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Gottes Wort erneuert Menschen ...

Vortragsreihe von Stephan Mütschard, Pachuca/Mexiko, während der Süddeutschen Tagung in


Villingen 1996

Der Autor, missionarischer Mitarbeiter bei der FMIB (Freunde mexikanischer Indianer-
Bibelzentren), ist verantwortlich für die theologische Fernbibelschule TEE.

Vorbemerkung des Autors:

In den neutestamentlichen Briefen des Apostels Paulus ist wiederholt zu beobachten, dass sie
aus zwei Teilen bestehen: Im ersten wird der unsichtbare „theoretische" Hintergrund des
Glaubens erklärt, und der zweite Teil kommt zu den handgreiflichen „praktischen" Auswirkungen,
die „das Christsein" ausmachen. Die Reihenfolge ist bei Paulus aber we-niger eine literarische
Konstruktion als vielmehr wesensmäßiger Ausdruck der Tatsache: Christsein hat nicht den
Menschen, sondern Gott zum Mittelpunkt. Wenn es bloß um die „christliche Moral" ginge, hätte
Jesus gar nicht Mensch werden und am Kreuz sterben müssen. Denn Nächstenliebe, sogar bis
hin zur Feindesliebe, waren als göttliche Gebote schon vorher - im Alten Testament - geoffenbart.
Jeder Mensch muss mit Gott in Ordnung kommen, im „Frieden" sein durch eine persönliche, von
Gott einmalig gewirkte Bekehrung und Neugeburt. Dies ist erst möglich geworden durch Jesus
Christus. Von da an wohnt Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist in einem Menschen. Das ist es,
was ihn zum „Christen" macht. Die Auswirkungen davon, die erwähnte Menschenfreundlichkeit,
bezeichnet die Bibel als „Frucht", die der Heilige Geist wirkt.

Ein Kirschbaum findet seine Erfüllung darin, dass er Frucht bringt. Doch die Kirschen sind nicht
denkbar ohne Baum mit Blättern und Ästen, der sich durch die Wurzeln ernährt. So verhält es
sich auch mit dem Thema „Gottes Wort erneuert Menschen - vom Einzelnen zur Gesellschaft",
das die Vortragsreihe in Villingen beendete. Es kann inhaltlich nicht von den drei davor
beleuchteten Themen getrennt werden. Darum zunächst eine Kurzfassung der drei ersten
Themen.

... vom Gedanken zur Tat

Gott erneuert den Einzelnen, und zwar zuerst in seiner Stellung vor Gott. Jesus ersetzt die
Verlorenheit und Angst eines Menschen mit Gerettet- und Angenommensein. Diese neue
Beziehung zu Jesus verwandelt das Innere eines Menschen, sein „Herz". Das ist die
Schaltzentrale des Menschen, wo Werte und Prioritäten geändert werden. Gott ist bloß formalen
Richtigkeiten und äußerlichem Wohlverhalten abgeneigt - erkennbar daran, wie er über Opfer
(Jes. 1, 10 - 17) und Beschneidung redet (Röm. 2, 17 - 29). Diese Erneuerung schafft Gott
grundsätzlich und augenblicklich in der Wiedergeburt.

... vom stumpfen zum geschärften Gewissen

Jesus beginnt in uns eine fortschreitende Erneuerung, und zwar durch Wort und Geist. Die
Motivation dazu ist die Tatsache, dass der Wille Gottes unsere Heiligung ist, ein Umgestaltet-
Werden in das Bild Jesu. Der Fortschritt in diesem Prozess der Erneuerung hängt direkt von
unserer Mitarbeit ab, weil wir nicht Marionetten sind, sondern Gott uns dafür verantwortlich
macht.

... vom Vorsatz zur Durchführung


Hier gibt es bei Christen immer wieder Schwierigkeiten, nachdem die Grundlagen gelegt worden
sind. Denn wenn ich Jesus als Retter annehme, motiviert mich ein bestimmter Egoismus: „Ich will
nicht verloren gehen!" oder - „Der Glaube an Jesus baut mich auf und verhilft mir zu dem, was ich
ohne Jesus nicht ge-schafft hätte." Gott nimmt diese Selbstsucht nicht übel - er kann ja nichts
Edleres von mir erwarten. Doch er will mich von meiner Nabelschau weg auf ihn hin ausrichten
und in mir die Sehnsucht wecken: „Wie kann ich Ihm dienen? Was ehrt Ihn? Wie will er Seine
Herrschaft in mir und durch mich aufbauen?"

