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Universität Siegen

Philosophische Fakultät
Aufbauseminar: Die Staufer
Dozent: Prof. Dr. Bernd Fuhrmann
Wintersemester 2017/18

Kindheit und Jugend Friedrichs II.


-Die Person Friedrichs zwischen Mythos und Wahrheit

Yücel Kaya
Adenauerallee 1
53332 Bornheim
Tel.-Nr.: 01791117955
yuecel.kaya@student.uni-siegen.de
LA Bachelor HRGe, 9. Fachsemester
für Mathematik und Geschichte
Matrikelnummer: 1076352

1
Inhalt

1. Einleitung S. 3

2. Ausgangslage: Sizilien unter Staufischer Herrschaft S.5

2.1 Das Erbe Friedrichs II. und die Sicherung seiner Erbansprüche S.5

2. 2 Der Kampf um Macht und Einflussnahme S.8

2.2.1 Walter von Pagliara S.8

2.2.2 Markward von Annweiler S.8

2.2.3 Wilhelm Capparone S.10

2.2.4 Papst Innozenz und die Vormundschaft S.10

3. Der junge Friedrich II. - Mythos und Wahrheit S.11

3.1 Friedrichs Geburt S.11

3.2 Friedrichs frühe Kindheit (1194- 1198) S.13

3.3 Erziehung, Aussehen und Charakter S.14

3.3.1 Höfisches Umfeld und Erziehung S.14

3.3.2 Äußeres Erscheinungsbild S.17

3.3.3 Charaktermerkmale S.17

4. Pubertas S.19

5. Resümee und Fazit S.20

6. Literatur- und Quellenverzeichnis S.22

2
1. Einleitung

In dieser Arbeit soll quellennah und forschungsorientiert versucht werden ein


möglichst ganzheitliches Bild Friedrichs II. in seinen frühen Lebensjahren, seiner
Kindheit und Jugend in Sizilien zu nachzuzeichnen.
Am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1194 wurde in einer kleinen Provinzstadt
Mittelitaliens ein Kind geboren, das später zu einem der umstrittensten, dafür aber
einflussreichsten deutschen Herrscher des europäischen Mittelalters werden sollte.
Dieser Herrscher sollte noch vor seinem vierten Lebensjahr Vollwaise werden und
über sein Leben sollten fortan verschiedene Personen und Parteien bestimmen. Mit
dem Erreichen des 14. Lebensjahres streifte der Thronfolger seine ihm
testamentarisch auferlegte Vormundschaft ab und nahm sein Schicksal weitgehend
selbst in die Hand. Er zog 1212, nachdem er 1211 zum römisch-deutschen König
gewählt wurde, nach Deutschland, um für eine lange Zeit die Geschichte
Deutschlands und Europas zu prägen.1
Die Arbeit wird im Folgenden grob Themenbereiche unterteilt werden. Da Friedrichs
Leben unmittelbar an die politische Lage Siziliens geknüpft war und analog dazu
unabdingbar von der politischen Entwicklung in dem Königreich beeinflusst wurde, ist
es zwangsläufig notwendig, die verschiedenen Personen und Parteien, die in seiner
Kindheit und Jugend auf der Insel agierten und das Leben des jungen Herrschers
teilweise bestimmten, in das Untersuchungsfeld mit einzubeziehen. Deshalb soll im
ersten Teil versucht werden, die Ausgangslage und die politischen Hintergründe auf
der Insel Sizilien verständlich zu machen. Dies ist notwendig, um einen Überblick
über das quellentechnisch im Dunkeln liegende frühe Kapitel seines Lebens zu
verschaffen.
Der Fokus der Arbeit liegt auf der Kindheit und Jugend Friedrich II. in Sizilien. Dabei
ist es auch ein Anliegen dieser Arbeit, sofern möglich, zwischen Mythos und
Wirklichkeit bei der Darstellung Friedrichs Kindheit und Jugend, anhand der einzig
aus der Zeit erhaltenen Quelle aus dem Jahre 1207 und anderen Geschehnissen zu
trennen.2
1
Hubert, Houben, Kaiser Friedrich II., Herrscher, Mensch und Mythos, Stuttgart 2008, S.34
2
Die Quelle wird aus der Darstellung Houbens entnommen;Ebenda, S.109-110.

3
Für vernünftig erachte ich es, der Kindheit und Jugend als Untersuchungsfeld mit
Friedrichs Wahl zum deutschen König und Zug ins deutsche Reichsgebiet 1211/1212
ein Ende zu setzen.

Als problematisch erweist sich die Quellenlage zum Untersuchungsgegenstand:


Quellen über die Geburt, Kindheit und Jugend Friedrich II. geben kaum solide
Auskunft und erschweren deshalb die Forschung und Arbeit zu diesem Thema. Viele
Chroniken sind entweder nicht erhalten oder stammen nicht aus Friedrichs Zeit,
sondern wurden erst Jahrzehnte später verfasst. 3
Als Quellenband dient die Quellensammlung von Klaus von Eickels und Tania
Brüsch4. Die Arbeit wurde durch die Aufbereitung der meist in Latein verfassten
Quellen um vieles vereinfacht. Als historiographische Quelle dienten die Chroniken
von Matthäus Paris aus der Abtei St. Albans in England und die des Salimbene de
Adam aus Parma.5
Auch wenn man, vor allem aufgrund der mangelnden Quellen, nicht im Stande ist,
die Darstellung des ersten Lebensabschnitts in Sizilien gänzlich nachzuzeichnen,
bietet das Vorhandene doch einen Überblick über die spätere Zeit Friedrichs als
Herrscher.
Man muss zwischen einer klassischen und modernen Sichtweise Friedrichs II.
unterscheiden: Die klassische ist in vieler Hinsicht überholt, bedingt durch die
mangelnde Quellenlage und den damit einhergehenden vergrößerten
Spekulationsraum. So wird einem hier ein eher romantischer und verklärter Blick auf
die Person Friedrichs geboten. Man erblickt in Friedrich den modernen und idealen
Führer, einen „stupor mundi“ – Verwandler der Welt6 oder als intellektuellen,
humanistischen Herrscher, als „Wegbereiter der Renaissance“ 7, was an sich eine
gewagte Einschätzung ist, die einer gründlichen Prüfung bedürfte. Zu dieser
Forschungsmeinung, die Friedrich als Synthetiker zwischen Orient und Okzident und
als eine Art seit langem erwarteten Heiland sieht, zählt die umfassende und

3
Salimbene de adam, Chronik, hg. von Oswald Holder-Egger ( MGH, Scriptores cronica fratris Salimbene de
Adam ordinis Minorum) Hannover 1905-1913.
4
Klaus, van Eickels; Tania, Brüsch, Kaiser Friedrich II., Leben und Persönlichkeit in Quellen des Mittelalters,
Düsseldorf 2000.
5
Houben,S.14.
6
Hans Martin, Schaller, Kaiser Friedrich II., Verwandler der Welt, Zürich 1964.
7
Franz, Kampers, Kaiser Friedrich II., Wegbereiter der Renaissance, in: Monographien zur Weltgeschichte,
Bd.34, Hrsg. von Eduard Henck, Bielefeld u.a. 1929.

