Public
Affairs
Social Media für Unternehmen,
Verbände und Politik
1. Auflage 2010
Digital Public Affairs
Social Media für Unternehmen, Verbände und Politik
Vorwort 11
Grundlagen
Best Cases
Onlinekommunikation in Verbänden:
Bundesverband der Deutschen Industrie 183
1. Ausgangssituation und Rahmenbedingungen 185
2. Strategie und Elemente der Onlinekommunikation
im BDI 187
3. Fünf Prognosen zur Entwicklung der verbandlichen
Online‑Kommunikation 199
Anhang
Vorwort 11
Positionspapiere, Events und Hintergrundgespräche fester
Bestandteil der Interessenvertretung, in denen es darum
geht, Positionen und Vorstellungen eines Unternehmens,
einer Institution oder Organisation zu verdeutlichen und
sie in der Sache überzeugen. Allerdings werden diese klas-
sischen PA-Instrumente nun durch neue „Qualifikationen“,
z. B. Social Web-Anwendungen, erweitert und optimiert, um
so Entscheidungsträger in Politik und Öffentlichkeit zeitge-
mäß für das eigene Vorhaben zu gewinnen.
Der vorliegende Band versucht, das Feld der Public Affairs
(PA) erstmals einerseits theoretisch fundiert, andererseits
anhand verschiedener Praxisbeispiele für die digitale Welt
fortzuschreiben und auf dieser Basis als Konzept zu etablie-
ren. Nach einem einführenden Beitrag, der das Feld der Digi-
tal Public Affairs wissenschaftlich-theoretisch erschließt
und zentrale Begriffe sowie Fragestellungen thematisiert,
stehen „Best Practice“-Beispiele exemplarischer Unterneh-
men, gemeinnütziger Organisationen und ausgewählter
gesellschaftlicher Akteure im Mittelpunkt dieses Buches.
Hierbei werden innovative Werkzeuge und Strategien für
den Umgang von Social Media im Bereich der Public Affairs
vorgestellt und bedeutsame Einblicke in Digital PA-Prak-
tiken gewährt. Die Sammlung inhaltlich vielfältiger Beiträge
in diesem Buch soll ein erstes Bild der neuen Domäne der
Digital Public Affairs vermitteln und so ein tiefergehendes
Interesse für den professionalisierten Einsatz von Social
Media in der politischen Kommunikation wecken. Am Ende
aber ist dieser Band vor allem eines, die Einladung zum wei-
terführenden Dialog über dieses spannende Berufsfeld auf
allen zur Verfügung stehenden Kommunikationskanälen.
Wir freuen uns auf diesen Dialog!
Torben Werner
Torben Werner ist seit 2003 Geschäftsführer des Berliner Me-
dienhauses Helios Media, das mit politik&kommunikation
das einzig deutschsprachige Magazin für politische Kom-
munikation herausgibt. Als Geschäftsführer der privaten
staatlich anerkannten Hochschule Quadriga Universität
Berlin sowie der Weiterbildungsinstitute Quadriga Akade-
mie Berlin und Deutsche Presseakademie befasst er sich seit
Jahren mit den Themen und Trends in Politik und Kommu-
nikation.
Die Herausgeber 15
Grundlagen
Digital Public Affairs
– Lobbyismus im
Social Web
Jessica Einspänner
Schlagwörter: Public Affairs, Digital Public Affairs, Web 2.0, Social Media,
Social Software, Lobbyismus, Governmental Relations, Politikberatung, PR,
Grassroot Lobbying, Astroturfing
Grundlagen 19
Einleitung
Mit dem von Cicero geprägten Begriff „res publica“, der ursprünglich das Gemein-
wohl bzw. die legitimierte Öffentlichkeit (eines Staates) bezeichnete (s. z. B. Häberle
2000: 9), lassen sich heute die externen Agenden öffentlicher Akteure als Grundlage der
Public Affairs definieren.
Grundlagen 21
strategische, zielorientierte und adressatenspezifische Dia-
logprozess der PA-Kommunikationsarbeit zu einer unab-
dingbaren Managementaufgabe öffentlich agierender Ent-
scheidungsträger entwickelt.