... vom Einzelnen zur Gesellschaft

Biblischer Vortrag über 1. Thess. 1, 1 - 8

Auf dieser Basis wird nun unter der Anweisung durch Gottes Wort unser Leben, Denken, Reden
und Handeln in jedem Bereich gestaltet, verändert, etwa in den Bereichen Familie, Arbeit,
Nachbarn, Ausbildung, Politik, Kultur, kurz: Gottes Erneuerung des Einzelnen will sich ausweiten
auf die Gesellschaft. Die-se Erneuerung wird als „Erweckung" bezeichnet. In solchen
Erweckungsgebieten stecken einzelne Menschen ande-re an, der Ausbreitung einer Epidemie
(wörtlich „das ganze Volk erfassend") ähnelnd. Die Ausbreitung ist auch mit einem Feuer
vergleichbar, das um sich frisst. So kann auch eine Evangeliums-Erweckung eine ganze
Gesellschaft verändern, zum Positiven hin.

1. Evangelium - wie der Virus einer Epidemie?

Das neue Leben, das Jesus einem Menschen schenkt und mehr und mehr auch im Sichtbaren
verwirklicht, hat ansteckende, sich ausbreitende Kraft. Darauf wird im Neuen Testament immer
wieder hingewiesen. Das Reich Gottes ist in der Welt wie Sauerteig, der nach und nach den
ganzen Teig durchsäuert (Mt. 13, 33). Es wird davon ausgegangen, dass sich mehr und mehr
Menschen der Herrschaft Jesu unterstellen (Mt. 24, 14; 28, 29), bis schlussendlich eine
„unzählbare Schar aus jeder Nation und aus Stämmen, Völkern und Sprachen" vor Jesus steht
und ihn als die Erlösten anbeten (Offb. 7, 9 - 10).

Es fehlt aber auch nicht die andere Sei-te, nämlich dass wenige auf den schmalen Weg gelangen
(Mt. 6, 14) und dass sie diesen Weg unter Verfolgung und Widerstand gehen. Dazu passt, dass
sich das Tausendjährige Reich nicht aus dem gegenwärtigen Zeitalter emporentwi-ckelt, ähnlich
einem Einmannbetrieb, der sich zu einem internationalen Konzern ausgestaltet. Vielmehr
zeichnet die Bibel eine Verschlechterung der Bedingungen: „Die Ungerechtigkeit wird überhand
nehmen" (Mt. 24, 12) und „es kommt die Nacht, da niemand wirken kann" (Joh. 9, 4), und nur
weil Gott eingreift und Jesus sichtbar wiederkommt, wird dieser universalen Talfahrt ein En-de
bereitet. Sogar die Gläubigen sind in Gefahr, mit hingerissen zu werden. Des-halb verkürzt Gott
diese Zeit (Mt. 24, 22).

2. Wie nimmt das Evangelium Einfluss auf die Gesellschaft?

Paulus predigte in der Synagoge der Hafenstadt Thessalonich (Apg. 17, 1-10), wo sich Juden
und Proselyten versammelten. In kurzer Zeit kamen „eine große Menge Griechen und nicht
wenige der vornehmsten Frauen" zum Glauben an Jesus Christus. Das erweckte den Zorn
derjenigen, die Jesus ablehnten. Sie brachten die ganze Stadt in Aufruhr. Noch in derselben
Nacht wurden Paulus und seine Mitarbeiter von den neuen Christen in Sicherheit gebracht und
verließen die Stadt. Besorgt um das Wachstum ihres Glaubens schreibt Paulus ihnen bald darauf
den ersten Thessalonicherbrief. Darin bescheinigt er ihnen (1. Thess. 1, 6 - 7), dass sie „das Wort
Gottes in viel Drangsal mit Freude des Heiligen Geistes aufgenommen" haben, so dass sie „allen
Gläubigen in Mazedonien und Achaja zu Vorbildern geworden" sind. Das, was das Evangelium
an den Einzelnen getan hat, hat sich durch die ganze Region wie ein Lauffeuer ausgebreitet. Alle
wissen von der geistlichen Erneuerung, die in Thessalonich gesche-hen ist. „Dass ihr euch von
den Götzen zu Gott bekehrt habt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn
aus den Himmeln zu erwarten, den er aus den Toten auferweckt hat, Jesus, der unser Retter vor
dem kommenden Zorn ist" (1. Thess. 1, 9. 10). Keine moralische Aufrüstung war geschehen,
sondern eine entscheidende Änderung im geistlichen Urteilsvermögen. Sie hatten erkannt, dass
sie bisher nur eigene Produkte, Götzen aus Steinen, angebetet hatten. Von ihnen hatten sie sich
abgewandt und sich dem lebendigen Gott zugewandt, um ihm zu dienen.