4
bisweilen profunde Biographie von Ernst Kantorowicz. 8 Eine anderes, detailliertes
Werk, das der genannten Richtung zugeordnet werden kann, liefert in englischer
Sprache Thomas Van Cleve.9
Zu den neueren Werken und der modernen Forschersicht, die sich mit der Person
Friedrichs, mit der Mythenbildung und seiner Rolle als Herrscher kritischer
auseinandersetzen und sich von dem romantischen Blick distanzieren, zählen David
Abulafias „Herrscher zwischen den Kulturen“, 10 Wolfgang Stürners „Friedrich II.“ 11 und
Hubert Houbens (Taschen-)Buch12. Obwohl Abulafia mit seinem Werk nicht versucht
einen neuen Ansatz zu finden, wie er sagt, sondern eine neue Sichtweise auf
Friedrich II.13.Er behauptet außerdem, dass man anhand des neuen Wissens eine
Neubewertung Friedrichs wagen könne. 14 Dabei geht er von den
Forschungsansätzen van Cleves und Kantorowicz aus, kommt aber zu neuen
Erkenntnissen. Houbens Buch ist unter den aufgeführten Titeln das aktuellste Werk
und dient meiner Arbeit als Grundlagenwerk. Ertrag- und aufschlussreicher als viele
Monographien erscheinen die Zeitschriftenartikel, die zu dem Thema verfügbar sind.
Besondere Relevanz weisen dabei die Artikel von Theo Kölzer 15 und Wolfgang
Stürner16 auf.

2. Ausgangslage: Sizilien unter Staufischer Herrschaft

2.1. Das Erbe Friedrichs II. und die Sicherung seiner Erbansprüche

1186 war es Friedrich Barbarossa gelungen, Konstanze, die Tochter Rogers II. von
Hauteville, mit Heinrich VI., seinem Sohn und dem rechtmäßigen staufischen
Thronfolger, zu verheiraten. Als 1189 unerwartet Wilhelm II. von Sizilien starb, fiel

8
Ernst, Kantorowicz, Kaiser Friedrich II., Düsseldorf u.a. 1963.
9
Thomas, Cleve van, The Emperor Frederick II of Hohenstaufen, Immutator mundi, Oxford 1972.
10
Abulafias Arbeit stellt nach Houben eine Art „Anti-Kantorowicz“dar, s.dazu Houben, S.10
11
Nach Houben müsse jede weitere „Beschäftigung mit Friedrich II.“ von Stürner ausgehen,s. dazu Houben,
S.10
12
Hubert, Houben, Kaiser Friedrich II., Herrscher, Mensch und Mythos, Stuttgart 2008.
13
Abulafia, S.9.
14
Ebenda, S.9.
15
Theo, Kölzer, Ein mühevoller Beginn: Friedrich II. 1198-1212, in: De litteris, manuscriptis,
inscriptionibus...,
Festschrift zm 65. Geburtstag von Walter Koch, Hrsg. von Theo, Kölzer u.a., Wien 2007.
16
Wolfgang, Stürner, Die Kindheit und Jugend Friedrichs II., in: Mezzogiorno - Federico II - Mezzogiorno. Atti
del convegno internazionale di studio promosso dall'Istituto internazionale di studi federiciani, Hrsg. von C. D.
Fonseca , Rom 1999, S. 467-479.

5
rechtmäßig die Herrschaft Konstanze und ihrem Ehegatten zu. Diese musste jedoch
erst erstritten werden. Politische und persönliche Gegensätze flammten wieder auf,
besonders die zwischen Erzbischof Walter von Palermo und Vizekanzler Matthaeus
von Aiello.17 Aiello war es nun, der sich gegen eine deutsche Vorherrschaft auf der
Insel und eine Angliederung an das römisch-deutsche Imperium stellte. Um die
politischen Absichten geltend zu machen, brauchte man einen Herrscherkandidaten.
Diesen fand man in Tancred von Lecce. Dieser illegitime Enkel Rogers II., wurde mit
Zustimmung des Papstes am 18. Januar 1190 in Palermo zum König gekrönt. 18
Unterdessen war Heinrich entschlossen die Politik seines Vaters, den sog.
„Erbreichsplan“, durchzusetzen. Darin beabsichtigte er die Wahlmonarchie des
Heiligen römischen Reiches in eine Erbmonarchie umzuwandeln, also die
„Erblichkeit der römisch-deutschen Königskrone“ 19 für die Staufer durchzusetzen. Als
Gegenleistung bot er den weltlichen Fürsten die Erblichkeit ihrer Reichslehen und
den geistlichen Fürsten den Verzicht auf das königliche Spolienrecht. 20 Der
Erbreichsplan hätte dazu geführt, dass der Kirchenstaat vom Reichsgebiet dauernd
umschlossen gewesen wäre und der Papst die Lehensherrschaft über die Insel
Sizilien verloren hätte. Das war der Grund, weshalb Papst Clemens III. ( bis 1191)
die Gegenseite unterstützte und auch sein Nachfolger Cölestin III. den Erbreichsplan
ablehnte.21

Heinrich zog unterdessen 1194 ein zweites Mal, nachdem er 1191 gescheitert war,
nach Italien. Er hatte das Glück, dass Tancred bereits 1193 gestorben war. Im
Bündnis mit Pisa und Genua stehend, sollte er seinen Siegeszug mit der
Kaiserkrönung in der Hauptstadt Siziliens, in Palermo, feierlich abschließen. Es
schien, als ob Friedrich über eine günstige Ausgangslage verfügte und wohlbehütet
aufwachsen konnte.
Nach dem Tod Heinrichs übernahm Konstanze die Staatsgeschäfte im Königreich
Sizilien. Sie richtete ihr Interesse auf die Wahrung der Macht für sich und Friedrich.
Obgleich ihr Mann eine gegen die kirchlichen Interessen gerichtete Politik verfolgt
hatte, bei der er die Verbindung zwischen Imperium und Regnum herzustellen

17
Stürner, S.34.
18
Ebenda, S.34-35.
19
Houben, S.27.
20
Brockhaus Enzyklopädie, 5. Band, DOM-EZ, Wiesbaden 1968, .S.626-627.
21
Strürner, S.35. s.dazu auch: Eva, Sibylle; Gerhard, Rösch, Kaiser Friedrich II. und sein Königreich Sizilien,
Sigmaringen 1995, S.38.