Die sich stetig verändernden politischen, wirtschaftlichen
und vor allem medialen Entwicklungen bewirken auf dem
Gebiet der politischen Interessenvertretung eine Neuori-
entierung, die aufgrund anhaltender Amerikanisierungs-
bzw. Globalisierungstendenzen „neoliberale Strukturen“
(Priddat/Speth 2009: 168) erkennen lassen. Der vermeint-
lich fragwürdigen „Hinterzimmerpolitik“ (Leif 2010: 8) des
Lobbying ist nun eine neue, direktere und professionali-
sierte aber auch transparentere und reziproke Kommuni-
kation zwischen den beteiligten PA-Akteuren gefolgt, die
auch als Multi Stakeholder-Perspektive bezeichnet wird
(s. z. B. Priddat/Speth 2009: 168). Deren Kerngedanke ist die
explizite Einbindung der Öffentlichkeit in die strategischen
Überlegungen der PA-Treibenden – eine Möglichkeit, die vor
allem durch die digitalen Medien und Social Web-Anwen-
dungen vorangetrieben wird. Ein weiteres Element dieser
Trendwende vom konservativen, einseitigen Lobbyismus
hin zum offenen, vielfältigen Public Affairs-Management
ist das abnehmende Vertrauen in die Arbeit der Verbände,
die vormals monopolistisch als Aggregatoren und Vermitt-
ler zwischen Unternehmens- und Politikinteressen agier-
ten (s. z. B. Höpner 2007, Priddat/Speth 2009: 168, Greven
2009: 76). Folglich gibt es nun nicht mehr die Interessen-
vertretung, sondern diverse PA-Bereiche, die eine selbstän-
dige Dialogkultur zwischen Staat und Akteuren der Gesell-
schaft pflegen und somit zur „kollektiven Demokratie“ (Det-
jen 1998: 275) beitragen. Der Perspektivenwechsel in der
Public Affairs-Kommunikation, den Politikwissenschaftler
als Abkehr von korporatistischen Konzepten und Neuauf-
kommen des Pluralismus beschreiben (s. z. B. Detjen 1998,
Jarren/Steiner/Lachenmeier 2007, Höpner 2007, Speth 2010),
erwirkt zudem eine positivere Perzeption von Interessen-
vertretung. Sowohl Praktiker als auch Theoretiker sehen
Politikberatung
Der Einsatz von professionellen PolitikberaterInnen zählt zu
den prominentesten Methoden der Public Affairs. Dieses, in
Deutschland noch recht junge Berufsfeld, begreift sich als
professionelle Beratungs- und Vermittlungsstelle zwischen
der Politik und ihren Stakeholdern in der Öffentlichkeit.
In diesem Fall geht nicht selten der Impuls von der Politik
selbst aus, die den Kontakt zu einflussreichen Akteuren in
Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sucht.
Die Aufgabe von politischen Beratern ist es, politisch rele-
vantes Wissen zu schaffen, verständlich aufzubereiten und
Problemlösungen vorzuschlagen. Politische Entscheidungs-
träger benötigen wissenschaftliche oder fachbezogene
Informationen, Hinweise und professionelle Ratschläge,
Grundlagen 23
da sie selbst „nicht unbedingt Strategen für Kommunika-
tion und Fachleute für spezielle Sachthemen sind“ (Radun-
ski 2006: 316). Dabei kann zwischen internen und externen
BeraterInnen unterschieden werden. Erstgenannte sind in
Deutschland z. B. die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen
bzw. der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundes-
tages, die den Abgeordneten zur Seite stehen. Der Aufgaben-
bereich externer Politikberater (auch spin doctors genannt),
der häufig als „Polit-Marketing“ bezeichnet wird (z. B. Pfetsch
2000: 7), umfasst unter anderem das Beziehungsmanage-
ment und das Schulen im Umgang mit den Massenmedien
sowie das Entwickeln ausgeklügelter, innovativer Wahl-
kampfstrategien. Gerade in Zeiten von Wahlkämpfen gilt
es, die Interessen von Parteien – bzw., wie z. B. in den USA
üblicher, einzelner KandidatInnen – in der Öffentlichkeit
durchzusetzen, um so nicht zuletzt von der Wählerschaft
Zuspruch zu erhalten.
