Sie sind auf Seite 1von 55

Sozialpsychologie

Psychologie / Mag. Christoph Seidl


Womit beschäftigt sich die Sozialpsychologie?
Womit beschäftigt sich Sozialpsychologie?

Sie beschäftigt sich mit dem Verhalten von Individuen in bestimmten


sozialen Situationen.

Im Zentrum sozialpsychologischer Forschungen stehen Meinungen,


Gefühle, Absichten sowie das handeln und Reagieren von Individuen
und Personengruppen.
Wir und die Anderen

Stellen sie sich vor sie betreten eine Klasse mit einem neuen Lehrer
zum ersten mal.
Versuchen Sie ihre Gedanken vom Betreten der Klasse bis zum Ende
der ersten Stunde zu beschreiben.
Wir und die Anderen

Wir machen uns relativ schnell ein Bild anderer Personen:

Wie sieht er/sie aus?


Wie tritt er/sie auf?
Was sagt er/sie?
Wie fühle ich mich in seiner/ihrer Gegenwart?
Ich finde er/sie ist ….
Wir und die Anderen

Die Beurteilung des Verhaltens anderer Menschen, bzw. das


Zuschreiben gewisser Eigenschaften nennt man Attribution.
Attributionen können von Persönlichkeitsfaktoren (internale) oder
Umweltfaktoren (externalen) abhängen.

Die Überschätzung des Einflusses von Persönlichkeitsfaktoren führt


zum fundamentalen Attributionsfehler.
Wir und die Anderen

Sozial = gesellschaftlich

Wie erleben Menschen Kollektive (Gesellschaft, Gruppen, usw.)? Wie


verhalten sich Menschen in Kollektiven?

„Der Mensch ist ein zoon politikon“ - Aristoteles


Wir und die Anderen

• Welche Rollen nehmen wir in unterschiedlichen Strukturen ein?


• Wie definieren wir sie und welche Probleme können sich daraus
ergeben?
• Wie weit beeinflussen gesellschaftliche Normen und Institutionen
unsere Erleben und Handeln.

Experimente zeigten das Menschen unter bestimmten Bedingungen


zum unmenschlichen fähig sind.
Soziale Wahrnehmung und
Urteilsbildung
Psychologie / Mag. Christoph Seidl
Attribution

Wieso schauen Menschen Reality-TV?

• Die einen identifizieren sich.


• Die anderen grenzen sich ab.

Fritz HEIDER unterscheidet: internale & externale Attribution


Aufgabe

Stellen Sie sich vor, ein/eine FreundIn macht Sie auf einer arty mit
einem/einer KollegIn bekannt. Was wollen Sie von ihm/ihr wissen,
um sich ein Bild von seiner/ihrer Persönlichkeit machen zu können?

Formulieren sie mind. 4 Fragen.


Attribution

Der Mensch neigt zur internalen Attribution, weil die menschliche


Wahrnehmung personenorientiert ist.

Überlegen Sie wann ihnen zuletzt ein fundamentaler


Attributionsfehler passiert ist. Geben Sie uns einige Beispiele.
Der erste Eindruck – Aufgabe

Besprechen Sie mit ihrem Nachbarn, worauf Sie bei einer Person, die
Sie neu kennenlernen, als Erstes achten. Was fällt Ihnen sofort auf?
Auf welche Eigenschaften achten Sie erfahrungemäß wenig?

Wonach beurteilen wir Menschen? Zeichnen Sie ein Kreisdiagramm


und tragen Sie prozentuell ein, was ihrer Meinung nach die drei
wichtigsten Aspekte der Beurteilung sind.
Roger Muccielli

Algerischer Psychologe
Geb. 1919

„Die nonverbalen Zeichen sind


viermal so aussagekräftig wie
die verbalen.“
Samy Molcho

Pantomime israelischer
Herkunft
Geb. 1936

„Die Seele des Menschen


äußert sich in der
Körpersprache“
Soziale Wahrnehmung hängt ab:

• von unserer momentanen Stimmung und Atmosphäre.


• von unseren bisherigen Erfahrungen.

