, wie


man wirklich lebt und wie man leben sollte, daß alle, welche bloß
darauf sehen, was geschehen sollte, und nicht auf das, was
wirklich geschieht, eher ihren Untergang als ihre Erhaltung
erleben. Es ist daher unvermeidlich, daß ein Mann, der rein
moralisch handeln will, unter so vielen anderen, die nicht so
handeln, früher oder später zugrunde gehen muß. Es ist also
notwendig, daß ein Fürst, der sich behaupten will, auch lernen
muß, nicht gut zu handeln, um erforderlichenfalls hiervon
Gebrauch zu machen. “
Machiavelli: Der Fürst, XV,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 23 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Da nun ein Fürst genötigt ist, die Rolle eines wilden Tieres zu spielen, muß er
sich den Fuchs und den Löwen zum Vorbild nehmen; der Löwe nämlich
entgeht den Netzen nicht, der Fuchs entwischt dem Wolfe nicht [il lione non si
defende da’ lacci, la golpe non si defende da’ luppi]. Er muß daher ein Fuchs
sein, um die Schlingen zu wittern und ihnen zu entgehen, und ein Löwe, um
die Wölfe zu schrecken. Die, welche bloß Löwen sein wollen, verstehen ihre
Sache schlecht. Ein kluger Fürst darf daher seine Versprechen nie halten,
wenn es ihm schädlich ist oder die Umstände, unter denen er es gegeben hat,
sich ändern.
Diese Grundregel würde nicht gut sein, wenn alle Menschen gut wären. Weil
aber alle böse und schlecht sind und in dem gegebenen Falle dem Fürsten ihr
Versprechen auch nicht halten würden, so berechtigt ihn dieses, auch
wortbrüchig zu sein.“
Machiavelli: Der Fürst, XVIII,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 24 von 55
5. Renaissance der An1ke?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Man beurteilt die Handlungen aller Menschen, besonders aber


die Handlungen der Fürsten, welche keinen Richter über sich
haben, bloß nach dem Erfolge. – Es muss also des Fürsten einziger
Zweck sein, sein Leben und seine Herrschaft zu erhalten. Man
wird alle Mittel, derer er sich hierzu bedient, rechtfertigen, und
jeder wird ihn loben, denn der Pöbel hält sich nur an den äußeren
Schein und beurteilt die Dinge nur nach ihrem Erfolge. Nun ist
aber fast nichts in der Welt als Pöbel, und die wenigen zählen
nicht, wenn die vielen im Staat keinen Rückhalt haben.“
Machiavelli: Der Fürst, XVIII,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 25 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Man beurteilt die Handlungen aller Menschen, besonders aber


die Handlungen der Fürsten, welche keinen Richter über sich
haben, bloß nach dem Erfolge. – Es muss also des Fürsten einziger
Zweck sein, sein Leben und seine Herrschaft zu erhalten. Man
wird alle Mittel, derer er sich hierzu bedient, rechtfertigen, und
jeder wird ihn loben, denn der Pöbel hält sich nur an den äußeren
Schein und beurteilt die Dinge nur nach ihrem Erfolge. Nun ist
aber fast nichts in der Welt als Pöbel, und die wenigen zählen
nicht, wenn die vielen im Staat keinen Rückhalt haben.“
Machiavelli: Der Fürst, XVIII,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 26 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Weiterführende Darstellungen:
a) Herfried Münkler: Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens der
Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz, Frankfurt am Main: Fischer
1982.
b) Quentin Skinner: The Foundations of Modern Political Thought, Bd. 1: The
Renaissance, Cambridge: Cambridge UP 1978.