Zu den Orten, an denen politisch bedeutsames Wissen
gesammelt und weiterverbreitet wird, gehören neben den
Ministerien und politischen Einrichtungen Forschungszen-
tren, Think Tanks oder Public Affairs Agenturen. Letztere
werden explizit für PA-Angelegenheiten von Unternehmen
oder anderen gesellschaftlichen Akteuren (weniger von der
Politik selbst) unter Vertrag genommen und sind daher auf
professionelle, qualitative PA-Maßnahmen spezialisiert.
Sie vermitteln die richtigen Ansprechpartner in der Politik,
organisieren Kampagnen und entwickeln auftraggeberge-
rechte Lobbyingstrategien. Der entscheidende Faktor neben
Professionalität und Loyalität, nach dem Politikberate-
rInnen engagiert werden, liegt in der Breite und Gestaltung
ihrer Netzwerke. Denn je einflussreicher die Kontaktper-
sonen und je wertvoller die Bekanntschaft mit ihnen, umso
eher wird es den PA-Agenten möglich, in die relevanten
politischen Prozesse und Gesetzesproduktionen einzugrei-
fen (Priddat/Speth 2009: 176).
Damit sich in Deutschland ein gewisser Standard im Hin-
blick auf die Aus- und Weiterbildung qualifizierter PA-Bera-
Lobbying
Lobbying (oder Lobbyismus) ist eine spezielle Form der Inte-
ressenkommunikation und ist – wenngleich sehr promi-
nent als Begriff für politische Einflussnahme verwendet –
vielmehr ein Teilbereich bzw. Instrument der Public Affairs
(s. z. B. Schönborn/Wiebusch 2002: 29, Bentele 2007: 15, Prid-
dat/Speth 2009: 170). Die Hauptaufgabe der Lobbyarbeit
besteht im Informieren und Überzeugen von politischen
Entscheidungsträgern hinsichtlich bestimmter (eigener)
Unternehmens- oder Organisationsvorhaben. Von hoher
Relevanz sind zudem Aufbau und Pflege der Netzwerke (z. B.
im Rahmen sog. parlamentarischer Abende oder Mittags-
veranstaltungen) sowie das Beobachten (Monitoring) und
Evaluieren des politischen Prozesses.
Zum klassischen Akteursfeld des Lobbyismus gehören in
Deutschland vor allem Verbände und (Wirtschafts-) Unter-
nehmen; zu den aktuelleren Organisationsformen zäh-
len PA-Agenturen oder Beratungsfirmen (s. z. B. v. Aleman/
Eckert 2006: 4). Lobbying im konventionellen Sinn versteht
Grundlagen 25
sich auf direkte, punktuelle Beeinflussung, d.h. es bezieht
sich auf eine diskrete, eindimensionale Interessenvertre-
tung „in kleiner Runde“ (Bentele 2007: 15), schließt die
Allgemeinheit somit aus. Aufgrund dieser Exklusivität ist
eine öffentliche Kontrolle der Lobbyarbeit im Grunde nicht
möglich, „wodurch sich zwangsläufig Fragen bezüglich der
demokratischen politischen Kultur und der Funktionsfähig-
keit des politischen Systems stellen“ (Speth 2010: 15). Häu-
fig wird moniert, die Praktiken von Lobbygruppen seien zu
undurchsichtig und zu wenig auf den gesamtgesellschaft-
lichen Vorteil ausgerichtet. Dass lobbyistische Einflusstak-
tiken, die nicht auf allen Seiten Konsens erzielen (können),
letztlich zu einem pejorativen Gesamtbild in der Öffentlich-
keit geführt haben, ist nicht zuletzt diversen Skandalen in
der Vergangenheit geschuldet. Meistens geht es hier um
aufgedeckte Spenden- oder Sponsorenaffären, die den Ein-
druck mangelnder Transparenz und somit unlauterer Ein-
flussnahme vermitteln. Mittlerweile haben sich zahlreiche
Initiativen gegründet, die gegen die vermeintlich dubiosen
Taktiken von Lobbygruppen angehen und potenzielle Miss-
stände der Lobbyarbeit aufzudecken versuchen. LobbyCon-
trol beispielsweise ist ein gemeinnütziger Verein, der „über
Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland
und der EU aufklären“ und der „Entmachtung der Bürge-
rInnen“ entgegen wirken will (www.lobbycontrol.de).