6
beabsichtigte, zwangen die Umstände sie zu einer Kursänderung. Sie suchte den
Kompromiss mit der Kurie. Denn es war unumgänglich, einen starken Schirmherren
für sich und ihren Sohn zu finden.
Im Mai des Jahres 1198 hatte Philipp von Schwaben, der jüngere Bruder Heinrichs
VI., sich zum deutschen König wählen und krönen lassen. Dieser hatte, an dem
imperialen staufischen Reichsgedanken festhaltend, zunächst die Regentschaft für
den schon zum deutschen König gewählten, doch nicht gekrönten unmündigen
Neffen Friedrich übernommen, sich nach der Königserhebung des Welfen Otto IV.
durch die Welfenpartei jedoch von der Stauferpartei überreden lassen, sich selbst
zum Gegenkönig gegen Otto IV. erheben zu lassen, um die staufische Macht im
Reich zu sichern.22 Daraufhin ließ Konstanze jeglichen Anspruch auf die römische
Krone für Friedrich fallen.23 Sie glaubte wahrscheinlich, durch den Verzicht auf die
Kaiserkrone und das Imperium für Friedrich, bei dem sie weiterhin den Papst in
Gegnerschaft gehabt hätte und durch die Beschränkung des Machtanspruchs auf die
Insel, die Herrschaft für sich und ihren Sohn sichern zu können. Andernfalls hätten
beide unweigerlich den Papst in Gegnerschaft gehabt.
Das ist auch der Grund, weshalb sie alle deutschen Berater aus ihrer Umgebung
entfernte.24 Zuerst hatte sie sich bereit erklärt, Sizilien, wie schon die Vorgänger
ihres Vaters Roger II., von der Kirche als Lehen zu nehmen und so Innozenz III.
erstens zum Lehnsherren und zweitens zum Vormund ihres Sohnes zu machen. 25
Innozenz konnte das nur gelegen kommen. Im Zentrum seiner Politik stand von
Anfang an die "unio regni ad imperium"26 zu verhindern und, wenn möglich,
aufzulösen.

Am 28. November. 1198 starb überraschend auch Konstanze und Friedrich wurde
Vollwaise. Kurz davor hatte Konstanze in ihrem Testament offiziell Papst Innozenz III.
zum Vormund Friedrichs bestimmt und dafür die Höhe der zu zahlenden Geldsumme
festgelegt.27 Sie beauftragte die Erzbischöfe von Palermo, Monreale, Capua und

22
Herbert,Grundmann, Wahlkönigtum, Territorialpolitik und Ostbewegung im 13. und 14. Jahrhundert, in:
Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 5, Stuttgart 1980, S.17-18.
23
Van Eickels, S.35.
24
Ebenda, S.35; Kantorowicz erklärt den neuen Kurs Konstanzes mit ihrem „Deutschenhass“ und der damit
verbundenen Abwendung von der deutschen Politik und eine Angliederung an das Deutsche Reich.
25
ebenda, S.35.
26
Kölzer, S.607.
27
Stürner, S.85, Kantorowicz S.26.

7
Reggio di Calabria und den Kanzler Walter von Pagliara mit den Regierungs- und
Verwaltungsaufgaben des Reiches, als Familiaren des Königs. 28

2.2 Der Kampf um Macht und Einflussnahme

Auf der Insel herrschte ein dauernder Machtkampf, den es in seiner Größe und
seinen Einzelheiten zu schildern, einer eigenen Untersuchung bedürfte. Jedoch darf
man bei diesem nicht permanent offenen Konflikt, aber dafür latent vorhandenem
Risiko des Umbruchs, nicht gleich von Anarchie und Unruhe sprechen 29 Es herrschte
kein direkter Bürgerkrieg, sondern nur ein Zwist zwischen verschiedenen Parteien,
die gegensätzliche Interessen vertraten und unbedingt die Macht auf der Insel für
sich sichern wollten, was nur über die Person Friedrichs II. ging.

2.2.1 Walter von Pagliara

Rein rechtlich gesehen war Friedrich II. trotz seiner Unmündigkeit, der amtierende
König auf der Insel. Deshalb lag es im Interesse der verschiedenen Parteien, den
jungen Thronerben in ihre Gewalt zu bringen, um faktisch die Macht zu besitzen und
in seinem Namen Politik betreiben zu können. Neumann spricht von vier Parteien,
den Imperialen, Kurialen, Feudalen und Loyalen, auf der Insel, die um die
Vormachtstellung auf der Insel kämpften. 30
Friedrich verweilte nach dem Tod der Mutter vorerst in der Obhut des Kanzlers
Pagliara. Walter von Pagliara war von Konstanze auf Wunsch des Papstes begnadigt
worden. Möglicherweise war Konstanze mit diesem Schritt eine Reduzierung der
Zahl der Kontrahenten und Eindämmung der Krisen gelungen. 31 Sie hatte versucht,
mit allen Mitteln die Legitimation ihrer Erbmonarchie und ihre Selbständigkeit zu
wahren.32

28
ebenda, S.86.
29
vgl. dazu Kantorowicz, Stürner.
30
Ronald Neumann, Parteibildungen im Königreich Sizilien während der Unmündigkeit Friedrichs II. (1198-
1208), in Europäische Hochschulschriften, Bd.266, Frankfurt a.M. 1986, S.40; Kölzer S.608.
31
Theo, Kölzer, Ein Königreich im Übergang?, Sizilien während der Minderjährigkeit Friedrichs II., in:
Festschrift für Eduard Hlawitschka, Hrsg. von Karl Rudolf, Schnith und Roland, Pauler, Lassleben 1993, S.344.
32
Houben, S.28.

8
2.2.2 Markward von Annweiler

Die Zeit, die Friedrich bei Walter von Pagliara verbrachte, sollte nicht lange dauern.
Markward von Annweiler, der Vertraute Heinichs VI., schaffte es drei Jahre später, im
Jahr 1201, in der Absicht, die Insel unter seine Herrschaft zu bringen, Palermo zu
erobern und den inzwischen siebenjährigen König in seine Gewalt zu bringen. 33
Markward von Annweiler hatte sich als ehemaliger Heereskommandant und engster
Mitarbeiter34 Heinrichs u.a. durch die Niederwerfung des Aufstands gegen Heinrich
VI. 1197 ausgezeichnet, war aber nach dessen Tod von Konstanze aus Sizilien
ausgewiesen worden. Er verkörperte die staufische Präsenz auf der Insel Sizilien.
Über ihn versuchte die staufische Partei und König Philipp von Schwaben ihre
Interessen auf der Insel zu verwirklichen und zu wahren. 35 Konstanzes Konkordat
und ihr Testament fanden von ihnen keinerlei Beachtung. 36 Markward übernahm nach
seiner Rückkehr, die Führung auf der Insel und der sich dort befindenden deutschen
Parteien.37
Für Innozenz III. und das Papsttum bedeutete Markwards Herrschaft die Fortsetzung
der staufischen Interessen und der Politik auf der Insel. Deshalb stellte er sich auch
38
rigide gegen ihn. Innozenz verurteilte Markward als „Feind Gottes und der Kirche“ .
Noch zu Heinrichs Lebzeiten hätte Innozenz in einem Brief an den an den
unmündigen Friedrich behauptet, dass Markward die sizilianische Krone anstrebe
und dafür sogar glaubhafte Belege besitze, die Friedrichs Geburt als Täuschung
beweisen könnten.39 Ihm gehe es nicht um die Wahrung der Ordnung, sondern um
die Herrschaft an sich, so Innozenz.40
Nachdem Markward im September 1202 erkrankt war und kurz darauf starb, schickte
Philipp von Schwaben den Herzog von Spoleto, Konrad von Urslingen, in das
sizilische Königreich, damit dieser die Position Markwards übernähme. Jedoch starb
auch dieser im Laufe des Jahres und ein andere deutscher Heerführer, Wilhelm
Capparone, nahm seine Stelle ein.41

33
Stürner, S.98-99.
34
Ebenda, S.43.
35
Houben, S.29.
36
Kölzer, S.607.
37
Neumann, S.41.
38
Stürner, S.89.
39
Ebenda, S.43.
40
Stürner, S.90.
41
Neumann, S.41., Stürner S.100.