SebasGan Huhnholz – Einführung in die Geschichte der poliGschen Ideen Folie 27 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Niccolò Machiavelli
(1469 - 1527)

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 28 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Niccolò Machiavelli: Discorsi, Niccolò Machiavelli, Il Principe,


(1531, Druck von 1532). (1513, Druck von 1550).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 29 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Mein Werk hat nicht das Gepräge einer blumenreichen Sprache,


noch trägt es den Schmuck einer glänzenden und prächtigen
Darstellung; es hat das Süße nicht, mit welchem so manche
Schriftsteller ihre Schriften zu zieren pflegen: Es soll sich bloß
durch Wichtigkeit des Inhaltes und seine Gründlichkeit em-
pfehlen.“
Machiavelli: Der Fürst, Widmung,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 30 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Geruhen Sie demnach, durchlauchtiger Fürst, dies Werkchen [...]


aufmerksam durch[zu]lesen, darinnen meinen innigsten Wunsch
nicht verkennen[d], Sie auf jener Höhe der Macht zu sehen, zu
welcher Sie das Schicksal und ihre vortrefflichen Talente bestimmt
haben. Und wenn Sie von der erhabenen Stelle, auf der Sie sich
befinden, bisweilen herabsehen, dann werden Sie finden, wie
unverdient ich ein hartes und tückisches Schicksal erleide.“
Machiavelli: Der Fürst, Widmung,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 31 von 55
5. Renaissance der An1ke?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Alle Regierungen, unter welchen bisher die Menschen lebten und


noch leben, waren und sind Republiken oder Alleinherrschaften.
Die Alleinherrschaften sind entweder, wenn das Geschlecht schon
lange herrscht, erblich oder erst neu erworben. Letztere hat
entweder ein jetzt erst hochgekommener Regent an sich gezogen
[…] oder sie sind mit den Erbstaaten eines anderen Fürsten, der
sie sich erworben hat, vereinigt. Sie können einen Fürsten haben
oder frei sein; und man kann sie durch eigene oder fremde
Waffengewalt, durch Glück oder persönliche Tüchtigkeit
erwerben.“
Machiavelli: Der Fürst, I,
(1513ff.).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 32 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Aus Henning Ottmann: Geschichte des politischen Denkens,


III,1, S. 18.

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 33 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Aus Henning Ottmann: Geschichte des politischen Denkens,


III,1, S. 18.

SebasGan Huhnholz – Einführung in die Geschichte der poliGschen Ideen Folie 34 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

I. Die Renaissance
II. Die Idee der Staatsräson: Machiavelli und IL PRINCIPE
III. Der Republikanismus und die DISCORSI
IV. Die Souveränitätsidee: Jean Bodin
V. Lessons learned

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 35 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Niccolò Machiavelli: Discorsi, Niccolò Machiavelli, Il Principe,


(1531, Druck von 1532). (1513, Druck von 1550).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 36 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Titus Livius (?)


(59 v. – 17 n. Chr.)

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 37 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Wenn ich erwäge, welche Ehren dem Altertum erzeigt wird und wie häufig,
um andere Beispiele zu übergehen, das Bruchstück einer antiken Bildsäule
um hohen Preis angeschafft wird, um es zu besitzen, sein Haus damit zu
schmücken [(…) usw.]; und wenn ich auf der andern Seite sehe, wie die
größten Unternehmungen, welche, wie die Geschichte zeigt, von den alten
Reichen und kein Schatten übrig geblieben ist, so verwundert und bei
Republiken, von den Königen, Feldherrn, Bürgern, Gesetzgebern und
anderen, die für ihr Vaterland gearbeitet, ausgeführt wurden, viel stärker
bewundert als nachgeahmt, ja so sehr von jedem überall geflohen werden,
daß von jener alten Tugend rübt mich dies, und das umso mehr, als ich
sehe, daß man bei den Privatstreitigkeiten, die zwischen den Bürgern
entstehen, und bei den Krankheiten, welche die Menschen treffen, immer
zu Urteilssprüchen oder Heilmitteln Zuflucht nimmt, welche von den Alten
gefällt oder verordnet worden sind. …
Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 38 von 55
5. Renaissance der An1ke?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Denn die bürgerlichen Gesetze sind nichts anderes als von den alten
Rechtsgelehrten gefällte Urteile, die, in eine gewisse Ordnung gebracht,
unsere jetzigen Rechtsgelehrten Recht sprechen lehren; und nichts anderes
ist die Medizin als von den Ärzten früherer Zeiten gemachte Erfahrungen,
worauf die heutigen Ärzte ihr Urteil gründen. Nichtsdestoweniger findet
sich bei dieser Einrichtung der Republiken, bei der Erhaltung der Staaten,
bei der Regierung der Reiche, bei der Errichtung des Heeres und der
Führung des Krieges, beim Rechtsprechen über die Untertanen, bei der
Erweiterung der Herrschaft weder Fürst noch Republik, weder Feldherr
noch Bürger, der auf die Beispiele der Alten zurückgriffe.“
Niccolò Machiavelli: Discorsi, I,
Vorwort.