Dies ist ein sehr bekanntes Beispiel der Dynamik des Wortes Gottes und seines Einflusses auf
eine Gesellschaft. Lukas betont in seiner Berichterstattung die große Anzahl der gläubig
Gewordenen und ebenso ihre soziale Stellung. Doch hatte dies nicht zur breiten
gesellschaftlichen Anerkennung des christlichen Glaubens geführt. Trotzdem hat die radikale
Veränderung des Lebens der jungen Christen in der ganzen Region Schlagzeilen gemacht.

Die Frage, wie das Evangelium Einfluss auf die Gesellschaft nimmt, wird durch drei
Beobachtungen beantwortet:

a) Es fordert zur Stellungnahme heraus. Es geht sogar dahin, dass es die Gesellschaft polarisiert
und Spannung aufbaut.

b)Das Evangelium gelangt vom Einzelnen zu vielen Einzelnen der Gesellschaft. Anders
ausgedrückt: Es weitet sich insofern in der Gesellschaft aus, als dass sich immer mehr Individuen
der Herrschaft Gottes unterstellen.

c) Auch wenn die Christen nicht die geachtete Mehrheit darstellen, im Gegenteil, auch wenn sie
durch Verfolgung und Schikanen gehen müssen, hat ihr Lebenszeugnis seine
grenzüpberschreitende Wirkung.

Ein Beispiel aus Mexiko soll dies verdeutlichen. Unverhohlen wird man beim Bezahlen einer
Rechnung gefragt, ob sie Steuern enthalten solle. Verneint das ein Kunde - und das tut er, weil er
sich so weitere Kosten von 15% spart - , wird diese Einnahme nicht versteuert. Wie verhalten
sich Christen? „Keiner nimmt es so genau", hört man als Antwort. Außerdem ist es bittere
Wahrheit, dass in den öffentlichen Kassen horrende Summen veruntreut werden. „Das bringt
doch nichts, wenn ich treudoof meine Steuern bezahle und `die da oben' es doch in die eigene
Tasche stecken!" Und doch wird der bodenlosen Korruption nie Einhalt geboten, wenn Christen
nicht auch hier wahrhaftig werden.

Es ist dieselbe ethische Entscheidung, dem Gebot zu gehorchen „Du sollst nicht stehlen", egal,
ob der mexikanische Präsident Salinas de Cortari Volkseigentum in Milliardenhöhe raubt und in
Schweizer Privatkonten unterbringt oder ob ein Vor-sitzender eines Indianerdorfes einen Teil der
Zementlieferung, die zum Bau von Stützmauern bei von Erdrutsch bedrohten Stellen der Straße
vorgesehen ist, seinem Sohn zukommen lässt, weil der sich gerade sein Haus bauen will.

Ob eine Gesellschaft überlebt (und das nicht auf aufgrund der Ausbeutung der Schwächeren),
hängt entscheidend davon ab, ob sie die Gebote Gottes achtet, dass die schwächeren Glieder
der Gesellschaft geehrt und geachtet werden (Ältere, Waisen, Witwen); dass die Ehe, das
Eigentum und die Wahrhaftigkeit geschützt werden.

