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Wer bin ich?

Bleib so wie du bist! Wie oft haben wir es von unseren Freunden zu hören bekommen.
Alles was ich denke, sage und schreibe. Das bin ich!?

Ich bin ein Mensch, weiblich, 16 Jahre alt heiße Elisabeth, ledig, Schüler.
Und dennoch ist mir nicht bewusst, wer ich wirklich bin.

Wenn ich Sie nun frage, wer sie sind, wird ihre automatische Reaktion sein, ihren Namen
zu nennen. Indem Sie ihren Namen nennen, glauben Sie, dass Sie diese Frage
beantwortet haben. Doch die Antwort ist falsch. Ihr Name sind Sie nicht. Dies ist nur eine
Bezeichnung, die ihnen von anderen gegeben wird und mit dem Sie sich identifizieren.
Menschen können und ändern ihre Namen. Doch sie bleiben die gleiche Person.

Was macht das „Ich“ demnach aus?

Jeder Mensch ist ein Individuum, das einzigartig ist. Er hat seine eigenen Gedanken,
verhält sich anderes, handelt anders, hat eine andere Weltanschauung und andere
Vorlieben. Außerdem hat jeder Mensch seine eigenen Charaktereigenschaften,
verschiedene Sorgen, Ängste, Sehnsüchte und Wünsche und muss mit all seinen
Gefühlen zurechtkommen. Jeder Mensch hat ein Ziel. Die Art die individuellen Ziele zu
erreichen, sind bei jedem unterschiedlich. Sowie die Pläne für die Zukunft zum Beispiel
der Job, die Heirat, Familie, sind verschieden. All die Kriterien des Individuums sind im
ständigen Wandel.

Unsere Identität verändert sich im Laufe des Lebens, zum Beispiel durch das Umfeld, die
Religion, Kultur und Medien, welches das „Ich“ sehr beeinflusst. Die Frage, was die
Identität eines Menschen ausmacht, hat die Philosophie schon immer beschäftigt. Kant
sah bekanntlich die Frage „Was ist der Mensch?“ als die Grundfrage der Philosophie an,
der die anderen Leitfragen der Philosophie (Was kann ich wissen, tun und hoffen?)
untergeordnet sind.*¹

In der heutigen Zeit versucht jedes Individuum, sich an die Gesellschaft anzupassen um
so zu sein, wie die anderen. Man unterdrückt das eigene „Ich“, nur um nicht aufzufallen
und wird dadurch zu einem „gestellten Ich“. Demzufolge hat jeder Mensch zwei Seiten.

Es gibt die „gestellte Seite“, die wir in der Öffentlichkeit zeigen, die von der Gesellschaft
wahrgenommen und beurteilt wird. Oft äußern die Menschen ihre Meinung nicht, nur um
einen Streit zu entfliehen. Sie passen sich überall an und machen immer was die anderen
möchten, aber nicht das, was sie selber möchten und werden dadurch zu dem „gestellten
Ich“. Sie sind nicht sie selbst.

Auf der anderen Seite gibt es das „wahre Ich“. Es ist nicht öffentlich und zeigt sich nicht in
der Gesellschaft. Nur der engste Freundeskreis und die Familie kennt es. Denn dort wird
das „wahre Ich“ akzeptiert, so wie es ist. Sie sagen ihm die Meinung, wollen es aber nicht
ändern.

*¹Kant, I. Logik, in: Werke in zehn Bänden, Bd. 5, S. 448; A 26.


Ist der Charakter etwa das „Ich“?

Auch das stimmt nicht. Jeder Charakter ist vielseitig, er wird auch von Außenstehendem
ganz unterschiedlich wahrgenommen. Man könnte glauben, dass man selber nicht weiß,
wer man eigentlich ist, denn man selber versucht sich häufig zu täuschen. Man belügt sich
selber, indem man sich einzureden versucht, bestimmte Charaktereigenschaften zu
besitzen. Es gibt auch bei mir unzählige Täuschungsversuche, in denen ich versucht
habe, gewisse Erlebnisse oder Eigenschaften einzureden. Man versucht der zu sein, der
man sein möchte.