9
Sowohl Walter von Pagliara als auch Markward von Annweiler betitelten sich als
Herrscher des gesamten Königreichs, aber gleichzeitig nur als Stellvertreter Philipps
auf der Insel. Beide Machtansprüche waren durch Philipp von Schwaben legitimiert
worden.

2.2.3. Wilhelm von Capparone

Nach Markward übernahm Wilhelm von Capparone die Führung auf der Insel. Im
Gegensatz zu Markward von Annweiler steuerte Wilhelm von Capparone nicht
gewollt und bewusst auf einen Konflikt mit Papst Innozenz zu. Ganz im Gegenteil
reiste er 1204 zum Papst nach Rom und berichtete ihm von der Lage des jungen
Thronanwärters.42 Capparones Herrschaft wiederum sollte nur vier Jahre anhalten.
Trotz des scheinbaren Ausgleichs zwischen Papst und Staufenpartei, wurden Intrigen
und Machtkämpfe um den Einfluss auf den jungen König fortgeführt. Kanzler Walter
von Pagliara gelang es mit der Unterstützung von Diepold von Schweinspeunt,
einem deutschen Lehnsherren aus Neapel, die Macht aus Capparones Hand zu
nehmen.43

2.2.4 Papst Innozenz III. und die Vormundschaft

Seit 1198 konnte Papst Innozenz III. sich rechtmäßig als Vormund des unmündigen
Friedrich bezeichnen. Ihm lag, wie wir aus seinen Briefen herauslesen können,
augenscheinlich einiges an dem Schutz und der Obhut Friedrichs.
Der Ernst und die wirkliche Intention Innozenz‘ Bestrebens speiste sich
wahrscheinlich eher aus einer opportunistischen Politik, als aus einer persönlichen
Sorge um und Bindung zu Friedrich.
Denn eine wirklich durchgreifende und einflussnehmende Rolle als Vormund konnte
Innozenz nicht einnehmen. Seine Ohnmacht lag weniger an der räumlichen
Entfernung, als vielmehr an der Tatsache der unzureichenden Macht. Innozenz

42
Ebenda, S.474.
43
Stürner, S.100.

10
konnte nur durch seine Gesandten, den Kardinallegaten, einen Überblick und einen
Einfluss auf das Geschehen auf der Insel gewinnen. 44
Für Innozenz war es also unausweichlich, wenn er denn ein Stimmrecht bei dem
Machtspiel auf der Insel haben wollte, mit einem der deutschen Befehlshaber über
die königlichen Truppen eine Übereinkunft zu treffen. Deshalb arbeitete er zuerst mit
Kanzler Pagliara zusammen, was sich auch anbot, da beider Interessen sich nicht
behinderten. Über die Lage und besonders die Ausbildung erstattete zuerst der
Großhofjustitiar Thomas von Gaeta und später der Legat Gerhard Bericht an
Innozenz. Gerhard sprach wahrscheinlich auch mit dem jungen Thronfolger und fand
nichts an dessen Ausbildung auszusetzen.45

3. Der junge Friedrich - Mythos und Wirklichkeit

3.1 Die Geburt Friedrichs

Zahlreiche Gerüchte und diverse Legenden ranken sich um die Geburt Friedrichs,
die am 26. 12. 1194 in Jesi 46 stattgefunden hatte. Verleumdungen stammten meist
aus späterer Zeit und wurden von der staufischen Gegnerschaft publiziert. Stoff
boten das hohe Alter und die bisherige Kinderlosigkeit Konstanzes 47.
So behauptete der Mönch Albert von Stade in seiner Weltchronik „Annales
stadenses“48, die er erst Jahrzehnte später zu schreiben begann 49, dass Konstanze
aufgrund ihres hohen Alters unfruchtbar gewesen sei und aus Furcht vor einer
Kinderlosigkeit, ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Durch Medikamente
habe man eine Schwangerschaft nur vorgetäuscht und zum Zeitpunkt der Geburt
sich eines Kindes aus dem Volke bedient.
Die Leute, so schreibt er, hätten „wahrhaftig“ beteuert, dass das Kind eigentlich das
eines Arztes, Müllers oder Falkners gewesen sei. 50 Salimbene de Adam, ein
Franziskanermönch aus Parma, der Ende des 13. Jahrhunderts schrieb, fügt dem

44
Stürner, S.87.
45
Rösch, S.108.
46
Houben, S. 24.
47
Ebenda, S.26.
48
Albert von Stade, annales stadenses, hg. von Georg Heinrich Pertz (MGH SS annales aevi suevici) Hannover
1859, S.271-329.
49
Nämlich von 1206-1254., s. ebenda.
50
Van Eickels, Albert von Stade, S.28-29.

11
Ganzen den Mythos einer Geburtssimulation an. Er schreibt in seiner „Cronica“, dass
es das Gerücht gebe, Friedrich sei eigentlich der Sohn eines Fleischers. 51
In eine andere Richtung geht die Behauptung des Chronisten Ricardo Malispini, dem
sich auch Giovanni Villani und Pandolfo Collenuccio anschließen. So habe
Konstanze ihr Kind bewusst in einem Zelt auf dem Marktplatz geboren, um alle
Zweifel aus der Welt zu räumen und die Echtheit zu beweisen. 52 Dieses Gerücht fand
später viele Anhänger, die es weiter verbreiteten. 53 Diese Behauptung klingt nicht
überzeugend, da es sinnvoller gewesen wäre, an einem viel bedeutenderen Ort, z.B.
der benachbarten Stadt Ancona, ein solchen „Beweis“ zu erbringen, als in dem
unscheinbaren und abgelegenen Städtchen Jesi.
Interessant und vielleicht der Anlass zu Gerüchten gebende Faktor ist aber, dass
Friedrich selbst sich zu seinem Geburtsort äußerte, diesen rühmte und eigenartige
Vergleiche anstellte. So verglich er Jesi mit Bethlehem und aufgrund des
Geburtsdatums sich selbst mit Jesus, als eine Art Reformator fühlend 54. Grund für
solche Vergleiche sind im mittelalterlichen Denken zu suche. Im Mittelalter galt der
Kaiser als Stellvertreter Christi.55
Doch nicht nur abwertende und diffamierende, sondern auch euphorische Stimmen
berichten von Friedrichs Geburt: So preist z.b/B. Petrus von Eboli, ein Kleriker aus
Salerno, am Ende seines Heinrich VI. gewidmetem/n Buches Friedrich II., als den,
der die Zeiten erneuern und ein Reich ewigen Friedens bringen wird. 56 Er glaubt in
dem Knaben in Vergils vierter Ekloge, in der die Geburt eines Knaben und der
Anfang eines goldenen Zeitalters besungen wird, Friedrich zu sehen.
Was man mit Gewissheit über die Geburt sagen kann, ist lediglich, dass Konstanze
und Heinrich VI. sich im Mai 1194 auf dem Weg vom italienischen Festland nach
Sizilien befanden und kurz in Mailand Halt machten. Konstanze schlug aufgrund ihrer
Schwangerschaft einen bequemeren Weg von Osten über die Küstenstraße nach
Süden ein und machte aufgrund ihrer akuten Situation in Jesi Halt, wo die Geburt
letztendlich stattfand.57 Heinrich eilte nach Palermo, um sich am Weihnachtstag 1194
krönen zu lassen. Einen triftigen Grund, wieso ihre Wahl auf Jesi fiel, gibt es nicht.