3. Wachstumsschmerzen

Es fällt auf, dass bei einer Erweckung auch Widerstand auftritt. Paulus hebt hervor, sie hätten
das Evangelium angenommen „in viel Drangsal mit Freude des heiligen Geistes" (Vers 6). Diese
Drangsal rührt vor allem auch daher, dass sich die Gesellschaft über die Bekehrten ärgert, weil
sie merkt, wie sehr die Betreffenden „aus der Reihe tanzen". Sie schauen nicht mehr wie bisher
nach links oder rechts, weil sie ja wissen, dass Jesus der einzig Wahre ist. Das erwähnt Paulus
im nächsten Kapitel: „Ihr habt das Wort des Evangeliums nicht als Menschenwort gehört, sondern
als Wort Gottes, was es auch in Wahrheit ist" (1. Thess. 2, 13).

Die treibende Kraft für Erweckung ist Gottes Wort, nicht dagegen menschliche Macht. Zwar nennt
die Bibel auch gesellschaftliche Autoritäten wie Könige, die Reformen durchsetzten, aber die
treibende Kraft dafür war die Betroffenheit, die Gottes Wort bewirkt hatte. Israels König Josia
wurde ein verstaubtes Buch gebracht. Als er es gelesen hatte, wusste er, dass das nicht einfach
ein altes Kulturprodukt war, sondern dass Gott durch sein Gesetz zu Israel redete. Aus tiefster
Betroffenheit hat er eine Staats- und Glaubensreform ohnegleichen in Jerusalem eingeführt. „Vor
Josia gab es keinen König wie ihn, der zu dem Herrn umgekehrt wäre mit seinem ganzen Herzen
und mit seiner ganzen Seele und mit seiner ganzen Kraft nach dem Gesetz des Mose. Und auch
nach ihm ist seinesgleichen nicht aufgestanden" (2. Kön. 23, 25). Ähnliches geschah, als der
Prophet Jona nach misslungener Flucht endlich nach Ninive gelangte und auf der Straße Gottes
Gericht ankündigte. Nachdem seine Botschaft auch den König von Ninive erreicht hatte, ordnete
dieser im ganzen Volk innere Umkehr mit erkennbaren Zeichen an, indem sogar die Tiere fasten
mussten. Gottes Wort war Auslöser und treibende Kraft.

Die pluralistische Gesellschaft erträgt zwar auch Extreme, lehnt aber jeglichen missionarischen
Eifer als religiösen Fanatismus ab. Das geschieht nach dem Motto: „Du darfst glauben, was du
willst, Hauptsache, das Ergebnis ist angenehm. Wenn du diese Einbildung eines Gottes als Trost
brauchst, um dich nicht erhängen zu müssen, sei es dir zu-gestanden. Aber lass uns damit in Ru-
he!" Ein Christ braucht sich jedoch durch solch einen Verweis nicht einschüchtern zu lassen; die
Wahrheit des Evangeliums wird dadurch nicht beeinträchtigt. Deshalb kann er immer wieder den
missionarischen Schritt wagen, auch wenn ihm gesellschaftliche Nachteile daraus erwachsen.
Der Apostel Petrus ermutigte seine Briefleser: „Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet über
dem Namen Christi; denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch.
Niemand aber unter euch leide als ein Mörder oder Dieb oder Übeltäter oder der in ein fremdes
Amt greift. Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, sondern ehre Gott mit diesem
Namen" (1. Petr. 4, 14 - 16).

Echte Erweckung ist immer Frucht des Heiligen Geistes: „Unser Evangelium erging an euch nicht
nur im Wort allein, sondern auch in der Kraft und im heiligen Geist und in großer Gewiss-heit"
(Vers 5). Das widerspricht nicht der Aussage, dass Gottes Wort Menschen erneuert. Denn der
Heilige Geist ist der Autor des geschriebenen Wortes Gottes. Dieses ist also kein totes Wort,
nicht allein „Buchstabe", sondern der Geist (2. Kor. 3, 3.6). Deshalb muss der Einzelne dem Wort
Gottes unter dem Einfluss des Geistes Gottes gehorchen.

Abwehrmechanismus

Doch die entscheidende Frage ist, in welchen Lebensbereichen der Einzelne nun erneuert
werden muss, was dann auch Auswirkungen hat auf „die Gesellschaft", nämlich direkt auf die
Leute um uns her. Die Bibel macht uns in vielen Beispielen deutlich, dass Sünde nie Privatsache
ist. Augenfällig wird es jedem, wenn Leute der christlichen Öffentlichkeit in Ehebruch oder
Scheidung leben. Tatsache ist, dass die Leute um mich her früher oder später spüren, ob auch
mein verborgenes geistliches Leben stimmt, ob ich reagiere auf das Mahnen des Heiligen
Geistes.

