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BASICS 1: Einleitung

Herzlich willkommen zu BASICS!


Es ist schön, daß ihr da seid und an unserem Einführungskurs in den christlichen
Glauben teilnehmt! Man kann ja aus ganz unterschiedlichen Gründen an so einem K
urs teilnehmen: Manche bezeichnen sich vielleicht als Glaubende und wollen ihren
Glauben vertiefen. Andere haben sich mit dem Glauben schon intensiv beschäftigt
, aber sie haben Zweifel, haben eine Menge Fragen und suchen nach Antworten. Für
andere ist der Glaube völliges Neuland, und sie wollen sich einfach mal darüber
informieren.
Egal, aus welchen Gründen ihr den Kurs mitmacht, wir freuen uns, daß ihr dabei s
eid!

Eine Reise in das Land des Glaubens


Was wir vorhaben, ist so etwas wie eine gemeinsame Reise, eine Reise in das Land
des Glaubens.
Wenn man eine Reise macht, dann kann man was erleben . Man macht die Augen auf, nim
mt ungeheuer viel wahr, schaut sich alles an; Landschaften, Leute, Gebräuche, en
tdeckt Fremdes und Vertrautes. Man ist offen wie ein Schwamm und saugt alles auf
.
Wenn wir in das Land des Glaubens reisen, dann ist das, ich deutete es schon an,
für viele kein völlig unbekanntes Land. Viele haben schon Vorerfahrungen mit de
m Glauben. Manche haben positive Vorerfahrungen. Aber vielleicht haben auch eini
ge von uns negative Erfahrungen gemacht mit dem Glauben oder der Kirche. Solche
Vorerfahrungen können wie Blockaden sein, die einen davon abhalten, das Land des
Glaubens wirklich zu entdecken.
Ich wünsche uns, daß wir während dieses Kurses unsere Vorerfahrungen einmal zurü
ckstellen können. Laßt uns einfach mal so tun, als wäre das Land des Glaubens ei
n ganz neues, unbetretenes Land, das wir miteinander erforschen!
Es gibt in diesem Land Quellen, die wir entdecken werden. Es gibt Schätze, die w
ir heben können. Wir werden Berge besteigen, die uns vielleicht einige Anstrengu
ng kosten, die uns aber unbeschreiblich schöne Aussichten bieten! Ich wünsche mi
r, daß wir in diesem Kurs zu Entdeckern werden!
Wir wollen das Land des Glaubens in 6 Etappen erforschen. 6 Etappen, 6 Einheiten
, in denen wir uns die wichtigsten Inhalte des christlichen Glaubens anschauen.
Nach den Referaten im Plenum gibt es Gespräche in kleinen Gruppen, um über das G
ehörte zu reden, eigene Erfahrungen und Gedanken auszutauschen. Alles in allem w
ird das ca. 2 Stunden dauern.
Es gibt eine uralte, aber zuverlässige Karte von diesem Land des Glaubens. An ih
r wollen wir uns während unserer Reise orientieren. Diese Karte ist die Bibel. W
ir werden in den Referaten immer wieder auf Aussagen der Bibel zurückkommen. Wir
wollen uns aber auch in den Gesprächsgruppen nicht nur über die Referate unterh
alten, sondern gemeinsam Texte aus der Bibel lesen.
Bei BASICS geht es darum, Informationen über den christlichen Glauben zu vermitt
eln. Der Glaube besteht aber nicht nur aus Informationen, aus Kopfwissen. Glaube
lebt und entsteht durch Erfahrung. Wissen und Erfahrung sind sozusagen die beid
en Ruder, die im Glauben weiterbringen.
Der Kurs will darum nicht nur Kenntnisse über den Glauben vermitteln, sondern au
ch dazu einladen, Erfahrungen mit dem Glauben zu machen. Das ist unser Wunsch fü
r diesen Kurs. Wir als Veranstalter/ Team stehen dem Glauben ja nicht neutral ge
genüber, sondern sind mit Leidenschaft Christen. Und ich bin überzeugt, daß es n
ichts Schöneres für einen Menschen gibt, als den Glauben zu entdecken.
Ob das geschieht, hat man nicht in der Hand. Wir können den Glauben nicht machen
und auch nicht erzwingen. Was man tun kann, ist, seine Hand aufzumachen, sich i
nnerlich zu öffnen und erwartungsvoll zu sein. Dann kann sich der Glaube wie die
se Taube bei uns niederlassen.
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BASICS 2: Von der Suche nach dem Glück

Idee zur Hinführung:


Forrest Gump hat Glück, jede Menge Glück. Er kommt ungeschoren aus dem Vietnamkr
ieg zurück, wird Tischtennischampion. Sein Shrimpskutter ist der einzige, der ei
nen Sturm übersteht. Schließlich wird er sogar Teilhaber an der Apple-Computer-F
irma, ohne die geringste Ahnung von der Materie zu haben. Und am Ende bekommt er
auch noch seine Jenny. Das Glück fällt ihm in den Schoß. Wonach andere Menschen
ihr Leben lang jagen, das fällt ihm einfach zu. Er hat aber nicht nur Glück, so
ndern scheint auch irgendwie glücklich oder doch zumindest zufrieden zu sein. Un
d merkwürdig beides scheint relativ wenig miteinander zu tun zu haben. Die äußer
en Lebensumstände, seine Berühmtheit und sein Geld, scheinen seinen inneren Zust
and kaum zu beeinflussen.
Natürlich wünscht sich jeder, Glück zu haben, am besten so viel wie Forrest Gump
. Aber noch tiefer sehnen wir uns danach, glücklich zu sein.
Linus bringt es im Gespräch mit Charlie Brown auf den Punkt. Auf die Frage: Was
möchtest du sein, wenn du groß bist? antwortet er: Unwahrscheinlich glücklich! D
iese Antwort ist wohl in einem tieferen Sinne wahr als wenn er wie man es erwart
en würde mit einem Berufswunsch, Manager oder Tennisspieler oder so, geantwortet
hätte.
Jeder Mensch will glücklich werden, am liebsten unwahrscheinlich glücklich . Das is
t, ausgesprochen oder unausgesprochen, unser Lebensziel, unser großer Lebenswuns
ch: Ich will glücklich werden!
Beispiel: Amica-Artikel zur Frage: Was macht wirklich glücklich?
Da ist es wieder. Aus heiterem Himmel, nichtigem Anlaß. Weil das Wetter beschiss
en ist oder der Liebste so lieblos geguckt hat beim Frühstück. Dieses Nagen, das
plötzlich ganz tief geht, diese leise Stimme, die man sonst immer überhört, bon
jour tristesse. Du magst ja ganz nett sein, flüstert diese Stimme, aber glücklic
h? Glücklich bist du nicht. Ist doch alles langweilig, was du da tust. Vergliche
n mit den Träumen, die du mal hattest. Höchstens drei plus. Und woran liegt es w
ohl, daß es so gekommen ist mit dir? An der bösen Umwelt? Faule Ausrede, es lieg
t an dir. Nur an dir. Und wieder einmal bleibt uns nichts anderes übrig als die
bewährten Trostrituale. Heublumenbäder, H&M leerkaufen, zum Friseur. Und eine XL
-Tafel Schokolade. Bis zum nächsten Mal. (Amica, 12/97, S.161)
(Das Thema Glück kommt laufend in den Zeitschriften vor. Am besten nimmt man etwas
möglichst Aktuelles.)

Was macht glücklich?


Die Suche nach dem Glück ist nicht neu. Aber heute scheint sie intensiver zu sei
n als je zuvor. Immer mehr Zeit, Geld und Aktivität wird in die Suche nach dem
Glück investiert. Der Wunsch, glücklich zu werden, steckt tief in uns. Das gehör
t offensichtlich zu unserem Menschsein. Aber was macht mich glücklich?
In einer Umfrage wurden Studierende gefragt, wovon sie sich vor allem Glück vers
prechen.
Zu den meistgenannten Sachen, von denen Glück erwartet wird, gehörten Erfolg: Er
folg im Studium und später im Beruf. Dann: Freizeitgestaltung: Hobbies, Unterneh
mungen, Reisen, usw. Die meisten erwarteten das Glück aber von gelungenen Bezieh
ungen: Partner, Freunde, Familie.
Wir erwarten also das Glück von bestimmten Menschen, Umständen, Ereignissen oder
Dingen: Wenn ich endlich den richtigen Partner habe, dann werde ich glücklich s
ein! Wenn ich diesen Job bekomme oder diese Wohnung oder diesen Traumurlaub mach
en könnte, dann...
Nun gibt es ein Phänomen, das man immer wieder beobachten kann: Wenn man das, wo
von man das Glück erwartet, endlich erreicht, dann kommt es zu einem Glücksmomen
t, einem Hoch. Aber das fällt bald wieder ab. Das Glück über die neue CD ist bal
d verronnen; im paradisischen Hotel entdeckt man Mücken im Zimmer und schon ist
die erste Begeisterung hin; beim Traumpartner bekommt man bald die Schattenseite
n mit.
Der Glücksmoment geht schneller vorbei als wir gedacht haben. Zurück bleibt oft
eine leise Enttäuschung: Das oder der oder die war es also auch nicht. Die Sache
, von der ich mir das Glück versprochen hatte, hat zwar zu einem Glücksmoment, a
ber nicht zu einem dauerhaften Glückszustand geführt. Wie gehen wir mit solchen
Enttäuschungen um?
Viele ziehen den Schluß daraus: Wenn diese Sache mir das ersehnte Glück nicht ge
bracht hat, dann muß es wohl an der Sache liegen. Dann muß ich halt einen andere
n Job ausprobieren oder ein anderes Hotel. Wenn dieser Partner/diese Partnerin m
ich nicht glücklich macht, dann probiere ich eben einen anderen aus! Etwas krass
kommt diese Einstellung zum Ausdruck in einem Spruch, mit dem das Versandhaus Q
uelle geworben hat:
Warum gibt es keinen Mann,
den ich mir bestellen kann
und hab ich mit ihm kein Glück,
geb ich ihn einfach zurück.
(Horx. Trendbuch 2, 217)
Der Trendforscher Matthias Horx beschreibt den gleichen Sachverhalt etwas seriös
er:
In der Individualgesellschaft sind Beziehungen Objekte eines permanenten Vermittlu
ngsprozesses. Wie in einem inneren Prüfmodus testen die Individuen ständig ihren Z
ufriedenheitsgrad und suchen unablässig nach anderen, vielleicht besseren Option
en. Ist mein Partner der richtige? Könnte ich nicht einen verständnisvolleren, s
ensibleren, interessanteren, erfolgreicheren, besser aussehenden, jüngeren Partn
er haben?
(Horx, Trendbuch 2, S. 24)
Das gilt nicht nur in Beziehungsfragen, sondern in allen Bereichen unseres Leben
s, ob Fernsehprogramme oder Hobbies oder Urlaubsländer: Überall haben wir tausen
d Wahlmöglichkeiten. Und irgendwie hat man die Hoffnung, daß hinter einer von ih
nen vielleicht das große Glück liegt.
Diese vielen Möglichkeiten und die damit verbundene Hoffnung, endlich glücklich
zu werden, können einen ganz schön in Atem halten. Ich habe den Eindruck, daß di
es die heimliche Triebfeder ist, die unser Leben so hektisch macht. Wir jagen de
m Glück hinterher. Und darum packen wir möglichst viel in unsere Freizeit rein,
um ja nichts zu verpassen: Jeden Abend was unternehmen: Badminton und Kinobesuch,
Töpferkurs und autogenes Training, am Freitag auf drei verschiedene Feten und a
m Wochenende irgendwohin fahren eine hektische Jagd nach dem Glück.
Das Seltsame ist nur: es macht uns nicht glücklicher!
Der Soziologe Gerhard Schulze hat sich mit diesem Phänomen befaßt und sagt: Wir
erhöhen die Erlebnisfrequenz in der Hoffnung, dadurch mehr Glücksmomente und so
mehr Glück zu haben, aber dadurch verliert nur das einzelne Erlebnis an Tiefe. (
Gerhard Schulze, Erlebnisgesellschaft, S. 14)
Glück läßt sich nicht durch die Anhäufung von potentiellen Glücksmomenten herste
llen. Es scheint sogar das Gegenteil der Fall zu sein: Je intensiver ich nach de
m Glück jage, desto weniger erreiche ich es. Wie bei dem Rennhund, dem ein Stoff
kaninchen vor der Nase hergezogen wird: Je schneller er rennt, desto schneller z
ieht es ihm davon.
Wir stoßen hier auf ein Geheimnis, ein Paradox. Jemand hat das mal so formuliert
: Nur die sind glücklich, die sich auf etwas anderes als ihr Glück konzentrieren
. (John Stuart Mill, Psychologie heute, März 97, S. 23)
Glück hat die Eigenschaft, daß es sich entzieht, wenn wir es anstreben, aber oft
da ist, wenn wir gar nicht daran denken.
Man kann das sehr schön an spielenden Kindern beobachten: Sie sind so ganz konze
ntriert auf das, was sie gerade tun, total hingegeben an ihr Spiel. Sie verschwe
nden bestimmt auch keinen Gedanken daran, ob sie gerade glücklich sind, sondern
sind einfach nur fasziniert von dem, was sie gerade spielen, so daß sie alles an
dere, die Zeit, die Umgebung, sich selber völlig vergessen. Und doch merkt man:
Ja, die sind wirklich glücklich!
Wir haben wohl alle schon diese Erfahrung gemacht. Wenn wir mal an besonders glü
ckliche Momente unseres Lebens zurückdenken