Jedoch wird an vielen Stellen die zentrale Bedeutung der
Lobbyarbeit für das demokratische System hervorgehoben
(s. z. B. Bender 2004, v. Aleman/Eckert 2006) und gefordert,
Interessenvertretung nicht „unter Generalverdacht“ zu stel-
len (Kleinfeld/Willems/Zimmer 2007: 11). Demnach ist eine
gesunde Skepsis gegenüber Lobbying durchaus opportun,
die Repräsentanz und Konkurrenz verschiedener Akteure in
der Öffentlichkeit, die relevante Themen (Issues) der Gesell-
schaft kontrovers diskutieren, jedoch eine wesentliche
Determinante des demokratischen Willensbildungspro-
zesses und Fundament eines verbesserten Allgemeinwohls.
Diese Auffassung, die konzeptionell dem Korporatismus
Grundlagen 27
2009: 22). Zur effizienten Beziehungspflege im Bereich der
Government Relations gehört daher vor allem eine kon-
stante Kommunikation und ein kontinuierlicher Informa
tionsfluss, von dessen Synergien beide Seiten profitieren
können.
Grundlagen 29
2. Das Social Web
Siehe zur Definition und detaillierten Unterscheidung zwischen Web 2.0 und Social
Web Ebersbach/Glaser/Heigl 2008.
Grundlagen 31
und entwickeln den Inhalt der Seite stetig mit, indem sie
ihren eigenen Beitrag leisten und Mitteilungen veröffentli-
chen. Ein typisches Beispiel dafür sind Wikis; Onlineplatt-
formen, auf denen durch einen selbstorganisierten Grup-
penprozess Wissen zusammengetragen, diskutiert und der
Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Im Mittelpunkt
der Interaktion steht folglich die Gruppe, „Einzelkämpfer,
die auf Kosten der Community arbeiten, werden nicht gerne
gesehen“ (Ebersbach et al. 2008: 31) – noch weniger unehr-
liche „Fake“-Persönlichkeiten.
Als das letzte wesentliche Merkmal des Social Web ist das
Prinzip der Transparenz definiert. Dieses ergibt sich aus der
typischen Web 2.0-Architektur, die mit zahlreichen seman-
tischen Querverweisen in Form von Hyperlinks unzähl-
bare Verbindungen zu Webseiten, Themen und Personen
herstellt. Transparenz im Web 2.0 meint aber nicht nur die
Möglichkeit, Inhalte zu verlinken und damit Quellen offen-
zulegen (häufig bei journalistischen oder anderen Recher-
chetexten), sondern auch das Sichtbarmachen von Hand-
lungen und Userinteraktionen. Für das Prinzip der Transpa-
renz kann somit das Gleiche angenommen werden wie für
das Prinzip der Authentizität: Quellen, Userrolle und eigene
Beiträge sollen echt, wahr und nachprüfbar sein. Kollabo-
rative und sich auf einander beziehende Beiträge ent- und
bestehen nur, wenn die entsprechenden Inhalte der ande-
ren User ersichtlich und nachvollziehbar sind. Web 2.0-
Internetseiten funktionieren nur mit den Beiträgen ande-
rer User, z. B. mit Kommentaren, Antwortpostings oder Wis-
senskontribution. Dadurch, dass solches Feedback für alle
einsehbar ist, werden weitere Kommentare angeregt. Das
Sichtbarwerden von dem, „was andere sagen, denken und
tun“ (Schenk/Taddicken/Welker 2008: 248), beeinflusst folg-
lich das eigene Verhalten. Die Art der Many-to-Many-Kom-
munikation verstärkt die Chancen, selbst aktiv zu werden.