Wenn es um persönliche konkrete Veränderung geht, kommt alles auf die persönliche
Aufrichtigkeit an. Leider sind wir geneigt, uns selber was vorzumachen und auch denen, die uns
helfen wollen. Jemand, der schlicht auf der Basis der Bibel ermahnen will, sieht sich fast genötigt,
ausgetüftelte psychologische Fragemethoden einzusetzen, um diese Mauer der Lügen zu
durchbrechen. Spricht man den Bereich der Ehe an, so entgegnet der Betreffende: „Trifft mich
nicht. Wir haben ein gute Ehe. Wir verstehen uns, wir lieben einander, wir achten uns." Weist
man auf den Berufsbereich hin, so kann die Antwort lauten: „Wir arbeiten in guter Atmosphäre
zusammen. Ich bin als Christ geachtet und leiste meinen Beitrag zum Gelingen des Betriebs. Ich
veruntreue nichts, nutze die Arbeitszeit aus, bin konstruktiv und kooperativ." Beim Stichwort
„Kindererziehung" hört man: „Wir beten mit unseren Kindern, wir lieben sie, auch die, die den
Glaubensweg nicht gehen. Wir halten ihnen die Tür auf, und sie können mit ihren rebellischen
Gedanken und Plänen immer nach Hause kommen."

Eins steht jedoch fest, nämlich dass Gott jeden Einzelnen heiligen möchte: „Er selbst aber, der
Gott des Friedens, heilige euch völlig, und vollständig mö-ge euer Geist und Seele und Leib
untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch
beruft, er wird es auch tun" (1. Thess. 5, 23). Jesus will sich selbst in uns abbilden. Hier ist die
Ehrlichkeit des Lesers gefragt, um Erneuerung zu erhalten. Paulus schreibt von seiner Fürbitte
für die Thessalonicher in Kap. 1, 2. Damit seine Briefleser wissen, dass Gott selber an ihnen
arbeiten will, schließt er das Kapitel so: „Treu ist der, der euch beruft. Er wird es auch tun" (Vers
24).

Warum nicht gleich jetzt?

Miteinander über geschehene Kränkungen oder festgefahrene Beziehungen zu reden, ist sehr
schwer für Verwandte. Aber nur durch eine Aussprache kann Erneuerung stattfinden, in der
irgendwann der Satz fällt: „Bitte vergib mir!" Ehegatten untereinander oder Eltern einem Kind
gegenüber sollten keine Gelegenheit zu solch einem Gespräch auslassen. Zuerst denkt man:
„Schwamm drüber! Ich habe ja nur aus eigener Ehrsucht empfindlich reagiert. Das gibt sich
irgendwann wieder." Verwandte wagen es oft nicht, sich die Wahrheit zu sagen, zumal, wenn sie
miteinander unter einem Dach wohnen. Christen haben jedoch durch den Umgang miteinander
aus Gottes Wort gelernt: „Ich muss mit dem noch eine ganze Ewigkeit unter Gottes Himmelsdach
aushalten. Warum dann jetzt nicht die Verhältnisse in Ordnung bringen?" „Euch aber mache der
Herr reich und überströmend in der Lie-be gegeneinander und gegen alle, um eure Herzen zu
festigen, untadelig in Heiligkeit zu sein vor unserem Gott und Vater unseres Herrn Jesus mit allen
seinen Heiligen" (1. Thess. 3, 13). Diese Ewigkeitsperspektive ist die richtige, und zu ihr will der
Thessalonicherbrief auch für alltägliche Dinge verhelfen.