Glück in der Hingabe


Die glücklichsten Momente sind meist Momente, wo wir einfach hingerissen sind vo
n einer Sache, einer Landschaft, einer Aufgabe, einem Menschen, so daß wir uns g
anz selbstvergessen an diese Sache oder Person hingeben. Da ist man ganz losgelö
st von sich selbst und zugleich ganz eins mit sich selbst. Hier kommen wir dem G
lück auf die Spur. Glück finden wir nicht, indem wir nach etwas greifen, sondern
indem wir uns an etwas verlieren. Glück erfahren wir nicht im Haben, sondern in
der Hingabe.
Nebenbemerkung: Ich glaube, das ist der Grund, warum viele Beziehungen scheitern
. Wenn ich eine Beziehung eingehe, um selber glücklich zu werden, wenn ich also
einen Partner und damit das Glück haben will, dann überfordere ich damit natürlich
meinen Partner. Denn welcher Mensch kann mich schon dauernd glücklich machen? I
rgendwann werde ich enttäuscht werden und möglicherweise wird die Beziehung dara
n zerbrechen. Eine Beziehung kann nur gelingen, wenn ich mich aus Liebe an einen
anderen Menschen hingebe, ihn glücklich machen will. Und dann kann ich auch sel
ber in dieser Beziehung tiefes Glück erfahren.
Warum ist das eigentlich so? In solchen Momenten selbstvergessener Hingabe sind
wir glücklich, weil da unser Leben glückt. Wir können von unserer Sprache ja ein
e ganze Menge lernen: Die Worte Glück , glücken und gelingen hängen ethymologisch zusa
men. Und das gibt uns einen wichtigen Hinweis, was Glück eigentlich ist. Glück i
st mehr als das Glücksgefühl, auch mehr als die Summe von Glücksgefühlen. Glück
ist, wenn mein Leben glückt, wenn es gelingt.
Und als Folge von so einem gelingenden Leben stellt sich dann normalerweise auch
ein Glücksgefühl ein. Das Glücksgefühl ist sozusagen der Indikator, der mir sig
nalisiert: Hier gelingt mein Leben!
Das ist es doch, wonach wir uns im Tiefsten sehnen: daß unser Leben gelingt. Wir
wollen nicht nur glücklich sein, sondern wir wollen begründet glücklich sein. W
ir wollen nicht nur das Glücksgefühl, sondern wir wollen, daß unser Leben wirkl
ich glückt.
Test: Angenommen, es gäbe ein Medikament, das einen permanenten Ausstoß von Glüc
kshormonen bewirkt morgens eine Tablette und du bist den ganzen Tag glücklich un
d angenommen, dieses Medikament hätte keine schädlichen Nebenwirkungen, würde ni
cht abhängig machen und wäre erschwinglich: würdest du es nehmen? ... Ob wir es
nehmen würden oder nicht, es bliebe ein Unbehagen zurück. Ich hätte jedenfalls d
en Eindruck, daß ich mich selbst betrüge. Eigentlich möchte ich doch mehr als da
s Glücksgefühl. Ich möchte wirkliches Glück. Ich möchte, daß mein Leben wirklich
gelingt.
Aber wie kann mein Leben gelingen? Wir sagten eben: Die glücklichsten Stunden er
leben wir da, wo wir nicht um uns selbst kreisen, sondern losgelöst von uns selb
st uns an eine große Sache oder Aufgabe oder einen Menschen hingeben, wo wir uns
ganz an etwas oder jemand verlieren. Da gelingt mein Leben, da erfüllt es sich,
da bin ich ganz ich selbst, lebe wirklich und darum fühle ich mich glücklich. U
nd das ist kein Zufall. Das gehört offenbar zur Grundstruktur des Menschseins. W
ir sind so gebaut , daß unser Leben nicht gelingt im Kreisen um uns selbst, sondern
in der Hingabe.
Die spannende Frage ist jetzt: Woran gebe ich mein Leben hin? Woran kann ich mic
h verlieren? Wofür lohnt es sich, mein Leben einzusetzen? Wer so fragt, der stöß
t unwillkürlich auf eine tieferliegende Frage. Wenn ich wissen will, wofür es si
ch lohnt, mein Leben hinzugeben, dann muß ich wissen wozu ich überhaupt lebe. Wo
zu bin ich auf dieser Welt? Was ist der Sinn meines Lebens?
Wer nach dem Glück sucht, dem geht es wie einem, der nach einem Schatz gräbt und
dabei in immer tieferliegende Erdschichten vordringt. Man beginnt mit der oberf
lächlichen Frage: Was macht mich glücklich? und dann gräbt man tiefer und stößt
plötzlich auf die Frage nach dem Sinn.
Wenn mein Leben gelingen soll, dann muß ich wissen, wozu ich auf dieser Welt bin
, was der Sinn des Lebens ist. Das heißt, die Frage nach dem Sinn und die Frage
nach dem Glück hängen unauflöslich zusammen. Den Sinn meines Lebens kann ich nic
ht selbst bestimmen. Ich kann ihn nicht wählen, wie ich ein Hobby wähle, sondern
ich kann ihn nur entdecken.
Wenn man sich so manche Greenpeace-Aktivisten anschaut, dann merkt man: Die habe
n den Sinn ihres Lebens in der Bewahrung der Schöpfung entdeckt. Daran geben sie
sich total hin. Darin finden sie Sinn und Zufriedenheit und Glück.
Ich las von einem reichen Firmenbesitzer, der in Italien immer in besten Hotels
Urlaub machte. Einmal ist er zufällig in ein Armenviertel geraten, war so schock
iert von dem Elend, das er da sah, daß er beschloß, sein Geld für den Aufbau ein
es Kinderheims einzusetzen. Und er sagt von sich: Diese Aufgabe macht glückliche
r als alles andere. Er hat darin den Sinn seines Lebens gefunden.
Andere entdecken den Sinn ihres Lebens in der Kunst oder in der Forschung.
Worin auch immer man den Sinn seines Lebens findet, es ist auf jeden Fall etwas,
das über mein eigenes Leben hinausgeht, etwas, das mein ganzes Leben umfassen u
nd sinnvoll machen kann, etwas, wofür es sich lohnt, mein Leben ganz hinzugeben.
Christen sind Menschen, die ihr Leben an Gott hingegeben haben. Denn sie haben i
n Gott den Sinn ihres Lebens gefunden. Sie haben entdeckt: Es gibt etwas, das no
ch größer ist als die Natur und die Kunst und die Forschung, nämlich den Schöpfe
r dieser Dinge. Der letzte, umfassende Sinn des Lebens kann nicht in etwas Gesch
öpflichem liegen, sondern nur in dem, der das Leben geschaffen hat. Diesem Gott
sind sie begegnet, haben seine Wirklichkeit und seine Liebe erfahren. Und diese
Begegnung hat sie dazu gebracht, sich ihm hinzugeben.
Genau das bedeutet glauben nach dem Verständnis der Bibel: Nicht ein vages Vermut
en von Dingen, die man nicht sicher wissen kann, sondern die vertrauensvolle Hin
gabe meines Lebens an Gott.
Menschen, die glauben, haben in dieser Hingabe an Gott den Sinn ihres Lebens gef
unden. Und so erfahren sie, daß ihr Leben gelingt, daß es glückt. Das heißt nich
t, daß Christen immer glücklich sind. Sie erleben genauso wie jeder andere Schei
tern und Enttäuschungen, Leid und Trauer. Aber sie haben in Gott den gefunden, d
er ihnen Sinn und Halt gibt, auch in diesen schwierigen Situationen.
Gott hat meinem Leben ein Fundament gegeben. Ich weiß jetzt, wozu ich lebe, daß
es nichts Größeres gibt, als mit Gott und für seine Menschen zu leben. Er ist de
r feste Boden, der bleibt, auch wenn ganz viel anderes wankt, auch wenn einzelne
s mißlingt, wenn ein Wunschtraum zerplatzt ist oder eine Beziehung zerbrochen is
t. Dann weiß ich doch, daß Er noch immer da ist und mich liebt, und ich mich bei
ihm ausweinen kann. Und Er gibt meinem Leben eine Perspektive, die über den Tod
hinausgeht. Ich muß darum nicht in der ständigen Angst leben, etwas vom Leben z
u verpassen, brauche nicht mehr nach dem Glück zu jagen wie der Hund nach dem Ka
ninchen.
Ein letzter Gedanke: Wer sein Leben an Gott hingibt, der macht eine Entdeckung:
Die Hingabe meines Lebens an Gott engt mich nicht ein, sie nimmt mir nicht die F
reude am Leben, sondern im Gegenteil: Je mehr ich mich an Gott verliere, desto m
ehr komme ich heraus aus dem Kreisen um mich selbst. Da werde ich frei, mich fal
lenzulassen, bekomme offene Augen für die Menschen um mich herum, für die Natur,
für Kunst, für wichtige Aufgaben. Die Hingabe an Gott befreit uns, uns zu öffne
n und uns anderen Menschen und Dingen zuzuwenden. Und so kann mein Leben gelinge
n, so kann es ganz und heil werden, so kann es glücken.
Ich möchte schließen mit einem Satz von Blaise Pascal:
Das Glück ist nicht außer uns und nicht in uns, sondern in Gott.
Und wenn wir ihn gefunden haben, ist es überall.
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BASICS 3: Ist da jemand?

Neue Spiritualität
In der letzten Einheit sprachen wir davon, daß Christen den Sinn ihres Lebens in
der Hingabe an Gott gefunden haben. Aber wie ist das überhaupt mit Gott? Kann m
an wissen, ob es ihn gibt? Wie kann man etwas über Gott herausfinden?
In den letzten 10-15 Jahren ist das Bewußtsein dafür stärker geworden, daß die m
aterielle, technisch erfaßbare Wirklichkeit nicht alles ist. Man spürt: Es gibt
Dinge zwischen Himmel und Erde, es gibt eine Wirklichkeit, die man nicht sehen,
nicht messen kann und die doch real ist. Es gibt einen Ursprung, eine Quelle, vo
n der her wir leben, ohne sie zu sehen.
Viele Menschen haben den Wunsch, mit dieser unsichtbaren Wirklichkeit in Kontakt
zu kommen, zur Quelle zurückzufinden.
Die Kirchen werden zwar immer leerer, aber dafür boomen Esoterik, religiöse Ange
bote aus dem Osten, Sekten. Die Esoterikliteratur verzeichnet die höchsten Zuwac
hsraten im Bereich der Fachliteratur.
Leute investieren enorm viel Zeit, Kraft und Geld, um transzendente, übersinnlic
he Erfahrungen zu machen. Spiritualität ist der ultimative Trend der Neunziger (
Die Woche, 26.4.96). Religion ist wieder in.
Das ist nicht nur eine Modeerscheinung. Religiösität ist ein universales Phänome
n. Soweit man die Menschheitsgeschichte zurückverfolgen kann, gab es Religion. U
nd in allen bekannten Kulturen, von den Eskimos bis zu den Buschmännern, gibt es
Religion. Jemand sagte mal: Der Mensch ist unheilbar religiös.
Diese Religiösität ist ein Indikator, Zeichen einer tiefen Sehnsucht. Menschen s
ehnen sich danach, zu ihrem Ursprung zurückzufinden, Anschluß an die Quelle zu b
ekommen, wahres, heiles Leben zu finden. Diese Sehnsucht nach dem Ursprung, nach
Transzendenz, ist letztlich eine Sehnsucht nach Gott. Vielleicht würde man es s
elber nie so nennen. Vielleicht ist das Wort Gott für manchen so negativ besetzt,
daß man es nicht verwenden mag. Aber ich bin ganz sicher: letztlich sehnen wir u
ns nach ihm. Die Religiösität des Menschen ist das Zeichen seiner Sehnsucht nach
Gott.
Gott nur eine Projektion?
Doch genau an diesem Punkt kommen Zweifel auf: Kann es nicht sein, daß die Relig
ion ein großartiger kollektiver Selbstbetrug ist? Daß Gott das Produkt eines Wun
schdenkens ist? Wir sehnen uns nach Geborgenheit, nach Orientierung, nach Recht,
nach ewigem Leben. Und weil es das alles in dieser Welt nicht oder nur sehr geb
rochen gibt, erglauben wir uns einen Gott, der unsere Sehnsucht erfüllt. Wir wün
schen uns einen Gott und darum glauben wir an seine Existenz.
So ähnlich wie die Kinder an das Christkind glauben wollen, obwohl sie im Stille
n schon wissen, daß es die Eltern sind, die die Geschenke bringen. Aber der Geda
nke ist so schön, daß man ihn unbedingt festhalten will. Könnte es nicht sein, d
aß wir es mit Gott genau so machen?
Das war die These von Ludwig Feuerbach, dem großen Religionskritiker des letzten
Jahrhunderts. Er sagte: Gott ist eine Projektion unserer menschlichen Wünsche.
Nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, sondern der Mensch schuf Gott n
ach seinem Bilde, nach seinen Wünschen. Gott ein Wunschgedanke, ein Traum, aus d
em man nicht aufwachen möchte, weil sonst die Wirklichkeit so trostlos wäre.
Für Feuerbach war die Tatsache, daß Menschen sich nach Gott sehnen, schon der Be
weis seiner Nichtexistenz. Er meinte, indem er die Religion aus den Wünschen des
Menschen erklärt, sie auch schon widerlegt zu haben. Das ist, nebenbei bemerkt,
natürlich sehr kurz gedacht, wirkte aber überzeugend. Und jetzt, meinte er, geh
t s nur noch darum, daß der Mensch endlich aus seinem Traum erwacht und mit seinen
eigenen Händen schafft, wonach er sich in seiner Religion sehnt: eine heile, gl
ückliche Welt.
Inzwischen ist der Optimismus der Religionskritiker verschwunden. Die Welt ist n
icht besser geworden. Nietzsche: Die Welt ist nach dem Tod Gottes dunkler geworden
. Menschen leiden unter metaphysischer Heimatlosigkeit (Thomas Meyer), Orientierun
gs- und Sinnlosigkeit.
Die Sehnsucht nach Gott ist geblieben.
Douglas Coupland, Autor von Generation X, bekennt am Ende seines Buches Life aft
er God (1994) sehr ehrlich:
Und dies ist mein Geheimnis: Ich werde es dir sagen, mit einer Offenheit des Her
zens, die ich wohl niemals wiedererlangen werde; und so bete ich, daß du in eine
m stillen Raum bist, wenn du diese Worte hörst.
Mein Geheimnis ist, daß ich Gott brauche daß ich krank bin und allein nicht weit
er kann. Ich brauche Gott, damit er mir hilft, zu geben, denn ich scheine zum ge
ben nicht länger in der Lage zu sein; damit er mir hilft, gut zu sein, denn ich
scheine zur Güte nicht länger imstande zu sein; damit er mir hilft, zu lieben, d
enn ich scheine über die Fähigkeit zu lieben hinaus zu sein.
Natürlich kann man mit kühler Argumentation sagen: Menschen erglauben sich einen
Gott, weil sie ihn brauchen. Aber es könnte doch auch genau umgekehrt sein! Es
könnte doch sein, daß es für unsere Sehnsucht eine Erfüllung gibt. Es gibt ja fü
r alle wesentlichen Sehnsüchte und Bedürfnisse des Menschen eine Erfüllung. Wir
haben Durst und es gibt Wasser. Wir haben Hunger und es gibt Brot und Butter. Wi
r sehnen uns nach Liebe und es gibt wirkliche Liebe.
Es könnte doch sein, daß es auch für unsere Sehnsucht nach Gott eine Erfüllung g