51
Ebenda, S.29-30.
52
Houben, S.469, van Eickels, S.31-32.
53
Vgl. Houben S.469.
54
Ebenda, S.74.
55
Ebenda, S.75.
56
Van Eickels, S.26.
57
Stürner, S.468.

12
Bei der Namensvergebung soll Konstanze ihren Sohn in Anlehnung an ihre
normannische Herkunft, Konstantin genannt haben. 58 Bei seiner Taufe zwei Jahre
später wurde er nach seinen beiden ruhmreichen Großvätern, Friedrich und Roger,
benannt.

3.2 Friedrichs frühe Kindheit (1194-1198)

Wie schon zu Beginn gesagt wurde, sind die Quellen mit Informationen über die
frühe Kindheit Friedrich II., also über den Alltag, über seine Erziehung, die Menschen
und Eindrücke recht spärlich und gewähren fast keinen Einblick in die frühe
Lebensphase. Man kann nur Mutmaßungen anstellen, welche gestützt mit viel
Spitzfindigkeit zu kleinen, aber wenigstens dann vorhandenen Erkenntnissen führen
können.
Die ersten drei Monate verbrachte der Säugling mit seiner Mutter in Foligno (bei
Assisi), auf dem Hof des Herzogs von Spoleto, Konrad von Urslingen. Danach
vertraute Konstanze ihr Neugeborenes der Gattin des Herzogs an und folgte ihrem
Mann nach Apulien59. In den ersten drei Lebensjahren wird Friedrich anstelle seiner
Mutter von der Gräfin mit deren eigenen Kindern aufgezogen 60. Von dem Leben am
Hof von Spoleto ist so gut wie nichts bekannt, nicht einmal welche Sprache Friedrich
zuerst erlernte.61
Es stellt sich die Frage, wieso Konstanze ihr erstes, neugeborenes Kind so plötzlich
zurückließ und ihrem Mann folgte. Wahrscheinlich opferte sie die Erziehung ihres
Kindes für die Staatsgeschäfte.
Erst als Heinrich VI. am 28. September 1197, infolge einer rezidiven
Malariaerkrankung starb, wurde Friedrich nach Palermo gebracht und am 17. Mai.
1198 im Dom, in dem auch sein Vater bestattet liegt, zum König von Sizilien
gekrönt.62Der Sinn und die Funktion ist für einen Betrachter der heutigen Zeit auf
Anhieb nicht ersichtlich und vielleicht absurd. Was bringt es ein Kind zu krönen? Für
einen mittelalterlichen Menschen ist die Kinderkrönung nichts Neues und einsichtig.
Konstanze gelang damit ein kluger Schachzug: Auch wenn Friedrich zu dem
58
Albert von Stade, annales stadenses, hg. von Georg Heinrich Pertz (MGH SS annales aevi suevici) Hannover
1859, S.353.
59
Houben, S.27, Kölzer, S.607.
60
Stürner, S.50.
61
Houben, S. 106.
62
ebenda, S.50.

13
Zeitpunkt nur ein Kind war, war er infolge der Krönung, faktisch der amtsausübende,
legitime und anerkannte König auf der Insel. Damit bewahrte Konstanze nicht nur die
Herrschaft für sich und ihren Sohn, sondern auch beider Leben.

Die alte Forschungsmeinung stellt Friedrichs Kindheit melodramatisch dar. Friedrich


soll in einem völlig desolaten Zustand durch die Gassen des multikulturellen Siziliens
geschlendert und dabei von den multiethnischen und multireligiösen Einflüssen der
Insel geprägt worden sein. Seinen Hunger, so wird an einigen Stellen geschrieben,
habe die örtliche Bevölkerung gestillt 63. Der herumvagabundierende Junge soll bis zu
einem gewissen Zeitpunkt innig mit dem Volk gelebt haben, dadurch nicht von dem
noblen und vornehmen Lebensstil auf dem Hof geformt worden sein, was ihn
schließlich zu dem gemacht haben soll, den man später in ihm erkannte, nämlich
einen idealen Herrscher, den ersten „Renaissance - Menschen“.
Er habe die Sorgen und Nöte des Volkes gekannt, genug Wissen und Erfahrung
besessen, um sich in zwei Kulturkreisen, dem Orient und dem Okzident zu bewegen,
und dadurch den Titel „Stupor mundi“ verdient. Diese Darstellung ähnelt einer
Bilderbuch-Geschichte, die schön klingt, wahrscheinlich aber nicht der Realität
entspricht.

3.3. Erziehung, Aussehen und Charakter

3.3.1. Höfisches Umfeld und Erziehung

Über die Erziehung, seinen Tagesablauf und die Personen um Friedrich herum,
lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Gewiss ist aber, dass es um Friedrich
Menschen gab, welche konkret aus der Herrschaftszeit Heinrichs und Konstanzes
kamen, ihn pflegten, erzogen und lehrten. Es waren regierungstreue und
herrschernahe Bedienstete und Hofangestellte, deren Anliegen es war, sich um das
Wohl des Erben zu kümmern. So kann davon ausgegangen werden, dass trotz der
den jungen Friedrich umgebenden Machtquerelen und wechselnden politischen
Bezugspersonen, die sicherlich auch seine Entwicklung beeinflussten, die
bestehenden Strukturen am Hof, ein Komplex von Vernetzungen zwischen
63
Kantorowicz, S.43.