Beispiele:
• Sie sehen auf einer Party einen Menschen der sie anlächelt. Wie reagieren
Sie?
• Sie sehen morgens auf dem Weg zur Arbeit in der vollgestopften U6 einen
Menschen der Sie anlächelt. Wie reagieren Sie?
• Sie treffen einen Menschen der ihnen auf Anhieb unsympathisch ist. Wie
kann dies mit ihrer sozialen Wahrnehmung zu tun haben?
Das Vorstellungsgespräch - Gruppenarbeit

• Ein positiver erster Eindruck spielt auch bei der Bewerbung eine
bedeutende Rolle. Erarbeiten Sie in Kleingruppen Faktoren, die bei einem
Vorstellungsgespräch wichtig sind, um einen positiven Eindruck zu
hinterlassen! Worauf kommt es an?
• Überlegen Sie in der Rolle des Chefs bzw. der Chefin, welche Fragen Sie
Ihren BewerberInnen stellen würden! Notieren Sie diese!
• Entwerfen Sie nun eine Interviewsituation zu einem Vorstellungsgespräch
nach Wahl (z.B: BabysitterIn, KellnerIn, VerkäuferIn, usw.) Rolle1:
BewerberIn, Rolle2: ChefIn, Rolle3: BeobachterInnen. Die
BeobachterInnen sollen jeweils Rückmeldung über den Eindruck und den
Gesprächsverlauf geben: Blickkontakt/Stimme/Verhalten/
Wahrnehmungsfehler

Experiment zur Personenwahrnehmung von ASCH:

Welchen Typ finden sie besser?

• Typ A: intelligent, fleißig, impulsiv, kritisch, hartnäckig, neidisch


• Typ B: neidisch, hartnäckig, kritisch, impulsiv, fleißig intelligent
Wahrnehmungsfehler

• Primacy-Effekt: Die erste Information, die wir über eine Person


erhalten, prägt den Gesamteindruck am stärksten.

• Halo-Effekt: Von einer zentralen Persönlichkeitseigenschaft wird


fälschlicherweise auf weitere Eigenschaften geschlossen.

• Selffulfilling Prophecies: Vorhersagen, die aufgrund unserer


Erwartungshaltung schließlich tatsächlich eintreten.
Vorurteile
Psychologie / Mag. Christoph Seidl
Einstellung

Einstellung: Die Bewertung eines Menschen, eines Ereignisses oder


einer Idee. Sie kann durch unser Verhalten nach außen transportiert
werden.

Einstellungen entstehen oder werden beeinflusst von: Personen im


sozialen Umfeld (Familie, Freunde, LehrerInnen, usw.), Medien &
persönlichen Alltagserfahrungen.
Vorurteile

Vorurteile = besondere Form der Einstellung

• Vorurteile basieren auf voreiligen Rückschlüssen die zu


fehlerhaften Verallgemeinerungen führen.
• Sie sind ungerechtfertigt, da sie unabhängig unserer Erfahrungen
gefällt und nicht hinterfragt werden.
• Ziel sind meist: Sachverhalte & Gruppierungen bzw. deren
Mitglieder.
Vorurteile

Stigmata = Körperliche, psychische, charakterliche oder soziale Merkmale


die von der Norm abweichen und als unerwünscht empfunden werden.
• Offensichtliche Stigmata: Rasse, Geschlecht, Körpergewicht, usw.
• Verborgene Stigmata: Krankheit, Sexuelle Orientierung, Religion, usw.

Rassismus: Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder


ethnischen Herkunft.

Sexismus: Diskriminierung des anderen Geschlechts.


Wie wirken sich Vorurteile aus?

Vorurteile beeinflussen unser Denken und Verhalten.

• Sie bestimmen, wie wir Ereignisse wahrnehmen und


interpretieren. Sie verzerren so unsere Wahrnehmung.

• Sie fördern negative Gefühle und provozieren unsere Bereitschaft


aktiv zu diskriminieren.
Ursachen von Vorurteilen

Gesellschaftliche Ursachen wie z.B: „soziale Ungleichheit“.

Kognitive Ursachen wie das denken in Kategorien und


Gruppenzugehörigkeiten wodurch „soziale Kategorisierung“ entstehen
kann, gegen Personen die nicht der Kategorie oder Gruppe angehören.

Emotionale Ursachen wie Arbeitslosigkeit für die man sich weigert die
Verantwortung zu übernehmen und stattdessen einen Sündenbock
präsentiert – „Sündenbocktheorie“
Überwindung von Vorurteilen

Kontakthypothese nach Gordon ALLPORT: „Regelmäßiger intensiver


Austausch mit stigmatisierten Menschen und Gruppen ermöglicht
Vorurteile aufzulösen.“
Geht nur bei: gleichem Status, gemeinsamen Ziel, kooperativer
Arbeit und gemeinsamen sozialen Normen.

Abendgymnasium als Ort für Überwindung von Vorurteilen?


Stereotype
Psychologie / Mag. Christoph Seidl
Entstehung von Stereotypen

Stereotypen entstehen durch die Zusammenfassung von häufig


vorkommenden Merkmalen einer Personengruppe.

Stereotypen entstehen bereits in der Kindheit und werden durch das


Umfeld erweitert.