ibt. Daß wir uns nach Gott sehnen, weil Er Wirklichkeit ist und weil Er in uns d
iese Ahnung und diesen Durst nach ihm hineingelegt hat. Daß wir Menschen auf Got
t angelegt sind. Augustinus: Du, Gott, hast uns zu dir hin geschaffen, und unser
Herz ist unruhig bis es Ruhe findet in dir.
Sehnsüchte sollte man nicht verdrängen. Wer Durst hat, sollte den Durst nicht ig
norieren, sonst kommt er um. Wer Durst nach Gott hat, sollte den nicht verdränge
n, sondern die Quelle suchen, sonst geht es ihm wie dem berühmten modernen Mensch
en .
Geschichte vom modernen auch postmodernen Menschen erzählen, der in Wüste umheri
rrt, nahe am Verdursten, dann eine Oase sieht: Palmen, Gras, plätscherndes Wasse
r.
Er denkt: Das muß eine Fata Morgana sein, das kann nicht Wirklichkeit sein und s
chleppt sich weiter. Kurz darauf finden ihn zwei Beduinen verdurstet am Boden, n
ur wenige Meter von der Oase entfernt. Wie konnte das passieren? Er hätte nur die
Hand ausstrecken brauchen... Es war eben ein moderner Mensch.
Die Sehnsucht nach Gott ist kein Beweis der Wirklichkeit Gottes, aber ein Hinwei
s, ein Indiz, das uns auf die Spur bringen kann. Einen Beweis Gottes im strengen
Sinne gibt es nicht. Und das spricht nicht gegen Ihn, sondern für Ihn. Was wäre
das für ein Gott, den wir mit unseren Mitteln beweisen könnten! Beweisen können
wir nur Dinge, die wir untersuchen, testen, messen und sezieren können, die wir
begreifen können, die in Raum und Zeit sind, in den Grenzen, in denen wir leben.
Gott ist aber kein Ding, das man begreifen kann, sondern eine Wirklichkeit, die
Raum und Zeit umfaßt, die größer ist als wir. Um Gott zu begreifen und zu beweis
en, müßten wir einen Standpunkt jenseits von Raum und Zeit, jenseits von Gott ei
nnehmen. Das können wir aber nicht.
Was kann man dann noch sagen?
Ob es einen Gott gibt und wie dieser Gott ist, das können wir von uns aus nicht
herausfinden. Es sei denn, daß Gott sich zu erkennen gibt, sich in irgendeiner W
eise uns mitteilt.
Stellt euch vor, daß hier auf diesem Blatt zweidimensionale Wesen leben. Sie hab
en also wirklich nur eine Ausbreitung in der Fläche, aber nicht in der Höhe. Die
dritte Dimension von Raum kennen sie nicht. Es sind flächige, fleckartige Wesen
. Mich als dreidimensionales Wesen können sie nicht wahrnehmen, selbst dann nich
t, wenn ich mich mit meinem Finger diesem Blatt nähere. Erst wenn ich mit meinem
Finger in ihre Dimension hineingehe, das Blatt tatsächlich berühre, werde ich f
ür sie spürbar, hinterlasse einen Fingerabdruck und ermögliche ihnen, etwas von
meiner Wirklichkeit zu erfassen.
Auf solche Fingerabdrücke Gottes sind wir angewiesen. Wenn wir etwas von ihm wis
sen wollen, dann muß er sich zu erkennen geben. Dieser Gedanke, daß Gott sich zu
erkennen geben könnte, kommt einem lächerlich vor, wenn man sich Gott unpersönl
ich vorstellt, als kosmische Energie oder pantheistisch als Teil des Universums.
Aber was ist, wenn Gott personal ist? Wenn Er kein Es ist, sondern ein Du, mit d
em man sprechen kann? Er hat ja personale Wesen wie uns hervorgebracht, die auf
Beziehung angelegt sind! Wenn Gott personal ist, dann ist es im Grunde naheliege
nd zu vermuten, daß er in irgendeiner Weise mit uns Kontakt aufnimmt.
Die Bibel sagt, daß das wirklich geschehen ist. Und sie nennt diesen Vorgang Off
enbarung. Offenbarung heißt: Gott tritt aus der Verborgenheit heraus, gibt sich
zu erkennen. Er tritt aus seiner unsichtbaren Wirklichkeit in unsere irdische Wi
rklichkeit, in unsere Dimension ein, damit wir ihn erfahren können. Er hinterläß
t Fingerabdrücke in unserer Welt.
Das ist auf verschiedene Weise geschehen:
Zum einen zeigt sich Gott in seiner Schöpfung. Das Universum ist nach den Aussag
en der Bibel Gottes Werk. Er hat die Welt geschaffen und hat seine Spuren darin
hinterlassen. Jedes Kunstwerk offenbart ja etwas von dem Künstler, der es gemac
ht hat. Und auch die Schöpfung trägt die Spuren des Schöpfers, auch wenn sie nac
h christlichem Verständnis schwer beschädigt ist. Man muß nur die Augen aufmache
n und die Natur anschauen: wie komplex selbst die einfachsten Lebensformen sind,
wie phantastisch so ein einfacher Käfer gestaltet ist. (Vgl. z.B. den Film Mikr
okosmos!).
Oder was für eine verschwenderische Liebe zur Schönheit die Blumenwelt spiegelt.
Aus der Natur kann man etwas über den Schöpfer erfahren. Jede Blume, jeder Berg,
jeder Sonnenaufgang erzählt etwas von der Macht, Phantasie und Schönheit des Sc
höpfers.
Der Apostel Paulus drückt diesen Gedanken so aus:
Gott ist zwar unsichtbar, doch an seinen Werken, der Schöpfung, haben die Mensch
en seit jeher seine göttliche Macht und Größe sehen und erfahren können. Deshalb
kann sich niemand damit entschuldigen, daß er von Gott nichts gewußt hat. (Röm
1,20; Übersetzung: Hoffnung für alle) In seiner Schöpfung offenbart Gott etwas v
on seiner Macht und seiner Liebe zur Schönheit.
Gott offenbart sich aber auch in der Geschichte. Das wird konkret z. B. in seine
r Geschichte mit dem Volk Israel. In der Bibel lesen wir, wie Gott einzelnen Men
schen begegnet ist und Geschichte mitgestaltet.
Zum Beispiel begegnet Gott Abraham, dem Stammvater Israels. Er hörte Gottes Sti
mme und das hat sein Leben total verändert.
Das Volk Israel hat Gott erlebt als sie Sklaven in Ägypten waren. Sie haben erle
bt, wie Gott sie befreit hat.
Es gab Menschen in diesem Volk, Propheten, die Visionen hatten und Gottes Stimme
hörten. So hat sich Gott diesem Volk immer mehr zu erkennen gegeben.
Gott offenbart sich, indem er einzelnen Menschen begegnet, in Raum und Zeit hine
inwirkt.
Nach dem christlichen Glauben gibt es einen Punkt in der Geschichte, wo sich Got
t in ganz einzigartiger Weise zu erkennen gegeben hat: in Jesus.
Jesus ist nicht nur ein Mensch, der etwas von Gott gehört hat, wie die Propheten
, sondern er kommt selber aus der unsichtbaren Welt Gottes. In Jesus kommt Gott
selbst in seine Schöpfung, zeigt uns wer er wirklich ist, zeigt uns sein Herz. (
In einer späteren Einheit werden wir uns genauer damit befassen.)
Gott offenbart sich in Schöpfung, Geschichte des Volkes Israel und vor allem in
Jesus Christus. Die Bibel berichtet von diesen Offenbarungen. Darum ist die Bibe
l die Quelle, aus der Christen ihre Informationen über Gott beziehen und die Gru
ndlage für alles, was wir hier über den christlichen Glauben sagen.
Jetzt denken vielleicht manche: Das klingt ja alles gut und schön, aber woher we
iß ich, ob das auch stimmt, daß Gott sich offenbart hat. Die Denkmöglichkeit ein
er Offenbarung ist ja noch lange kein Beweis, daß es auch wirklich passiert ist!
Ob das mit Gott und mit der Offenbarung stimmt oder nicht, das kann man nicht am
Schreibtisch entscheiden, das ist keine theoretische Frage, die man durch logis
che Schlüsse beantworten kann, sondern eine existentielle Frage. Gott ist ja kei
n Ding , das man mit technischen Mitteln aufspüren kann. Er ist auch kein Gedanke,
den man mit logischen Mitteln erfassen oder widerlegen kann. Sondern Er ist der
Lebendige, der Schöpfer.
Gewißheit über ihn bekommt man nicht auf theoretischem Weg, sondern nur auf exis
tentielle Weise, nur, indem man sich mit seiner ganzen Person, mit seinem ganzen
Leben auf ihn einläßt, sich ihm öffnet.
C.S. Lewis, ein Professor in Cambridge, der viele Jahre Gott gesucht hatte und d
ann Christ wurde, schreibt etwas sehr Beeindruckendes über die Suche nach Gott:
Der Gott des Pantheisten tut nichts und verlangt nichts. Wenn man ihn wünscht, i
st er da, so wie ein Buch auf dem Bücherbrett. Er verfolgt mich nicht [...] Der
Schock überfällt uns in dem Augenblick, da sich uns in der Schnur, an der entlan
g wir uns vorwärtstasten, die Spannung des Lebens mitteilt. Es ist immer erschre
ckend, dort Leben anzutreffen, wo wir allein zu sein glaubten. [...] Und deshalb
ziehen sich gerade hier so viele zurück ich selbst hätte es auch getan, wenn ic
h gekonnt hätte und dringen nicht weiter in den christlichen Glauben ein. Ein unp
ersönlicher Gott schön und gut. Ein subjektiver Gott der Schönheit, Wahrheit und
Güte in unsern eigenen Köpfen noch besser. Eine gestaltlose Lebenskraft, die uns
durchwallt, eine ungeheure Macht, die wir anzapfen können am besten von allem.
Aber Gott selbst, der lebendige, der am andern Ende der Schnur zieht, der sich v
ielleicht mit ungeheurer Geschwindigkeit nähert [...] das ist eine völlig andere
Sache. Es kommt der Augenblick, da Kinder beim Räuberspielen plötzlich zusammen
zucken: Waren das nicht wirkliche Schritte im Flur? Es kommt der Augenblick, da
Menschen, die in der Religion herumgeplätschert haben, sich plötzlich zurückzieh
en. Angenommen, wir haben ihn wirklich gefunden! Dazu wollen wir es doch nicht k
ommen lassen! Schlimmer noch: Angenommen er hat uns gefunden!!!
(Zitiert nach Alister McGrath, Fragen lohnt sich, S.99f)
Wer Gewißheit über Gott bekommen will, muß bereit sein, sich von ihm finden zu l
assen, sich auf ihn einzulassen. Wer über Gott nur spekulieren will, wie über ei
nen Gedanken, der wird nie Gewißheit haben. Die bekommt man nur, indem man klein
e Schritte auf Gott zu wagt, das Gespräch mit ihm aufnimmt, sich traut, ihn beim
Wort zu nehmen. Das ist ein Wagnis, ein Vertrauenswagnis, aber ohne dieses Wagn
is geht es nicht. Glauben heißt, dieses Wagnis einzugehen, das Spekulieren aufzuhö
ren, Vertrauen zu fassen und sein Leben Gott hinzugeben. Ich denke, daß wir es h
ier mit dem eigentlichen Hinderungsgrund zu tun haben, der viele Menschen davon
abhält, Christen zu werden. Sie wollen dieses Wagnis nicht eingehen. Sie wollen
ihr Leben nicht in fremde Hände geben. Ihnen fehlt Gott gegenüber das nötige Ver
trauen, um sich auf ihn einzulassen.
Die Gründe, warum es Menschen schwer fällt, sich Gott anzuvertrauen, können sehr
unterschiedlich sein.
Bei manchen hängt das mit ihrer Lebensgeschichte zusammen.
Sie haben Erfahrungen gemacht, die ihr Grundvertrauen erschüttert haben und die
es ihnen schwer machen, sich jemandem hinzugeben.
Da ist z.B. jemand, der als Kind die Erfahrung gemacht hat: Die Mutter ist nicht
da. Immer wieder ist es passiert, daß er geschrien hat, aber die Mutter kam nic
ht. Diese Erfahrung kann sich so tief eingraben, daß sie bis in die Gegenwart hi
nein das Leben dieses Menschen bestimmt: Wenn ich um Hilfe schreie, dann kommt d
och keiner. Wenn ich bete, ist da doch keiner, der mich hört.
Ein Mensch ist tief in seinem Inneren verletzt worden. Ein Kind hat von seinem V
ater nie Zärtlichkeit bekommen. Der Vater war stumm, arbeitsbesessen, schnell jä
hzornig, hat nie gesagt: Ich habe dich lieb. Das kann tiefe seelische Wunden in
uns hinterlassen.
Es gibt noch viele andere Erlebnisse, die uns verletzen können. Die liegen viell
eicht schon ganz lange zurück, so daß wir uns kaum noch daran erinnern können. A
ber das Grundvertrauen ist dadurch erschüttert worden und ein tiefes Mißtrauen h
at sich festgesetzt.
Dieses Mißtrauen ist wie ein Selbstschutz. Wer einmal verwundet worden ist, will
das nicht noch mal erleben. So legt sich das Mißtrauen wie eine Dornenhecke um
das eigene Herz, um es vor weiteren Verletzungen zu schützen.
Wer so eine Dornenhecke um sein Herz hat, dem fällt es schwer anderen Menschen z
u vertrauen. Dem fällt es auch schwer, an Gott zu glauben. Glauben bedeutet ja e
ine vertrauensvolle Hingabe seines Lebens an Gott. Aber wer solche Erfahrungen g
emacht hat, dem fällt gerade das ungeheuer schwer. Was in unserer Lebensgeschich
te passiert ist, können wir nicht rückgängig machen. Wir können die Verletzungen
nicht ungeschehen machen, so sehr wir uns das auch wünschen. Aber Verletzungen
können heilen, so daß sie uns nicht mehr bestimmen, daß nicht mehr Angst und Miß
trauen unser Leben prägen.
(Hier kann es sehr hilfreich sein, so weit es möglich ist, von einer persönliche
n Erfahrung von Verletzung und beginnender Heilung zu erzählen.)
Die Heilung von inneren Wunden geschieht meistens nicht von heute auf morgen. We
r sich darauf einläßt, wird einen längeren Weg zurücklegen müssen. Es kann damit
beginnen, daß man mit einem Menschen oder auch mit Gott darüber spricht, was un
s so verletzt hat.
Vielleicht kann das ja in diesem Einführungskurs anfangen, daß man mit Gott oder
auch mit einem anderen Menschen über seine Lebensgeschichte redet. Dazu muß man
keinen großen Glauben haben. Es kann aber ein erster Schritt sein, die Dornenhe
cke des Mißtrauens zu öffnen.
Auf der Rückseite der Blätter, die gleich ausgeteilt werden, steht ein Gebet.Es
ist eine Bitte an Gott um innere Heilung - daß er uns in unseren Schmerz und in
unseren Verletzungen begegnet und so anfängt, die Wunden zu heilen. Dieses Gebet
ist gedacht als eine Anregung und Hilfe zum eigenen Beten.
Vielleicht kann es ja auch für manchen zum eigenen Gebet werden. Beten, das kann
man auch, wenn man noch nicht wirklich weiß, ob es Gott überhaupt gibt. Man kan
n auch jemand anderes bitten, für einen zu beten.
Ist da jemand? Von Gott und wie man ihm begegnen kann . So weit dazu einige Gedanke
nanstöße. Jetzt wollen wir uns wieder Zeit nehmen, in den Gesprächsgruppen über
das Gehörte zu reden und miteinander einen Bibeltext zu lesen.
zum Inhaltsverzeichnis