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 39 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Leonardo da Vinci (1452-1519):


Der vitruvianische Mensch (1492).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 40 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Viel eindeutiger als für Polybios stellte für Machiavelli die


Mischverfassung […] die Antwort auf die Frage [dar], unter
welchen Bedingungen es möglich sei, den Staat nach innen stabil
und nach außen expansionsfähig zu halten, ihn also auf dem
oberen Wendepunkt der geschichtlichen Zyklen zu stabilisieren.
[…] Indem er sich auf die Nabe des sich unausgesetzt drehenden
Rades, in die Mitte des Verfassungskreislaufs stellt, entgeht […]
der Staat dem jähen Wechsel und den plötzlichen
Verfassungsänderungen. …
Herfried Münkler: Machiavelli. Die Begründung d. politischen Denkens der Neuzeit
aus der Krise der Republik Florenz,
(1982), S. 52, 376f.

SebasGan Huhnholz – Einführung in die Geschichte der poliGschen Ideen Folie 41 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

… Diese poli]schen Überlegungen sind in geometrisch


verschlüsselter Gestalt in die Theorie des geschlossenen
Verfassungskreislaufs und in die in seiner Nabe stehenden
Mischverfassung eingegangen“ und besorgten, dass „[p]oli]sche
und gesellscha_liche Konflikte […] aus der Sphäre des Poli]schen
nicht nur nicht wegzudenken [sind], sondern sie werden von
Machiavelli darüber hinaus auch als deren s]mulierendes Element
begriffen.“
Herfried Münkler: Machiavelli. Die Begründung d. poliJschen Denkens der Neuzeit
aus der Krise der Republik Florenz, S. 52, 376f.,
(1982).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 42 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

I. Die Renaissance
II. Die Idee der Staatsräson: Machiavelli und IL PRINCIPE
III. Der Republikanismus und die DISCORSI
IV. Die Souveränitätsidee: Jean Bodin
V. Lessons learned

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 43 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Jean Bodin
(ca. 1529 - 1596)

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 44 von 55
5. Renaissance der An1ke?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Jean Bodin, Les six livres de la


République (1576).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 45 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Unter der Souveränität ist die dem Staat eignende absolute und
zeitlich unbegrenzte Macht zu verstehen. […] Ich habe diese
Gewalt eine zeitlich unbegrenzte genannt, weil es auch sein kann,
daß man einzelnen oder mehreren Personen absolute Gewalt auf
bestimmte Zeit verleiht […] So wie nämlich nach wie vor
Eigentümer und Besitzer [sic] bleibt, wer einem anderen einen Teil
seines Eigentums leiht, bleiben auch Eigentümer und Besitzer der
Macht, Recht zu sprechen und zu befehlen, jene, die sie entweder
auf bestimmte Zeit oder auf Widerruf anderen zu leihen gegeben
[…] haben.“
Jean Bodin: Sechs Bücher über den Staat,
(1576), Buch I,8, S. 205f.

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 46 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„Denn Gesetz Gottes und Naturrecht verlangen, den Weisungen


und Geboten dessen zu gehorchen, dem Gott Gewalt über uns
verliehen hat, es sei denn sie stünden in unmittelbarem
Widerspruch zum Gesetz Gottes, der über allen Fürsten steht. [(…)
So ist – SH] auch der Untertan dem souveränen Fürsten zum
Gehorsam gegenüber jedermann mit der einzigen Ausnahme
Gottes verpflichtet, der unumschränkter Herrscher über alle
Fürsten der Erde ist. Daraus lässt sich nun für den Staat das
weitere Prinzip ableiten, daß der Fürst die von ihm geschlossenen
Verträge einzuhalten hat, gleichgültig ob er sie mit Untertanen
oder Fürsten geschlossen hat.“
Jean Bodin: Sechs Bücher über den Staat,
(1576), Buch I,8, S. 231f.
SebasGan Huhnholz – Einführung in die Geschichte der poliGschen Ideen Folie 47 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Jean Bodins Six livres de la République