14
Bediensteten und Angestellten, nicht völlig zerstört oder willentlich ausgelöscht
wurden und so entscheidenden Einfluss auf Friedrichs Entwicklung nahmen. Das
Hofleben blieb also, wenn auch nicht wie zur Zeit Heinrich VI., höchstwahrscheinlich
intakt.
So scheint die Annahme gerechtfertigt, dass es Personen gab, seien es männliche
oder weibliche, die seit Geburt Friedrichs wenn nicht, dann seit seinen frühesten
Jahren sich in seiner Nähe befanden und sich um ihn in vieler Hinsicht sorgten. 64
Daraus ist zu schließen, dass Friedrich vielleicht nicht die idealste Erziehung genoss,
schließlich hatte er seine Eltern verloren, aber dennoch, wie aus den Quellen zu
entnehmen ist, eine traditionell höfische/ritterliche Ausbildung erhielt. 65
Das einzige Quellenzeugnis, das uns ausführliche Informationen über Erziehung,
Aussehen und Verhalten gibt, stammt aus dem Jahre 1207 von einem unbekannten
Autor aus der Umgebung Walters von Pagliara.66 Aus der Quelle sind nicht viele
Informationen zu entnehmen. Zu klären ist auch, inwiefern die hier geschilderte
Ausbildungsform sich von einer anderen mittelalterlich üblichen Erziehung
unterschied. Gab es Besonderheiten, die Friedrich in seinem Leben erheblich
prägten?
In der Quelle wird Friedrichs Tagesablauf wie folgt beschrieben:

„Niemals in Ruhe verbringt er den Tag in ständiger Tätigkeit, und damit die Kraft
durch Übung gemehrt werde, schult er seinen gelenken Körper im Umgang mit
jeglicher Art von Waffen: Bald handhabt er sie, bald zieht er das Schwert, das ihm
mehr als alles andere vertraut ist, und gerät in wilde Wut, als wolle er es seinem
Gegner ins Gesicht stoßen. Er hat gut gelernt, den Bogen zu spannen und Pfeile
abzuschießen, und übt sich fleißig darin. Er hat seine Freude an edlen und schnellen
Pferden; sie mit dem Zaum anzutreiben und laufen zu lassen – das kannst Du
glauben – versteht niemand besser als der König. So verbringt er den ganzen Tag
mit Übungen in verschiedenen militärischen Aktivitäten und den Abend bis in die
Nacht hinein mit der Lektüre von Kriegsgeschichte.“ 67

Friedrich genoss demnach eine ideale Herrscherausbildung, die neben der


Aneignung von militärischem Wissen und Geschick, auch die Schulung von Geist
und die Vernunft beinhaltete. Die Darstellung belegt zudem den Ehrgeiz und das
unermüdliche Streben des jungen Friedrich nach Perfektionierung seiner

64
Vgl. dazu Stürner, S.476.
65
Houben, S.111.
66
Ebenda, S.109-110.
67
Ebenda, S.109.

15
Fertigkeiten. Sie wirkt stark idealisiert. Dennoch bezeugt Friedrichs späteres
kriegerisches Handeln, dass er eine gute Ausbildung genossen haben muss, die u.a.
auch eine militärische Seite hatte und persönlichen Einsatz erforderte. Was sein
späteres kriegerisches Handeln bezeugt. Neben der Lektüre von „Kriegsgeschichte“
wurde er intellektuell gut geschult. Friedrich sprach mehrere Sprachen und
beschäftigte sich mit Literatur. 68 Er betrieb wissenschaftliche Forschungen und
verfasste später eigene Schriften, z.B. zur Falknerei. Über seine geistige Leistung
ist noch Folgendes zu lesen:

„So sehr eilt aber sein Können dem Alter voraus, dass er, wohl ausgerüstet mit
Wissen, noch bevor er zum Mann gereift ist, die Gabe der Weisheit empfangen hat,
die sich doch (normalerweise) erst im Laufe der Zeit ausbildet. Darum rechne bei ihm
nicht die Zahl der Jahre nach und warte nicht auf die Zeit der Reife, denn an Wissen
ist er schon jetzt ein Mann und an Majestät ein Herrscher.“ 69

Auch hier wird Friedrich, als das reife Kind präsentiert, das schon die
Charaktereigenschaften und -züge des späteren Herrschers verinnerlicht hatte. Ob
er wirklich die Gabe der „Weisheit“ empfangen hatte, wissen wir nicht. Gewiss
verfügte er aufgrund seines Geschlechts, seiner adligen Herkunft, seiner Erziehung
und Belesenheit, vielleicht auch der unterschiedlichen kulturellen Einflüsse und
politischen Erfahrungen im Spielfeld der Mächte, über einen scharfen und kritischen
Geist, der sich in seinen späteren, oft sehr klugen und taktisch vorteilhaften Taten
bewies.

3.3.2 Äußeres Erscheinungsbild

Neben Tagesablauf und Fähigkeiten ist auch Friedrichs Aussehen näher


beschrieben:

„Die Statur des Königs hast Du Dir nicht klein vorzustellen, aber auch nicht größer,
als es seinem Alter entspricht. (…) Außerdem besitzt er königliche Würde, Miene
und gebieterische Majestät des Herrschers. Sein Antlitz ist von anmutvoller
Schönheit, mit heiterer Stirn und einer noch strahlenderen Heiterkeit der Augen, so
dass es eine Freude ist, ihn anzuschauen.“70

68
Houben, S. 111.
69
Ebenda, S.108.
70
Houben, S.109-110.

16
Der Schilderung ist zu entnehmen, dass Friedrich kein außergewöhnliches
physisches Erscheinungsbild aufwies, vielleicht aber eine gewisse Schönheit und
Heiterkeit ausstrahlte. Unübersehbar wird Friedrich, wie permanent in der Quelle,
idealisiert beschrieben. Inwieweit man in einem kleinen Kind dessen „königliche“
Würde und majestätische Seele ablesen kann, ist fraglich.

3.3.3 Charaktermerkmale

Als charakterliche Stärken stellen die Quellen heraus, dass Friedrich „aufgeweckt“,
„scharfsinnig“ und schnell im Lernen sei. Stellenweise wird jedoch auf ein
ungebührliches Verhalten angespielt. Ein außergewöhnlich rohes Verhalten lege er
an den Tag, das ihm aber nicht angeboren sei, sondern er sich später durch den
Umgang mit rohen Menschen angeeignet habe. Dazu steht in den folgenden Zeilen
aber:

„Doch seine angeborene königliche Begabung, sich leicht zum Bessern zu wandeln,
wird wohl allmählich durch bessere Gewöhnung das unpassende Verhalten, das er
angenommen hat, ändern.“71

Hier wird erstmals eine Kritik an Friedrichs Verhalten laut, diese jedoch durch
Hervorhebung der Fähigkeiten des Königs herabgespielt:
Immer wieder werden dem jungen Friedrich Attribute zugesprochen, die ihn als den
geborenen Herrscher glorifizieren. Diese Haltung impliziert auf eigene Art und Weise,
dass der Thronfolger schon vorab für die Krone bestimmt sei, in sich die Herrscher-
Seele trage und dies in allen Persönlichkeitsmerkmalen, in seinem Verhalten,
Aussehen und seiner Haltung offen zutage tritt. So bezeugt die folgende Passage
auch die ihm zugeschriebenen außergewöhnlichen Charaktereigenschaften:

„In Verbindung damit steht freilich, dass er unzugänglich für Ermahnungen, dem
freien Ermessen seines Willens folgt und es anscheinend als schimpflich betrachtet,
bevormundet und für einen Knaben anstatt für einen König gehalten zu werden.
Daher kommt es, dass er jede Bevormundung von sich abschüttelt und dass die
Freiheit, die er sich nimmt, oft das Maß dessen, was einem König erlaubt ist,
überschreitet. Er lässt sich dann zu sehr in allgemeinen Umgang ein, und das
Gerede darüber muss die Ehrfurcht vor der Majestät mindern.“ 72