Gott selber will die heiligen, die Jesus Christus vertrauen. „Heiligen" bedeutet „zweckbestimmen",
ausrichten, von Sünde trennen, weihen, dem lebendigen, dreimal heiligen Gott zueignen. „... er
heilige euch durch und durch. Möge euer Geist, Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der
Ankunft unseres Herrn". Die Begriffe Leib, Seele, Geist umschließen alle Lebensbereiche.
Christen betreiben weit mehr als Umweltschutz: Sie wollen Innenweltschutz, und der beginnt
beim „Geist", dem Denkvermögen. Dennoch sind sie nicht einer fälschlich sogenannten
„intellektuellen Redlichkeit" verpflichtet, sondern „... nehmen jeden Gedanken gefangen unter den
Gehorsam Christi ..." (2. Kor. 10, 6). Gott will auch die „Seele" heiligen, also das Wollen und
Fühlen. Da ist es zum Beispiel wichtig, aufflammenden Hochmut Gott zu unterstellen. Gott will
„durch und durch" heiligen, also ganzheitlich am Einzelnen arbeiten. Darum darf der Jünger
Christi beten: „Herr Jesus, ich möchte völlig dir geheiligt sein", und das ist der Anfang dafür, Gott
ganz ausgeliefert zu sein, nach Leib, Seele und Geist. Das wird Auswirkungen haben.

Praktische Auswirkungen

Ein Beispiel mit „Langzeitstudien" gibt uns die Auffassung der Arbeit. In der Katholischen Ethik ist
die Tätigkeit der Geistlichen geistlicher und heiliger als die normale bürgerliche Arbeit, die eher
als ein Fluch ertragen und als notwendiges Übel ausgeführt wird, wie es der gefallenen
Schöpfung entspricht. Die protestantische Arbeitsauffassung erkennt, dass jede Tätigkeit „für
Gott" (Kol. 3, 23) getan werden soll, also eigentlich Gottesdienst ist. So wurden pro-testantische
Regionen auch wirtschaftlich stark. Die Wirtschaftskraft der USA ist bestimmt zu einem sehr
großen Teil auf die puritanische Arbeitsmoral zurückzuführen. Und wo sich in der
Gegenreformation die Katholische Kirche der Evangelischen entledigt hat - sei es durch Mord
oder Deportation, verlor die Gesellschaft in ihnen auch die wirtschaftliche Kraft.

Mir scheint, dass auch die enormen gesellschaftlichen Probleme in den lateinamerikanischen
Ländern eine Frucht des verlogenen Gemisches zwischen Religion, Macht, Politik, das die
katholischen Eroberer „im Namen Gottes" importiert und den Einheimischen aufgezwungen
haben, dass dieses Gemisch eine immunisierende Wirkung gegen das Evangelium hat, weil es ja
eigentlich schon alles enthält: Jesus, die Bibel usw. Auch die evangelikalen Kreise sind nicht
gegen dieses Gemisch und seine verheerenden Folgen gefeit.

Wie kann heute eine Erneuerung vom Einzelnen in die Gesellschaft hinein geschehen?. Dafür
gibt es kein Rezept. Oft dauert es mit solch einer Erweckung länger, als man ertragen kann.
Dann gilt es für Christen standzuhalten und weiterhin aus Glauben zu leben. Denn sie sind
letztlich nicht der sichtbaren, sondern der unsichtbaren Welt verpflichtet. Gott kennt die Stunde,
wann Erweckung in einer Gesellschaft dran ist. „Wir aber sind nicht von denen, die
zurückweichen zum Verderben, sondern von denen, die da glauben zur Errettung der Seele"
(Hebr. 10, 39). Dieses Vertrauen auf eine Erweckung zu Gottes Zeit formt den Charakter des
Christen und hilft zur Reinigung ihrer Motive und Ziele.

Vom Einzelnen zur Gesellschaft. Der Einzelne muss damit beginnen, die angesprochenen
Lebensbereiche und Beziehungen zu erneuern. Lassen Sie sich von Jesus Christus einladen,
trotz der Verkrustungen, der Gleichgültigkeit oder des Rückzugs aus Verantwortungen zu beten:
„Ja, Herr, ich will mit dir bleiben. Ich weiß zwar noch nicht, wie das geht, aber ich möchte doch
über diese unüberwindbaren Hindernisse hinwegkommen und wirklich ein erneuertes Leben mit
dir leben."

Nur eine richtige Einstellung führt aus diesem Teufelskreis heraus zu der rechten Verzweigung
des Programms. In diesem Teil des Programmablaufs kommt es, ähnlich wie bei Joseph, zu
einer gesunden Verarbeitung und positiven Verwertung der Verletzungen, die zu einer echten
Versöhnung und einer reifen Persönlichkeit führen.

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