Durch regelmäßige, interessante Postings, die der Commu-
nity einen echten Mehrwert bieten, wird man im Netzwerk
stärker wahrgenommen und kann so seine Reputation (im
Grundlagen 33
al.: 2007: 9). Nach Maßgabe partizipatorischer und delibe-
rativer Demokratiemodelle stehen folglich die selbststän-
dige, aktive Interessenartikulation der BürgerInnen und
der dadurch geschaffene gemeinsame Handlungsraum im
Mittelpunkt neuer Öffentlichkeitstheorien für die digitale
Netzwelt.
Grundlagen 35
Microbloggingdienste wie Twitter, Youtube etc.). Durch die
Vernetzbarkeit der einzelnen Plattformen untereinander
werden dabei zwar einige, sehr informierte User dieselbe
Botschaft mehrfach erhalten, jedoch kann die Reichweite
nur durch Crossposting auf Dauer gehalten bzw. erhöht wer-
den.
Um die Inhalte ansprechend zu gestalten, d.h. um seriöse
und profunde Nachrichten zu übermitteln, müssen Digi-
tal PA-Betreibende in erster Linie selbst gut informiert sein.
Dies schließt eigenständige Recherche neben fachlicher
Expertise mit ein. Das Besondere, das die publizierten Nach-
richten dann einzigartig macht, ist weniger eine explizite
(artifizielle) Unterrichtung der Öffentlichkeit, sondern die
Ermöglichung der Einblickgewinnung in die Arbeit der Digi-
tal PA-Treibenden. Dies bedeutet, dass bestimmte Inhalte
nicht zwangsläufig für die Interessierten aufbereitet wer-
den, sondern akquiriertes Wissen (z. B. Informationen zu
einem neuen Gesetz, Kommissionsberichte, E-Petitionen
etc.), das den Digital PA-Experten selbst als Handlungsquell
dient, allgemein verfügbar gemacht wird und zur Diskus-
sion auffordert. So fungieren die „digitalen Lobbyisten“
nicht nur als Distributoren von sonst für die Öffentlichkeit
schwer zugänglichen – da speziellen – Informationen, son-
dern auch als Aktivatoren und Katalysatoren einer politisch
relevanten Debatte. Durch regelmäßige Postings und neue,
interessante Links kann sich auf Dauer ein fester Userstamm
bilden, der die angebotenen Inhalte neugierig verfolgt und
den Erfahrungsstand der Digital PA-Manager selbst mit
wertvollen Hinweisen anreichert. Diese Community heißt
es also zu involvieren, und in den Diskurs einzubringen.
Gelegenheiten hierfür bieten sich sowohl online durch die
Bereitstellung eigener Erkenntnisse oder Rechercheinhalte,
in die dann Ideen, Vorschläge und Kritik der „Follower“ ein-
zuarbeiten sind, als auch offline im Rahmen von Meetings
und Diskussionsrunden. Der Gedanke hinter der Auswei-
tung des Onlinediskurses in die Offlinewelt ist vor allem der
Wunsch nach einer tiefgründigeren Auseinandersetzung
“not only to persuade your people to become advocates for your issues,
but also to educate them about the legislative process, provide access
to elected representatives, create a sense of teamwork, and recognize
stellar advocates” (Showalter/Fleisher 2005: 111).
Grundlagen 37
sperren in Deutschland („Zensursula“) abzulesen ist. Dieses
Mobilisieren der relevanten Community für gemeinsame
politische Aktionen, wie die Digital PA-Manager der E-Plus
Gruppe den dritten Schritt ihrer Strategie beschreiben, ist
ferner unter den Begriffen Grassroot Lobbying oder Multi-
Voice-Lobbying bekannt.