Autostereotyp = identitätsstiftende Eigenschaften selbstzugeschrieben


Heterostereotyp = Eigenschaften die einer fremden Gruppierung
zugeschrieben werden.
Gruppenarbeit

Bilden Sie drei Gruppen und befassen Sie sich mit unterschiedlichen
Stereotypen. Identifizieren Sie Klischees und suchen Sie Fakten, die Ihre
Stereotype widerlegen. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse.

• Gruppe1: Untersuchen Sie die verschiedenen Berufsstereotype! Diskutieren


Sie das Image klassischer Berufe.

• Gruppe2: Ordnungsliebend wie die Deutschen? Temperamentvoll wie die


ItalienerInnen? Befassen Sie sich mit Nationalstereotype.

• Gruppe3: „Typisch Mann, typisch Frau“ – Analysieren Sie


Geschlechtsstereotype!
Stereotype

Stereotype werden unter anderem durch Witze und Medien


transportiert.

• Kennen Sie ein Beispiel für einen Witz der Stereotype transportiert?

• Wie transportieren Medien stereotypen?


Stereotype

Stereotype und Vorurteile haben eine wichtige Gemeinsamkeit:

Beide haben einen wahrnehmungsverfremdeden Effekt!

Es kommt zu Selbsterfüllenden Prophezeiungen und Negierung


möglicher Alternativen z.B: Frauen können nicht Autofahren
Geschlechtsstereotypen

Stimmen folgende Behauptungen?

Männer gelten als fürsorglich, intuitiv, emotional, harmonie- und


sicherheitsbedürftig

Frauen gelten als dominant, ich-orientiert, aggressiv,


durchsetzungsfähig und zielstrebig
Geschlechtsstereotypen

Geschlechtsstereotypen manifestieren sich bereits im Kindesalter.

Kinder spiegeln dabei nur was sie bei Erwachsenen beobachten.

Wir können dem aktiv etwas entgegensetzen, wenn wir es nicht tun,
fördern wir de facto die Stereotype der nächsten Generation.
Partnerarbeit

Diskutieren Sie folgende Fragen und versuchen Sie sich zu einigen:

• „Typisch Buben! Typisch Mädchen!“ Worauf beruhen soziale


Geschlechtsunterschiede? Erstellen Sie eine Liste von Eigenschaften!
• Verhalten Sie sich geschlechtsstereotyp? Inwiefern? In welchen
gesellschaftlichen Bereichen werden Geschlechtsstereotype
geschaffen?
• Erstellen Sie eine Liste. Was wünschen Sie sich vom anderen
Geschlecht?
Geschlechterrollen

Geschlechterrollen definieren eine gesellschaftliche


Erwartungshaltung. So entstanden „traditionelle“ Rollenbilder:
• Männer: Einkommen, Ernährer, ...
• Frauen: Haushalt, Kindererziehung, …

Geschlechterrollen können anerzogen werden, sind jedoch auch


durch neurologische und hormonelle Unterschiede gekennzeichnet.
Woher kommen Geschlechterrollen

Altsteinzeit = Mann der „Jäger und Sammler“ – Frau zuständig für


Nachkommen und Heim

19 Jahrhundert = aufkommen der Bürgerlichen Gesellschaft vs.


Proletariat

19 - 20 Jahrhunderts = Einsetzen der Frauenbewegungen


Grundgesetz

(2) 1. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. 2. Der Staat fördert


die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen
und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hin.

Sind Männer und Frauen gleichberechtigt?


Sex & Gender

Sex = definiert das biologische Geschlecht eines Menschen

Gender = definiert die Geschlechtsidentität und Geschlechtsrollen

In englischer Sprache seit Jahrhunderten verbreitet in den 1950er


Jahren in die Diskussion geraten.
Die Gruppe
Psychologie / Mag. Christoph Seidl
Die Gruppe

Menschen leben seit Anbeginn der Zeit überall auf der Erde in
Gruppen. Dieses Phänomen ist kulturunabhängig.

Eine Gruppe definiert sich durch: Zugehörigkeit,


Interaktionsmöglichkeit, Homogenität, soziale Strukturen, geteilte
Normen
Die Gruppe

Rolle = Gesamtheit der Erwartungen, die an eine Person innerhalb


einer Gruppe herangetragen werden.

Rolle kann durch Geschlecht, Beruf, oder durch


Persönlichkeitsmerkmale definiert sein.

Rollenkonflikt = Wenn wir zu viele Rollen gleichzeitig erfüllen


Die Gruppe

Nennen Sie eine ihrer Rollen und analysieren sie sie:

Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?


