2 POLITIK & GESELLSCHAFT
Dienstag, den 15. April 2008
Vom Recht auf
Meinungsfreiheit
Die Association pour la vie et
contre l'euthanasie nimmt mit
Erstaunen eine Stellungnahme
der Association pour le droit de
mourir dans la dignité (ADMD)
zur Kenntnis. Ende vergangener
Woche hatte die ADMD auf der
RTL-Internethomepage eine An-
zeige geschaltet, in der sie die
Unterzeichner der Initiative „Eu-
thanasie: Neen! – Palliativ: Jo!“
davor warnte, mit ihrer Unter-
schrift eine Aktion zu unterstüt-
zen, die verfassungswidrig sei.
Ausdrücklich heißt es, der
Staatsrat habe für beide Gesetze
die Dispens vom zweiten Votum
verweigert und damit eine in-
haltliche Diskussion anlässlich
der zweiten Lesung ausge-
schlossen.
Bei dieser Behauptung muss es
sich wohl um eine bewusste Ir-
reführung handeln.
Vom rechtlichen Standpunkt aus
sind bei der zweiten Lesung alle
Möglichkeiten offen: Bestätigung
der beiden Texte, Ablehnung der
beiden Texte, Modifizierung der
beiden Texte, Bestätigung eines
Textes und Ablehnung bzw. Mo-
difizierung des anderen usw.
Es dürfte in einer demokrati-
schen Debatte also jedem Bürger
frei stehen, sich für die eine oder
andere Lösung einzusetzen. Die
Palliativ-Befürworter weisen in
einer Stellungnahme darauf hin,
dass der Staatsrat durch seine
Dispens-Verweigerung Parla-
ment und Land eine dreimona-
tige Bedenkzeit ermöglichte, die
zum Nachdenken und zum Mei-
nungsaustausch genutzt werden
sollte. Die von der Verfassung
vorgesehene Möglichkeit eines
solchen Wechselprozesses sei
Teil unseres demokratischen
Systems.
Daher spiegele die Stellung-
nahme der ADMD ein sonderba-
res Verständnis der Meinungs-
freiheit wider. Die über 4 900
Bürger, die sich bislang der Ak-
tion angeschlossen haben, hätten
von ihrem Recht auf Meinungs-
äußerung Gebrauch gemacht.
Die Seniorenvereinigung der
Christlich-Sozialen Volkspartei
spricht sich derweil für eine
schnelle Verabschiedung des
Gesetzentwurfs über die Sterbe-
begleitung (Palliativmedizin)
aus. „Gerade die liebevolle
Zuneigung bei der Palliativpflege
sichert uns allen das Menschen-
recht, in Würde die letzte
Lebenszeit zu verbringen“,
schreiben die christlich-sozialen
Senioren in einer Pressemittei-
lung. (C.)
Zum Nachdenken
Sport und Verantwortung
Zu keiner Zeit besaß der Sport in
seiner gesellschaftlichen Erschei-
nung eine politische Unschuld,
weil er seit ehedem innerhalb
sozialer Systeme stattfindet und
deren Konstellationen ausgelie-
fert ist. Er kann sich ihnen nicht
entziehen. Dass sich viele Sport-
begeisterte und Sporttreibende
nicht für Politik interessieren,
sondern von ihr Ablenkung und
Zerstreuung suchen, entbindet
den Sport nicht von seiner politi-
schen Verantwortung.
Andreas Öhler
Rheinischer Merkur,
10. April 2008
Luxemburger Wort
Entwicklungszusammenarbeit
Klein und trotzdem groß
Langfristig will Luxemburg ein Prozent des BIP in die Entwicklungshilfe investieren
VON DANI SCHUMACHER
Global gesehen ist die Luxembur-
ger Entwicklungshilfe eher ein
Zwerg, doch gemessen am nationa-
len Reichtum liegt das Großherzog-
tum im Spitzenpeloton. Insgesamt
flossen 2007 mehr als 266 Millio-
nen Euro in die Dritte Welt, das
entspricht einem Anteil von 0,9
Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Erst vor wenigen Tagen beklagte
die Organisation für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (OECD) einen merkli-
chen Rückgang bei der Entwick-
lungshilfe. Die 22 Länder des Ent-
wicklungshilferates investierten
im vergangenen Jahr 103,65 Milli-
arden US-Dollar in der Dritten
Welt. Gegenüber 2006 ist dies ein
Minus von immerhin 8,4 Prozent.
Während andere Länder in ih-
rer Spendenbereitschaft nachlas-
sen, gilt Luxemburg nach wie vor
als Musterknabe. Im Mai 2005
hatte sich die Europäische Union
unter luxemburgischem Ratsvor-
sitz zum Ziel gesetzt, ihren Anteil
an der Kooperationshilfe bis 2015
auf 0,7 Prozent am Bruttoinlands- Weg von der Geber-Nehmer-Mentalität: Bei der Entwicklungszusammenarbeit steht die Partnerschaft im Mittelpunkt.
produkt anzuheben. Als Zwi- Dank der Hilfe zur Selbsthilfe konnten Länder wie etwa Vietnam vom Entwicklungsland zum Schwellenland
schenstation wurde 2010 festge- aufsteigen. (FOTO: REUTERS)
halten. Bis zum Ende des Jahr-
zehnts soll die Quote 0,56 Prozent nerschaft statt Geber-Nehmer- Nationen (PNUD). Dabei werden und in Albanien ein Wasserpro-
des BIP ausmachen. Als eines der Mentalität heißt deshalb die Devi- verschiedene Kriterien berück- jekt finanziert.