BASICS 4: Die Welt ist kaputt

Die Welt ist kaputt


Mit unserer Welt stimmt etwas nicht. Da ist etwas kaputt. Wir leben in einer Wel
t, wo ständig Menschen andere Menschen vernichten.
In Ruanda wurden bei den Kämpfen zwischen Hutu und Tutsi fast eine Millionen Men
schen ermordet. Es schwammen so viele Leichen im Viktoriasee, daß man den Fisch
aus dem See nicht mehr essen konnte. Da ist doch was kaputt in dieser Welt!
Bei uns in Europa werden Berge von Obst und Gemüse vernichtet und woanders verhu
ngern Menschen. Im reichsten Land der Erde, Luxemburg, ist das Durchschnittseink
ommen 500 Mal so hoch wie im ärmsten Land.
In Thailand werden junge Mädchen zu Tausenden zur Prostitution gezwungen, um die
Gier von westlichen Touristen zu befriedigen.
Wir leben in einer Welt, wo Kinder mißbraucht und ermordet werden, wo jedes Jahr
viele hunderttausend Ungeborene abgetrieben werden, wo man Tiere wie Industriem
aschinen behandelt, wo jeden Tag riesige Waldflächen abgeholzt werden, obwohl je
der weiß, daß das ökologischer Wahnsinn ist.
Mit so einer Welt stimmt doch etwas nicht.
Wir wünschen uns alle eine Welt, die anders ist: Wo Menschen in Frieden miteinan
der leben, sich achten und tolerieren, wo alle genug zu essen haben und saubere
Luft einatmen, wo Kinder in Geborgenheit aufwachsen und ohne Angst spielen könne
n; wo man mit den Schätzen der Natur so umgeht, daß sie sich regenerieren können
. Aber zwischen dem, wie die Welt ist, und dem, wie sie sein sollte, besteht ein
e erschreckend große Differenz. Die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte.
Nun kann man natürlich die Schuld dafür den Politikern oder der Wirtschaft oder
den sozialen Bedingungen zuweisen. Da ist sicher auch etwas dran. Meines Erachte
ns liegt da aber nicht der eigentliche Grund des Problems. Damit kommen wir dem
Übel nicht an die Wurzel. Es ist so, wie wenn man im Garten Löwenzahn entfernen
will. Wenn man nur den Stengel herausreißt, hat man das Problem noch nicht gelös
t. Denn der Stengel wächst sofort wieder nach, solange die Wurzel im Boden steck
t. Wer den Löwenzahn wirklich herausreißen will, muß ganz tief graben und die Wu
rzel packen.

Die Wurzel des Übels


Was ist die Wurzel des Übels? Wir kommen der Wurzel des Übels näher, wenn wir un
s unser eigenes Leben ansehen. Dann entdecken wir: Das gleiche Bild, das die Wel
t im Großen bietet, bietet unser eigenes Leben im Kleinen. Das, was ich in der W
elt beklage, findet sich in verkleinertem Maßstab in meinem eigenen Leben wieder
. Nicht nur die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte. Unser eigenes Leben ist
nicht so, wie es sein sollte.
Ich meine nicht, wie es nach den Ansprüchen anderer sein sollte, sondern wie es
nach meinem eigenen Anspruch, nach meinen eigenen Vorstellungen sein sollte. Jed
er hat ja eine gewisse Vorstellung, wie er eigentlich sein möchte, wie es richti
g und gut wäre. Aber Anspruch und Wirklichkeit decken sich nicht. Und darum vers
uchen wir meistens, nach außen ein gutes Bild von uns aufzubauen, das die Wirkli
chkeit verdeckt.
Es gibt ein Gedicht von Eugen Roth. Das macht das sehr deutlich:
Wenn jeder hätte vor der Stirn
aus hellem Glas ein Fensterlein,
darinnen die Gedanken schwirrn
und jeder säh hinein,
was gäbe das ein Laufen,
was gäbe das ein Laufen,
um matte Scheiben einzukaufen.
Stimmt: Wie peinlich wäre das, wenn jemand in mein Innerstes hineinschauen und a
lle meine Gedanken sehen könnte! Dann würde man sehen: Alles, was ich an der Wel
t beklage, steckt zumindest keimhaft in mir drin: Egoismus, Unwahrhaftigkeit, Em
pfindlichkeit, Geltungsdrang, perverse Gier, Neid. Jeder Mensch ist grundsätzlic
h zu allem fähig. Keiner kann für sich die Hand ins Feuer legen.
Ich bin nicht so wie ich sein sollte.
Wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich bin, dann merke ich: Nicht nur bei der Wel
t, sondern auch bei mir selber stimmt etwas nicht. Da ist etwas kaputt. Da steck
t in jedem von uns eine Art Defekt.

Der grundlegende Defekt: Sünde


Und diesen Defekt benennt die Bibel mit einem Wort, das ist so mißverständlich,
so abgenutzt und verbraucht, daß es eigentlich gar nicht mehr richtig zu hören i
st. Es ist das Wort Sünde .
Ich weiß nicht, was ihr bei dem Wort Sünde denkt. Vermutlich hat es bei der Einen
oder dem Anderen jetzt Klick gemacht. Ist doch klar , denkt vielleicht jemand, wenn Du
Dich schon auf etwas Christliches einläßt, dann kommt das irgendwann auf den T
isch. Die kommen einfach nicht ohne aus. Das muß ja irgendwann mal kommen. Ich bi
n überzeugt, daß es sich lohnt, diesem Begriff mal wirklich auf den Grund zu geh
en. Was ist das überhaupt Sünde ?
Es gibt ein kleines Gespräch zwischen Hägar, dem Schrecklichen und Sven Glückspi
lz, das sehr erhellend ist:
So wird Sünde weithin verstanden: Das, was Spaß macht, aber von der Kirche bzw.
von Gott verboten ist. Besonders denkt man dabei an verbotene Lust: Lust auf Sex
( Liebe Sünde ), Lust auf Essen ( heute habe ich aber wieder mal gesündigt! ). Sünde, d
arunter versteht man in der Umgangssprache Kavaliersdelikte, über die man schmun
zeln kann, kleine, menschliche Schwächen, die jeder hat, die aber auch nicht wei
ter tragisch sind. Wenn man sich ein bißchen anstrengt, dann wird man damit scho
n fertig.
Wenn Sünde wirklich nur das wäre, dann müßten wir keine 5 Minuten hier weiter mach
en, dann könn-ten wir für heute auseinandergehen. Das, was die Bibel mit diesem
Wort bezeichnet, ist etwas ganz, ganz anderes. Man kann sich den Unterschied kau
m groß genug vorstellen. Sünde ist kein harmloses Kavaliersdelikt, auch nicht nu
r eine menschliche Schwäche oder ein moralisches Fehlverhalten.
Was die Bibel mit Sünde bezeichnet ist viel tragischer, geht viel tiefer. Sünde is
t wie eine tiefsitzende Störung, wie ein schlimmer Defekt in uns Menschen.
Es geht mir nicht darum, uns Menschen klein und schlecht zu machen. Die Bibel sa
gt, daß wir Menschen phantastische Geschöpfe sind: klug, begabt, kommunikativ, p
hantasievoll und stark. Wir sind Gottes Ebenbilder. Etwas von Gottes Wesen spieg
elt sich in uns wider. Aber diese Störung der Sünde steckt in uns drin und wirkt
sich auf unser ganzes Leben aus. Man kann die Sünde vergleichen mit einem Compu
tervirus in der Software. Dieser Virus steckt verborgen in der Software und zers
tört das ganze Programm. Und so steckt der Virus der Sünde in jedem von uns drin
und macht unser Lebensprogramm kaputt. Sie zerstört uns selbst, unsere Beziehun
g zu anderen und zur ganzen Schöpfung. Man kann es auch in medizinischer Sprache
sagen: Die Sünde ist wie eine Krankheit, von der wir alle infiziert sind, die u
nser Leben zerstört und die tödlich endet.