71
Ebenda, S.110.
72
Ebenda, S.110.

17
Die Quelle schreibt Friedrich Starrsinn, Ausbruch aus der höfischen Etikette, ein
unkonventionelles Verhalten und einen Hang zum Umgang mit Menschen zu. Das
eigentlich pubertäre Fehlverhalten wird jedoch wiederum in königliche Attribute wie
Herrscherstolz, Willensfreiheit und Befehlsgewalt gekehrt. Es zeigt aber auch, dass
Friedrichs II. unkonventionelles und eigenwilliges Verhalten in seiner späteren Zeit in
seiner Jugend schon angelegt war und zum Ausdruck kam.
Neben der unbekannten Quelle liegt ein anderes Schriftzeugnis vor, das
aufschlussreiche Informationen über Friedrichs Charakter gibt. Es wird eine Szene
geschildert, die sich in Palermo während der Übernahme durch Markward von
Annweiler 1201 im Schloss ereignete. Den Augenzeugenbericht des Lehrers
Friedrichs, Wilhelm Francisius, schildert der Erzbischof von Capua, Reinald von
Celano, in einem Brief an Innozenz III. folgendermaßen:

„(...) als ihm klar wurde, dass er nun den Fesseln der Barbaren ausgeliefert war, (…)
da schützte er sich statt mit Waffengewalt durch Tränen und konnte doch nicht – ein
gutes Vorzeichen für den künftigen Herrscher - den Adel königlicher Gesinnung
verleugnen. (…) sprang er, da er ja doch ergriffen werden musste, dem Häscher
entgegen und suchte, so gut er konnte, den Arm dessen, der den Gesalbten des
Herrn antastete, zu lähmen. Darauf nestelte er seinen Königsmantel auf, zerriss voll
Schmerz seine Kleider und zerkratzte mit der Schärfe der einschneidenden Nägel
sein zartes Fleisch.“73

Dieser Zeugenbericht vermittelt eine einem König unwürdige Schwäche, die sich in
den Tränen zeigt, aber als taktisches Kalkül ausgelegt und wiederum ins Positive
gekehrt wird. Die dargestellte Angriffs- und Kampfeslust, der Mut Friedrichs, das
Wissen um sein Gottesgnadentum und seine Unempfindlichkeit gegen körperliche
Schmerzen weisen den Knaben in den Augen des Berichterstatters dann eindeutig
als von „königlicher Gesinnung“ aus. Diese Schilderung wirkt, wie die vorherigen
stark idealisiert. Wenn Friedrich überhaupt ein solches Verhalten an den Tag legte,
muss das noch lange nicht heißen, dass dies von seiner Herkunft, von der Größe
seiner „Herrscher“-Seele herrührt und dass er „schon damals für die Weltherrschaft
bestimmt“74 war. Deutlich wird auch - vorbehaltlich der Glaubwürdigkeit der Quelle,
dass die antistaufische und antideutsche Erziehung Friedrichs schon gefruchtet

73
Houben, S.107-108.
74
Kantorowicz, S.29

18
hatte, denn der frühere Vertraute seines Vaters, Markward von Annweiler, wird als
Feind gesehen, von Reinald von Celano sogar als „Barbar“.
Die Zeit, in der Friedrich unter der Obhut Markwards blieb, dauerte nicht lange.
Dieser starb 11/2 Jahre nach seinem Triumph und für Friedrich begann eine
vierjährige Periode bei Wilhelm Capparone. 75

4. Pubertas

Am 26. Dezember 1208 vollendete Friedrich das 14. Lebensjahr und wurde damit
nach sizilischem Recht vollmündig. Die Vormundschaft Innozenz’ endete damit, aber
ein augenscheinlicher Politikwechsel war nicht zu verzeichnen. De Facto führte noch
immer Walter von Pagliara die Staatsgeschäfte, bis er 1210 des Hofes verwiesen
wurde.76
Wahrscheinlich galt, den Thronfolger in seiner Obhut zu haben, als faktische
Garantie für die Machtausübung, da man in seinem Namen die Regierung ausübte
und Urkunden ausstellen konnte. Dennoch hatte Friedrich bis dahin wahrscheinlich
seine eigene (Herrscher-) Persönlichkeit ausgebildet und eigene Vorstellungen
bezüglich seiner Sizilien- und Deutschlandpolitik entwickelt, zumal König Philipp
1208 in Bamberg ermordet worden war und der nun alleinig rechtmäßige König, Otto
IV., nach seiner Kaiserkrönung 1209 auf Sizilien zumarschierte.
Nach dem Willen des Papstes heiratete Friedrich mit seiner Mündigwerdung
Konstanze von Aragon, die ihm 1211 einen Sohn gebar. Diesen ließ Friedrich II. 1212
auf Wunsch des Papstes einjährig zum sizilianischen König krönen, bevor er sich
selbst auf den Weg nach Deutschland machte. Friedrichs eigene Jugend war
beendet.77

5. Resümee und Fazit

75
Ebenda, S.471.
76
Kölzer, S.608.
77
Houben, S.112-113.

19
Abschließend ist zur Kindheit und Jugend Friedrichs II sowie seiner
Persönlichkeitsentwicklung (Aussehen, Erziehung und Charakter) zu sagen, dass die
Darstellung in den uns vorliegenden Quellen einen Hang zur Idealisierung und
Mythenbildung erkennen lässt und dadurch eine gewisse Skepsis erzeugt. Aus der
Schilderung ist zu schließen, dass Friedrich vielleicht keine derartig ideale
Ausbildung genoss, dafür aber trotzdem eine ordentliche Ausbildung erhalten haben
muss. So setzen auch die anscheinend angeeigneten Fähigkeiten Friedrichs Lehrer
mit einem bestimmten Niveau und solidem Wissen voraus. 78
Aufgrund der mangelnden Quellenlage, aus der man sich weder neue Erkenntnisse
noch neue Interpretationen versprechen darf, ist es auch nicht möglich, genau zu
bestimmen, wie sich die frühe Lebensphase von Kindheit und Jugend letztendlich auf
Friedrichs späteren, sowohl persönlichen, als auch königlichen Werdegang
ausgewirkt oder diesen bedingt hat.
Es war auch von vornherein nicht das Anliegen der Arbeit dies zu tun. Ganz im
Gegenteil sollte versucht werden anhand von Quellen und Forschungsliteratur die
frühe Lebensphase zu thematisieren und weitesgehend ganzheitlich darzustellen.
Außer der unbekannten Quelle aus dem Jahre 1207 gibt es kein wirkliches
Schriftzeugnis aus der Zeit Friedrichs, das ihn beschreibt. So musste aus dieser stark
idealisierten Darstellung des Thronerben versucht werden, das Wahrheitsgetreue zu
filtern und zu prüfen.
Friedrich war gewiss nicht der Säugling, dem die majestätische Seele von den Augen
abzulesen war oder derjenige, in dessen Blicken die Herrscherseele sichtbar wurde.
Er war auch nicht der geborene Fürstensohn, dem die Herrschaft in die Wiege gelegt
wurde, und nicht der „Gassenjunge“, der im multikulturellen Palermo durch die
Gassen schlenderte. Allerdings scheint er doch mit Menschen niederen Ranges
verkehrt zu haben, wie in der dargestellten Quelle zu sehen ist.
Er war vielmehr das Kind einer turbulenten Zeit und unbeständigen Zuständen ohne
leibliche Bezugsperson, aber dafür mit fremden und treuen Bediensteten, die sich um
ihn sorgten. Sicher ist jedoch, dass Friedrich eine mehr oder minder gute Ausbildung
genossen haben muss und in den Kreisen aufgewachsen ist, die schon zuvor am Hof
in Palermo verweilten und nach dem Tod der beiden Regenten auch weiterhin,
mehrheitlich dort verblieben.