Was qualifiziert Sie zu dieser Rolle?
Welche Erwartungen werden an Sie gerichtet?
Von wem werden diese Erwartungen an Sie gestellt?
Welche Rechte und Pflichten gehen mit ihrer Rolle einher?
Haben Sie einen Rollenkonflikt aufgrund ihrer Rolle?
Menge vs. Masse

Wie unterscheiden sich Menge und Masse voneinander?

Eine Menge ist das zufällige Aufeinandertreffen mehrerer Personen


zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Wenn diese Menge beginnt
gemeinschaftlich zu Handeln wird es eine Masse.
Rollenpositionen nach Schindler
Macht Autorität
und Gehorsam
Psychologie / Mag. Christoph Seidl
Macht, Autorität und Gehorsam

„Ich habe nur Befehle befolgt …“

Adolf Eichmann – 1961 bei seinem Prozess in Jerusalem

Hannah Arendt spricht von der „Banalität des Bösen“

Menschen unterwerfen sich dem Zwang zu Gehorsam


gegenüber einer autoritären sozialen Norm, die sogar Töten
als richtiges Verhalten zulassen kann.
Das Milgram Experiment

Welche Ergebnisse, glauben Sie, brachte das Experiment?

a. 72% der Versuchspersonen brachen ab, wenn der Schüler bei 180
Volt zu schreien anfing.
b. 63% der Versuchspersonen gingen bis zum Ende der Voltskala (450
Volt).
c. In erweiterten Ausführungen des Milgram-Experiments wurde ein
signifikantes Maß an Gehorsam bei den Versuchspersonen
festgestellt.
Das Milgram Experiment

Warum haben nur so wenige der Autorität


widersprochen, obwohl bei Widerstand keine
Sanktionen zu erwarten waren?
Das Milgram Experiment

In den Abschlussgesprächen nach dem Experiment rechtfertigten


die Versuchspersonen Ihr Verhalten folgendermaßen:

• „Dann wäre er eben tot gewesen. Ich habe nur meine Pflicht getan.“
• „Der Versuchsleiter trägt den größten Teil der Verantwortung. Ich
machte ja nur weiter …“
• „… und im Interesse der Wissenschaft macht man weiter bis zum
Ende.“
• „Und dann kriege ich von ihm keine Antwort mehr, und ich sagte mir:
Lieber Gott, jetzt ist er tot; also schön, bringen wir ich ganz um.
Und ich machte einfach weiter bis zu 450 Volt.“
Das Stanford-Prison-Experiment

• Philip Zimbardo – 1971


• 24 (psychisch stabile) Collegstudenten meldeten sich freiwillig
• Zufällige Einteilung in „Wärter“ und „Gefangene“
• Personen „verschmolzen mit ihren Rollen“
• Nach 36 Stunden – erster Abbruch
• Abbruch des gesamten Experiments nach 6 Tagen.
Fragen zu den Experimenten

• Wo lassen sich beim Standford-Prison-Experiment Parallelen zum


Milgram-Experiment erkennen?
• In welchen Situationen tendiert der Mensch zu destruktiven
Verhaltensmustern?
• Wo sind die fatalen Folgen des Autorität-Gehorsam-Phänomens im
vergangenen und aktuellen Weltgeschehen bemerkbar?
• Sind die Experimente auf die Realität übertragbar?
Die Welle

• Ron Jones – „The third wave“


• 1 wöchiges Experiment mit
SchülerInnen einer High school
• Jones schaffte eine „Gruppe“
mit Namen, Symbol, Regeln,
• Am 3ten Tag kam es zu erster
Gewalt
• Abbruch am 5ten Tag
Die Welle

Ron Jones über sein Experiment:


„Der größte Schock war für mich, dass ich
dieses Machtgefühl und diese Art der
Anerkennung sehr genossen habe.“
Die Psychologie der Masse

Gustave LE BON – „Massen werden meist von starken


Persönlichkeiten angeführt, die an die Gefühle und Hoffnungen der
Menschen appellieren.“

Massen kennzeichnen sich durch: Anziehungskraft,


Gemeinschaftsseele, Verlust der Individualität
Die Psychologie der Masse

a. Was bewegt verschiedene Menschen dazu, sich einer


Massenbewegung anzuschließen? Welchen Nutzen kann sie einer
(1) gelangweilten, (2) orientierungslosen, (3) instabilen, (4)
ambitionierten Persönlichkeit bieten?
b. Wie lassen sich Menschen mobilisieren? Welche Mittel erweisen
sich als wirkungsvoll um Inhalte an eine breite Masse zu
vermitteln?
c. Was sind die wichtigsten Faktoren, die bei der Mobilisierung
einer Masse (z.B: im Fußballstadion) zum Tragen kommen?

Das könnte Ihnen auch gefallen