Der Ursprung der Sünde


Aber nun noch mal die Frage: Wo kommt die Sünde her? Was ist ihr Ursprung? Wir k
ommen hier an einen ganz entscheidenden Punkt: Der Ursprung der Sünde liegt in u
nserer gestörten Beziehung zu Gott. Die Störung, an der wir leiden, ist im Kern
eine Beziehungsstörung. Unsere Beziehung zu Gott ist tiefgreifend gestört, ist k
aputt. Der Kontakt ist abgerissen. Das ist die Wurzel unseres Problems.
Ihr kennt das, wenn zwischen Eltern und Kindern oder zwischen einem Paar die Bez
iehung gestört ist, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat und mehr und mehr Fun
kstille einsetzt. Wenn sich Menschen voneinander entfremdet haben, dann geht man
sich aus dem Weg, dann wird man sich fremd. Eine ursprüngliche Einheit wird get
rennt. So sind wir Menschen von Gott, der Quelle unseres Lebens, entfremdet und
getrennt. Aus dieser gestörten Beziehung zu Gott entstehen alle anderen Störunge
n in uns und zwischen uns Menschen, alles Böse und alles Leid.
Das begann schon bei den ersten Menschen. Ihr kennt die Geschichte von Adam und
Eva. Das ist eine Urgeschichte. Die fand nicht nur bei den ersten Menschen so st
att, sondern findet immer wieder statt. Sie hat etwas Modellhaftes. Wir selbst k
ommen darin vor, können uns darin wiederfinden. Gott hatte die Menschen geschaff
en und in einen herrlichen Garten gesetzt. Alles, was man zum Leben braucht und
noch viel mehr gab es im Überfluß. Alles ist üppig, wunderschön, man weiß gar ni
cht, was man zuerst bestaunen soll. Und Gott sagt den Menschen: Kommt! Das ist a
lles für Euch! Ich stelle mir vor, wie sie mit großen Augen durchs Paradies zieh
en, hundert mal so schön wie bei einem Kind zu Weihnachten.
Das ist das Paradies. Es ist die heile Welt. So , sagt Gott, Ihr dürft alles haben.
Ihr dürft alle Früchte essen und genießen. Der ganze Garten steht zu eurer Verfü
gung. Es gibt nur einen einzigen Baum im Garten, von dem ihr die Finger lassen s
ollt! Die Bibel nennt ihn den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Damit
ist gemeint, daß ein Mensch weiß, was gut für ihn ist und was nicht gut für ihn
ist.
Und Gott sagt: Dieser Baum ist nicht für euch da. Für den seid ihr nicht geschaff
en. Wenn ihr davon eßt, zerstört ihr euer Leben! Was gut ist und was böse, das l
aßt meine Sorge sein! Es gibt einfach Sachen, die überfordern Menschen. Die sind
nicht gut. Steckdosen z.B. sind für kleine Kinder lebensgefährlich. Es gibt Gren
zen, die wichtig sind, um unser Leben zu schützen! So setzt Gott den Menschen ei
ne Grenze. Es ist die Grenze, daß wir nicht Gott sind, daß wir nicht bestimmen k
önnen, was gut ist und was böse. Gott setzt diese Grenze nicht, um die Menschen
einzuengen, sondern um sie zu schützen, weil er weiß: wenn sie diese Grenzen übe
rtreten, dann zerstören sie ihr Leben, dann werden sie sterben.
Aber dann taucht da plötzlich die Schlange auf. Hinter ihr steht die unheimliche
Macht des Bösen, des Teufels. Man weiß gar nicht, wo sie herkommt. Plötzlich sc
hlängelt sich in Eva ein Gedanke hoch: Warum will Gott eigentlich nicht, daß ihr
von diesem Baum eßt? Und Eva denkt weiter: Ja, warum eigentlich? Könnte es sein, d
aß Gott uns da etwas nicht gönnt? Könnte es vielleicht sein, daß Gott uns das Wi
chtigste und Schönste vorenthält? Will er uns vielleicht abhängig halten von sic
h?
Da keimt ein Mißtrauen im Menschen auf, Mißtrauen gegen Gott. Der Verdacht ist d
a, daß Gott es im Letzten doch nicht gut mit ihnen meint. Dieses Mißtrauen ist w
ie ein feiner Riß, mit dem die Zerstörung der Gottesbeziehung beginnt. Die Mensc
hen fangen an, Gott mit anderen Augen zu sehen, als einen mißgünstigen, herrschs
üchtigen Gott, der ihr Leben bedroht. Vertrauen und Liebe zu Gott schwinden. Im
gleichen Maß wächst die Angst, zu kurz zu kommen. Ich könnte ja was verpassen, w
enn ich diese Frucht nicht esse! So führt sie das Mißtrauen zur Auflehnung gegen
Gott. Sie überschreiten willentlich die Grenze, die Gott ihnen gesetzt hat und
essen von der Frucht.
Was damit geschehen ist, ist unvorstellbar tragisch. Durch ihr Mißtrauen und ihr
e Auflehnung gegen Gott haben die Menschen ihre heile Beziehung zu Gott zerstört
, haben sich von der Quelle des Lebens abgeschnitten. Es ist, als würde eine Sch
iffsmannschaft im Sturm das Seil kappen, das das Schiff ans Ufer bindet. So habe
n die Menschen die Verbindung mit Gott gekappt. Und so haben sie das Paradies, d
ie heile Welt, verloren.
Diese Geschichte wiederholt sich in ihrer Grundstruktur in jedem von uns. Immer
beginnt es mit dem Mißtrauen gegenüber Gott. Das ist die Wurzel des Problems. Wi
r glauben ihm seine Güte nicht. Weil ich Gott nicht traue, weil ich nicht glaube
, daß er ausreichend für mich sorgt, muß ich für mich selber sorgen, muß ich mir
mein Leben selbst sichern. Aus der Angst, zu kurz zu kommen, entstehen Selbstsu
cht und die Gier nach Sicherheit, Macht, Geld.
Aus dem Mißtrauen gegen Gott wächst auch Mißtrauen gegen andere Menschen. Wer de
m Schöpfer nicht traut, dem fällt es schwer, seinen Geschöpfen zu trauen. Und da
raus entstehen Angst, Aggression, Empfindlichkeiten, Lügen und so weiter.
So wachsen aus der Ursünde die Sünden, die einzelnen bösen Gedanken und Handlung
en, die uns vor Gott und vor einander schuldig machen, die unser Leben, unsere W
elt kaputt machen. Aus dem Mißtrauen erwächst Schuld.
Wir leben an dem Leben, wie Gott es für uns vorgesehen hat, vorbei, weil wir ihm
seine Güte nicht abnehmen. Und so verfehlen wir die Bestimmung unseres Lebens.
Auch das steckt in dem Wort Sünde .
Das griechische Wort, das im Neuen Testament für Sünde steht, hamartia, stammt aus
der Sprache der Bogenschützen. Wenn ein Bogenschütze das Ziel, das er anvisiert
hat, verfehlt, dann ist das hamartia, Zielverfehlung . Der Pfeil trifft nicht ins
Schwarze, er fliegt daneben. Sünde meint: Unser Leben ist abgeschossen wie ein P
feil, steuert auf ein bestimmtes Ziel zu und trifft es nicht. Vielleicht knapp,
vielleicht weit daneben, auf jeden Fall daneben. Sünde bedeutet Zielverfehlung.
Wenn wir verstehen wollen, was Sünde ist, müssen wir also nach der Zielvorstellu
ng fragen, die Gott für unser Leben hat. Was ist das Ziel, die Bestimmung für un
ser Leben?
Vielleicht denkt mancher, daß Gott sein Leben eng und klein machen will, so nach
dem Motto: Nicht zu sehr über die Stränge schlagen. Nicht zu viel Spaß haben. Ar
beite ordentlich und reiß dich am Riemen. Ein kleines Leben, das von lauter Gebot
en eingeengt wird.
Das Gegenteil ist der Fall. Gott will unser Leben in eine große Weite führen. Go
tt will, daß sich unser Leben entfaltet wie eine Knospe. Habt ihr einmal in eine
m Film gesehen, wie eine Knospe im Zeitraffer sich öffnet und entfaltet? Es ist
ein wunderschöner Anblick.
Nach der Bibel soll sich unser Leben in drei Richtungen entfalten:
Es soll sich zu Gott hin entfalten: daß wir Gott, unseren Schöpfer, von ganzem H
erzen liebhaben, ihm vertrauen, uns ihm hingeben.
Es soll sich zu unseren Mitmenschen hin entfalten: daß wir die Menschen um uns h
erum wahrnehmen, uns ihnen zuwenden, sie in ihrer Unterschiedlichkeit achten, in
einer Beziehung der Liebe und des Vertrauens zu ihnen leben.
Es soll sich zur übrigen Schöpfung hin entfalten, zu den Lebewesen und Dingen: d
aß wir mit der Schöpfung behutsam umgehen, sie im Sinne Gottes bewahren und verw
alten; daß wir sie nicht ausbeuten, als wäre sie unser Eigentum; daß wir die ges
chöpflichen Dinge aber auch nicht vergötzen oder süchtig werden nach ihnen.
So soll sich unser Leben entfalten in einer heilen Beziehung zu Gott, zu unseren
Mitmenschen und zur übrigen Schöpfung. In dieser dreifachen Entfaltung unseres
Lebens wird dann auch unsere Beziehung zu uns selbst heil: Da kann ich Ja sagen
zu mir selbst ohne mich zum Maß aller Dinge machen zu müssen. Da kann ich mich f
reuen an meinen Gaben ohne auf andere herabzuschauen. Da kann ich auch Ja sagen
zu meinen Grenzen ohne mich zu verachten.
So kommt unser Leben zu seiner vollen Entfaltung. Das ist die Vision Gottes für
unser Leben. Das ist sein Ziel für jeden einzelnen von uns.
Aber die Entfaltung unseres Lebens in diesen drei Richtungen ist blockiert. Das
meint Sünde als Zielverfehlung: Statt wie eine Blume aufzugehen, sind wir in uns
selbst verschlossen. Statt in einer offenen Liebesbeziehung zu Gott, den andere
n Menschen und der Schöpfung zu leben, kreisen wir immer nur um uns selbst. Der
vollen Entfaltung meines Lebens stehe ich selbst im Weg, indem ich mich selbst z
um Mittelpunkt und zum Hauptthema aller meiner Gedanken und Aktionen mache: Wie
wirke ich auf die anderen? Wie stehe ich jetzt da? Was habe ich davon? Alles kre
ist um mich und macht mich zum Gefangenen meines eigenen Ichs.
Martin Luther hat einmal gesagt: Der Mensch ist in sich selbst verkrümmt. In sic
h selbst verkrümmt; wie ein Nagel, auf den einer falsch gehauen hat, der krumm g
eschlagen ist und seiner Aufgabe nicht mehr nachkommt; wie eine Knospe, die nie
aufgeht. Es ist furchtbar, wenn man immer nur um sich selber kreist und doch nic
ht zu sich selber findet.
So haben wir Menschen die Bestimmung unseres Lebens verfehlt.
Die Bibel spricht sehr nüchtern davon. Sie sagt: Alle Menschen haben gesündigt u
nd die Herrlichkeit (= die herrliche Bestimmung) verloren, die Gott ihnen zugeda
cht hat. (Röm 3, 23)
Ich sagte vorhin, daß Sünde im Kern eine Beziehungsstörung ist. Wir haben die Ve
rbindung zu Gott durch Mißtrauen und Auflehnung gekappt.
Die Sünde trennt uns von Gott wie eine tiefe Kluft. Wir sind von dem Schöpfer, v
on der Quelle des Lebens, abgeschnitten. Wir sind wie eine Blume, die sich selbs
t von ihrer Wurzel abgeschnitten hat. So eine Schnittblume kann noch eine Weile
blühen, aber sie ist von ihrem Ursprung gelöst, von dem, wovon sie lebt. Und so
wird sie über kurz oder lang eingehen. Das Neue Testament sagt an einer Stelle:
Die Konsequenz der Sünde ist der Tod. (Röm 6, 23)
Getrennt von Gott ist das volle Leben nicht zu haben; getrennt von Gott gehen wi
r ein. Sünde ist nicht nur eine menschliche Schwäche oder ein harmloser Fehltrit
t. Sie ist das Grundproblem dieser Welt. Sünde ist eine gefährliche Krankheit, d
ie unser eigenes Leben und diese Welt kaputt macht.
Ich bin mir darüber im Klaren, daß wir euch heute einiges zugemutet haben. Das T
hema Sünde ist ja auch darin hat sie Ähnlichkeit mit einer Krankheit ein unangen
ehmes Thema, über das man nicht gerne redet. Aber wenn ein Arzt eine ernste Diag
nose stellt, dann tut er das nicht, um uns zu ärgern, sondern um uns zu helfen u
nd zu heilen. Wenn die Bibel so ernst von der Sünde redet, dann tut sie es ebenf
alls nicht, um uns zu ärgern, sondern um zu helfen. Die Frage ist nicht, ob uns
die Diagnose angenehm oder unangenehm ist. Die Frage ist, ob sie wahr ist und ob
es einen Weg zur Heilung gibt.
Wie kann mein Mißtrauen gegen Gott wieder ausheilen? Wie kann die zerstörte Bez
iehung zu ihm wiederhergestellt werden?
(Bei dieser Einheit eignet es sich, nach den Gesprächsgruppen noch einmal einen
Abschlußimpuls im Plenum zu haben)