Wenn das „Ich“ also nicht unser Aussehen bezeichnet, zudem auch nicht unser Charakter
und unser Verstand. Was ist dann das „wahre Ich“?
Mit dieser Frage beschäftigen sich viele wissenschaftliche und gesellschaftliche Bereiche.
Beispiele hierfür sind: die Pädagogik, die Religion und die Philosophie.

Im pädagogischen Bereich spricht man von der Identität, die zum größten Teil durch die
Erziehung und Ereignisse in der Kindheit beeinflusst wird.

Die Religion spricht von der Einmaligkeit des „Ichs“. Wir alle sind von Gott erschaffen und
in unsere Schöpfung einzigartig. Das Ebenbild Gottes sind wir und die Religion nennt das
Leben, das „Ich“, ein einmaliges Geschenk. Sie sagen außerdem, dass das Gewissen
unser „Ich“ bildet.

In der Philosophie gehen die Gedanken über diese Aussage noch weiter auseinander. Sie
würden sich fragen: „Was ist das Gewissen überhaupt?“ Für Descartes war nichts
gewisser, als selbst ein denkender Geist zu sein, daher die bekannte Schlussfolgerung
„cogito, ergo sum“- „Ich denke, also bin ich.“

Doch bin ich wirklich meine Gedanken?

Es gibt Momente, an denen man nicht denkt, sondern einfach im Seien ist. Es gibt Pausen
und Stille. Wenn kein Gedanke auf den Spiegel unseres Bewusstseins projiziert werden
hören wir nicht gleich auf zu existieren. Gedanken kommen und gehen. Wenn wir laut
Descartes, unsere Gedanken sind, welche Gedanken sind gemeint? Etwa unsere
Überzeugungen? Überzeugungen ändern sich. Wir bleiben. Es wäre also fair zu sagen,
wir haben Gedanken, aber wir sind nicht unsere Gedanken.

Der sogenannte „innere Kern“ spielt aber eine viel wichtige Rolle. In jedem Menschen ist
eine Macht verborgen, die den Kern seines inneren Wesens ausmacht. Die Seele ist der
letzte unverwechselbare und unverfügbare Kern eines Menschen. Die Seele gilt in vielen
Kulturen als Essenz des Lebens, das Ich oder das Selbst. Aristoteles bezeichnete die
Seele als Kraft, die Vorstellungen erzeugt und denken kann.

Sie kennt die Antwort auf die große Lebensfrage: Wer bin ich und wozu das Ganze? Durch
Erfahrungen und Prägungen haben wir sie jedoch klein gemacht, blockiert oder gar
unterbunden. Uns wurde beigebracht, der Seelenkraft und ihren Botschaften nicht zu
vertrauen, sie zu ignorieren. Wir haben erfahren, dass es gar gefährlich sein kann, wenn
wir ihr lauschen, nach ihr leben, stolz auf sie sind oder sie gar nutzen. Und so ist die
Seelenkraft vielen von uns abhandengekommen. Zumindest scheint es so. Doch die
Seelenkraft kann uns nicht verloren gehen.
Meiner Meinung nach gibt es auf die Frage nach dem „Ich“ keine Antwort, denn jeder
würde etwas anderes sagen, jeder hat eine andere Auffassung des „Ichs“. Einige
hinterfragen das „Ich sein“, machen sich Gedanken darüber, aber andere akzeptieren es
nur. Das wahre „Ich“ ist für mich unser Geist, unserer Seele. Man wird beeinflusst,
manipuliert und verliert sich ab und zu selber. Was sich jedoch nie verändert ist die Seele.
Um mit ihr in Einklang zu leben, erfordert es viel Ruhe und Geduld. Die Seele stellt ein
Gleichgewicht her und wenn dieses Gleichgewicht existiert, spüren wir wer wir wirklich
sind. Jeder einzelne für sich.

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