Methode: Verfassungslehrbuch der Staatlichkeit


Theore\sche Ausformulierung einer transpersonalen
Leistung: Staatsvorstellung mi]els Souveränitätsidee
Norma\ve
Orien\erung: Herrscha_seindeu\gkeit
Poli\sches Ideal: Harmonische Regierungsform
Konsequenz: Differenzierung von „(Rechts-)Staat“ und
„Herrscher“ sowie v. „Staat“ („Republik“) u.
„Regierung“; Herrscher nicht rechts-,
sondern ‚nur‘ vertragsunterworfen
Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 48 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

I. Die Renaissance
II. Die Idee der Staatsräson: Machiavelli und IL PRINCIPE
III. Der Republikanismus und die DISCORSI
IV. Die Souveränitätsidee: Jean Bodin
V. Lessons learned

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 49 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

„In Machiavellis Konzept einer innerweltlich begründeten historischen


Notwendigkeit und dem Imperativ der Selbsterhaltung der politischen
Gemeinschaft um jeden Preis und mit allen Mitteln verschwindet mit
der über über die diesseitige Welt hinauszielenden Teleologie des
mittelalterlichen Denkens auch seine transzendent gesicherte politische
Moral.“
Herfried Münkler: Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit
aus der Krise der Republik Florenz, S. 281,
(1982).

„Hält man die Methode für das Wichtigste, dann ist Hobbes der erste
politische Denker der Neuzeit. Würdigt man den Bruch mit der
Zielsetzung, dann erhält Machiavelli den Vortritt.“
Henning Ottmann: Geschichte des politischen Denkens,
III,1, S. 11.

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 50 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

1. PoliXkwissenschadliches PropädeuXkum:
Was ist das PoliXsche? ü
2. Griechische Verfassungslehre(n): Die anXke Polis ü
3. Römisches Lernen? Die Mischverfassung ü
4. Vom Go`esstaat über die Universalmonarchie zur
DemokraXe? SpätanXke und Mi`elalter ü
5. Renaissance der AnXke? Die frühe Neuzeit u. Machiavelli ü
6. Kontraktualismus I: Hobbes und der AbsoluCsmus
7. Kontraktualismus II: Locke und die Liberalisierung des
Liberalismus
8. Kontraktualismus III: Rousseau u. d. Französische Rev.
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Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Leonardo da Vinci (1452-1519):


Der vitruvianische Mensch (1492).

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 52 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Frontispiz des Leviathan (1651).

SebasGan Huhnholz – Einführung in die Geschichte der poliGschen Ideen Folie 53 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Machiavellis Il Principe

Methode: Persiflage der „Fürstenspiegel“-Ga]ung


Theore\sche
Leistung: radikale Mach]heorie
Norma\ve
Orien\erung: Machterringung und Machterhalt
Poli\sches Ideal: Staatsräson
Konsequenz: Entkopplung von Poli\k und Moral;
Wiederentdeckung des ,rein‘ „Poli\schen“

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 54 von 55
5. Renaissance der Antike?
Die frühe Neuzeit und Machiavelli

Machiavellis Discorsi

Methode: titelmäßig angedeuteter Livius-Kommentar


zur frühen römischen Republik
Theoretische neoantikes zyklisches Verfassungsmodell,
Leistung: das sich an politischer Freiheit orientiert
Normative Republikanismus, Bürgerhumanismus,
Orientierung: Konflikt als Vitalisierungsressource
Politisches Ideal: „imperiale“ (machtvolle) Republik
Konsequenz: proto-pluralistische politische Freiheitsidee

Sebastian Huhnholz – Einführung in die Geschichte der politischen Ideen Folie 55 von 55
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Arrivederci!

Einführung in die
Geschichte der politischen Ideen

Vorlesung Wintersemester 2023/24 – FAU


Sebastian Huhnholz

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