Abschluß im Plenum: Der verlorene Sohn


Ich weiß nicht, an welchem Punkt vom Gleichnis ihr hängen geblieben seid. Diese
Geschichte ist sehr vielschichtig. Es ging heute um die Störung unserer Beziehun
g zu Gott und ihre Heilung.
Wie heilt es denn aus, unser Mißtrauen? Wie kann unsere Beziehung zu Gott wieder
hergestellt werden?
Warum haut der eigentlich ab?
Ich möchte dem anhand der Geschichte, die ihr eben gelesen habt, noch einmal nac
hgehen. Vielleicht habt ihr euch ja gefragt: Warum haut der eigentlich ab? Liegt
das am Vater? Es gibt ja solche Väter, die sind absolute Tyrannen, die gönnen e
inem nichts. Aber dieser Vater ist anders. Der gönnt seinem Kind das Leben. Der
ist großzügig. Der gibt ihn einfach frei ohne einen bösen Kommentar.
Der Grund für das Abhauen, der liegt im Sohn, der liegt nicht im Vater. Da war w
ohl auch dieses Mißtrauen, der Gedanke: Beim Vater ist das Leben nicht zu haben.
Der ältere Sohn
Nebenbei gesagt: Beim älteren Sohn ist das auch nicht viel besser. Habt Ihr dies
e Sätze noch im Ohr? Ich habe für dich geschuftet, und nie hast Du mir etwas gegö
nnt. Was habe ich denn gekriegt von Dir? Gar nichts. Der ältere Sohn ist gar nich
t so viel anders als der jüngere. Auch in ihm steckt dieses Mißtrauen. Es gibt C
hristen, für die ist ihr Glaube nur Pflicht. Sie haben dauernd das Gefühl, bei G
ott das Leben zu verpassen, und sie bleiben eigentlich nur, weil sie es so gewoh
nt sind. Man muß nicht erst die Schweine ausprobiert haben, um eine gestörte Bez
iehung zu Gott zu haben. Christlicher Glaube, Gemeinde, Gottesdienst nur noch al
s Pflicht, als Routine. Der ältere Sohn, er lebt zu Hause, aber lustlos. Er lebt
bei Gott und kennt ihn doch nicht.
Die beiden Söhne sind sich da sehr ähnlich. Der einzige Unterschied ist, daß der
eine sein Mißtrauen auslebt und der andere es versteckt hinter seiner Kirchlich
keit.
Beim jüngeren ist das Erbteil innerhalb kürzester Zeit verbraucht, und er kommt
dann in eine Situation, in die er nie wollte und aus der er alleine auch nicht m
ehr herauskommt. Er endet bei den Schweinen. Für einen Juden ist es so ungefähr
das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Er ist jetzt völlig am Ende, völli
g isoliert, völlig gescheitert.
Der Tiefpunkt dieser Geschichte ist zugleich der Wendepunkt.
In der Bibel steht: Da ging er in sich. Man kann auch sagen: Da kam er zu sich sel
bst. Jetzt hört er endlich auf, wegzulaufen; jetzt wird er endlich ehrlich sich
selbst gegenüber, schaut sich seine Situation ehrlich an. Er merkt: So geht es n
icht weiter. Und dann macht er sich auf. Es bleibt nicht bei den Gedanken, er ma
cht sich auf. Vielleicht war ihm in seinem Elend bei den Schweinen ein Erinneru
ngsfetzen hochgekommen. So ein Bild, das auftaucht, ein altes, verschwommenes Bi
ld aus der Kindheit. Wie so ein altes Foto, daß man beim Durchblättern plötzlich
findet und denkt: Mensch, so war das damals.
Sehnsucht nach einem Zuhause
Eine Sehnsucht packt ihn, woher die auch immer kommt. Eine Sehnsucht nach Zuhaus
e, wie es mal war. Und er will wieder nach Hause. So, wie es mal war, kann es ni
cht mehr werden, das weiß er genau. Das hat er ja selbst kaputt gemacht aber er
will doch wieder nach Hause.
Darf ich euch mal fragen, warum ihr euch solch einen Glaubenskurs zumutet? Könnt
e das nicht auch sein, daß in Euch, in Dir eine Sehnsucht liegt, ganz tief drinn
en eine Sehnsucht: Ich möchte wieder bei Gott zu Hause sein ?
Ich denke, daß Gott sich in unserer Sehnsucht immer wieder in Erinnerung ruft. D
as ist seine Treue zu uns, daß er uns nicht losläßt. Vielleicht hast Du etwas da
von gespürt - dann bitte ich dich herzlich darum, das nicht wieder zu unterdrück
en. Deine Sehnsucht nach Gott ist ein Zeichen seiner Treue zu dir, daß er dich n
icht losläßt.
Und nun kommt der Höhepunkt dieser Geschichte. Die eigentliche Überraschung ist
ja nicht der Sohn, sondern der Vater! Nicht nur der Sohn hat Sehnsucht. Auch der
Vater hat Sehnsucht, Sehnsucht nach seinem Sohn. Da steht: Als der Vater ihn von
ferne sah. Dieser Vater hat nicht einfach so weiter gelebt, als wäre nichts gewe
sen, nach dem Motto: Wer nicht will, der hat schon. Der hat täglich nach seinem
Jungen Ausschau gehalten. Als der Vater ihn von ferne sah da rennt er seinem Soh
n entgegen. Ihr müßt euch das vorstellen, so ein richtiger jüdischer Patriarch,
der rennt nicht, der läßt die Leute zu sich kommen, bestenfalls schreitet er ihn
en entgegen. Aber dieser Vater, der rennt über den Hof, rennt auf seinen Sohn z
u. Er öffnet die Arme und läßt das gesammelte Mißtrauen in seine Arme laufen.
Ahnst Du, was es heißt, daß Gott Sehnsucht nach dir hat? Wir, die wir hier sitze
n sind Gottes große Leidenschaft. Hat dir das schon einmal jemand gesagt, daß Go
tt nach dir Sehnsucht hat? Der Vater läuft dem Jungen entgegen, nimmt ihn in die
Arme, küßt ihn, und bevor der seinen ersten Satz überhaupt los wird, sagt er ih
m: Gut, daß du endlich wieder da bist.
So ist Gott, sagt Jesus. So kommt uns Gott entgegen, egal, von wo wir kommen. Er
kommt uns mit offenen Armen entgegen. In den Armen dieses Vaters spürt der Sohn
: Es ist alles gut. Jetzt erst, nachdem er in den Armen des Vaters ist, kann er
auch reden. Jetzt ist es möglich, ehrlich zu sein, ohne Angst. Jetzt sprudelt d
as alles aus ihm raus. Und er kann seine Schuld aussprechen, kann sie loswerden.
Wenn das stimmt, daß Gott so ist wie dieser Vater, was hindert uns daran, vor Go
tt endlich einmal ehrlich zu werden? Endlich einmal aussprechen, was unser Gewis
sen belastet, endlich reinen Tisch machen. Wir nennen das Beichte. Bei Beichte d
enken manche: das ist etwas Katholisches, das ist Zwang, Gewissensmanipulation,
etc. Aber wenn ihr die Geschichte im Ohr habt: in den Armen dieses Vaters ist be
ichten etwas sehr Befreiendes. Beichte heißt eigentlich, daß man vor Gott und vo
r einem Menschen einmal echt wird und zugibt: Ja, bei mir ist vieles kaputt. Daß
man seine Schuld endlich einmal offen und ehrlich aussprechen kann, ohne ständi
g beschönigen oder entschuldigen zu müssen. Und dann bekommt man von diesem Mens
chen im Namen des Vaters gesagt: Diese Schuld ist dir vergeben! Es kostet einige
Überwindung, aber es ist befreiend, den inneren Dreck mal auszusprechen und los
zuwerden.
(Ggf. kann man am Ende des Abschlußimpulses denen, die daran interessiert sind,
einen Beichtspiegel siehe Arbeitsblätter für Gesprächsgruppenleiter zu BASICS 3 - au
steilen, der dazu dient, sein eigenes Leben einmal zu überprüfen und der eine Hi
lfe zur Beichte sein kann. Darauf sollte an dieser Stelle hingewiesen werden.)
Ich möchte euch Mut machen, euch darauf einzulassen und diese Möglichkeit zu nut
zen, bei einem Menschen eures Vertrauens zu beichten.
Jesus sagt: So wie der Vater im Gleichnis, so ist Gott:
So läuft er uns entgegen und nimmt uns in seine Arme und freut sich, wenn wir en
dlich heimkehren. So wird die zerbrochene Beziehung zu Gott wieder heil.
zum Inhaltsverzeichnis

BASICS 5: Jesus

Faszination Jesus
Es gibt wohl kaum einen Menschen auf der Welt, der so eine Faszination ausübt wi
e Jesus.
Jedes Jahr erscheinen neue Bücher über ihn. Auch ganz unkirchliche Zeitschriften
wie Spiegel oder Focus beschäftigen sich immer wieder mit diesem Mann. Über keinen
Menschen wurde so viel geforscht und geschrieben. Und trotz allem, was da gefors
cht worden ist, hört das Fragen nicht auf: Wer ist dieser Mensch? Die Meinungen
darüber gehen weit auseinander.
Die einen sagen: Er war ein antiker Psychotherapeut, andere halten ihn für einen
großen Gesellschaftskritiker, noch andere für einen Erleuchteten wie Buddha. Ab
er alle, die sich mit Jesus beschäftigt haben, sind sich einig: er ist eine der
außergewöhnlichsten und beeindruckendsten Persönlichkeiten, die auf dieser Erde
gelebt haben. Jesus fasziniert.
Für den christlichen Glauben steht Jesus absolut im Zentrum. Von ihm, Jesus Chri
stus, hat der christliche Glaube ja seinen Namen. Christen sind Christusanhänger
. Wenn man verstehen will, was christlicher Glaube ist, muß man verstehen, wer J
esus ist. Wer war, wer ist dieser Jesus wirklich? Eine Menge Leute, sogar manche
Theologen, behaupten: das können wir gar nicht wissen. Die Quellen über Jesus s
ind zu unzuverlässig. Die sind erst viel später von irgendwelchen Kirchenleuten
geschrieben worden, die Jesus zu einem Gottmenschen hochstilisiert und das Bild
vom wirklichen Jesus verfälscht haben.
Schauen wir uns die Quellenlage mal an: Es gibt ein paar außerbiblische Quellen,
die Jesus erwähnen. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus schreibt ungefähr
115 n.Chr., daß Christus unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingericht
et worden war. (Tacitus, Annalen 15,44)
Der Jude Josephus, ein Geschichtsschreiber, der im 1. Jahrhundert lebte, erwähnt
ihn auch an einigen Stellen. Inhaltlich geben diese Quellen aber wenig her. Die
Hauptquellen, die uns zur Verfügung stehen, sind die vier Evangelien, die im Ne
uen Testament stehen: Das Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.
Diese Quellen sind wesentlich zuverlässiger als der Spiegel und andere populärwi
ssenschaftliche Veröffentlichungen uns glauben machen wollen.
Die Textüberlieferung
Die Überlieferung der Evangelien ist einzigartig gut. Es gibt in der ganzen anti
ken Literatur keine Texte, die auch nur annähernd so gut überliefert worden sind
.
Man braucht nur einmal die Evangelien mit anderen Texten aus der Antike zu vergl
eichen: Nehmen wir z.B. Caesars Gallischer Krieg . Der ist zwischen 50 und 60 vor C
hristus geschrieben worden. Die älteste Abschrift, die wir heute noch haben, ist
von 900 n.Chr. Das heißt: zwischen dem Original und der ältesten Abschrift lieg
en etwa 950 Jahre. Insgesamt gibt es nur 9 oder 10 Handschriften. Trotzdem hat k
einer unserer Lateinlehrer bezweifelt, daß der Text, den wir heute haben, wirkli
ch von Caesar stammt.
Die Werke von Plato sind um 400 v. Chr. geschrieben worden. Die älteste Abschrif
t wird auf etwa 900 n.Chr. datiert. Zwischen dem Original und der ältesten Absch
rift liegen also etwa 1300 Jahre. Insgesamt gibt es nur 7 Handschriften.
Die Evangelien wurden zwischen 60 und 90 n. Chr. geschrieben. Die älteste Abschr
ift, sie ist nur ein Fragment und enthält einen Teil des Johannesevangeliums, is
t ungefähr 120 n. Chr. entstanden. Wenn man annimmt, daß das Johannesevangelium
um 90 n.Chr. geschrieben wurde, dann liegen zwischen dem Original und der ältest
en Abschrift nur etwa 30 Jahre! Es gibt eine ganze Reihe von weiteren Papyri, di
e Teile des NT enthalten und aus dem 2. und 3. Jahrhundert stammen. Das älteste
vollständige Neue Testament stammt aus dem 4. Jahrhundert. Insgesamt gibt es ca.
5000 erhaltene griechische Abschriften!
Und das beeindruckende ist: Sie stimmen inhaltlich völlig überein. Es gibt zwar
kleinere Unterschiede im Wortlaut, Abschreibfehler und ähnliches. Aber es gibt s
o gut wie keine inhaltlich relevante Stelle im ganzen NT, die textlich umstritte
n wäre. Wir können mit gutem Grund davon ausgehen, daß der Text, den wir heute h
aben, mit dem Original übereinstimmt.
Die Verfasser der Evangelien
Die Evangelien selbst sind wahrscheinlich zwischen 60 und 90 n. Chr. geschrieben
worden, also 30 bis 60 Jahre nach den Ereignissen, von denen sie berichten! Das
bedeutet, es gab noch eine Menge Augenzeugen, die Jesus persönlich gekannt hatt
en, die man befragen konnte, die Dinge korrigieren konnten.
Die Verfasser der Evangelien waren nach den ältesten Quellen entweder selbst Aug
enzeugen, die Jesus kannten (Matthäus und Johannes, zwei seiner Schüler) oder Sc
hüler von Augenzeugen. Markus war ein Reisebegleiter von Petrus. Lukas war ein F
reund von Paulus und kannte auch die anderen Apostel. Das heißt, die Evangelien
sind ganz nah dran an Jesus und an denen, die ihn persönlich kannten.
Mündliche Überlieferung
Nun darf man sich das mit der Entstehung der Evangelien nicht so vorstellen, daß
ein Evangelist sich 30 oder 40 Jahre nach den Ereignissen hingesetzt und überle
gt hat: Wie war das denn damals? Sondern es gab eine gut gepflegte Überlieferung
von dem, was Jesus getan und gesagt hat. Mündliche Überlieferung wurde im damal
igen Judentum ganz sorgfältig gepflegt. Schüler haben sich die Worte ihrer Lehre
r, der Rabbis, genau gemerkt. Sie haben sie sogar oft auswendig gelernt. Sie hab
en sie wie einen Schatz bewahrt und sorgfältig weitergegeben.
Dr. Rainer Riesner, Dozent für Neues Testament in Tübingen, hat in einer großen
Studie nachgewiesen, daß Jesus seine Schüler wie ein Rabbi gelehrt hat. Sie habe
n sich seine Worte, seine Gleichnisse und Lehren eingeprägt und ganz gewissenhaf
t weitergegeben. Sie hielten ihn ja nicht nur für einen großen Lehrer, sondern f
ür den Messias, für den, der von Gott kommt. Und sie hätten sich gehütet, seine
Worte wahllos zu verändern oder ihm Sätze in den Mund zu legen, die er nie gesag
t hat.
Wenn wir das alles zusammen nehmen, die Zuverlässigkeit der Textüberlieferung, d
ie Nähe der Evangelien zu den Ereignissen und die Genauigkeit bei der mündliche
n Überlieferung, dann können wir davon ausgehen, daß unsere Evangelien keine Ph
antasieprodukte sind, sondern uns ein zuverlässiges und realistisches Bild von J
esus bieten.
Was berichten die Evangelien über Jesus?
Auffallend ist zunächst, daß sie fast ausschließlich von den letzten 2, 3 Lebens
jahren Jesu erzählen. Matthäus und Lukas berichten von seiner ungewöhnlichen Geb
urt, aber was dann passierte, wie er aufwuchs, was er bis zu seinem 30. Lebensja
hr machte, darüber schweigen sie sich aus. Wir müssen wohl davon ausgehen, daß J
esus ein ganz normales Leben als Zimmermann in Nazareth führte. Dann, als er ung
efähr 30 ist, beginnt er plötzlich in die Öffentlichkeit zu treten.
Jesus tritt auf als Lehrer, als Prediger. Er geht in die Sy-nagogen und spricht
davon, daß Gottes Herrschaft jetzt anfängt und daß es Zeit ist, sein Leben zu ve
rändern. Wenn Jesus predigte, dann wurde es keinem langweilig. Markus schreibt e
inmal: Die Leute waren außer sich über das, was Jesus sagte. Manche waren schock
iert, andere begeistert. Alle spürten: Jesus redet nicht wie die Theologen. Wenn
er von Gott spricht, dann ist das keine Theorie, sondern er spricht von Gott wi
e von einem, den er persönlich kennt. (Mk 1,21 22). Er nennt Gott Abba . Das ist aram
äisch und entspricht unserem Papa . Da wird eine ganz tiefe, vertraute, zärtliche B
eziehung zwischen Jesus und Gott deutlich. Noch nie hat jemand so von Gott und m
it Gott gesprochen.
Jesus hatte, soweit wir wissen, keine theologische Ausbildung. Aber er legt das
Gesetz Gottes mit einer unglaublichen Souveränität aus: Im Gesetz Gottes steht:
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: wenn dich jemand auf deine recht
e Backe schlägt, dann halte ihm auch die linke hin. Jesus stellt seine Worte auf
eine Ebene mit den Geboten Gottes. Er beansprucht für sich dieselbe Autorität.
Er redet nicht wie ein Gesetzesausleger, sondern wie ein Gesetzgeber!
Die Kraft, die Jesus in seinen Worten zeigt, die zeigt er auch in seinem Handeln
. Jesus heilt Kranke. Immer wieder berichten die Evangelien davon. Er macht Blin
de sehend. Er spricht ein Wort, und ein Gelähmter kann wieder laufen. Er berührt
mit seinem Finger die Zunge und die Ohren eines Taubstummen, und er kann hören
und reden. Das spricht sich herum. Die Menschen kommen in Scharen zu Jesus in de
r Hoffnung, von ihm geheilt zu werden. Und Jesus heilt sie wirklich. Er macht Me
nschen an Leib und Seele gesund. Es gibt im ganzen NT keinen Fall, wo Jesus eine
n Menschen, der ihn um Heilung oder Hilfe bittet, abweist.
Es gibt Leute, die haben ihre Schwierigkeiten mit Heilungen und anderen Wundern.
Kann das überhaupt möglich sein? Haben sich das die Evangelisten vielleicht nur
ausgedacht? Oder sind diese Heilungen, wenn sie denn passiert sind, nicht auch
psychosomatisch zu erklären? Ich glaube, die Heilungen und anderen Wunder spiele
n eine viel zu große Rolle in den Evangelien, als daß man sie als Erfindungen de
r Evangelisten abtun könnte. Johannes der Täufer wurde auch von den Menschen tie
f verehrt als ein Mann Gottes. Aber es wird in den Evangelien kein einziges Wund
er von ihm berichtet, von Jesus dagegen endlos viele. Meines Erachtens kann man
die Heilungen auch nicht alle psychologisch erklären. Dazu sind sie zu unterschi
edlich und die Fälle oft zu schwerwiegend. Einer, der von Geburt an blind ist, k
ann nicht durch seelische Aufmunterung wieder sehen! (Joh 9) Interessant ist, da
ß auch die Gegner von Jesus seine Wunder nicht bestritten haben. In späteren jüd
ischen Schriften wird gesagt, daß Jesus in Ägypten Zauberei gelernt hat und daru
m außergewöhnliche Taten tun konnte!
Wie immer man es deutet, die Menschen, die Jesus begegneten, spürten: in diesem
Mann stecken außergewöhnliche, übernatürliche Kräfte. Und immer wieder, wenn Leu
te das erlebten, kam die Frage auf: Wer ist dieser Mensch?
Jesus hat nicht nur außergewöhnlich gelehrt und außergewöhnliche Taten vollbrach
t. Seine ganze Persönlichkeit war einzigartig und faszinierend.
Jesus war ein Mensch aus einem Guß, ohne Brüche, ohne faule Kompromisse. Er hat
sich überhaupt nicht von den damaligen Konventionen bestimmen lassen. Wir sehen
ihn in Gemeinschaft mit Leuten, mit denen kein anständiger Mensch etwas zu tun h
aben wollte. Er faßt Leprakranke an. Er läßt sich von einer Prostituierten die F
üße waschen und lädt sich bei einem korrupten Beamten zum Mittagessen ein. Das L
eiden anderer Menschen geht ihm unter die Haut. Er setzt sich so für andere ein,
daß er manchmal keine Zeit zum Essen findet.
Aber dann kann er sich auch plötzlich aus der Menschenmasse zurückziehen und ein
e ganze Nacht allein auf einem Berg verbringen und mit Gott sprechen. Er hat kei
ne Angst vor der Einsamkeit, kann wochenlang allein in der Wüste sein, kann dann
aber auch mitten im Menschengetümmel fröhliche Feste feiern. Er durchschaut die
Menschen und hat doch gleichzeitig ein tiefes Erbarmen mit ihnen.
Einmal wird eine Frau zu Jesus gebracht, die beim Ehebruch erwischt worden ist.
Die Strafe, die im Gesetz dafür vorgesehen war, ist die Steinigung. Den Leuten,
die die Frau bringen, geht es gar nicht um die Frau. Sie wollen Jesus eine Falle
stellen: Was sagst du dazu? Soll sie gesteinigt werden? Wenn Jesus Nein sagt, s
tellt er sich gegen das Gesetz Gottes. Wenn er Ja sagt, bringt ihn das in Konfli
kt mit der römischen Besatzung. Jesus bleibt gelassen. Er hockt sich auf die Erd
e, malt mit dem Finger im Sand und läßt die Leute warten. Dann steht er auf und
sagt: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Die Ankläger vers
tehen. Einer nach dem anderen schleicht sich allmählich davon. Als Jesus mit der
Frau allein ist, sagt er zu ihr: Ich verurteile dich nicht. Geh und sündige nic
ht wieder. (Joh 8)
Gegenüber den Autoritäten seiner Zeit, den Theologen und Priestern, aber auch ge
genüber Herodes und Pilatus und den anderen Politikern beweist Jesus eine selten
e Unabhängigkeit. Er deckt ihre Heuchelei auf, ohne Rücksicht darauf, daß ihm da
s selbst Nachteile einbringen wird. Als sie ihm den Prozeß machen, da versucht J
esus nicht, sie von seiner Unschuld zu überzeugen oder überhaupt irgendet- was z
u seinem Vorteil zu tun. Er ist unbestechlich ehrlich, selbst als es um Leben un
d Tod geht. Und am Kreuz, wo alle anderen nur noch fluchen, hat er für seine Fei
nde gebetet: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!
Was für ein Mensch!
Jesus hat die Liebe, die er predigte, selbst gelebt. Reden und Handeln waren bei
ihm eine Einheit. Er war frei und selbstbewußt wie ein König. Und doch war er s
ich nicht zu schade, seinen Schülern die Füße zu waschen!
Jesus der wahre Mensch. Ein Mensch, so wie Gott ihn sich gedacht hat.
Wie sah Jesus sich selbst?
Es gibt aber etwas, das ist noch aufregender als seine Worte, seine Taten und se
ine Persönlichkeit. Das Aufregendste an diesem Menschen ist, was er von sich sel
bst sagt. Wie er sich selbst sieht. Das war es, was die Leute damals am meisten
schockte und was schließlich dazu führte, daß sie ihn töteten. Wie hat Jesus sic
h selbst gesehen? Welchen Anspruch hat er erhoben?
Ich möchte euch einladen, einige Beobachtungen zu teilen:
Wir haben schon gesehen, daß Jesus seinen eigenen Worten eine Autorität beimißt,
die ebenso hoch, wenn nicht höher ist wie die des Gesetzes. Es steht geschrieben
... Ich aber sage euch ... Nun ist das Gesetz ganz unbestritten Gottes Gesetz. D
iese Überzeugung hat Jesus mit seinen Zeitgenossen geteilt. Das heißt aber, er b
eansprucht, daß seine Worte göttliche Autorität haben!
Die Evangelien berichten, daß Jesus einzelnen Menschen Sünden vergibt. (Einen di
eser Berichte werden wir nachher in den Gesprächsgruppen lesen.)
Das klingt auf den ersten Blick ziemlich harmlos. Aber man muß sich einmal klarm
achen, was das bedeutet! Stell dir vor, ein Bekannter von dir leiht sich dein sc
hönes, neues Fahrrad aus. Ein paar Stunden später kommt er völlig zerknirscht wi
eder: Du, dein Fahrrad ist leider geklaut worden. Ich war nur kurz beim ALDI und
hab vergessen, es abzuschließen, und als ich rauskomme ist es weg. Du bist natürli
ch stinksauer. Dann komme ich daher, höre eurem Gespräch zu und sage dann deinem
Bekannten: Mach dir keine Sorgen. Ich vergebe dir deine Schuld.
Das wäre total lächerlich. Schuld kann nur der vergeben, an dem man schuldig gew
orden ist und nicht ein unbeteiligter Dritter. Und Sünde, Schuld gegenüber Gott,
kann nur Gott vergeben. Wenn Jesus Sünden vergibt, dann ist das entweder totale
r Unsinn oder er erhebt tatsächlich den Anspruch, daß er an Gottes Stelle steht,
daß er auf irgendeine Weise ganz eng verbunden ist mit Gott.
Diese einzigartig enge Verbundenheit mit Gott bringt er auch explizit zum Ausdru
ck: An mehreren Stellen in den Evangelien spricht er von sich als dem Sohn . Wir wo
llen uns nur eine Stelle, vielleicht die wichtigste, anschauen. Das Synhedrium,
das war der Senat der Juden, der war in Judäa für die inneren Angelegenheiten un
d die Rechtssprechung zuständig, hatte Jesus gefangennehmen lassen. Diese Leute
wollten Jesus unbedingt loswerden und suchten nach einer Anklage, mit der sie ih
n zum Tode verurteilen konnten. Die einzige Anklage, die da in Frage kam, war di
e der Gotteslästerung. Darauf stand die Todesstrafe.
Und darum stellt Kaiphas, der Hohepriester und Vorsitzende des Senats, die entsc
heidende Frage an Jesus: Bist du der Christus, der Sohn Gottes? Wenn ein Mensch
sich zum Sohn Gottes erklärt, dann macht er sich damit Gott gleich. Und das ist,
nach jüdischem Verständnis, Blasphemie. Jesus weiß, daß es jetzt um Leben und T
od geht. Er fängt aber keine Diskussion an, versucht nicht, sich herauszuwinden,
sondern bejaht die Frage: Du sagst es. Ich bin s. (Mk 14,62) Das Synhedrium fällt d
arauf das Urteil: Jesus hat wegen Gotteslästerung den Tod verdient.
Jesus hat also den Anspruch erhoben, Gottes Sohn zu sein. Er hat damit etwas Ung
eheuerliches behauptet, nämlich daß er aus Gott hervorgegangen ist, aus Gott sta
mmt und von Ihm kommt. Er hat dafür mit dem Leben bezahlt.
In Jesus zeigt uns Gott sein Herz
An einer anderen Stelle sagt er: Wer mich sieht, sieht den Vater. (Joh14,9) Damit
sagt er: Ich bin so sehr eins mit Gott, meinem Vater, daß man an mir sehen kann,
wie Gott ist. Wer Jesus ansieht, der sieht Gott, der sieht das Wesen Gottes. In
dieser Person Jesus zeigt uns Gott sein Herz.
Stellt euch mal vor, das wäre wahr, daß an Jesus Gottes Wesen sichtbar wird! Da
müßte man jetzt noch mal die ganzen Geschichten, wie Jesus den Menschen begegnet
ist, an seinem inneren Auge vorbeilaufen lassen:
Wie Jesus die kleinen Kinder auf den Arm genommen und sie gesegnet hat.
Wie er sich bei dem Zolleinnehmer, den alle anderen haßten, eingeladen und sein
Leben neu gemacht hat.
Wie er der Ehebrecherin sagt: Ich verurteile dich nicht.
So ist Gott! So geht er mit uns um. Wer Jesus sieht, der sieht Gott ins Herz.
An Jesus glauben bedeutet, ihm das zu glauben, ihm zu glauben, daß er von Gott g
ekommen ist, daß er der Sohn Gottes ist. Im Zentrum des christlichen Glaubens st
eht die Überzeugung, daß in diesem Menschen, Jesus von Nazareth, Gott selbst zu
uns gekommen ist, sich offenbart hat. Jesus ist sozusagen der menschgewordene Te
il Gottes.
Gott hat sich in Jesus aber nicht nur gezeigt. Er hat noch etwas Wichtigeres get
an. Wir sahen in der letzten Einheit, daß das Grundproblem von uns Menschen dari
n besteht, daß unsere Beziehung zu Gott kaputt ist. Die Sünde, das Mißtrauen geg
en Gott, hat uns von ihm getrennt.
Sie steht zwischen uns und Gott wie eine tiefe Kluft. Immer wieder versuchen Men
schen, diese Kluft von sich auf zu überbrücken, zu Gott, zur Quelle, zurückzufin
den. Manche versuchen es durch ethische Anstrengungen, versuchen, bessere Mensch
en zu werden und so die Verbindung wiederherzustellen. Oder man versucht es durc
h religiöse Leistungen oder durch Meditationsübungen, durch okkulte Praktiken. M
enschen unternehmen alles Mögliche, um diese Kluft zu überbrücken.
Und nun sagt das NT etwas ganz Erstaunliches: Gott hat diese Kluft von sich aus
überbrückt. Nicht nur wir Menschen haben Sehnsucht nach Gott. Er hat Sehnsucht n
ach uns. Gott sieht, daß alle unsere Bemühungen, die Kluft zu überwinden, zu kur
z greifen. Darum schlägt Gott in Jesus selbst eine Brücke zu uns und stellt die
Verbindung wieder her.
Jesus ist Gottes Weg zu uns. Und darum unser Weg zu Gott.
Er hat das selbst einmal so gesagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leb
en. Niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Joh 14,6)
Jesus ist die Brücke, die uns mit Gott verbindet. In Jesus berührt die göttliche
Wirklichkeit unsere Wirklichkeit. In Jesus läuft uns Gott entgegen wie der Vate
r im Gleichnis dem verlorenen Sohn entgegenläuft und nimmt uns in seine Arme.
zum Inhaltsverzeichnis

