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WORT UND WISSEN

Der Fall des Affenmenschen


Filmbesprechung von Siegfried Scherer

Der Filmemacher Fritz Poppenberg hat einen neuen schen und vermuteten Übergangsgliedern greift bei-
evolutionskritischen Film, diesmal zur Evolution des spielsweise zu kurz, es ist wichtig, dazu die Abhän-
Menschen, vorgelegt. Das ist ungewöhnlich in einer gigkeit des Hirnvolumens vom Körpergewicht dar-
Medienlandschaft, welche Evolutionskritiker – so- zustellen, auch wenn der Unterschied zwischen Affe
fern diese überhaupt beachtet werden – auf bemer- und Mensch dann nicht mehr so prägnant ist.
kenswert unsachliche, kenntnisarme und professio- Dann wechselt der Film die Thematik in seinen
nelle Weise mit Spott und Häme überzieht. Im Bo- dritten Teil. Es geht um die genetische Ähnlichkeit
nus-Material der DVD wird dieser traurige Sachver- von Menschen und Menschenaffen sowie um die
halt anhand eines entsprechenden ZEIT-Artikels be- umstrittene Wirkung von Mutationen. Die moderne
legt. Es ist mutig und anerkennenswert, daß sich Biologie hat dazu eine gewaltige Fülle von Daten
Fritz Poppenberg mit seinem Film derart pointiert erarbeitet. Nach meiner Meinung wäre neben den
außerhalb der politisch korrekten Meinung unserer evolutionskritischen Ausführungen aber auch eine
Medienwelt stellt. Als Selbständiger weiß er genau, kurze Würdigung der Argumente für Evolution an-
daß damit auch ein Risiko verbunden ist – schon gemessen gewesen, die man aus den verfügbaren
deshalb wünsche ich dem Werk auch wirtschaftli- Daten ableiten kann. Der Film endet mit einem
chen Erfolg. kurzen Überblick über die „Intelligent Design“-Idee,
Aus dem Film geht das persönliche Engagement
des Regisseurs hervor – er nimmt den Zuschauer mit
hinein in seine eigene Entdeckungsreise. Der Film
beginnt mit einem spannenden Bericht über die
nahezu vergessenen Experimente sowjetischer Wis-
senschaftler, die unter dem Eindruck der Darwin-
schen Evolutionslehre Kreuzungen zwischen Schim-
pansen und Menschen erzeugen wollten. Ausführ-
lich wird berichtet, mit welchen Schwierigkeiten das
Filmteam bei seinen Recherchen in Afrika konfron-
tiert wurde und es wird deutlich, daß solche Versu-
che aus biologischen Gründen zum Scheitern verur-
teilt sind: Menschen und afrikanische Großaffen sind
in ihren Grundbauplänen zu unterschiedlich.
Im zweiten Teil stellt der Film wichtige paläonto-
logische Funde zur Fossilgeschichte des Menschen
vor. Es handelt sich um einen Hauptteil des Werkes,
er ist insgesamt hervorragend gelungen. Man darf
Poppenberg gratulieren, er hat komplizierte Sach-
verhalte durch sehr gut geschnittene Interviews,
Schädelaufnahmen und Filmsequenzen spannend
und klar präsentiert. Der programmatische Unterti-
tel des Werkes „Die Evolutionstheorie kann die Her-
kunft des Menschen nicht erklären“ wird hier über-
zeugend anhand paläontologischer Daten erläutert.
Dieser Teil hätte m.E. etwas ausführlicher ausfallen
dürfen. Die Grafik der Hirnvolumina von Affen, Men-
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die das Leben – im Gegensatz zur Evolutionsan- tender Evolutionsbiologen methodisch saubere und
schauung – auf dem Hintergrund des Planungs- ethisch einwandfreie Arbeit leistet, durch die bedeu-
Aspektes einer überlegenen Intelligenz versteht. tende wissenschaftliche Daten erhoben wurden und
Als ich die DVD abspielte, gewann – neben vielen werden. Auch der Evolutionskritiker darf solche Lei-
positiven Eindrücken – eine Befürchtung jedoch im- stungen anerkennen. Das schmälert die wissenschaft-
mer mehr an Gestalt. Würde der Zuschauer nicht lichen Gegenargumente keineswegs, könnte aber
einen zu einseitigen Eindruck gewinnen, wenn grau- zur dringend notwendigen Versachlichung der Dis-
same Kreuzungsversuche, eine plumpe Fossilfäl- kussion beitragen. Ob die nachgeordnete evolutionä-
schung (Piltdown) und Fehlinterpretationen (Rama- re Deutung der erhobenen Daten letztlich stichhaltig
pithecus, Neandertaler) zu stark im Mittelpunkt ste- ist oder nicht, von welchen persönlichen und gesell-
hen? Würde beim Laien am Ende der diffuse Ein- schaftlichen Rahmenbedingungen sie beeinflußt wird,
druck bleiben, Evolutionsbiologen seien allesamt und welche Daten auf welche Weise gewichtet wer-
Fälscher, Wissenschaftszensoren oder gar inhuma- den, das steht dann zur Diskussion (wer unter uns
ne Gestalten, die verwerfliche Experimente mit Afri- Biologen wäre nicht von seinen subjektiven weltan-
kanerinnen und Schimpansen auf dem Gewissen schaulichen Grundüberzeugungen beeinflußt, wenn
hätten? Es wäre schade, sehr schade, wenn der Film er wissenschaftliche Daten in den Rahmen von Ur-
so wirken würde. Ethische Entgleisungen und Fehl- sprungsmodellen stellt?).
interpretationen sollen weder verschwiegen noch Poppenbergs Film ist professionell produziert,
beschönigt werden, und die im Film genannten Bei- technisch und didaktisch hervorragend aufgebaut
spiele sind im übrigen keineswegs erschöpfend. Sol- und einfach spannend gemacht. Auch für den Laien
che traurigen Geschehnisse werden zurecht ihren ist er gut verständlich. So sehr ich also einerseits
Platz in der Geschichte der Biologie behalten (als diesen Film begrüße und die Initiative von Fritz
Christ sehe ich mich leider veranlaßt, in diesem Poppenberg schätze, bleibt doch andererseits auch
Zusammenhang auch an die notvolle Geschichte der meine Befürchtung, es sei nicht alles gesagt worden,
christlichen Kirchen zu erinnern). Doch hätte man was notwendig und hilfreich gewesen wäre.
dem Zuschauer nach meiner Meinung sagen müs-
sen, daß die Mehrheit heutiger, experimentell arbei- Aus W+W-Info 1/05, Februar 2005

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