Grundlagen 39
gegen diverse Preise (z. B. Bücher, VIP-Tickets für McCain
Kampagnenauftritte etc.) einlösen konnte. Mit dieser Aktion
verfehlte McCain nicht nur die eigentliche Ideologie einer
Graswurzelbewegung, nämlich dass sich die Unterstütze-
rInnen einer Graswurzelkampagne aus freien Stücken und
aus tiefer Überzeugung daran beteiligen, er verlor dadurch
sehr an Glaubwürdigkeit. Wenngleich mit Hilfe von Social
Media zahlreiche Plattformen Gelegenheiten zum Initiie-
ren von gefälschten Graswurzelbewegungen bieten mögen
und dies für Kampagnenführer eine attraktive Möglichkeit
zu sein scheint, Interessen durchzusetzen, ist Astroturfing
keine empfehlenswerte Technik der Digital Public Affairs.
Grundlagen 41
Weblogs handelt, die das öffentliche Geschehen mir ihrer
Berichterstattung beeinflussen können (sog. A-List-Blogs),
ist der Einfluss dieser neuen Gatekeeper auf die Netz- und
Offlineagenda beträchtlich.
Digital Public Affairs-Manager können Weblogs im Rahmen
des Issues Management zweifach für sich nutzen: Einmal
als eigenes Publikationstool, mit dem sie selbst versuchen,
Themen zu setzen, und zum anderen als Werkzeug zur Beo-
bachtung bzw. Recherche der für sie relevanten Informati-
onen (Monitoring). Im ersten Fall lauten die Ziele, Aufmerk-
samkeit im Social Web und Reichweitenstärke zu generie-
ren, um so als digitale Meinungsführer die Netzagenda zu
beeinflussen. Dies verlangt kontinuierliches Aktualisieren
des eigenen PA-Blogs und das komplementäre Crossposting
auf sämtlichen relevanten Publikationskanälen im Web
2.0. Der Vorteil des Einsatzes eines Weblogs als PA-Tool ist
neben seiner einfachen (technischen) Nutzbarkeit sowie
Kostengünstigkeit insbesondere die Akzeptanz als glaub-
würdige und authentische Publikationsform des Social
Web. Durch die offene Kommunikationskultur sind Web-
logs im Sinne eines Peer-Review-Verfahrens stetigem Feed-
back bzw. mitunter auch herber Kritik ausgesetzt. So erhöht
sich die Gefahr, dass falsche bzw. unehrliche Postings aufge-
deckt werden und das Blog (und somit die Betreiber) im Netz
einen Reputationsschaden erleiden. Umso wichtiger ist die
Befolgung der Prinzipien der Transparenz und Authentizität
(s.o.), gerade für ein Webblog, das als Public Affairs-Instru-
ment marktpolitische Ziele verfolgt.
Für ein erfolgreiches Issues Management bedarf es zudem
noch eines zweiten wichtigen Schritts, dem Monitoring.
Darunter versteht man die „genaue und umfassende Beo-
bachtung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und poli-
tischen Umfelds eines Unternehmens“ bzw. öffentlichen
Stakeholders (Schönborn/Wiebusch 2002: 26). Das Moni-
toring dient der Identifikation politisch bedeutungsvoller
Themen, die es für PA-Treibende zu steuern und zu kon-
trollieren gilt. Traditionell inhäriert dies die Beobachtung
„What takes place in one locality now echoes nationally, if not glo-
bally. More and more outreach tactics are imported from other geogra-
Grundlagen 43
phic areas, where they have been tested and refined. Your advocates
are seeing events that have already been scripted somewhere else”
(Grefe/Castleman 2005: 162).
Grundlagen 45
Interessenvermittlung, das immer stärker auf eine Offen-
legung und deutliche Nachvollziehbarkeit der Verhältnisse
zwischen organisierten Interessengruppen und staatlichen
Institutionen drängt. Doch auch im direkten Dialog mit der
Politik sind die neuen Modi der Vernetzung von Vorteil. Poli-
tikerInnen, die Informationen über sich im Web 2.0 verbrei-
ten und gezielt steuern, sind so greifbarer und selbst bei
physischer Unerreichbarkeit noch scheinbar präsent. Dies
erleichtert die Zusammenarbeit und die Kontaktaufnahme
mit ihnen erheblich.
Grundlagen 47
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