wenigen Länder erreicht das se. sichtigt. Zum einen spielt die
Großherzogtum schon heute die- Als Zielländer der luxemburgi- durchschnittliche Lebenserwar- Oberstes Ziel:
ses ehrgeizige Ziel: 2007 gab das schen Entwicklungshilfe gelten tung in den Ländern eine Rolle. Bekämpfung der Armut
Land immerhin 0,9 Prozent des Burkina Faso, die Kapverdischen Dann wird das Bildungsniveau be- So vielfältig die Projekte auch sein
Bruttoinlandprodukts für die Ent- Inseln, Mali, Namibia, Niger, Se- wertet und schließlich wird das mögen, oberstes Ziel der Entwick-
wicklungshilfe aus. In diesem Jahr negal, El Salvador, Nicaragua, reale Prokopfeinkommen der lungszusammenarbeit ist und
sollen es 0,91 Prozent werden, Laos und Vietnam. Die pa- Länder herangezogen. bleibt der Kampf gegen die Armut.
langfristig strebt die Regierung die lästinensischen Ge- Sämtliche Zielländer Damit liegt Luxemburg auf der Li-
Ein-Prozent-Marke an. biete gelten nicht di- rangieren in der nie der Millennium-Ziele: Im Jahr
Mit 0,9 Prozent liegt Luxem- rekt als Zielland zweiten Hälfte des 2000 hatten sich die Staats- und
burg in der EU hinter Schweden der Luxemburger HDI-Rankings. So Regierungschefs darauf verstän-
(0,93 Prozent) auf dem ausge- Kooperationshil- belegte beispiels- digt, die Armut in der Welt bis 2015
zeichneten zweiten Platz. Dahin- fe, kommen aber weise Burkina zu halbieren.
ter rangieren Dänemark und die dennoch in den Faso 2007 den Die Luxemburger Entwicklungs-
Niederlande mit jeweils 0,81 Pro- Genuss einer ge- vorletzten Platz, hilfe unterstützt gezielt Projekte in
zent. Den weltweiten Spitzenplatz zielten Förderung. Niger brachte es auf den Bereichen Gesundheit, Bildung
nimmt laut OECD Norwegen ein, 2006 wurden in den Rang 174 und Mali 173 und Ausbildung, berufliche Ein-
das es auf einen Anteil von 0,95 palästinensischen Ge- von 177. Am besten gliederung und lokale Entwicklung.
Prozent bringt. bieten verschiedene Pro- schneiden noch die Kap- Ein besonderes Augenmerk wird
Ersten, provisorischen, Berech- jekte mit insgesamt 3,5 Millionen verdischen Inseln (102), El Salva- auf Projekte im Bereich der Mikro-
nungen zufolge investierte Lu- Euro unterstützt. Da Namibia, El dor (103) und Vietnam (105) ab. Finanz gelegt.
xemburg im vergangenen Jahr Salvador und Vietnam merkliche Die Entwicklungshilfe be- Für die Realisierung und die
266 386 166 Euro in die Entwick- Fortschritte verbuchen können schränkt sich aber nicht nur auf Ausarbeitung der einzelnen Pro-
lungszusammenarbeit, 2004 wa- und nicht mehr als klassische Ent- die Zielländer. Bilaterale Abkom- jekte ist die Agentur für Entwick-
ren es erst 188 981 534 Euro. Allein wicklungsländer gelten, wird sich men bestehen mit Albanien, Mon- lungszusammenarbeit „Lux-Deve-
24,4 Millionen Euro flossen in die Luxemburg längerfristig aus die- tenegro, Serbien, Kosovo, Afgha- lopment“ zuständig. Die Agentur
Direkthilfe für Katastrophenfälle. sen drei Ländern zurückziehen. nistan, China, der Mongolei, arbeitet im Auftrag des Ministeri-
Hinzu kommen dann noch die Gel- Bei der Auswahl der Zielländer Ekuador, Peru, Marokko, Tune- ums und hat den Statut einer Ak-
der der Hilfsorganisationen. Sie basiert sich das Ministerium für sien und Ruanda. So unterstützt tiengesellschaft. Mehrheitsaktio-
brachten 2006 immerhin Entwicklungszusammenarbeit auf Luxemburg beispielsweise in der när ist der Staat mit 98 Prozent der
6 560 000 Euro aus Eigenmitteln das sogenannte „Human Develop- Mongolei ein Projekt zur Diag- Aktien, zwei Prozent hält die „so-
auf. ment Index“ (HDI) des Entwick- nose von Herzkreislauferkran- ciété nationale de crédit et d'inves-
lungsprogramms der Vereinten kungen, in Ruanda wird ein Aids- tissement“.
Gelder möglichst
effizient einsetzen
Damit die Gelder möglichst effi- Die Zielländer *
zient eingesetzt werden können,
konzentriert das Ministerium für Senegal 11 654 753 Euro
Entwicklungszusammenarbeit Cap Vert 10 946 494 Euro
seine Unterstützung auf zehn Ziel- Vietnam 9 178 104 Euro
länder, mit denen sogenannte Burkina Faso 8 364 123 Euro
„Programmes indicatifs de coopé- Niger 8 168 032 Euro
ration“ (PIC), die über mehrere El Salvador 8 160 914 Euro
Jahre laufen, abgeschlossen wer- Mali 7 527 886 Euro
den. Die Hilfe wird gezielt auf die Nicaragua 7 463 220 Euro
Bedürfnisse in den einzelnen Län- Namibie 5 961 178 Euro
der zugeschnitten. Damit dies Laos 5 417 192 Euro
auch gelingt, werden die Akteure
vor Ort bei der Ausarbeitung der * Alle Angaben beziehen sich auf 2006.
Projekte stark eingebunden. Part-