BASICS 6: Wendepunkt Kreuz

Ideen zur Hinführung:


Unter der Rubrik Streitfall erschien in der Zeitung Die Woche vor einiger Zeit die f
olgende These, zu der man Stellung nehmen sollte. Teilnehmer bekommen kleine Kar
ten und schreiben eigene, kurze Stellungnahme zu der These darauf, Pro oder Cont
ra oder Unentschieden. Anschließend werden die Kärtchen an ein Plakat geheftet u
nd vorgelesen.
Holt Jesus vom Kreuz!
Der Karfreitag ist ein hoher Feiertag für viele Christen. Jahr für Jahr gedenken
sie der Hinrichtung Jesu. Der Sohn Gottes mußte Foltern ertragen und qualvoll a
m Kreuz sterben, um die Menschen von ihren Sünden zu erlösen.
Wie der sitzende Buddha für viele Asiaten das Zentrum ihres friedlichen Glaubens
verkörpert, so ist das Kreuz mit dem sterbenden Jesus die wichtigste Ikone für
die Christen. Ihr Heil erwächst aus einem blutigen Menschenopfer ... Welch eine
Religion, die einen Gott preist, der seinen Sohn für die Sünden der Menschen kre
uzigen läßt! Die keinen sanften Gott ehrt, keinen, der für positive Werte wie Fr
ieden und Gewaltfreiheit steht! Fort mit dem Symbol, das für eine Henkers-theolo
gie steht: Holt Jesus vom Kreuz!
Es ist tatsächlich seltsam: Das Symbol des christlichen Glaubens ist ein Hinrich
tungsinstrument, an dem womöglich noch eine Leiche hängt!
Ich kann das gut verstehen, wenn man sich darüber aufregt und wenn man sich frag
t: Was soll das? Wie kann ein Gott der Liebe so grausam sein und seinen Sohn so
umkommen lassen? Das würde doch kein irdischer Vater tun! Wie soll man an so ein
en Gott glauben? Das Kreuz löst Ärger und Unverständnis aus. Das war damals gena
uso, als die ersten Christen von einem gekreuzigten Sohn Gottes sprachen.
Wir können heute kaum nachvollziehen, was das Wort Kreuz damals bei einem Menschen
auslöste. Cicero schreibt dazu: Schon das Wort Kreuz soll ferne bleiben nicht nur
dem Leibe der römischen Bürger, sondern auch ihren Gedanken, ihrem Auge, ihrem
Ohr. (Cicero, Pro Rabirio 16)
Das Kreuz war etwas Widerliches, Ekelhaftes. Es war ein Folterinstrument schlimm
ster Sorte. Der Tod am Kreuz war der entwürdigendste, qualvollste Tod, den man s
ich vorstellen konnte. Kein römischer Bürger durfte gekreuzigt werden, nur Sklav
en, Piraten und sogenannte Barbaren wurden so umgebracht. Gekreuzigte waren der
Auswurf der Gesellschaft. Das war Dreck, verworfene, jämmerliche, würdelose Leut
e, mit denen keiner was zu tun haben wollte, die von den Menschen und von den Göt
tern verworfen waren. Schlimmer konnte ein Leben überhaupt nicht enden.
Und nun kamen die Christen und predigten einen Sohn Gottes, der am Kreuz starb u
nd sagten, daß sein Tod am Kreuz eine gute, befreiende Nachricht ist. Das gab vi
elleicht eine Aufregung! Wer nur ein bißchen Bildung und Sinn für Religion hatte
, der sagte: Das ist schlicht geschmacklos. Die Religion hat es doch mit dem Sch
önen, Wahren und Guten zu tun und nicht mit Dreck und Blut!
Auf einer Wandkritzelei in Rom aus dieser Zeit ist ein Mann mit Eselskopf abgebi
ldet, der an einem Kreuz hängt. Daneben einer, der zu ihm betet. Und darunter st
eht: Alexamenos betet seinen Gott an. So empfand man das damals: Ein gekreuzigte
r Sohn Gottes das kann doch nur ein Esel sein. Das ist absolut lächerlich und ge
schmacklos. Das Kreuz regt die Leute auf, damals wie heute.
Wie kam es überhaupt dazu, daß man den Tod von Jesus am Kreuz als eine gute, bef
reiende Nachricht feiern konnte?
Die Kreuzigung
Die Kreuzigung von Jesus war eine von vielen. Sie wurde vollstreckt nach der übl
ichen Prozedur. Und folgendes ist wichtig: Im christlichen Glauben geht es nicht
um irgendwelche Ideen oder Gedanken, etwas, was nur in unserem Kopf ist, sonder
n um Wirklichkeit. Im Mittelpunkt des christlichen Glaubens steht der wirkliche,
grausame Tod eines Mannes. Den hat sich keiner ausgedacht. Er geschah Anfang Ap
ril, wahrscheinlich im Jahr 30, vor den Stadtmauern von Jerusalem auf einem klei
nen Hügel, der Schädel , Golgatha , genannt wurde.
Wir sind über die Kreuzigung und ihre Vorgeschichte sehr gut informiert. Alle vi
er Evangelien berichten ausführlich und in großer Übereinstimmung darüber.
Jesus war einige Tage vorher mit seinen Anhängern nach Jerusalem gekommen. Die L
age war angespannt. Er wußte, daß er im Synhedrium, dem jüdischen Rat, viele Fei
nde hatte und daß eine Gefangennahme drohte.
Und dann ging es ganz schnell. Nach einem letzten Abendessen mit seinen Anhänger
n zieht sich Jesus mit ihnen in einen kleinen Garten außerhalb der Stadtmauer zu
rück. Mitten in der Nacht tauchen dort Soldaten auf und nehmen ihn gefangen. Kai
phas, der Hohepriester und Vorsitzende des Rates, hat das Synhedrium zu einer nä
chtlichen Sondersitzung zusammengerufen. Jetzt, wo sie ungestört sind, machen si
e Jesus den Prozeß. Der Vorwurf lautet: Gotteslästerung. Darauf steht nach jüdis
chem Recht die Todesstrafe. Der Rat durfte die Todesstrafe aber nicht selber aus
führen. Das durfte nur der römische Statthalter, Pontius Pilatus.
Der Rat weiß, daß Pontius Pilatus als Römer keine religiösen Vergehen bestrafen
würde. Darum denunzieren sie Jesus als einen politischen Aufrührer. Pilatus ist
Profi und merkt sofort, daß Jesus kein Verbrecher ist. Aber er will es sich mit
dem Rat nicht verderben. Er gibt nach und verurteilt Jesus zum Tod am Kreuz.
Es folgt die übliche Prozedur der Kreuzigung: Nachdem das Urteil verkündet ist,
wurde der Verurteilte ausgepeitscht. Die Römer benutzten dabei Lederpeitschen, i
n die kleine Knochen- oder Metallstücke eingearbeitet waren. Der ganze Rücken wu
rde davon aufgerissen. Dann mußte man den Querbalken des Kreuzes auf den kaputte
n Rücken nehmen und durch die gaffende Volksmenge zur Hinrichtungsstelle tragen.
Am Hinrichtungplatz wurde Jesus nackt ausgezogen. Die Hände wurden am Querbalken
festgenagelt und den zog man am Längsbalken hoch, der schon in die Erde gesenkt
war. Neben ihm hingen zwei Partisanen. Oben über dem Gekreuzigten stand als Ver
urteilungsgrund: Jesus von Nazareth, König der Juden.
Wer am Kreuz hing, mußte ein unvorstellbares Maß an Scham und Schmerzen aushalte
n.
Man hing da ausgespannt, festgenagelt, nackt und völlig wehrlos in der Hitze. Ma
n konnte sich nicht bewegen, konnte sich nicht kratzen, nicht mal die Fliegen ab
wehren, die einem in den Wunden saßen. Dem Gekreuzigten wurde die Lunge eingedrü
ckt und er konnte kaum atmen. Ab und zu mußte er sich mit den Füßen hochstemmen,
um wieder Luft zu bekommen. Hochstemmen und wieder runtersacken, so vollzog sic
h der langsame Todeskampf. Der konnte unter Umständen tagelang dauern. Irgendwan
n trat dann endlich der Tod ein, meist durch Ersticken oder Kollaps oder Verdurs
ten.
Unter dem Kreuz Jesu stehen die Gaffer, die es immer gab, die ihre blöden Bemerk
ungen machten. Einige Frauen stehen da, die es nicht fassen können, was passiert
. Seine Anhänger haben sich schon längst versteckt. Ihnen ist klar: Jetzt ist al
les aus. Wir haben uns schrecklich geirrt. Wenn Jesus wirklich Gottes Sohn gewes
en wäre, dann hätte Gott es nicht so weit kommen lassen. Dann hätte Er nicht zug
elassen, daß Jesus so entwürdigt und gequält wird. Sechs Stunden lang hing Jesus
am Kreuz, dann starb er.
Es war eine ganz normale Kreuzigung. Jesus hat unter den Schmerzen und der Scham g
enauso gelitten, wie jeder andere Mensch auch. Und doch hat es mit dieser Kreuzi
gung etwas Besonderes auf sich.
Ich möchte drei Indizien nennen, die uns auf die Spur bringen, was das Besondere
an diesem Tod war:
Wie Jesus starb, war absolut ungewöhnlich. Während alle anderen fluchten und sch
rien, betete Jesus für die Menschen, die ihn quälten: Vater, vergib ihnen, denn
sie wissen nicht, was sie tun! Und am Ende sagte er: Es ist vollbracht. Der Haup
tmann, der bestimmt schon viele Gekreuzigte sterben sah, war so beeindruckt, daß
er sagte: Das war ein göttlicher Mensch.
Ein weiteres Indiz: Es gibt Hinweise in den alten Berichten, die belegen, daß Je
sus seinen Tod am Kreuz für ein notwendiges Ereignis gehalten hat. Schon eine ga
nze Zeit vor der Gefangennahme hatte er seinen Freunden gesagt: Der Menschensohn
(= er selbst) muß viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpr
iestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.
(Mk 8,31)
Jesus hielt seinen Tod am Kreuz nicht nur für notwendig. Er hielt ihn sogar für
seinen eigentlichen Auftrag, weshalb er in die Welt gekommen ist. Er sagte das a
n anderer Stelle: Der Menschensohn ist gekommen, um zu dienen und sein Leben hin
zugeben als ein Lösegeld für viele. (Mk 10,45)
Wie das mit dem Lösegeld zu verstehen ist, darüber werden wir gleich noch sprech
en. Jetzt geht es nur mal darum festzuhalten, daß Jesus die Hingabe seines Leben
s in den Tod nicht als ein Scheitern, sondern als seine eigentliche Lebensaufgab
e betrachtet hat.
Aber der entscheidende Hinweis, daß der Tod von Jesus etwas Besonderes war, ist
seine Auferstehung.
Alle Evangelien berichten übereinstimmend, daß Jesus von den Toten auferstanden
ist, daß er lebt. Der Tod war nicht das Ende, sondern die Wende. Viele Leute tun
sich schwer, an die Auferstehung von Jesus zu glauben. Es übersteigt unser Vors
tellungsvermögen. Das hat es doch noch nie gegeben. Das kann doch gar nicht sein
. Tot ist tot. Es ist naheliegend zu denken, daß die Auferstehung von Jesus nur
eine Erfindung der Jünger ist. Es gibt aber ein paar Fakten, die uns zumindest s
tutzig machen und uns davon abhalten sollten, die Auferstehung allzuschnell als
ein Märchen abzutun.
Da ist zum einen das leere Grab, trotz Grabwache. Wäre der Leichnam Jesu noch im
Grab gewesen, dann hätte man die ganze Auferstehungsgeschichte sehr schnell wid
erlegen können und keiner hätte es mehr geglaubt. Aber das konnte man nicht. Das
Grab war leer. Jesus war nicht mehr da.
Und da ist zum anderen die Tatsache, daß die Anhänger von Jesus durch irgendwas
total umgekrempelt worden sind. Bei der Kreuzigung versteckten sie sich und ware
n überzeugt: jetzt ist alles aus! Und dann, von einem Tag auf den anderen, sind
sie wie ausgewechselt. Sie treten in die Öffentlichkeit und bekennen sich laut z
u Jesus, sagen, daß er auferstanden ist und daß sie ihn gesehen haben. Sie sind
so tief davon überzeugt, daß sie sich deswegen ins Gefängnis stecken und schlage
n und töten lassen.
Pinchas Lapide, ein jüdischer Theologe, der selber nicht Christ ist, schreibt da
zu:
Wenn diese aufgescheuchte, verängstigte Apostelschar, die eben dabei war, alles
wegzuwerfen, um in heller Verzweiflung nach Galiläa zu flüchten; wenn diese Baue
rn, Hirten und Fischer, die ihren Meister verrieten, verleugneten und dann klägl
ich versagten, plötzlich über Nacht sich in eine selbstsichere und überzeugte Mi
ssionsgesellschaft verwandeln konnten, ... so genügt keine Vision oder Halluzina
tion, um solch einen revolutionären Umschlag zu erklären. (Pinchas Lapide: Aufer
stehung Ein jüdisches Glaubenserlebnis. Calwer-Verlag. Kösel-Verlag, 1978, S. 74
f)
Er kommt selbst zu dem Schluß, daß die Auferstehung wirklich geschehen ist. Alle
Indizien sprechen dafür, daß Jesus wirklich von den Toten auferstanden ist und
sich seinen Anhängern gezeigt hat, so unvorstellbar uns das scheint. Wer dogmati
sch sagt: Eine Auferstehung kann es nicht geben , den werden auch die besten Argume
nten nicht überzeugen. Aber wenn es einen lebendigen Gott gibt, warum soll es da
nn nicht auch eine Auferstehung von den Toten geben? Kann Gott, der Schöpfer der
Welt, nicht auch mit dem Tod fertig werden?!
Für den christlichen Glauben gehören der Tod und die Auferstehung von Jesus zusa
mmen. Ohne die Auferstehung wäre sein Tod sinnlos. Die Auferstehung ist eine Bes
tätigung: Jesus kommt wirklich von Gott. Sein Tod ist kein Scheitern, sondern mi
t ihm hat sich Gottes guter Plan erfüllt.
Zugleich ist die Auferstehung von Jesus eine Art Pilotprojekt Gottes. Mit seiner A
uferstehung ist ein Durchbruch durch den Tod passiert. Er ist der erste, der dur
chgebrochen ist zu einem neuen, ewigen Leben. Er ist der Prototyp der neuen Welt.
Jesus hat dem Tod die Macht genommen. Er hat die Endgültigkeit des Todes aufgeho
ben. Er hat den Zugang zu einem neuen Leben jenseits des Grabes geöffnet. Und er
wird alle, die zu ihm gehören, aus dem Tod heraus in dieses neue Leben bringen.
Warum mußte Jesus sterben?
Nun bleibt aber noch immer die Frage: Warum mußte Jesus diese Qual und Erniedrig
ung der Kreuzigung durchmachen? Wozu war das gut? Ich muß vorweg sagen, daß ich
das selbst nur sehr begrenzt verstehe. Was am Kreuz geschehen ist, bleibt ein Ge
heimnis, und ich kann nur versuchen, dem etwas mehr auf die Spur zu kommen.
Eine Spur zum Verständnis des Kreuzes finden wir im Alten Testament. Der Prophet
Jesaja schreibt ein paar hundert Jahre vor Christus etwas von einem geheimnisvo
llen Knecht Gottes. Was er da schreibt, wirft ein Licht auf das, was am Kreuz pa
ssiert ist:
Was der Prophet hier schreibt, hat sich mit erstaunlicher Genauigkeit in Jesus e
rfüllt. Die Prophezeiung macht deutlich: Was da am Kreuz passiert ist, das hat i
n ganz wesentlicher Weise mit uns, mit unserer Sünde zu tun.
Wir sagten in der vorletzten Einheit, daß wir Menschen durch unser Mißtrauen und
unsere Auflehnung die heile Beziehung zu Gott zerbrochen haben. Das ist unsere
Schuld. Und aus dieser Urschuld wächst immer wieder neue Schuld gegen Gott und a
ndere Menschen. Am Kreuz hat Gott eine Art Schuld-Umbuchung vorgenommen. Er hat Je
sus, der ohne Schuld war, mit unserer Schuld belastet und uns so entlastet. Er h
at ihm unsere Schuld angerechnet als wäre es seine.
Im alten Israel gab es einmal im Jahr einen großen Versöhnungstag, den Jom Kippu
r. Das war sozusagen das jährliche große Reinemachen zwischen Gott und Israel. A
n dem Tag wurde ein Ziegenbock in den Tempel gebracht. Der oberste Priester legt
e seine beiden Hände auf den Kopf des Ziegenbocks. Damit legte er symbolisch die
Sünden des Volkes auf dieses Tier. Dann jagte man diesen Sündenbock hinaus aus
der Stadt in die Wüste, damit er dort stirbt. Er trug die Schuld des Volkes in d
en Tod.
Als die Jünger daran zurückdachten, wie Jesus von den Soldaten angetrieben den Q
uerbalken durch die Straßen von Jerusalem trug und dann raus nach Golgatha, da g
ing ihnen auf: Jesus ist der Sündenbock! Er trug nicht nur dieses Kreuz, sondern
er trug unsere Schuld weg!
Jesus ließ sich mit unserer Sünde, unserer Schuld identifizieren. Und zwar bis i
n die letzten Konsequenzen. Die Bibel sagt, daß die Konsequenz der Sünde der Tod
ist. (Röm 6,23)
So wie eine tödliche Krankheit den Tod bringt und im Tod endet, an ihr Ende komm
t, so bringt die Sünde den Tod und kommt im Tod an ihr Ende. Jesus hat sich so s
ehr mit unserer Schuld identifizieren lassen, daß er auch ihre letzte Konsequenz
, den Tod auf sich genommen hat. Er hat unsere Schuld geradezu mit in den Tod ge
nommen, hat sie im Tod vernichtet und getilgt.
Am Kreuz ist also ein Akt der Stellvertretung geschehen: Jesus hing da an unsere
r Stelle. Seine Schuld ist unsere Schuld. Sein Tod ist unser Tod, damit wir frei
werden und leben können.
Die entscheidende Frage beim Kreuz ist aber nicht das Wie, wie das möglich ist,
sondern das Wer, wer da starb.
Der Apostel Paulus sagt dazu etwas Schockierendes: Gott war in Christus und vers
öhnte die Welt mit sich selbst. (2.Kor 5,19) Das ist das eigentliche Geheimnis.
Am Kreuz hat Gott nicht irgendeinen unschuldigen Dritten geopfert. Sondern er ha
t sich selbst geopfert. In Jesus kam Gott selbst zu uns. Jesus ist der menschgewo
rdene Teil Gottes . In Jesus Christus kommt Gott selbst zu uns, seinen Geschöpfen,
identifiziert sich mit unserer Schuld und räumt sie so aus dem Weg.
Gott hat sich in Jesus mit unserer Schuld identifiziert. Er hat die Schuld für u
ns beglichen und den Schaden, den wir verursacht haben, selbst in Ordnung gebrac
ht. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist: War das
denn nötig? Hätte Gott uns nicht auch so die Schuld vergeben können?
Ich denke, wir sollten da mit einer Antwort nicht zu schnell sein. Wir sind ja g
ar nicht in der Position, um beurteilen zu können, was Gott hätte tun können und
was nicht. Tatsache ist jedenfalls, daß Er es so gemacht hat. Jesus hat sein Le
ben für uns geopfert. Es bleibt für mich ein Geheimnis, wie das funktionierte. U
nd ich kann nur ahnen, warum das nötig war. Das Entscheidende ist aber nicht, da
ß ich es genau verstehe, sondern daß es wirklich geschehen ist, daß Jesus für mi
ch gestorben ist und so meine Schuld beseitigt hat.
Eins ist mir ganz klar: Wer sich so für andere hingibt, der muß sehr lieben. Wen
n einer sogar noch am Kreuz für die Menschen, die ihn hassen und quälen, betet,
dessen Liebe ist wirklich echt. Auf dessen Liebe kann ich mich unbedingt verlass
en. Was da am Kreuz passiert ist, das ist für mich der größte Liebesbeweis, den
es gibt.
Die Bibel sagt: Gott hat die Menschen so sehr geliebt, daß er seinen einzigen So
hn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen, sondern
das ewige Leben haben. (Joh 3,16)
Am Kreuz ist der Ort, wo ich sehen und ganz sicher wissen kann: Ja, Gott liebt m
ich wirklich. Diese Liebe kann mein tiefsitzendes Mißtrauen gegen Gott endlich h
eilen.
Das Kreuz, dieses grausige Hinrichtungsmittel, ist die Brücke, die Gott zu uns g
eschlagen hat.
Da hat Gott Versöhnung mit uns gestiftet. Gott war in Christus und versöhnte die
Welt mit sich selbst. Da hat er unsere Schuld aus dem Weg geräumt. Da hat er di
e abgebrochene Beziehung wiederhergestellt. Da wird unser Leben heil.
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BASICS 7: Christ werden

Ideen zur Hinführung:


Vertrauensübung: Die Teilnehmer teilen sich in Dreiergruppen auf. Einer steht in
der Mitte, schließt die Augen und läßt sich, ganz steif, langsam nach hinten fa
llen. Der Hintermann fängt ihn (frühzeitig!) auf und drückt ihn sanft nach vorne
, so daß er nach vorne fällt. Da fängt ihn der Vordermann auf. So wird man eine
Weile hin- und hergewippt. Dann Wechsel. Jeder sollte einmal drankommen.
Wer wagt, gewinnt. Man könnte auch sagen: Wer Vertrauen wagt, gewinnt. Das gilt auf
jeden Fall für die Übung, die wir gerade gemacht haben. Ohne das Vertrauen, auf
gefangen zu werden, hätte keiner von uns es gewagt, sich fallen zu lassen. Dann
hätte aber auch keiner erlebt, was es bedeutet, aufgefangen und gehalten zu werd
en.
Vertrauen wagen darum geht es bei unserem heutigen Thema: Christ werden vom Anfa
ng eines neuen Lebens. Nun macht es wenig Sinn, über das Christwerden nachzudenke
n, solange man nicht vorher eine andere Frage geklärt hat: Wer ist überhaupt ein
Christ? Die Bezeichnung Christ ist in unserem Sprachgebrauch sehr schwammig und s
chillernd geworden. Fast jeder versteht etwas anderes darunter.
Ehe wir uns anschauen, was Christsein in seiner ursprünglichen Bedeutung meint,
möchte ich deshalb einige Mißverständnisse ansprechen, Mißverständnisse darüber,
wer ein Christ ist:
Mißverständnis 1: Ein Christ ist, wer sich dafür hält
Das klingt sehr einfach und tolerant. Das Problem ist nur: Diese Definition hilf
t überhaupt nicht weiter. Praktisch bedeutet es nämlich: jeder kann diesen Begri
ff so füllen, wie er es möchte. Damit wird der Begriff Christsein zu einem Gummiwor
t , das alles und nichts bedeuten kann und damit letztlich nichts mehr aussagt. We
nn man sich das Neue Testament anschaut, dann merkt man: Genauso wie z.B. das Wo
rt Arzt oder Berlin oder Freude einen bestimmten Inhalt hat und nicht beliebig gefüll
werden kann, steht auch der Begriff Christ für einen bestimmten Inhalt, läßt sic
h nicht beliebig füllen.
Mißverständnis 2: Christ ist, wer ein guter Mensch ist
Dieser Gedanke begegnet einem sehr oft. Es ist das moralische Mißverständnis von
Christsein. Natürlich bin ich Christ. Ich bemühe mich doch, hilfsbereit zu sein
und anständig zu leben!
Wenn es ihn überhaupt gibt, den guten Menschen, dann findet man ihn unter Christ
en und Nichtchristen. Anhänger aller Religionen und auch Atheisten können ein mo
ralisch hochstehendes Leben führen, aber sie würden es sich verbitten, deswegen
als Christen bezeichnet zu werden. Moralisches Verhalten ist eine gute Sache, ab
er sie macht einen nicht zum Christen.
Mißverständnis 3: Christ ist, wer einer christlichen Kirche angehört
Da ist etwas Wahres dran. Taufe, Firmung oder Konfirmation, Gottesdienstbesuch d
as gehört sicher zum Christsein. Aber die Mitgliedschaft in einer Kirche allein
macht niemanden zum Christen.
Es ist ja auch niemand ein Auto, nur weil er in einer Garage geboren ist. Genaus
o ist auch keiner ein Christ, nur weil er in einer christlichen Kirche aufgewach
sen ist.
Mißverständnis 4: Christ ist, wer über den christlichen Glauben Bescheid weiß
Das kommt der Wahrheit vielleicht am nächsten. Und trotzdem ist es ein Mißverstä
ndnis, führt an dem, was Christsein wirklich ausmacht, vorbei. Ein Bild zur Verd
eutlichung: Jemand kann Luftfahrt studieren, jede freie Minute auf dem Flugplatz
verbringen, genau Bescheid wissen, welches Flugzeug wann wohin fliegt. Aber dur
ch dieses theoretische Wissen allein kommt er nie von Punkt A zu Punkt B, von Fr
ankfurt nach New York Er muß schon auf der Basis dessen, was er weiß, zur Tat sc
hreiten, d.h. er muß einsteigen ins Flugzeug, sonst kommt er nicht ans Ziel.
Ähnlich ist es mit dem Christsein. Christsein bedeutet nicht, theoretisch über d
en Glauben Bescheid zu wissen, ihn für wahr zu halten. Sondern Christsein kann m
an nur, indem man sich mit seiner ganzen Existenz, mit seinem Leben auf Christus
einläßt.
In seinem ursprünglichem Wortsinn bedeutet Christ : jemand, der zu Christus gehört , e
in Christusanhänger . Christ ist also ein Beziehungswort!
Christ ist nach dem Neuen Testament jemand, der an Jesus Christus glaubt, d.h.,
der ihm vertraut, der in einer Beziehung der Hingabe und des Vertrauens zu Jesus
lebt. Diese Beziehung zu Jesus Christus hat man nicht von Geburt an.
Sie ist aber auch nicht nur bestimmten, privilegierten oder besonders religiösen
Menschen vorbehalten. Sondern sie ist für jeden Menschen möglich. Jeder Mensch
kann in diese Beziehung zu Jesus hineinkommen, kann sie beginnen. Und genau das
bedeutet Christwerden : Diese Beziehung zu Jesus Christus beginnen.
Ja, aber wie sieht das aus, Christwerden? Wie geht man so eine Beziehung zu Jesu
s ein? Wie kann man ihm sein Vertrauen schenken? Es gibt in der Bibel einige Bil
der, die das beschreiben und die uns da weiterhelfen können.
1. Das erste Bild beschreibt unser Leben als ein Haus
Das ist unser Lebenshaus, in dem wir wohnen. Mit seinem Alltag, mit den Belastun
gen und schönen Seiten, meine Freizeit, meine Beziehungen, meine Gewohnheiten, m
eine Gedanken und Träume. Nun sagt Jesus einmal in der Bibel: Merkst du es denn
nicht? Noch stehe ich vor deiner Tür und klopfe an.
Jesus steht vor der Tür unseres Lebens und klopft an. Er will eine Beziehung zu
uns eingehen! Er ergreift die Initiative und klopft. Aber er klopft nur an. Er s
tößt die Tür nicht mit Gewalt auf. Er zwingt sich keinem auf. Merkst du es denn
nicht? Noch stehe ich vor deiner Tür und klopfe an. Wer jetzt auf meine Stimme h
ört und mir die Tür öffnet, bei dem werde ich einkehren. Gemeinsam werden wir da
s Festmahl essen. (Offb 3,20; Hoffnung für alle)
Christ werden bedeutet, die Tür meines Lebenshauses aufzumachen, mein Leben für
Jesus zu öffnen und ihn hineinzulassen. Wer Jesus die Tür seines Lebens öffnet,
bei dem wird er hineinkommen.
Jesus will tatsächlich in unserem Leben Wohnung nehmen. Er will nicht nur ein Ga
st sein, der sonntags mal vorbeischaut, sondern Er will in unserem Alltag mit se
inen Sorgen, Entscheidungen, Freuden und Frustrationen bei uns sein.
Wenn Jesus in unser Lebenshaus kommt, dann wird das Veränderungen mit sich bring
en. Dann werde ich merken: da gibt es Dinge in meinem Leben, die passen nicht zu
dieser neuen Wohngemeinschaft, zu diesem Mitbewohner. Da gibt es Zimmer, die mu
ß ich endlich mal renovieren. Und in anderen liegt so viel altes Gerümpel herum,
Schutt, der mich schon lange belastet und den ich längst los sein wollte; aber
bisher habe ich es einfach nie geschafft. Wenn Jesus in mein Lebenshaus einzieht
, dann wird es zu Veränderungen kommen, guten, längst fälligen Veränderungen.
Ich will versuchen zu veranschaulichen, was das konkret für einige Räume unseres
Lebenshauses bedeuten könnte.
Da ist z.B. das Arbeitszimmer:
(Obwohl viele Studierende über kein extra Arbeitszimmer, sondern bestenfalls übe
r einen Schreibtisch mit Regalen ringsum verfügen.)
Das Studium, die Angst, nicht genug zu leisten, der Druck bevorstehender Prüfung
en, das Vergleichen mit anderen, die besser oder schlechter sind das alles kann
einen regelrecht gefangennehmen. Wenn Jesus in unser Lebenshaus einzieht, dann k
ann es sein, daß er eines Tages an die Tür unseres Arbeitszimmers klopft und uns
sagt: Du, hör mal, du bist viel mehr wert als das, was du leistest. Ich möchte di
r ein Selbstwertgefühl geben, das du dir nicht erarbeiten mußt, das darin gründe
t, daß ich dich unendlich lieb habe!
Dann ist da die Küche,
vielleicht nur ein Kühlschrank und zwei Herdplatten. Es kann sein, daß Jesus mit
uns zu unserem Kühlschrank geht, dahin, wo die Genüsse unseres Lebens liegen. D
ann sagt er uns vielleicht: ich gönne dir alle Freuden und Genüsse dieses Lebens
. Aber ich würde gerne mit dir über deine Eßgewohnheiten reden. Manches an deine
m Lebensstil ist ziemlich ungesund. Würdest du mir erlauben, deine unguten Gewoh
nheiten zu ändern?
Wenn Jesus in unser Leben kommt, kann das auch unbequem sein. Da bleiben korrigi
erende Worte nicht aus. Aber darin liegt die Chance, daß ungesunde und zerstörer
ische Lebensmuster aufgedeckt und verändert werden.
Ein letzter Raum: Der Keller:
Da kommt alles rein, was sonst nirgendwo Platz hat. Alles durcheinander, verstau
bt und vor allem zunehmend viel Zeugs. Da hinein haben wir all die schmerzvollen
Erinnerungen verdrängt, enttäuschende Erfahrungen, Ängste, Schuld.
Jesus möchte, daß wir ihm erlauben, mit uns in den Keller unseres Lebens hinabzu
steigen, um dort aufzuräumen, um Schutt zu entfernen, um es dort sauber und hell
zu machen.
Christwerden bedeutet, Jesus die Tür seines Lebens zu öffnen. Nicht, um ihn als
stillschweigenden Gast in das Gästezimmer zu verbannen. Sondern um ihn als den e
igentlichen Eigentümer unseres Lebenshauses aufzunehmen, um ihm den Haustürschlü
ssel zu geben und ihm zu sagen: Ich stelle dir mein Leben zu Verfügung, ich gebe
es dir hin. Verändere du es, wie du willst.
Anders gesagt: Christwerden bedeutet, Jesus als Herrn in sein Leben zu lassen.
Die Vorstellung, Jesus die Haustürschlüssel meines Lebens zu geben, ihn Herr sei
n zu lassen, kann einem auch Angst machen. Wir haben vielleicht Angst, die Kontr
olle über unser Leben zu verlieren oder Dinge und Gewohnheiten, an denen wir hän
gen, aufgeben zu müssen.
Letztlich ist das eine Frage des Vertrauens - ob ich vertrauen kann, daß es sich
bei Jesus nicht um einen Diktator handelt, der mein Leben einengen und unterdrü
cken will, sondern um einen Herrn, der mich sehr lieb hat und es wirklich gut mi
t mir meint.
Jesus sagt in dem Vers, den wir eben gehört haben, daß er zu uns kommen will, um
mit uns das Festmahl zu essen. Er will unser Leben nicht einengen und arm mache
n, sondern will mit uns das Leben feiern, er will unser Leben zu seiner vollen E
ntfaltung bringen, will es heil machen.
Ein zweites Bild für das Christwerden:
2. Christ werden bedeutet, ein Geschenk anzunehmen
Ich habe hier ein Geschenk mitgebracht. Das Wesen von einem Geschenk ist ja, daß
man es geschenkt bekommt.. Man kauft es dem Geber nicht ab. Man kann es sich ni
cht erarbeiten, sondern man bekommt es umsonst, sonst wäre es ja kein Geschenk.
Das einzige, was man machen muß, ist, dieses Geschenk anzunehmen. Wenn ich zu di
r (einen Teilnehmer aussuchen!) kommen und sagen würde: Du, das schenke ich dir.
Bitte! und du würdest die Arme verschränken und sagen: Schön, schön, das ist nett ,
du würdest es aber nicht annehmen, dann hättest du es nicht! Zu einem Geschenk g
ehört, daß man die Hände aufmacht und es in Empfang nimmt.
Gott hält für uns ein riesiges Geschenk bereit.
Im Evangelium steht: So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einzigen S
ohn gab. (Joh 3,16) Jesus selbst ist das große Geschenk Gottes für uns.
Und mit Jesus schenkt Gott uns eine ganze Fülle von Gaben: eine heile, versöhnte
Beziehung zu ihm, Vergebung unserer Schuld, neue Lebensperspektiven, Sinn und O
rientierung. Wir werden uns gleich näher anschauen, was in diesem Geschenk alles
enthalten ist.
Dieses Geschenk Gottes ist wie jedes richtige Geschenk ganz umsonst. Wir können
es nicht kaufen. Wir können es uns nicht verdienen. Aber wir können es annehmen.
Christwerden bedeutet, dieses Geschenk, das Gott uns in Jesus hinhält, in Empfan
g zu nehmen; unsere Hände und Herzen aufzumachen und Danke zu sagen für das, was J
esus für uns getan hat.
Christwerden ist also immer eine Reaktion auf Gottes Initiative, auf das, was er
für mich getan hat. Nicht ich mache mich zum Christen, sondern Gott macht mich
zum Christen, wenn ich mit leeren Händen komme, um sein Geschenk zu empfangen.
Zwei Bilder für das Christwerden: Die Tür seines Lebenshauses öffnen. Das Gesche
nk in Empfang nehmen.
Wie fängt man es an?
Wie kann nun dieses Empfangen aussehen? Wie fange ich es an? Die Hände ausstreck
en, die Türklinke öffnen das kann in einem Gebet konkret werden.
Christwerden kann mit einem Gebet beginnen, einem Gebet, in dem man Jesus ausdrü
cklich einlädt, ins Lebenshaus einzutreten, in dem man ausdrücklich Danke sagt, ih
m sagt: Ich nehme dein Geschenk an.
So ein Gebet könnte manches von dem aufgreifen, was während der BASICS-Einheiten
deutlich geworden ist:
Wir können wie der weggelaufene Sohn Gott sagen, was an Schuld in unserem Leben
ist und ihn um Vergebung bitten.
Wir können im Gebet zum Ausdruck bringen, daß wir glauben, daß Jesus nicht nur i
rgendein guter Mensch war, sondern der Sohn Gottes.
Wir können für uns in Anspruch nehmen, daß Jesus für uns gestorben und auferstan
den ist.
Wir können Jesus bitten, der neue Herr in unserem Leben zu werden.
Auf den Blättern, die ihr nachher bekommt, ist ein Gebet für einen Anfang im Gla
uben abgedruckt. Das ist keine Zauberformel, aber es zeigt, wie so ein Gebet aus
sehen könnte. Nicht auf den Wortlaut kommt es an, sondern auf die innere Einstel
lung.
So ein Gebet kann man allein sprechen oder aber mit jemandem zusammen. Das kann
eine Hilfe sein, diesen Schritt bewußter zu gehen. Es kann hilfreich sein, von j
emand anderes zugesprochen zu bekommen, daß man nun zu Gott gehört, daß man Chri
st ist.
So kann man Christ werden. Der Weg dahin sieht bei jedem anders aus. Der eine er
lebt das als einen großen Einschnitt; ein anderer wächst langsam hinein. Der ein
e ist angezogen von der Wahrheit, ein anderer fasziniert von der Liebe Gottes, e
in dritter schreit nach Gott in einer ausweglosen Lage und erlebt, daß Gott ihm
antwortet.
Das neue Leben
Christwerden vom Anfang eines neuen Lebens. Wir haben einiges davon gehört, wie
man Christ werden kann.
Christwerden ist aber nicht das Ziel. Sondern es ist der Anfang eines neuen Lebe
ns. Darum will ich abschließend etwas erzählen von diesem neuen Leben.
Was zeichnet das neue Leben aus? Was beinhaltet dieses Geschenk, das Gott uns ma
cht?
1. Ein Zuhause
Christwerden bedeutet, ein neues Zuhause zu bekommen. Ich werde ein Kind Gottes.
Im Johannes-evangelium steht: Die Jesus aufnahmen und an ihn glaubten, denen ga
b er das Recht, Kinder Gottes zu sein. (Joh 1,12)
Gott nimmt mich als sein Kind an und ich darf ihn Vater nennen. Ich finde bei ih
m ein Zuhause, wo ich jederzeit willkommen bin, wo ich bedingungslos geliebt bin
. Hier ist einer, bei dem ich mich fallenlassen kann, dem ich alles, was mir Ang
st macht und mich traurig macht, erzählen kann und der zu mir steht, egal, was k
ommt.
Als Christ bekomme ich nicht nur einen neuen Vater, sondern auch neue Geschwiste
r, nämlich alle die anderen Menschen, die zu Jesus gehören. Ich komme in eine ne
ue Familie, mit ganz vielen neuen, tiefen Beziehungen.
2. Vergebung
Vergebung bedeutet: Ich muß nicht einen ständig wachsenden Sack an Schuld und Fe
hlern mit mir herumschleppen.
Immer wieder mache ich Fehler, über die ich mich selber ärgere und die ich doch
nicht mehr ungeschehen machen kann. Immer wieder werde ich an Gott, anderen Mens
chen, mir selbst schuldig.
Bei Jesus kann ich das alles los werden. Ich kann bei ihm meine Schuld abladen.
Ich brauche an meinen Fehlern und meiner Schuld nicht kaputtzugehen. Ich brauche
sie auch nicht krampfhaft zu verdrängen, sondern darf mit Jesus darüber spreche
n und darf wissen: weil er meine Schuld getragen hat, muß ich sie nicht selbst t
ragen. Weil er dafür gestorben ist, gibt es Vergebung.meiner Schuld. Es gibt bei
Gott die Möglichkeit, meine Vergangenheit hinter mir zu lassen und neu anzufang
en.
3. Freiheit
Bei Jesus verliere ich nicht meine Freiheit, sondern ich finde sie! Er hat die K
raft, mich frei zu machen von Bindungen und Abhängigkeiten und Zwängen, die mein
Leben bestimmen.
Das können Kindheitsschwüre sein oder Ängste, Haß, Bitterkeit, Süchte oder auch
okkulte Bindungen. Die Kraft von Jesus ist stärker als alle anderen Mächte, die
mich gefangen nehmen wollen. Die Befreiung wird vielleicht nicht von einem Tag a
uf den anderen geschehen, aber Jesus wird uns zunehmend in eine Freiheit hineinf
ühren. Er sagt: Wenn euch der Sohn Gottes befreit, dann seid ihr wirklich frei.
(Joh 8,36)
4. Hoffnung
In der letzten Einheit sprachen wir davon, daß Jesus von den Toten auferstanden
ist. Damit hat er die Endgültigkeit des Todes aufgehoben. Er hat einen Ausweg au
s dem Tod geschaffen.
Jesus wird alle, die zu ihm gehören, durch den Tod hindurch in ein neues Leben f
ühren. Für Christen ist der Tod nicht das Ende, sondern eine Durchgangsstation z
u einem neuen, ewigen Leben. Wir können uns nicht vorstellen, wie es am anderen
Ufer aussehen wird. Die Bibel sagt, daß es dort kein Leid mehr geben wird, kein
Böses, keine Schmerzen, keine Krankheit und keinen Tod. Dann werden wir Gott seh
en und unmittelbar, ohne Einschränkungen, mit ihm, der Quelle des Lebens, verbun
den sein. Christen haben eine Hoffnung, eine Zukunftsperspektive, die über den T
od hinausreicht
Es gäbe noch ganz viel zu dem neuen Leben, das Jesus schenkt, zu sagen. Das würd
e aber unseren Rahmen sprengen. Daß das Leben als Christ auch Kosten mit sich br
ingt, ist schon deutlich geworden. Es kostet die Bereitschaft, das Verfügungsrec
ht über unser Leben aus den Händen zu geben. Es kostet die Bereitschaft, uns auf
einen tiefgreifenden Veränderungsprozeß einzulassen.
Jesus sagt, daß wir die Kosten überschlagen sollen, ehe wir uns dafür entscheide
n, ihm nachzufolgen. Das muß jeder für sich selbst tun: die Kosten überschlagen
und dann eine Entscheidung treffen, ob man sich auf ein Leben mit Jesus einlasse
n will oder nicht.
Christ werden Vom Anfang eines neuen Lebens. Wir haben uns Mißverständnisse von
Christsein angeschaut, Bilder vom Christwerden, konkrete Schritte, wie das ausse
hen kann und was das neue Leben beinhaltet.
Jetzt soll jeder für sich Zeit haben, über das Gehörte noch einmal nachzudenken.
Es wird heute keine Geprächsgruppen geben, sondern eine ruhige Zeit, die jeder
für sich nutzen kann. Wir möchten euch Mut machen, zu überlegen, wo ihr selber s
teht in eurer Gottesbeziehung, was euch reizen würde an einem Leben mit Jesus, w
as euch hindert, euch auf ihn einzulassen, wie ein nächster Schritt für euch aus
sehen könnte.
Das könnt ihr z.B. tun in der Form eines Briefes an Gott oder an einen Freund. O
der ihr könnt euer eigenes Lebenshaus malen. Oder noch mal die Bibelstellen durc
hlesen, die auf dem Arbeitsblatt stehen. Für manchen ist es vielleicht auch dran
, sich mit dem Gebet zu beschäftigen, das da abgedruckt ist und zu überlegen, ob
das nicht das eigene Gebet werden könnte.
Wer über das, was wir heute gehört haben, mit einem von uns sprechen möchte, kan
n uns gerne ansprechen.

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