78
Vergleiche dazu Rösch, S. 110-111, dort ist die Rede von Tutoren, die außer in Krisenzeiten ihre Lehrtätigkeit
auch zu Zeiten von Markward und Capparone ausgeübt hätten.

20
Es erscheint auf den ersten Blick eindrucksvoll, wie selbstsicher, mutig und souverän
sich Friedrich trotz seiner unsicheren Kindheit später präsentierte und auftrat. So
konnte er z.B. im Alter von 18 Jahren 1212 den gefährlichen Weg nach Deutschland
auf sich nehmen, sich zum deutschen König krönen lassen und Otto IV. nach dessen
Niederlage gegen den französischen König bei Bouvines endgültig die Herrschaft in
Deutschland streitig machen. Er konnte den Nachfolger des Papstes Innozenz III.;
Honorius III., gegen ein Kreuzzugsversprechen bewegen, ihn 1220 mit 26 Jahren
zum Kaiser zu krönen, obwohl er gegen den päpstlichen Willen seinen Sohn Heinrich
VII. zum deutschen König hatte krönen lassen. Er konnte die Auseinandersetzung
mit drei aufeinanderfolgenden Päpsten auf sich nehmen, denn auch dem Papst
Innozenz III. hatte Friedrich II. 1215 schon einen Kreuzzug versprochen und nicht
getätigt, was er 1220 wiederholte und bis 1228 hinausschob. Bis dahin konnte er
selbst dem Kirchenbann des dritten Papstes, Gregor IX., trotzen und schließlich
gegen dessen Willen zum Kreuzzug aufbrechen. 79
Seine Stärke in prekären Situationen wichtige Entscheidungen zu treffen und die
Geschehnisse in die Richtung seiner Interessen lenken zu können, ohne dabei zu
konservativ und engstirnig zu sein, haben zu der Idealisierung seiner Person
beigetragen.
Zwischen Mythos und Wirklichkeit verläuft eine ganz dünne Linie, dessen Konturen
in dieser Arbeit versucht wurden freizulegen. Jedoch wird es, solange keine neuen
Quellen oder (schriftliche) Funde auftauchen, kein einheitliches Bild von Friedrichs
Kindheit und Jugend zu zeichnen sein.

Quellen- und Literaturverzeichnis

David, Abulafia, Herrscher zwischen den Kulturen, Friedrich II. von Hohenstaufen, London 1988

79
Vgl. dazu: Grundmann, S.27-49.

21
Abkürzung: Abulafia

Eva, Sibylle; Gerhard, Rösch, Kaiser Friedrich II. und sein Königreich Sizilien, Sigmaringen 1995
Abkürzung: Rösch

Ernst, Kantorowicz, Kaiser Friedrich II., Düsseldorf u.a. 1963.


Abkürzung: Kantorowicz

Franz, Kampers, Kaiser Friedrich II., Wegbereiter der Renaissance, in: Monographien zur
Weltgeschichte, Bd.34, Hrsg. von Eduard Henck, Bielefeld u.a. 1929
Abkürzung: Kampers

Gunther, Wolf (hrsg.), Stupor Mundi, Zur Geschichte Friedrichs II. von Hohenstaufen, in: Wege der
Forschung, Bd.101, Darmstadt 1966
Abkürzung: Wolf

Herbert,Grundmann, Wahlkönigtum, Territorialpolitik und Ostbewegung im 13. und 14. Jahrhundert, in:
Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 5, Stuttgart 1980.
Abkürzung: Grundmann

Hans Martin, Schaller, Kaiser Friedrich II., Verwandler der Welt, Zürich 1964
Abkürzung: Schaller

Hubert, Houben, Kaiser Friedrich II., Herrscher, Mensch und Mythos, Stuttgart 2008
Abkürzung: Houben

Klaus, van Eickels; Tania, Brüsch, Kaiser Friedrich II., Leben und Persönlichkeit in Quellen des
Mittelalters, Düsseldorf 2000
Abkürzung: van Eickels

Ronald, Neumann, Parteibildungen im Königreich Sizilien während der Unmündigkeit Friedrichs II.
(1198-1208), in Europäische Hochschulschriften, Bd.266, Frankfurt a.M. 1986
Abkürzung: Neumann

Theo, Kölzer, Ein mühevoller Beginn: Friedrich II. 1198-1212, in: De litteris, manuscriptis,
inscriptionibus..., Festschrift zm 65. Geburtstag von Walter Koch, Hrsg. von Theo, Kölzer u.a., Wien
2007
Abkürzung: Kölzer

Theo, Kölzer, Ein Königreich im Übergang?, Sizilien während der Minderjährigkeit Friedrichs II., in:
Festschrift für Eduard Hlawitschka, Hrsg. von Karl Rudolf, Schnith und Roland, Pauler, Lassleben
1993
Abkürzung: Kölzer (2)

Thomas, Cleve van, The Emperor Frederick II of Hohenstaufen, Immutator mundi, Oxford 1972
Abkürzung: Cleve

Erklärung

22
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorgelegte Hausarbeit selbständig verfasst und
einschließlich eventuell beigefügter Abbildungen und Skizzen keine anderen als die
im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen, Darstellungen und Hilfsmittel benutzt
habe. Dies gilt in gleicher Weise für gedruckte Quellen wie für Quellen aus dem
Internet.

Ich habe alle Passagen und Sätze der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach
anderen Werken entnommen sind, in jedem einzelnen Fall unter genauer Angabe der
Stelle ihrer Herkunft (Quelle, Seitenangabe bzw. entsprechende Spezifizierung)
deutlich als Entlehnung gekennzeichnet.

Außerdem erkläre ich, dass die vorgelegte Arbeit zuvor weder von mir noch - soweit
mir bekannt ist - von einer anderen Person an dieser oder einer anderen Universität
eingereicht wurde.

Mir ist bekannt, dass Zuwiderhandlungen gegen diese Erklärung eine Benotung der
Arbeit mit der Note "nicht ausreichend" zur Folge haben.

_________________________ ________________________
(Datum) (Unterschrift)

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